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Wendepunkt 10 - Depression.ch

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ge in die Therapie<br />

ziehen,<br />

rtvoll sein»<br />

do<strong>ch</strong> Antidepressiva ma<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t<br />

abhängig.<br />

Wie sollte man si<strong>ch</strong> also verhalten?<br />

Im Idealfall zeigen die Angehörigen Verständnis<br />

und Empathie. Sie sollten versu<strong>ch</strong>en,<br />

den Patienten sanft zu ermutigen,<br />

damit er ni<strong>ch</strong>t in seiner negativen Grundstimmung<br />

verharrt. Sie könnten zum<br />

Beispiel ni<strong>ch</strong>t zu anstrengende Aktivitäten<br />

vors<strong>ch</strong>lagen, etwas, was der Patient gerne<br />

ma<strong>ch</strong>t.<br />

Es ist ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong>, mit einer depressiven<br />

Person zu leben. Besteht ni<strong>ch</strong>t die<br />

Gefahr, dass man selbst depressiv wird?<br />

Eine <strong>Depression</strong> ist zwar ni<strong>ch</strong>t ansteckend,<br />

do<strong>ch</strong> das Leben mit einer depressiven<br />

Person kann den Partner s<strong>ch</strong>on<br />

beeinflussen, vor allem, wenn er si<strong>ch</strong> für<br />

alles verantwortli<strong>ch</strong> fühlt. Beim Gesprä<strong>ch</strong><br />

mit den Angehörigen ermuntere<br />

i<strong>ch</strong> sie daher, auf ihre eigenen Grenzen<br />

zu a<strong>ch</strong>ten, einen Ausglei<strong>ch</strong> zu su<strong>ch</strong>en,<br />

Freunde zu treffen, etwas für si<strong>ch</strong> selbst<br />

zu tun. Es hilft dem Partner ni<strong>ch</strong>t, wenn<br />

man selbst in <strong>Depression</strong>en versinkt.<br />

Sehen Sie die Angehörigen man<strong>ch</strong>mal<br />

au<strong>ch</strong> ohne das Wissen des Patienten?<br />

Nein, das ist ausges<strong>ch</strong>lossen! Im Vordergrund<br />

einer Behandlung steht die Beziehung<br />

zwis<strong>ch</strong>en Patient und Arzt. Der<br />

Patient muss mir unbedingt vertrauen<br />

können. I<strong>ch</strong> spre<strong>ch</strong>e mi<strong>ch</strong> daher vorher<br />

mit ihm ab: Wenn er mö<strong>ch</strong>te, dass i<strong>ch</strong><br />

bestimmte Dinge ni<strong>ch</strong>t anspre<strong>ch</strong>e, respektiere<br />

i<strong>ch</strong> das. Beim gemeinsamen<br />

Gesprä<strong>ch</strong> mit den Angehörigen frage i<strong>ch</strong><br />

ihn einleitend, ob er mir gestattet, über<br />

seine Krankheit zu spre<strong>ch</strong>en. Dur<strong>ch</strong> sein<br />

Einverständnis entbindet er mi<strong>ch</strong> implizit<br />

von meiner ärztli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>weigepfli<strong>ch</strong>t.<br />

Dur<strong>ch</strong> die gemeinsamen Treffen<br />

wissen au<strong>ch</strong> immer alle, was gesagt<br />

wurde.<br />

«Es hilft demPartner ni<strong>ch</strong>t,<br />

wenn man<br />

selbst in<br />

<strong>Depression</strong>en<br />

versinkt»<br />

Kommt es au<strong>ch</strong> vor, dass die<br />

Patienten ein Gesprä<strong>ch</strong> mit den<br />

Angehörigen ablehnen?<br />

Das kommt vor, zum Beispiel wenn ein<br />

Patient für<strong>ch</strong>tet, dass der Arzt etwas<br />

«ausplaudern» könnte. Man<strong>ch</strong>e für<strong>ch</strong>ten<br />

au<strong>ch</strong>, der Therapeut könnte erkennen,<br />

dass sie ni<strong>ch</strong>t die Wahrheit gesagt oder<br />

gewisse Dinge zu ihrem Vorteil dargestellt<br />

haben. Dabei besteht die Gefahr,<br />

dass die therapeutis<strong>ch</strong>e Allianz zwis<strong>ch</strong>en<br />

dem Patienten und dem Arzt S<strong>ch</strong>aden<br />

ZUR PERSON<br />

nimmt. Das kommt allerdings eher selten<br />

vor.<br />

Wo liegen die Grenzen sol<strong>ch</strong>er<br />

Gesprä<strong>ch</strong>e?<br />

Wenn die familiäre Situation sehr angespannt<br />

ist oder zum eigentli<strong>ch</strong>en Problemfeld<br />

des Patienten gehört, ist es besser,<br />

die Angehörigen ni<strong>ch</strong>t zu sehen. In diesem<br />

Fall s<strong>ch</strong>lage i<strong>ch</strong> eine Paartherapie<br />

bei einem Kollegen vor. Man<strong>ch</strong>mal lehnen<br />

übrigens au<strong>ch</strong> die Angehörigen ein<br />

Gesprä<strong>ch</strong> ab, weil sie ahnen, dass sie<br />

si<strong>ch</strong> dabei mögli<strong>ch</strong>erweise selbst hinterfragen<br />

müssten.<br />

Wodur<strong>ch</strong> unters<strong>ch</strong>eidet si<strong>ch</strong> Ihr<br />

Ansatz von einer Familientherapie?<br />

Die Familientherapie beruht auf einem<br />

systemis<strong>ch</strong>en Ansatz. Sie geht davon<br />

aus, dass die <strong>Depression</strong> des Patienten<br />

stark vom familiären System beeinflusst<br />

wird; die therapeutis<strong>ch</strong>e Arbeit konzentriert<br />

si<strong>ch</strong> daher auf dieses Bezugssystem.<br />

Die kognitive Verhaltenstherapie<br />

hingegen hat vor allem den depressiven<br />

Patienten im Blick. Die Angehörigen können<br />

punktuell einbezogen werden, um<br />

ihn zu unterstützen.<br />

Was ma<strong>ch</strong>en Sie, wenn der Patient<br />

keine Angehörigen hat?<br />

Au<strong>ch</strong> Patienten, die ni<strong>ch</strong>t in einer Paarbeziehung<br />

leben, haben meistens einen<br />

Mens<strong>ch</strong>en, zu dem sie eine enge Beziehung<br />

pflegen und der bei Bedarf einbezogen<br />

werden kann. Aber man kann<br />

einen Patienten au<strong>ch</strong> behandeln, ohne<br />

die Familie zu treffen.<br />

Dr. Philippe Huguelet leitet seit ca. zehn Jahren einen der vier Sektoren des<br />

allgemeinen psy<strong>ch</strong>iatris<strong>ch</strong>en Dienstes der Universitätsklinik Genf (HUG)<br />

und ist Lehrbeauftragter an der Universität Genf. Er wurde in Neuenburg<br />

geboren und ist 49 Jahre alt. Er ist Spezialist für die Behandlung von psy<strong>ch</strong>otis<strong>ch</strong>en<br />

Störungen, <strong>Depression</strong>en und Persönli<strong>ch</strong>keitsstörungen. Sein<br />

Fors<strong>ch</strong>ungss<strong>ch</strong>werpunkt ist die Beziehung zwis<strong>ch</strong>en Psy<strong>ch</strong>iatrie und<br />

Spiritualität.<br />

THERAPIE<br />

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