Prüfungsstress Warum alle so wild auf Castings ... - Sueddeutsche.de
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6 was wer<strong>de</strong>n Schule&Job<br />
Die Besserwisser<br />
Niemand fällt die Entscheidung für einen Beruf o<strong>de</strong>r ein Studium <strong>alle</strong>in. Es gibt immer Menschen, die einem liebend gern helfen.<br />
Doch oft sind gera<strong>de</strong> die eifrigsten Ratgeber mit Vorsicht zu genießen. Denn sie verfolgen eigene Interessen, meint Peter Wagner<br />
Irgendwann steht Berufsfindung <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Lehrplan – und auch zu Hause will je<strong>de</strong>r mitre<strong>de</strong>n. Wie <strong>so</strong>ll man da einen kühlen Kopf bewahren? Foto: privat<br />
Der Lehrer Die Eltern Die älteren Geschwister<br />
Lehrer sehen sich oft nicht wirklich befugt, dir Tipps<br />
für die Zukunft zu geben. Sie haben genug Mühe,<br />
ihren Stoff durchzubringen und für Ruhe zu <strong>so</strong>rgen<br />
(„Tim? Tim?? Ein letztes Mal: Timmm!“). Manchmal<br />
aber ist es an<strong>de</strong>rs. Manchmal entzün<strong>de</strong>t sich im Unterricht<br />
ein kleines Feuer namens „ehrliches Interesse“.<br />
Wenn du dich für ein Fachgebiet begeisterst und <strong>de</strong>r<br />
Lehrer noch nicht <strong>alle</strong>s Herzblut aus <strong>de</strong>m Berufsleben<br />
in sein Privatleben umgelenkt hat, entwickelt sich <strong>so</strong><br />
etwas Wun<strong>de</strong>rbares wie För<strong>de</strong>rung. Dann gibt dir <strong>de</strong>r<br />
Lehrer Tipps, dann verweist er <strong>auf</strong> Literatur o<strong>de</strong>r<br />
bringt gar ein Büchlein aus seiner privaten Bibliothek<br />
mit. Solchermaßen lenkt er sanft <strong>de</strong>inen Weg und<br />
betreibt Werbung für sein eigenes Fach. Er macht in<br />
diesem Moment ein bisschen PR für seinen Lebensweg.<br />
Wie kann man es ihm ver<strong>de</strong>nken? Ist er mit <strong>de</strong>m Lehramtsstudium<br />
nicht zum berufsmäßigen Fan eines<br />
bestimmten Fachgebiets gewor<strong>de</strong>n? Der engagierte<br />
Lehrer ist <strong>de</strong>shalb, wie zum Beispiel auch <strong>de</strong>r Pressesprecher<br />
eines Unternehmens, ein gefährlicher Ratgeber,<br />
ein befangener Informant. Seine Begeisterung<br />
für dich und <strong>de</strong>in Interesse kann dich blen<strong>de</strong>n, kann<br />
dir die Sicht <strong>auf</strong> an<strong>de</strong>re Optionen versperren. Allerdings<br />
kommt das ja nicht <strong>so</strong> oft vor, Klassenstärken<br />
und Zeitnot verhin<strong>de</strong>rn meistens <strong>so</strong> viel Engagement.<br />
Häufiger ist ein Lehrer damit beschäftigt, Schülern<br />
zu ver<strong>de</strong>utlichen, dass sie besser die Finger von seinem<br />
Fach lassen. Aber auch das ist ja ein wichtiger Teil<br />
<strong>de</strong>r Berufsberatung: sagen, was nicht geht.<br />
Die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Eltern im großen Spiel namens<br />
„Berufsfindung“ wird stets und heftig unterschätzt.<br />
Es gibt Mütter und Väter, die mit ihrer Geldbörse die<br />
Wahl von Studienort, Fach o<strong>de</strong>r Ausbildungsbetrieb<br />
dirigieren: Wenn das Elternhaus knausern muss<br />
und <strong>de</strong>r Nachwuchs folgsam ist, wird häufig eine<br />
Hochschulstadt nahe <strong>de</strong>r Heimat und ein Studienfach<br />
mit guter Jobaussicht gewählt. Hauptsache kosteneffizient.<br />
Es gibt Ärzte, die gemeinsam mit ihren<br />
Kin<strong>de</strong>rn die mit „Dr. med.“ betitelten Menschen im<br />
Familienverbund nachzählen. Wenn das Ergebnis<br />
im zweistelligen Bereich liegt, sagt <strong>de</strong>r Vater leise<br />
und sehr Mafia-Pate-artig: „Du willst diese Dynastie<br />
doch nicht zerstören, o<strong>de</strong>r?“ In an<strong>de</strong>ren Haushalten<br />
wollen Eltern aus ihren Ab<strong>so</strong>lventenkin<strong>de</strong>rn das<br />
machen, was sie selbst gern gewor<strong>de</strong>n wären.<br />
Dann drängen sie <strong>auf</strong> eine Promotion – „ich hätte<br />
<strong>so</strong>nst was dafür gegeben, <strong>so</strong> eine Chance zu haben.“<br />
An<strong>de</strong>re tun <strong>alle</strong>s dafür, aus ihrem Nachwuchs kleine<br />
Ausstellungsstücke zu fertigen, über die man stolz<br />
im Bekanntenkreis berichten kann. Bei <strong>so</strong>lchen<br />
Eltern sind Berufsentscheidungen gut angesehen,<br />
die ihre Kin<strong>de</strong>r zu <strong>de</strong>utschen Großkonzernen, in die<br />
weite Welt o<strong>de</strong>r – Sicherheit ist eben Trumpf – ins<br />
Beamtentum führen. Eltern als Berater sind <strong>de</strong>shalb<br />
mit üppiger Vorsicht zu genießen. Sie verfolgen eigene<br />
Interessen und sind in Sachen Berufswahl Versicherungsvertretern<br />
nicht unähnlich. Die haben auch<br />
ihre Provision immer fest im Blick.<br />
Brü<strong>de</strong>r und Schwestern, die dir schon ins Abenteuer<br />
Leben vorangeschritten sind, sprechen gern in Extremen.<br />
Bestimmte Studienfächer seien „superleicht“<br />
o<strong>de</strong>r „sauschwer“. Bestimmte Ausbildungen könntest<br />
du „total vergessen“, weil du da „nie im Leben einen<br />
Job fin<strong>de</strong>st“. Sie berichten aus <strong>de</strong>m Berufsleben gern<br />
wie von einem Schlachtfeld, <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m nur die Unterwürfigen<br />
vorankommen. Während <strong>de</strong>ine Geschwister<br />
Gleichaltrigen gegenüber von <strong>de</strong>r Herrlichkeit ihrer<br />
Arbeit schwärmen, vom Erfolg in ihrem Beruf, von<br />
wun<strong>de</strong>rbaren Aufstiegschancen, haben sie vor dir<br />
nichts zu verbergen. Du bist kein Konkurrent. Du<br />
bist harmlos. Du bist nur die kleine Schwester o<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r kleine Bru<strong>de</strong>r. Dir kann man die Wahrheit über<br />
<strong>de</strong>n langweiligen Job sagen. Naja, und <strong>de</strong>ine Geschwister<br />
gef<strong>alle</strong>n sich ja auch darin, an dir zum ersten Mal<br />
ihre neu erworbene Weisheit zu testen. Das Leben<br />
zaubert nämlich immer dann die weichen Abdrücke<br />
<strong>de</strong>r Genugtuung in das Gesicht eines Menschen, wenn<br />
er an<strong>de</strong>ren von seinen Erfahrungen berichten darf.<br />
Hinzu kommt, dass <strong>de</strong>ine Geschwister schon in <strong>de</strong>iner<br />
Kindheit sehr gut darin waren, dir Angst einzujagen.<br />
Damals, als ihr noch im gleichen Zimmer geschlafen<br />
habt, da haben sie dir Grusel- und Geistergeschichten<br />
erzählt, weil sie selbst schon wussten, dass es Grusel<br />
und Geister nicht gibt. Es hat sie amüsiert, dich bei<br />
<strong>de</strong>m Gedanken, was da draußen <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Welt <strong>alle</strong>s <strong>auf</strong><br />
dich zukommt, ein bisschen schau<strong>de</strong>rn zu sehen.<br />
Schon damals hättest du ihnen nicht glauben dürfen.