Reihe SozNat*: Mythos Wissenschaft

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07.11.2014 Aufrufe

So nimmt es denn auch kein Wunder, daß die physikunterrichtlichen Weltbilder jede kritische Distanz zur Wissenschaft vermissen lassen. Selbst über die Wirklichkeit moderner Naturwissenschaft, über ihre Organisation und Finanzierung, über den Alltag der Wissenschaftler in isolierten Hochschulinstituten, in der industriellen Verwertungsmaschinerie oder in den Tempeln der big science erfahren die Schüler so gut wie nichts, von den Problemen der wissenschaftlich mitzuverantwortenden Umweltzerstörung oder der rund die Hälfte der weltweiten naturwissenschaftlich-technischen Kapazitäten in Anspruch nehmenden Rüstungsforschung (Brämer 1982) ganz zu schweigen. Der einzige Unterschied zwischen historischen und aktuellen Hinweisen besteht darin, daß die Naturwissenschaftlerzunft mit zunehmender Annäherung an die Gegenwart immer anonymisierter in Erscheinung tritt, bis schließlich nur noch in "man"-Formulierungen oder im Passiv vom Fortschritt "der Wissenschaft" die Rede ist. 45 Physikbücher im Weltbildvergleich Wie nicht anders zu erwarten, weichen die untersuchten Lehrbücher hinsichtlich Weltbildausstattung und -struktur im einzelnen zum Teil beträchtlich von den referierten Durchschnittsdaten ab. Tabelle 1 gibt eine Übersicht sowohl über die Textanteile als auch die thematischen Profile der unterschiedlichen Weltbilder. Dabei fällt ins Auge, daß nicht etwa die stufenunterschiedenen Ausgaben ein und desselben Werkes, sondern die stufengleichen Bücher unterschiedlicher Autoren die größten Ähnlichkeiten aufweisen. Um diesen Eindruck quantitativ zu überprüfen, haben wir für alle kombinierbaren Lehrbuchpaare aus Tab. 1 die jeweiligen Abstände zwischen ihren Weltbildprofilen (genauer ihre mittleren quadratischen Profilabweichungen [7]) berechnet. Wenn man angesichts des von 4 bis 42 % reichenden Spektrums dieser Abstände Profile mit mittleren Abweichungen bis 5 % sehr ähnlich, bis 10% als ähnlich und bis 15 % als entfernt ähnlich klassifiziert, läßt sich das Ergebnis einer solchen Ähnlichkeitsanalyse relativ einfach darstellen. [7] dx,y = -N L Ir. N (x z ~~z)2" V z=1 mit xz, yz als relativen Besetzungszahien des Weltbildbereichs z in den Lehrbüchern x und y. Den Abstandsberechnungen lag allerdings ein differenzierteres Kategoriensystem als in Tabelle 1 zu Grunde. Vergi. hierzu Brämer (Hrsg.) 1977b, S_ 128.

Tab. 1: Weltbildumfang in absoluten Zahlen, relativen Textanteilen und Aussagen pro Normalseite sowie thematische Struktur der Weltbilder im Lehrbuchvergleich (Weltbildprofile) Tabelle 1 Schröder Halberstadt Dorn 1 Brennecke 1 Dom 2 Brennecke 2 Kuhn Durchschnitt Gerthsen Weltbild aussagen 923 368 526 306 867 906 2070 852 315 absolut Weltbildanteil 17 (%) Aussagendichte (A/NS) 12 7 3 8 7 14 10 3 6 3 3 1 2 2 5 3 1 I 9 3 5 4 11 9 14 8 12 Ideologie W Wissenschaft ---------------------------------------- --- 17 12 52 50 77 85 57 50 79 T Technik 46 24 23 22 8 6 25 22 13 G Gesellschaft 13 U 34 Umwelt 19 17 9 10 4 15 14 3 58 23 25 8 4 15 24 4

So nimmt es denn auch kein Wunder, daß die physikunterrichtlichen<br />

Weltbilder jede kritische Distanz zur <strong>Wissenschaft</strong> vermissen lassen. Selbst<br />

über die Wirklichkeit moderner Naturwissenschaft, über ihre Organisation<br />

und Finanzierung, über den Alltag der <strong>Wissenschaft</strong>ler in isolierten Hochschulinstituten,<br />

in der industriellen Verwertungsmaschinerie oder in den<br />

Tempeln der big science erfahren die Schüler so gut wie nichts, von den<br />

Problemen der wissenschaftlich mitzuverantwortenden Umweltzerstörung<br />

oder der rund die Hälfte der weltweiten naturwissenschaftlich-technischen<br />

Kapazitäten in Anspruch nehmenden Rüstungsforschung (Brämer 1982)<br />

ganz zu schweigen. Der einzige Unterschied zwischen historischen und aktuellen<br />

Hinweisen besteht darin, daß die Naturwissenschaftlerzunft mit zunehmender<br />

Annäherung an die Gegenwart immer anonymisierter in Erscheinung<br />

tritt, bis schließlich nur noch in "man"-Formulierungen oder im Passiv<br />

vom Fortschritt "der <strong>Wissenschaft</strong>" die Rede ist.<br />

45<br />

Physikbücher im Weltbildvergleich<br />

Wie nicht anders zu erwarten, weichen die untersuchten Lehrbücher hinsichtlich<br />

Weltbildausstattung und -struktur im einzelnen zum Teil beträchtlich<br />

von den referierten Durchschnittsdaten ab. Tabelle 1 gibt eine Übersicht<br />

sowohl über die Textanteile als auch die thematischen Profile der unterschiedlichen<br />

Weltbilder. Dabei fällt ins Auge, daß nicht etwa die stufenunterschiedenen<br />

Ausgaben ein und desselben Werkes, sondern die stufengleichen<br />

Bücher unterschiedlicher Autoren die größten Ähnlichkeiten aufweisen.<br />

Um diesen Eindruck quantitativ zu überprüfen, haben wir für alle kombinierbaren<br />

Lehrbuchpaare aus Tab. 1 die jeweiligen Abstände zwischen<br />

ihren Weltbildprofilen (genauer ihre mittleren quadratischen Profilabweichungen<br />

[7]) berechnet. Wenn man angesichts des von 4 bis 42 % reichenden<br />

Spektrums dieser Abstände Profile mit mittleren Abweichungen bis 5 % sehr<br />

ähnlich, bis 10% als ähnlich und bis 15 % als entfernt ähnlich klassifiziert,<br />

läßt sich das Ergebnis einer solchen Ähnlichkeitsanalyse relativ einfach darstellen.<br />

[7] dx,y = -N L Ir.<br />

N (x z ~~z)2"<br />

V z=1<br />

mit xz, yz als relativen Besetzungszahien des Weltbildbereichs z in den Lehrbüchern<br />

x und y. Den Abstandsberechnungen lag allerdings ein differenzierteres<br />

Kategoriensystem als in Tabelle 1 zu Grunde. Vergi. hierzu Brämer (Hrsg.) 1977b,<br />

S_ 128.

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