07.11.2014 Aufrufe

Reihe SozNat*: Mythos Wissenschaft

Reihe SozNat*: Mythos Wissenschaft

Reihe SozNat*: Mythos Wissenschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

schränken sie sich in ihrer Argumentation weitgehend auf die intentionale<br />

Ebene, also die Ebene der Bildungsabsichten, ohne die soziale Wirklichkeit<br />

der Schiller und ihrer Eltern in Schule, Produktion und Gesellschaft nennenswert<br />

zur Kenntnis zu nehmen. Darüberhinaus steht für beide Fraktionen<br />

die ideologische Erziehung im Sinne der Orientierung der Schiller auf<br />

wissenschaftlich-technische Weltsichten im Vordergrund, läßt sich doch<br />

auf der rein berufsqualifikatorischen Ebene kein allgemeines naturwissenschaftliches<br />

Bildungspostulat begründen.<br />

Diese interessengebundene Gemeinsamkeit der bundesdeutschen Naturwissenschaftspädagogen<br />

setzt sich unterschwellig in ihren erklärten Differenzen<br />

fort. Zwar grenzen sich die linken Didaktiker hinsichtlich ihrer generellen<br />

Zielorientierung massiv von den etablierten Kollegen ab, doch die<br />

Art· dieser Zielorientierung ist dieselbe. Beide Fraktionen offerieren ihren je<br />

unterschiedlichen Zielgruppen - der Wirtschaft auf der einen, der Arbeiterklasse<br />

auf der anderen Seite - die Schiller als vorgeblich beliebig manipulierbare<br />

pädagogische Objekte. Die ihnen staatlicherseits überantwortete Jugend<br />

ist gewissermaßen die von den Didaktikern eingebrachte Bündnismasse im<br />

angestrebten Vertrag mit der jeweiligen Zielgruppe.<br />

Das ist auch der Grund, weshalb von seiten beider Fraktionen ein so<br />

geringes Interesse an der gegenwärtigen und zukünftigen Lebenswirklichkeit<br />

der Schiller besteht. Denn jeder ernsthafte Versuch, sich hierüber Klarheit<br />

zu verschaffen, würde notwendig die relative Wirkungslosigkeit geplanter Bildung<br />

und Erziehung offenbaren. Die Aufrechterhaltung des Scheins einer<br />

beliebigen pädagogischen Produzierbarkeit von angepaßten Arbeitskräften<br />

bzw. Arbeiterrevolutionären ist aber die entscheidende Grundlage des fachdidaktischen<br />

Tauschangebotes an die jeweiligen Bündnispartner: Manipulation<br />

der Schiller gegen Aufwertung des eigenen Standes.<br />

Dabei zielt das fachdidaktische Produktionsaufgebot zwar in beiden Fällen<br />

vordergründig nur auf die Anerkennung als Zuarbeiter für die gegenwärtig<br />

bzw. zukünftig herrschende Klasse, doch in Wirklichkeit steckt mehr<br />

dahinter. Besonders deutlich wird das am beiderseits gepflegten Technokratieverständnis:<br />

Nur der kann in der Gesellschaft mitsprechen, der etwas von<br />

den Naturwissenschaften versteht. Am meisten hiervon verstehen aber die<br />

sozusagen professionell kompetenten Naturwissenschaftler, denen daher<br />

eine besondere Bedeutung in der Gesellschaft der Zukunft zukommt: Sie<br />

sind die führende Intelligenz, und die Fachdidaktik ist ihr Prophet.<br />

Für die linken Didaktiker kommt hinzu, daß ihre Zielgruppe im Gegensatz<br />

zu der der etablierten Kollegen zur Zeit noch vergleichsweise zurückgeblieben<br />

erscheint [11]. Bevor die Arbeiterklasse die Macht übernehmen<br />

kann, muß sie erst einmal die verwissenschaftlichte Welt aus der richtigen<br />

Perspektive durchschauen und so überhaupt erst ihre eigenen Interessen<br />

erkennen lernen. Infolgedessen messen sich die linken <strong>Wissenschaft</strong>seman-<br />

31<br />

(11) Pukies (1975) spricht in diesem Zusammenhang von den Arbeitern als zur Zeit<br />

noch "bewußtlollen Maschinenteilen" .

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!