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08/2008 - KaffeeKlatsch

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Notabene eingedeutscht<br />

( Kloster), Kirchentisch (Altar), klägeln (querulieren),<br />

Krautbeschreiber (Botaniker), Leuthold (Patriot), Lotterbett<br />

(Sofa), Lusthöhle (Grotte), Lustkind (Amor), Meuchelpuffer<br />

(Pistole), Schalksernst (Ironie), Scheidekunst (Chemie),<br />

Spitzgebäude (Pyramide), Spottnachbildung (Parodie), Tageleuchter<br />

(Fenster), Weiberhof (Harem) oder Zeugemutter<br />

(Natur) beteiligt war.<br />

Dabei bräuchte man gar nicht so krampfhaft nach etwas<br />

Deutschem 4 zu suchen, hinterlässt doch auch jeder<br />

Gast seine (sprachlichen) Spuren, wenn er Wörter mitbringt<br />

die einfach gut klingen – das gilt auch für Besetzer.<br />

So geht die Mär, dass der Besetzung durch Napoleon<br />

so schöne Begriffe wie Fisimatenten zu verdanken sind.<br />

Die hier stationierten französischen Soldaten sollen angeblich<br />

immer versucht haben, deutsche Mädchen zum<br />

Zeitvertreib mit der Einladung Visitez ma tente (Besuchen<br />

Sie mein Zelt) oder auch Vis y ma tente (Sieh dort<br />

mein Zelt) in (oder besser auf ) ihr Lager zu locken. So<br />

wurden den jungen Frauen eingebläut dem Fisi ma tenten<br />

Folge zu leisten. Schon wieder die Franzosen. Dabei ist<br />

das Französisch doch im Deutschen vom Aussterben bedroht.<br />

Und es klingt doch so schön. 5<br />

Bei allen Bedenken bezüglich der Fremdwörter (egal<br />

aus welchem Land) darf man nicht vergessen, dass sie<br />

dennoch ihre Existenzberechtigung haben. Mangelt es<br />

uns doch allzu oft an Wörtern, die „Tausende von Erfahrungen,<br />

Gefühlen, Situationen und sogar Gegenständen,<br />

die uns allen vertraut“ sind, beschreiben.<br />

Douglas Adams und John Lloyd ist hier [4] ein<br />

Geniestreich gelungen, in dem sie die vielen Wörter, die<br />

während ihres gesamten Daseins nichts weiter tun, als auf<br />

Schildern herumzuhängen und auf irgendwelche Orte zu<br />

deuten, mit jenen bekannten Sachverhalten zu verknüpfen.<br />

6 So beschreibt beispielsweise ein Nad (n.) die Distanz<br />

zwischen den Fingerspitzen und dem Schlitz, in den man<br />

seinen Parkschein stecken muss, um aus dem Parkhaus<br />

wieder rausfahren zu können (ca. 18,4 cm).<br />

Mit Eigennamen kommt man ja, unabhängig von ihrer<br />

Herkunft, ohnehin relativ gut zurecht. Gelegentlich<br />

macht einem zwar das Geschlecht der Wörter zu schaffen,<br />

aber das ist ein Problem, das nicht den Fremdwörtern<br />

vorbehalten ist. Heißt es der, die oder das Interface,<br />

weil es die Englisch Sprechenden nicht so mit den Ar-<br />

4<br />

Wann ist denn eigentlich ein Wort ein deutsches?<br />

5<br />

Professor Higgins aus Bernhard Shaws Pygmalion meint dazu im davon abgeleiteten<br />

Musical My Fair Lady nicht ohne Grund, dass es den Franzosen egal ist,<br />

was sie tun, solange sie es ordentlich aussprechen („The French don't care what<br />

they do, actually, as long as they pronounce it properly“).<br />

6<br />

Von dem Buch gibt es doch tatsächlich ein Übersetzung [5]. An und für sich ist<br />

das eine tolle Idee, aber wie übersetzt man denn Ortsnamen des einen Landes<br />

in die eines anderen? Und hat man damit nicht die Change vergeben, ein polyglottes<br />

Vokabular zu schaffen!?<br />

tikeln haben. Also übernehmen wir den Artikel aus der<br />

deutschen Übersetzung: der Adapter, die Schnittstelle<br />

oder das Zwischenstück. Wie dem auch sei, ich sage das<br />

Interface, und LEO [6] stimmt mir zu.<br />

Schwieriger erscheint da schon der Umgang mit den<br />

Verben. Mit Einzug der englischen Begriffe bekommen<br />

wir da ja leider einige unerwartete Probleme: Download,<br />

downloaden, gedownloaded oder downgeloaded; Deploy ment,<br />

deployen, deployed oder deployt; um nur einige zu nennen.<br />

Aber auch dort naht Hilfe. Die Gesellschaft zur Stärkung<br />

der Verben (GSV) [7] hat es sich nämlich zur Aufgabe<br />

gemacht, die deutsche Sprache zu hinterfragen und<br />

grundlegend zu verbessern: „Warum heißt es: ich sterbe,<br />

ich starb, ich bin gestorben aber nicht ich erbe, ich arb,<br />

ich habe georben?“<br />

Dabei kommen Fachverben aus unserem täglichen<br />

Gebrauch nicht zu kurz: z. B. scrollen: scrillt (Indikativ<br />

Präsens), scrull (Indikativ Präteritum), scrülle (Konjunktiv<br />

II), scrill (Imperativ) und gescrollen (Partizip II).<br />

Die GSV löst darüber hinaus noch einige andere Probleme<br />

der deutschen Sprache, die uns Entwickler auch<br />

betreffen. Bekannter Maßen gibt es im Deutschen einige<br />

Begriffe, die keinen Plural haben, andere, die nicht im<br />

Singular vorkommen und Dinge die nicht die Einzigsten<br />

oder Alleinsten sein wollen. Und die GSV bietet hier geeignete<br />

Lösungen an.<br />

Wie – beispielsweise – heißt denn ein einzelnes Ding<br />

in einem Cluster? Na klar: Clust.<br />

PS: Notabene kannte der Autor überhaupt nicht: „nie gehört“.<br />

Das Wort fand sich zufällig als Synonym für „übrigens“,<br />

das der Autor gedankenlos zu oft verwendete.<br />

Referenzen<br />

[1] Wikipedia Phillip von Zesen,<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_von_Zesen<br />

[2] Verein Deutsche Sprache Der Anglizismen-INDEX, Gewinn oder Zumutung,<br />

http://www.vds-ev.de/anglizismenindex<br />

[3] Wikipedia Fruchtbringende Gesellschaft,<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Fruchtbringende_Gesellschaft<br />

[4] Adams, Douglas; Lloyd, John The Meaning Of Liff, MacMillan, 2001,<br />

siehe auch http://folk.uio.no/alied/TMoL.html<br />

[5] Adams, Douglas; Lloyd, John Der tiefere Sinn des Labenz, Heyne, 2004<br />

[6] LEO Deutsch-Englisches Wörterbuch,<br />

http://dict.leo.org/<br />

[7] GSV Gesellschaft zur Stärkung der Verben,<br />

http://verben.texttheater.de<br />

Kurzbiographie<br />

Michael Wiedeking (<br />

) ist Gründer<br />

und Geschäftsführer der MATHEMA Software GmbH, die sich von<br />

Anfang an mit Objekttechnologien und dem professionellen Einsatz von<br />

Java einen Namen gemacht hat. Er ist Java-Programmierer der ersten<br />

Stunde, „sammelt“ Programmiersprachen und beschäftigt sich mit deren Design und<br />

Implementierung.<br />

Seite 24 <strong>KaffeeKlatsch</strong> Jahrgang 1 / Nr. 8 / August 20<strong>08</strong>

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