hgk Z intern interviews mit giaco schiesser und frédéric dedelley auf ...
hgk Z intern interviews mit giaco schiesser und frédéric dedelley auf ...
hgk Z intern interviews mit giaco schiesser und frédéric dedelley auf ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>hgk</strong>z<strong>intern</strong>3/07 0<br />
erneut zu sprengen usw. Das ist eine Haltung, eine Art von<br />
kunstadäquater Flexibilisierung, die unsere Studierenden<br />
hoffentlich entwickeln.<br />
Was verstehen Sie unter dem Eigensinn der Medien in den<br />
Künsten?<br />
Mit Medien kann man <strong>auf</strong> zwei Arten umgehen: Entweder<br />
sie werden als Werkzeuge verstanden oder als Medien. Ein<br />
Medium als Werkzeug verwenden heisst, ich setze es als<br />
neutrales Mittel ein, um bestimmte Zwecke zu erreichen.<br />
Wenn ich etwa einen Text schreiben will, benutze ich dafür<br />
den Computer, <strong>und</strong> dieser soll so funktionieren, dass mein<br />
Text beim Drucken wirklich so herauskommt, wie ich ihn<br />
geschrieben habe. Ziel ist nicht, dass der Computer <strong>mit</strong> mir<br />
seine Sperenzchen treibt.<br />
Nutze ich den Computer oder die Sprache aber als Medium,<br />
so denke ich darüber nach <strong>und</strong> experimentiere da<strong>mit</strong>, was<br />
ich <strong>mit</strong> ihnen sonst noch alles machen kann (<strong>und</strong> was sie<br />
<strong>mit</strong> mir machen). Sie interessieren gerade in ihrer Eigengesetzlichkeit.<br />
Zum Beispiel setze ich mich <strong>mit</strong> dem binären<br />
Code oder der Sprache auseinander. Im besten Fall entsteht<br />
dann Kunst bzw. Literatur. Der „Eigensinn des Mediums“<br />
erfasst genau dieses Potenzial, diese widerspenstigen<br />
Mucken. Vom Eigensinn des Mediums reden heisst, dessen<br />
Medialität in Rechnung zu stellen. „Die Schreibmaschine<br />
schreibt <strong>mit</strong> an unseren Gedanken“, formulierte Friedrich<br />
Nietzsche schon vor mehr als 100 Jahren diese Erfahrung.<br />
In Ihrem Departement sind Studierende der Bildenden Kunst<br />
<strong>und</strong> der Neuen Medien unter einem Dach. Reden sie auch<br />
<strong>mit</strong>einander?<br />
Selbstverständlich reden sie <strong>mit</strong>einander. Sie reden aber<br />
auch nicht <strong>mit</strong>einander. Dieses Miteinanderreden oder<br />
Nicht<strong>mit</strong>einanderreden verläuft nicht entlang der Vertiefungen,<br />
sondern quer dazu. Was die Studierenden zusammenbringt,<br />
ist das Studium im gleichen Bachelor-Studiengang<br />
Medien & Kunst. In den ersten drei Semestern belegen<br />
sie die Vertiefungsrichtungen Bildende Kunst, Neue Medien,<br />
Theorie oder Fotografie, <strong>und</strong> ab dem vierten Semester<br />
studieren sie in einem gemischten, offenen Feld. Die ersten<br />
Bachelor-Studierenden sind jetzt im vierten Semester, <strong>und</strong><br />
die von uns erhoffte Situation ist erfreulicherweise heute<br />
schon Realität: Ein gemeinsames künstlerisches Projekt<br />
von Studierenden <strong>mit</strong> Schwerpunkt Bildende Kunst <strong>und</strong><br />
Fotografie zum Beispiel zeigt den Teilnehmenden nicht nur<br />
Unterschiede der Wahrnehmung, sondern ver<strong>mit</strong>telt ihnen<br />
auch, wie diese wechselseitig fruchtbar werden.<br />
Wer hat nach dem Studium Chancen, in der Gesellschaft zu<br />
reüssieren?<br />
Alle. Wir bilden Leute aus, die einen Bezug zur Gesellschaft<br />
haben <strong>und</strong> ihn reflektieren. Menschen, die diese Gesellschaft<br />
<strong>mit</strong> ihren Kunstwerken voranbringen: mal ganz<br />
offensichtlich, mal sehr ver<strong>mit</strong>telt, mal werden die Auswirkungen<br />
gar nicht oder erst Jahre später wahrgenommen.<br />
Eine Gesellschaft, die nur nach Rationalitätskriterien funktioniert,<br />
ist eine uninteressante Gesellschaft. Wir bilden<br />
Autorinnen <strong>und</strong> Autoren aus, die individuell oder in Teams<br />
eigene Fragen stellen, ihnen künstlerisch nachgehen <strong>und</strong><br />
entsprechende Arbeiten <strong>mit</strong> ihrer persönlichen Handschrift<br />
schaffen. Einige davon werden sich nach dem Studium<br />
als „KünstlerInnen“ im herkömmlichen Sinne, andere als<br />
„Artists“ in einem breiteren Sinne verstehen. Interessant<br />
ist, dass man sich eine vergleichbare Frage beispielsweise<br />
bei der Philosophieausbildung nicht stellt. Dort ist anerkannt,<br />
dass nicht jede Person, die Philosophie studiert hat,<br />
Philosophin oder Philosoph im engen Sinne wird, sondern<br />
dass Philosophinnen <strong>und</strong> Philosophen an unterschiedlichen<br />
Orten der Gesellschaft Sinn machen <strong>und</strong> dringend<br />
gebraucht werden. Gleiches gilt es <strong>mit</strong> Gelassenheit für die<br />
Kunstausbildung zu fordern. Künstlerinnen <strong>und</strong> Künstler<br />
werden an vielen Orten in der Gesellschaft gebraucht.<br />
Zumindest, wenn es eine lebenswerte Gesellschaft sein<br />
soll.