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hgk Z intern interviews mit giaco schiesser und frédéric dedelley auf ...

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<strong>hgk</strong>z<strong>intern</strong>3/07 13<br />

Caspar Kaeser (4. Studienjahr Schauspiel) improvisiert <strong>mit</strong> einer japanischen<br />

Workshopteilnehmerin. Fotos: Dirk Sikorski<br />

zehntägigen Workshops im japanischen Sapporo, den wir<br />

als Gäste besuchen. Wir, das sind die Schauspielstudenten<br />

Caspar Kaeser <strong>und</strong> Dirk Sikorski sowie der Regiestudent<br />

Jan Philipp Gloger. Die japanischen Teilnehmenden sind in<br />

diesem Jahr erstmals Laien. Das erhöht die Fremdheit, aber<br />

auch den Erkenntnisgewinn: Workshopleiter Yuzo Morita<br />

setzt nämlich bei den spezifischen Erlebnissen <strong>und</strong><br />

Erfahrungen beispielsweise einer Hausfrau oder eines Barbesitzers<br />

an. „Ihr seid alle uniformiert! Ihr müsst zu etwas<br />

Eigenem finden! Jeder <strong>und</strong> jede ist verschieden!“<br />

Individualismus <strong>und</strong> Ideal der Masse<br />

Spätestens bei unseren Streifzügen durch die nordjapanische<br />

Millionenstadt wird klar, dass das, was zunächst<br />

nach abgedroschener Parole klingt, in diesem Land ein<br />

erneuerndes Programm sein kann. Yuzo Morita, der sich<br />

als Regisseur der Projekte von Schauspiel- <strong>und</strong> Comedy-Star<br />

Issey Ogata seit 20 Jahren <strong>mit</strong> der japanischen<br />

Gesellschaft auseinandersetzt, sieht im Theater eine Möglichkeit<br />

zum Individualismus in einer Kultur, in der das<br />

Verschwinden in der Masse als Ideal erscheint. Das Eigene<br />

findet man bekanntlich am besten im anderen. So herrscht<br />

in den ersten Workshoptagen das Prinzip der I<strong>mit</strong>ation;<br />

Ogata leitet Gehübungen an, während Morita sich <strong>auf</strong> das<br />

Sprechen konzentriert. Mit seinen un<strong>mit</strong>telbar intervenierenden<br />

Anweisungen wie „stopp“, „weiter“, „leiser“ etc.<br />

wird er dabei selbst unabdingbarer Teil der improvisierten<br />

Monologe. Was aus Sicht unserer Ausbildung als drastische<br />

<strong>und</strong> einschränkende Regiemethode empf<strong>und</strong>en wird,<br />

stellt sich hier als das Gegenteil heraus: Jemand steuert<br />

den Sprechenden, übernimmt die Verantwortung, enthebt<br />

ihn des Zwangs, beim Spielen über seine Wirkung nachzudenken.<br />

Das gilt natürlich besonders für uns Schweizer<br />

Teilnehmende. Wir improvisieren in unserer Muttersprache,<br />

die auch der Regisseur nicht versteht. Um also überhaupt<br />

etwas rüberzubringen, geht es nicht um das Formulieren<br />

brillanter Gedanken, sondern darum, emotional zu sein,<br />

den Körper Anteil nehmen zu lassen, auch <strong>und</strong> gerade weil<br />

die Aufgabe nicht ist, sich zu bewegen.<br />

Produktive Missverständnisse<br />

Wenn Yuzo Morita unsere <strong>und</strong> seine Übersetzer bewusst<br />

zum Schweigen <strong>auf</strong>fordert, will er genau diesen Aspekt des<br />

Austausches betonen. Werden Worte nämlich nicht verstanden,<br />

muss alles über den Körper <strong>und</strong> den Sprachklang<br />

sinnlich <strong>und</strong> sinnfällig werden. Denis Diderot forderte 1751<br />

in seinem „Brief über die Taubstummen“, gutes Theater<br />

müsse man auch <strong>mit</strong> zugehaltenen Ohren verstehen. Morita<br />

überträgt diesen Gr<strong>und</strong>satz <strong>auf</strong> die <strong>intern</strong>ationale Theaterbegegnung,<br />

von der hier die Rede ist. Besonders spannend<br />

wird es, als wir beginnen, gemischte Zweierszenen zu<br />

improvisieren. „Beschuldige ihn!“, ist die Aufgabe meiner<br />

zierlichen 60-jährigen Improvisationspartnerin. Aber wessen<br />

sie mich beschuldigt, ob sie Chefin, Mutter oder Geliebte<br />

ist, muss jedes Mal neu verhandelt werden, <strong>und</strong> zwar nur<br />

über Behauptung, Vermutung, Körper <strong>und</strong> Klang. Noch bei<br />

der gemeinsamen Präsentation dieser Zweierszenen erzeugen<br />

produktive Missverständnisse nicht nur schallendes<br />

Gelächter, sondern auch Einsichten darüber, wie unterschiedlich<br />

gerade Tonfall <strong>und</strong> Körpersprache in unseren<br />

Ländern codiert sind.<br />

Japanische Gastfre<strong>und</strong>schaft<br />

Die improvisierten Szenen würden nicht funktionieren,<br />

wenn die Beteiligten nicht Spass daran hätten, sich irgendwie<br />

doch zu verstehen. Die Lust am Übersetzen erfasst allmählich<br />

beide Nationalitäten, <strong>und</strong> so erleben wir eine ganz<br />

andere Begegnung <strong>mit</strong> Japanern, als dies in den hektischen<br />

Strassen Tokios möglich wäre. Nach Abschluss des Workshops<br />

verbringen wir ein paar Tage als Gäste bei Yuzo Moritas<br />

Familie <strong>und</strong> lernen die japanische Gastfre<strong>und</strong>schaft,<br />

den touristischen Blickwinkel sowie den jungen Regisseur<br />

Akira Takayama kennen. Sein Interesse an einem fortdauernden,<br />

privat organisierten Austausch freut uns sehr. Dieser<br />

Aufenthalt hat unser Bewusstsein dafür geschärft, dass<br />

man professionell wie persönlich am Fremden wächst, <strong>und</strong><br />

unsere Neugier <strong>auf</strong> Japan, seine Menschen <strong>und</strong> sein Theater<br />

nachhaltig geweckt.<br />

* Jan Philipp Gloger studiert im vierten Jahr Regie am Departement Theater<br />

(janphilipp.gloger@stud.hmt.edu).<br />

Weitere Informationen <strong>und</strong> Impressionen zu diesem Projekt bietet ein<br />

Webblog, den die drei Teilnehmer der HMT unter<br />

www.myspace.com/risingsunsuper3project eingerichtet haben.

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