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Untitled - Pädiatrix

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Quelle: Lilly/bmp<br />

von<br />

Dr. Martina Lenzen-Schulte<br />

Speicheldrüsenerkrankungen kommen bei Kindern<br />

deutlich seltener vor als bei Erwachsenen.<br />

Sie gehen zudem auf so vielfältige Ursachen<br />

zurück, dass sie kaum zu systematisieren sind.<br />

So gibt es nur wenige Standards oder evidenzbasierte<br />

Therapieempfehlungen.<br />

Dicke Kinderbacken waren vor Jahrzehnten<br />

Eltern und Kinderärzten wohl vertraut, in<br />

Zeiten der Masern-Mumps-Röteln-Impfung<br />

ist der Ziegenpeter fast verschwunden. Doch<br />

immerhin werden Parotitis epidemica und<br />

Zytomegalie in einem jüngsten Review über<br />

Speicheldrüsenerkrankungen von Kindern und<br />

Jugendlichen noch zu den häufigsten der infektiösen<br />

Ursachen von Speicheldrüsenerkrankungen<br />

gezählt [1]. Bei den übrigen Erkrankungen<br />

der Speicheldrüsen hat es sich immer schon um<br />

selten vorkommende Krankheitsbilder gehandelt<br />

oder um Pathologien, die zwar häufig bei<br />

Erwachsenen, jedoch kaum bei Kindern vorkommen.<br />

Das wird auch daran deutlich, dass in<br />

einschlägigen Artikeln keinerlei Zahlen zur bevölkerungsbezogenen<br />

Häufigkeit auftauchen,<br />

nur deskriptive Begriffe oder Fallzahlen, die<br />

von einzelnen Zentren ausgewertet wurden.<br />

Noch schwieriger wird die Lage dadurch,<br />

dass das Ursachenspektrum sehr weit gespannt<br />

ist: Speicheldrüsenerkrankungen sieht man infolge<br />

von Infektionen und Tumoren, aber auch<br />

Autoimmunerkrankungen, Steinleiden und<br />

Bulimie sind im Spiel. Hinzu kommt, dass der<br />

Wunsch, die jungen Patienten so schonend wie<br />

möglich zu behandeln, zur Erprobung neuer<br />

Diagnostik- und Therapieoptionen führte, deren<br />

Überprüfung angesichts geringer Fallzahlen<br />

nicht gerade leicht fällt.<br />

Speicheldrüsendiagnostik:<br />

Ultraschall zuerst!<br />

Angesichts der Heterogenität der Ursachen ist<br />

eine rasche, verlässliche – und für Kinder möglichst<br />

nicht belastende – Diagnostik hilfreich.<br />

Praktisch für alle Speicheldrüsenerkrankungen<br />

liegt hier die Expertise beim Hals-Nasen-Ohren-<br />

Arzt, man könnte sogar sagen, beim deutschen<br />

HNO-Arzt. Das hat mit der eminent wichtigen<br />

Rolle des Ultraschalls zu tun. Denn anders als<br />

in anderen europäischen Ländern oder in den<br />

Vereinigten Staaten gehört die Ultraschalldiagnostik<br />

der Speicheldrüsen zum festen Bestandteil<br />

der hiesigen HNO-Ausbildung [2]. „Der<br />

Unterschied erklärt sich aus den unterschiedlichen<br />

Facharztstrukturen“, erklärt Prof. Orlando<br />

Guntinas-Lichius, Leiter der HNO-Klinik der<br />

Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Da man<br />

außerhalb Deutschlands in der Regel für jegliche<br />

Bildgebung zum Radiologen überweist,<br />

Pädiatrix 6/2010


werden dort eher MRT-Bilder erstellt, es hat<br />

sich einfach ein abweichendes Vorgehen etabliert.“<br />

Dass eine gute Ultraschalldiagnostik für<br />

die Kinder ausgesprochen vorteilhaft ist, wird<br />

unter den befragten Experten jedoch einhellig<br />

hervorgehoben. Zusammen mit der – dank moderner<br />

Geräte mit minimalen Durchmessern<br />

auch bei kleinen Kindern anwendbaren – Endoskopie<br />

der Speicheldrüsenausführungsgänge<br />

(Sialendoskopie) lässt sich damit das Gros der<br />

Erkrankungen diagnostizieren. „Aber selbst<br />

hierzulande sieht man immer noch Patienten,<br />

die mit viel zu vielen Bildern ankommen, die<br />

man nicht benötigt hätte. Hier gibt es noch ein<br />

großes Einsparpotenzial in der Diagnostik“,<br />

gibt Prof. Johannes Zenk, leitender Oberarzt<br />

und stellvertretender Klinikdirektor an der<br />

Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde<br />

in Erlangen, zu bedenken. „Denn für ein<br />

MRT benötigen vor allem kleinere Kinder, die<br />

noch nicht kooperieren können, zusätzlich eine<br />

belastende Narkose. Ein CT verbietet sich nicht<br />

allein wegen der Strahlenbelastung, es wäre ohnehin<br />

nicht die Methode der Wahl.“ Der Weg<br />

in ein spezialisiertes Zentrum lohnt sich für die<br />

Betroffenen deshalb nicht erst bei der Therapie,<br />

sondern bereits bei der Diagnostik.<br />

Chronisch-rezidivierende Parotitis –<br />

immer noch rätselhaft<br />

Ein gutes Beispiel für das hervorragende Potenzial<br />

des Ultraschalls ist die chronisch-rezidivierende<br />

Parotitis, nach Mumps die zweithäufigste<br />

Erkrankung der Speicheldrüsen im Kindesalter.<br />

Es handelt sich um in Schüben auftretende,<br />

meist einseitige, in aller Regel schmerzhafte<br />

Schwellungen der Parotis, die unabhängig von<br />

Mahlzeiten oder Jahreszeiten auftreten [3]. Ein<br />

solcher Schub kann ein bis zwei Tage, aber auch<br />

Wochen bis Monate anhalten. Symptomfreie Intervalle<br />

sind ebenfalls von äußerst unterschiedlicher<br />

Dauer, sie währen Monate oder Jahre. Die<br />

Erkrankung trifft überwiegend Jungen, kommt<br />

im Alter von wenigen Monaten bis zur Pubertät<br />

vor und sistiert danach bei nahezu allen Betroffenen.<br />

Warum das so ist, weiß man letztlich<br />

ebenso wenig, wie man eine klare Vorstellung<br />

von der Pathogenese hat. Von kongenitalen<br />

Anomalien und genetischen Dispositionen über<br />

retrograde Infektionen und Autoimmunphänomene<br />

bis hin zu allergischer Genese wird ein<br />

multifaktorielles Geschehen angenommen [4].<br />

Früher benötigte man für die Diagnostik die Sialografie,<br />

die die Ausbuchtungen in der Drüse<br />

mittels Kontrastmittel im Röntgenbild darstellte.<br />

Sie war belastend und bei manchen Kindern<br />

erst gar nicht zu realisieren. „Wir sind heute in<br />

der Lage, mit dem Ultraschall sicher und schonend<br />

die Diagnose zu stellen, man kann fast<br />

von einem pathognomonischen Ultraschallbild<br />

sprechen“, erläutert Johannes Zenk, der die<br />

jüngste deutsche Übersichtsarbeit zu diesem<br />

immer noch rätselhaften Krankheitsbild veröffentlicht<br />

hat [3].<br />

Wenngleich bei abwartendem Beobachten<br />

unter konservativer Therapie etwa zwei Drittel<br />

der Kinder nach fünfjähriger Nachbeobachtung<br />

symptomfrei werden, hielten sich lange<br />

Zeit eingreifende Therapien. So wurde noch bis<br />

1970 bestrahlt, obwohl das schon seit Jahrzehnten<br />

umstritten war. Inzwischen stellt zudem<br />

die Entfernung der Drüse allerhöchstens eine<br />

Ultima ratio dar. Die Versuche, eine Sekretionshemmung<br />

mittels Durchtrennung des Nervus<br />

tympanicus herbeizuführen oder die Drüse<br />

durch eine Ligatur des Ausführungsganges atrophisch<br />

zu machen, sind inzwischen als obsolet<br />

anzusehen.<br />

„Auch therapeutisch können wir inzwischen<br />

schonend und dennoch sehr erfolgreich behandeln“,<br />

fasst Zenk zusammen und beruft sich<br />

dabei auf eigene Erfahrungen mit einer neuen<br />

Vorgehensweise. Deren Potenzial war erst vor<br />

wenigen Jahren von einer Arbeitsgruppe der<br />

Hadassah-Unversitätsklinik in Jerusalem vorgestellt<br />

worden [4]. Hierzu werden per Sialendoskopie<br />

die Drüsengänge mit Kochsalzlösungen<br />

und Kortison gespült. Nach einmaliger<br />

Therapie waren 95 Prozent der Patienten symptomfrei.<br />

Leichtere Fälle sind ohnehin mit konservativen<br />

Maßnahmen zu beherrschen. Dazu<br />

zählen insbesondere die Gabe von Antibiotika<br />

während eines Schubs sowie die Massage der<br />

Drüse und Sialogoga, die den Speichelfluss anregen.<br />

Anspruchsvoll: Speicheldrüsentumoren<br />

bei Kindern<br />

Eine große Herausforderung an das Können<br />

des HNO-Arztes stellt die Therapie von Tumoren<br />

der Ohrspeicheldrüse dar, nicht zuletzt,<br />

wenn es gilt, in diesem komplikationsträchtigen<br />

Gebiet zu operieren [5]. Solide Speicheldrüsentumoren<br />

im Kindesalter sind deutlich öfter<br />

bösartig als bei Erwachsenen [1]. Eine große<br />

retrospektive Auswertung von 549 Fällen unterschiedlichster<br />

Erkrankungen (und nicht nur<br />

von Tumoren) des Speicheldrüsenregisters der<br />

11<br />

Speicheldrüsen<br />

Pädiatrix 6/2010


12<br />

Speicheldrüsen<br />

Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf aus<br />

jüngerer Zeit zeigte, dass der Anteil der bösartigen<br />

Tumoren immerhin 29 Prozent betrug<br />

[6]. Die Hamburger Wissenschaftler machten<br />

insbesondere darauf aufmerksam, dass viel zu<br />

viele Kinder aus diesem gesamten Kollektiv<br />

operiert wurden, selbst wenn ein Eingriff nicht<br />

indiziert gewesen war. In einer neueren Übersichtsarbeit<br />

beziffert Prof. Maik Ellies, Oberarzt<br />

an der HNO-Universitätsklinik in Göttingen<br />

den Anteil der Malignome bei den kindlichen<br />

Speicheldrüsentumoren auf rund 50 Prozent<br />

[1], wenn man die in diesem Alter ebenfalls<br />

häufigen Lymphangiome oder Hämangiome<br />

nicht berücksichtigt. Die Befunde lassen erkennen,<br />

dass auch bei Kindern ein weites Spektrum<br />

maligner Entitäten vorkommt.<br />

Rund 80 Prozent der gutartigen Tumoren<br />

liegen in der Glandula parotidea. Besonders<br />

das häufige pleomorphe Adenom ist tückisch,<br />

weil es trotz seiner Gutartigkeit bei inadäquater<br />

Operation wiederaufflammen kann. Um einerseits<br />

so viel Tumorgewebe wie möglich zu<br />

entfernen, andererseits den in der Parotis stets<br />

bedrohten Nervus facialis zu schonen, hat sich<br />

der Einsatz des Operationsmikroskops sowie<br />

die Entfernung speziell der lateralen Parotisanteile<br />

besonders bewährt. Vor dieser Ära wurden<br />

Rezidivraten von 20 bis 45 Prozent, mitunter sogar<br />

von bis zu 80 Prozent berichtet. Allein durch<br />

konsequentes Operieren unter dem Mikroskop<br />

und der Beachtung der lateralen Parotidektomie<br />

lassen sich die Rezidivraten auf zwei Prozent<br />

senken, in Göttingen wurden unter diesem Vorgehen<br />

bei primär dort Operierten seither so gut<br />

wie keine Rückfälle beobachtet [1]. Inzwischen<br />

gilt, dass bei Eingriffen an der Parotis das OP-<br />

Mikroskop zum alltäglichen Handwerkszeug<br />

des HNO-Chirurgen gehört, dies gewährleistet<br />

größtmögliche Sorgfalt eben auch für die Kleinsten.<br />

„Die Schäden die drohen, sind durchaus bedeutsam“,<br />

gibt Guntinas-Lichius zu bedenken:<br />

„Nicht nur die Mimik ist betroffen, wenn der<br />

Nervus facialis geschädigt wird. Funktionelle<br />

Ausfälle betreffen auch den Lidschluss. Wenn<br />

dieser infolge einer Nervenverletzung unmöglich<br />

wird, resultieren vielfältige Probleme am<br />

Auge, etwa Austrocknung und Infektionen.“<br />

Eine ungewöhnliche Nebenwirkung nach Parotis-Eingriffen<br />

stellt das sogenannte Frey- oder<br />

aurikulotemporale Syndrom dar. Hierbei handelt<br />

es sich um abnormes Schwitzen, das durch<br />

gustatorische Reize, etwa beim Essen, aber auch<br />

beim Kaugummikauen, im Bereich von Gesicht<br />

und Hals hervorgerufen wird [7].<br />

Eine Umfrage unter deutschen HNO-Kliniken<br />

brachte zutage, dass Parotistumoren<br />

hierzulande noch sehr uneinheitlich behandelt<br />

werden. Ob dies zu unterschiedlich guten Ergebnissen<br />

führt, kann derzeit nicht beantwortet<br />

werden. Nicht zuletzt deshalb wurde in Erlangen<br />

ein Register für Speicheldrüsentumoren<br />

etabliert. Daran knüpft sich die Erwartung,<br />

künftig klarere Aussagen über den Erfolg der<br />

unterschiedlichen Herangehensweisen machen<br />

zu können, um einheitliche Therapieempfehlungen<br />

aussprechen zu können [8].<br />

Infektionen – Mumps-Revival in<br />

England<br />

Anders als bakterielle Infektionen der Speicheldrüsen<br />

– sie kommen fast nur bei abwehrgeschwächten<br />

älteren Menschen vor [9] – sind viral<br />

bedingte Entzündungen bei Kindern durchaus<br />

in die Differenzialdiagnose einzubeziehen. Sie<br />

können rein begleitend bei zahlreichen Viruserkrankungen<br />

(z.B. Coxsackie-, Epstein-Barr- und<br />

ECHO-Viren) vorkommen und insbesondere die<br />

Parotisdrüse vorübergehend anschwellen lassen.<br />

Anders gelagert sind nicht nur die Mumpserkrankung,<br />

sondern auch HIV-bedingte Infektionen<br />

und solche durch Zytomegalieviren (CMV).<br />

Sie alle zeichnen sich durch einen sogenannten<br />

Sialadenotropismus aus und besitzen eine besondere<br />

Affinität zu den Speicheldrüsen. Die CMV-<br />

Infektion kommt intrauterin oder bei abwehrgeschwächten<br />

Kindern zum Tragen und obwohl<br />

die Speicheldrüsen infiltriert sind, stehen andere<br />

Organmanifestationen im Vordergrund [10]. Die<br />

HIV-Infektion kann mit charakteristischen Parotiszysten<br />

einhergehen, allerdings spielt sie bei<br />

insgesamt etwa 600 HIV-infizierten Kindern in<br />

Deutschland in dieser Altersgruppe differenzialdiagnostisch<br />

eine untergeordnete Rolle.<br />

Das kann man momentan zwar angesichts<br />

der wenigen registrierten Mumpsfälle auch für<br />

die Parotis epidemica sagen: Das Robert Koch-<br />

Institut bezifferte die Meldungen aus einigen<br />

ostdeutschen Bundesländern im Jahr 2003 auf<br />

104 Erkrankungsfälle [11]. Allerdings besteht in<br />

Deutschland keine allgemeine Meldepflicht, sie<br />

wird lediglich in einzelnen Bundesländern gepflegt,<br />

deshalb kann man nicht von einer verlässlichen<br />

Dokumentation sprechen [12]. Die niedrigen<br />

Raten könnten zum einen daran liegen, dass<br />

symptomlos verlaufende Mumpserkrankungen<br />

nicht auffallen. Das zeigt aber auch zum zweiten,<br />

dass es keinerlei neuere Daten gibt und man<br />

dem Problem kaum Bedeutung beimisst.<br />

Pädiatrix 6/2010


13<br />

Das ist in anderen westlichen Staaten anders,<br />

die mitunter regelrechte Ausbrüche melden,<br />

wie sie immer wieder auch innerhalb von<br />

Populationen beobachtet werden, die eine hohe<br />

Durchimpfungsrate aufweisen [13, 14]. England<br />

sah sich zwischen 2003 und 2006 einer massiven<br />

Mumpsepidemie gegenüber, während deren<br />

Höhepunkt im Jahr 2005 allein 43 000 gesicherte<br />

Erkrankungsfälle registriert wurden [15].<br />

Die Gründe wurden vor allem im nachlassenden<br />

Impfschutz bei nur einmal gegen Mumps<br />

geimpften Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />

gesehen, was die Bedeutung der zweiten<br />

Impfung unterstreicht, wie sie hierzulande<br />

empfohlen wird. Außerdem waren zunehmend<br />

auch kleine Kinder betroffen, weil die Masern-<br />

Mumps-Röteln-Impfung in Großbritannien in<br />

Misskredit geraten war. Zu Unrecht, wie man<br />

herausfand: Der Vorwurf, sie führe vermehrt zu<br />

Autismus, stellte sich als wissenschaftliche Fälschung<br />

heraus. Die Beispiele zeigen, wie rasch<br />

es in eigentlich völlig „mumpsberuhigten“ Zonen<br />

zur raschen Verbreitung kommen kann.<br />

Lasertherapie von Speichelsteinen<br />

Steine in den Speicheldrüsen (Silolithiasis)<br />

kommen bei Kindern nur selten vor. In einem<br />

der größten bislang untersuchten Kollektive<br />

von 635 Patienten aus den HNO-Universitätskliniken<br />

in Homburg/Saar und Erlangen waren<br />

nur rund sechs Prozent der Patienten unter<br />

20 Jahren, davon nur zwei Kinder, die jünger<br />

als fünf Jahre waren [16].<br />

Hier haben – diagnostisch wie therapeutisch<br />

– die endoskopischen Techniken einen regelrechten<br />

Siegeszug angetreten. „Die Endoskopie<br />

ist sicherlich neben dem Ultraschall eines der<br />

wichtigsten Hilfsmittel bei der Diagnose und<br />

Behandlung von Speicheldrüsenerkrankungen<br />

geworden und hat sich zunehmend auch hier<br />

in deutschen Zentren etabliert“, fasst Zenk die<br />

Entwicklung der jüngsten Vergangenheit zusammen.<br />

In Kombination mit anderen Techniken<br />

– etwa der Zertrümmerung von Steinen<br />

mittels extrakorporaler Stoßwellentherapie<br />

(ESWL) – werden Erfolgsraten von 85 bis 95<br />

Prozent erzielt. Selbst bei Steinen, bei denen<br />

die ESWL versagt oder eine Kontraindikation<br />

besteht, kann man in fast allen Fällen auf eine<br />

Entfernung der Drüse verzichten und minimalinvasiv<br />

transkutan vorgehen [17].<br />

Dennoch werden aktuell speziell bei Kindern<br />

auch andere Verfahren diskutiert und<br />

erprobt, etwa die Behandlung von Steinleiden<br />

mittels Lasertherapie.<br />

Fréderic Fauré von der Kinderklinik am<br />

Hospital Edouard Herriot in Lyon zählt zu den<br />

Pionieren dieses Verfahrens und stellte es auf<br />

der HNO-Jahrestagung im Mai 2010 in Wiesbaden<br />

vor. Die wenigen beschriebenen Fälle<br />

lassen allerdings keine endgültige Bewertung<br />

des Verfahrens zu. Auch mögliche Nebenwirkungen<br />

sind zu bedenken – Fauré scheute sich<br />

in Wiesbaden nicht, auch dramatische Komplikationen<br />

vorzustellen, etwa eine Verletzung der<br />

Wange durch die zu tief ins Gewebe reichende<br />

Laserhitze.<br />

Speicheldrüsen<br />

Abbildung:<br />

Ohr-, Unterkiefer<br />

und Unterzungenspeicheldrüse<br />

Darüber hinaus gibt<br />

es zahlreiche kleine<br />

Speicheldrüsen, die<br />

alle in die Mundhöhle<br />

münden. Was<br />

eine Verlegung der<br />

Ausführungsgänge<br />

oder chronische<br />

Entzündungen angeht,<br />

sind jedoch fast ausschließlich<br />

die großen<br />

Speicheldrüsen von<br />

Belang.<br />

Quelle: Erika Heil, art<br />

for biomed<br />

Pädiatrix 6/2010


14<br />

Speicheldrüsen<br />

Drooling:<br />

Therapie setzt bei Speicheldrüsen an<br />

Obgleich nicht betroffen, sind in jüngster Zeit<br />

die Speicheldrüsen doch von großem Interesse<br />

für die Therapie des „Drooling“ oder<br />

Sabberns. Hierbei verliert der Patient ständig<br />

Speichel, der ihm am Mundwinkel herabläuft.<br />

Es sind vorwiegend neurologische Erkrankungen,<br />

die hier ursächlich in Frage kommen<br />

– bei Erwachsenen etwa bei Parkinson. Bei<br />

Kindern trifft es jene, die an einer Zerebralparese<br />

leiden, und Morbus-Down-Patienten.<br />

Die Ursache liegt nicht in einer vermehrten<br />

Speichelproduktion, sondern beispielsweise<br />

darin, dass der Mund nicht geschlossen wird<br />

oder das Herunterschlucken des Speichels<br />

beeinträchtigt ist. Hier setzt sich in jüngster<br />

Zeit die Therapie mit Botulinumtoxin immer<br />

mehr durch, weil es sich als sichere und einfach<br />

anzuwendende Maßnahme erwies. Botulinumtoxin<br />

wird unter Ultraschallkontrolle<br />

in die Speicheldrüsen injiziert und reduziert<br />

den Speichelfluss für einige Monate. Zahlreiche<br />

Arbeitsgruppen berichten weltweit von<br />

mindestens zufriedenstellenden Ergebnissen,<br />

auch wenn dies eine rein symptomatische<br />

Maßnahme ist und naturgemäß die Ursachen<br />

des Drooling nicht behebt. Als Nebenwirkung<br />

wird bei diesem Verfahren Speichel mitunter<br />

zähflüssiger, was wiederum Schluckstörungen<br />

bedingen kann.<br />

Quelle: Abteilung für Pädiatrische Neurologie<br />

am Klinikum Kassel: Wilken B et al: Successful treatment<br />

of drooling in children with neurological disorders<br />

with botulinum toxin A or B. Neuropediatrics.<br />

2008; 39(4): 200-204<br />

Dicke Backen auch bei Bulimie<br />

Als gäbe es nicht genug disparate Ursachen für<br />

Speicheldrüsenerkrankungen, zählen schließlich<br />

auch noch Essstörungen dazu, worauf Johannes<br />

Zenk hinweist: „Wir wissen, dass teigige<br />

Schwellungen der Parotis immer wieder<br />

mal bei Bulimiekranken vorkommen. Worauf<br />

der Zusammenhang zurückzuführen ist, ist jedoch<br />

weitgehend unklar.“ In einer Studie mit<br />

70 Frauen unter 40 Jahren – darunter 16-jährige<br />

Mädchen –, die an Essstörungen litten, konnte<br />

er mit seinem Team nachweisen, dass das Volumen<br />

der Ohrspeicheldrüse bei den an Bulimie<br />

Erkrankten nahezu doppelt so groß war wie das<br />

der Kontrollgruppe [18]. Diskutiert wird, ob die<br />

Elektrolytstörungen, die infolge der Essstörungen<br />

und des Erbrechens auftreten, die Speichelzusammensetzung<br />

so verändern, dass hieraus<br />

die Schwellungen resultieren. Ob das auch in<br />

der Kinderarztsprechstunde eine Rolle spielt,<br />

ist nicht untersucht. Immerhin werden Essstörungen<br />

immer früher diagnostiziert, mitunter<br />

schon im Alter von zehn bis zwölf Jahren. Mit<br />

dem wachsenden Interesse und der Bedeutung<br />

von Essstörungen taucht das Thema „Bulimie-<br />

Parotisschwellung“ jedenfalls inzwischen immer<br />

häufiger in der wissenschaftlichen Literatur<br />

auf, es werden Einzelfälle berichtet, bei denen<br />

diese Drüsenschwellung für die Diagnose wegweisend<br />

war [19] und inzwischen haben es auch<br />

die Psychotherapeuten auf ihrem Radar [20].<br />

Literatur<br />

1. Ellies M et al.: Diseases of the salivary glands in infants and<br />

adolescents. Head and Face Medicine. 2010; 6: 1-7<br />

2. Wittekindt C et al.: Diagnostik und Therapie von Speicheldrüsenerkrankungen.<br />

Pathologe. 2009; 30: 424-431<br />

3. Zenk J et al.: Die chronisch rezidivierende Parotitis. HNO.<br />

2010; 58: 237-243<br />

4. Nahlieli O et al.: Juvenile Recurrent Parotitis: A New Method<br />

of Diagnosis and Treatment. Pediatrics. 2004: 114: 9-12<br />

5. Preuss SF et al.: Zur Diagnostik und Behandlung von Parotistumoren.<br />

HNO. 2006; 54: 868-874<br />

6. Muenscher A et al.: Benign and malignant salivary gland<br />

diseases in children. A retrospective study of 549 cases from<br />

the Salivary Gland Registry, Hamburg. Auris nasus larynx.<br />

2009; 36(3): 326-331<br />

7. Guntinas-Lichius O et al.: Risk of facial palsy and severe<br />

Frey’s syndrome after conservative parotidectomy for benign<br />

disease: analysis of 610 operations. Axta Oto-laryngologixa.<br />

2006; 126: 1104-1109<br />

8. Preuss SF et al.: Zur Diagnostik und Behandlung von Parotistumoren.<br />

HNO. 2006; 54: 868-874<br />

9. Maier H et al.: Bakterielle Infektionen der großen Kopfspeicheldrüsen.<br />

HNO. 2010; 58: 229-236<br />

10. Ußmüller J: Virale Speicheldrüsenerkrankungen. HNO.<br />

2010; 58: 225-228<br />

11. Robert Koch-Institut RKI – Epidemiologisches Bulletin<br />

5/2009<br />

12. Robert Koch-Institut RKI – Epidemiologisches Bulletin<br />

35/2004<br />

13. Brockhoff HJ et al.: Mumps outbreak in a highly vaccinated<br />

student population, The Netherlands, 2004. Vaccine. 2010;<br />

28(17): 2932-2936<br />

14. Domingues A et al: Mumps vaccine effectiveness in highly<br />

immunized populations. Vaccine. 2010; 28 (20): 3567-3570<br />

15. Jick H: The origin and spread of a mumps epidemic: United<br />

Kingdom, 2003-2006. Epidemiology. 2009; 20(5): 656-661<br />

16. Zenk J et al.: Klinische und diagnostische Befunde bei der<br />

Silolithiasis. HNO. 1999; 47: 963-969<br />

17. Iro H et al.: Moderne Konzepte zur Diagnostik und Therapie<br />

der Sialolithiasis. HNO. 2010; 58: 211-217<br />

18. Bozzato A et al: Salivary gland biometry in female patients<br />

with eating disorders. European Archives of Otorhinolaryngology.<br />

2008; 265: 1095-1102<br />

19. Park MJ et al.: Diagnosing bulimia nervosa with parotid<br />

swelling. New York State Dental Journal. 2006; 72(6): 36-39<br />

20. Franke S, et al: Diagnose und Therapie der Bulimia nervosa.<br />

MMW Fortschritte der Medizin. 2010; 152(9): 80-82<br />

Pädiatrix 6/2010

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