Influenza: Influenza: - Pädiatrix
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6<br />
Missbrauch<br />
Ein „Nein“ des<br />
Kindes muss sofort<br />
respektiert werden.<br />
Abbildung 1:<br />
Die Demonstration<br />
des Untersuchungsgangs<br />
an einer Puppe<br />
kann dem Kind<br />
helfen, Ängste zu<br />
bewältigen<br />
Quelle: Dr. B. Herrmann<br />
Eine ruhige Atmosphäre und eine offene,<br />
einfühlsame, akzeptierende Einstellung des Untersuchers<br />
sind wesentliche Voraussetzungen<br />
für das Gelingen des Gesprächs. Botschaften<br />
wie „Es war gut von dir zu sagen, was passiert<br />
ist“ oder „Kinder sind nicht schuld an den Taten<br />
der Erwachsenen“ können einen therapeutischen<br />
Effekt haben und dem Kind helfen, das<br />
Trauma zu bewältigen, erklärte Herrmann.<br />
Die körperliche Untersuchung müsse ohne<br />
Zeitdruck, ohne Störungen und mit viel Geduld<br />
durchgeführt werden. Eine sofortige Untersuchung<br />
aus forensischen Gründen ist nur erforderlich,<br />
wenn der letzte sexuelle Kontakt weniger<br />
als 72 Stunden zurückliegt. Akute, blutende<br />
Verletzungen stellen einen medizinischen Notfall<br />
dar, der ebenfalls sofort ärztlich versorgt<br />
werden muss. Ansonsten kann die medizinische<br />
Diagnostik den Bedürfnissen des Kindes<br />
und seinem Rhythmus angepasst werden.<br />
Dem Kind muss jederzeit die Kontrolle über<br />
die Situation und die Möglichkeit zu Pausen<br />
oder einem Abbruch der Untersuchung eingeräumt<br />
werden. Jeder Druck oder Zwang sei zu<br />
unterlassen und ein „Nein“ des Kindes sei sofort<br />
zu respektieren, damit es sich nicht erneut<br />
in der Opferrolle fühlt, betonte Herrmann.<br />
Jeder Untersuchungsschritt sollte kindgerecht<br />
erklärt werden. An der Kinderschutzambulanz<br />
Kassel hat es sich bewährt, den Untersuchungsgang<br />
an einer lebendig wirkenden, aber<br />
nicht anatomischen Puppe vorwegzunehmen<br />
(Abbildung 1). Das Kind assistiert dem Arzt aktiv<br />
bei der Untersuchung der Puppe und hilft<br />
mit, deren – und damit indirekt die eigenen –<br />
Ängste zu mindern.<br />
Eine Sedierung oder Narkose ist nur bei<br />
schwerwiegenden anogenitalen Verletzungen<br />
indiziert. Statt Stress und emotionale Belastung<br />
zu reduzieren, könne eine Sedierung als erneuter<br />
Vertrauensbruch und Kontrollverlust empfunden<br />
werden, betonte Herrmann. Zudem bleibe<br />
der therapeutische Effekt einer bewältigten,<br />
selbstbestimmten Untersuchung ungenutzt.<br />
Befunde sorgfältig dokumentieren<br />
Zunächst ist grundsätzlich eine Ganzkörperuntersuchung<br />
obligatorisch, damit sich das Kind<br />
nicht auf den anogenitalen Bereich reduziert<br />
fühlt und damit keine extragenitalen Zeichen<br />
einer Misshandlung oder eines Missbrauchs<br />
übersehen werden. Die anogenitale Untersuchung<br />
erfolgt in Rückenlage bei abduzierten<br />
Beinen und ist bei jüngeren Kindern auch auf<br />
dem Schoß der Mutter möglich. Zur Untersuchung<br />
des Scheideneingangs und des Hymens<br />
werden die großen Labien mit leichtem Zug<br />
nach lateral (Separation) und zwischen Daumen<br />
und Zeigefinger vorsichtig nach außen<br />
und unten (Traktion) gezogen. Zudem sollte in<br />
Knie-Brust-Lage untersucht werden.<br />
Bei präpubertären Kindern sollte kein Spekulum<br />
eingesetzt werden. Sinnvoll sei dagegen<br />
ein Kolposkop, erklärte Herrmann, das zwar<br />
die Trefferquote positiver Befunde nur leicht<br />
erhöht, aber eine auch gerichtlich verwertbare<br />
Dokumentation erlaubt und dem Kind häufig<br />
eine Zweituntersuchung erspart.<br />
Die Befunde müssen sorgfältig dokumentiert<br />
werden. Eine Hilfe sind dabei Dokumentationsbogen,<br />
wie sie die Kinderschutzambulanz<br />
am Klinikum Kassel zur Verfügung stellt [7].<br />
Die große Vielfalt der Normvarianten im<br />
Genitalbereich mache eine Interpretation der<br />
Befunde jedoch äußerst schwierig, räumte<br />
Herrmann ein. Zudem müssen akzidentelle<br />
Verletzungen oder Differenzialdiagnosen wie<br />
ein anogenitaler Lichen sclerosus (Abbildung<br />
2) bedacht werden. Eine praktikable Hilfe, um<br />
die Bedeutung klinischer Befunde in ihrer diagnostischen<br />
Relevanz einzuordnen, ist die<br />
Klassifikation nach Adams in „Befunde bei<br />
Neugeborenen und nichtmissbrauchten Kindern“,<br />
„Unklare Befunde“ und „Diagnostische<br />
Befunde“ ([8, 9], siehe Kasten Seite 7).<br />
Forensische Spurensicherung<br />
Neben bestimmten Verletzungen und Infektionen<br />
spielen aus rechtsmedizinischer Sicht vor<br />
allem DNA-Spuren eine wesentliche Rolle, die<br />
bei einem Abstrich, auf Kleidung und Bettwäsche<br />
oder im Rahmen einer Schwangerschaft<br />
gewonnen werden können. DNA ist nicht nur<br />
ein beweisender Befund für einen sexuellen Kindesmissbrauch,<br />
sondern ermöglicht gleichzeitig<br />
einen direkten Täternachweis, betonte Dr. Sibylle<br />
Banaschak, Leiterin der Rechtsmedizinischen<br />
Ambulanz am Universitätsklinikum Köln.<br />
Pädiatrix 4/2012