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Taugt die Kunst als alternative Anlageform? - Art Market

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Jusletter 14. Juni 2004<br />

Franz-Josef Sladeczek, <strong>Taugt</strong> <strong>die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>als</strong> <strong>alternative</strong> <strong>Anlageform</strong>?<br />

Dr. Franz-Josef Sladeczek<br />

<strong>Taugt</strong> <strong>die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>als</strong> <strong>alternative</strong> <strong>Anlageform</strong>?<br />

Nach welchen Kriterien wird der Wert eines <strong>Kunst</strong>werks bemessen? Welche Faktoren sind für <strong>die</strong> Preisgestaltung<br />

und -entwicklung von <strong>Kunst</strong> verantwortlich? Wer bestimmt eigentlich den Marktwert eines Künstlers? Welche<br />

Möglichkeiten, aber auch Risiken bietet das Investment in <strong>Kunst</strong>? Der nachfolgende Beitrag setzt sich mit der <strong>Kunst</strong><br />

<strong>als</strong> <strong>alternative</strong>r <strong>Anlageform</strong> auseinander.<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einleitung<br />

2. Auktionen <strong>als</strong> Gradmesser<br />

3. Galerien <strong>als</strong> Schrittmacher<br />

4. Tops and Flops<br />

5. Passion versus Investment<br />

1. Einleitung<br />

[Rz 1] In <strong>die</strong>sem Frühjahr ging ein Aufschrei durch <strong>die</strong> <strong>Kunst</strong>welt: Zum ersten Mal in der Geschichte des<br />

Auktionswesens überschritt ein Bild <strong>die</strong> magische Grenze von 100 Millionen Dollar. Am 5. Mai 2004 wurde der<br />

«Garçon à la pipe» (Abb. 1), das Picasso im Herbst 1905 in Paris gemalt hatte, bei Sotheby’s New York für 104<br />

Millionen Dollar an einen Privatsammler versteigert. Nach dem Porträt des Doktor Gachet von Vincent van Gogh,<br />

das 1990 auf der Auktion bei Christie’s 82,5 Millionen Dollar erzielt hatte, war <strong>die</strong>s der bislang höchste Zuschlag für<br />

ein Gemälde überhaupt.<br />

[Rz 2] Der <strong>Kunst</strong>markt hatte damit eine neue Sensation. Die Frage ist nur: War <strong>die</strong>s ein einmaliger Vorgang? Oder<br />

ist damit zu rechnen, dass ähnliche Zuschläge auch in Zukunft für derartig herausragende <strong>Kunst</strong>werke gezahlt<br />

werden? In jedem Fall lässt <strong>die</strong>se Transaktion aufhorchen. Denn sie zeigt, dass im Prinzip «nach oben» keine<br />

Schranken bestehen. Dies gilt insbesondere für aussergewöhnliche <strong>Art</strong>efakte, <strong>die</strong> neben einem tadellosen<br />

Erhaltungszustand auch eine lückenlose Provenienz vorweisen können. Das Bild befand sich in der Privatkollektion<br />

des New Yorker Sammlerpaars John Hay und Betsey Whitney und gelangte nun infolge Erbteilung in den Handel.<br />

Wie bekannt wurde, hatte das Ehepaar das Bild 1950 für 30’000 Dollar erworben.<br />

[Rz 3] Bräuchte es noch einen letzten Beweis, dass <strong>Kunst</strong> zu sammeln auch eine Form des Investments bedeuten<br />

kann, so dürfte er hiermit erbracht worden sein. Längst hat sich auch innerhalb des Kapitalmarktes der Handel mit<br />

<strong>Kunst</strong> zu einer <strong>alternative</strong>n Anlagestrategie herausgebildet. <strong>Art</strong> Investment ist mittlerweile vor allem im Private<br />

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Banking ein fester Bestandteil der Kundenbetreuung geworden, das <strong>die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>als</strong> wichtigen Zweig der<br />

Vermögensplanung mit einschliesst. Die Palette der Serviceleistungen reicht hier von Schätzungen und<br />

Echtheitsprüfungen über <strong>die</strong> Beratung in Erbschaftsfragen, bis hin zu Sammlungsstrategien und Vermittlungen beim<br />

An- und Verkauf.<br />

[Rz 4] Aber nicht nur im Kapitalmarkt widmet man sich der <strong>Kunst</strong> <strong>als</strong> <strong>alternative</strong> Anlagemöglichkeit. Auch der<br />

Buchmarkt wartet in den letzten Jahren mit diversen Neuerscheinungen auf, <strong>die</strong> sich ganz dezi<strong>die</strong>rt <strong>die</strong>sem Thema<br />

1 2<br />

annehmen. Dies bezeugen u.a. Titel wie: «<strong>Kunst</strong>voll investieren» , «Investing in art – the art of investing» ,<br />

3 4 5 6 7<br />

«<strong>Kunst</strong>-Investment» , «artInvestor» , «<strong>Kunst</strong> gleich Kapital» , «Richtig in <strong>Kunst</strong> investieren» , «<strong>Art</strong>-Investor» oder<br />

8<br />

der «<strong>Kunst</strong>investment-Guide» . Hier können sich Kundenberater und Sammler über <strong>die</strong> neuesten Trends auf dem<br />

<strong>Kunst</strong>markt informieren und kundig machen, welche Künstler gegenwärtig ein Investment lohnen.<br />

[Rz 5] Das Thema <strong>Kunst</strong> <strong>als</strong> <strong>alternative</strong> Form des Investments liegt <strong>als</strong>o in der Luft – nicht nur im Bereich des<br />

Private Banking, sondern auch auf Seiten finanzkräftiger Anleger, <strong>die</strong>, aufgeschreckt durch <strong>die</strong> jüngste Baisse der<br />

Aktienmärkte, nach <strong>alternative</strong>n Anlagemöglichkeiten Ausschau halten.<br />

[Rz 6] Suchen wir uns daher ein wenig näher mit dem <strong>Kunst</strong>markt und seinen Eigenheiten zu befassen und fragen:<br />

Nach welchen Kriterien wird der Wert eines <strong>Kunst</strong>werks bemessen? Welche Faktoren sind für <strong>die</strong> Preisgestaltung<br />

und -entwicklung von <strong>Kunst</strong> verantwortlich? Wer bestimmt eigentlich den Marktwert eines Künstlers? Und: Welche<br />

Möglichkeiten, aber auch Risiken bietet das Investment in <strong>Kunst</strong>?<br />

2. Auktionen <strong>als</strong> Gradmesser<br />

[Rz 7] Es sind vor allem <strong>die</strong> Auktionshäuser und Galerien, <strong>die</strong> im internationalen <strong>Kunst</strong>handel den Ton angeben und<br />

<strong>als</strong> Trendsetter in Bezug auf <strong>die</strong> Vermarktung von Künstlern und Stilrichtungen hervortreten.<br />

[Rz 8] Im Gegensatz zu den Galerien, <strong>die</strong> erstm<strong>als</strong> gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden, können <strong>die</strong><br />

9<br />

Auktionshäuser auf eine weitaus längere Tradition <strong>als</strong> «<strong>Kunst</strong>vermarkter» zurückblicken: Ihre Entstehung reicht<br />

zurück ins 18. Jahrhundert, <strong>als</strong> das wohlhabende Bürgertum seinen Stil dem Adel annäherte und sich mit <strong>Kunst</strong>- und<br />

Kulturgütern umgab. <strong>Kunst</strong> zu besitzen war nicht nur Ausdruck von Reichtum und Stolz, sondern auch Zeichen von<br />

Kultiviertheit und hoher Bildung. 1744 erfolgte in London <strong>die</strong> Gründung von Sotheby’s, zwanzig Jahre später <strong>die</strong><br />

von Christie’s (1766).<br />

[Rz 9] Dass beide Häuser zunächst hauptsächlich Bücher und Schmuck versteigerten, kann man sich angesichts ihrer<br />

heutigen Entwicklung kaum mehr vorstellen. Die Häuser sind mittlerweile zu regelrechten Nischen-Versteigerern<br />

geworden, <strong>die</strong> neben den gewöhnlichen Versteigerungen für Bilder und Skulpturen, Graphik und Möbeln, Schmuck<br />

und Uhren auch ausgesprochene Spezialauktionen durchführen, so zum Beispiel von afrikanischer und<br />

lateinamerikanischer <strong>Kunst</strong>, solche von der <strong>Kunst</strong> der Aborigines, von europäischem Glas, Bilderrahmen und<br />

Ikonen, Kameras und wissenschaftlichen Geräten, Sportwaffen, Teddybären und schliesslich auch Wein. Sie<br />

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reagieren damit nicht nur auf <strong>die</strong> Sammlerbedürfnisse, sondern signalisieren gleichzeitig, dass sie jederzeit bereit<br />

sind, neue Sparten in ihre Versteigerungspalette aufzunehmen und somit weitere Kreise von <strong>Kunst</strong>interessenten für<br />

sich zu gewinnen.<br />

[Rz 10] Weltweit sind heute knapp 3’000 Auktionshäuser registriert. Von <strong>die</strong>sen kontrollieren <strong>die</strong> beiden<br />

Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s insgesamt 90 Prozent des Marktes, bei einem Jahresumsatz von vier<br />

Milliarden Dollar. Ihren Ver<strong>die</strong>nst erwirtschaften <strong>die</strong> Versteigerungsfirmen über <strong>die</strong> Verkaufskommissionen, <strong>die</strong> sie<br />

sowohl vom Einlieferer (Verkäufer) <strong>als</strong> auch vom Käufer erheben.<br />

[Rz 11] Da <strong>die</strong> Versteigerungen öffentlich sind, sind auch <strong>die</strong> erzielten Zuschläge beziehungsweise Verkaufspreise<br />

öffentlich einsehbar. Die Ergebnisse finden ihren Niederschlag nicht nur in sogenannten Ergebnislisten, <strong>die</strong> von den<br />

Auktionshäusern selbst erstellt werden, sondern sie sind auch (gegen eine geringe Gebühr) via Internet jederzeit<br />

abrufbar. Ob <strong>die</strong>ser Transparenz ist der Auktionshandel zum wichtigsten Gradmesser hinsichtlich der<br />

Preisentwicklung im internationalen <strong>Kunst</strong>markt geworden. Mittels der Auktionsergebnisse lassen sich nicht nur<br />

Entwicklungsabläufe analysieren, sondern auch Prognosen bezüglich künftiger Trends im <strong>Kunst</strong>markt erstellen.<br />

[Rz 12] So weiss man mittlerweile, dass sich der <strong>Kunst</strong>handel weitgehend unabhängig von Tendenzen auf den<br />

internationalen Märkten entwickelt. Wolfgang Wilke, Finanzmarktexperte bei der Dresdner Bank, und einer der<br />

führenden Analysten des internationalen <strong>Kunst</strong>markts, resümiert hierzu:<br />

«The art market reacts in its own way to the general socio-economic enviroment and is only temporarily<br />

10<br />

influenced by capital market conditions» .<br />

[Rz 13] Dass er damit Recht behalten kann, zeigen auch <strong>die</strong> jüngsten Untersuchungen der beiden New Yorker<br />

11<br />

Professoren Yanping Mei und Michael Moses. Sie analysierten sämtliche <strong>Kunst</strong>verkäufe seit 1950 in den New<br />

Yorker Auktionshäusern – und zwar in den Segmenten «Old Masters», «American <strong>Art</strong>», «Impressionismus» und<br />

«Modern <strong>Art</strong>». Ähnlich wie Wilke kamen auch Mei/Moses zu dem Schluss, dass der <strong>Kunst</strong>markt keine oder nur<br />

geringe Korrelationen zum Aktienmarkt aufweist.<br />

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3. Galerien <strong>als</strong> Schrittmacher<br />

[Rz 14] Obschon der Galeriehandel eine derartige Transparenz der internationalen Preisentwicklung vermissen lässt,<br />

bildet er dennoch den zweiten gewichtigen Pfeiler bezüglich der Preisgestaltung im <strong>Kunst</strong>markt. Galeristen sind <strong>die</strong><br />

eigentlichen Schrittmacher der zeitgenössischen <strong>Kunst</strong>. Durch sie werden junge Talente bekannt gemacht und<br />

gefördert, <strong>die</strong> sie in ihren eigenen Räumen oder <strong>als</strong> Aussteller auf internationalen <strong>Kunst</strong>messen vorführen. Von den<br />

<strong>Kunst</strong>messen ist <strong>die</strong> alljährlich im Juni stattfindende ART Basel <strong>die</strong> bedeutendste Veranstaltung <strong>die</strong>ser <strong>Art</strong> weltweit.<br />

[Rz 15] Auch das Galeriegeschäft ist in der Regel ein Kommissionsgeschäft. Das heisst, <strong>die</strong> Künstler überlassen ihre<br />

Werke für eine gewisse Zeit dem Galeristen zwecks Verkauf. Dieser richtet nicht nur ihre Ausstellungen aus,<br />

sondern ist auch für das gesamte <strong>Market</strong>ing besorgt.<br />

[Rz 16] Der Aufbau eines unbekannten Künstlers benötigt Zeit und dauert in der Regel zwischen zehn und zwanzig<br />

Jahren. Denn es gilt hier eine «Marke» zu schaffen, <strong>die</strong> einen festen Platz im <strong>Kunst</strong>geschehen einnehmen soll.<br />

Gegenseitige Verträge zwischen Künstler und Galeristen sorgen für Kontinuität und Preisstabilität: Der Galerist wird<br />

nicht nur zum Markteinführer, sondern auch zum Marktführer jener Künstler, <strong>die</strong> er vertritt. Auf <strong>die</strong>se Weise ist<br />

gewährleistet, dass das Verkaufsniveau konstant hoch gehalten und auch der Marktwert seiner Künstler mit<br />

zunehmendem Bekanntheitsgrad sukzessive gesteigert werden kann. Die Preisgestaltung liegt in erster Linie in der<br />

Hand des Galeristen, der für gewöhnlich 50 Prozent aus den Verkaufserlösen einbehält. Hierbei ist sein Engagement<br />

für ein junges Talent zunächst noch zurückhaltend: Wird er für ein Ölbild (100 x 150 cm) eines relativ unbekannten<br />

Künstler anfänglich kaum mehr <strong>als</strong> Fr. 15'000.- verlangen können, so lässt sich den Verkaufspreis für Bilder<br />

desselben Künstlers im Laufe der Jahre auf ein Vielfaches steigern.<br />

4. Tops and Flops<br />

[Rz 17] Eine solche Preispolitik ist auch für <strong>Kunst</strong>sammler interessant, <strong>die</strong> ihre Sammeltätigkeit immer auch <strong>als</strong><br />

<strong>alternative</strong> Kapitalanlage betreiben. Allerdings hat <strong>die</strong>ses Investment überhaupt Aussicht auf Erfolg, wenn <strong>die</strong><br />

Sammlung von Anfang auf hohem Qualitätsniveau und auf <strong>die</strong> Dauer von mindestens 10 Jahren angelegt ist. Denn<br />

nur eine solche Strategie wirkt sich letzten Endes vielversprechend auf eine hohe Rentabilität der Sammlung aus.<br />

Thomas Gonzáles kommt so z.B. für Künstler wie Sigmar Polke, Anselm Kiefer oder Georg Baselitz für <strong>die</strong> Zeit<br />

zwischen 1970 und 1995 auf eine Rendite von 16% bis 30% – Zahlen, mit denen <strong>die</strong> Künstler «<strong>die</strong> Rendite<br />

deutscher Aktienfonds schlugen, <strong>die</strong> im selben Zeitraum lediglich eine Rendite von 8,6% vorweisen konnten». Seine<br />

Schlussfolgerung: «Gewinne mit <strong>Kunst</strong> sind <strong>als</strong>o keine Ausnahme, sondern ein häufiges Ergebnis beim Einsatz<br />

12<br />

<strong>die</strong>ses besonders verlässlichen Anlageinstruments.»<br />

[Rz 18] In der Tat zeigt ein Blick auf den sog. <strong>Kunst</strong>kompass der Zeitschrift Capital, der jedes Jahr im November<br />

neu aufgelegt wird und in dem <strong>die</strong> jeweils 100 besten Künstler eines Jahres verzeichnet sind: Baselitz, Polke, Kiefer<br />

und Richter gehören seit dem Ende der 1980er Jahre zu den topgesetzten Künstlern im Markt.<br />

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[Rz 19] Eine weitergehende Betrachtung zeigt aber ebenso, dass sich im <strong>Kunst</strong>kompass auch eklatante<br />

Verschiebungen von Künstlern feststellen lassen – auch von solchen, <strong>die</strong>1970 noch ganz zuoberst rangierten, <strong>die</strong><br />

dagegen heute in keiner Rangliste mehr geführt werden.<br />

[Rz 20] Etwaiges lässt sich beobachten für Künstler wie Armand, Jean Tinguely, Jim Dine oder Victor Vasarely, <strong>die</strong><br />

1970 unter den ersten 10 teuersten Künstlern rangierten und 2001 gänzlich aus der Hitliste des <strong>Kunst</strong>-Compass<br />

verschwunden sind. Auch Bernard Buffet steht exemplarisch für eine solche Entwicklung, <strong>die</strong> im Sinne eines<br />

Investments kaum vielversprechend gewesen wäre: Um <strong>die</strong> Mitte der 1980er Jahre noch auf einem Preissegment um<br />

<strong>die</strong> 20'000.-- bis 30'000.-- Euro zu haben, erzielten seine Bilder kurz darauf bereits Spitzenpreise von bis zu<br />

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800'000.-- Euro. Heute erreichen seine Bilder kaum mehr Zuschläge von über 100'000.-- Euro, sondern bewegen<br />

sich zumeist im Preissegment zwischen 20'000.-- und 50'000.-- Euro. Bernhard Buffet ist heute wieder auf jenes<br />

Preisniveau zurückgefallen, das er bereits um <strong>die</strong> Mitte der 80er Jahre hatte. Sämtliche Prognosen in Bezug auf einen<br />

Werterhalt, ja sogar eine Wertsteigerung <strong>die</strong>ses Künstlers schlugen ins Leere.<br />

[Rz 21] So gesehen gibt es auch im Sektor des <strong>Kunst</strong>investments keine absolute Garantie. Nicht jeder Künstler, der<br />

heutzutage «Top» ist, wird auch noch nach Jahren und Jahrzehnten auf adäquat hohem Niveau gehandelt. Es würde<br />

sich wirklich lohnen, einmal eingehender der Frage nachzugehen, wie viele der einst topgesetzten Künstler auch nach<br />

mehreren Jahrzehnten ganz oben rangieren. Es dürften <strong>die</strong>s kaum mehr <strong>als</strong> 50% sein.<br />

[Rz 22] Ein wesentlicher Grund für <strong>die</strong> Entwicklung «heute Top, morgen Flop» dürfte damit zusammenhängen, dass<br />

gerade der <strong>Kunst</strong>markt sehr stark von ästhetischen und geschmacklichen Tendenzen bestimmt wird. Neben<br />

Wertbeständigem treffen wir immer auch auf solche Künstler und Stilrichtungen, <strong>die</strong> irgendwann nicht mehr gefragt<br />

sind, an denen man sich im Laufe der Zeit einfach «satt» gesehen hat.<br />

[Rz 23] Who is still interested in Beuys? Joseph Beuys (1921-1986), <strong>die</strong>ser grosse Provokateur und Visionär einer<br />

neuen Ausrichtung der <strong>Kunst</strong>, der <strong>die</strong> Moderne nach 1945 geradezu revolutionierte, rangierte in den1970er und<br />

1980er Jahren gleich mehrfach unter den ersten Plätzen im Capital-<strong>Kunst</strong>kompass (Abb. 5). Preise bis zu DM<br />

250'000.-- und mehr waren keine Seltenheit für seine Objekte, <strong>die</strong> mittlerweile auch recht grosse konservatorische<br />

Probleme bereiten. Seit dem Ende der 1980er Jahre ist Joseph Beuys von allen Plätzen der 100 besten Künstler<br />

verbannt, was anzeigt, dass seine Werke auf dem Markt kaum noch gross gefragt sind.<br />

[Rz 24] Ein ähnliches Schicksal widerfuhr auch den «Jungen Wilden», einer Gruppe von jungen Künstlern, <strong>die</strong> mit<br />

ihrer gestischen Malerei in den 80er Jahren Furore machte und emphatisch gefeiert wurde. 1987 brachten es einige<br />

von ihnen (Jiri Georg Dokoupil, Walter Dahn) sogar auf einen der Spitzenplätze (Rang 7 und 8) unter den 100<br />

Besten des Capital-<strong>Kunst</strong>kompass. Heute dagegen sind <strong>die</strong>se Jungen Wilden aus allen Plätzen der Hitlisten verbannt,<br />

ja zum Teil kennt man nicht einmal mehr ihre Namen.<br />

[Rz 25] Wird es eines Tages nicht vielen unter den «50 Newcomern am Markt» (Abb. 6), <strong>die</strong> der «ARTinvestor» in<br />

regelmässigen Abständen publiziert, ähnlich ergehen? In jedem Fall sollte man sich bewusst sein, dass Ankäufe von<br />

junger, noch nicht arrivierter <strong>Kunst</strong> stark risikobehaftet ist. Auf genau <strong>die</strong>ses Marktsegment müsste aber ein Investor<br />

«setzen», will er auf dem <strong>Kunst</strong>markt größtmögliche Gewinne einfahren. Denn mit etablierten Künstlern ist es in der<br />

13<br />

Tat «sehr schwer, wirklich interessante Renditen zu erzielen» .<br />

14<br />

[Rz 26] Der Vorschlag von Thomas Gonzáles, zwischen 5% und 20% des gesamten Portfolios in <strong>Kunst</strong> anzulegen ,<br />

ist im Sinne der Diversifikation grosser Vermögen sicherlich nachvollziehbar. Indes hat bis heute kaum einer der<br />

15<br />

sog. <strong>Kunst</strong>fonds das erwirtschaften können, was man sich von ihnen erhofft hatte. Im Gegensatz zu den<br />

Aktienmärkten war und ist der Handel mit <strong>Kunst</strong> stark emotional behaftet, werden Kaufentscheide immer wieder aus<br />

dem «Bauch» und nur bedingt mit dem Kopf getroffen. <strong>Kunst</strong>werke nach Hitlisten zu kaufen, wie <strong>die</strong>s nach Vorgabe<br />

der <strong>Art</strong>investment-Literatur möglich ist, ja empfohlen wird, ist wohl eher etwas für Spekulanten und Debütanten, <strong>die</strong><br />

ein <strong>Kunst</strong>investment in Namen betreiben.<br />

5. Passion versus Investment<br />

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[Rz 27] Mit <strong>Kunst</strong> zu spekulieren, ist aber noch nie gut gekommen. Dies sind sich gerade jene Sammlerkreise<br />

bewusst, <strong>die</strong> ihr Engagement aus Interesse und Passion betreiben. Keiner der grossen Sammler, hiessen oder heissen<br />

sie Emil G. Bührle (Abb. 7), Oskar Rheinhardt, Anne-Marie und Victor Loeb (Abb. 8) oder Ernst Beyerler (um nur<br />

einige Sammlerpersönlichkeiten hier in der Schweiz zu nennen) haben ihre Sammeltätigkeit primär unter dem<br />

Aspekt eines Investments bzw. der Rentabilität verstanden, ausschlaggebend für sie waren vielmehr qualitative wie<br />

persönliche Überlegungen.<br />

[Rz 28] So sucht auch der passionierte Sammler den Aufbau seiner Sammlung nach festgelegten Kriterien<br />

vorzunehmen. Die Tatsache, dass das ein oder andere Objekt vielleicht eine Wertsteigerung erfahren wird, ist für ihn<br />

ein schöner Nebeneffekt, sicherlich aber nicht Ausgangspunkt für seine Überlegungen in Bezug auf eine<br />

Sammlungsstrategie. Der eigentliche Impetus zum Kauf ist für ihn ein gänzlich anderer: nämlich der <strong>Kunst</strong>genuss.<br />

Das Verlangen, den Sammlungsbestand sukzessive zu vergrössern und vorhandene Lücken zu schliessen, hat für den<br />

passionierten Sammler weitaus mehr Gewicht, <strong>als</strong> <strong>die</strong> Frage, wie hoch <strong>die</strong> Rendite ist, <strong>die</strong> seine Sammlung im Laufe<br />

der Jahre abwerfen könnte. Dafür ist er sogar bereit, wie im jüngsten Fall des Picasso-Bildes, einen total<br />

überteuerten Preis für ein Objekt zu bezahlen, das ihm in seiner Sammlung bislang noch fehlte. In <strong>die</strong>sem Sinne<br />

würde er sogar bewusst ein «Fehlinvestment» in <strong>Kunst</strong> tätigen. Er weiss jedoch, dass eine qualitätvolle Sammlung<br />

nur aus einer solchen Gesinnung entstehen kann. Nur <strong>die</strong>se konsequente Haltung sichert ihm zu, dass <strong>die</strong> Kollektion<br />

seine individuelle, persönliche Note erhält, <strong>die</strong> ihm auch einen entsprechend breiten Diskurs in der Öffentlichkeit<br />

zusichert, <strong>als</strong> dessen Ergebnis möglicherweise sogar ein eigenes Sammlermuseum stehen wird.<br />

[Rz 29] Befragt man den Stellenwert des <strong>Kunst</strong>handels in der Schweiz, so zeigt sich aufgrund jüngster<br />

Datenerhebungen folgendes Bild: Der Handel mit <strong>Kunst</strong>gütern in der Schweiz erreichte für das Jahr 2001 einen<br />

Umsatz von knapp einer Milliarde Franken (insgesamt Fr. 925.-- Millionen, das sind 625 Millionen Euro). Nach den<br />

USA (12,5 Milliarden Euro), England (6,7 Milliarden Euro), Frankreich (2 Milliarden Euro) und Deutschland (775<br />

Millionen Euro) bekleidet <strong>die</strong> Schweiz damit weltweit den fünften Rang im <strong>Kunst</strong>handel – eine gemessen an der<br />

Grösse <strong>die</strong>ses Landes hervorragende Position. Die herausragende Stellung der Schweiz im internationalen<br />

<strong>Kunst</strong>markt gründet auf einer Anzahl von Faktoren: Immer wieder genannt werden <strong>die</strong> sprichwörtliche Seriosität, <strong>die</strong><br />

Neutralität, das Bankgeheimnis, <strong>die</strong> freizügige Gesetzgebung und vorteilhafte Steuergesetzgebung sowie <strong>die</strong><br />

innenpolitische Stabilität der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse. (Quelle: «Der Europäische <strong>Kunst</strong>markt<br />

im Jahr 2002. Eine Stu<strong>die</strong>». In Auftrag gegeben von der TEFAF [The European Fine <strong>Art</strong> Foundation], 2002)<br />

Der Autor, Dr. Franz-Josef Sladeczek, ist <strong>Kunst</strong>historiker und Geschäftsführer der ARTexperts GmbH in Bern. Als<br />

unabhängiges Dienstleistungsunternehmen gewährleistet <strong>die</strong> ARTexperts GmbH professionelle Unterstützung in<br />

allen wichtigen <strong>Kunst</strong>fragen: Sie hilft bei der Festlegung des Sammlungskonzeptes, berät beim An- und Verkauf,<br />

inventarisiert und taxiert den Sammlungsbestand, erstellt individuelle Konzepte zur Restaurierung und Versicherung<br />

von <strong>Kunst</strong>gegenständen und bietet ebenso Hand bei der Regelung des Erbnachlasses.<br />

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Franz-Josef Sladeczek, <strong>Taugt</strong> <strong>die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>als</strong> <strong>alternative</strong> <strong>Anlageform</strong>?<br />

1<br />

Wolfgang Wilke, <strong>Kunst</strong>voll investieren, in: Trends, herausgegeben von der Dresdner Bank AG, Frankfurt 1999.<br />

2<br />

Wolfgang Wilke, Investing in art – the art of investing, in: Trends, published by Dresdner Bank AG, Frankfurt<br />

2000.<br />

3<br />

Thomas González und Robert Weis, <strong>Kunst</strong>-Investment. Die <strong>Kunst</strong>, mit <strong>Kunst</strong> Geld zu ver<strong>die</strong>nen, Wiesbaden<br />

2000.<br />

4<br />

<strong>Art</strong>Investor. <strong>Kunst</strong> und Markt; erscheint seit 2001 vierteljährlich, 6,50 Euro pro Heft.<br />

5<br />

Linde Rohr-Bongard (Hrsg.), <strong>Kunst</strong> = Kapital. Der Capital <strong>Kunst</strong>kompass von 1970 bis heute, Köln 2001.<br />

6<br />

Gabi Czöppan, Richtig in <strong>Kunst</strong> investieren. Kauf und Verkauf, Wertsteigerung und Rendite, Chancen und<br />

Strategien, München 2002.<br />

7<br />

Lothar Pues, Edgar Quadt und Rissa, <strong>Art</strong>-Investor. Handbuch für <strong>Kunst</strong> & Investment, München 2002.<br />

8<br />

Thomas Gonzáles, <strong>Kunst</strong>investment Guide. 101 Marktanalysen von Künstlern des 19. und 20. Jahrhunderts –<br />

Rekordergebnisse, Marktlage, Investmenttips, München 2002.<br />

9<br />

Vgl. hierzu zuletzt Christian Herchenröder, Auktionen, Schriftenreihe Vontobel-Stiftung, Zürich 2003.<br />

10<br />

Wolfgang Wilke, «Investing in art … » (wie Anm. 1, S. 20).<br />

11<br />

Vgl. hierzu den Beitrag von Petra Arends (UBS ARTBanking), <strong>Kunst</strong> <strong>als</strong> Investment. Erlaubt ein neuer Index<br />

neue <strong>Kunst</strong>markt-Analysen?, in: NZZ, Nr. 137, B5 (17. Juni 2003).<br />

12<br />

Gonzáles (wie Anm. 8), S. 17f.<br />

13<br />

Marathon für <strong>die</strong> <strong>Kunst</strong>. Das Erfolgskonzept von Deutschlands bekanntestem <strong>Art</strong> Consultent Helge Achenbach,<br />

in: Czöppan (wie Anm. 6), S. 195.<br />

14<br />

Gonzáles (wie Anm. 8), S. 16.<br />

15<br />

Als Paradebeispiel wird immer wieder der British Rail Pension Funds angeführt, der innerhalb von nur sechs<br />

Jahren nach Auflage 62 Millionen Pfund in <strong>die</strong> Pensionskasse einspielte. Für den 1997 aufgelegten «Global <strong>Art</strong><br />

Funds» fanden sich dagegen zu wenig Anleger, weshalb das Projekt schliesslich ad acta gelegt und <strong>die</strong><br />

Anteilszeichner ausgezahlt wurden. Vor <strong>die</strong>sem Hintergrund wird man gespannt sein dürfen, ob der jüngste<br />

Versuch Daniella Luxembourgs, mit <strong>Art</strong>Vest einen neuen <strong>Kunst</strong>fonds ins Leben zu rufen, tatsächlich reüssieren<br />

wird.<br />

Rechtsgebiet: Kultur. <strong>Kunst</strong>. Freizeit. Sport<br />

Erschienen in: Jusletter 14. Juni 2004<br />

Zitiervorschlag: Franz-Josef Sladeczek, <strong>Taugt</strong> <strong>die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>als</strong> <strong>alternative</strong> <strong>Anlageform</strong>?, in: Jusletter 14. Juni 2004<br />

Internetadresse: http://www.weblaw.ch/jusletter/<strong>Art</strong>ikel.asp?<strong>Art</strong>icleNr=3185<br />

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