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ASI Pressespiegel - SBK Sektion Zentralschweiz

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<strong>SBK</strong><br />

<strong>ASI</strong><br />

<strong>Pressespiegel</strong><br />

2009<br />

*<br />

<strong>SBK</strong> <strong>Sektion</strong> <strong>Zentralschweiz</strong><br />

Das Pressejahr war geprägt<br />

von Berichten über den<br />

bevorstehenden<br />

Personalmangel im<br />

Gesundheitswesen<br />

sowie die Übergriffe im<br />

Pflegeheim Entlisberg ZH<br />

Pflegeheim-Skandal:<br />

Grosse Untersuchung<br />

Zürich. - Der Missbrauch von Patientinnen<br />

im Pflegezentrum Entlisberg hat weitreichende<br />

Konsequenzen. Am Donnerstagabend<br />

kündigte das städtische Gesundheitsdepartement<br />

eine Administrativuntersuchung<br />

gegen die ganze Abteilung<br />

an, in der drei Mitarbeitende nackte demente<br />

Patientinnen mit dem Handy gefilmt<br />

hatten. Dabei geht es laut der TV-Sendung<br />

«10 vor 10» um die Frage, wer von den<br />

Handyfilmen wusste, und ob allenfalls ein<br />

Kadermitarbeiter davon Kenntnis hatte. Im<br />

Entlisberg gilt seit langem ein Handyverbot,<br />

wie Kurt Meier, der Direktor der städtischen<br />

Pflegezentren, sagte. Dessen Missachtung<br />

führt er auf «eher large» Kontrollen<br />

zurück. Vorerst nicht erhärtet hat sich<br />

der Verdacht gegen einen Pfleger, dem<br />

Diebstahl vorgeworfen wurde, (sch)<br />

Verbot hat nichts genützt, Seite 13<br />

Filipinas<br />

für die Pflege<br />

Hilfe aus dem Ausland<br />

gegen Personalmangel<br />

BERN Die kantonale Gesundheitsdirektorenkonferenz<br />

und die<br />

Dachorganisation der Arbeitswelt<br />

Gesundheit (Odasante) prüfen,<br />

philippinische Pflegefachkräfte in<br />

die Schweiz zu holen. Dies ist eine<br />

von mehreren Massnahmen, um<br />

den drohenden Personalmangel<br />

in Spitälern und Heimen<br />

abzuwenden. Laut einer Studie<br />

werden in der Pflege und in der<br />

Therapie innerhalb der nächsten<br />

zehn Jahre zusätzlich 25000<br />

Fächkräfte benötigt. Filipinas<br />

seien sehr gut ausgebildet, sagt<br />

Franz Wyss, Zentralsekretär der<br />

kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz<br />

(GDK).<br />

Hansueli Mösle, Direktor des<br />

Heimverbands Curaviva, steht<br />

einer allfälligen Rekrutierung<br />

philippinischer Pflegefachkräfte<br />

positiv gegenüber. Er setzt voraus,<br />

dass sie Deutsch sprechen.<br />

Kritischer ist das Rote Kreuz:<br />

Statt ärmeren Ländern Pflegepersonal<br />

abzuwerben, soll Pflegehelfern<br />

aus der Schweiz der Zugang<br />

zu qualifizierter Ausbildung<br />

erleichtert werden. Bund und<br />

Kantone prüfen unter anderem,<br />

mehr Ausbildungsplätze für das<br />

Pflegepersonal anzubieten.


Betagtenzentrum<br />

Eichhof<br />

Eine sorgsamePflege<br />

Unheilbar Kranken einen Ort<br />

bieten, wo sie gut umsorgt<br />

und in Würde ihre letzte<br />

Lebensphase verbringen<br />

können: Das will eine neue<br />

Spezialabteilung.<br />

VON RUTH SCHNEIDER<br />

Ein 38-jähriger unheilbar Krebskranker<br />

weiss, dass er nur noch wenige<br />

Monate zu leben hat. Spitalpflege benötigt<br />

er nicht mehr. Der Kontakt mit<br />

seinen Angehörigen ist schwierig. Muss<br />

er nun allein in seiner Wohnung die<br />

letzten Wochen verbringen? Nicht<br />

zwingend. Denn für jüngere und ältere<br />

Menschen in dieser und ähnlichen<br />

Situationen schafft die Stadt Luzern ein<br />

neues Angebot. Sie eröffnet Mitte Januar<br />

2009 im soeben neu umgebauten<br />

Pflegeheim im Betagtenzentrum Eichhof<br />

eine Palliativabteilung. Diese ist ein<br />

Ort, wo das Leben in der letzten Phase<br />

bis zum Schluss lebenswert sein soll.<br />

Das Leiden lindern<br />

«In der Palliativabteilung soll nicht<br />

nur das Medizinisch-Pflegerische im<br />

Vordergrund stehen, sondern vor allem<br />

auch die soziale, psychische und religiös-spirituelle<br />

Begleitung des Patienten»,<br />

sagt Susanne Imfeid-Johner (56),<br />

die Leiterin dieser Abteilung. Aus ihrer<br />

langjährigen Erfahrung als Pflegefachfrau<br />

weiss sie: «Jeder Mensch hat das<br />

«Die Arbeit mit Sterbenden<br />

kann beiastend sein.<br />

Sie ist aber auch sehr<br />

bereichernd.»<br />

LEITERIN<br />

SUSANNE<br />

IMFELD-JOHNER,<br />

PALLIATIVABTEILUNG<br />

Bedürfnis, schmerzfrei und in Würde zu<br />

sterben.» Eine gute Schmerzlinderung<br />

sei zentral. Das könne auch heissen,<br />

dass zum Beispiel Menschen, die ihre<br />

letzte Lebensphase umsorgt von Angehörigen<br />

und der Spitex zu Hause verbringen,<br />

«für eine optimale Einstellung<br />

der Schmerzmedikamente oder zur<br />

Entlastung der Angehörigen für eine<br />

kurze Zeit auf unsere Abteilung kommen<br />

können».<br />

Für die ganze <strong>Zentralschweiz</strong><br />

Die neue Palliativabteilung verfügt<br />

über 14 Plätze. In den ersten zwei<br />

Jahren der Pilotphase wird sie aber nur<br />

sieben Plätze anbieten; die anderen<br />

sieben Plätze sind eine normale Pflegeabteilung.<br />

Zugewiesen werden die Patienten<br />

von Spitälern, Hausärzten und<br />

der Spitex. Patienten und Angehörige<br />

können sich auch direkt erkundigen.<br />

Die Abteilung steht nicht nur Patienten<br />

im Erwachsenenalter aus Stadt und<br />

Agglomeration Luzern offen, sondern<br />

für die ganze <strong>Zentralschweiz</strong>. Das Altersspektrum<br />

wird breit sein; gerechnet<br />

wird vor allem auch mit jüngeren<br />

Menschen, die sich bisher auf einer<br />

Pflegeabteilung in einem Betagtenzentrum<br />

eher fremd fühlten. Die Aufenthaltsdauer<br />

wird wenige Tage bis einige<br />

Monate sein. Die Kosten: Zusätzlich zu<br />

den normalen Pflegetaxen zahlen Patienten<br />

dieser spezialisierten Abteilung<br />

pro Tag einen Zuschlag von 50 Franken.<br />

Zusammen mit Angehörigen<br />

Wie wird der Alltag auf der Palliativabteilung<br />

aussehen?<br />

__<br />

Ruth Kreienbühl Vogel<br />

(58), Projektleiterin<br />

und stellvertretende<br />

Abteilungsleiterin,<br />

sagt: «Alle Patientinnen<br />

und Patienten<br />

haben ein<br />

Einzelzimmer. Es besteht<br />

auch die Mög-<br />

<br />

lichkeit, dass ein Angehöriger hier übernachten<br />

kann. Wir werden sehr flexibel<br />

auf das wechselnde körperlich-seelische<br />

Befinden und die individuellen<br />

Bedürfnisse der Patienten reagieren.»<br />

Susanne Imfeid ergänzt: «Eine Patientin<br />

«Wir werden sehr flexibel<br />

auf die individuellen<br />

Bedürfnisse der Patienten<br />

reagieren.»<br />

möchte zum Beispiel ihre Freundinnen<br />

nochmals sehen - wenn nötig helfen<br />

wir bei der Organisation. Die Zusammenarbeit<br />

mit den Angehörigen ist<br />

generell sehr zentral. Wir haben auch<br />

die Möglichkeit, eine Mal- oder Musiktherapeutin<br />

beizuziehen.» Die Räume<br />

sind so gestaltet, dass sich ein Schwer-<br />

—/ kranker mit seinem<br />

Besuch in einen kleinen<br />

Aufenthaltsraum<br />

zurückziehen<br />

kann. Er kann aber<br />

auch im grösseren<br />

Raum zum Beispiel<br />

ein Familienfest organisieren.<br />

Es fällt auf, dass<br />

die neue Abteilung in Luzern die erste<br />

ihrer Art in der <strong>Zentralschweiz</strong> ist. «Die<br />

<strong>Zentralschweiz</strong> ist bisher ein weisser<br />

Fleck», sagt Susanne Imfeid. Bekannte<br />

Institutionen sind das Hospiz Zürcher<br />

Lightjiouse oder die Palliativabteilung<br />

RUTH KREIENBÜHL VOGEL,<br />

STELLVERTRETENDE LEITERIN<br />

bis zuletzt<br />

im Pflegezentrum Reusspark im Kanton<br />

Aargau. Susanne Imfeid stellt jedoch<br />

zunehmend auch in der Innerschweiz<br />

«eine Enttabuisierung und eine grössere<br />

Offenheit dem Sterben und dem Tod<br />

gegenüber» fest. Zu dieser grösseren<br />

Offenheit trage auch die Palliative Care<br />

bei. «"Das Thema ist stark im Kommen.»<br />

Nicht nur in Spezialabteilung<br />

Wichtig ist auch: Palliative Care gibt<br />

es nicht nur in der neuen Spezialabteilung,<br />

sondern schon bisher und weiterhin<br />

auch integriert in allen städtischen<br />

Betagtenzentren. Das heisst, die Bewohner<br />

werden auf der ihnen vertrauten<br />

Abteilung auch in der letzten Lebensphase<br />

betreut.<br />

Susanne Imfeid hatte «keine Mühe»,<br />

gutes Personal mit spezieller Weiterbildung<br />

für die neue Abteilung zu finden.<br />

Aus ihrer eigenen Erfahrung weiss sie:<br />

«Die Arbeit mit Sterbenden kann belastend<br />

sein. Sie ist aber auch sehr bereichernd.<br />

Ich bekomme mehr zurück als<br />

das, was ich von mir gebe.» Die Angestellten<br />

hätten alle eine Fach-Weiterbildung<br />

und würden in der Arbeit gut<br />

begleitet. Ruth Kreienbühl: «Nach jedem<br />

Todesfall wird im Team besprochen,<br />

was in der jeweiligen Situation<br />

besonders war. Regelmässige Supervisionen<br />

sind ebenfalls vorgesehen.»<br />

PALLIATIVE CARE<br />

Sterben mit Würde<br />

• Palliative Care umfasst die körperliche<br />

Pflege, die medizinische Betreuung,<br />

die psychologische, soziale und<br />

spirituelle Begleitung und Unterstützung<br />

schwer kranker Menschen in<br />

ihrer letzten Lebensphase. Ziele sind<br />

eine hohe Lebensqualität bis zuletzt<br />

und ein würdevolles Sterben. Angehörige<br />

und Freunde werden auf Wunsch<br />

des Patienten mit einbezogen.<br />

• Die Stadt Luzern eröffnet Mitte<br />

Januar 2009 eine spezialisierte Palliativabteilung<br />

im Betagtenzentrum<br />

Eichhof. Informationen im Internet:<br />

www.stadtluzern.ch/eichhof<br />

• In Spitälern und in sehr vielen<br />

Alters- und Pflegeheimen (auch in der<br />

Stadt Luzern) wird seit einiger Zeit<br />

und weiterhin die sogenannte Integrierte<br />

Palliative Care angeboten: Die<br />

Patienten und Bewohner werden auf<br />

der ihnen vertrauten Abteilung auch<br />

in der letzten Lebensphase betreut.<br />

• Auskünfte und Adressen gibt es<br />

beim Verein Palliativ Luzern:<br />

www.palliativ-luzern.ch<br />

rs


77?<br />

Beim Pflegepersonal braucht es<br />

In Spitälern und Heimen wird<br />

das Pflegepersonal rar. Grund<br />

sind Engpässe in der Ausbildung.<br />

Der neue Beruf der Fachfrau<br />

Gesundheit ist zwar beliebt<br />

doch es fehlen Lehrstellen,<br />

Von Susanne Anderegg<br />

Winterthur. - Für Amira Pandzic (23) ist<br />

Pflegefachfrau der Traumberuf. Doch der<br />

Weg dahin ist lang für sie. Just als sie mit<br />

der Diplomausbildung beginnen wollte,<br />

für welche das Mindestalter 18 galt, wurde<br />

die Pflegeausbildung landesweit reformiert.<br />

Neu gibt es eine Lehre (Fachfrau<br />

oder Fachmann Gesundheit, kurz Fage);<br />

sie schliesst an die Volksschule an. Und es<br />

gibt die dreijährige Ausbildung zur Pflegefachfrau,<br />

für die eine Lehre oder die Matur<br />

Voraussetzung sind. Schliesslich können<br />

Maturandinnen auch an der Fachhochschule<br />

Pflege studieren (siehe Kasten).<br />

Amira Pandzic gehört zum zweiten Fage-<br />

Jahrgang, sie fing 2004 an. Und hatte<br />

Glück: Im Kantonsspital Winterthur bekam<br />

sie eine der damals noch raren Lehrstellen,<br />

und erst noch in ihrer Wunschklinik,<br />

der Chirurgie.<br />

Patient merkt keinen Unterschied<br />

Am Anfang war es der vifen jungen Frau<br />

etwas langweilig: «Im ersten Jahr durfte<br />

ich fast nichts selber machen, ich lief immer<br />

mit einer Diplomierten mit.» Heute<br />

ist das ganz anders. Amira Pandzic ist in in<br />

ihrem Element. Im Sommer 2007 hat sie<br />

die Lehre abgeschlossen und ist danach<br />

auf ihrer Abteilung geblieben.<br />

An dem Morgen, als wir sie begleiten,<br />

ist sie für drei Patienten zuständig. Herr B.<br />

hatte einen Narbenbruch, drei Tage nach<br />

der Operation hängen noch zahlreiche<br />

Schläuche an seinem Körper, was ihm gar<br />

nicht gefällt. Amira Pandzic schaut nach,<br />

wie viel Blut und Wundflüssigkeit über<br />

Nacht aus dem Bauch abgeflossen ist. Später,<br />

auf der Visite, wird sie mit der Assistenzärztin<br />

besprechen, wann sie diesen<br />

Schlauch entfernen kann. Herr B. witzelt:<br />

«Wenn Sie ihn ziehen, dann ziehe ich<br />

auch Leine!»<br />

Die ausgelernte Fage darf an den Patienten<br />

sehr vieles machen, was auch die Pflegefachfrau<br />

macht: Blut nehmen, Katheter<br />

entfernen, Verbände wechseln, bei der<br />

Körperpflege helfen. Dennoch will Amira<br />

Pandzic weiter lernen; sie beginnt im Februar<br />

die höhere Fachausbildung. «Fage ist<br />

eine gute Grundausbildung», sagt sie, «ich<br />

persönlich möchte aber mehr selbstverantwortlich<br />

arbeiten können.» Denn auch<br />

wenn für die Patienten kaum ein Unterschied<br />

zwischen Fage und Pflegefachfrau<br />

erkennbar ist: Die Verantwortung bleibt<br />

letztlich immer bei den Diplomierten, wie<br />

Pflegedienst-Direktor Markus Wittwer<br />

sagt. Diese sind zuständig für die Anamnese<br />

(Einschätzung der Patienten) und für<br />

die Pflegeplanung.<br />

Wittwer möchte mittelfristig etwa einen<br />

Drittel der Pflegestellen durch Fage,<br />

Studierende und Pflegeassistentinnen abdecken,<br />

zwei Drittel durch Pflegefachleute.<br />

Im Waidspital sieht der Stellenschlüssel<br />

ähnlich aus. Die anfänglichen Befürchtungen<br />

der Diplomierten, sie würden<br />

im grossen Stil durch «billige Arbeitskräfte»<br />

ersetzt, werden damit nicht bestätigt<br />

- abgesehen davon, dass eine Fage mit<br />

rund 4300_Franken nach<br />

der Lehre nu^iooo Franken<br />

weniger verdient als<br />

Fachleute fordern<br />

eine Erhöhung der<br />

Löhne während der<br />

Pflegeausbildung.<br />

eine Diplomierte.<br />

Viele Pflegefachfrauen<br />

hatten auf den neuen Beruf<br />

der Fage skeptisch bis<br />

abwehrend reagiert. Sabrina<br />

Born, die Lehrlingsbetreuerin<br />

von Amira<br />

Pandzic, räumt das freimütig<br />

ein: «Wir wussten<br />

am Anfang nicht, was die Fage dürfen. Wir<br />

hatten Angst, dass wir Diplomierte nur<br />

noch im Büro tätig sein würden.» Die Realität<br />

ist zum Glück eine andere. Born und<br />

Pandzic arbeiten Hand in Hand, die Stimmung<br />

im Team ist gut, alle helfen einander.<br />

Um zehn kommt ein Anruf aus dem<br />

Operationssaal: Patient S. ist abholbereit.<br />

Er hatte einen Leistenbruch. Amira Pandzic<br />

ist für ihn zuständig, doch sie darf den<br />

jungen Mann nicht allein holen. Sabrina<br />

Born muss mit. Vorschrift ist auch, dass sie<br />

einen Notfall-Rucksack trägt - falls es dem<br />

Patienten auf dem Weg plötzlich schlecht<br />

gehen sollte.<br />

Bei S. besteht keine Gefahr, er ist bereits<br />

recht munter. Im Zimmer angekommen,<br />

hängt Amira Pandzic die Infusionen auf<br />

und misst Blutdruck und Puls sowie die<br />

Sauerstoffsättigung des Blutes. Und sie<br />

fragt den Patienten, ob er schon etwas zu<br />

Mittag essen mag - er mag. Danach studiert<br />

sie im Stationszimmer das Verordnungsblatt,<br />

auf dem die operierende Ärztin<br />

eingetragen hat, welche Medikamente<br />

S. bekommen muss oder darf. Zum Beispiel<br />

Morphin, falls er starke Schmerzen<br />

hat. Auch das darf eine Fage machen: Medikamente<br />

richten.<br />

Nur 400 statt 575 neue Lehrlinge<br />

Im Kantonsspital Winterthur arbeiten<br />

derzeit erst eine Hand voll ausgebildeter<br />

Fage. In einigen Jahren sollen es 50 bis 75<br />

sein. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, auch<br />

wenn das Spital relativ viele Fage selber<br />

ausbildet: 7a insgesamt, wovon ein Drittel<br />

dieses Jahr die Lehre begonnen hat. Die<br />

(noch kurze) Erfahrung zeigt, dass etwa die<br />

Hälfte nachher weitermacht an der höheren<br />

Fachschule. Das ist durchaus gewollt:<br />

Die Fage sind die wichtigste Rekrutierungsbasis<br />

für die Pflege-Fachschulen.<br />

Das Problem ist nur, dass es noch zu wenig<br />

Fage gibt. Der Beruf ist zwar beliebt bei<br />

den jungen Leuten, doch es fehlt an Lehrstellen.<br />

Viele Betriebe zögerten, weil es<br />

lange Zeit unklar war, wie die Fage eingesetzt<br />

werden. 2007 sollten gemäss Prognose<br />

der Bildungsdirektion 480 Lehrlinge<br />

anfangen, effektiv waren es 120 weniger.<br />

2008 waren 575 geplant, 400 starteten tatsächlich.<br />

Laut Christina Vögtli von der Bildungsdirektion<br />

liegt es an allen Betrieben,<br />

noch mehr Stellen zu schaffen: Spitäler,<br />

Kliniken, Heime und Spitex. Vergleichsweise<br />

sehr wenig Lehrstellen bieten bis<br />

jetzt die Privatspitäler an. Und auch die<br />

Spitex hinkt hintennach.<br />

2010 tut sich eine grosse Lücke auf<br />

Die Situation bei den Fage wirkt sich auf<br />

die höheren Fachschulen aus: Sowohl am<br />

Careum in Zürich wie am ZAG in Wintertfijrbügben<br />

die Anmeldungen zur Pflegeäusbildung<br />

bisher weit unter den Epva£tungen.<br />

Eine Rolle spielte dabei auch die<br />

Umstellung der ganzen Bildungssystematik,<br />

wie Careum-Direktor Christian Schär<br />

sagt: «Wer sich für einen Pflegeberuf interessierte,<br />

musste sich neu orientieren. Das<br />

brauchte Zeit. Bis das System zu spielen<br />

begann, gingen Jahre ins Land.»<br />

2007 waren die Zahlen erstmals zufriedenstellend.<br />

Mit insgesamt 240 Anfangerinnen<br />

konnte der Plan laut Christina<br />

—•=<br />

Vögtli eingehalten werden.<br />

Doch 2008 sah es<br />

wieder schlecht aus: Nur<br />

210 junge Leute begannen<br />

die Pflegeausbildung, geplant<br />

waren 360. Vögtli<br />

hat keine abschliessende<br />

Erklärung für diesen Einbruch.<br />

Ein möglicher<br />

Grund sei, dass viele Interessentinnen<br />

den Ausbildungsbeginn<br />

um ein Jahr<br />

verschoben, weil sie zuerst noch Geld auf<br />

die Seite legen müssen. Denn in der neuen<br />

Pflegefachausbildung verdient man mit<br />

rund 1000 Franken pro Monat nicht genug<br />

zum Leben. Früher war der Lohn höher,<br />

vor allem für Lernende ab 25 Jahren; diese<br />

bekamen rund 3000 Franken. Fachleute<br />

fordern eine Erhöhung, nicht zuletzt damit<br />

der Pflegeberuf auch für Quereinsteigerinnen<br />

eine Option ist. Die Kosten müsste der<br />

Kanton tragen.<br />

Ein Personalmangel ist absehbar. 2002,<br />

werden die letzten Absolventinnen efes alten<br />

Diplomlehrgangs ihre Ausbildung beenden.<br />

DariäcE "tut sich eine Lücke auf.<br />

Ämira Pandzic muss sich keine Sorgen um<br />

ihre berufliche Zukunft machen. Sie wird<br />

gebraucht werden.


Die Akademisierung der Pflege macht Spitälern Sorgen<br />

Zürich. - Neuerdings kann man<br />

«Pflege» auch studieren. Der Lehrgarig<br />

an der Zürcher Hochschule für angewandte<br />

Wissenschaften (ZHAW) dauert<br />

drei Jahre bis zum Bachelor. Später<br />

soll ein Masterlehrgang dazukommen.<br />

Im Unterschied zur Pflegeausbildung<br />

an der höheren Fachschule ist der Praktikumsanteil<br />

an der Hochschule etwas<br />

kleiner.<br />

Das weckt in den Spitälern Ängste.<br />

«Mit der Akademisierung der Pflegeberufe<br />

schaffen wir uns ein Riesenproblem»,<br />

sagte der Präsident des Verbandes<br />

Zürcher Krankenhäuser, Heinz<br />

Spälti, kürzlich an einer Tagung. Er befürchtet,<br />

dass die Pflegenden immer<br />

weniger «am Bett» arbeiten werden<br />

und stattdessen Expertisen und Konzepte<br />

schreiben. Mit dieser Befürchtung<br />

steht Spälti nicht allein. Allerdings<br />

provozierte er auch Widerspruch. So<br />

hielt ihm die Direktorin des Zürcher<br />

Uni-Spitals, Rita Ziegler, entgegen, eine<br />

Akademisierung der Pflege sei notwendig:<br />

«Wir brauchen Pflegende, die übergeordnet<br />

denken können. Die Pflegeforschung<br />

ist wichtig. Ich hätte gerne eine<br />

Pflege, die auf gleicher Augenhöhe mit<br />

den Ärzten arbeitet.»<br />

Es gibt in der Tat eine Nachfrage<br />

nach hoch qualifizierten Pflegenden,<br />

und das nicht erst seit heute. Es stellt<br />

sich bloss die Frage nach der richtigen<br />

Mischung. Betrachtet man die aktuellen<br />

Zahlen, brauchen sich die Verantwortli-<br />

p<br />

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'mw?<br />

Amira Pandzic bei der Pflege von Herrn B.<br />

chen in den Spitälern noch keine Sorgen<br />

über zu viele «Studierte» zu machen. Die<br />

ersten drei Studiengänge an der ZHAW<br />

stiessen nämlich auf eher geringes Interesse:<br />

2006 fingen nur 24 Personen ein<br />

Pflegestudium an, 2007 waren<br />

es 38 und dieses Jahr 42. Zur<br />

Verfügung stünden 90 Studienplätze.<br />

Das heisst: Die grosse Mehrheit<br />

der angehenden Pflegefachleute<br />

wählt heute den Weg<br />

über die höhere Fachschule.<br />

Christian Schär, Direktor des<br />

Bildungszentrums Careum, ist<br />

froh, dass es in der Deutschschweiz<br />

beide Möglichkeiten<br />

gibt: «Wir würden sonst in ein<br />

Versorgungsdesaster hineinlaufen.»<br />

Im Unterschied zur<br />

Westschweiz, wo die Pflegeausbildung<br />

ausschliesslich an<br />

der Fachhochschule erfolgt,<br />

könnte der nötige Nachwuchs<br />

ohne höhere Fachschulen<br />

nicht rekrutiert werden, ist er_<br />

überzeugt. Denn in' der<br />

Deutschschweiz sei die Matura-Quote<br />

viel tiefer, und traditionellerweise<br />

wählten weniger<br />

Maturanden einen Gesundheitsberuf<br />

als in der Romandie.<br />

Schär ist deshalb «absolut<br />

dagegen», auch in der<br />

Deutschschweiz die Pflegeausbildung<br />

ganz auf Fachhochschulstufe<br />

zu heben, wie dies immer<br />

wieder diskutiert wird. Er nimmt dabei<br />

den Nachteil in Kauf, dass das aktuelle<br />

System für Laien nur schwer durchschaubar<br />

ist. (an)<br />

M<br />

TV<br />

Ü-CS<br />

Notstand in der Pflege droht<br />

Persoryenfreizügigkeit Bei einem Nein wird der Personalmangel noch akuter<br />

Die Spitäler und Heime warnen vor<br />

Qualitäts- und Kapazitätsverlusten,<br />

wenn die Personenfreizügigkeit mit<br />

der EU abgelehnt wird.<br />

CORINNA HAURI<br />

Drei Viertel der Spitäler haben Mühe, Fachpersonal<br />

zu rekrutieren, zwei von drei Krankenhäusern<br />

haben deswegen offene Stellen.<br />

Dies ergab eine Umfrage, welche der Spitalverband<br />

H+ im letzten Sommer bei seinen<br />

Mitgliedern durchgeführt hat. Und dieser<br />

Arbeitskräftemangel im Gesundheitsbereich<br />

werde sich bei einem Nein zur Personenfreizügigkeit<br />

am 8. Februar noch vergrössern.<br />

Davor warnten H+ und der Dachverband<br />

der Heime und Institutionen Curaviva<br />

gestern vor den Medien in Bern.<br />

Keine andere Branche beschäftige ähnlich<br />

viel ausländisches Personal, führten Nationalrat<br />

Charles Favre (FDP, VD), Präsident<br />

von H+, und Curaviva-Präsident Otto Piller<br />

aus. Heute stammten zwischen 20 und 40<br />

Prozent der Angestellten in Spitälern und<br />

Heimen aus der EU, «Seit der Einführung der<br />

Personenfreizügigkeit im Jahr 2002 können<br />

wir diese administrativ einfacher als davor<br />

anstellen, das würde bei einem Nein wegfallen»,<br />

so Favre, «Wir kämen in einen Personalengpass»,<br />

sagte Piller. Mit Folgen für Pflege<br />

und Betreuung: So warnen die Psychiatrischen<br />

Dienste Bern, dass sie das Angebot abbauen<br />

und Abteilungen schliessen müssten.<br />

Ähnlich sieht es das Universitätsspital Genf,<br />

welches zudem Abstriche bei der Behandlungsqualität<br />

und längere Wartezeiten für<br />

Operationen befürchtet. Andere Institutionen<br />

sprechen von «Rationierung der Pflege»<br />

oder «Schliessung von Betten».<br />

Auch Rumänen und Bulgaren willkommen<br />

Bei einem Nein würden die jetzt angestellten<br />

Ausländer nicht von einem Tag auf<br />

den anderen verschwinden, sagte Regula<br />

Jenzer von den Walliser Pflegediensten.<br />

«Doch im Gesundheitsbereich ist die Fluktuation<br />

sehr hoch und wir hätten Mühe,<br />

neues Personal zu finden - und aufgrund<br />

der Demografie wird der Pflegebedarf in Zukunft<br />

steigen.» Was die Personalsuche schon<br />

heute bedeutet, zeigte Gustav Egli von der<br />

Pflegeresidenz Bethesda in Küsnacht auf:<br />

«Auf ausgeschriebene Stellen bekommen<br />

wir null bis drei Bewerbungen.» Deshalb<br />

müsse man oft Headhunter einschalten, was<br />

pro Stelle bis zu 10 000 Franken koste. Egli<br />

würde deshalb auch gerne Fachkräfte aus<br />

Rumänien oder Bulgarien rekrutieren können,<br />

deren Ausbildung laut Jenzer absolut<br />

auf dem Niveau der schweizerischen sei.<br />

Dass die drohende Arbeitslosigkeit das<br />

Problem des mangelnden Pflegepersonals<br />

lösen werde, glaubt Piller nicht: «Es gibt keine<br />

arbeitslosen Krankenschwestern und ein<br />

arbeitsloser Banker oder Maschinenschlosser<br />

wird nicht Pfleger.»<br />

z r J7./.0 7 )


«Pro Jahr werden bei uns über 2000 Kinder geboren - 60 Hebammen stehen rund um die Uhr im Einsatz.<br />

Marilena Ämbrosecchia ist eine von ihnen.»<br />

Ergreifende Momente<br />

Für die Hebamme Marilena Ämbrosecchia ist jede<br />

Geburt etwas Besonderes.<br />

Doris Mani* ist mit ihrem Mann und den zwei kleinen<br />

Töchtern ins Unispital geeilt. Sie ist im neunten<br />

Monat schwanger und hat Fruchtwasser verloren.<br />

Die Hebamme Marilena Ämbrosecchia begrüsst sie<br />

auf der Gebärabteilung der Klinik für Geburtshilfe<br />

und beruhigt sie erst einmal. Sie tastet den Bauch<br />

ab und versucht das Gewicht des Kindes zu schätzen<br />

- «2,9 bis 3 Kilo», vermutet sie. Danach schliesst sie<br />

ein CTG-Gerät an, das die Herzfrequenz des Kindes<br />

und die Wehentätigkeit der Mutter aufzeichnet.<br />

«Die Herztöne sind gut», meint die Hebamme. Frau<br />

Mani ist in der 38. Schwangerschaftswoche, was<br />

eine normale Geburt erwarten lässt.<br />

Werdende Eltern wählen gerne das Universitätsspital<br />

als Geburtsort für ihren Nachwuchs, auch<br />

wenn keine Probleme zu erwarten sind - die Betreuung<br />

von Risikoschwangeren und Risikogeburten<br />

ist ein Schwerpunkt der Klinik. «Für viele Frauen<br />

und Paare ist die Sicherheit sehr wichtig», sagt Ämbrosecchia.<br />

Ärzte sind rund um die Uhr präsent, ein<br />

OP- und Anästhesie-Team steht jederzeit für Notfälle<br />

bereit und die Neonatologie befindet sich in<br />

unmittelbarer Nähe.<br />

2351 Kinder kamen im vergangenen Jahr in der<br />

Klinik für Geburtshilfe zur Welt, davon waren 519<br />

Frühgeburten, 45 wurden tot geboren. Die Hebammen<br />

der Klinik sind bei jeder Geburt dabei, ob sie<br />

natürlich verläuft oder mit Komplikationen.<br />

Die Hebamme nimmt die Frau auf, wenn sie ins Spital<br />

kommt. Sie untersucht die Schwangere und entscheidet<br />

dann, ob es sich tatsächlich schon um Geburtswehen<br />

handelt oder nicht. «Frauen, die ihr erstes<br />

Kind bekommen, kommen oft zu früh, dann<br />

muss ich sie trösten, wenn ich sie wieder heim<br />

schicke», sagt Marilena Ämbrosecchia. Ist es kein<br />

falscher Alarm, bleibt die Hebamme bei der werdenden<br />

Mutter. Regelmässig kontrolliert sie, wie es<br />

der Mutter und dem Ungeborenen geht. Sind die<br />

Herztöne des Kindes gut, hat die Frau Schmerzen,<br />

ist ihr Kreislauf stabil, öffnet sich der Muttermund<br />

und rückt die Geburt näher?<br />

Die Geburtshelferin bleibt auch dann bei Mutter und<br />

Kind, wenn das Baby per Kaiserschnitt geholt wird,<br />

weil es zu früh auf die Welt kommt, wenn Zwillinge<br />

erwartet werden oder die Frau das so wünscht. Im<br />

vergangenen Jahr lag der Anteil der Kaiserschnitte<br />

bei den Geburten bei über 40 Prozent. «Ich habe<br />

bei Kaiserschnittgeburten die Aufgabe, die Frau zu<br />

begleiten und das Baby in Empfang zu nehmen, sobald<br />

es geboren ist», sagt Ämbrosecchia.<br />

Für die Hebamme ist eine Geburt auch nach sechs<br />

Jahren im Beruf jedes Mal ein ergreifender Moment.<br />

«Ich bin immer wieder von Neuem gerührt», sagt<br />

sie. Es sei etwas Besonderes, eine Familie dabei<br />

begleiten zu dürfen. Sie selbst vergesse dann auch,<br />

wie anstrengend die Begleitung gewesen sei und<br />

dass sie manchmal seit Stunden weder etwas gegessen<br />

noch getrunken habe.<br />

Ist das Kind da, wird es von der Hebamme genau<br />

beobachtet: Wie sieht seine Hautfarbe aus, atmet<br />

es, bewegt es sich, wie sind seine Herztöne? «Die<br />

meisten Kinder sind sehr wach und neugierig», sagt<br />

Ämbrosecchia. Etwa 60 Prozent der Geburten in der<br />

Klinik verlaufen ohne Komplikationen.<br />

Reagiert das Neugeborene normal, wird die Nabelschnur<br />

durchtrennt - meist übernehmen das die<br />

Väter, assistiert von der Hebamme. Während Mutter<br />

und Baby ersten Kontakt haben, kontrollieren Geburtshelferin<br />

und Arzt die Funktionen des Kindes, in<br />

dieser frühen Phase werden etwa die Blutgaswerte<br />

untersucht, um zu überprüfen, ob der Säugling während<br />

der Geburt ausreichend mit Sauerstoff versorgt<br />

wurde.<br />

Für die Hebamme ist die Geburt erst dann zu Ende,<br />

wenn die Nachgeburt ausgestossen ist. Die Hebamme<br />

prüft, ob dies vollständig erfolgt ist und ob bei<br />

«Die meisten Kinder<br />

sind sehr wach und<br />

neugierig»<br />

der Frau während der Geburt Verletzungen aufgetreten<br />

sind, die behandelt werden müssen. Jetzt<br />

kommt der Zeitpunkt, um die Familie allein zu lassen,<br />

damit sie sich ungestört kennen lernen kann.<br />

Dann begleitet die Hebamme die Familie auf die<br />

Wochenbettstation und gibt die Betreuung ab.<br />

Bei Doris Mani wird 24 Stunden, nachdem sie in die<br />

Klinik aufgenommen wurde, die Geburt eingeleitet.<br />

Sie bringt einen gesunden Jungen zur Welt. Gewicht:<br />

2840 Gramm.<br />

*Name geändert


«300 Intensivpflegefachpersonen betreuen die Schwerstkranken<br />

In den 6 Intensivstationen des USZ„.<br />

Hoiger Giray ist einer von ihnen.»<br />

Volle Aufmerksamkeit<br />

für einen Patienten<br />

Holger Giray, Pflegefachmann Intensivpflege, betreut<br />

in der Klinik für Neurochirurgie Schwerstkranke.<br />

Mit 17 Jahren stand Holger Giray vor der Frage, was<br />

er beruflich einmal werden möchte. Spontan entschied<br />

er sich für den Pflegeberuf. Längst ist ihm<br />

klar, dass er damals die richtige Wahl getroffen hat.<br />

Seit 13 Jahren arbeitet er am UniversitätsSpital<br />

Zürich und seit neun Jahren als Intensivpfleger.<br />

«Einmal auf der Intensivstation zu arbeiten» war<br />

schon während der Grundausbildung sein Ziel.<br />

«Ich mag den engen Kontakt, den ich durch die permanente<br />

Betreuung eines Patienten habe», sagt<br />

Giray. Der Intensivpfleger kümmert sich während<br />

seiner Arbeitszeit um einen, maximal zwei Patienten.<br />

Verlangt ein Patient seine volle Aufmerksamkeit,<br />

ist er bis zu sieben Stunden pro Arbeitstag bei<br />

ihm. «Dadurch, dass ich einen Patienten so gut kennenlerne,<br />

kann ich viel besser reagieren, wenn er<br />

Schmerzen hat oder Probleme mit der Atmung oder<br />

dem Kreislauf bekommt.»<br />

Die Pflege von Schwerstkranken erfordert einen<br />

engen Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen,<br />

mit Ärzten, Physiotherapeuten, Laboranten und Mitarbeitern<br />

anderer Disziplinen. Insbesondere dann<br />

wenn Notfallpatienten kommen, ist schnelles Handeln<br />

im Team gefordert. Seine Tätigkeit sei «sehr<br />

vielseitig», betont Holger Giray.<br />

Fasziniert ist er von den intensivtechnischen und<br />

-pflegerischen Möglichkeiten: «Für meine Handlungen<br />

bekomme ich mehrmals täglich ein Feedback»,<br />

sagt er. Schlechte Sauerstoffwerte im Blut kann er<br />

unmittelbar korrigieren, ebenso den Blutdruck oder<br />

den Gehalt an Elektrolyten im Blut. Lagert er einen<br />

Patienten um, kann er direkt verfolgen, ob sich<br />

die Lungenfunktion dadurch verbessert. Ebenso<br />

sieht er, wie sich Veränderungen in der Einstellung<br />

der Beatmung oder die Zufuhr von Flüssigkeit auswirken.<br />

Acht Betten stehen auf der Intensivstation der<br />

Klinik für Neurochirurgie zur Verfügung. Um die Patienten<br />

kümmert sich ein Team von 50 Pflegepersonen.<br />

Wenn möglich, sind dieselben Personen über<br />

einen längeren Zeitraum für einen Patienten zuständig.<br />

Die meisten Kranken können sich nicht selber äussern:<br />

Sie liegen nach einer Hirnblutung im Koma<br />

oder sind nach einer Tumoroperation im Gehirn oder<br />

im Bereich der Wirbelsäule mit starken Schlafmitteln<br />

sediert. Sie werden beatmet und über Schläuche<br />

mit Nahrung, Flüssigkeit und Medikamenten<br />

versorgt. Über Kabel sind sie mit diversen Messgeräten<br />

verbunden, die ihre Daten auf blinkenden<br />

Monitoren anzeigen. «Für manche Angehörige ist<br />

dieser Anblick ein Schock, andere sind erleichtert,<br />

wenn sie sehen, dass wir die Kranken mit der modernsten<br />

Technik überwachen», sagt der Pfleger.<br />

intensivmedizin ist Hightechmedizin - das erfordert<br />

regelmässige Weiterbildungen zu neuesten Techniken.<br />

Und Intensivmedizin ist der Umgang mit schwerkranken,<br />

immer wieder auch mit sterbenden<br />

Patienten - auch das erfordert spezielle Kenntnisse<br />

und Fähigkeiten, insbesondere für die Begleitung<br />

der Angehörigen.<br />

Das Biidungszentrum des Universitätsspitals bietet<br />

für Pflegefachleute zahlreiche Weiterbildungen an.<br />

Etliche davon hat Giray absolviert, etwa über die<br />

«Begleitung von Schwerkranken und Sterbenden»<br />

oder über «basale Stimulation». Dabei geht es<br />

darum, wie man die Wahrnehmung von Patienten<br />

nach schweren Hirnverletzungen aktiviert. Das<br />

breite Weiterbildungsangebot am Universitätsspital<br />

ist für Holger Giray mit ein Grund, warum er seinem<br />

Arbeitgeber schon so lange treu geblieben ist.<br />

Inzwischen hat er eine neue Herausforderung gefunden:<br />

Nach neun Jahren Intensivpflege hat er so<br />

viel Berufserfahrung gesammelt, dass er sein Wissen<br />

gerne weitergibt. Seit zwei Jahren arbeitet Giray<br />

als Berufsbildner und betreut Pflegefachleute, die<br />

sich zum Intensivpfleger weiterbilden - aktuell lernen<br />

auf der Intensivstation der Klinik für Neurochirurgie<br />

acht Lernende. Giray freut sich, wenn er<br />

beobachten kann, wie sich das, was er vermittelt,<br />

schon bald niederschlägt: «Am ersten Tag haben<br />

die Anfänger noch grössten Respekt vor den Geräten<br />

und der invasiven Therapie und am letzten Tag<br />

gehen sie routiniert damit um.»


«Die Würde von Dementen<br />

Ein Fall wie im Pflegezentrum<br />

Entlisberg ist für Millie Braun<br />

unvorstellbar. Sie pflegt und<br />

betreut seit 16 Jahren demente<br />

Menschen im Krankenheim<br />

Sonnweid in Wetzikon.<br />

ist unantastbar»<br />

Von Jürg Schmid<br />

Wetzikon. - Von den Handyfilmen im<br />

Pflegezentrum Entlisberg in Zürich hat<br />

Millie Braun von ihrem Sohn erfahren. Sie<br />

war schockiert. Und sie kann nicht verstehen,<br />

dass ausgebildete Fachleute so etwas<br />

tun. «Die Wahrung der Intimsphäre ist ein<br />

wichtiger Teil der Ausbildung», sagt sie.<br />

Sie vermutet, dass den Täterinnen der<br />

Wert ihrer Arbeit nicht bewusst war.<br />

Die 58-jährige Millie Braun weiss, wovon<br />

sie redet. Sie pflegt und betreut seit<br />

16 Jahren an Demenz erkrankte Menschen<br />

im Krankenheim Sonnweid in Wetzikon.<br />

Das privat geführte Heim gilt als Vorzeigebetrieb<br />

mit innovativer Pflegepraxis und<br />

hohen ethischen Ansprüchen. Für Millie<br />

Braun gilt: «Die Würde aller Bewohnerinnen<br />

und Bewohner ist unantastbar, auch<br />

wenn sie aggressiv sind, verletzend, auch<br />

wenn sie erbrechen, Durchfall haben oder<br />

das Essen verweigern.»<br />

Diese Ethik ist für Millie<br />

Braun nicht graue<br />

Theorie. Sie wurde auch<br />

schon von einem Bewohner<br />

geschlagen. Das verletzte<br />

sie, machte sie im<br />

ersten Moment wütend.<br />

«Ich wollte etwas Gutes<br />

tun und erhielt als Denkzettel<br />

einen Hieb.» Zurückgeschlagen<br />

hat sie<br />

nicht. Sie ist auf Distanz<br />

gegangen, aus dem Zimmer.<br />

Und sie hat sich gefragt,<br />

ob sie die Situation<br />

falsch eingeschätzt oder<br />

gar versagt habe. Diese<br />

professionelle Konfliktbewältigung<br />

wird in der<br />

internen Fortbildung und<br />

im Team immer wieder<br />

besprochen und geschult.<br />

Fluchen, Lästern und abschätziges<br />

Reden über<br />

Bewohner duldet die<br />

Pflegeleitung nicht. Das<br />

sei noch nie vorgekommen.<br />

«Die Sozialkontrolle<br />

in unseren Teams<br />

funktioniert.»<br />

Fehler passieren trotzdem.<br />

In einer Notsituation<br />

hatten Pflegepersonen<br />

schon Bewohner auf einem<br />

«Es braucht eine<br />

innere Begeisterung<br />

für die Menschen<br />

und Neugierde.»<br />

werden. «Dann wasche ich einen Bewohner<br />

nur, lasse ihn im Schlafanzug und erledige<br />

den Rest am Nachmittag.» Das kann<br />

Angehörige stören. Sie würden nie aggressiv<br />

reagieren, aber sie stellten heutzutage<br />

hohe Ansprüche. Zur Pflege gehört auch<br />

die einfühlsame Betreuung der Angehörigen.<br />

«Sie können bis 20 Uhr jederzeit kommen<br />

und den Alltag miterleben.» Millie<br />

Braun nimmt sich viel<br />

Zeit für die Angehörigen,<br />

um ihnen zu erklären,<br />

was die Pflegenden machen<br />

können und machen<br />

wollen und was nicht<br />

geht. «Das gehört zu unserer<br />

Kultur.»<br />

Die Sonnweid in Wetzikon<br />

ist nicht die heile<br />

Welt. Es herrscht auch<br />

dort nicht immer eitel<br />

MILLIE BRAUN<br />

STATIONSLEITERIN<br />

Sonnenschein. Schwierige<br />

Situationen gehören<br />

zum Pflegealltag. Bei<br />

Schwierigkeiten oder<br />

Überforderung können<br />

ihre Teammitglieder<br />

Hilfe bei den Kolleginnen<br />

holen. «Sie wissen, dass<br />

das kein Versagen ist,<br />

sondern ein Zeichen von<br />

Stärke.» Es gibt regelmässig<br />

Gespräche in der<br />

Gruppe und Fallbesprechungen<br />

mit dem Psychiater,<br />

dem Arzt, der<br />

Pflegeleitung und den<br />

Bezugspersonen. Knatsch<br />

im Team hat Millie Braun<br />

auch schon mit einer<br />

Supervision entschärft.<br />

Jede Pflegegruppe hat<br />

Fachpersonen, die zwei-<br />

Stuhl mal im Jahr Weiterbildungen absolvieren,<br />

festgehalten, um einen Gefühlsausbruch • Im Heim gibt es eine Ethikkommission.<br />

zu mildern. «Die Pflegende konnte den Mit dieser werden Fragen besprochen.<br />

Vorfall im Team offen und angstfrei ansprechen»,<br />

sagt Millie Braun. «Wenn wir noch eine Sonde stecken oder ihn weniger<br />

Zum Beispiel: Soll man einem Patienten<br />

sorgfältig auf die Bewohner zugehen und duschen, wenn er die Pflege verweigert.<br />

mit viel Geduld zeigen, was wir wollen, «Besonders die Intimpflege ist immer wieder<br />

eine heikle Gratwanderung», sagt Mil-<br />

dann können wir aggressives Verhalten<br />

vermeiden.»<br />

lie Braun.<br />

Als Stationsleiterin achtet sie darauf, Auch nach 16 Jahren liebt Millie Braun<br />

dass unter Zeitdruck Prioritäten gesetzt die Arbeit mit Dementen noch immer.<br />

Das strahlt sie auch aus. «Ich bin geistig<br />

und gefühlsmässig gefordert, das ist spannend.»<br />

Sie muss die Körpersprache und<br />

Mimik lesen können, wenn Bewohner<br />

während Stunden auf dem Stuhl wippen<br />

oder den gleichen Laut von sich geben.<br />

Und sie muss rasch reagieren können. An<br />

ihrer Arbeit schätzt sie, dass sie sehr flexibel<br />

sein muss. «Mein Beruf ist sehr anspruchsvoll,<br />

eine Knochenbüez, aber mit<br />

gutem Rüstzeug und meiner Lebenserfahrung<br />

wird die Arbeit nie zum Trott.» Das<br />

Wichtigste ist für Millie Braun: «Es<br />

braucht eine innere Begeisterung für die<br />

Menschen und Neugierde.»<br />

Stabile Lebensumstände und eine gute<br />

Bodenhaftung bilden die Grundvoraussetzung,<br />

um diesen Beruf so lange auszuüben.<br />

«In Beziehungskrisen stösst man in der<br />

Pflege mit Dementen rasch an Grenzen.»<br />

Das ist bei Millie Braun nicht der Fall. Sie<br />

hatte zwar hin und wieder schlaflose<br />

Nächte. Im Traum fragte sie sich, vor allem<br />

zu Beginn ihrer Laufbahn, ob sie alle<br />

ins Bett gebracht habe. «Aber es waren nie<br />

Albträume.» Schwierigkeiten, die im Alltag<br />

auftauchen, kann sie mit ihrem Mann<br />

eingehend besprechen. In der Freizeit<br />

singt sie im gemischten Chor an ihrem<br />

Wohnort Gutenswil (Gemeinde Volketswil).<br />

Oder führt ihren Hund spazieren.<br />

Häufiger Wechsel bei Pflegenden<br />

Nach 15 Jahren als Familienfrau hat die<br />

diplomierte Psychiatriepflegerin Millie<br />

Braun 1993 wieder in die Pflege zurückgefunden.<br />

Sie führt als Stationsleiterin<br />

eine Gruppe von 15 Bewohnerinnen und<br />

Bewohnern mit 4 Mitarbeiterinnen pro<br />

Tag. Insgesamt stehen ihr 12 Pflegerinnen<br />

zur Seite - «leider ist kein Mann mehr<br />

dabei» -, keine arbeitet zu 100 Prozent. Die<br />

eine Hälfte ihres Teams ist über 40 Jahre<br />

alt, die andere jünger. Millie Braun schätzt<br />

die gute Altersdurchmischung.<br />

Im Krankenheim Sonnweid betreuen<br />

rund 220 Angestellte 150 an Demenz erkrankte<br />

Frauen und Männer. Im Personal<br />

gibt es häufig Wechsel. Die Hälfte verlässt<br />

das Heim vor Ablauf eines Jahres wieder,<br />

weil die Mitarbeitenden realisieren, dass<br />

sie mit der Pflege und Betreuung von dementen<br />

Menschen nicht zurechtkommen.


Handyverbot hat nichts genützt 77?<br />

Im Heim Entlisberg gilt seit<br />

Jahren ein Handyverbot -<br />

wegen Elektrosmogs. Und<br />

nicht, um die Gefahr von<br />

Missbrauch einzudämmen.<br />

Von Claudia Imfeld<br />

und Stefan Hohler<br />

Zürich. - Die Handyfilme, die Angestellte<br />

im Pflegezentrum Entlisberg<br />

von Patientinnen gedreht haben,<br />

sorgen für Empörung. Sollte<br />

Heimpersonal während der Arbeitszeit<br />

Handys bei sich tragen<br />

dürfen? «Kein Handy, keine Versuchung<br />

zum Missbrauch», schreibt<br />

dazu ein TA-Leser.<br />

Laut Kurt Meier, Direktor der<br />

Stadtzürcher Pflegezentren, gilt in<br />

allen Heimen ein Handyverböt -<br />

bereits seit 2005. Das Verbot ist in<br />

den Heimregeln aufgeführt. Ausserdem<br />

weisen Tafeln darauf hin,<br />

dass Mobiltelefone in der Garderobe<br />

gelassen werden sollen. Gemäss<br />

Meier wurde dieses Verbot<br />

eingeführt, um Elektrosmog zu<br />

verhindern. Die Missachtung des<br />

Verbots führt er darauf zurück,<br />

dass bisher «wohl eher large»<br />

kontrolliert worden sei. «Diese<br />

Art von Handygebrauch stellt eine<br />

neue Dimension von Gewalt dar»,<br />

betont er. Man müsse nun prüfen,<br />

welche Massnahmen nötig seien.<br />

Gegenüber der Fernsehsendung<br />

«10 vor 10» erklärte Kurt Meier<br />

gestern Abend, das Gesundheitsdepartement<br />

werde nun eine Administrativ-Untersuchung<br />

gegen<br />

die ganze Abteilung einleiten.<br />

Spekulationen um Mitwisser<br />

Auch beim Schweizerischen<br />

Heim-Verband Curaviva sind die<br />

Vorfälle im Entlisberg und die<br />

Handys ein Thema: «Eine krankhafte<br />

Seite unserer Gesellschaft<br />

hat nun den Pflegebereich erreicht»,<br />

sagt Geschäftsleitungsmitglied<br />

Markus Leser. Für ihn ist klar:<br />

«Mobiltelefone gehören nicht in<br />

Heime.» Das Handy biete bisher<br />

unbekannte Missbrauchsmöglichkeiten.<br />

Er wünscht sich heiminterne<br />

Regelungen, die von den<br />

Teams kontrolliert werden. Wer<br />

verfügbar sein müsse, könne ein<br />

internes Telefon oder einen Pager<br />

benutzen. Mehr Schutz für Patienten<br />

erhofft sich Leser vom neuen<br />

Erwachsenenschutzrecht, das frühestens<br />

2012 in Kraft treten soll.<br />

«Will das Pflegepersonal dann die<br />

Freiheit eines Patienten einschränken<br />

- etwa durch ein Bettgitter -,<br />

braucht es dafür ein Protokoll.»<br />

Der im Fall Entlisberg ermittelnde<br />

Staatsanwalt Alexander<br />

Knauss äusserte sich gestern zu<br />

den vom Anwalt der Angehörigen<br />

einer Patientin gemachten Aussagen,<br />

dass es nebst den drei entlassenen<br />

Pflegerinnen weitere Mitwisser<br />

gebe: Dies seien Spekulationen.<br />

«Bis jetzt gibt es - neben den<br />

angeschuldigten vier Pflegerinnen<br />

- keine konkreten Hinweise über<br />

weitere Mittäterinnen.» Auch<br />

nicht in der Heimleitung. Dass<br />

weitere Pflegende die Filme kennen<br />

würden, sei zwar möglich, bis<br />

jetzt habe man aber keine konkreten<br />

Namen. Knauss spricht von<br />

zwei verbotenen Handyfilmen.<br />

Den dritten Film bewertet er als<br />

nicht strafbar.<br />

Der freigestellte Pfleger, der<br />

Schmuck gestohlen haben soll, hat<br />

laut Knauss mit den Filmen nichts<br />

zu tun. Bezüglich des Diebstahls<br />

habe sich der Anfangsverdacht<br />

nicht erhärtet. Bleibe es dabei,<br />

werde der Fall voraussichtlich eingestellt,<br />

der Mann rehabilitiert.<br />

Auch bei der freigestellten vierten<br />

Pflegerin, der Tätlichkeit und verbotene<br />

Handyaufnahmen vorgeworfen<br />

werden, Hessen sich die<br />

Vorwürfe bisher nicht beweisen.<br />

Es werde noch ermittelt, die Auswertung<br />

der Computer und<br />

Handys sei noch im Gang.<br />

Fachliche und ethische Kompetenz.<br />

Der überaus tragische Vorfall von Misshandlungen<br />

an dementen Menschen durch<br />

Pflegepersonal trifft auf einen Kontext,<br />

in dem die Diskussionen um den Personalmangel<br />

und der Akademisierung in der<br />

Pflege heiss laufen. In den Reaktionen auf<br />

diese Misshandlungen im Kontext der<br />

laufenden Diskussionen kristallisieren<br />

sich zwei Hauptvoten heraus, die sich zu<br />

widersprechen scheinen. Einerseits wird<br />

argumentiert, bessere Qualifikationen<br />

hätten die Misshandlungen verhindern<br />

können. Andrerseits hört man, da auch<br />

eine dipl. Pflegefachperson beteiligt war,<br />

werde einmal mehr deutlich, dass gute<br />

Pflege eben nicht von Qualifikation abhängig<br />

sei. Sicher ist, dass hohe fachliche<br />

Qualifikation keine Garantie für ethisches<br />

Handeln ist. Dafür gibt es in der Geschichte<br />

und in der Gegenwart genügend<br />

Beispiele. Ein Trugschluss ist allerdings<br />

auch, dass gute Pflege allein dann stattfin-.<br />

det, wenn jemand «das Herz auf dem<br />

rechten Fleck hat» und fachliche Qualifikation<br />

keine Rolle spielt. Gerade in der<br />

Pflege mit dementen Menschen führt<br />

mangelndes Fachwissen schnell zu<br />

Überforderung.<br />

In der Pflege sind ganz stark beide<br />

Aspekte gefragt: Hohe fachliche Kompetenz<br />

wie auch ethisches Handeln. Nur so<br />

ist gewährleistet, dass die Würde des<br />

Menschen gewahrt wird und die Pflegequalität<br />

den geforderten Qualitätsnormen<br />

entspricht.<br />

MIRIAM SCHUDEL, WINTERTHUR<br />

Dipl. Pflegefachfrau HF<br />

Kriminell, nicht überfordert. Die aktuelle<br />

Diskussion über die Vorfälle im Entlisberg<br />

unterscheidet zu wenig zwischen<br />

momentaner Überforderung und kriminellem<br />

Handeln: Eine Überforderung mag<br />

vorliegen, wenn eine Pflegende die Nerven<br />

verliert und einmal zurücksehlägt,<br />

nachdem sie von einer (dementen) Patientin<br />

wiederholt angeschrien, geschlagen<br />

oder malträtiert worden ist. Ein solches<br />

Verhalten ist zwar nicht zu entschuldigen<br />

- und schon gar nicht professionell.<br />

Wenn aber Pflegende - aus Jux, zum<br />

Zeitvertreib usw. - sich gegenüber Patientinnen<br />

derartige Übergriffe erlauben<br />

und auch Gewalt ausüben (wie es hier<br />

offenbar der Fall gewesen ist), handeln sie<br />

bewusst und mit voller Absicht. Erst<br />

recht, wenn dies über längere Zeit geschieht.<br />

Ein solches Verhalten ist keine<br />

Überforderung mehr, sondern schlicht<br />

und einfach kriminell.<br />

Dr. med. REGULA STENGEL, URDORF<br />

Leiterin Pflegezentrum Spital Limmattal<br />

Pflegebedürftige als Objekte. Wenn wir<br />

diese Handy-Filme über nackte Menschen<br />

mit Demenz mit «Überforderung<br />

des Personals» zu entschuldigen versuchen,<br />

verharmlosen wir strukturelle Gewaltmomente,<br />

und das wirft ein schräges<br />

Licht auf die Institution selber. Jede<br />

Leiterin, jeder Leiter einer Pflegeinstitution<br />

ist dafür verantwortlich, das Arbeitsklima<br />

so zu gestalten und das Personal<br />

so zu stützen, dass es nicht zu derartigen<br />

Überforderungen kommt. Im vorliegenden<br />

Fall zeigt sich jedoch noch etwas ganz<br />

anderes in erschreckender Deutlichkeit:<br />

Das mangelnde Schuldbewusstsein der<br />

Pflegefachfrau («ich bin doch kein<br />

schlechter Mensch») zeigt deutlich, wie<br />

ihr Menschenbild geprägt ist von einem<br />

Objekt-Denken: Menschen in Abhängigkeit<br />

verlieren leider auch beim Fachpersonal<br />

sehr oft und schnell den Subjekt-Status<br />

und mit einem Objekt kann man machen,<br />

was man will.<br />

AIHA ZEMP, BASEL<br />

Fachstelle Behinderung und Sexualität


Pflegerinnen<br />

filmten nackte<br />

demente Frauen<br />

Drei Pflegerinnen des Zürcher<br />

Pflegezentrums Entlisberg haben<br />

«zur gegenseitigen Belustigung»<br />

Handyaufnahmen von nackten<br />

Patientinnen gemacht.<br />

Sie werden fristlos entlassen.<br />

Von Stefan Hohler<br />

Zürich. - Kantonspolizisten haben gestern<br />

Dienstag im Pflegezentrum Entlisberg<br />

in Wollishofen vier Mitarbeitende verhaftet,<br />

eine fünfte gesuchte Person war ferienhalber<br />

abwesend. Gegen die vier Frauen<br />

und einen Mann - alle im Pflegebereich tätig<br />

- hatte ein Angehöriger einer betroffenen<br />

Patientin Strafanzeige eingereicht.<br />

Die Vorwürfe umfassen verbotene Videoaufnahmen<br />

von betagten nackten Bewohnerinnen,<br />

Diebstahl sowie Körperverletzungen<br />

oder Tätlichkeiten. Die Opfer sind<br />

alle in der Demenz-Abteilung untergebracht.<br />

Die beschuldigten Personen sind<br />

nach der Einvernahme gleichentags wieder<br />

entlassen worden.<br />

Die Staatsanwaltschaft war bereits Ende<br />

Januar über die Vorfälle informiert worden.<br />

Nach Vorermittlungen durch die<br />

Kantonspolizei hat die Staatsanwaltschaft<br />

beim Obergericht die Eröffnung einer<br />

Strafuntersuchung beantragt. Dem Antrag<br />

wurde stattgegeben, wie die Staatsanwaltschaft<br />

gestern Abend mitteilte.<br />

Teilweise Geständnisse abgelegt<br />

Laut Staatsanwalt Alexander Knauss haben<br />

drei der vier Frauen Handy-Videoaufnahmen<br />

von nackten Patientinnen gemacht.<br />

Als Motiv nannte Knauss «Jux und<br />

gegenseitige Belustigung». Hinweise, dass<br />

die Filme ins Internet gestellt wurden,<br />

gebe es nicht. Die drei Frauen haben teilweise<br />

Geständnisse abgelegt. Die Staatsanwaltschaft<br />

hat Hausdurchsuchungen<br />

durchgeführt und Computer und Handys<br />

sichergestellt. Es handle sich um eine<br />

kleine Zahl von Aufnahmen, sagte Knauss.<br />

Die Anzeigen gegen zwei weitere Pflegepersonen<br />

des Zentrums Entlisberg -<br />

eine Frau und einen Mann - betreffen<br />

nicht Handyaufnahmen, sondern die Vorwürfe<br />

Diebstahl und Körperverletzungen.<br />

Bei den Körperverletzungen handle es<br />

sich nicht um grobe Vorfälle, so Knauss,<br />

sondern vermutlich um Tätlichkeiten. Bezüglich<br />

Diebstahl habe man noch keine<br />

konkreten Hinweise. Zum Alter und zur<br />

Nationalität der fünf Pflegepersonen<br />

wollte Knauss keine Angaben machen.<br />

Neukomm reagierte rasch<br />

Stadtrat Robert Neukomm (SP), der am<br />

Dienstag von den Vorwürfen erfuhr, ist<br />

empört. Der Vorsteher des Gesundheitsund<br />

Umweltdepartements hat sofort reagiert:<br />

Die drei Pflegefrauen, welche die<br />

Handyvideos machten, werden fristlos<br />

entlassen. Damit wolle man zeigen, dass<br />

der Stadtrat solche gravierenden Vorkommnisse<br />

absolut nicht dulde, sagte Neukomm.<br />

Gegen die zwei andern Pflegenden<br />

würden personalrechtliche Massnahmen<br />

eingeleitet, «sobald eine weitere Klärung<br />

durch die Staatsanwaltschaft erfolgt ist».<br />

Für Erika Ziltener, Präsidentin der Patientenstelle,<br />

sind Gewalt gegen Pflegepatienten<br />

und die Verletzung der Intimsphäre<br />

immer wieder ein Thema. Vorfälle<br />

wie oben beschrieben habe sie aber in ihrer<br />

langjährigen Tätigkeit noch nie erlebt.<br />

Auch für Stadtrat Neukomm sind die Vorkommnisse<br />

Einzelfalle.<br />

Auszug aus der<br />

Berichterstattung<br />

zu den Ubergriffen<br />

Pflegezentrum Entlisberg<br />

Missbräuche passieren eher zu Hause als in Heimen<br />

Das Handy-Slapping mit<br />

Betagten ist neu. Erstmals<br />

wurde eine Misshandlung<br />

durch Pflegende dokumentiert.<br />

Von Jürg Schmid<br />

Zürich. - «Das Thema Misshandlungen<br />

von Betagten tritt allmählich aus der<br />

Dunkelheit -heraus»? sagt der Zürcher<br />

Stadtarzt Albert Wettstein. Meist laufen<br />

psychische Misshandlungen im Verborgenen<br />

ab. Neu am Fall Entlisberg ist:<br />

«Das erste Mal ist mit den Handyfilmen<br />

eine Tat elektronisch erhalten geblieben<br />

und damit dokumentiert», sagt Wettstein.<br />

Er hat letztes Jahr einen ähnlichen<br />

Fall erlebt. Ein Täter habe seine Mutter<br />

gewürgt und geschlagen und das in<br />

E-Mails festgehalten. Diese wurden<br />

Wettstein zugespielt, und er konnte danach<br />

einschreiten.<br />

Psychische Misshandlungen kommen<br />

in Privatwohnungen häufiger vor als in<br />

Heimen. «Jeder Täter in einem Heim<br />

muss damit rechnen, dass ihn jemand beobachtet»,<br />

sagt Wettstein. Zum Thema<br />

Misshandlungen an alten Menschen hat<br />

er ein Merkblatt (www.uba.ch) verfasst,<br />

er hält Referate und gibt Seminarien. Für<br />

Wettstein ist die Tat im Entlisberg ein<br />

«extremer Einzelfall». Generell sieht er<br />

Überforderung als mögliche Ursache für<br />

eine derart schockierende Tat.<br />

Bisher keine Fälle mit Dementen<br />

Das Slapping mit wehrlosen, dementen<br />

Menschen ist auch für die diplomierte<br />

Pflegefachfrau Yvonne Dohner<br />

völlig neu. «Von einem derart krassen<br />

Fall habe ich noch nie gehört, schon gar<br />

nicht von gefilmten, wehrlosen Betagten.<br />

Wir erhalten vor allem Meldungen<br />

aus dem häuslichen Bereich.» Dohner ist<br />

seit einem Jahr Geschäftsführerin der<br />

Unabhängigen Beschwerdestelle für das<br />

Alter in Zürich. Aus Demenz-Abteilungen<br />

von Heimen hat sie bisher noch<br />

keine Beschwerden erhalten. Es sei ihr<br />

lediglich ein Fall von Diebstahl bekannt.<br />

Eine Pflegeperson hatte einen kleineren<br />

Geldbetrag gestohlen. Der Fall konnte<br />

aufgeklärt werden. Im Bereich psychischer<br />

Misshandlungen erhält die Beschwerdestelle<br />

vorwiegend Beschwerden<br />

von Angehörigen, die sich etwa über<br />

Vereinsamung ihrer betagten Eltern beklagen.<br />

Meist kann die Stelle mit Abklärungen<br />

vor Ort und Gesprächen mit allen<br />

Beteiligten Lösungen finden.<br />

Zu den Motiven der slappenden Pflegepersonen<br />

kann Dohner nur persönliche<br />

Einschätzungen äussern. Bei langjährigen<br />

Pflegenden könne Erstarrung<br />

und Zynismus zu Machtmissbrauch führen.<br />

Entscheidend sei die Persönlichkeit<br />

der Pflegenden. Die Arbeit mit Dementen<br />

sei eine der anspruchvollsten Aufgaben.<br />

Berufsverleider führe oft zu inneren<br />

Spannungen. «Daraus kann Abneigung<br />

gegen die Pflege Betagter entstehen».<br />

Zu Misshandlungen von alten Menschen<br />

gibt es in der Schweiz keine verlässlichen<br />

Zahlen. Gemäss internationalen<br />

Studien werden 2 bis 10 Prozent der<br />

über 65-Jährigen misshandelt, bei einer<br />

nach wie vor hohen Dunkelziffer.


Jetzt müssen Kontrollen her<br />

Pflegeheim-Skandal: Maillard fordert Inspektionen durch Kantone oder Gemeinden<br />

VON MARION LOHER<br />

UND PETRA WESSALOWSKI<br />

ZÜRICH Die Übergriffe im Zürcher<br />

Pflegeheim Entlisberg beschäftigen<br />

nun auch die Gesundheitsdirektorenkonferenz<br />

(GDK). Präsident<br />

Pierre-Yves Maillard fordert<br />

Inspektionen durch die<br />

Kantone oder die Gemeinden.<br />

«Ich bevorzuge die Kontrolle<br />

durch die Kantone, sie müssen<br />

ihre Verantwortung wahrnehmen<br />

und selbst Inspektionen durchführen.»<br />

Nicht alle Kantone verfügen<br />

über diese Kompetenz.<br />

In der Waadt, wo Maillard Gesundheitsdirektor<br />

ist, funktioniert<br />

dieses System seit Jahren - nachdem<br />

mehrere Pflegeheim-Skandale<br />

zur Einsetzung einer sechsköpfigen<br />

Inspektorengruppe geführt<br />

haben. Diese kontrolliert<br />

die Pflegeheime mindestens alle<br />

18 Monate - drei Viertel der<br />

Heime werden jährlich unangemeldet<br />

inspiziert, öfters auch<br />

frühmorgens oder abends. Bei<br />

häufigem Personalwechsel kommt<br />

es früher zu einer Inspektion.<br />

«Zu Beginn hatten wir jährlich<br />

bis zu zwanzig Beschwerden,<br />

2008 keine einzige mehr», sagt<br />

Maillard, «aber das heisst nicht,<br />

P.-Y. Maillard, Präsident der<br />

Gesundheitsdirektorenkonferenz<br />

dass es nie wieder einen Skandal<br />

geben wird.» Hauptprobleme sind<br />

das Anbinden von Patienten oder<br />

die Qualität der Mahlzeiten. Die<br />

Inspektoren stossen auf grosse<br />

Missstände, die auch publik gemacht<br />

werden. Kürzlich zeigte<br />

eine Inspektion, dass in einem<br />

Drittel von fünfzig Pflegeheimen<br />

die Patienten in ihrer Bewegungsfreiheit<br />

eingeschränkt waren -<br />

etwa im Bett angebunden oder<br />

zeitweise eingeschlossen im Zimmer.<br />

«Ohne ausreichende Rechtfertigung»,<br />

sagt Maillard.<br />

Der GDK-Präsident erhält von<br />

der Freiburgerin Anne-Claude<br />

Demierre Unterstützung für die<br />

kantonalen Kontrollen. Die Präsidentin<br />

der lateinischen GDK<br />

wird die Überwachung der Pflegeheime<br />

an der nächsten Sitzung<br />

Ende März traktandieren. «Ich<br />

begrüsse eine einheitliche Kontrolle<br />

durch die Kantone in der<br />

Westschweiz.» Ihr Aargauer Kollege<br />

Ernst Hasler, Präsident der<br />

Nordwestschweizer GDK, ist<br />

skeptischer und würde sich gegen<br />

kantonale Kontrollen wehren.<br />

Vielerorts findet die operative<br />

Überwachung auf der Ebene der<br />

Gemeinde statt. Im Kanton Zürich<br />

führt der Bezirksrat die jährlichen<br />

Visitationen in den Heimen<br />

durch. Die Besuche werden<br />

vorher angekündigt.<br />

Dem Zürcher Kontrolleur ist in<br />

Entlisberg nichts aufgefallen<br />

Das Pflegezentrum Entlisberg, wo<br />

drei Pflegerinnen unter Verdacht<br />

stehen, demente Bewohnerinnen<br />

nackt gefilmt zu haben, wurde<br />

vom zuständigen Ratsvertreter<br />

Mathis Kläntschi am 11. Dezember<br />

2008 zum letzten Mal besucht.<br />

Während der anderthalb Stunden,<br />

die er im Heim war, ist ihm<br />

nichts aufgefallen, was auf die am<br />

Dienstag bekannt gewordenen<br />

Übergriffe hätte hinweisen können.<br />

«Bei uns ist im Vorfeld auch<br />

keine Beschwerde eingegangen»,<br />

betont Kläntschi. Die Frage nach<br />

besonderen Vorkommnissen sei<br />

von den Verantwortlichen verneint<br />

worden. Auch beim Ende<br />

, 2008 durchgeführten ISO-Zertifizierungs-Audit<br />

im Entlisberg,<br />

das unter anderem das Handyverbot<br />

überprüfte, wurde keine<br />

Übertretung festgestellt.<br />

Patientenorganisationspräsidentin<br />

Margrit Kessler überraschen<br />

die guten Ergebnisse nicht.<br />

Sie erhalte immer wieder Reklamationen<br />

und höre von schweren<br />

Fällen. «Es ist schwer, etwas nachzuweisen,<br />

deshalb muss stärker<br />

durchgegriffen werden.»<br />

Das Zürcher Pflegezentrum<br />

Entlisberg wird nicht so schnell<br />

zur Ruhe kommen, obwohl der<br />

Stadtrat genau dies mit der Ankündigung<br />

einer Administrativuntersuchung<br />

bezweckt.<br />

Betroffenenanwalt Matthias<br />

Erne weiss von weiteren Vergehen.<br />

Doch «der Moment, darüber<br />

zu sprechen, ist noch nicht gekommen».<br />

Von der Auswertung<br />

der Staatsanwaltschaft erwartet<br />

er Hinweise auf weitere mögliche<br />

Filme und eine denkbare Weiterverbreitung<br />

der Handyfilme.


Heimangestellte in Zürich<br />

haben Demenzkranke<br />

misshandelt Über die<br />

Gründe sind sich die<br />

Branchenverbände uneins.<br />

VON RAINER RICKEI\IBACH<br />

Der Heimverband Curaviva reagiert<br />

empört: Die Staatsanwaltschaft ermittelt<br />

gegen fünf Angestellte des Stadtzürcher<br />

Pflegezentrums Enüisberg wegen Videos<br />

von zwei nackten demenzkranken Personen<br />

und zum Teil wegen Körperverletzung<br />

und Diebstahl. Dies sei ein «unentschuldbarer<br />

Einzelfall», sagt Markus Leser,<br />

Geschäftsleitungsmitglied von Curaviva.<br />

«Wir hoffen, dass die Öffenüichkeit<br />

jetzt nicht sämtliche 100 000 Personen,<br />

die in den Pflege- und Altersheimen<br />

arbeiten, über einen Kamm schert.»<br />

Menschen würden geschlagen, gedemütigt<br />

und dabei mit dem Handy gefilmt -<br />

«das Phänomen, welches wir von Schulen<br />

kennen, scheint nun auch in den<br />

Pflegeheimen angekommen zu sein. Das<br />

muss uns zu denken geben.»<br />

Eine Charakterfrage<br />

Für Leser ist klar: «Das hat nichts mit<br />

Überforderung am Arbeitsplatz zu tun,<br />

sondern einzig und allein mit dem<br />

Charakter jener Personen, die keinen<br />

Respekt vor dem Menschen zu besitzen<br />

scheinen.» Anders beurteilt der Berufsverband<br />

der Pflegefachleute die Ursache:<br />

Die «Sparhysterie» der Politik habe<br />

zur Folge, dass immer mehr Hilfskräfte<br />

die Arbeit von qualifiziertem Pflegfachpersonal<br />

verrichten. Das überfordere<br />

oft. In Zürich waren zwei diplomierte<br />

Pflegefachfrauen, zwei ausgebildete<br />

Pflegeassistentinnen und ein Pfleger<br />

beteiligt; sie sind teilweise geständig.<br />

Erwin Arnold, der Präsident des Luzerner<br />

Sozialvorsteherverbandes, ist zumindest<br />

erleichtert, dass «nach dem absolut<br />

tragischen Fall» die Staatsanwaltschaft<br />

unverzüglich durchgriff. Im Kanton Luzern<br />

wachen die Regierungsstatthalter<br />

darüber, ob in den Heimen die Qualitätsvorgaben<br />

eingehalten werden.<br />

Arnold rät, bei Verdacht auf Misshandlungen<br />

von dementen Angehörigen<br />

das Umfeld zu beobachten und<br />

wenn nötig das Gespräch mit der Heimleitung<br />

zu suchen. «Wenn das nicht<br />

fruchtet, sind die Sozialvorsteher der<br />

Gemeinden die zweite Anlaufstelle.»<br />

NACHGEFRAGT<br />

bei Joachim Eder,<br />

Gesundheitsdirektor<br />

des Kantons Zug<br />

«Gutes Betriebsklima<br />

ist das Wichtigste»<br />

Der Schweizer Berufsverband der Pflegefachleute<br />

fordert die Politik auf, der<br />

«Sparhysterie» bei der Pflegefinanzierung<br />

ein Ende zu setzen. Die Folge sei<br />

überfordertes Hilfspersonal, das die<br />

Arbeit von Fachleuten wahrnehme.<br />

Joachim Eder: Ich wäre mit solchen<br />

Stellungnahmen vorsichtig. Wir kennen<br />

bei unseren 19 Alters- und Pflegeheimen<br />

im Kanton Zug keine Sparhysterie.<br />

Es gibt klare Richüinien, wo<br />

Hilfspersonal und wo qualifiziertes<br />

Fachpersonal im Einsatz stehen darf.<br />

Im unserem geriatrischen Kompetenzzentrum<br />

in Baar werden Personen<br />

mit den schwierigsten Demenzerkrankungen<br />

betreut: Dort braucht<br />

es den grössten Anteil an qualifiziertem<br />

Fachpersonal - seit Jahren ist der<br />

Personalwechsel dort sogar am<br />

geringsten.<br />

Wer überwacht die Heimbetriebe?<br />

Eder: Die gesundheitspolizeiliche<br />

Aufsicht nehmen wir in der Gesundheitsdirektion<br />

wahr. Wir prüfen, ob<br />

und wie unsere Richüinien und Vorgaben<br />

eingehalten werden. Bei Reklamationen<br />

und Beschwerden klären<br />

wir ab, wo allenfalls Fehler gemacht<br />

wurden und Verbesserungen nötig<br />

sind. Die Verantwortung über die<br />

heiminterne Kontrolle trägt aber in<br />

erster Linie die Leitung Pflege. Zudem<br />

verlangen wir von jedem Heim,<br />

dass es einen verantwortlichen<br />

Heimarzt hat. Sonst gibt es keine<br />

Betriebsbewilligung.<br />

Wie lassen sich solche Vorfälle wie in<br />

Zürich verhindern?<br />

Eder: Ein gutes und vertrauensvolles<br />

Betriebsklima ist das Wichtigste. Im<br />

Kanton Zug sind die Arbeitsbedingungen<br />

gut. Das Pflegepersonal, welches<br />

die schwierige Aufgabe der Betreuung<br />

und Pflege von demenzkranken Mitmenschen<br />

ausübt, ist aber sehr oft<br />

grossen Belastungen und Stress ausgesetzt.<br />

Deshalb ist es wichtig, dass auch<br />

die Pflegenden von ihren Vorgesetzten<br />

gut betreut und begleitet werden. Regelmässige<br />

Fort- und Weiterbildung,<br />

aber auch Supervision sowie Gespräche<br />

mit den verantwortlichen Ärztinnen<br />

und Ärzten gehören auch dazu, rr<br />

Personal betroffen<br />

und erschüttert<br />

Zürich. - Die Mitarbeitenden des<br />

Pflegezentrums Entlisberg in Wollishofen<br />

seien «spürbar tief betroffen<br />

und erschüttert», sagt Kurt Meier,<br />

Direktor der städtischen Pflegezentren.<br />

Man habe für die Betreuung der<br />

rund 400 Angestellten ein Careteam<br />

eingesetzt. Um das Vertrauen der<br />

Angehörigen der Demenzkranken<br />

wiederzuerlangen, wurden sie<br />

schriftlich informiert und von der<br />

Stationsleitung angerufen. Zudem<br />

haben alle Bewohner der zehn städtischen<br />

Pflegezentren einen Brief des<br />

Bedauerns erhalten.<br />

Die am Donnerstag angekündigte<br />

Administrativuntersuchung leitet ein<br />

externer Jurist. Die Arbeit dürfte einige<br />

Monate dauern. Sie soll Licht in<br />

die Vorkommnisse bringen und<br />

Pflichtverletzungen aus personalrechtlicher<br />

Sicht untersuchen, (höh)


Ausbildung<br />

Ö<br />

Jetzt gibt es einen Abschluss<br />

Erwachsene mit Berufserfahrung,<br />

aber ohne Abschluss<br />

können neu eine Qualifikation<br />

erwerben. Von vorn anfangen<br />

müssen sie nicht.<br />

für Spätentschlossene<br />

Die Schweiz ist bekannt für ihr gutes<br />

Ausbildungssystem. Trotzdem hat<br />

längst nicht jeder, der über Jahre in<br />

einem Beruf arbeitet, auch einen anerkannten<br />

Abschluss. Gerade in den Bereichen<br />

Alten- und Krankenpflege,<br />

Hauswirtschaft, Betreuung sowie Gastronomie<br />

sind viele Menschen beschäftigt,<br />

die in den Job reingerutscht sind -<br />

vielfach mit einer Teil- oder ohne<br />

Ausbildung. Das Problem: Sie können<br />

ohne berufliches Fähigkeitszeugnis<br />

kaum den Arbeitgeber wechseln und<br />

sind so überdurchschnittlich oft arbeitslos.<br />

Im Kanton Zug können diese Arbeitnehmer<br />

in Zukunft einen eidgenössischen<br />

Abschluss erwerben. Dafür müssen<br />

sie nicht eine gesamte Lehre nachholen,<br />

sondern können ihre Arbeitserfahrung,<br />

aber auch ihr Fachwissen, das<br />

durch eine ehrenamtliche oder private<br />

Tätigkeit erworben wurde, anrechnen<br />

lassen. Der Kanton Zug zusammen mit<br />

dem Gewerblich-industriellen Bildungszentrum<br />

(GIBZ) bietet diesen<br />

Leuten jetzt die Möglichkeit, das felhende<br />

Fachwissen für den eidgenössischen<br />

Abschluss in einzelnen und flexiblen<br />

Lerneinheiten nachzuholen.<br />

Test im Internet<br />

Mit Hilfe eines webbasierten Tests<br />

kann jetzt jeder selbstständig prüfen,<br />

welche Berufsqualifikationen ihm<br />

noch für ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis<br />

fehlen. In den Test trägt<br />

man alle persönlichen und beruflichen<br />

Kompetenzen ein und reicht ihn<br />

zusammen mit den Belegen und<br />

Zeugnissen bei den Experten des Kantons<br />

ein. Diese beurteilen die anrechenbaren<br />

Vorkenntnisse und zeigen<br />

auf, was nachgeholt werden muss.<br />

Geprüft wird am Ende nur das fehlende<br />

Fachwissen. Die ergänzende Bildung<br />

übernimmt dann das GIBZ, das<br />

dafür extra das ehemalige Gebäude<br />

der Interkantonalen Schule für Pflegeberufe<br />

in Baar angemietet hat. «Je<br />

nachdem, wie viel Wissen schon vorhanden<br />

ist, kann fast jeder den Abschluss<br />

in rund einem Jahr nachholen»,<br />

sagt Beat Wenger, Rektor des<br />

GIBZ. Da es sich um eine Erstausbildung<br />

handelt, übernimmt der Kanton<br />

die Ausbildungskosten. Auch zeitlich<br />

sind die Schulungen so ausgerichtet,<br />

dass sie nicht den Job tangieren.<br />

Grosse Nachfrage<br />

Nachqualifizieren zur Fachangestellte<br />

Gesundheit (Fage) können sich im<br />

Kanton bereits Angestellte im Gesundheitswesen.<br />

Für den Beruf des Kochs<br />

läuft zurzeit ein Pilotprojekt.<br />

Das Angebot<br />

kommt sehr gut<br />

an, so Wenger. «Wir<br />

werden mit Anfragen<br />

überrannt. 180 Leute<br />

wollen die Prüfung<br />

zur Fachangestellten<br />

Gesundheit ablegen, 60 weitere habe<br />

den Abschluss bereits nachgeholt.»<br />

Beat Schuler, Leiter des Amtes für<br />

«Fast jeder kann den Abschluss<br />

in rund einem Jahr<br />

nachholen.»<br />

Berufsbildung, ist stolz, dass Zug mit<br />

den anderen <strong>Zentralschweiz</strong>er Kantonen<br />

als erster Kanton in der Deutschschweiz<br />

die offizielle Anerkennung für<br />

die Validierung von Bildungsleistungen<br />

vom Bundesamt für Berufsbildung und<br />

Technologie (BBT) erhalten hat. «Wir<br />

wissen, dass wir eine grosse Verantwortung<br />

haben. Denn die Qualität der<br />

Ausbildung muss langfristig gewährleistet<br />

sein. Es darf<br />

nicht der Eindruck<br />

entstehen, dass einem<br />

der Abschluss<br />

geschenkt wird.»<br />

Das GIBZ wurde<br />

von den sechs <strong>Zentralschweiz</strong>er<br />

Kantonen<br />

(Luzern, Nid- und Obwalden,<br />

Schwyz, Uri und Zug) beauftragt, das<br />

gesamte Verfahren für die Nachqualifikation<br />

zur Fachangestellten Gesundheit<br />

abzuwickeln. Laut Schuler geht es da-<br />

_rum, nach und nach weitere Qualifikationsprogramme<br />

für andere Berufe auszuarbeiten.<br />

Dabei sprechen sich die<br />

Kantone ab, welcher Beruf wo angeboten<br />

werden soll. «In der <strong>Zentralschweiz</strong><br />

wollen wir in den kommenden drei<br />

Jahren in rund zehn Berufen die Nachqualifikation<br />

möglich machen», sagt<br />

Schuler. Dabei gehe es darum, qualifiziertes<br />

Personal für Berufe sicherzustellen,<br />

denen der Nachwuchs fehlt. So<br />

könnte es beispielsweise auch bald für<br />

Informatiker möglich sein, einen eidgenössischen<br />

Abschluss nachzuholen.<br />

BEAT WENGER, REKTOR GIBZ<br />

NELLY<br />

KEUNE<br />

HINWEIS<br />

• Unter www.bildungsleistungen.ch finden Sie<br />

alles zum Thema sowie den Onlinetest.


c> —7<br />

Oo<br />

Filipinas für die Pflege<br />

Personalknappheit:<br />

Kantone prüfen unter anderem gezielte Rekrutierung im Ausland<br />

VON MARION<br />

LOHER<br />

BERN Kantone und die Nationale<br />

Dachorganisation der Arbeitswelt<br />

Gesundheit (Odasante) wollen<br />

gegen den drohenden Personalmangel<br />

in Schweizer Heimen und<br />

Spitälern vorgehen und prüfen,<br />

gezielt ausländische Pflegefachleute<br />

einzusetzen. «Infrage kommen<br />

auch Fachkräfte aus fernen<br />

Ländern, wie zum Beispiel aus<br />

den Philippinen», sagt Franz<br />

Wyss, Zentralsekretär der kantonalen<br />

Gesundheitsdirektorenkonferenz<br />

(GDK). Filipinas seien sehr<br />

gut ausgebildet, so Wyss.<br />

Heute kommen 30 Prozent der<br />

in der Pflege Angestellten aus<br />

dem Ausland, hauptsächlich aus<br />

Frankreich und Deutschland. Die<br />

Rekrutierung aus diesen Ländern<br />

wird zunehmend schwieriger,<br />

weshalb andere Herkunftsländer<br />

geprüft werden.<br />

Kritiker wollen Zugang zur<br />

Ausbildung erleichtern<br />

Eine Ende Februar publizierte<br />

Studie zeigt auf, dass aufgrund<br />

der Alterung der Bevölkerung bis<br />

ins Jahr 2020 rund 25000 Fachkräfte<br />

im Pflege- und Therapiebereich<br />

fehlen. Für die Zulassung<br />

von ausländischen Mitarbeitern<br />

ist der Bundesrat zuständig. Er<br />

kann ein grösseres Kontingent<br />

von qualifizierten Arbeitskräften<br />

einer Berufsgattung aus dem Ausland<br />

dann zulassen, wenn es in der<br />

Schweiz und in den Efta-Staaten<br />

zu wenige davon gibt. Eine mögliche<br />

Massnahme ist, in einem ersten<br />

Schritt 50 bis 100 philippinische<br />

Pflegefachleute zuzulassen.<br />

Bis Ende 2009 wollen die GDK<br />

und die involvierten Bundesämter<br />

Doris Leuthard, der Vorsteherin<br />

des Volkswirtschaftsdepartements,<br />

einen Bericht vorlegen.<br />

«Wir sind künftig noch mehr<br />

auf ausländisches Pflegepersonal<br />

angewiesen. Wieso soll es nicht<br />

aus den Philippinen kommen, wo<br />

mehr Fachkräfte ausgebildet werden<br />

als benötigt?», sagt Hansueli<br />

Mösle, Direktor des Heimverbands<br />

Curaviva. Mösle setzt voraus, dass<br />

die philippinischen Pflegerinnen<br />

und Pfleger die hiesige Sprache<br />

beherrschen. Ein Punkt, der auch<br />

für den Schweizerischen Verband<br />

für Pflegefachfrauen und -männer<br />

erfüllt sein sollte. «Der Arbeitgeber<br />

muss ausländisches Pflegepersonal<br />

gezielt in die Praxis einführen»,<br />

sagt Geschäftsleiterin<br />

Elsbeth Wandeler. Ausserdem<br />

dürfe es im Herkunftsland zu<br />

keiner Unterversorgung durch<br />

Mangel an diplomiertem Pflegepersonal<br />

kommen.<br />

Das Schweizerische Rote Kreuz<br />

(SRK) steht einer allfälligen Rekrutierung<br />

von philippinischen Pflegefachkräften<br />

kritisch gegenüber.<br />

«Anstatt ärmeren Ländern Pflegepersonal<br />

abzuwerben, sollte vielmehr<br />

motivierten Pflegehelferinnen<br />

und -heifern in der Schweiz<br />

der Zugang zur qualifizierten<br />

Ausbildung erleichtert werden»,<br />

sagt Anne-Rose Barth von der<br />

Abteilung Ausbildung, Gesundheit<br />

und Integration des SRK.<br />

Bund und Kantone prüfen auch<br />

andere Massnahmen: ein Attest<br />

für die zweijährige Grundbildung,<br />

mehr Ausbildungsplätze und eine<br />

einheitliche Abschluss-Kompetenz<br />

bei den Bachelor-Studiengängen.<br />

360000 Pflegefachleute<br />

Die Philippine Nurses Association<br />

wurde 1922 gegründet und ist -<br />

wie die Schweiz - dem Internationalen<br />

Pflegeverband ICN angeschlossen.<br />

Ihr gehören über<br />

360000 lizenzierte Pflegende an,<br />

jährlich kommen 13000 neue hin-'<br />

zu. An den Universitäten werden<br />

im Pflegebereich Bachelor-, Master-<br />

und Doktor-Studiengänge<br />

angeboten. Ein Ziel des Verbands<br />

ist eine professionelle Ausbildung<br />

für die Arbeit im Ausland. (ML)


«7. August 2006: Pflegende Tß<br />

Der Skandal im Pflegeheim Entlisberg ist extrem. Doch täglich<br />

vernachlässigen Heime ihre Bewohner. Pflege forscherin Silvia<br />

Käppeli protokollierte, wie schlecht es ihrer Mutter erging.<br />

«Ein Heim mit guter Führung findet auch gute Leute»<br />

Pflegewissenschaftlerin Silvia<br />

Käppeli fordert mehr Professionalität<br />

in der Alterspflege,<br />

speziell in Leitungsfunktionen.<br />

Mit Silvia Käppeli* sprach<br />

Susanne Anderegg<br />

Ist dieses Heim ein Einzelfall, was das<br />

Ausmass der Missstände anbelangt?<br />

In verschiedenen andern Heimen ist es<br />

auch so. Das weiss ich von vielen Kolleginnen,<br />

mit denen ich Erfahrungen austausche.<br />

Es gibt aber auch bessere Heime.<br />

Welche?<br />

Vor allem solche, die sich spezialisiert<br />

haben, etwa auf Alzheimer-Patienten.<br />

Sie beschreiben drastisch, wie Ihre Mutter Wo sehen Sie den Grund für die Missstände<br />

im Heim Ihrer Mutter?<br />

im Heim vernachlässigt wurde. Weshalb<br />

haben Sie sie nicht anderswohin gebracht? In der Inkompetenz auf allen Hierarchiestufen<br />

und in allen Diensten. Christ-<br />

Sie wurde vom Triemli direkt in<br />

dieses Heim verlegt und war nach dem liche Werte allein genügen nicht, es<br />

Schlaganfall verwirrt. Im Heim zügelten<br />

wir sie später von einem Zweiersein.<br />

Es gab zu wenig professionelles Per-<br />

braucht mehr als guten Willen und Nettin<br />

ein Einerzimmer. Einen weiteren sonal. Auch die Rolle der Heimärzte ist<br />

Wechsel konnten wir ihr angesichts ihres<br />

geistigen Zustandes nicht mehr zu-<br />

zu überprüfen.<br />

muten. Dazu kamen praktische Ist das speziell in Heimen mit christlicher<br />

Gründe: Da das Heim zwischen meinem<br />

Wohn- und meinem Arbeitsort Das Problem ist allgemein. Die Pflege-<br />

Trägerschaft ein Problem?<br />

liegt, konnte ich sie sehr oft besuchen. heime sagen, sie bekämen kein besseres<br />

Und die Umgebung ist schön und geeignet<br />

für Spaziergänge mit dem Roll-<br />

Ein Heim mit guter Führung findet auch<br />

Personal. Meine Erfahrung zeigt aber:<br />

stuhl.<br />

gute Leute. Und wenn man nur Pflegehilfen<br />

hat, muss man die eben so lange<br />

ausbilden, bis sie auf einem guten Level<br />

sind. Wichtig ist primär, dass die<br />

Führungskräfte hochprofessionell sind.<br />

Dann mag es auch eine Mischung zwischen<br />

diplomierten Pflegenden und<br />

Hilfspersonal leiden.<br />

Haben die Pflegenden nicht einfach zu wenig<br />

Zeit, weil Stellen gespart werden?<br />

Auf Mutters Etage hatten sie genug<br />

Personal. Zum Teil sind die Ressourcen<br />

aber schon knapp. Dann ist es wichtig,<br />

sie gezielt einzusetzen. Wenn man wirklich<br />

will, kann man es besser machen.<br />

Sie haben bei der Gesundheitsdirektion<br />

eine Beschwerde eingereicht. Mit Folgen?<br />

Die Behörden haben dem Heim Auflagen<br />

gemacht, insbesondere betreffend<br />

Ernährung der alten Menschen.<br />

* Silvia Käppeli leitet das Zentrum für<br />

Entwicklung und Forschung Pflege am<br />

Zürcher Universitätsspital und ist Mitglied<br />

der Eidgenössischen Ethikkommission.<br />

Sie hat in Geriatriepflege promoviert.


Tages-Anzeiger * Mittwoch, 11. März 2009<br />

LESERBRIEFE<br />

«Viele der Erfahrungen<br />

«7. August 2006: Pflegende verlieren<br />

Mutters Zahnprothese», TA vom 10.3.<br />

Ähnliches erlebt. Kurz bevor mein Vater<br />

aus einem städtischen Spital hätte entlassen<br />

werden sollen, erlitt er eine Hirnblutung.<br />

Nachdem sich sein Zustand stabilisiert<br />

hatte, erfolgte die Verlegung in<br />

ein Pflegezentrum. Viele der im Artikel<br />

geschilderten Beobachtungen und Erfahrungen<br />

machten auch wir, sowohl im<br />

Spital wie im Pflegeheim. Verschiedent- -<br />

lieh suchten wir im Gespräch mit den<br />

Führungsverantwortlichen nach Lösungen.<br />

Man gab sieh verständnisvoll und<br />

hörte uns immer zu - geschehen ist meist<br />

nur wenig und öfter nichts. Wir erlebten,<br />

wie motivierte und engagierte Pflegende<br />

gerügt, gemobbt und entlassen<br />

wurden. Resigniert haben wir Angehörigen<br />

in der Folge bei Missständen meist<br />

selbst Hand angelegt, um unserem Vater<br />

zu helfen. Ein starkes Unbehagen blieb<br />

und steigerte sich beim Erhalt der monatlichen<br />

Rechnung für den privaten Kostenanteil<br />

zur ohnmächtigen Wut. Wir haben<br />

daraus die Konsequenzen gezogen,<br />

eine rollstuhlgängige Mietwohnung gesucht,<br />

kleinere bauliche Anpassungen<br />

vorgenommen und Unterstützungsangebote<br />

organisiert. Selbst bei diesem Vorhaben<br />

erhielten wir von den dafür geschaffenen<br />

Stellen keine nennenswerte Unterstützung.<br />

Seit zwei Jahren leben meine<br />

Eltern gemeinsam in einer neuen Wohnung<br />

und gemessen das selbstbestimmte<br />

Zusammenleben und die wiedergewonnene<br />

Lebensqualität. Neben meinen Eltern<br />

haben auch die Steuerzahler und Krankenkassen<br />

gewonnen - sie brauchen die<br />

enormen jährlichen Kosten für einen<br />

unbefriedigenden Aufenthalt im Pflegeheim<br />

nicht mehr zu bezahlen.<br />

J. B., DÜBENDORF*<br />

(* Name der Red. bekannt)<br />

!<br />

machten wir auch»<br />

Pflegeausbildung abgebrochen. «Augen<br />

zu und durch» wurde mir von verantwortlicher<br />

Stelle geraten, als ich 2003<br />

als 46-jährige erfahrene Schülerin der<br />

Fachausbildung Psychiatrie der PUK Zürich<br />

auf einer «sogenannten» Geronto-<br />

Psychiatrischen Abteilung eines städtischen<br />

Alters-und Pflegeheims mein<br />

Praktikum absolvierte. Ich habe unzumutbare<br />

Zustände in der Begleitung und<br />

Pflege von dementen Menschen gesehen<br />

und erlebt. Ich habe auf die Missstände<br />

aufmerksam gemacht, unzumutbare Situationen<br />

geschildert, mein ethisches Di-<br />

lemma erklärt und meinen Notstand immer<br />

wieder kundgetan. Die Antwort<br />

lautete: «Wir zweifeln an Ihrer Kompetenz<br />

und an Ihrer Fähigkeit, Nähe und<br />

Distanz zu wahren.» Mir wurde vorgeworfen,<br />

keine Selbsthilfestrategien entwickeln<br />

zu können und der Lernsituation<br />

nicht gewachsen zu sein. Enttäuschung,<br />

Wut und Trauer haben mich dazu bewogen,<br />

meine Ausbildung abzubrechen<br />

und mich von der Pflege zu distanzieren.<br />

Ein trauriges Kapitel in meinem Leben.<br />

Umso mehr freue ich mich, dass die Wahrheit<br />

nur begrenzte Zeit unter dem Deckel<br />

gehalten werden kann.<br />

VERENA DILLIER, ZÜRICH<br />

Tiefe Beleidigung. Dieser Artikel ist<br />

eine tiefe Beleidigung von vielen Tausend<br />

Mitarbeitenden von Alters- und Pflegeheimen<br />

in der Schweiz, die mit viel<br />

Begeisterung und Engagement ihre anspruchsvolle<br />

Arbeit ausfuhren. In ihrem<br />

Tagebuch zeigt Silvia Käppeli auf, mit<br />

welchen Problemen ihre Mutter während<br />

dreier Jahre in diesem Zürcher Altersheim<br />

zu kämpfen und leben hatte.<br />

Sie hat als ausgewiesene Fachfrau drei<br />

Jahre zugesehen, wie es ihrer Mutter<br />

schlecht ging. Ein Wechsel in ein anderes<br />

Heim kam für sie nicht in Frage, da es<br />

kein idealeres Heim gab, das direkt an ihrem<br />

Arbeitsweg lag! Als Besserwisserin<br />

hat Silvia Käppeli versucht, die Situation<br />

im Heim zu verbessern, in dem sie sich<br />

operativ eingemischt hat und dem Pflegepersonal<br />

unter anderem eine «Weiterbildung<br />

angeboten» hat. Dass der «Tages-<br />

Anzeiger» ihr eine solche Plattform bietet,<br />

enttäuscht mich als langjährigen Leser<br />

und Abonnenten zutiefst. Ich bin mir<br />

sehr wohl bewusst, dass auchim Altersund<br />

Pflegeheim-Bereich Verbesserungen<br />

nötig sind (wie in vielen anderen Bereichen<br />

unseres Lebens). Die neue Pflegefmanzierung<br />

wird die Lage noch verschärfen.<br />

Den Institutionen werden in<br />

Zukunft noch weniger finanzielle Mittel<br />

zur Verfügung stehen. So werden die<br />

Krankenkassen nur noch einen reduzierten<br />

Teil der Pflegekosten finanzieren.<br />

Sich dieses Problems anzunehmen, wäre<br />

zum Beispiel eine Seite im TA wert.<br />

JOSEF ZIMMERMANN, GOCKHAUSEN<br />

Nicht nachvollziehbar. Dass eine Tochter<br />

ihre Mutter fast drei Jahre lang einer<br />

Pflege aussetzt, die sie als schrecklich beurteilt,<br />

und diese Pflege noch, als wäre<br />

ihre Mutter ein Forschungsobjekt, schriftlich<br />

protokolliert, kann ich nicht nachzuvollziehen.<br />

Ein Umzug in ein anderes<br />

Heim ist auch bei demenzkranken Menschen<br />

sehr wohl möglich, und das Argument<br />

der Nähe zum Wohn- und Arbeitsplatz<br />

wirft ein schlechtes Licht auf jemanden,<br />

der Gewissen und Engagement bei<br />

den Pflegenden reklamiert.<br />

CHRISTOPH HELD, ZÜRICH<br />

Dr med., Heimarzt


7]f ••( SC<br />

eines Heims prüfen können<br />

Angehörige als Kontrolleure<br />

Heime unterstehen der Kontrolle durch<br />

Kantone und Gemeinden. Die individuelle<br />

Befindlichkeit von Bewohnerinnen und<br />

TIPPS & INFOS<br />

Suche nach dem geeigneten Heim<br />

Die regionalen <strong>Sektion</strong>en der Alzheimervereinigung<br />

bieten Beratung und Hilfe bei der Heimsuche<br />

an. Die Adressen sind als links unter www.alz.ch<br />

aufgeführt. Dort finden Betroffene auch eine<br />

Checkliste mit wichtigen Tipps für die Wahl des Heimes.<br />

Eine allgemeine Checkliste für den Heimeintritt<br />

ist auf der Homepage von Curaviva Zürich Unter<br />

www.curaviva-zh.ch herunterzuladen.<br />

Menschen mit einer geistigen Behinderung und deren<br />

Angehörige können sich für die Heimsuche bei<br />

Insieme unter Telefon 031 300 50 20 beraten lassen.<br />

www.insieme.ch<br />

Qualität der Heime<br />

Der Verband der Baselbieter Pflegeeinrichtungen<br />

hält im Papier «Grundangebot und Basisqualität»<br />

fest, was zum minimalen Angebot von Heimen gehören<br />

sollte. Es richtet sich in erster Linie an Verantwortliche<br />

und Pflegende, doch bietet es auch<br />

Heimbewohnerinnen und -bewohnern sowie Angehörigen<br />

eine nützliche Orientierung dafür, was sie<br />

erwarten können. Das Papier ist unter<br />

www.bap-bl.ch veröffentlicht.<br />

Beschwerde- und Ombudsstellen<br />

Die Internetadresse www.uba.ch listet die bestehenden<br />

Ombudsstellen für das Alter auf. Eine gesamtschweizerische<br />

Abdeckung ist derzeit im Aufbau.<br />

Unter Telefon 058 450 60 60 nimmt eine zentrale<br />

Anlaufstelle Beschwerden von überall entgegen<br />

und leitet sie an die jeweilige Region weiter. Die<br />

Angebote der Beschwerdestellen sind kostenlos.<br />

Im Behindertenbereich übernimmt Insieme die<br />

Funktion einer Ombudsstelle (siehe oben).<br />

Bewohnern kann damit aber kaum zuverlässig<br />

erfasst werden. «Eine wirksame<br />

Überwachung ist daher der regelmässige<br />

Besuch der Angehörigen. Sie können so am<br />

ehesten Veränderungen im Aussehen und<br />

Verhalten ihrer Familienmitglieder feststellen»,<br />

sagt Giovanna Jenni, die in einer<br />

Studie an der Universität Basel die Erfahrungen<br />

von Angehörigen untersucht hat.<br />

Jenni rät den Angehörigen, sich vom Heim<br />

eine Ansprechperson zuteilen zu lassen,<br />

bei der sie ihre Beobachtungen jederzeit<br />

deponieren können. «Wir Pflegende können<br />

aber nicht erwarten, dass Angehörige<br />

immer selber nachfragen.» Es sei auch eine<br />

«Bringschuld» der Heime, auf die Angehörigen<br />

zuzugehen und sie zu informieren -<br />

und da bestehe Nachholbedarf. Denn der<br />

kontinuierliche Dialog zwischen Pflegenden<br />

und Angehörigen spielt laut Giovanna<br />

Jenni eine zentrale Rolle. Es erlaube den<br />

Angehörigen, sich laufend über die Betreuung<br />

und das Befinden ihrer FamilienmitT<br />

glieder auszutauschen und sich abzusichern.<br />

Eine Möglichkeit, einen solchen<br />

Dialog zu institutionalisieren, sind regelmässige,<br />

zum Vornherein vereinbarte Gespräche<br />

zwischen Heim und Angehörigen.<br />

Wenn Probleme auftauchen<br />

Stellen Sie als Angehörige fest, dass sich<br />

das Verhalten Ihrer Verwandten plötzlich<br />

verschlechtert oder nehmen Sie gar Zeichen<br />

von Vernachlässigung wahr, sollten<br />

Sie als Erstes die Pflegeverantwortlichen<br />

darauf ansprechen. Hilft das nicht, gelangen<br />

Sie an die nächsthöhere Instanz. «Das<br />

Heim ist verpflichtet, den Bewohnern und<br />

Angehörigen schriftlich mitzuteilen, an<br />

wen sie sich im Konfliktfall wenden können<br />

und welches der Instanzenweg ist»,<br />

sagt Markus Leser vom Heimverband Curaviva.<br />

Nur: «Viele Bewohner und Angehörige<br />

trauen sich nicht, Kritik im Heim anzubringen».<br />

weiss alt Oberrichter Daniel<br />

Steck, «aus Angst vor negativen Folgen in<br />

der Behandlung.» In solchen Fällen kann<br />

man Hilfe von aussen beiziehen.<br />

Hier gibt es Unterstützung<br />

Manche Heime bezeichnen eigene Schlichtungsstellen<br />

für den Konfliktfall. Angehörige<br />

sind aber nicht verpflichtet, diesen<br />

Weg zu wählen; sie können sich auch an die<br />

Unabhängigen Beschwerde- oder Ombudsstellen<br />

wenden. Oft genügt schon der<br />

blosse Hinweis von Angehörigen, dass sie<br />

sich bei der Beschwerdestelle erkundigt<br />

hätten, damit das Heim auf Kritik reagiere,<br />

sagt Andrea Lanz von der Ombudsstelle<br />

Bern. Und wenn Angehörige es nicht wagen<br />

selber vorstellig zu werden, dann bietet<br />

die Beschwerdestelle an, sie zu begleiten<br />

und zwischen den Parteien zu vermitteln<br />

oder klärend und fachlich einzuwirken, ergänzt<br />

Anja Bremi von der UBA Zürich.<br />

Viele würden sich leider eher spät an<br />

die Ombudsstelle wenden, wenn der Konflikt<br />

bereits eskaliert sei, so Bremi. Auch<br />

sei die heutige Generation alter Menschen<br />

noch «eher duldsam». Das werde sich aber<br />

bald ändern: «Die künftigen älteren Menschen<br />

sind viel kritischer und werden daher<br />

auch ihre Rechte einfordern.»


Pflege<br />

Krienser haben zu wenig Betten<br />

Nicht alle pflegebedürftigen<br />

Krienser können in der<br />

Gemeinde bleiben. Nun hat<br />

die Gemeinde sogar einen<br />

kantonalen Rüffel erhalten.<br />

VON CHRISTIAN BERTSCHI<br />

Die Gemeinde Kriens bietet ihren<br />

pflegebedürftigen Einwohnern 247 Betten.<br />

Zu wenig. Rund 100 Personen<br />

warten zurzeit auf eine Platzierung<br />

in einem der vier Krienser Heime (siehe<br />

Hinweis). «Diese Situation ist absolut<br />

unbefriedigend», sagt denn auch<br />

Sozialvorsteher Lothar Sidler.<br />

Eine Odyssee<br />

Die Quintessenz: Viele Krienser müssen<br />

sich ausserhalb der Gemeinde um<br />

ein Pflegebett kümmern. «Offenbar finden<br />

Krienser auswärts noch Betten,<br />

aber sie müssen eine riesige Odyssee<br />

auf sich nehmen», weiss Sidler. Krienser<br />

würden beispielsweise in Hochdorf,<br />

Entlebuch oder Horw platziert.<br />

Der Mangel an Pflegebetten ist auch<br />

der Grünen Partei sauer aufgestossen.<br />

Die ehemalige Einwohnerrätin Susanne<br />

Lanz hat in einer Interpellation gefragt,<br />

ob die Gemeinde bewusst eine Strategie<br />

fahre, um komplexe<br />

und zeitintensive<br />

Pflegefalle abzuweisen.<br />

Lothar Sidler<br />

weist diesen Vorwuf<br />

in der nun vorliegenden<br />

Beantwortung<br />

zurück: «Es handelt<br />

sich nicht um eine<br />

bewusste Strategie.<br />

Letztes Jahr wurden<br />

keine Pflegefalle abgewiesen,<br />

weil der<br />

Pflegeaufwand zu<br />

hoch gewesen wäre<br />

oder weil es an Fachpersonal<br />

mangelt.»<br />

Vielmehr sei es ein<br />

strukturelles Problem.<br />

Es gibt schlicht zu wenig Betten.<br />

«Diese Situation ist<br />

absolut unbefriedigend.»<br />

Grossfeld anpassen<br />

Eine Feststellung, die selbst der<br />

Sozialdienst des Luzerner Kantonsspitals<br />

gemacht hat. Dessen Leiterin hat<br />

sich in Kriens über den Mangel an<br />

Pflegebetten beschwert. Krienser, die in<br />

einem pflegebedürftigen Zustand aus<br />

dem Spital entlassen werden, können<br />

zurzeit übergangsmässig in Kriens gar<br />

nicht aufgenommen werden.<br />

LOTHAR<br />

SOZIALVORSTEHER<br />

SIDLER,<br />

Für Sozialvorsteher<br />

Lothar Sidler ist<br />

deshalb klar: «Wir<br />

müssen bauliche<br />

Massnahmen ins Auge<br />

fassen.» Konkret<br />

geht es um das Alters-<br />

und Pflegeheim<br />

Grossfeld. «Dieses<br />

Heim ist in die Jahre<br />

gekommen und<br />

dient unseren Bedürfnissen<br />

nicht<br />

mehr», sagt Sidler.<br />

Im Finanz- und Aufgabenplan<br />

2009 bis<br />

2013 ist ein Planungskredit<br />

vorgesehen.<br />

Die Zeit drängt.<br />

Das Bedürfnis nach weiteren Pflegebetten<br />

ist in Kriens offensichtlich.<br />

Zentrum hat Priorität<br />

Der Sozialvorsteher dämpft allerdings<br />

Erwartungen an eine baldige<br />

Lösung: «Wir müssen zuerst eine Gesamtschau<br />

machen, bevor wir ein konkretes<br />

Bauprojekt angehen können. Zu-<br />

EXPRESS<br />

• Auf der Warteliste der<br />

Krienser Heime stehen<br />

rund 100 Pflegebedürftige.<br />

• Die Planung für neue<br />

Pflegeplätze wird erst<br />

in einigen Jahren erfolgen.<br />

dem hat die Planung der Zentrumsüberbauung<br />

Priorität. Dort wird es eher<br />

kein Pflegezentrum geben.» Zudem sei<br />

auch noch völlig unklar, was der Ersatz<br />

des bestehenden Grossfelds kosten<br />

würde. Eine kurzfristige Notlösung<br />

lehnt der Sozialvorsteher ab: Die Umwandlung<br />

von Zimmern des Altersheims<br />

in Pflegezimmer würde zu unbefriedigenden<br />

Ergebnissen führen, unter<br />

anderem, weil die Gänge und Zimmer<br />

für die Pflegebetten zu eng sind und in<br />

den Zimmern Nasszellen für pflegebedürftige<br />

Personen fehlen.<br />

%<br />

HINWEIS<br />

• Die vier Krienser Heime: Grossfeld (79 Betten),<br />

Zunacher 1 (59), Zunacher 2 (88), Kleinfeld (21).<br />

Total: 247 Betten.


Wie Angehörige die Qualität<br />

Viele Angehörige sind wegen der<br />

bekannt gewordenen Missstände<br />

in Pflegeheimen verunsichert.<br />

Sie spielen bei der Kontrolle der<br />

Qualität eine zentrale Rolle und<br />

erhalten dafür auch Hilfe.<br />

Von Andrea Fischer<br />

Nach den Vorfällen im Zürcher Pflegeheim<br />

Entlisberg schreckte vergangene<br />

Woche ein weiterer Bericht die Öffentlichkeit<br />

auf. In einem ausführlichen Protokoll<br />

schilderte Pflegeforscherin Silvia<br />

Käppeli, wie ihre Mutter im Heim über<br />

Monate vernachlässigt wurde. (TA vom<br />

io. Marz) Damit nicht genug: Gemäss Käppeli<br />

handle es sich bei der Geschichte ihrer<br />

Mutter auch nicht um einen Ausnahmefall.<br />

Zwar habe sich die Versorgung alter<br />

Menschen in Heimen im Allgemeinen verbessert,<br />

sagt Anja Bremi von der Unabhängigen<br />

Beschwerdestelle für das Alter<br />

(UBA). «Die behördlichen Vorgaben für<br />

die Pflege sind strenger und klarer geworden.»<br />

Doch viele Angehörige fragen sich<br />

ob der jüngsten Nachrichten, wie solche<br />

krassen Missstände zu verhindern seien<br />

und wie sie sichergehen können, dass ihre<br />

Familienmitglieder gut aufgehoben sind.<br />

So auch die 8o-jährige F. N., deren Ehemann<br />

an einer Demenz leidet und seit zwei<br />

Monaten in einem Pflegeheim lebt. Anfangs<br />

war sie beeindruckt vom Konzept<br />

des Heimes. Doch dann wurde ihr Mann<br />

nicht wie vereinbart in der Demenzabteilung<br />

untergebracht. Auch teilte man ihr<br />

nur eine Pflegehelferin als Ansprechperson<br />

zu. Seither ist Frau N. nicht mehr so<br />

überzeugt, und obwohl sie ihren Mann täglich<br />

besucht, plagen sie Zweifel: «Ich frage<br />

mich, ob er wirklich gut gepflegt wird.»<br />

Angehörige sind indes den Verantwortlichen<br />

in den Pflegeheimen nicht einfach<br />

ausgeliefert. Vielmehr spielen sie für die<br />

Kontrolle und Überwachung eine zentrale<br />

Rolle. Sie können Forderungen und Wünsche<br />

anbringen und sich bei Problemen<br />

externe Hilfe holen. Sich abzusichern beginnt<br />

bereits vor dem Heimeintritt.<br />

Wahl des richtigen Heims<br />

Da es bislang keine Rangliste oder ein<br />

Qualitätslabel für Heime gibt, sind Angehörige<br />

und Bewohner bei der Heimwahl<br />

auf sich selber gestellt. Im Internet finden<br />

Sie jedoch Checklisten für den Heimeintritt,<br />

auch bieten einzelne Angehörigenvereine<br />

Beratung und Unterstützung bei<br />

der Heimsuche an (siehe Tipps & Infos).<br />

Viele Angehörige entscheiden sich, ihre<br />

Verwandten in der Nähe unterzubringen,<br />

damit sie sie regelmässig besuchen können.<br />

Das ist ein nicht zu unterschätzender<br />

Vorteil, doch genügt es als Kriterium allein<br />

nicht. Ein Vergleich der Heime lohnt sich.<br />

Nutzen Sie auch die Möglichkeit des Probewohnens.<br />

Da nur wenige sich rechtzeitig<br />

um einen Heimeintritt kümmern, bleibt jedoch<br />

meist keine Zeit für eine sorgfältige<br />

Wahl. Birgitta Martensson, Geschäftsleiterin<br />

der Alzheimervereinigung, rät dennoch,<br />

sich nicht allein auf das Leitbild einer<br />

Institution zu verlassen. Entscheidend<br />

seien die Signale und die Stimmung, welche<br />

die Heimleitung aussende. «Decken<br />

sich die Ansichten der Heimfuhrung mit<br />

den eigenen Überzeugungen, dann stehen<br />

die Chancen gut, dass die Angehörigen gut<br />

aufgehoben sind», sagt Martensson.<br />

Art der Pflege<br />

Bei der Pflege «geht es um höchst persönliche<br />

Rechte des Patienten, die müssen gewährleistet<br />

sein», sagt der Zürcher Alt-<br />

Oberrichter Daniel Steck, der in der Fachkommission<br />

der Unabhängigen Beschwerdestelle<br />

tätig ist. Daher sei es grundsätzlich<br />

Sache der Bewohnerinnen und Bewohner,<br />

die Art der Pflege zu bestimmen. Wobei<br />

sich nicht alles bereits bei Abschluss des<br />

Heimvertrags im Detail regeln lasse, zumal<br />

die Pflege den sich stets verändernden Bedürfnissen<br />

der Patienten anzupassen sei.<br />

Angehörige können aber verlangen, in<br />

pflegerische Entscheide mit einbezogen zu<br />

werden, betont Pflegeexpertin Giovanna<br />

Jenni vom Betagtenzentrum Laupen bei<br />

Bern. Dies gilt insbesondere bei Problemfällen<br />

oder für freiheitsbeschränkende<br />

Massnahmen - wie etwa das vorübergehende<br />

Anbinden oder Einschliessen von<br />

Heimbewohnern -, welche gesetzlich erst<br />

in ein paar Jahren mit dem neuen Erwachsenenschutzrecht<br />

geregelt werden. Nebst<br />

dem Kanton Graubünden verfügen einzelne<br />

Gemeinden (wie die Stadt Zürich)<br />

und Heime bereits heute über entsprechende<br />

Richtlinien. Erkundigen Sie sich,<br />

wie das von Ihnen gewählte Heim damit<br />

umgeht, und deponieren Sie Ihre Wünsche<br />

und Forderungen frühzeitig.


Fallkostenpauschale<br />

Werden Kranke<br />

kränker gemacht?<br />

Für eine Schulteroperation und 28<br />

Stunden Aufenthalt stellte das Zuger<br />

Kantonsspital einem Patienten eine<br />

Rechnung über 20 220 Franken aus.<br />

Der hohe Betrag machte den 53-Jährigen<br />

stutzig - aber sowohl Spitalverwaltung,<br />

Krankenkasse und Zusatzversicherung<br />

erklärten ihm, dass an<br />

der Rechnung nichts auszusetzen<br />

sei. Nach der zweiten Schulter-OP<br />

Ende letzten Jahres sah er sich in<br />

seinen Zweifeln bestärkt: Für den<br />

identischen Eingriff stellte das Spital<br />

2292 Franken in Rechnung.<br />

Fallgruppe entscheidet<br />

Wie der «Beobachter» in seiner Ausgabe<br />

vom Freitag schreibt, hegt das<br />

am Rechnungssystem. Weil das Kantonsspital<br />

nach Fallkostenpauschale<br />

abrechnet, werden nicht die einzelnen<br />

Arbeitsschritte verrechnet. Über den<br />

Rechnungsbetrag entscheidet, welcher<br />

Fallgruppe der Patient zugeordnet<br />

wird. Im vorliegenden Fall ortet<br />

ein unabhängiger Spezialist eine Fehlcodierung:<br />

Der Patient wurde fälschlicherweise<br />

der Gruppe «grosse Schultereingriffe<br />

mit Komplikationen» zugeordnet<br />

- wobei «normaler Schultereingriff<br />

ohne Komplikationen» ausgereicht<br />

hätte. Die Differenz macht sich<br />

bezahlt. In Fachkreisen, so schreibt<br />

der «Beobachter», habe dieses Vorgehen<br />

System und einen Namen - Upcoding.<br />

Wie oft Spitäler höhere Vergütungen<br />

in Rechnung stellen, sei unbekannt.<br />

Weil dazu Zahlen fehlen.<br />

MZ<br />

Ein Fehler?<br />

Werden also auch im Zuger Kantonsspital<br />

Patienten auf dem Papier<br />

kränker gemacht, als sie sind? «Aus<br />

meiner Sicht kann ich dies klar verneinen»,<br />

sagt Gesundheitsdirektor Joachim<br />

Eder auf Anfrage unserer Zeitung.<br />

Die Codier-Praxis habe in den<br />

letzten Jahren zu keinen Beanstandungen<br />

Anlass gegeben, versichert er.<br />

Eine Vertrauenskommission, in der<br />

die Kranken- und Unfallversicherer,<br />

die Spitäler und die Kantone paritätisch<br />

vertreten sind, lasse jedes Jahr<br />

alle <strong>Zentralschweiz</strong>er Spitäler überprüfen.<br />

Zwar sei der Ärger des Patienten<br />

verständlich. «Ich kann mich zu<br />

diesem Fall aber nicht äussern, weil<br />

ich ihn nicht kenne.» Ob ein Fehler<br />

vorliege, könne nur anhand der vollständigen<br />

Unterlagen geprüft werden.<br />

Bestes Resultat in der Region<br />

Das System AP-DRG, das im Zuger<br />

Kantonsspital angewendet wird, basiert<br />

auf Durchschnittszahlen pro Diagnose.<br />

Pauschalen werden unabhängig<br />

vom Aufwand verrechnet. «Sie<br />

sind Mischtarife innerhalb bestimmter<br />

Bandbreiten», sagt Eder. Es sei also<br />

möglich, dass in einem Fall der Aufwand<br />

höher oder eben tiefer sei als<br />

der Rechnungsbetrag. Dies entspreche<br />

dem Prinzip der Fallpauschalen.<br />

Die letzte Codierrevision aber habe<br />

ein «sehr zufrieden stellendes Resultat»<br />

ergeben: «Es wies lediglich eine<br />

kostenwirksame Differenz von weniger<br />

als drei Promille auf - das beste<br />

Resultat in der <strong>Zentralschweiz</strong>.»<br />

CHANTAL<br />

DESBIOLLES<br />

Das Zuger Kantonsspital verrechnet<br />

Pauschalen - unabhängig vom<br />

tatsächlichen Aufwand. BILD CB


Fallmanagerin: «Bonus<br />

erhält, wer viel Geld spart»<br />

Der Datenschützer hat den<br />

Einsatz von Fallmanagern<br />

in Spitälern kritisiert. Eine<br />

ehemalige Fallmanagerin<br />

packt nun aus.<br />

Von Liliane Minor<br />

Zürich. - Sechs Jahre lang arbeitete<br />

die hochqualifizierte Pflegefachfrau<br />

A.* für zwei Krankenkassen<br />

als Fallmanagerin. «Ich begann<br />

diese Arbeit, weil ich Patienten beraten,<br />

begleiten und unterstützen<br />

wollte», erzählt sie heute. Sie kam<br />

rasch auf die Welt.<br />

Schon beim ersten Arbeitgeber<br />

waren Einsparungen ein Thema,<br />

zum Beispiel wenn es darum ging,<br />

welche Therapie die Kasse nach<br />

einem Spitalaufenthalt bezahlte.<br />

«Wenigstens stand aber da das Interesse<br />

des Versicherten im Vordergrund»,<br />

sagt A. Dafür machte<br />

diese Kasse genau das, was der<br />

Zürcher Datenschützer am Montag<br />

harsch kritisiert hat (TA von<br />

gestern): Sie informierte die Versicherten<br />

nicht. Die Patienten wussten<br />

also nicht, dass neben Ärzten<br />

und Pflegenden auch A. Einblick in<br />

die medizinischen Akten hatte. Die<br />

Fallmanagerin wurde automatisch<br />

immer dann eingeschaltet, wenn<br />

ein Versicherter bestimmte Kriterien<br />

erfüllte, zum Beispiel in einem<br />

Jahr mehrmals im Spital war oder<br />

die Aufenthaltsdauer eine bestimmte<br />

Zeit überschritt.<br />

Als eine grössere Kasse A.s bisherigen<br />

Arbeitgeber übernahm,<br />

änderten sich die Sitten. «Wir bekamen<br />

nun Zielvorgaben, wie viele<br />

Fälle wir bearbeiten und wie viel<br />

Geld wir einsparen mussten», erzählt<br />

die Fallmanagerin. «Das Erreichen<br />

dieser Ziele war ein Kriterium<br />

für den Bonus.» Wer hundert<br />

Prozent arbeitete, musste ständig<br />

35 bis 40 Fälle offen haben und jedes<br />

Jahr rund eine Viertelmillion<br />

Franken Einsparungen erwirtschaften<br />

- und die Vorgaben wurden<br />

Jahr für Jahr erhöht.<br />

Zwar seien die Ziele nicht<br />

grundsätzlich unerreichbar gewesen,<br />

sagt A. Aber: «Wer eine Region<br />

betreute, in<br />

der viele Leute<br />

grundversichert<br />

waren, der musste<br />

sich ziemlich abstrampeln.»<br />

Das<br />

bedeutete, man<br />

versuchte möglichst<br />

viele möglichst<br />

lukrative<br />

Fälle zu bearbeiten<br />

- oder man erlag<br />

der Versuchung, Gesuche um<br />

Kostengutsprachen einfach einmal<br />

abzulehnen, wenn die Sachlage<br />

nicht ganz eindeutig war.<br />

Bei Anruf war Patient tot<br />

Die Versuchung war<br />

da, Gesuche für<br />

Therapien einfach<br />

einmal abzulehnen.<br />

Immerhin habe es bei dieser<br />

zweiten Kasse kein Fallmanagement<br />

ohne Einwilligung des Patienten<br />

gegeben. «Wir mussten immer<br />

eine Einwilligung holen», sagt<br />

A. «Aber das verlief oft sehr harzig.»<br />

Immer wieder musste die<br />

Fallmanagerin Patienten anrufen,<br />

nur um festzustellen, dass sie todkrank,<br />

bereits verstorben oder völlig<br />

verwirrt und damit kaum entscheidungsfähig<br />

waren. Für A. waren<br />

solche Telefonate extrem belastend<br />

- genau wie Besuche am<br />

Krankenbett, auch das eine Vorgabe<br />

ihrer Arbeitgeberin.<br />

Spitäler waren eher feindselig<br />

Mühsam sei es auch gewesen, an<br />

Informationen zu kommen: «Die<br />

Spitäler verweigerten uns die nötigen<br />

Unterlagen öfter.» Dabei habe<br />

ihre Kasse den Datenschutz - im<br />

Gegensatz zu anderen - sehr ernst<br />

genommen. Mindestens was<br />

schriftliche Akten betrifft. «Problematisch<br />

war<br />

das, was mündlich<br />

ablief. Da gibt es<br />

eine Grauzone.<br />

Oft riefen wir die<br />

Ärzte einfach an.<br />

Manchmal versuchten<br />

wir so an<br />

Informationen zu<br />

kommen, bevor<br />

wir eine Vollmacht<br />

hatten.»<br />

Der Hauptgrund für A., ihre Arbeit<br />

als Fallmanagerin an den Nagel<br />

zu hängen, war aber ein anderer.<br />

«Ich war in meiner Rolle immer<br />

im Clinch zwischen allen Seiten»,<br />

sagt sie. «Einerseits sollte ich<br />

sparen, anderseits die Leute unterstützen.»<br />

Zuweilen begegneten die<br />

Spitalverantwortlichen den Fallmanagern<br />

feindselig, an einzelnen<br />

Orten hatten sie praktisch Hausverbot<br />

- offenbar fürchteten die<br />

Spitäler den Einfluss der Krankenkassen.<br />

Für A. ist deshalb klar: «Nicht<br />

die Krankenkassen sollten das Fallmanagement<br />

machen, sondern<br />

eine neutrale Stelle.»<br />

* Name der Redaktion bekannt.


Rund 330 000 Personen in der<br />

Schweiz arbeiten im Pflege- und Therapiebereich.<br />

Das ist eigentlich jetzt schon<br />

knapp. Denn gesamtschweizerisch<br />

wird es je länger, je schwieriger, qualifiziertes<br />

Pflegepersonal zu finden. Diese<br />

I Tendenz beobachtet auch Beat Demar-<br />

| mels, Leiter Heime und Alterssiedlun-<br />

I gen in der Stadt Luzem: «Die Rekrutierung<br />

gestaltet sich seit etwa einem Jahr<br />

wieder schwieriger. Ich erwarte, dass<br />

sich das Problem noch zuspitzen wird.»<br />

Bald zu wenig Personal<br />

Diese Prognose stellt auch das<br />

Schweizerische Gesundheitsobservatorium.<br />

Laut seiner gerade publizierten<br />

Analyse werden bis zum Jahr 2020 die<br />

Über-65-Jährigen zahlenmässig zunehmen<br />

- um etwa 34 Prozent gegenüber<br />

2006. Gleichzeitig wird der Anteil der<br />

Personen im Erwerbsalter nur um 4<br />

Prozent steigen.<br />

Auch wenn, wie in einer optimistischen<br />

Berechnung des Observatoriums<br />

angenommen, sich der Gesundheitszustand<br />

der Älteren weiterhin verbessern<br />

wird und die Spitalaufenthalte verkürzt<br />

werden, muss man damit rechnen, dass<br />

bis 2020 mindestens 13 Prozent mehr<br />

Stellen im Pflegebereich benötigt werden<br />

(siehe Grafik).<br />

PERSONALNOT<br />

Bis 2020 braucht es 45 000 zusätzliche Stellen<br />

Doch woher die Leute nehmen? Mit<br />

einer neuen Lehre sowie Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten<br />

an höheren<br />

Fachschulen und an Fachhochschulen hat<br />

man die Pflegeberufe für junge Menschen<br />

bereits weit geöffnet. Auch die<br />

Löhne sind attraktiv: zwischen etwa 4200<br />

gleich nach der Lehre bis etwa 7000<br />

Franken für eine erfahrene diplomierte<br />

Fachkraft ohne Führungsfunktion.<br />

PERSONALNOT IN DER PFLEGE 2020<br />

Am Interesse mangelt es auch nicht,<br />

sagt Beat Demarmels: «Gerade die Lehre<br />

als Fachangestellte Gesundheit ist bei den<br />

16-Jährigen sehr beliebt.» Schwieriger ist<br />

es, qualifiziertes Personal zu behalten,<br />

stellt Demarmels fest: «Für weiter qualifizierte<br />

Personen, mit einem Diplom einer<br />

höheren Fachschule zum Beispiel, ist die<br />

Arbeit im Spital oft interessanter.» Denn<br />

dort steht weniger die Beziehungsarbeit<br />

Entwicklung im Vergleich zu 2006 in % (Optimistisches Szenario)<br />

: jUi i<br />

| Bevölkerung<br />

I~ rf Tage in Spitälern + 2%<br />

f 1<br />

i Jage in Alters- und Pflegeheimen


Gesundheitskosten<br />

Der Streit um<br />

Santesuisse kann beim<br />

Bundesverwaltungsgericht<br />

Beschwerde einreichen. Das<br />

Zuger Kantonsspital fühlt<br />

sich trotzdem im Vorteil.<br />

Einen ersten Entscheid hat der zuj<br />

ständige Instruktionsrichter am Buni<br />

desveryvaltungsgericht gefallt: Santesuisse<br />

ist als «repräsentativer Bran-<br />

I chenverband der schweizerischen<br />

j Krahkenversicherer» als Beschwerdeführer<br />

zugelassen. Inhaltlich geht es um<br />

die vom Regierungsrat am 25. Novem-<br />

! ber 20Q8 beschlossene Fallpreispauschale<br />

für die stationäre Behandlung<br />

von Zuger Patienten in der allgemeinen<br />

Abteilung des Zuger Kantonsspitals.<br />

Während Santösuisse 3840 Franken<br />

vorgeschlagen hat, Verlangte das Kantonsspital<br />

4307 Franken. Weil sich die<br />

beiden Parteien nicht einigen konnten,<br />

fest - auf 4087 Franken.<br />

weiter<br />

Die Frist läuft<br />

Sowohl Santesuisse wie auch das<br />

Kantonsspital reichten danach Beschwerde<br />

beim Bundesverwaltungsgericht<br />

ein. Und darin focht das Spital<br />

auch die Legitimation des Krankenversicherers<br />

an. Bis Ende April - eine<br />

Fristerstreckung gibt es keine - können<br />

die drei Parteien Stellung zu den verschiedenen<br />

Beschwerden nehmen. Der<br />

Kanton ist aufgefordert, die entsprechenden<br />

Vorakten einzureichen. Gesundheitsdirektor<br />

Joachim Eder<br />

wünscht sich, dass das Gericht im Sinne<br />

der Zuger Regierung entscheidet. Heisse<br />

er die Beschwerde von Santesuisse gut,<br />

dann werde das Defizit des Spitals noch<br />

grösser. Bezahlen müsse der Kanton.<br />

Gewichteten die Richter aber die Argumente<br />

des Spitals am höchsten, dann<br />

müsse der Kanton ebenfalls Nachzahlungen<br />

leisten. «Wie die Richter entscheiden<br />

werden, ist völlig offen.»<br />

«Unsere Position ist gestärkt»<br />

Der Verwaltungsrat der Zuger Kantonsspital<br />

AG ist zuversichtlich. «Falls<br />

sich das Bundesverwaltungsgericht vertieft<br />

mit unseren Argumenten auseinandersetzt<br />

und falls es nicht nur einen<br />

politischen Entscheid fallt», wie Daniel<br />

Staffelbach bemerkt. Auch den Entscheid<br />

des zuständigen Instruktionsrichters<br />

bezüglich der Zulassung von<br />

Santesuisse beurteilt er positiv. «Gemäss<br />

der früheren bundesrätlichen Rechtsprechung<br />

musste jene Partei, die sich<br />

Verhandlungen verweigert hatte, hirinehmen,<br />

dass dem Festsetzungsantrag<br />

der Gegenpartei stattgegeben wurde.»<br />

Mit dem vorliegenden Entscheid habe<br />

sich das Bundesverwaltungsgericht diese<br />

Rechtsprechung zur eigenen gemacht.<br />

«Materiell ist damit unsere Position<br />

gestärkt worden.» FREDDY TRÜTSCH


~ ZoZ^/scy<br />

Die 2-Milliarden-Sparliste<br />

Brisanter VorschlagjJ-öhnedesGesundjieitspersonals sollen eingefroren werden<br />

VON BENITA VOGEL<br />

ZÜRICH/BERN Die Diskussionen<br />

um die Kostensenkung im Gesundheitswesen<br />

laufen heiss.<br />

Morgen Montag treffen sich<br />

Bund, Kantone und Krankenkassen<br />

für eine weitere Analyserunde.<br />

Am Dienstagnachmittag<br />

tagt die neu gegründete Gesundheitskommission<br />

zum ersten Mal.<br />

Das Ziel: Grundversicherungskosten<br />

um zwei Milliarden Franken<br />

abspecken. Bis Ende Juni sollen<br />

kompromissfähige und kurzfristig<br />

umzusetzende Massnahmen<br />

stehen.<br />

Nach der Überprüfung durch<br />

einen Gesundheitsökonomen sollen<br />

die Gesundheitskommissionen<br />

des Parlaments darüber entscheiden.<br />

Kommissionsinitiant<br />

Otto Ineichen will erreichen, dass<br />

der Anstieg der Krankenkassenprämien<br />

für nächstes Jahr unter<br />

fünf Prozent bleibt und nicht wie<br />

von den Kassenchefs angedroht<br />

15 Prozent oder mehr beträgt.<br />

Am Dienstag werden die Sparvorschläge<br />

aller Kommissionsmitglieder<br />

gesichtet und diskutiert.<br />

Beim Sparpotenzial handelt es<br />

sich nicht nur um Lifestyle-<br />

Operationen, die die Kassen<br />

jährlich über 30 Millionen Franken<br />

kosten (SonntagsZeitung<br />

vom 17. Mai 2009). Inzwischen<br />

hat sich gemäss Recherchen eine<br />

ganze Liste von preis- und mengendämpfenden<br />

Empfehlungen<br />

ergeben (siehe Tabelle oben).<br />

«Personal soll nicht ausbaden,<br />

was die Politik verdorben hat»<br />

Ein brisanter Vorschlag: die Löhne<br />

des Gesundheitspersonals einfrieren.<br />

Die machen rund 70 Prozent<br />

oder 16 Milliarden Franken<br />

der Kosten in der Grundversicherung<br />

aus. Eine Erhöhung von 1,4<br />

Prozent - um so viel steigen die<br />

Löhne in diesem Jahr - lösen<br />

Mehrkosten von 225 Millionen<br />

Franken aus. Nächstes Jahr<br />

könnten also Millionen eingespart<br />

werden. In bürgerlichen Kreisen<br />

und bei Krankenkassen gilt ein<br />

Lohnstopp als kompromissfahig.<br />

Der Druck auf die Löhne werde<br />

wegen der düsteren Wirtschaftslage<br />

auch in anderen Branchen<br />

zunehmen, lautet die Begründung.<br />

Doch der Widerstand ist programmiert:<br />

Die Linke will nicht auf<br />

dem Buckel der Angestellten sparen.<br />

«Das Personal soll nicht ausbaden,<br />

was die Politik verdorben<br />

hat», sagt ein Kommissionsmitglied.<br />

Kommt dazu, dass es heute<br />

schon zu wenig Pflegefachleute<br />

gibt und die Löhne auf tiefem Niveau<br />

sind. Nach dreijähriger Lehre<br />

verdient eine Fachangestellte<br />

anfangs 3800 Franken. Auch die<br />

Umsetzung dürfte schwierig sein,<br />

weil der Grossteil des Personals<br />

Kantonsangestellte sind.<br />

Weitere Vorschläge setzen bei<br />

den ambulanten Spitalkosten an.<br />

Diese sind von 2007 bis 2008 um<br />

über 11 Prozent gestiegen und<br />

machen mit 3,5 Milliarden Franken<br />

inzwischen 15 Prozent der<br />

Gesamtkosten in der Grundversicherung<br />

aus. Kann nur schon<br />

das Wachstum auf das allgemeine<br />

Wachstum gesenkt werden, liegen<br />

laut dem Krankenkassenverband<br />

Santesuisse 120 Millionen Franken<br />

drin. So dürfte eine Gebühr<br />

für Patienten, die sich selbst ins<br />

Spital einweisen oder aus Bequemlichkeit<br />

in den Spitalnotfall<br />

gehen anstatt zum Arzt, Zuspruch<br />

finden. Die Anzahl dieser Fälle<br />

nimmt stark zu. Viele andere<br />

Massnahmen sind heisse Eisen.<br />

So können die Spitäler für ihre<br />

Leistungen in den meisten Kantonen<br />

höhere Taxpunktwerte verrechnen<br />

als Ärzte.<br />

Erhöhung des Selbstbehalts<br />

wird auf Widerstand stossen<br />

Seit Einführung des Taxpunktsystems<br />

2004 kostete das 265 Millionen<br />

Franken. Eine Senkung der<br />

Werte in Spitälern auf jene der<br />

Ärzte werden die Kantone nicht<br />

goutieren, weil so mehr Kosten<br />

bei ihnen hängen bleiben. Auch<br />

auf die Erhöhung des Selbstbehalts<br />

ist Widerstand zu erwarten<br />

- wegen Bedenken, dass finanziell<br />

schwächer gestellte Menschen<br />

ausgeschlossen werden.<br />

Der grösste kurzfristige Sparbrocken<br />

bleibt nach wie vor bei<br />

den Medikamenten. Wenn sorgsamer<br />

damit umgegangen würde,<br />

könnten Millionen gespart werden.<br />

Jährlich werden Pillen für<br />

schätzungsweise 500 Millionen<br />

Franken weggeschmissen. Auch<br />

wenn die Preise in der Schweiz<br />

öfters und mit mehr Ländern wie<br />

Österreich und Italien verglichen<br />

würden, lägen Einsparungen von<br />

über 300 Millionen drin.<br />

Bei den Margen gibt es ebenfalls<br />

Sparpotenzial. Heute können alle<br />

Ärzte und Apotheker die gleich<br />

hohe Marge verrechnen, egal wie<br />

hoch ihr Aufwand ist. Hier liegt<br />

der Ball bei Gesundheitsminisfer<br />

Pascal Couchepin. Er kann die<br />

Medikamentenpreise per Verordnung<br />

anpassen. Seine<br />

Massnahmen will er Ende Mai<br />

bekannt geben.


9<br />

Mehr Pflege-<br />

Lehrstellen nur<br />

im Notfall<br />

Zürich. - Der Regierungsrat will die Spitäler,<br />

Heime und Spitex-Organisationen<br />

nicht verpflichten, mehr Lehrstellen für die<br />

Fachfrauen und Fachmänner Pflege (Fage)<br />

zu schaffen. Das schreibt er in seiner Antwort<br />

auf zwei parlamentarische Vorstösse.<br />

Eine solche Zwangsmassnahme käme nur<br />

im Notfall in Frage und erst, wenn alle andern<br />

Möglichkeiten ausgeschöpft seien.<br />

Der Kanton will sich auch nicht finanziell<br />

an der praktischen Berufsbildung beteiligen,<br />

weil das systemfremd wäre und «den<br />

Ruf nach Finanzierung anderer Ausbildungen<br />

nach sich ziehen würde».<br />

Nach Meinung des Regierungsrates<br />

sind die Betriebe selber verantwortlich dafür,<br />

dass es genügend Lehrstellen gibt, um<br />

den Nachwuchs zu sichern. Das sei landesweit<br />

so. Und landesweit müsse auch dem<br />

drohenden Mangel an Pflegepersonal begegnet<br />

werden. Die Gesundheitsdirektorenkonferenz<br />

habe entsprechende Schritte<br />

eingeleitet. Ob es allenfalls auch auf Kantonsebene<br />

sinnvolle Massnahmen gäbe,<br />

klärt derzeit eine Expertinnengruppe im<br />

Auftrag der. Gesundheitsdirektion ab.<br />

Nur in Psychiatrie ist Soll erreicht<br />

Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium<br />

schätzt, dass der Personalbedarf<br />

im Gesundheitswesen bis 2020 um 13 bis 25<br />

Prozent zunehmen wird. Die Neuorganisation<br />

der Ausbildungen hat aber dazu geführt,<br />

dass in den letzten Jahren nicht<br />

mehr, sondern weniger Pflegepersonal<br />

ausgebildet wurde. Im Kanton Zürich wurden<br />

deutlich weniger Fage-Lehrstellen geschaffen<br />

als geplant. Wie der Regierungsrat<br />

schreibt, begannen letzten Sommer<br />

knapp 400 Jugendliche eine Fage-Lehre,<br />

das Plansoll lag bei 575. Einzig in der Psychiatrie<br />

sei das Soll erreicht worden. Die<br />

Spitäler begründen die Abweichung unter<br />

anderem damit, dass neben den Pflegelehrlingen<br />

auch viele Praktikantinnen und<br />

Praktikanten betreut werden müssten und<br />

die Kapazitäten beschränkt seien. In den<br />

Alters- und Pflegeheimen steht die Fage-<br />

Lehre in Konkurrenz mit der Ausbildung<br />

zur Fachfrau oder Fachmann Betreuung.<br />

Positiv vermerkt der Regierungsrat,<br />

dass die Fachleute das Potenzial der Fage<br />

als gross beurteilen. Die zögerliche Entwicklung<br />

bei den Lehrstellen sei deshalb<br />

wohl «ein typisches Übergangsphänomen,<br />

das mit zunehmender Erfahrung und Austausch<br />

unter den Betrieben abnehmen<br />

bzw. verschwinden dürfte», (an)


SAMSTAG, 14. MARZ 2009<br />

mmttö 27<br />

MINARETTE Moscheen, Minarette und Integration:<br />

Das waren die Themen an einem engagierten<br />

Podiumsgespräch in Hinterkappelen. Seite 33<br />

FISCHER Der Kanton Bern fordert von einer Kraftwerkbe<br />

treiberin 60 000 Franken Schadenersatz für<br />

Ertragseinbussen der Fischer. Seite 33<br />

Wie Pflegequalität durchleuchtet wird<br />

Vom Bestreben, die Qualität der Pflege in Spitälern, bei der Spitex und in Heimen zu steigern - wie im Altersheim Sunnsyta Ringgenberg<br />

Nach den Übergriffen auf demenzkranke<br />

Menschen in einem<br />

Zürcher Pflegeheim stellt<br />

sich die frage; Wer garantiert<br />

die Pflegequalität in Heimen<br />

und Spitälern? Ein Augenschein<br />

im Alters- und Pflegeheim<br />

Sunnsyta in Ringgenberg,<br />

das sich seit fahren von Expertinnen<br />

begutachten lässt.<br />

WALTER DÄPP<br />

Auf dem Tisch des Sitzungszimmers<br />

liegt viel Papier. Christine<br />

Müller, Pflegeexpertin der Pflegezertifizierungsstelle<br />

Concret AG<br />

(«Pflegequalität sichern und fördern»)<br />

sitzt jenen Personen gegenüber,<br />

die für die Pflege und Betreuung<br />

der 43 Bewohnerinnen und<br />

Bewohner im Altersheim Sunnsyta<br />

in Ringgenberg verantwortlich<br />

sind: Heimleiter Ruedi Renfer, Pflegedienstleiter<br />

Beat Guntern, seiner<br />

Stellvertreterin Barbara Michel und<br />

der Pflegeexpertin Barbara Christen,<br />

die seit Jahren einen kritischen<br />

Blick von aussen auf den Pflegealltag<br />

im «Sunnsyta» wirft.<br />

Es ist etwa die Rede davon, wie<br />

das Leitbild des Heims im Alltag<br />

umgesetzt wird - in Bezug auf die<br />

Bewohnerinnen und Bewohner,<br />

ihre Angehörigen und das Personal.<br />

Wie clie Fähigkeiten der Bewohner<br />

noch besser genutzt und gefördert<br />

werden könnten. Wie die Personal-<br />

Ressourcen zu optimieren wären<br />

und wie man den Hausdienst vermehrt<br />

in den Pitegealltag einbeziehen<br />

könnte, Man spricht über das<br />

Palliativkonzept und das Schmerzmanagement,<br />

über das Hygienekonzept<br />

und über Kynästhetik,<br />

über Dokumentationsanalyse und<br />

Dekubitusprävention. Über Bewohner-<br />

und Mitarbeiterzufriedenheit.<br />

Und über Werthaltungen.<br />

«Um Himmels willen»<br />

Szenenwechsel. Zimmer 304.<br />

Helene Herzog, 94-jährig, vierfache<br />

Grossmutter und seit einiger Zeit<br />

auch Urgrossmutter, ist glücklich<br />

und zufrieden. Sie hat im «Sunnsyta»<br />

ein schönes, geräumiges Zimmer<br />

mit prächtiger Aussicht auf den<br />

Brienzersee. Sie sei «nun hier zu<br />

Hause», wiesiesagt: In ihrem«Stübli»,<br />

das sie nach ihrem Gutdünken<br />

eingerichtet hat-«zum Beispiel mit<br />

dem Büffet dort, das ich schon seit<br />

sechzig Jahren habe».<br />

Die Betreuung und Pflege sei<br />

sehr liebenswürdig, sagt sie. Man<br />

gehe auf ihre Wünsche und Bedürfnisse<br />

ein, und wenn es ein Problem<br />

gebe, habe sie eine persönliche Bezugsperson,<br />

der sie sich besonders<br />

gut anvertrauen könne. Und im Übrigen<br />

seien die Tage ausgefüllt: «Am<br />

Montag liest uns Heimleiter Ruedi<br />

Renfer vor, am Dienstag haben wir<br />

Gedächtnistraining und am Nachmittag<br />

Handarbeiten, am Mittwochmorgen<br />

Turnen, am Freitag<br />

Singen. Nur am Donnerstag haben<br />

wir frei.Und das ist ja auch etwas<br />

wert.» Es sei alles freiwillig, doch sie<br />

mache möglich st viel mi t-aber nur,<br />

wenn sie deswegen nicht dieTV-Serie<br />

«Um Himmels willen» verpasse.<br />

«Schlimm - und unbegreiflich»<br />

«Wie geht es ihnen heute?»: Barbara Michel und Christine Müller bei der 94-jährigen Helene Herzog (Mi tte).<br />

Von den Übergriffen auf demenzkranke<br />

Bewohnerinnen im<br />

Zürcher Pflegeheim Entlisberg hat<br />

auch Helene Herzog gehört.<br />

«Schlimm», sagt sie, «unbegreiflich.<br />

Es darf doch nicht sein, dass man<br />

Menschen, die sich nicht wehren<br />

können, so missbraucht.» So etwas<br />

könne säe sich hier nicht vorstellen:<br />

«Nein. Es sind alle sehr nett. Und sie<br />

fragen immer, ob sie hereinkommen<br />

dürfen - oder ob sie stören.»<br />

Barbara Michel, die stellvertretende<br />

Pflegedienstleiterin, freut sich<br />

natürlich über solch positive Rückmeldungen.<br />

Doch: Qualität in der<br />

Pflege sei nicht selbstverständlich,<br />

betont sie-sie müsse immer wieder<br />

hinterfragt, neu erarbeitet und verbessert<br />

werden.<br />

Im Altersheim Sunnsyta arbeite<br />

man deshalb seit mehreren Jahren<br />

mit der Zertifizierungsstelle Concret<br />

AG zusammen - und dies mit<br />

Erfolg: «Die Pflegequalität hat sich<br />

bei uns deutlich verbessert. Das gesamte<br />

Pflegeteam verfolgt seither<br />

die gleichen Ziele - wobei dies auf<br />

das Wohl der Bewohnerinnen und<br />

Bewohner ausgerichte t ist. »Was auf<br />

Sunnsyta-Pflegeverantwortliche beim Concret-Gespräch.<br />

bilder: beatschweizer<br />

PFLEGE-ZERTIFIZIERUNGSSTELLE CONCRET<br />

«Eine Art Frühwarnsystem»<br />

Viele Spitäler - auch das Thun, Erlenbach und Zweisimmen.<br />

geben.» Die Erfahrung zeige übrigens,<br />

dass mit der Aufrechterhal-<br />

Berner Inselspital - lassen die Und als bisher einziges Berner Alters-<br />

und Pflegeheim das Heim<br />

tung der Pflegequalität der Wechsel<br />

Qualität ihrer Pflegedieriste Sunnsyta in Ringgen berg. Andere<br />

beim Personal abnehme: «Unsere<br />

von der Concret AG zertifizie-Berneren. Alters- und Pflegeheime weisen auf andere erfolgte Zertifi-<br />

ab, dass die Arbeitsplatzqualität<br />

Alterseinrichtungen ver-<br />

Bemühungen zielen auch darauf<br />

zierungen.<br />

steigt und die Angestellten weniger<br />

sind kaum dabei. Doch das<br />

Elsbeth Luginbühl ist überzeugt,<br />

schnell ausgebrannt sind. Sie bleiben<br />

dann auch dürfte sich nach den skanda-mit dem Concret-Angebol einen<br />

länger.»<br />

lösen Vorfällen in einem<br />

Zürcher Pflegeheim ändern.<br />

Auf Initiative der <strong>Sektion</strong> Bern des<br />

Schweizer Berufsverbandes für<br />

Pflegefachfrauen und -männer<br />

(<strong>SBK</strong>) winde in den Achtzigerjahren<br />

eine Messmethode zur Beurteilung<br />

der Pflegequalität in Spitälern,<br />

Heimen und Spitex-Organisationen<br />

en twickelt. Nach dieser Methode<br />

sind schon über 300 Pflegeeinheiten<br />

zertifiziert worden: Von der<br />

anerkannten Pflege-Zertifizierungsstelle<br />

Concret AG, die im Besitz<br />

des <strong>SBK</strong> Schweiz ist und - eigenen<br />

Angaben zufolge - «das erste<br />

und einzige akkreditierte Unternehmen<br />

ist, das spezialisiert ist auf<br />

Messungen in der Pflege».<br />

Wie Geschäftsführerin Elsbeth<br />

Luginbtifü sagt, sind folgende Berner<br />

Betriebe von Concret zertifiziert:<br />

Viele Pflegeabteiltingen des<br />

Inselspitals, die Spitäler Burgdorf,<br />

wichtigen Beitrag zur Qualitätserhaltung<br />

und -Steigerungim Pflegebereich<br />

leisten zu können. Es sei erstaunlich,<br />

sagt sie, dass man heute<br />

in allen Lebensbereichen nach<br />

Qualitätsgarantien rufe, die Pflege<br />

inHeimenundSpitälernaberkaum<br />

von aussen überprüfen lasse. Doch<br />

dies, glaubt sie, werde sich ändern -<br />

das Bewusstsein für die Bedeutung<br />

einer qualitativ guten Pflege steige.<br />

«Alarmzeichen erkennen»<br />

Sie räumt zwar ein, dass Vorfälle<br />

wie jene in Zürich (wo Pflegende<br />

demenzkranke Bewohnerinnen eines<br />

Heims in unwürdigen Situationen<br />

mit dem Handy filmten)auch<br />

mit den besten Qualitätssicherungsrnassnahmen<br />

nicht völlig<br />

ausgeschlossen werden können.<br />

Doch: «Wer sich unserer Prüfung<br />

unterzieht, verfügt über eine Art<br />

Frühwarnsystem, ist vielleicht eher<br />

in der Lage, Alarmzeichen zu erkennen.<br />

Wir machen Schwachstellen<br />

sichtbar - zum Beispiel ungenügende<br />

Rahmenbedingungen, fehlende<br />

Ressourcen, Mangel an qualifiziertem<br />

Personal, unbefriedigende<br />

Team- und Gesprächskultur.»<br />

Bei der Zertifizierungs- und<br />

Beratungsarbeit von Concret gehe<br />

es allerdings nicht darum, «von<br />

oben herab» Zensuren zu erteilen -<br />

nein: «Es geht darum, Mängel zu er -<br />

kennen, Im pulse zu geben. Und um<br />

zu zeigen, wie Konzepte im Interesse<br />

der Patientinnen und Patienten<br />

optimal umgesetzt werden können<br />

- sodass die Pflegeteams dann selber<br />

aktiv werden können.»<br />

Vor grossen Herausforderungen<br />

Der Pflegebereich stehe vorgrossen<br />

Herausforderungen, sagt Elsbeth<br />

Luginbühl: Es sei mit Personalknappheit<br />

und vor allem mit einem<br />

Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal<br />

zu rechnen, was die Aufrechterhaltung<br />

des gewohnten<br />

Qualitätsstandards in Spitälern und<br />

Heimen erschweren werde.<br />

Da und dort müssten die Ressourcen<br />

dann optimiert und die<br />

Strukturen verändert werden, um<br />

die Pflegequalität einigermassen<br />

gewährleisten zu können. «Hier»,<br />

sagtsie, «können wir Unterstützung<br />

den ersten Blick als umständlicher<br />

Papierkram anmute, sei in Tat und<br />

Wahrheit «eine Summe vieler einzelner<br />

Faktoren, die man mit Concret<br />

erarbeitet hat und an denen<br />

ständig gearbeitet wird. Dies macht<br />

letztlich die Pflegequalität aus».<br />

Das Wohlbefinden der Bewohnerinnen<br />

und Bewohner habe viele<br />

Facetten: Von der Wohnlichkeit der<br />

Zimmer mit individuellen Gestaltungsmöglichkeiten<br />

(«die Leute<br />

sollen doch ein Stück ihrer früheren<br />

Wohnung ins Heim mitnehmen<br />

können») über die Pflegequalität<br />

und die ausgewogene Ernährung<br />

(«mit Mitbestimmungsmöglich -<br />

keiten») bis zum Veranstaltungsangebot<br />

Es wäre zwar schön, im Pfle-<br />

Was kann Concret erreichen?<br />

Konkret lässt sich das Concret-<br />

Angebot so zusammenfassen: Der<br />

Betrieb gewinnt unter anderem Erkenntnisse<br />

über den Einsatz von<br />

personellen, zeitlichen und materiellen<br />

Ressourcen, über die organisatorischen<br />

Abläufe, die geleistete<br />

Pflegequalität, den Bedarf an Weiterbildung<br />

und die Qualität der interdisziplinären<br />

Zusammenarbeit.<br />

Durch dieZertifizierungoder Beratung<br />

wird die Pflegequalität in einem<br />

Betrieb vermehrt zum Thema.<br />

«Und wir stellen vor allem fest, dass<br />

clie Zufriedenheit der Bewohner<br />

zunimmt», sagt Elsbeth Luginbühl,<br />

«und dass die berufliche Motivation<br />

der Pflegenden steigt.» (vvd)<br />

[i] CONCRET AG Zertifizierungsund<br />

Beratungsstelle für Pflege,<br />

Effingerstrasse 25,3008 Bern.<br />

Internet: www.concret-ag.ch<br />

gealltag weniger Zeit für Administratives<br />

aufwenden zu müssen und<br />

mehr Zeit für die Bewohnerinnen<br />

und Bewohner zu haben, sagt Barbara<br />

Michel. Der Zusatzaufwand<br />

für die Pflege-Qualitäts-Steigerung<br />

komme jedoch «eins zu eins den<br />

Bewohnern zugute».<br />

«Das kann überall passieren»<br />

Übergriffe wie jene im Zürcher<br />

Pflegeheim Entlisberg schliesst<br />

BarbaraMichel auch im «Sunnsyta»<br />

nicht grundsätzlich aus. Auch wenn<br />

sie «gar kein ungutes Gefühl» habe,<br />

sei es die Pflicht jeder Pflegeleitung,<br />

in Zukunft «vennehrt hellhörig zu<br />

sein und nicht wegzuschauen».<br />

Deshalb würden alle Äusserungen<br />

von Bewohnern, die auf einen Missstand<br />

hinweisen könnten, sehr<br />

ernst genommen. Es bleibe für sie<br />

jedoch «unverständlich und nicht<br />

nachvollziehbar, was sich in Zürich<br />

ereignet hat».<br />

Auch Heimleiter Ruedi Renfer<br />

kann sich «nicht zusammenreimen,<br />

wie man als Pflegende so<br />

etwas tun kann». Gewaltereignisse<br />

könne es jedoch in jedem Altersheim<br />

geben - «wenn plötzlich jemand<br />

in einer Drucksituation die<br />

Nerven verliert und in irgendeiner<br />

Weise Zwang anwendet». Oder<br />

wennetwaeine Pflegende aufallfällige<br />

Anzüglichkeiten eines Bewohners<br />

auch mal unwirsch reagiere.<br />

«Ausgezeichnete Erfalirungen»<br />

Die erste Bestandesaufnahme<br />

durch Concret fand im Heim Sunnsyta<br />

2002 statt, weil damals der allmähliche<br />

Wandel Altersheim zum<br />

Pflegeheim Schwierigkeiten bereitet<br />

hatte. Die Erfahrungen seien<br />

ausgezeichnet, betont Renfer •-<br />

auch durch die Impulse, die von der<br />

aussenstehenden Pflegeexpertin<br />

Barbara Christen kämen: «Es istviei<br />

gegangen. Wir haben beispielsweise<br />

das Bewegungskonzept Kynästhetik<br />

eingeführt. Und dank<br />

Concret sind wir stets gezwungen,<br />

unsere Arbeit zu hinterfragen und<br />

die Vorgaben zu erfüllen.»<br />

Letztlich sei aber wichtig, dass<br />

die Mitarbeitenden in einem Altersund<br />

Pflegeheim «die ihnen anvertrauten<br />

alten Menschen gernhaben,<br />

sie schätzen - und auch etwas<br />

über ihre Geschichte wissen».<br />

«Wir sind keine Polizistinnen»<br />

Concret- Pflegeexpertin Christine<br />

Müller hat im Heim Sunnsyta<br />

auch diesmal wieder sehr positive<br />

Eindrücke gewonnen - und die vielen<br />

Gespräche mit dem Leitungsteam,<br />

mit Angestellten, Bewohnelinnen<br />

und Bewohnern auch<br />

kritisch überprüft. «Wenn wir<br />

zum Beispiel das Hygienekonzept<br />

durchleuchten», sagt sie, «lesen wir<br />

nicht nur den Hygieneordner<br />

durch. Wir schauen auch, wie das<br />

Konzept umgesetzt wird - bis zur<br />

Überprüfung des Ausgusses.»<br />

Sie seien allerdings keine Polizistinnen,<br />

betont sie, sondern fachliche<br />

Beraterinnen.<br />

* Einblicke in den Pflegealltag:<br />

C /' pflege.derbund.ch<br />

SONNTAG<br />

15. MÄRZ<br />

JO.OO -17.00 Uhr<br />

geöffnet<br />

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Kanton erhöht Löhne<br />

ö .<br />

im Gesundheitswesen<br />

Assistenz- und Oberärzte sollen<br />

mehr Lohn erhalten. Anders das<br />

Pflegepersonal: Es profitiert nur<br />

wenig. Mit diesem Vorschlag löst<br />

die Regierung Empörung aus.<br />

Auch die Ärzte sind missmutig.<br />

Von Stefan Häne<br />

Zürich. - Das Personal im Zürcher Gesundheitswesen<br />

soll ab 2010 mehr verdienen.<br />

Die Regierung reagiert damit zum einen<br />

auf die gestiegenen Anforderungen an<br />

die Ausbildung in Gesundheitsberufen.<br />

Zum anderen will sie bei den Ärzten die<br />

Löhne marktgerechter gestalten. Heute<br />

sind die Saläre im interkantonalen Vergleich<br />

unterdurchschnittlich, wie Ernst<br />

Danner vom kantonalen Personalamt sagt.<br />

Die Regierung will deshalb<br />

zwischen 45 und<br />

55 Millionen Franken für<br />

Für Lohnerhöhungen<br />

will die Regierung<br />

45 bis 55 Millionen<br />

Franken einsetzen.<br />

Lohnerhöhungen einsetzen.<br />

Rund die Hälfte davon<br />

entfällt auf die Ärzte,<br />

knapp ein Drittel auf die<br />

Pflegenden. Die Unterschiede<br />

rühren laut Danner<br />

daher, dass die Pflegeund<br />

Therapeutenlöhne<br />

vor einigen Jahren bereits<br />

einmal erhöht wurden. Damals musste der<br />

Kanton auf Geheiss des Gerichts frauendiskriminierende<br />

Saläre korrigieren.<br />

Weil sich die Versicherer an den Kosten<br />

beteiligen, wird der Kanton effektiv nur<br />

die Hälfe der Lohnerhöhungen berappen<br />

müssen. Das geht aus der Revision des<br />

kantonalen Lohnsystems hervor, welche<br />

die Regierung am Donnerstag in die Vernehmlassung<br />

geschickt hat.<br />

Trotz der geplanten Gehaltsaufbesserung<br />

schlägt der Regierung eine Welle der<br />

Empörung entgegen. Die «Aktion Gsundi<br />

So viel verdient man im<br />

Gesundheitswesen im Kt. Zürich<br />

Monatlicher Mindestlohn (in Franken)<br />

Bislang<br />

Neu<br />

Oberarzt 7886 8439<br />

Assistenzarzt 6969 7377<br />

Diplomierte Plegeperson HF 5467 5467<br />

Physiotherapeuten 5467 6148<br />

Hebamme 5467 6148<br />

Fachfrau/ -mann (Fage) 4470 4470<br />

TA-Grafik ib / Quelle: Personalamt, Finanzdirektion des Kantons Zürich<br />

Gsundheitspolitik» (AGGP) wirft ihr vor,<br />

die Lohnsumme möglichst tief halten zu<br />

wollen. Der Regierungsrat drücke die Saläre<br />

für das Gesundheitspersonal systematisch<br />

unter den Arbeitswert. «Unterbe*<br />

wertet werden dabei einmal mehr typische<br />

Frauenberufe», sagt Isabel Tuor vom<br />

AGGP-Vorstand. Nancy Bellwald von der<br />

Zürcher <strong>Sektion</strong> des Schweizerischen<br />

Hebammenverbands spricht von einem<br />

Skandal: «Die neue Lohnregelung entspricht<br />

der Anforderung einer Hebamme<br />

in keiner Weise.» Sie habe den Charakter<br />

eines Papiertigers, der am Reissbrett verfasst<br />

worden sei. Hebammen werden neu<br />

an Fachhochschulen ausgebildet, ebenso<br />

Physio- und Ergotherapeutinnen.<br />

Kritik erntet die Regierung insbesondere<br />

für ihre Art, die Anforderungen der<br />

einzelnen Berufe zu beurteilen. Ein Beispiel:<br />

Trotz neuen Ausbildungswegen an<br />

höheren Fachschulen will die Regierung<br />

beim Kriterium «Geistige<br />

Anforderung» die Bewertung<br />

der Pflege unverändert<br />

lassen; berücksichtigt<br />

wird auch nicht, dass<br />

die Pflegearbeit immer<br />

komplexer wird, weil die<br />

Patienten zunehmend älter<br />

und kränker sind. Wegen<br />

solcher laut AGGP<br />

verdeckter Minusklassenentscheide<br />

bleibt das Pflegefachpersonal<br />

auf seinem bisherigen<br />

Lohn sitzen (siehe Tabelle). Die Pflegenden<br />

sind mit Abstand die grösste Berufsgruppe<br />

im Gesundheitswesen. Auch im<br />

Vergleich zu anderen Berufen ortet die<br />

AGGP Dissonanzen. So wird die geistige<br />

Anforderung an eine Pflegefachfrau gleich<br />

hoch bewertet wie zum Beispiel bei einem<br />

Materialverwalter oder einem Chauffeur.<br />

Die Lohnrevision enthält gemäss AGGP<br />

auch versteckte Sparmassnahmen. Stelle<br />

der Kanton im Pflegebereich eine Fachfrau<br />

Gesundheit (Fage) anstelle von diplomierten<br />

Pflegenden ein, spare er rund 20<br />

Prozent Lohnkosten. Dies, weil die Fage -<br />

ein neuer Beruf - zwei bis drei Lohnklassen<br />

tiefer eingestuft sei als die diplomierten<br />

Pflegenden.<br />

Auch die Assistenz- und Oberärzte fühlen<br />

sich unter ihrem Wert verkauft. «Die<br />

Regierung will die Rechnung wieder einmal<br />

nicht zahlen», moniert Rudolf Reck,<br />

Präsident des Zürcher. Spitalärzteverbandes.<br />

Wie er sagt, hätten aufgrund der Arbeitsbewertung<br />

die Assistenz- und Oberärzte<br />

mindestens zwei Lohnklassen höher<br />

eingereiht werden müssen. Dies hätte jedoch<br />

das Lohnsystem gesprengt, weil die<br />

Chefärzte dann über die höchste Lohnklasse<br />

gestiegen wären.<br />

Kommentar fünfte Spalte


Spitex Muotathal-Illgau < * A ' W \ J ** — ' wsz. ts/y?<br />

Spitex wird mehr Aufgaben übernehmen<br />

An der Generalversammlung<br />

wechselte das Präsidium<br />

von Pius Bürgler zu Vreny<br />

Schmidig.<br />

den Präsidenten Pius Bürgler zum Ehrenmitglied.<br />

In einer kleinen Laudatio<br />

wurde sein grosser Einsatz im Dienste<br />

der Spitex gewürdigt. Anfänglich präsidierte<br />

Bürgler den Spitex-Verein Illgau.<br />

In den Jahren 2002/03 hatte er mit<br />

Guido Weissen, dem Präsidenten des<br />

Krankenpflegevereins Muotathal, den<br />

Zusammenschluss der beiden Organisationen<br />

in die Wege geleitet. Die Fusion<br />

erfolgte im Sommer 2003, der Verein<br />

Spitex Muotathal-Illgau war Tatsache.<br />

«Pius Bürgler hat jeweils die Zeichen<br />

der Zeit erkannt und sich stets mit viel<br />

Herzblut für den Spitex-Verein eingesetzt»,<br />

meinte Helena Betschart, eine<br />

langjährige Vorstandskollegin. Pius<br />

Bürgler legte mit seinem Rücktritt aber<br />

nur einen Teil seiner Tätigkeit im<br />

Dienste der Spitex nieder. Er präsidiert<br />

den Spitex Kantonalverband Schwyz.<br />

pd. Im Restaurant Sigristenhaus fand<br />

die 5. Generalversammlung des Vereins<br />

Spitex Muotathal-Illgau statt. «Der Verein<br />

steht auf einer gesunden und soliden<br />

Basis. Das ist gut so, denn in<br />

Zukunft wird die Spitex noch weitere<br />

Aufgaben übernehmen müssen», erklärte<br />

Präsident Pius Bürgler. Der Verein<br />

zählt aktuell 518 Mitglieder. Gemäss<br />

Geschäftsleiterin Doris Bürgler stand<br />

das Pflegeteam letztes Jahr bei 49 Klienten<br />

während 2538 Stunden im Einsatz.<br />

Die Haushilfe wurde von 37 Klienten<br />

während 1297 Stunden beansprucht,<br />

! und der Rotkreuz-Fahrdienst erledigte<br />

98 Fahrten. Das Vereinsjahr schloss mit<br />

einem Verlust von 3400 Franken. Dennoch<br />

erlaubte es die Finanzlage, die<br />

[ hauswirtschaftlichen Leistungen um<br />

' 7.50 Franken pro Stunde zu vergünstigen.<br />

An der GV wurde der vom Vorstand<br />

I beantragten Statutenänderung zuge-<br />

I stimmt.<br />

Bürgler wird Ehrenmitglied<br />

Präsident Pius Bürgler gab nach<br />

14-jähriger Vorstandstätigkeit seinen<br />

Rücktritt bekannt. Als neue Präsidentin<br />

wurde Vreny Schmidig gewählt, als<br />

neuer Finanzchef Rochus Schelbert.<br />

Die Versammlung wählte den abtreten-<br />

Pius Bürgler mit<br />

seiner Nachfolgerin<br />

Vreny Schmidig.<br />

BILD PD<br />

• AS .»*"«"#<br />

ÜC «*fi


M<br />

Abstimmung<br />

Littau<br />

Staffelnhof jetzt sanieren oder Neubau planen?<br />

«Sanieren - und zwar rasch»<br />

Für mich steht eindeutig fest: Die<br />

Sanierung des Alterszentrums<br />

Staffelnhof ist dringend nötig und<br />

kann nicht auf unbestimmte Zeit<br />

verschoben werden.<br />

Die Infrastruktur entspricht in Bezug<br />

auf Wohnlichkeit, Privatsphäre,<br />

Licht- und vor allem Platzverhältnissen<br />

für die Bewohner nicht mehr<br />

den heutigen Bedürfnissen. Die Arbeitsplatzverhältnisse<br />

für die Mitarbeitenden<br />

sind prekär. Die Sanierungen<br />

im Bereich der Haustechnik<br />

(Lüftung, Heizung, sanitäre Anlagen,<br />

Energie) sind zwingend und müssen<br />

in nächster Zeit angegangen werden.<br />

Ein Marschhalt, mit einer allfälligen<br />

Neukonzipierung, wie dies von der<br />

SVP gefordert wird, ist aus drei<br />

Gründen nicht sinnvoll:<br />

• Erstens wurde das vorliegende<br />

Projekt Octopus sorgfältig und von<br />

langer Hand geplant. Von einem<br />

«Durchpeitschen» kurz vor der Fusion<br />

kann keine Rede sein. Die Sanierungsphase<br />

ist vorbereitet, und<br />

die Provisorien sind reserviert.<br />

• Zweitens käme beim heutigen<br />

Projektstand ein Neubau mit Sicherheit<br />

teurer, da man wieder bei Null<br />

beginnen müsste. Die Projektierungskosten<br />

hätten wir in den Sand<br />

gesetzt, sie würden erneut anfallen.<br />

• Drittens wurde die Standortfrage<br />

in der Machbarkeitsstudie von 2006<br />

geprüft und der heutige Platz als<br />

sinnvoll beurteilt.<br />

Das vorliegende Projekt ist keine<br />

PRO<br />

Theres Vinatzer,<br />

Einwohnerrätin<br />

SP<br />

Luxusvariante. Das Sparpotenzial ist<br />

ausgeschöpft worden. Weitere wirksame<br />

Einsparungen wären nur durch<br />

einschneidenden Verzicht, zum Beispiel<br />

auf 55 Nasszellen, möglich.<br />

Man bedenke jedoch, dass der Staffelnhof<br />

für die Bewohnerinnen und<br />

Bewohner das Zuhause ist. Hand<br />

aufs Herz, wer von uns würde schon<br />

gerne Dusche und Toilette mit fremden<br />

Menschen teilen?<br />

Mit diesem Um- und Neubau wird<br />

die Lebensqualität der Bewohnerinnen<br />

und Bewohner deutlich verbessert,<br />

und die Arbeitsplatzverhältnisse<br />

der Mitarbeitenden werden den heutigen<br />

Anforderungen angepasst.<br />

Würde Littau die Sanierung seines<br />

eigenen Alterszentrums ablehnen,<br />

wäre dies aus meiner Sicht ein<br />

Schildbürgerstreich. Darum bin ich<br />

für ein überzeugtes Ja.<br />

Das Alterszentrum Staffelnhof<br />

ist 33-jährig. CVP, FDP<br />

und SP sind klar für die<br />

Sanierung. Die SVP sagt<br />

Nein. Sie will einen Neubau.<br />

Gemein^<br />

Die Stimmberechtigten<br />

von<br />

Abstimmi i |<br />

Littau entscheiden<br />

am 17. Mai<br />

über einen Kredit<br />

von 48 Millionen<br />

Franken für die<br />

Sanierung und<br />

17. Mai 2009 den Teilneubau<br />

des Alterszentrums<br />

Staffelnhof in Reussbühl. Dieses<br />

Alterszentrum war bei seiner Eröffnung<br />

1976 schweizweit ein modernes Vorzeigeobjekt.<br />

Luzern zahlt mit<br />

Das Heim mit 175 Betten genügt<br />

heutigen Ansprüchen nach Privatsphäre,<br />

Wohnlichkeit und Komfort nicht<br />

mehr. Das vorliegende Projekt umfasst<br />

eine Sanierung mit Umbau sowie einen<br />

Teilneubau. In den Kosten von 48 Millionen<br />

Franken sind auch die Provisorien<br />

während der Bauzeit enthalten. Die<br />

Staffelnhofsanierung ist das grösste<br />

Bauvorhaben in der Geschichte Littaus.<br />

Wegen der Fusion werden auch die<br />

Stadtluzerner an den Bau mitzahlen.<br />

Der Einwohnerrat Littau hat am<br />

18. März dem Kredit mit 21 gegen<br />

7 Stimmen zugestimmt. Die SVP scheiterte<br />

mit ihrem Rückweisungsantrag;<br />

sie schlug einen Neubau an einem<br />

neuen Standort vor. RUTH SCHNEIDER<br />

«Neubau wäre günstiger»<br />

T~\ ass beim Alterszentrum Staffeln-<br />

JL/ hof etwas geschehen muss, ist<br />

unbestritten. Doch leider stiegen die<br />

Kostenschätzungen im Laufe der<br />

Zeit ungebremst. So startete man bei<br />

15 Millionen, kam danach auf 30, 36,<br />

37,5 und später auf 39 Millionen<br />

Franken. Erst kurz vor der Zustellung<br />

der Unterlagen an den Einwohnerrat<br />

erfuhren wir, dass die Kosten knapp<br />

50 Millionen betragen werden.<br />

Trotz dieser massiven Kostensteigerungen<br />

hat sich der Gemeinderat nie<br />

Gedanken über eine Alternative mit<br />

einem Neubau gemacht. Die Gründe<br />

für die sehr hohen Kosten liegen<br />

beim aufwendigen Umbau und den<br />

teuren Provisorien. So müssen beim<br />

bestehenden Gebäude statisch tragende<br />

Wände herausgetrennt werden.<br />

Trotzdem werden die Zimmer<br />

kleiner sein als im geplanten Teilneubau<br />

daneben. Ausserdem wird während<br />

der Bauzeit ein Teil der'Bewohner<br />

in Provisorien in der Stadt Luzern<br />

verlegt, was allein schon über 2,5 Millionen<br />

kostet. Die verbleibenden Bewohner<br />

sind während der gesamten<br />

Bauzeit dem Lärm und Schmutz einer<br />

Grossbaustelle ausgesetzt.<br />

Bei einem Vergleich mit kürzlich<br />

erstellten Neubauten zeigt sich, dass<br />

ein Neubau auf einer nahe gelegenen<br />

Parzelle (zum Beispiel beim<br />

Baseball-Platz) die günstigere Lösung<br />

wäre. Auch würden die Bewohner<br />

vom Lärm und Schmutz verschont<br />

und müssten nicht in Provisorien<br />

umziehen. Das ganze Gebäude<br />

könnte optimal auf die heutigen<br />

KONTRA<br />

| Peter With,<br />

Einwohnerrat<br />

4<br />

1<br />

% i<br />

SVP<br />

jjg<br />

Pflegebedürfhisse ausgerichtet werden<br />

und wäre nicht durch ein bestehendes<br />

Gebäude eingeschränkt. Ein<br />

Neubau wäre eine zukunftsgerichtete<br />

Lösung, die ohne Altlasten und<br />

Ungewissheiten in Angriff genommen<br />

werden könnte. Und auch der<br />

bestehende Staffelnhof könnte weiter<br />

ohne grossen Aufwand für Studentenwohnungen<br />

genutzt werden.<br />

Der Gemeinderat argumentiert nun,<br />

dass bei Ablehnung dieser Vorlage<br />

nichts mehr geschehen würde. Wir<br />

haben da mehr Vertrauen in die fusionierte<br />

Stadt Luzern und sind sicher,<br />

dass auch die Stadtluzerner Behörden<br />

unsere Anliegen ernst nehmen<br />

würden.<br />

Sagen Sie deshalb Nein zur unausgewogenen<br />

Sanierung des Alterszentrums<br />

Staffelnhof - dem Alter und<br />

den Finanzen zuliebe.<br />

I I<br />

••••••»••••••••Mi


Nebammen sind wieder gefragt<br />

In der jüngeren Vergangenheit übernahmen meist Frauenärzte<br />

die Betreuung der Schwangeren und die Leitung der<br />

Geburt. Auch werden viele Kinder im Spital geboren. In<br />

den letzten Jahren jedoch finden sich die Hebammen neu<br />

und übernehmen wichtige Positionen rund um die<br />

Schwangerschaft, während und nach der Geburt.<br />

In der Schweiz gibts fast 3000 Hebammen -Tendenz<br />

steigend oder fallend?<br />

In der <strong>Zentralschweiz</strong> wie auch in anderen Kantonen<br />

wird zunehmend mehr Gewicht auf die einfühlsame und<br />

kompetente Betreuung durch Hebammen gelegt.<br />

Dadurch steigt die Zahl der aktiven Hebammen.<br />

reduzieren und das Vertrauen in körperliche und<br />

psychische Fähigkeiten stärken und somit die Kaiserschnittsrate<br />

und die damit verbundenen Risiken senken, j<br />

Kann man als freischaffende Hebamme heute überhaupt<br />

noch überleben?<br />

Ja, denn freischaffende Hebammen haben ein breites<br />

Arbeitsfeld. Zahlreiche Leistungen-etwa Schwangerschaftskontrollen,<br />

Spital- und Hausgeburten sowie<br />

Wochenbettbetreuung, Stillberatung und Nachkontrollewerden<br />

von den Krankenkassen bezahlt. Kurse sowie<br />

Akupunktur, Homöopathie und naturheilkundliche<br />

Behandlungsmethoden werden ergänzend angeboten.<br />

Am 5. Mai war internationaler<br />

Hebammen-Tag. Wir wollten von<br />

Sonja Klinghuber wissen, weshalb<br />

Hebammen in eigener Sache werben.<br />

«Anzeiger Luzern»: Der Slogan «Es ist wichtig,<br />

wie wir geboren werden» prägte den internationalen<br />

Hebammen-Tag - was bedeutet das?<br />

Sonja Klinghuber: Jede Handlung vor, während und nach<br />

der Geburt hat eine nachhaltige Wirkung auf das Neugeborene<br />

und die Familie. Für die Geburtshilfe heisst das:<br />

Die werdenden Eltern wie auch alle involvierten Personen<br />

sollten dem Ungeborenen und dem Neugeborenen<br />

möglichst viel Geborgenheit und Nähe vermitteln.<br />

Zwei Prozent der Schwangeren werden durch eine<br />

Hebamme beraten, wer berät die übrigen 98 Prozent?<br />

Die Frauenärztinnen und -ärzte respektive auch<br />

Hausärztinnen und -ärzte.<br />

Weshalb, meinen Sie, ist die Hebamme heute so stark<br />

zurückgedrängt? Das war ja mal anders...<br />

Die Hebamme steht im Schatten der akademisierten<br />

Berufe im Gesundheitswesen - fühlt man sich da nicht<br />

mal auch als zweite Klasse?<br />

Für die optimale Betreuung rund um die Geburt ist ein<br />

gleichberechtigtes Zusammenwirken aller Involvierten<br />

notwendig. Die Hebamme ist für eine Schwangerschaft<br />

und Geburt die geeignete Fachfrau, wobei bei Komplikationen<br />

ein Frauenarzt hinzugezogen werden muss. Das<br />

Wichtigste dabei ist das Bewusstsein auf die Kompetenzbereiche<br />

und die Förderung der Zusammenarbeit.<br />

Fühlen sich Frauen sicherer, wenn eine Ärztin oder ein<br />

Arzt bei der Geburt mit dabei ist?<br />

Sicherheit ist ein wichtiger Punkt für Frauen während der<br />

Geburt. Dies kann durch die sachkundige Betreuung durch<br />

die Hebamme vermittelt werden. Somit ist der Wunsch<br />

der Anwesenheit einer Ärztin oder eines Arztes weniger<br />

vorhanden.<br />

Die Geburt per Operation - Kaiserschnitt - scheint<br />

immer beliebter zu werden.ilst das gleichzusetzen mit<br />

einem Mangel an Beratung Mnd Begleitung?<br />

Eine intensive und individuelle Beratung der Schwangeren<br />

durch Hebammen und Ärzte kann aufklären, Ängste<br />

Die Hebamme ist meist auch nach der Geburt die<br />

Begleiterin einer Mutter - bezahlt das die Krankenkasse?<br />

Die Krankenkasse bezahlt die Wochenbettbesuche in den<br />

ersten zehn Tagen, drei Stillberatungen sowie eine<br />

Schlusskontrolle nach sechs Wochen.<br />

Was sind die konkreten Anliegen, die Sie mit dem<br />

Hebammen-Tag bewusst machen wollen?<br />

Wir wollen unsere Arbeit weltweit möglichst vielen<br />

Menschen vorstellen. Es sollte bewusst werden, dass<br />

Hebammen durch die Nähe zu den Familien viel über die<br />

Schwangerschaft, Geburt und die Zeit danach wissen<br />

und dadurch kompetent und individuell beraten können.<br />

Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Berufsstandes?<br />

Er ist gesichert, wenn wir aktiv bleiben.<br />

ZUR PERSON<br />

Interview: Erwin Rast<br />

Sonja Klinghuber ist am 25. März 1979 - im Beisein einer Hebamme<br />

- in Rosenheim/Bayern zur Welt gekommen. Ihre Ausbildung zur<br />

Hebamme absolvierte sie am Klinikum der Uni Erlangen/Nürnberg.<br />

Nach der Ausbildung arbeitete Sonja Klinghuber bis Ende 2006 an<br />

der Münchner Frauenklinik des Röten Kreuz in der Cebärabteilung.<br />

Im September 2007 kam sie mit ihrem Partner nach Luzern und<br />

arbeitete ein Jahr im Paracelsus-Spital in Richterswil. Seit Januar ist<br />

sie freiberufliche Hebamme. Sie ist Mitglied in der Hebammenzentrale<br />

der <strong>Zentralschweiz</strong> und seit April 2009 Vorstandsmitglied<br />

Ressort Freiberufliche Hebammen in der <strong>Sektion</strong> <strong>Zentralschweiz</strong>.


Abstimmung<br />

Littau<br />

Staffelnhof jetzt sanieren oder Neubau planen?<br />

«Sanieren - und zwar rasch»<br />

Für mich steht eindeutig fest: Die<br />

Sanierung des Alterszentrums<br />

Staffelnhof ist dringend nötig und<br />

kann nicht auf unbestimmte Zeit<br />

verschoben werden.<br />

Die Infrastruktur entspricht in Bezug<br />

auf Wohnlichkeit, Privatsphäre,<br />

Licht- und vor allem Platzverhältnissen<br />

für die Bewohner nicht mehr<br />

den heutigen Bedürfnissen. Die Arbeitsplatzverhältnisse<br />

für die Mitarbeitenden<br />

sind prekär. Die Sanierungen<br />

im Bereich der Haustechnik<br />

(Lüftung, Heizung, sanitäre Anlagen,<br />

Energie) sind zwingend und müssen<br />

in nächster Zeit angegangen werden.<br />

Ein Marschhalt, mit einer allfälligen<br />

Neukonzipierung, wie dies von der<br />

SVP gefordert wird, ist aus drei<br />

Gründen nicht sinnvoll:<br />

• Erstens wurde das vorliegende<br />

Projekt Octopus sorgfältig und von<br />

langer Hand geplant. Von einem<br />

«Durchpeitschen» kurz vor der Fusion<br />

kann keine Rede sein. Die Sanierungsphase<br />

ist vorbereitet, und<br />

die Provisorien sind reserviert.<br />

• Zweitens käme beim heutigen<br />

Projektstand ein Neubau mit Sicherheit<br />

teurer, da man wieder bei Null<br />

beginnen müsste. Die Projektierungskosten<br />

hätten wir in den Sand<br />

gesetzt, sie würden erneut anfallen.<br />

Drittens wurde die Standortfrage<br />

in der Machbarkeitsstudie von 2006<br />

geprüft und der heutige Platz als<br />

sinnvoll beurteilt.<br />

Das vorliegende Projekt ist keine<br />

PRO<br />

Theres Vinatzer,<br />

Einwohnerrätin<br />

SP<br />

Luxusvariante. Das Sparpotenzial ist<br />

ausgeschöpft worden. Weitere wirksame<br />

Einsparungen wären nur durch<br />

einschneidenden Verzicht, zum Beispiel<br />

auf 55 Nasszellen, möglich.<br />

Man bedenke jedoch, dass der Staffelnhof<br />

für die Bewohnerinnen und<br />

Bewohner das Zuhause ist. Hand<br />

aufs Herz, wer von uns würde schon<br />

gerne Dusche und Toüette mit fremden<br />

Menschen teilen?<br />

Mit diesem Um- und Neubau wird<br />

die Lebensqualität der Bewohnerinnen<br />

und Bewohner deutlich verbessert,<br />

und die Arbeitsplatzverhältnisse<br />

der Mitarbeitenden werden den heutigen<br />

Anforderungen angepasst.<br />

Würde Littau die Sanierung seines<br />

eigenen Alterszentrums ablehnen,<br />

wäre dies aus meiner Sicht ein<br />

Schüdbürgerstreich. Darum bin ich<br />

für ein überzeugtes Ja.<br />

Das Alterszentrum Staffelnhof<br />

ist 33-jährig. CVP, FDP<br />

und SP sind klar für die<br />

Sanierung. Die SVP sagt<br />

Nein. Sie will einen Neubau.<br />

Die Stimmberechtigten<br />

von<br />

Gemeinde-<br />

Abstimmung<br />

Littau entscheiden<br />

am 17. Mai<br />

über einen Kredit<br />

von 48 Millionen<br />

Franken für die<br />

Sanierung und<br />

17. Mai 2009 den Teilneubau<br />

des Alterszentrums<br />

Staffelnhof in Reussbühl. Dieses<br />

Alterszentrum war bei seiner Eröffnung<br />

1976 schweizweit ein modernes Vörzeigeobjekt.<br />

Luzern zahlt mit<br />

Das Heim mit 175 Betten genügt<br />

heutigen Ansprüchen nach Privatsphäre,<br />

Wohnlichkeit und Komfort nicht<br />

mehr. Das vorliegende Projekt umfasst<br />

eine Sanierung mit Umbau sowie einen<br />

Teilneubau. In den Kosten von 48 Millionen<br />

Franken sind auch die Provisorien<br />

während der Bauzeit enthalten. Die<br />

Staffelnhofsanierung ist das grösste<br />

Bauvorhaben in der Geschichte Littaus.<br />

Wegen der Fusion werden auch die<br />

Stadtluzerner an den Bau mitzahlen.<br />

Der Einwohnerrat Littau hat am<br />

18. März dem Kredit mit 21 gegen<br />

7 Stimmen zugestimmt. Die SVP scheiterte<br />

mit ihrem Rückweisungsantrag;<br />

sie schlug einen Neubau an einem<br />

neuen Standort vor. RUTH SCHNEIDE R<br />

«Neubau wäre günstiger»<br />

Dass beim Alterszentrum Staffelnhof<br />

etwas geschehen muss, ist<br />

unbestritten. Doch leider stiegen die<br />

Kostenschätzungen im Laufe der<br />

Zeit ungebremst. So startete man bei<br />

15 Millionen, kam danach auf 30, 36,<br />

37,5 und später auf 39 Millionen<br />

Franken. Erst kurz vor der Zustellung<br />

der Unterlagen an den Einwohnerrat<br />

erfuhren wir, dass die Kosten knapp<br />

50 Millionen betragen werden.<br />

Trotz dieser massiven Kostensteigerungen<br />

hat sich der Gemeinderat nie<br />

Gedanken über eine Alternative mit<br />

einem Neubau gemacht. Die Gründe<br />

für die sehr hohen Kosten liegen<br />

beim aufwendigen Umbau und den<br />

teuren Provisorien. So müssen beim<br />

bestehenden Gebäude statisch tragende<br />

Wände herausgetrennt werden.<br />

Trotzdem werden die Zimmer<br />

kleiner sein als im geplanten Teilneubau<br />

daneben. Ausserdem wird während<br />

der Bauzeit ein Teil der Bewohner<br />

in Provisorien in der Stadt Luzern<br />

verlegt, was allein schon über 2,5 Millionen<br />

kostet. Die verbleibenden Bewohner<br />

sind während der gesamten<br />

Bauzeit dem Lärm und Schmutz einer<br />

Grossbaustelle ausgesetzt.<br />

Bei einem Vergleich mit kürzlich<br />

erstellten Neubauten zeigt sich, dass<br />

ein Neubau auf einer nahe gelegenen<br />

Parzelle (zum Beispiel beim<br />

Baseball-Platz) die günstigere Lösung<br />

wäre. Auch würden die Bewohner<br />

vom Lärm und Schmutz verschont<br />

und müssten nicht in Provisorien<br />

umziehen. Das ganze Gebäude<br />

könnte optimal auf die heutigen<br />

KONTRA<br />

Peter With,<br />

Einwohnerrat<br />

SVP<br />

Pflegebedürfnisse ausgerichtet werden<br />

und wäre nicht durch ein bestehendes<br />

Gebäude eingeschränkt. Ein<br />

Neubau wäre eine zukunftsgerichtete<br />

Lösung, die ohne Altlasten und<br />

Ungewissheiten in Angriff genommen<br />

werden könnte. Und auch der<br />

bestehende Staffelnhof könnte weiter<br />

ohne grossen Aufwand für Studentenwohnungen<br />

genutzt werden.<br />

Der Gemeinderat argumentiert nun,<br />

dass bei Ablehnung dieser Vorlage<br />

nichts mehr geschehen würde. Wir<br />

haben da mehr Vertrauen in die fusionierte<br />

Stadt Luzern und sind sicher,<br />

dass auch die Stadtluzerner Behörden<br />

unsere Anliegen ernst nehmen<br />

würden.<br />

Sagen Sie deshalb Nein zur unausgewogenen<br />

Sanierung des Alterszentrums<br />

Staffelnhof - dem Alter und<br />

den Finanzen zuliebe.


s/l.S-.Cty<br />

Kanton<br />

Zug<br />

«Problem muss jetzt angepackt werden»<br />

Heute ist Tag der Pflege.<br />

Die Gelegenheit, auf einen<br />

Mangel hinzuweisen.<br />

VON YVONNE ANLIKER<br />

In den vergangenen Monaten war im<br />

Kanton Zug oft der Pflegebettennotstand<br />

ein Thema. Doch es mangelt<br />

nicht nur an Betten, sondern auch an<br />

Menschen, die die Personen darin pflegen.<br />

Unter anderem weist der Zentral-<br />

I schweizer Ausbildungsverband Pflege-<br />

I und Alterszentren (Zapa) Plus auf den<br />

Mangel an qualifizierten Fachkräften in<br />

i den Bereichen Pflege und Betreuung<br />

hin. Auch ausserhalb der <strong>Zentralschweiz</strong><br />

bewegt das Thema. Gestern<br />

hat der Zürcher Kantonsrat einen Vorstoss<br />

unterstützt, der die Regierung des<br />

Kantons Zürich dazu anhält, mehr Pflegepersonal<br />

auszubilden.<br />

Immer ältere Leute<br />

«Das Problem ist eindeutig», sagt<br />

Zapa-Plus-Geschäftsführer Kurt Fallegger.<br />

Angesichts der demografischen<br />

Entwicklung «werden grössere Schwierigkeiten<br />

auf uns zukommen, ausgebildetes<br />

Fachpersonal zu finden». Gerade<br />

die Alters- und Pflegeheime seien vom<br />

Mangel betroffen. «Die Gesellschaft<br />

muss sich überlegen, wie sie in Zukunft<br />

die älteren Menschen pflegen will.»<br />

Auch Doris Ruckstuhl, Geschäftsleiterin<br />

der Spitex Kanton Zug, kennt das<br />

Problem. Nach wie vor habe sie Stellen<br />

für diplomiertes Pflegepersonal zu vergeben.<br />

«Die Alarmglocken läuten für<br />

uns jedoch noch nicht», sagt sie. Mittelfristig<br />

könne das fehlende Personal<br />

aber zu einem grösseren Problem werden.<br />

«Deshalb muss es jetzt angepackt<br />

werden.» Einfach auf den Zustrom von<br />

Arbeitskräften aus dem EU-Raum zu<br />

vertrauen, ist Ruckstuhl zu unsicher.<br />

«Wir können uns nicht nur darauf<br />

abstützen.» Das findet auch Gesundheitsdirektor<br />

Joachim Eder. «Der Beizug<br />

von noch mehr ausländischem Pflegepersonal<br />

löst das Problem nicht.»<br />

Attraktivität steigern<br />

Was ist dann zu tun? Es gehe darum,<br />

den Beruf attraktiver zu machen, sagt<br />

Ruckstuhl. «Die Freude an der Arbeit<br />

TAG DER PFLEGE<br />

Zu Ehren einer<br />

Krankenschwester<br />

Der Internationale Tag der Pflege<br />

] wird am 12. Mai, am Geburtstag von<br />

Florence Nightingale, gefeiert. Florence<br />

Nightingale (geboren 12. Mai<br />

1820 in Florenz; gestorben 13. Auj<br />

gust 1910 in London) war eine briti-<br />

I<br />

sche Krankenschwester. Die Tochter<br />

einer wohlhabenden britischen Familie<br />

gilt als die Pionierin der modernen<br />

Krankenpflege.<br />

any<br />

mit dem Mensch muss im Vordergrund<br />

stehen.» Kurt Stadler, Präsident der<br />

Curaviva Zug, fordert diesbezüglich die<br />

Alters- und Pflegeheime auf, aktiv zu<br />

sein. Es müsse Marketing betrieben<br />

werden, und die Arbeitsplätze seien<br />

attraktiver zu gestalten. «Imagewerbung<br />

ist angesagt», um zu verhindern,<br />

dass viele in der<br />

Langzeitpflege ausgebildete<br />

Personen<br />

in die Akutpflege abwanderten.<br />

«Denn<br />

die Langzeitpflege ist<br />

ebenso anspruchsvoll,<br />

vor allem eine<br />

gute Kommunikation<br />

ist hier gefordert.»<br />

Auch der Kanton unterstützt<br />

mehr Werbung.<br />

Laut Eder hat<br />

Zug zusammen mit<br />

den anderen <strong>Zentralschweiz</strong>er<br />

Kantonen<br />

in den letzten<br />

«Imagewerbung<br />

ist angesagt.»<br />

anderthalb Jahren<br />

mit einer Anschubfinanzierung ein verstärktes<br />

Berufsmarketing ermöglicht.<br />

Um das Problem zudem noch genauer<br />

analysieren zu können, verlangten<br />

die Gesundheitsdirektoren kürzlich von<br />

der Zigg, der <strong>Zentralschweiz</strong>er Interessengemeinschaft<br />

Gesundheitsberufe,<br />

eine Problemanalyse ipit Fakten und<br />

Zahlen. «Die Lösung des Problems ist<br />

nicht eindeutig», bekräftigt Kurt Fallegger.<br />

Doris Ruckstuhl pflichtet ihm<br />

bei. «Wenn man die Ursachen des<br />

Mangels klarer kennen würde, könnte<br />

man sie direkter beheben.»<br />

Doch trotz dieser Unsicherheiten<br />

sieht Ruckstuhl konkretes Verbesserungspotenzial<br />

bei den Arbeitsbedingungen,<br />

der Weiterbildung und der<br />

Entlohnung des Pflegepersonals. Gerade<br />

bei der Entlohnung und der Ausbildung<br />

seien die Geldgeber<br />

der Pflegeinstitutionen<br />

gefragt.<br />

Im Klartext: oftmals<br />

die öffentliche Hand.<br />

Dessen ist sich der<br />

Gesundheitsdirektor<br />

bewusst. «Mit dem<br />

neuen Gesundheitsgesetz<br />

sind die<br />

Grundlagen gegeben,<br />

bei Bedarf entsprechende<br />

monetäre<br />

Unterstützung zu<br />

bieten», sagt er, ruft<br />

aber gleichzeitig die<br />

Betriebe auf, sich<br />

aktiv an der Ausbildung<br />

zu beteiligen. Der Kanton Zug<br />

forciere ja auch die Ausbildung in der<br />

beruflichen Grundbildung.<br />

KURT STADLER, CURAVIVA ZUG<br />

Ein Angebot<br />

So entstand als so genanntes Fundament<br />

der Pflegeausbildungen mit dem<br />

Beruf Fachangestellte Gesundheit (Fage)<br />

ein neuer Beruf, der über eine<br />

dreijährige Lehre zu einem eidgenössischen<br />

Fähigkeitszeugnis führt. Volkswirtschaftsdirektor<br />

Matthias Michel<br />

EXPRESS<br />

• In den Pflegeinstitutionen<br />

fehlt es vor allem an<br />

diplomiertem Personal.<br />

• Der Curaviva-Zug-Präsident<br />

ruft deshalb zu mehr<br />

Werbung auf.<br />

weist zudem auf zwei «Sonderanstrengungen<br />

des Kantons» hin. Zum einen<br />

biete das Gewerblich-industrielle Bildungszentrum<br />

(GIBZ) eine Nachholbildung<br />

für Personen an, die bereits im<br />

Bereich Gesundheit tätig sind, aber<br />

über keinen marktgerechten Abschluss<br />

verfügen würden. «Hier steckt ein riesiges<br />

Potenzial», so Michel. Dieses Angebot<br />

ist einzigartig in der <strong>Zentralschweiz</strong>.<br />

«Man muss die Quer- und Wiedereinsteigerinnen<br />

fördern», bekräftigt Gesundheitsdirektor<br />

Eder.<br />

Zum anderen besteht in Zug die<br />

Möglichkeit einer schulgestützten Ausbildung.<br />

Das heisst, dieser vierjährige<br />

Ausbildungsweg führt über die Fachmittelschule<br />

und die Berufsmatura.<br />

«Ein Angebot für jene, die mehr Theorie<br />

vermittelt haben möchten, ein Angebot<br />

für das spätere mittlere Kader», so<br />

Michel. Er ist sich sicher: Mit diesen<br />

zwei Sonderanstrengungen für den<br />

Pflegeberuf könne der Kanton Zug<br />

einen grossen Kreis an Interessierten<br />

ansprechen.


Gesundheitsberufe stellen sich im Rahmen<br />

des nationalen Spitaltages H+ vor<br />

iiSZ.<br />

&<br />

«Rund 2000 Pflegefachkräfte setzen sich zum Wohl unserer Patientinnen und Patienten ein...<br />

Annamarie Mathys ist eine von ihnen.»<br />

«Es geht darum,<br />

was die Patienten brauchen»<br />

Die Pflegefachfrau Annamarie Mathys betreut<br />

Krebskranke während einer Strahlen- und Chemotherapie.<br />

Frau Mathys, Sie pflegen in der Klinik für Radioonkologie<br />

Krebskranke, die sich stationär einer<br />

Strahlentherapie unterziehen müssen. Um welche<br />

Erkrankungen geht es?<br />

Zu uns kommen beispielsweise Patienten mit Hirntumoren,<br />

mit Krebs im Bereich der Atemwege, im<br />

Mund- und Rachenbereich, im Bereich der Speiseröhre,<br />

des Magen-Darm-Traktes oder der Harnwege.<br />

Eine Strahlentherapie kann allein oder in<br />

Verbindung mit einer Operation und/oder einer Chemotherapie<br />

durchgeführt werden. Eine Bestrahlung<br />

ist oft ambulant möglich. Stationär aufgenommen<br />

werden die Patienten dann, wenn sie in einem<br />

schlechten Allgemeinzustand sind, wenn sie Ernährungsschwierigkeiten,<br />

schwerwiegende Defekte der<br />

Haut oder Schleimhaut oder andere Komplikationen<br />

haben.<br />

Stellt die Betreuung von Krebskranken besondere<br />

Anforderungen an die Pflege?<br />

Ja, und zwar sowohl fachlich als auch menschlich.<br />

Wir müssen wissen, was der Krebs mit dem Körper<br />

machen kann und welche Nebenwirkungen die Behandlungen<br />

verursachen können. Und wir müssen<br />

wissen, was der Krebs mit dem Menschen macht.<br />

Für die meisten Patienten ist die Diagnose Krebs<br />

ein schwerer Schlag, der eine Erschütterung wie<br />

auch eine umfassende Auseinandersetzung mit<br />

dem Leben und dem Sterben auslöst.<br />

Welche Probleme erzeugt die Bestrahlung?<br />

Es kann zu Hautdefekten kommen. Die Haut ist gerötet<br />

oder verletzt wie nach einem starken bis sehr<br />

starken Sonnenbrand. Die Hautpflege ist deshalb<br />

ganz wichtig. Das Gute ist, dass sich die Haut nach<br />

der Bestrahlung wieder erholt. Ein weiteres Problem<br />

ist der Haarausfali bei Bestrahlungen am Kopf, weil<br />

sich dadurch das äussere Bild verändert. Zusätzlich<br />

verspüren viele Patienten während der Bestrahlung<br />

eine generelle Müdigkeit. Unser Anliegen ist, die Patienten<br />

pflegerisch optimal zu betreuen, zu beraten<br />

und ihnen Linderung zu verschaffen, wenn solche<br />

Probleme auftreten. Wir gehen mit ihnen wie durch<br />

einen Tunnel.<br />

Viele Patienten bekommen zusätzlich zur Bestrahlung<br />

eine Chemotherapie. Erfordert auch In erster Linie sind es die Patienten selbst, die mir<br />

Woher nehmen Sie die Kraft für Ihre Arbeit?<br />

das spezielle pflegerische Fachkenntnisse? mit ihrer Dankbarkeit Kraft zurückgeben. Dennoch<br />

Wer Chemotherapien verabreicht, muss die Wirkung<br />

und die Nebenwirkungen kennen und die nächst das Team, wo wir uns täglich austauschen<br />

braucht es Leute, die einen mittragen. Da ist zu-<br />

Sicherheitsvorkehrungen genauestens einhalten. können. Reden kann ich auch mit den involvierten<br />

Dann geht es darum, einen sicheren Venenzugang Ärzten und Psychologen und mit guten Freundinnen<br />

zu legen, das Medikament zu geben und die Verabreichung<br />

zu überwachen. Und das ist nicht dasselbe, ich die Zeit für ein Bad im Greifensee finde. Dann<br />

und Freunden. Am allerschönsten ist für mich, wenn<br />

wie wenn ich eine Kochsalzlösung verabreiche. springe ich rein und es spült alles weg.<br />

Können Sie beschreiben, was anders ist?<br />

Die Patienten wissen, dass jetzt die Chemotherapie<br />

beginnt. Manche sagen: Jetzt kommt das Gift. Andere<br />

sagen nichts, schauen einen aber mit ängstlichem<br />

Gesicht an und runzeln die Stirn. Da kann<br />

ich das Medikament nicht einfach schnell anhängen<br />

und dann wieder aus dem Zimmer gehen.<br />

Wie können Sie in so einer Situation helfen?<br />

Ich spreche an, was ich wahrnehme: Ich sehe, dass<br />

sie die Stirn runzeln. Es geht darum zu fragen, was<br />

der Mensch jetzt braucht. Wichtig ist, ihn sehr genau<br />

und sehr professionell darüber zu informieren, was<br />

mit ihm geschieht. Je professioneller ich dabei auftrete,<br />

umso mehr Sicherheit kann ich geben. Das ist<br />

in so heiklen Situationen sehr wichtig.<br />

Wie reagieren Sie auf existenzielle Fragen?<br />

Es geht darum, zuhören zu können, die Menschen<br />

auf ihrem Weg zu begleiten, die richtigen Worte zu<br />

finden oder auch das Schweigen auszuhalten, wenn<br />

Worte unpassend sind.<br />

«Es geht darum zu<br />

fragen, was der Mensch<br />

jetzt braucht»


X/LZ. l&M<br />

NACHRICHTEN<br />

32 550 Franken für<br />

Palliativmedizin<br />

Luzern - Am 3. Solidaritätskonzert<br />

vom 22. März im Hotel Schweizerhof<br />

sind 32 550 Franken zusammengekommen.<br />

Das Geld ist für die<br />

Palliativmedizin im Kanton Luzern<br />

bestimmt. Das nächste Solidaritätskonzert<br />

findet am Sonntag, 21. März<br />

2010, statt. Das Programm und weitere<br />

Unterlagen sind erhältlich unter:<br />

4. Luzerner Solidaritätskonzert<br />

zu Gunsten Kinderspital Luzern,<br />

Auf Hirtenhof 6, 6005 Luzern. (red)<br />

CX<br />

A/l Z- J S . & C t f<br />

St,<br />

Theres Vinatzer<br />

Bisher Einwohnerrat (ER)<br />

3869 Stimmen<br />

Pflegefachfrau &<br />

<strong>SBK</strong>-Mitglied<br />

Betagtenzentren<br />

Spezialabteilung<br />

für alternde Italiener<br />

Extrawurst im Pflegeheim:<br />

Ein Verein wünscht sich ein<br />

mediterranes Ambiente<br />

für italienische Senioren.<br />

Pasta, Rotwein, italienische Musik<br />

und italienischsprachiges Pflegepersonal<br />

sollen südländischen Betagten das<br />

Leben in Betagtenzentren versüssen.<br />

Das fordert die Kommission Drittes<br />

Alter vom Verein der Auslanditaliener.<br />

Präsident Franco Aufiero erklärt: «Im<br />

Alter wächst der Wunsch vieler Menschen,<br />

zu ihren Wurzeln zurückzukehren.»<br />

Im städtischen Betagtenzentrum<br />

Eichhof kann man sich ein solches<br />

Angebot für italienische und allenfalls<br />

spanische Senioren vorstellen - allerdings<br />

nicht in isolierten Spezialabteilungen,<br />

weil dies der Integration im<br />

Italienisches Lebensgefühl soll es auch in<br />

Betagtenzentren geben, BILD MISCHA CHRISTEN<br />

Weg stehe. Auch die Stadtverwaltung<br />

gibt sich grundsätzlich offen für ein<br />

solches Angebot - allerdings mit einigen<br />

Vorbehalten.<br />

Seite 28, Kommentar 5. Spalte


Betagtenzentren<br />

Sonderplätze für Südländer<br />

VON NOEMIE SCHAFROTH<br />

Bei einem Schluck Rotwein, einem<br />

Teller Penne all'arrabbiata und wohlklingender<br />

italienischer Musik den Lebensabend<br />

verbringen: In den Genuss<br />

dieses Szenarios sollen Senioren aus<br />

südlichen Gefilden nun auch in Luzerner<br />

Betagtenzentren kommen, geht es<br />

nach dem Gusto von Franco Aufiero. Er<br />

ist Präsident der Kommission Drittes<br />

Alter vom Verein der Auslanditaliener,<br />

die Spezialabteilungen für italienische<br />

und später allenfalls spanische Betagte<br />

fordert.<br />

Im Alter zurück zu den Wurzeln<br />

«Wir möchten, dass Pflegebedürftige<br />

aus diesen Ländern in ihrer vertrauten<br />

Kultur leben und ihre Traditionen<br />

pflegen können.» Denn im Alter wachse<br />

der Wunsch, zu den Wurzeln zurückzukehren.<br />

Deshalb fordert der<br />

Verein beispielsweise ein spezielles<br />

Musik- und Unterhaltungsprogramm,<br />

das «dem südlichen Lebensstil Rechnung<br />

trägt.» Wichtig ist ihm auch, dass<br />

ein spezielles Augenmerk auf die Gastronomie<br />

gelegt wird.» Will heissen:<br />

Die Senioren wollen Kost, wie sie sie<br />

Spezielle Pflegeplätze für aus ihren Herkunftsländern kennen -<br />

Pasta und Paella statt Rösti.<br />

Italiener und Spanier,• diese Aufiero ist überzeugt, dass solche<br />

Idee schwebt einer privaten mediterranen Pflegeplätze auch aus<br />

Organisation vor. Aber nicht medizinischer Sicht Sinn machen: «Im<br />

Krankheitsfall haben viele Ältere den<br />

nur Betagte aus diesen Wunsch, sich in ihrer<br />

Ländern bekunden Interesse. Muttersprache auszudrücken.»<br />

Sein<br />

Ziel: In Luzern soll in<br />

einem Betagtenzentrum<br />

eine Abteilung<br />

mit zwölf Plätzen geschaffen<br />

werden, die<br />

italienischen und gegebenenfalls<br />

spanischen<br />

Pensionierten<br />

zur Verfügung steht.<br />

Dazu brauche es<br />

auch qualifiziertes<br />

Pflegepersonal aus<br />

dem mediterranen<br />

Raum, so Aufiero.<br />

Konkrete Pläne gibt<br />

es noch nicht, laut<br />

Aufiero haben aber<br />

«Ich weiss von betagten<br />

Schweizern, die ebenfalls<br />

Interesse an einem<br />

solchen Betreuungsplatz<br />

angemeldet haben.»<br />

BEAT<br />

bereits Gespräche<br />

mit der Stadt Luzern<br />

und der kantonalen<br />

Dienststelle für Integration stattgefunden.<br />

«Prüfenswert»<br />

Auch wenn die Standortfrage noch<br />

offen ist: Dass sich im städtischen<br />

Betagtenzentrum Eichhof in Zukunft<br />

mediterranes Flair ausbreitet, sei eine<br />

«denkbare und prüfenswerte Option»,<br />

sagt Zentrumsleiter Marco Borsotti.<br />

«Wir wurden von der Kommission Drittes<br />

Alter angefragt, ob wir uns solche<br />

Plätze vorstellen könnten.» Von einer<br />

isolierten Spezialabteilung will Borsotti,<br />

der selber schweizerisch-Italienischer<br />

Doppelbürger ist, aber nichts wissen:<br />

Im Zentrum stehe immer die Integration<br />

und das Zusammenleben von Betagten<br />

aller Nationalitäten. Im September<br />

wird er sich in<br />

Zürich ein entsprechendes<br />

Projekt anschauen.<br />

Dort gibt es<br />

bereits eine spezielle<br />

Betreuung für betagte<br />

Südländer. «Konkret<br />

geplant wird bei<br />

uns nicht. Es geht<br />

vorab darum, Ideen<br />

zu sammeln»,<br />

DEMARMELS,<br />

LEITER HEIME STADT LUZERN<br />

schränkt Borsotti<br />

ein. Zudem sei gegenwärtig<br />

unklar, ob<br />

es in Luzern überhaupt<br />

eine Nachfrage<br />

nach solchen Betreuungsplätzen<br />

gebe.<br />

Mindestens<br />

zehn Plätze<br />

Den zurückhalten-,<br />

den Äusserungen schliesst sich Beat<br />

Demarmels, Leiter Heime und Alterssiedlungen<br />

der Stadt Luzern, an: «Man<br />

müsste mindestens zehn Plätze besetzen<br />

können, um eine solche Spezialabteilung<br />

wirtschaftlich führen zu können.»<br />

Notfalls Hessen sich die freien<br />

Plätze aber auch aus unerwarteten<br />

Reihen besetzen, ist Demarmels bekannt:<br />

«Ich weiss von betagten Schweizern,<br />

die ebenfalls Interesse an einem<br />

solchen mediterranen Betreuungsplatz<br />

angemeldet haben.»<br />

EXPRESS<br />

• In Luzern sollen<br />

Pflegeplätze für Senioren<br />

aus dem Süden entstehen.<br />

• Dort sollen sie betreut und<br />

verpflegt werden wie in<br />

ihrer Heimat.<br />

SCHWEIZ<br />

Mediterrane Pflege<br />

in anderen Städten<br />

In Zürich bietet die Stiftung Alterswohnen<br />

in Albisrieden zwei Pflegewohnungen<br />

mit insgesamt 17 Plätzen<br />

für betagte Südländer an. Auch<br />

das Pflegezentrum Ehrlenhof in Zürich<br />

führt eine mediterrane Abteilung<br />

mit 20 Betten.<br />

Im Basler Alterszentrum Falkenstein<br />

wohnen elf Senioren in einer<br />

mediterranen Wohngruppe. Im Berner<br />

Pflegeheim Domicil Schwabgut<br />

leben zehn Personen in einer eigenen<br />

Hausgemeinschaft. Während in Bern<br />

nur Italiener zusammenleben, sind es<br />

in Zürich und Basel auch einige<br />

Spanier.<br />

Angebot ohne Aufpreis<br />

In keiner der Einrichtungen bezahlen<br />

die Senioren für das Sonderangebot<br />

mehr als die konventionellen<br />

Tarife. Die Nachfrage nach freien<br />

Plätzen ist in allen Einrichtungen<br />

gross.<br />

cos


Kanton<br />

Zug<br />

/<br />

In den Heimen gibt es kaum leere Betten<br />

Die Auslastung nähert sich<br />

der 100-Prozent-Marke.<br />

Und die Pflege wird<br />

immer intensiver.<br />

JJA. Anfang 2008 standen im Kanton<br />

Zug in den 15 Alters- und Pflegeheimen<br />

1028 Plätze zur Verfügung. Ende<br />

Jahr gab es 1004 Bewohner. Dies geht<br />

aus der Mitteilung der für die <strong>Zentralschweiz</strong>er<br />

Kantone zuständigen Lustat,<br />

Statistik Luzern hervor. Die mitüere<br />

Auslastung der Zuger Alters- und<br />

Pflegeheime betrug im letzten Jahr<br />

97,6 Prozent. Das Durchschnittsalter<br />

der Bewohner lag bei 84,1 Jahren, 7,6<br />

Prozent waren über 94 Jahre alt. Frauen<br />

sind in allen Altersgruppen übervertreten,<br />

bei den unter 75-Jährigen<br />

beträgt ihr Anteil 58,5 Prozent und bei<br />

den über 94-Jährigen 77,6 Prozent. Die<br />

Wahrscheinlichkeit eines Heimaufenthalts<br />

steigt mit dem zunehmenden<br />

Pflegebedarf im hohen Alter. So wohnten<br />

rund 6 Prozent der 75- bis 84-jährigen,<br />

aber 32 Prozent der 85- bis<br />

94-jährigen Zuger im Heim.<br />

Jeder Fünfte<br />

Kurzzeitaufenthalter<br />

Im Jahr 2008 traten 83 (20,8 Prozent)<br />

Personen für einen vorübergehenden<br />

Aufenthalt und 316 (79,2 Prozent) für<br />

einen Langzeitaufenthalt in eines der<br />

Alters- oder Pflegeheime ein. Eine<br />

ähnliches Verhältnis zeigt sich bei den<br />

Austritten. 238 Langzeitaufenthalter<br />

verstarben 2008 im Alters- oder Pflegeheim,<br />

30 kehrten wieder nach Hause<br />

zurück, und 29 wechselten in eine<br />

andere Institution, ins Spital oder an<br />

einen anderen Aufenthaltsort. Gemessen<br />

an der Bewohnerzahl Anfang Jahr,<br />

lag die Fluktuationsrate der Personen<br />

mit Langzeitaufenthalt mit 31,3 Prozent<br />

fast auf Vorjahresniveau. Von den<br />

316 neu eingetretenen Langzeitaufenthaltern<br />

lebten 179 vor ihrem Eintritt zu<br />

Hause, 87 kamen aus dem Spital und<br />

50 aus einer anderen Institution oder<br />

Lebenssituation.<br />

22,7 Prozent der Bewohner waren<br />

Ende 2008 weniger als ein Jahr, 28,2<br />

Prozent seit mindestens fünf Jahren im<br />

Heim. Die mittlere Aufenthaltsdauer<br />

blieb beinahe unverändert und betrug<br />

vier Jahre - für Männer 3,5 und für<br />

Frauen 4,3. Die ältesten Bewohner<br />

lebten im Mittel mit 6,5 Jahren schon<br />

am längsten im Heim.<br />

2008 wurden insgesamt 367 232<br />

Heimtage verrechnet, 1,3 Prozent<br />

mehr als im Vorjahr. Die fakturierten<br />

Tage werden nach Pflegeaufwand eingeteilt<br />

(so genannte BESA-Stufen), wobei<br />

die Stufen 0 bis 2 keinen bis<br />

leichten Aufwand bedeuten und die<br />

Stufen 3 bis 4 auf intensivere Pflege<br />

hinweisen. 2008 entfielen 30,9 Prozent<br />

der fakturierten Tage auf die höchste<br />

Pflegestufe, die einen schweren und<br />

umfassenden Pflegebedarf anzeigt.<br />

Der Anteil an fakturierten Tagen für<br />

mittleren bis schweren Pflegeaufwand<br />

(BESA 3 und 4) erhöhte sich im Vergleich.<br />

zum Vorjahr von 47,1 auf 49,6<br />

Prozent.<br />

Frauen in der Überzahl<br />

Ende 2008 waren in den Alters- und<br />

Pflegeheimen des Kantons Zug 1170<br />

Personen beschäftigt, zum grössten<br />

Teil Frauen (1031 oder 88,1 Prozent).<br />

51,1 Prozent aller Beschäftigten waren<br />

älter als 44 Jahre. Das Personal der<br />

Alters- und Pflegeheime besetzte im<br />

Jahresmittel 834 Vollzeitstellen, 8,6<br />

Prozent mehr als im Vorjahr. Wie in<br />

den beiden Vorjahren kam 2008 auf<br />

einen Bewohner durchschnittlich eine<br />

80-Prozent-Stelle.<br />

Fast nur Frauen in der Pflege<br />

Das Pflegepersonal zählte Ende Jahr<br />

687 Beschäftigte, davon 94,2 Prozent<br />

Frauen. Im Jahresmittel entfielen somit<br />

494,6 aller Vollzeitstellen (59,3 Prozent)<br />

in den Alters- und Pflegeheimen auf<br />

das Pflegepersonal. Rund die Hälfte der<br />

Vollzeitstellen im Pflegebereich besetzten<br />

Beschäftigte mit qualifizierter Ausbildung<br />

im Pflegebereich, rund ein<br />

Viertel Angestellte mit einem Abschluss<br />

als Pflegehelfer SRK oder in einem<br />

anderen Betreuungsberuf. Personen in<br />

Ausbildung besetzten einen Zehntel<br />

der Vollzeitstellen im Pflegebereich.


Rückenschmerzen drücken<br />

Jeder vierte Arbeitnehmer<br />

leidet im Job an Erkrankungen<br />

des Bewegungsapparats. Das<br />

kostet die Wirtschaft über vier<br />

Milliarden pro Jahr. Jetzt werden<br />

die Firmen besser kontrolliert.<br />

Von Antonio Cortesi, Bern<br />

«Oft wäre es einfach, die körperliche Belastung<br />

am Arbeitsplatz zu verringern»,<br />

sagt der Arbeitspsychologe Thomas<br />

Läubli. Als Beispiel nennt der ETH-<br />

Dozent den Job der Zügelmänner: «Früher<br />

hat man schwere Möbel noch mit Gurten<br />

herumgeschleppt, heute werden Hebelifte<br />

eingesetzt.» Damit gebe es nicht nur weniger<br />

Rückenprobleme. Auch die Zügelfirmen<br />

profitierten, weil die Arbeit rascher<br />

erledigt werden könne.<br />

Viele Unternehmen, in denen schwere<br />

Lasten getragen werden oder viel Sitzarbeit<br />

geleistet wird, scheuen jedoch solche<br />

Investitionen. Die Folgen sind gravierend<br />

- nicht nur in Bezug auf die Arbeitsleistung<br />

der Betroffenen, sondern auch für<br />

deren Gesundheit. Dies zeigen zwei neue<br />

Studien des Staatssekretariats für Wirtschaft<br />

(Seco):<br />

• 670 000 Erwerbstätige leiden an Beschwerden<br />

des Bewegungsapparates. Das<br />

ist beinahe ein Viertel aller Arbeitnehmer<br />

in der Schweiz.<br />

• Die Wirtschaft kostet das jährlich über<br />

4 Milliarden Franken. Davon entfallen 3,3<br />

Milliarden auf verminderte Produktivität<br />

und eine Milliarde auf Absenzen.<br />

IV-Fälle nicht berücksichtigt<br />

In der Studie nicht berücksichtigt sind<br />

die volkswirtschaftlichen Kosten wegen<br />

Invalidität und frühzeitigen Pensionierungen.<br />

Im Jahr 2008 bezogen über 50 000<br />

Personen eine IV-Rente aufgrund von Erkrankungen<br />

des Bewegungsapparats. Etwa<br />

ein Drittel dieser Fälle wird auf berufliche<br />

Belastung zurückgeführt.<br />

Die betroffenen Unternehmen stehen in<br />

der Verantwortung: Gemäss Arbeitsgesetz<br />

müssen sie «alle Massnahmen treffen, um<br />

die physische und psychische Gesundheit<br />

der Arbeitnehmer zu gewährleisten».<br />

Nacken- und Rückenschmerzen hängen<br />

meist mit anderen Faktoren zusammen.<br />

Laut Studie entscheidend ist die «Work-<br />

Life-Balance». Wenn sie durch lange Arbeitstage<br />

und viele Überstunden beeinträchtigt<br />

ist, steigt das Risiko von Erkrankungen<br />

des Bewegungsapparats deutlich.<br />

Für Seco-Leiter Serge Gaillard ist klar:<br />

«Es gibt in den Betrieben erhebliches Verbesserungspotenzial.»<br />

Der Bund und die<br />

Kantone setzten aber «nicht primär auf<br />

zusätzliche Kontrollen, sondern auf Information<br />

und Sensibilisierung». Man werde<br />

den Betrieben eine ausführliche Dokumentation<br />

zu Verfügung stellen.<br />

350 Kontrolleure für die ganze Schweiz<br />

Dennoch wird es auch zu mehr Kontrollen<br />

kommen. In den Kantonen sind die Arbeitsinspektorate<br />

dafür zuständig. Laut<br />

Marc-Andre Tudisco, Präsident des interkantonalen<br />

Verbandes für Arbeitnehmerschutz,<br />

werden die Inspektoren in den<br />

nächsten beiden Jahren in drei Branchen<br />

vermehrt aktiv sein: bei der Gastronomie,<br />

beim Baugewerbe und bei den Gesundheitsberufen.<br />

Die Kontrollen werden allerdings wie<br />

bisher beratender Natur sein. «Unsere Inspektoren<br />

halten sich nicht eine Woche in<br />

einem Betrieb auf, um die Arbeitsabläufe<br />

im Detail zu überprüfen», sagt Tudisco.<br />

Man konzentriere sich auf Befragungen<br />

und rege betriebsinterne Schulungen an.<br />

Entscheidend sei, die Firmenchefs davon<br />

zu überzeugen, «dass ihnen Verbesserungen<br />

einen Mehrwert bringen».<br />

Mit akribischen Kontrollen würden die<br />

Arbeitsämter auch personell an ihre Grenzen<br />

stossen. Zusammen mit den Kontrolleuren<br />

der Suva stehen schweizweit bloss<br />

350 Inspektoren im Einsatz. Laut Beat<br />

Hohmann, Leiter des Bereichs Physik bei<br />

der Suva, sind allein in seinem Zuständigkeitsbereich<br />

landesweit an 200000 Arbeitsplätzen<br />

Massnahmen nötig.<br />

«Schwerer als ein Sack Kartoffeln»<br />

«Bei uns ist das Problem der körperlichen<br />

Belastung sehr akut», sagt Elsbeth<br />

Wandeler. Die Präsidentin des Schweizerischen<br />

Pflegeverbands mit 26000<br />

Mitgliedern begrüsst es, dass die kantonalen<br />

Arbeitsinspektoren die Gesundheitsberufe<br />

genauer unter die Lupe nehmen<br />

wollen.<br />

Besonders gravierend sei die Situation<br />

bei der Langzeitpflege und bei der<br />

Spitex. «Viele können sich gar nicht vorstellen,<br />

wie schwer Menschen sind, die<br />

sich selber kaum bewegen können. Sie<br />

sind schwerer als ein Sack Kartoffeln.»<br />

Hinzu komme, dass man bei der Betreuung<br />

von bewusstlosen oder dementen<br />

Patienten oft allein sei.<br />

Zum Beispiel nachts auf der Intensivstation:<br />

Um dem Wundliegen vorzubeugen,<br />

muss der Kranke alle zwei Stunden<br />

in eine andere Lage gebracht werden.<br />

Oder beim Spitex-Besuch zu Hause: «Da<br />

ist die Pflegende ohnehin allein. Und die<br />

betagte Lebenspartnerin des Kranken ist<br />

auch keine wirkliche Hilfe.»<br />

Zu den Rückenproblemen komme<br />

die psychische Belastung. Und der allgemeine<br />

Frust, dass sich die Personalengpässe<br />

im Gesundheitswesen noch<br />

verschärfen würden. Auch die Fallpauschalen<br />

hätten den Arbeitsdruck erhöht.<br />

«Viele steigen vorzeitig aus, und<br />

wer über 60 ist, landet oft in der lava- -<br />

lidenversicherung.»<br />

Elsbeth Wandeler bezweifelt allerdings,<br />

dass die Inspektoren mehr ausrichten<br />

werden als bis anhin. In den 30<br />

Jahren ihres Berufslebens sei sie nämlich<br />

noch nie einem solchen begegnet.<br />

«Dass ein Inspektor einer Spitex-Frau<br />

über die Schulter schaut, ist schon<br />

deshalb nicht vorstellbar, weil dies die<br />

Privatsphäre des Patienten stören<br />

würde.» (ac)


Reussbühl<br />

Heim soll Angehörige<br />

in den Pflegealltag einbeziehen<br />

z:<br />

Der alte Vater ist im Heim,<br />

die Familie sorgt sich, hat<br />

Schuldgefühle. Das Staffelnhof-Seminar<br />

machte Mut,<br />

Konflikte anzugehen.<br />

Rund 100 Personen, vorwiegend Pflegefachpersonen<br />

aus Alters- und Pflegezentren<br />

in der Region Luzern, befassten<br />

sich am Staffelnhof-Seminar in Reussbühl<br />

am Donnerstag mit Umwälzungen<br />

in der Alterspflege. Professorin Marie-<br />

Louise Friedemann, Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin,<br />

plädierte<br />

dafür, dass Spitex und Heime die Familie<br />

des Pflegebedürftigen als Partner sehen<br />

und Angehörige in die Pflege einbeziehen.<br />

Probleme ortet sie da, «wo Pflegende<br />

sich als Experten sehen und die<br />

Familie praktisch stehen gelassen wird».<br />

Im Alterszentrum Staffelnhof werde<br />

der intensive Einbezug der Angehörigen<br />

sehr ernst genommen, sagte Ernst<br />

Schäfer (49), Leiter Pflege und Betreuung,<br />

im Gespräch mit unserer Zeitung.<br />

Vertrauen aufbauen<br />

Das beginne bereits vor und beim<br />

Heimeintritt. Denn eine Familie, die<br />

«Für den Bewohner<br />

ist ja das Heim<br />

sein Zuhause.»<br />

ERNST<br />

STAFFELNHOF<br />

SCHÄFER,<br />

zum Beispiel den schwer pflegebedürftigen<br />

Vater während Jahren zu Hause<br />

gepflegt habe, bis es nicht mehr ging,<br />

könne oft schwer loslassen und habe<br />

gar Schuldgefühle. Ernst Schäfer: «Da<br />

braucht es Gespräche, Beratung, wir<br />

müssen gegenseitiges Vertrauen aufbauen.<br />

Ich sage dann jeweils den Angehörigen,<br />

jetzt dürfen Sie einmal zu sich<br />

schauen.» So könnten die Familienmitglieder,<br />

die vorher vielleicht mehrmals<br />

nachts aufstehen mussten, erst einmal<br />

wieder zur Ruhe kommen.<br />

Feste Ansprechperson<br />

Im Staffelnhof hat jeder Bewohner<br />

und jede Bewohnerin eine feste Bezugsperson<br />

im Pflegeteam der Abteilung.<br />

«Das erleichtert auch den Kontakt<br />

von Seiten der Angehörigen, sie wissen<br />

genau, an wen sie sich wenden können»,<br />

so Ernst Schäfer. Diese Ansprechperson<br />

werde mit der Zeit, wenn ein<br />

gegenseitiges Vertrauensverhältnis aufgebaut<br />

werde, praktisch ein Familienmitglied<br />

- wofür auch Professorin Friedemann<br />

ausdrücklich plädierte. Die in<br />

den USA tätige Schweizerin empfiehlt<br />

auch, dass Angehörige von Heimbewohnern<br />

eine Ansprechperson aus der<br />

Familie bezeichnen, was wiederum<br />

vom Heim geschätzt werde. Der Begriff<br />

Familie sollte weit gefasst werden: Für<br />

Heimbewohner ohne Kinder oder Geschwister<br />

könnten auch Freunde die<br />

Familie sein.<br />

Keine starre Besuchszeit<br />

Angehörige in den Pflegealltag einzubeziehen<br />

(zum Beispiel zum Helfen beim<br />

Essen), mache Sinn, sagt der Pflegedienstleiter.<br />

Er erlebe es manchmal, dass<br />

jemand aus der Familie frage, wann er zu<br />

Besuch kommen dürfe bei der Mutter<br />

oder beim Bruder im Heim. «Jederzeit»,<br />

laute dann seine Antwort. Der Staffelnhof<br />

kenne keine starr geregelten Besuchszeiten,<br />

«denn für den Bewohner ist<br />

ja das Heim sein Zuhause, wo er Besuch<br />

empfangen kann, wann er es wünscht».<br />

Professorin Marie-Louise Friedemann<br />

ermunterte die Pflegefachpersonen:<br />

«Haben Sie keine Vorurteile. Es gibt<br />

natürlich die verschiedenartigsten Familien.<br />

Seien Sie mutig.» RUTH SCHNEIDER<br />

ANGEHÖRIGE<br />

Bei Konflikten das<br />

Gespräch suchen<br />

Was können Angehörige tun,<br />

wenn sie sich im Heim nicht ernst<br />

genommen fühlen oder wenn ein<br />

Konflikt nicht lösbar ist? «Ich empfehle,<br />

das Gespräch mit der Pflegedienstleitung<br />

oder mit der Zentrumsleitung<br />

zu suchen», sagt<br />

Ernst Schäfer, Leiter Pflege und<br />

Betreuung im Alterszentrum Staffelnhof<br />

in Reussbühl. «Für mich<br />

sind kritische Angehörige, die sich<br />

wehren, eine Chance, dass wir<br />

zum Beispiel Qualitätsmängel aufspüren<br />

und Verbesserungen einleiten<br />

können.»<br />

Könne ein Konflikt im Gespräch<br />

mit der Heimleitung nicht gelöst<br />

werden, so sei der Sozialvorsteher<br />

der entsprechenden Gemeinde die<br />

nächste Instanz.<br />

rs


Tages-Anzeiger - Samstag, 19. September 2009<br />

«Ich kann sehr gut nachvollziehen<br />

Seit Katharina Schmid (22) als<br />

Kind im Spital operiert worden<br />

ist, will sie Pflegefachfrau<br />

werden. In einem halben Jahr<br />

ist es so weit. Der Arbeitsmarkt<br />

wartet auf sie.<br />

kinder spezialisieren. Doch beim Eintrittsgespräch<br />

in die Schule riet man mir zur<br />

Akutsomatik. Ich hatte zuerst die Lehre<br />

zur Fachangestellten Gesundheit (Fage) in<br />

einem Alters- und Pflegeheim gemacht,<br />

und da meinten sie, der Ubergang wäre zu<br />

abrupt. Erwachsenenpflege im Spital war<br />

mir auch recht - Hauptsache ich konnte<br />

die höhere Fachschule machen.<br />

Patienten haben auch den Eindruck, dass<br />

die Pflegenden häufiger im Stationszimmer<br />

am Computer sitzen als am Bett pflegen.<br />

Nimmt die administrative Arbeit zu?<br />

Ich selber schreibe gern, deshalb nehme<br />

ich das nicht so wahr. Doch mit meinen<br />

Ausbildungskolleginnen diskutiere ich<br />

auch darüber. Da gibt es schon unterschiedliche<br />

Meinungen.<br />

Mit Katharina Schmid sprach<br />

Susanne Anderegg<br />

Diese Woche haben Pflegende gegen die<br />

geplante Lohnrevision demonstriert. Sie<br />

sind der Meinung, ihre Arbeit werde nicht<br />

gerecht bewertet. Wie sehen Sie das?<br />

Ich finde, wir verdienen vor allem während<br />

der Ausbildung zu<br />

wenig. Nur die halbjährigen<br />

Praktika sind bezahlt,<br />

mit 2600 Franken im Monat.<br />

Das muss fürs andere<br />

halbe Jahr auch noch reichen.<br />

«Arn Pflegeberuf<br />

gefällt mir, dass ich<br />

mit vielen Menschen<br />

zusammenarbeite.»<br />

Da brauchen Sie wohl<br />

noch Unterstützung von<br />

den Eltern?<br />

Ich bin jetzt 22 und bekomme<br />

noch immer ein wenig Unterstützung<br />

von den Eltern. Ich wohne in einem<br />

günstigen Personalzimmer. Gross auszugehen<br />

oder neue Kleider zu kaufen, kann<br />

ich mir nicht leisten. Aber es ist ja eine befristete<br />

Zeit.<br />

Was werden Sie nachher verdienen?<br />

Der Anfangslohn einer Pflegefachfrau<br />

liegt bei rund 5500 Franken.<br />

Wollten Sie von Anfang an dorthin?<br />

Mit zwölf habe ich beschlossen, die<br />

Pflegeausbildung zu machen. Ich war operiert<br />

worden, und als ich aus der Narkose<br />

aufwachte, war das für mich klar. Ich<br />

sagte: Ich werde Krankenschwester. Und<br />

das habe ich bis jetzt durchgezogen.<br />

mehr Alternativmedizin wünschen. Sie<br />

Es läuft nichts: So empfinden viele Patientinnen<br />

scheinen zufriedener zu sein. Sie haben<br />

Der Weg zur Pflegefachfrau und Patienten den Spitalalltag, ist ziemlich<br />

den Eindruck, dass die Pflege mehr Zeit für<br />

lang, wo stehen Sie im Moment?<br />

Ich bin im dritten Jahr der höheren<br />

Fachschule, Ende März werde ich abschliessen.<br />

Eben habe ich mein drittes<br />

und letztes Praktikum angefangen, auf der<br />

vor allem wenn sie länger bleiben müssen. sie hat. Es kommt zum Beispiel gut an,<br />

wenn man ihnen einen Wickel macht.<br />

Auch die Psyche wird berücksichtigt. Das<br />

wird hier im Akutspital auch versucht,<br />

doch liegen die Schwerpunkte oft anders.<br />

Unfallchirurgie des Uni-Spitals.<br />

War das Ihr Wunsch?<br />

Ursprünglich wollte ich mich auf Klein-<br />

Haben Sie das Spital also<br />

positiv erlebt?<br />

Ich war als Kind und als<br />

Jugendliche schon oft im<br />

Spital - im Kinderspital<br />

sowie im Uni-Spital - und<br />

es war sehr eindrücklich<br />

als Patientin. Ich kann<br />

jetzt nachvollziehen, weshalb<br />

Patienten manchmal<br />

sehr speziell reagieren.<br />

Was meinen Sie mit speziell?<br />

Dass sie sich auch mal ärgern, bis hin<br />

zum Ausraster. Oder den Spitalkoller haben<br />

und motzen: Es läuft nichts, es bringt<br />

nichts, niemand versteht mich, was soll<br />

das überhaupt? Solche Sachen kann ich<br />

sehr gut nachvollziehen, das habe ich zum<br />

Teil selber durchgemacht - aber ich habe<br />

auch viel Positives erlebt.<br />

Weshalb entsteht dieser Eindruck?<br />

Weil wir meist mehrere Patienten<br />

gleichzeitig zu betreuen haben und mit verschiedenen<br />

Diensten zusammenarbeiten.<br />

Das Uni-Spital ist eben ein sehr grosses Spital.<br />

Wenn wir zum Beispiel mit einem Patienten<br />

ins Röntgen müssen, braucht das<br />

seine Zeit.<br />

Wie argumentieren Sie dann?<br />

Pflegeplanung und -dokumentation sind<br />

Teil unserer Aufgaben. Es ist aus rechtlichen<br />

Gründen und für die Qualität der Behandlung<br />

wichtig. Und die Kolleginnen der<br />

nachfolgenden Schicht müssen wissen,<br />

was ich bei den Patienten gemacht habe.<br />

Wie viele Patienten betreuen Sie?<br />

Ich habe erst diese Woche auf der Unfallchirurgie<br />

begonnen, zurzeit bin ich für<br />

ein bis zwei Patienten nach leichteren<br />

Operationen verantwortlich.<br />

Was finden Sie am Uni-Spital besonders?<br />

Ich habe noch keinen Vergleich, weil<br />

ich alle Praktika hier machte. Das erste<br />

auf der Neurologie und das zweite in der<br />

Wochenklinik, in der ich Patienten vor<br />

und nach Untersuchungen am Herzen, an<br />

der Lunge oder an den Gefassen betreute.<br />

Wohin zieht es Sie nach der Ausbildung?<br />

Ich kann mir gut vorstellen, in einer<br />

Klinik zu arbeiten, wo auch Alternativmedizin<br />

zur Anwendung kommt.<br />

Wieso interessiert Sie das?<br />

Ich denke, dass die Patienten in Zukunft<br />

Weil es hektischer ist?<br />

Ja, die Patienten kommen und gehen<br />

viel schneller wieder.


Tages-Anzeiger - Samstag, 19. September 2009<br />

«Ich kann sehr gut nachvollziehen<br />

Seit Katharina Schmid (22) als<br />

Kind im Spital operiert worden<br />

ist, will sie Pflegefachfrau<br />

werden. In einem halben Jahr<br />

ist es so weit. Der Arbeitsmarkt<br />

wartet auf sie.<br />

kinder spezialisieren. Doch beim Eintrittsgespräch<br />

in die Schule riet man mir zur<br />

Akutsomatik. Ich hatte zuerst die Lehre<br />

zur Fachangestellten Gesundheit (Fage) in<br />

einem Alters- und Pflegeheim gemacht,<br />

und da meinten sie, der Ubergang wäre zu<br />

abrupt. Erwachsenenpflege im Spital war<br />

mir auch recht - Hauptsache ich konnte<br />

die höhere Fachschule machen.<br />

Patienten haben auch den Eindruck, dass<br />

die Pflegenden häufiger im Stationszimmer<br />

am Computer sitzen als am Bett pflegen.<br />

Nimmt die administrative Arbeit zu?<br />

Ich selber schreibe gern, deshalb nehme<br />

ich das nicht so wahr. Doch mit meinen<br />

Ausbildungskolleginnen diskutiere ich<br />

auch darüber. Da gibt es schon unterschiedliche<br />

Meinungen.<br />

Mit Katharina Schmid sprach<br />

Susanne Anderegg<br />

Diese Woche haben Pflegende gegen die<br />

geplante Lohnrevision demonstriert. Sie<br />

sind der Meinung, ihre Arbeit werde nicht<br />

gerecht bewertet. Wie sehen Sie das?<br />

Ich finde, wir verdienen vor allem während<br />

der Ausbildung zu<br />

wenig. Nur die halbjährigen<br />

Praktika sind bezahlt,<br />

mit 2600 Franken im Monat.<br />

Das muss fürs andere<br />

halbe Jahr auch noch reichen.<br />

«Am Pflegeberuf<br />

gefällt mir, dass ich<br />

mit vielen Menschen<br />

zusammenarbeite.»<br />

Da brauchen Sie wohl<br />

noch Unterstützung von<br />

den Eltern?<br />

Ich bin jetzt 22 und bekomme<br />

noch immer ein wenig Unterstützung<br />

von den Eltern. Ich wohne in einem<br />

günstigen Personalzimmer. Gross auszugehen<br />

oder neue Kleider zu kaufen, kann<br />

ich mir nicht leisten. Aber es ist ja eine befristete<br />

Zeit.<br />

Was werden Sie nachher verdienen?<br />

Der Anfangslohn einer Pflegefachfrau<br />

liegt bei rund 5500 Franken.<br />

Wollten Sie von Anfang an dorthin?<br />

Mit zwölf habe ich beschlossen, die<br />

Pflegeausbildung zu machen. Ich war operiert<br />

worden, und als ich aus der Narkose<br />

aufwachte, war das für mich klar. Ich<br />

sagte: Ich werde Krankenschwester. Und<br />

das habe ich bis jetzt durchgezogen.<br />

mehr Alternativmedizin wünschen. Sie<br />

Es läuft nichts: So empfinden viele Patientinnen<br />

scheinen zufriedener zu sein. Sie haben<br />

Der Weg zur Pflegefachfrau und Patienten den Spitalalltag, ist ziemlich<br />

den Eindruck, dass die Pflege mehr Zeit für<br />

lang, wo stehen Sie im Moment?<br />

Ich bin im dritten Jahr der höheren<br />

Fachschule, Ende März werde ich abschliessen.<br />

Eben habe ich mein drittes<br />

und letztes Praktikum angefangen, auf der<br />

vor allem wenn sie länger bleiben müssen. sie hat. Es kommt zum Beispiel gut an,<br />

wenn man ihnen einen Wickel macht.<br />

Auch die Psyche wird berücksichtigt. Das<br />

wird hier im Akutspital auch versucht,<br />

doch liegen die Schwerpunkte oft anders.<br />

Unfallchirurgie des Uni-Spitals.<br />

War das Ihr Wunsch?<br />

Ursprünglich wollte ich mich auf Klein-<br />

Haben Sie das Spital also<br />

positiv erlebt?<br />

Ich war als Kind und als<br />

Jugendliche schon oft im<br />

Spital - im Kinderspital<br />

sowie im Uni-Spital - und<br />

es war sehr eindrücklich<br />

als Patientin. Ich kann<br />

jetzt nachvollziehen, weshalb<br />

Patienten manchmal<br />

sehr speziell reagieren.<br />

Was meinen Sie mit speziell?<br />

Dass sie sich auch mal ärgern, bis hin<br />

zum Ausraster. Oder den Spitalkoller haben<br />

und motzen: Es läuft nichts, es bringt<br />

nichts, niemand versteht mich, was soll<br />

das überhaupt? Solche Sachen kann ich<br />

sehr gut nachvollziehen, das habe ich zum<br />

Teil selber durchgemacht - aber ich habe<br />

auch viel Positives erlebt.<br />

Weshalb entsteht dieser Eindruck?<br />

Weil wir meist mehrere Patienten<br />

gleichzeitig zu betreuen haben und mit verschiedenen<br />

Diensten zusammenarbeiten.<br />

Das Uni-Spital ist eben ein sehr grosses Spital.<br />

Wenn wir zum Beispiel mit einem Patienten<br />

ins Röntgen müssen, braucht das<br />

seine Zeit.<br />

Wie argumentieren Sie dann?<br />

Pflegeplanung und -dokumentation sind<br />

Teil unserer Aufgaben. Es ist aus rechtlichen<br />

Gründen und für die Qualität der Behandlung<br />

wichtig. Und die Kolleginnen der<br />

nachfolgenden Schicht müssen wissen,<br />

was ich bei den Patienten gemacht habe.<br />

Wie viele Patienten betreuen Sie?<br />

Ich habe erst diese Woche auf der Unfallchirurgie<br />

begonnen, zurzeit bin ich für<br />

ein bis zwei Patienten nach leichteren<br />

Operationen verantwortlich.<br />

Was finden Sie am Uni-Spital besonders?<br />

Ich habe noch keinen Vergleich, weil<br />

ich alle Praktika hier machte. Das erste<br />

auf der Neurologie und das zweite in der<br />

Wochenklinik, in der ich Patienten vor<br />

und nach Untersuchungen am Herzen, an<br />

der Lunge oder an den Gefassen betreute.<br />

Wohin zieht es Sie nach der Ausbildung?<br />

Ich kann mir gut vorstellen, in einer<br />

Klinik zu arbeiten, wo auch Alternativmedizin<br />

zur Anwendung kommt.<br />

Wieso interessiert Sie das?<br />

Ich denke, dass die Patienten in Zukunft<br />

Weil es hektischer ist?<br />

Ja, die Patienten kommen und gehen<br />

viel schneller wieder.


Eine Ombudsfrau für Senioren<br />

Die Alters- und Pflegeheim Hochdorf<br />

AG hat als erste Institution eine<br />

Ombudsstelle eingerichtet. Werner<br />

Grüter, Vorsitzender der Geschäftsleitung,<br />

erklärt weshalb.<br />

«Anzeiger Luzern»: Herr Grüter, aus welchem Bedürfnis<br />

heraus ist die unabhängige Ombudsstelle eingerichtet<br />

worden?<br />

Werner Grüter: Für uns ist das eine Angelegenheit der<br />

offenen Kommunikation und einem praxisorientierten<br />

Qualitätsmanagement beziehungsweise einem Qualitätsverständnis.<br />

Wir sind überzeugt, dass es in so wichtigen<br />

Organisationen wie dem Alters- und Pflegeheim<br />

Hochdorf wichtig ist eine Ombudsstelle zu haben. Vor<br />

allem weil wir hiertiefe persönliche Kontakte haben und<br />

sich die Beteiligten in schwierigen Fragen an eine entsprechende<br />

Stelle wenden können.<br />

Die Stelle ist durch Rita von Wartburg-Angehrn besetzt.<br />

Seit wann ist sie Ombudsfrau im Alters- und Pflegeheim<br />

Hochdorf?<br />

Frau von Wartburg ist seit Sommer 2009 als Ombudsfrau<br />

eingesetzt.<br />

Warum haben Sie sich für Frau von Wartburg<br />

entschieden?<br />

Die Integrität und die ausgezeichnete Ausbildung, welche<br />

Frau von Wartburg hat, zeichnet sie entsprechend<br />

aus. Sie besuchte diverse Weiterbildungen und ist unter<br />

anderem ausgebildete Mediatorin, was für diese Aufgabe<br />

von Vorteil ist. Zudem verfügt sie als ehemalige Gemeinderätin<br />

auch über einen hohen Bekanntheitsgrad. Sie ist<br />

eine wichtige Persönlichkeit, die anerkannt ist und sehr<br />

ernst genommen wird.<br />

Gab es ein reguläres Bewerbungsverfahren?<br />

Logischerweise haben wir sehr genau geprüft, wer für<br />

diese wichtige Funktion in Frage kommt.<br />

DifS6 Woche<br />

Ist es eine ehrenamtliche Arbeit?<br />

Es besteht eine klare vertragliche Regelung.<br />

Aber auf die Bewohner kommen keine zusätzlichen<br />

Kosten zu?<br />

Die Ombudsstelle versteht sich als unabhängig und<br />

grundsätzlich kostenlos.<br />

Welche Aufgaben nimmt Frau von Wartburg wahr?<br />

Sie steht allen unseren Bewohnerinnen und Bewohnern,<br />

den Angehörigen sowie dem ganzen Personal bei Fragen<br />

und Anliegen zur Verfügung. Zudem soll sie mit ihrer<br />

Tätigkeit auch konstruktiv vermittelnd zwischen den<br />

Parteien wirken.<br />

Was sind das für Fragen und Anliegen?<br />

Solche, die nicht hausintern mit den zuständigen<br />

Führungskräften ordentlich geregelt werden können.<br />

Oder wenn in ausserordentlichen Situationen die<br />

internen Kommunikationswege und -mittel nicht<br />

ausreichen sollten.<br />

Haben Sie ein konkretes Beispiel?<br />

Es könnte zum Beispiel sein, dass sich Personen vielleicht<br />

nicht direkt über eine bestimmte Person äussern möchten<br />

und deshalb den indirekten Weg suchen.<br />

Das Vertrauen scheint hier also sehr wichtig zu sein.<br />

Ist Frau von Wartburg also eine Art Freundin für die<br />

Bewohner?<br />

Frau von Wartburg wird alle Anliegen neutral entgegennehmen<br />

und im Gespräch versuchen optimale Lösungen<br />

einzuleiten. Selbstverständlich arbeitet sie unter vollster<br />

Diskretion und Vertraulichkeit. Zudem steht Frau von<br />

Wartburg auch unter Schweigepflicht, was es den<br />

Bewohnern wohl einfacher macht auf sie zuzugehen.<br />

Ist dies nur ein Projekt oder soll die Ombudsfrau einen<br />

festen Platz im Betrieb einnehmen?<br />

Das ist für uns selbstverständlich eine feste Einrichtung.<br />

Sie steht jedoch nicht innerhalb des Betriebes, sondern<br />

als externe Fachperson zurVerfügung.<br />

Sie haben dabei eine Vorreiterrolle. Werden es Ihnen<br />

andere Betriebe gleichtun?<br />

Wir haben von verschiedenen Häusern Anfragen und<br />

Komplimente bekommen. Was uns natürlich freut und<br />

auch ein bisschen stolz macht. Auch die Organisation der<br />

Heime des Kantons interessiert sich dafür.<br />

Und wie reagieren die Bewohner auf die neue Frau an<br />

ihrer Seite?<br />

Frau von Wartburg wird auch von unseren Bewohnerinnen<br />

und Bewohnern sehr aberkannt und geschätzt.<br />

Interview: Katrin Werten<br />

Werner Grüter wurde 1954 geboren, ist verheiratet und Vater von<br />

zwei schulpflichtigen Kindern. Sein beruflicher Werdegang führte<br />

ihn ins Gesundheitswesen und in die Sport- und Freizeitbranche.<br />

Seit Januar 2009 ist er nun als Vorsitzender der Geschäftsleitung der<br />

Alters- und Pflegeheime Hochdorf AG tätig. In der Freizeit spielt er<br />

gerne Badminton, fährt Ski und segelt oder widmet sich seiner<br />

Familie.


wenn Patienten manchmal motzen»<br />

Derzeit ist viel die Rede vom drohenden<br />

Personalmangel. Macht es Ihnen Angst,<br />

wenn Sie hören, dass bald Zehntausende<br />

von Pflegefachleuten in den Spitälern fehlen?<br />

Darüber mache ich mir schon Gedanken.<br />

Einerseits kann ich sicher sein, dass<br />

ich immer einen Job habe. Anderseits<br />

frage ich mich, wie die Pflegequalität<br />

dann aussehen wird.<br />

Nochmals kurz gefragt: Was ist für Sie am<br />

Pflegeberuf attraktiv, und was ist weniger übernehme gerne Verantwortung, Man<br />

schön?<br />

muss bei der Arbeit immer den Kopf bei<br />

Mir gefällt, dass ich mit vielen verschiedenen<br />

Menschen zusammenarbeiten ist manchmal die interdisziplinäre Zu-<br />

der Sache haben. Mühsam in der Pflege<br />

kann - mit Patienten, mit Angehörigen, sammenarbeit. Da diskutieren wir dann<br />

im Team. Ich organisiere auch gerne und schon mal.<br />

Berufsinformation<br />

in den Spitälern<br />

Zürich. - Heute Samstag findet der<br />

dritte nationale Spitaltag statt, an<br />

dem sich auch einige Spitäler in der<br />

Region Zürich beteiligen. Der Spitaltag<br />

steht unter dem Motto «Jobs mit<br />

Kopf und Herz» und hat zum Ziel,<br />

Nachwuchs für die Gesundheitsberufe<br />

zu fördern.<br />

Im Stadtspital Triemli geben<br />

leitende Mitarbeitende von 10 bis<br />

18 Uhr Auskunft, und im Eingangsbereich<br />

gibt es eine Diashow. Das Spital<br />

Bülach informiert im Mehrzweckraum<br />

zwischen 9 und 13 Uhr über die<br />

vielfältigen Ausbildungsmöglichkeiten.<br />

Im Kantonsspital Baden präsentieren<br />

die Lehrlinge ihre Lehrstellen<br />

von 10 bis 15 Uhr in der Eingangshalle.<br />

Die Privatklinik Bethanien<br />

zeigt ihr Ausbildungsangebot zwischen<br />

14 und 17 Uhr. Die Klinik Im<br />

Park ist von 9 bis 16 Uhr im Hauptbahnhof<br />

Zürich mit einem Stand präsent.<br />

Das Spital Zollikerberg macht<br />

eine Standaktion in den Stadtkreisen<br />

7 und 8 und in Zollikon.<br />

Das Universitätsspital Zürich<br />

stellt sich in einer Beilage im heutigen<br />

«Tages-Anzeiger» als Ausbildungsspital<br />

vor. Es hat 120 Lehrstellen<br />

und ebenso viele Praktikumsplätze,<br />

wovon sich 80 in der Pflege<br />

befinden. Dazu kommen über 700<br />

Weiterbildungsplätze, 110 für Pflegende,<br />

der Rest sind Assistenzarztstellen.<br />

(an)


Spitäler<br />

Sie müssen<br />

Der Bund plant Massnahmen<br />

gegen den Fachkräftemangel<br />

im Gesundheitsbereich.<br />

Doch der Spitalverband<br />

HPIus wehrt sich gegen<br />

den Lehrstellenzwang.<br />

Lehrstellen schaffen<br />

VON BENNO TUCHSCHMID<br />

Der Schweiz droht der Pflegenotstand:<br />

Bis zum Jahr 2020 braucht es 25 000 bis<br />

48 000 zusätzliche Gesundheits-Fachkräfte<br />

- davon 80 bis 90 Prozent im<br />

Bereich Pflege und Betreuung. Zu diesem<br />

Resultat kommt eine Studie des<br />

Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums<br />

(Obsan). Der Grund dafür: Die<br />

Schweizer werden immer älter und damit<br />

immer pflegebedürftiger.<br />

Bundesrätin Doris Leuthard hat den<br />

Handlungsbedarf erkannt. Das Gesundheitswesen<br />

bezeichnet Leuthard<br />

als Wachstumsmarkt, «der auch in der<br />

Krise Chancen bietet». Im Rahmen der<br />

fünften Lehrstellenkonferenz in Baden<br />

stellte Leuthard gestern Massnahmen<br />

Rund ein Drittel des<br />

Personals in Spitälern<br />

ist aus dem Ausland.<br />

vor, um den Personalmangel im Gesundheitswesen<br />

zu bekämpfen.<br />

• Ab 2012 soll im Pflegebereich eine<br />

zweijährige Attesüehre - eine bessere<br />

Anlehre - angeboten werden. Damit<br />

soE der Pflegeberuf auch für weniger<br />

qualifiziertes Personal aufgewertet werden.<br />

Gleichzeitig soll die Ausbildung die<br />

Qualität steigern.<br />

• Mit einer Informationskampagne sollen<br />

Jugendliche für eine Ausbildung im<br />

Gesundheitsbereich gewonnen werden.<br />

• Sogenannte Lehrstellenförderer sollen<br />

im Gesundheitswesen Lehrstellen<br />

akquirieren und dafür sorgen, dass<br />

mehr Stellen angeboten werden.<br />

• Durch spezielle Ausbildungsangebote<br />

sollen Quereinsteiger aus anderen<br />

Berufen gefördert werden.<br />

Gerade von der Attestlehre erhofft<br />

sich Leuthard mehr Nachwuchs in der<br />

Pflege. Heute ist rund ein Drittel des<br />

Personals in Spitälern aus dem Ausland<br />

- weil in der Schweiz der Nachwuchs<br />

fehlt. Die Attestlehre soll hier Abhilfe<br />

schaffen. Damit es nicht bloss bei der<br />

guten Absicht bleibt, will die Lehrstellenkonferenz<br />

Kliniken und Pflegeinstitutionen<br />

zum Anbieten von Lehrstellen<br />

verpflichten. Gemäss Krankenversicherungsgesetz<br />

können Gesundheitsinstitutionen<br />

gezwungen werden, gewisse<br />

Auflagen zu erfüllen, um in eine kantonale<br />

Spital- oder Pflegeinstitutionsliste<br />

aufgenommen zu werden. «Das ist ein<br />

griffiges Instrument», sagt Leuthard.<br />

Nur Institutionen, die auf dieser Liste<br />

stehen, sind zur Krankenversicherung<br />

zugelassen. Gegen diese Ausbildungsverpflichtung<br />

wehrt sich aber der Spitalverband<br />

HPIus. «Wir sind gegen<br />

einen Ausbildungszwang. Allerdings<br />

müssen wir dafür sorgen, dass Spitäler,<br />

die ausbilden, dafür entschädigt und<br />

somit nicht schlechter behandelt werden<br />

als solche, die nicht ausbilden»,<br />

sagt Bernhard Wegmüller, Direktor von<br />

HPIus und gleichzeitig Präsident des<br />

Obsan. Laut Wegmüller braucht es<br />

schlicht eine Minimalmenge an Personal,<br />

um überhaupt Ausbildungsstellen<br />

in Spitälern anbieten zu können.<br />

5000 freie Lehrstellen<br />

Derweil ist die Lage auf dem Lehrstellenmarkt<br />

stabil geblieben. Ende August<br />

besetzten die Firmen 82 000 Lehrstellen,<br />

wie aus dem gestern veröffentlichten<br />

Lehrstellenbarometer hervorgeht. 5000<br />

Ausbildungsplätze waren noch offen.<br />

NACHGEFRAGT<br />

«Viele Ungelernte<br />

mit Potenzial»<br />

bei Volkswirtschaftsministerin<br />

Doris Leuthard<br />

Frau Bundesrätin Leuthard, heute<br />

braucht offenbar jeder Pfleger einen<br />

Hochschulabschluss...<br />

Doris Leuthard: Es gibt tatsächlich<br />

einen Trend zur Akademisierung.<br />

Gerade in der Romandie, wo, man<br />

die höhere Berufsbildung nicht<br />

kennt, sondern nur gerade die<br />

Fachhochschule.<br />

Mit der Einführung der Attestlehre<br />

wird dieser Trend zur Akademisierung<br />

aber doch weiter gefördert.<br />

Leuthard: Keineswegs/Es braucht<br />

nicht für alle Aufgaben Leute, die<br />

sieben Jahre in Ausbildung waren.<br />

Mit der Attestlehre wollen wir ein<br />

Konzept einführen, das eine zweijährige<br />

und eine dreijährige Ausbildung<br />

anbietet.<br />

Gibt es denn genügend Schweizer<br />

Jugendliche, die sich für eine zweijährige<br />

Attestlehre im Pflegebereich<br />

interessieren?<br />

Leuthard: Ja, denn wir haben<br />

heute in diesem Bereich rund 30<br />

Prozent Ungelernte, Leute die gar<br />

keine sekundäre Ausbildung haben.<br />

Und die würden den schulischen<br />

Anforderungen dieser zweijährigen<br />

Ausbildung entsprechen?<br />

Leuthard: Es gibt sicher Leute, für<br />

die es schwierig wäre. Aber es gibt<br />

auch viele Ungelernte mit Potenzial,<br />

die man via Passerelle in die Ausbildung<br />

führen könnte. Manche Menschen<br />

haben nun mal keinen grossen<br />

schulischen Rucksack. Genau die<br />

können sich via Attestlehre weiterentwickeln.<br />

BENNO<br />

TUCHSCHMIED


Spitäler<br />

ÄÄ^r Lehrstellen schallen<br />

Sie müssen<br />

Der Bund plant Massnahmen<br />

gegen den Fachkräfteman- -w- . "1 • f!C_<br />

HPIus wehrt sich gegen<br />

den Lehrstellenzwang.<br />

VON BENNO TUCHSCHMID<br />

Der Schweiz droht der Pflegenotstand:<br />

Bis zum Jahr 2020 braucht es 25 000 bis<br />

48 000 zusätzliche Gesundheits-Fachkräfte<br />

- davon 80 bis 90 Prozent im<br />

Bereich Pflege und Betreuung. Zu diesem<br />

Resultat kommt eine Studie des<br />

Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums<br />

(Obsan). Der Grund dafür: Die<br />

Schweizer werden immer älter und damit<br />

immer pflegebedürftiger.<br />

Bundesrätin Doris Leuthard hat den<br />

Handlungsbedarf erkannt. Das Gesundheitswesen<br />

bezeichnet Leuthard<br />

als Wachstumsmarkt, «der auch in der<br />

Krise Chancen bietet». Im Rahmen der<br />

fünften Lehrstellenkonferenz in Baden<br />

stellte Leuthard gestern Massnahmen<br />

1<br />

Rund ein Drittel des<br />

Personals in Spitälern<br />

ist aus dem Ausland.<br />

vor, um den Personalmangel im Gesundheitswesen<br />

zu bekämpfen.<br />

• Ab 2012 soll im Pflegebereich eine<br />

zweijährige Attestlehre - eine bessere<br />

Anlehre - angeboten werden. Damit<br />

soll der Pflegeberuf auch für weniger<br />

qualifiziertes Personal aufgewertet werden.<br />

Gleichzeitig soll die Ausbildung die<br />

Qualität steigern.<br />

• Mit einer Informationskampagne sollen<br />

Jugendliche für eine Ausbildung im<br />

Gesundheitsbereich gewonnen werden.<br />

• Sogenannte Lehrstellenförderer sollen<br />

im Gesundheitswesen Lehrstellen<br />

akquirieren und dafür sorgen, dass<br />

mehr Stellen angeboten werden.<br />

• Durch spezielle Ausbildungsangebote<br />

sollen Quereinsteiger aus anderen<br />

Berufen gefördert werden.<br />

Gerade von der Attestlehre erhofft<br />

sich Leuthard mehr Nachwuchs in der<br />

Pflege. Heute ist rund ein Drittel des<br />

Personals in Spitälern aus dem Ausland<br />

- weil in der Schweiz der Nachwuchs<br />

fehlt. Die Attestlehre soll hier Abhilfe<br />

schaffen. Damit es nicht bloss bei der<br />

guten Absicht bleibt, will die Lehrstellenkonferenz<br />

Kliniken und Pflegeinstitutionen<br />

zum Anbieten von Lehrstellen<br />

verpflichten. Gemäss Krankenversicherungsgesetz<br />

können Gesundheitsinstitutionen<br />

gezwungen werden, gewisse<br />

Auflagen zu erfüllen, um in eine kantonale<br />

Spital- oder Pflegeinstitutionsliste<br />

aufgenommen zu werden. «Das ist ein<br />

griffiges Instrument», sagt Leuthard.<br />

Nur Institutionen, die auf dieser Liste<br />

stehen, sind zur Krankenversicherung<br />

zugelassen. Gegen diese Ausbildungsverpflichtung<br />

wehrt sich aber der Spitalverband<br />

HPIus. «Wir sind gegen<br />

einen Ausbildungszwang. Allerdings<br />

müssen wir dafür sorgen, dass Spitäler,<br />

die ausbilden, dafür entschädigt und<br />

somit nicht schlechter behandelt werden<br />

als solche, die nicht ausbilden»,<br />

sagt Bernhard Wegmüller, Direktor von<br />

HPIus und gleichzeitig Präsident des<br />

Obsan. Laut Wegmüller braucht es<br />

schlicht eine Minimalmenge an Personal,<br />

um überhaupt Ausbildungsstellen<br />

in Spitälern anbieten zu können.<br />

5000 freie Lehrsteilen<br />

Derweil ist die Lage auf dem Lehrstellenmarkt<br />

stabil geblieben. Ende August<br />

besetzten die Firmen 82 000 Lehrstellen,<br />

wie aus dem gestern veröffentlichten<br />

Lehrstellenbarometer hervorgeht. 5000<br />

Ausbildungsplätze waren noch offen.<br />

NACHGEFRAGT<br />

«Viele Ungelernte<br />

mit Potenzial»<br />

bei Volkswirtschaftsministerin<br />

Doris Leuthard<br />

Frau Bundesrätin Leuthard, heute<br />

braucht offenbar jeder Pfleger einen<br />

Hochschulabschluss...<br />

Doris Leuthard: Es gibt tatsächlich<br />

einen Trend zur Akademisierung.<br />

Gerade in der Romandie, wo, man<br />

die höhere Berufsbildung nicht<br />

kennt, sondern nur gerade die<br />

Fachhochschule.<br />

Mit der Einführung der Attestlehre<br />

wird dieser Trend zur Akademisierung<br />

aber doch weiter gefördert.<br />

Leuthard: Keineswegs. Es braucht<br />

nicht für alle Aufgaben Leute, die<br />

sieben Jahre in Ausbildung waren.<br />

Mit der Attesüehre wollen wir ein<br />

Konzept einführen, das eine zweijährige<br />

und eine dreijährige Ausbildung<br />

anbietet.<br />

Gibt es denn genügend Schweizer<br />

Jugendliche, die sich für eine zweijährige<br />

Attestlehre im Pflegebereich<br />

interessieren?<br />

Leuthard: Ja, denn wir haben<br />

heute in diesem Bereich rund 30<br />

Prozent Ungelernte, Leute die gar<br />

keine sekundäre Ausbildung haben.<br />

Und die würden den schulischen<br />

Anforderungen dieser zweijährigen<br />

Ausbildung entsprechen?<br />

Leuthard: Es gibt sicher Leute, für<br />

die es schwierig wäre. Aber es gibt<br />

auch viele Ungelernte mit Potenzial,<br />

die man via Passerelle in die Ausbildung<br />

führen könnte. Manche Menschen<br />

haben nun mal keinen grossen<br />

schulischen Rucksack. Genau die<br />

können sich via Attestlehre weiterentwickeln.<br />

BENNO<br />

TUCHSCHMIED


In Altersheimen droht der Pflegenotstand<br />

Die Zahl der Demenzkranken<br />

nimmt zu, doch die Rekrutierung<br />

des Pflegepersonals wird immer<br />

schwieriger. Bis 2020 werden<br />

15 000 Fachkräfte fehlen.<br />

Übergriffe könnten sich häufen.<br />

Von Beat Bühlmann<br />

Die Zahlen sind alarmierend. Aufgrund<br />

der Alterung müssten innert zehn Jahren<br />

im Gesundheitsbereich mindestens 25 000<br />

zusätzliche Fachkräfte eingestellt werden.<br />

Laut einem Alternativszenario wären es<br />

sogar 33 000 Stellen, wie eine aktuelle Studie<br />

des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums<br />

(Obsan) festhält (TA vom<br />

26.2.). Das heisst: Der Personalbestand<br />

müsste für Spitäler, Spitex und Pflegeheime<br />

um 13 bis 25 Prozent aufgestockt<br />

werden (siehe Grafik). Erschwerend fällt<br />

ins Gewicht, dass im nächsten Jahrzehnt<br />

60 000 Pflegefachleute in Pension gehen.<br />

Am stärksten nimmt der Personalbedarf<br />

in den Alters- und Pflegeheimen zu. Sie<br />

Pflegeheime brauchen 15 000<br />

zusätzliche Angestellte<br />

Zuwachs bis 2020 in % gemäss Refererizszenario<br />

Bevölkerung<br />

+34%<br />

65 Jahre<br />

und<br />

älter<br />

+2%<br />

Spitäler<br />

Pflegebedarf<br />

+20%<br />

Spitex-<br />

Dienste<br />

TA-Grafik ib / Quelle: Bundesamt für Statistik<br />

+30%<br />

Tage in<br />

Altersund<br />

heimen<br />

Stellenbedarf<br />

+13%<br />

Total<br />

Vollzeitstellen<br />

benötigen bis 2020 mindestens 15 000 zusätzliche<br />

Angestellte. Denn die Bevölkerung<br />

im Rentenalter wächst in diesem<br />

Jahrzehnt um 400 000 Personen (plus<br />

34 Prozent), und unter den Hochbetagten<br />

wird der Anteil an Demenzkranken stark<br />

zunehmen. Doch ausgerechnet bei der stationären<br />

Alterspflege ist es bereits heute<br />

schwierig, qualifiziertes Personal zu finden.<br />

«Aus Spargründen wird das Pflegefachpersonal<br />

zunehmend durch weniger<br />

qualifiziertes ersetzt», kritisiert Elsbeth<br />

Wandeler, Geschäftsleiterin des Schweizerischen<br />

Berufsverbandes für Pflegefachfrauen<br />

und Pflegefachmänner (<strong>SBK</strong>).<br />

So werde zunehmend ausländisches<br />

Personal, vermehrt aus europäischen Ländern<br />

und aus Asien, zu einem tieferen<br />

Stundenansatz beschäftigt. Diese Pflegerinnen<br />

seien jedoch im Umgang mit hochbetagten,<br />

gebrechlichen und mental eingeschränkten<br />

Heimbewohnerinnen oft überfordert<br />

- nicht nur aus sprachlichen Gründen.<br />

«Wer Demenzkranke pflegt, müsste<br />

auch den kulturellen Hintergrund der Patienten<br />

kennen.» Mangelt es künftig an<br />

fachkundigem Personal, seien vermehrt<br />

Übergriffe wie sie im Zürcher Pflegeheim<br />

Entlisberg zutage kamen, zu befürchten.<br />

Die neusten Obsan-Zahien hat die <strong>SBK</strong>-<br />

Geschäftsleiterin jedenfalls mit einem<br />

«mulmigen Gefühl» zur Kenntnis genommen.<br />

«Es droht eine akute Personalnot»,<br />

sagt Wandeler, «die gute Pflege im Alter<br />

ist mittelfristig infrage gestellt.»<br />

Pflegebedürftige tragen Folgen<br />

«Die dramatische Prognose sollte uns<br />

aufrütteln», bestätigt der Berner Geriatrieprofessor<br />

Andreas Stuck. Er habe schon<br />

heute die grösste Mühe, das nötige Pflegepersonal<br />

zu rekrutieren. Trotzdem könne<br />

man in der Schweiz noch nicht von einem<br />

Notstand sprechen. Auch im Zürcher Fall<br />

scheine es keinen Zusammenhang zu geben<br />

mit einem Mangel an Personal. Die<br />

Obsan-Studie werde jedoch in ihrer Tragweite<br />

unterschätzt. «Schon in zehn Jahren<br />

könnte es für die Alterspflege prekär werden»,<br />

befürchtet Andreas Stuck. «Die Folgen<br />

für pflegebedürftige Personen wären<br />

dramatisch, wenn uns plötzlich das qualifizierte<br />

Personal fehlt.» Was tun? Der Pflegeberuf<br />

müsse für junge Leute und Wiedereinsteigerinnen<br />

aufgewertet und durch<br />

attraktive Rahmenbedingungen gefördert<br />

werden. Es brauche einen kreativeren<br />

Umgang mit neuen Technologien, neue<br />

Betreuungsfojmen, eine bessere Unterstützung<br />

von Angehörigen und zeitgemässe<br />

Ausbildungsmodelle für das medizinische<br />

Fachpersonal. «In Zürich gibt es<br />

nach wie vor keinen Lehrstuhl für Geriatrie»,<br />

bemängelt Stuck, «da besteht dringender<br />

Handlungsbedarf.»<br />

Alterspflege aufwerten<br />

Markus Leser, Leiter Fachbereich Alter<br />

beim Heimverband Curaviva, wünscht<br />

sich ebenfalls mehr gesellschaftliche Anerkennung<br />

für die Alterspflege. «Die Arbeit<br />

im Heim ist nicht ausschliesslich belastend,<br />

und es dreht sich nicht alles um<br />

die Demenz und das Sterben.» Curaviva<br />

werde jedenfalls alles unternehmen, um<br />

gutes Personal zu rekrutieren; der Verband<br />

habe soeben eine neue Stelle für<br />

«Human Resources» geschaffen. Wenn<br />

man den Pflegeberuf aufwerten wolle,<br />

brauche es auch Systemkorrekturen. So<br />

werde die Krankenversicherung immer<br />

mehr auf medizinische Pflegeleistungen<br />

beschränkt. «Doch die Spritze ist nicht immer<br />

mehr wert als ein einfühlsames Gespräch»,<br />

sagt Leser.<br />

Auch die 73-jährige Angeline Fankhauser,<br />

Kopräsidentin der Seniorenvereinigung<br />

Vasos, wünscht sich eine weniger<br />

medizinische und mechanistische Pflege.<br />

«So geht nur die menschliche Kompetenz<br />

verloren.» Gefragt seien Lebensbegleiter<br />

fürs Alter, kleinere Pflegewohngruppen<br />

und vielleicht auch die persönliche Assistenz,<br />

um das Wohnen zu Hause zu ermöglichen.<br />

Und woher das Geld nehmen fürs<br />

Personal? «Das Schläueste wäre, die Erbschaftssteuer<br />

wieder einzuführen», sagt<br />

die frühere SP-Nationalrätin.

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