EVANGELiScHES bERAtUNGSZENtRUM - EBZ München
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25<br />
2.4 Gedanken zum Gelingen von „High-conflict Beratung“<br />
Die Beratung von hoch-konflikthaften Trennungs- und<br />
Scheidungsfamilien gehört seit Jahren zu unserem Arbeitsalltag<br />
in der EB. Im Rahmen der Umsetzung der Beratung<br />
nach dem Münchner Modell und durch eine interne<br />
Fortbildung mit Frau Norman vom Familiennotruf München<br />
sowie die Teilnahme an einer Studie des Deutschen Jugendinstituts<br />
(„Kinderschutz bei hochstrittiger Elternschaft“) ermutigt,<br />
beschreiben wir unsere Erfahrungen und Gedanken<br />
zu einem inzwischen etwas veränderten Vorgehen bei diesen<br />
Beratungen.<br />
Die Ausgangsbedingungen einer high-conflict Beratung...<br />
Unter High-Conflict-Fällen verstehen wir die Arbeit mit Trennungs-<br />
bzw. Scheidungseltern, deren Kommunikation nicht<br />
nur aus gegenseitigen Drohgebärden besteht, sondern bei<br />
denen es zu wiederholten konkreten Einschränkungen kam,<br />
meist im Bereich des Umgangs mit den Kindern, was immer<br />
wieder zur Anrufung des Familiengerichts geführt hat. Das<br />
Konfliktniveau dieser Paare bezogen auf eine Skala von 1<br />
bis 8 befindet sich mindestens auf Stufe 6 (nach Glasl) oder<br />
sogar darüber. Leidtragende dieser Konflikte sind die Kinder,<br />
die mit hineingezogen und als Bündnispartner missbraucht<br />
werden. Zur Rechtfertigung ihrer Sichtweise verwenden die<br />
Eltern die Sorge um das Kind. Sie argumentieren, dass sie im<br />
Interesse des Kindes sprechen und explizit dessen Sichtweise<br />
vertreten. Eine Differenzierung zwischen eigenen Bedürfnissen<br />
und denen des Kindes findet nur noch begrenzt statt.<br />
Mediative Maßnahmen und herkömmliche Formen der Beratung,<br />
die zu einer Einigung in Form einer gemeinsamen verbindlichen<br />
Vereinbarung zwischen den Eltern hätten führen<br />
sollen, sind gescheitert. Meist gibt es zwar eine formale Vereinbarung,<br />
die aber in der Praxis oft nicht eingehalten wird.<br />
Die Gründe dafür werden wiederum mit Argumenten aus der<br />
angeblichen Sicht des Kindes versehen. Da diese Argumentation<br />
beide Eltern jeweils diamentral gegenläufig verwenden,<br />
ist zwischen den Eltern meist eine Pattsituation entstanden,<br />
die zu einer Verhärtung der Fronten geführt hat und ein gegenseitiges<br />
Entgegenkommen zunächst unmöglich macht.<br />
Dies ist die Ausgangssituation für die Anmeldung bei uns.<br />
Das Annehmen der Beratung ist mit einem gewissen Druck<br />
auf die Eltern von Seiten des Gerichts bzw. des Jugendamts<br />
verbunden. Die Eltern melden sich dabei vor allem aufgrund<br />
der dringenden Empfehlung des Gerichtes oder Jugendamtes<br />
an. Es handelt sich dabei um eine gewisse Form der Zwangsberatung.<br />
... erfordern eine therapeutische Haltung auf Beraterseite<br />
Im Gegensatz zur herkömmlichen Trennungs- und Scheidungsberatung<br />
bzw. der freiwilligen Mediation gehen wir<br />
an die high-conflict Beratung mit einer therapeutischen<br />
Haltung heran und weniger mit einer formal zwischen den<br />
Elternteilen vermittelnden. Es hat sich gezeigt, dass einer der<br />
ursächlichen Gründe für die Konfliktverhärtung das subjektive<br />
Gefühl der erlebten Demütigung durch den anderen Elternteil<br />
ist. Dieser wird als existentiell bedrohlich erlebt. Die<br />
Reaktionen darauf sind gekennzeichnet durch eine rational<br />
nicht erklärbare Härte und Unbarmherzigkeit. Obwohl diese<br />
Gefühle offen zu Tage treten, sind sie meist außerhalb des<br />
reflexiven Bereiches der betroffenen Personen. Die Situation<br />
entspricht quasi einer Retraumatisierung alter, als existentiell<br />
bedrohlich erlebter Gefühle, die einen maximalen Schutz<br />
erfordern. Eine andere, nicht weniger massive Reaktion kann<br />
sich in Form von emotionalen Impulskontrollverlusten zeigen,<br />
z. B. durch heftige überraschende Affektausbrüche. Die<br />
Gekränktheit und die Verzweiflung treten also offen zu Tage,<br />
können aber rational nicht bearbeitet oder thematisiert werden,<br />
weil dies wiederum zu bedrohlich wäre. Der durch sein<br />
© Rico Kühnel / pixelio<br />
Verhalten bzw. durch seine pure körperliche Anwesenheit<br />
das Verhalten des anderen auslösende Elternteil fühlt sich<br />
ebenfalls diesen Affekten hilflos ausgeliefert und versucht<br />
manchmal durch extreme Reaktionen seinerseits die erlebte<br />
Bedrohung abzuwehren. Hierzu gehören z. B. Drohgebärden<br />
und/oder ebenfalls eine kompromisslose Form der Härte und/<br />
oder scheinbar weiche Gesten des Entgegenkommens, die<br />
aus der konflikthaften Beziehungsgeschichte stammen. So<br />
steigert sich das Erleben wechselseitig und kann zu tatsächlichen<br />
oder angedrohten Kontaktabbrüchen führen.