EVANGELiScHES bERAtUNGSZENtRUM - EBZ München
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24<br />
2.3 Die Ressourcen stehen an erster Stelle<br />
Beratung von Klient/innen mit Traumafolgestörungen<br />
In den letzten Jahren kann die EFL eine Zunahme von<br />
Ratsuchenden mit (chronifizierten) posttraumatischen<br />
Folgestörungen beobachten. In Reaktion darauf hat sich<br />
das Team zu diesem Thema ein Basiswissen angeeignet und<br />
eine Beraterin mit traumatherapeutischer Zusatzausbildung<br />
als „Spezialistin“ in der Fallintervision festgelegt. Selten<br />
kommen Klient/innen wegen eines Traumas, sondern<br />
das Trauma wird im Laufe des Beratungsprozesses so<br />
offensichtlich, dass es zum Thema wird. Anzeichen für das<br />
Vorliegen einer Traumatisierung sind oft Stagnation des<br />
Beratungsprozesses, völlig irrationales Argumentieren oder<br />
Abgleiten in heftige Affekte, wobei die Klient/innen in diesen<br />
Überflutungszuständen unerreichbar sind für klassische<br />
Interventionen der Beraterin bzw. des Beraters.<br />
Traumatisierte Menschen schützen sich oft durch den Versuch<br />
„normal“ zu erscheinen, um nicht für „verrückt“ gehalten zu<br />
werden. Sie selbst halten sich meist für verrückt. Sie hoffen,<br />
dadurch den Schmerz zu vermeiden und das Unaushaltbare<br />
nicht spüren zu müssen. Sie haben den Wunsch nach<br />
Orientierung, Sicherheit, Kontrolle, Wiederherstellung<br />
der Normalität und Schutz vor den sich aufdrängenden<br />
Trauma–Bildern. Dies legt für den Kontakt und die Beratung<br />
dieser Klient/innen einen bestimmten Rahmen nahe:<br />
Die Basis bildet psychotraumatologisches Fachwissen<br />
(Theorie und Interventionstechnik) bei den Berater/innen.<br />
In der Behandlungstechnik haben die Wiederherstellung<br />
von Sicherheit (insbes. bzgl. Täterkontakten) sowie die<br />
Stärkung von Stabilität und von vorhandenen Ressourcen<br />
oberste Priorität. Eine weitere interventionstechnische<br />
Besonderheit besteht darin, dass wir als Berater/innen die<br />
sogenannten Trigger (meist sensorische Reize, die während<br />
der Traumatisierung da waren und den Klient/innen aus dem<br />
Heute in das Dort und Damals des Traumas katapultieren)<br />
nicht kennen. Deshalb sollte der/die Berater/in bei einem<br />
traumaadaptierten Vorgehen, den Klient/innen immer<br />
die inhaltliche Wahl lassen (also nicht nachbohren nach<br />
Inhalten und Details) und auch Deutungen als Angebot<br />
formulieren. Dies führt bei dem/der Klient/in zu einem<br />
Aufbau von Selbstwirksamkeit und Entscheidungsfreiheit<br />
und damit Kontrolle–Haben. Als beraterische Haltung sind<br />
Wertschätzung, Respekt und wohlwollender, empathischer<br />
Abstand im Sinne von Achtung vor den Grenzen des Anderen<br />
gefragt. Für viele Traumatisierte sind Beziehungen vergiftet<br />
durch Ausbeutung, Missbrauch und Grenzüberschreitung.<br />
Es gibt eine Reihe von häufig beobachtbaren Phänomenen<br />
bei diesen Klient/innen: Es jagt eine Katastrophe die<br />
nächste. Jede Situation wird unbewusst familialisiert<br />
(alle sozialen Situationen werden als Duplikat der<br />
Ursprungsfamilienbeziehungen erlebt), was zu einer<br />
Reaktualisierung der traumatischen Situation führt. Auch ist<br />
alles immer sofort existentiell, es geht immer gleich um Leben<br />
und Tod. Oft „funken“ dem/der Ratsuchenden Täterintrojekte<br />
dazwischen, hauptsächlich in Selbstbildern wie: „Ich bin<br />
schlimm / unwert / böse ... es darf mir nicht gut gehen ... lass<br />
die schwafeln, das ist eh wieder eine unfähige Psychotante“<br />
(Entwertung der/des Berater/in). Schließlich spiegelt sich<br />
das Trauma auch in der Beratungsbeziehung: Oft erfassen<br />
/ erspüren traumatisierte Menschen ihr Gegenüber binnen<br />
Minuten und wissen fast alles von ihm. Das hat für den/<br />
die Helfer/in etwas Erschreckendes, Unheimliches, Invasives.<br />
Dem Gegenüber hat diese „Zwangsgabe“ im Damals das<br />
Überleben gesichert. Manchmal wird der/die Helfer/in zum<br />
„allmächtigen, rettenden, guten Objekt“. Das Gegenüber<br />
„klammert“ sich dann mit aller Kraft an. In der Resonanz fühlt<br />
sich der/die Herlfer/in dann oft vereinnahmt, verschluckt,<br />
missbraucht. Diese Szene zeigt uns etwas von der „Potenz“<br />
der Identifikation / Unterwerfung mit dem Täter während der<br />
Traumatisierung. In Resonanz auf diese Phänomene während<br />
der Beratungssituation muss der/die Berater/in eine Vielfalt<br />
von ausgelösten Gefühlen und Impulsen in sich containen und<br />
sortieren: Retterimpulse, Aktionismus und sich verbünden<br />
wollen mit dem/der Klient/in gegen den Rest der feindlichen<br />
Welt, Verwirrtheit und Hinterherhecheln, Hoffnungslosigkeit<br />
und Resignation, aversive Gefühle gegen den/die Klient/in<br />
wie Verachtung, Gewaltfantasien, sich abwenden wollen.<br />
Durch die emotionale Wucht der Traumainhalte sind<br />
Beratungen mit Traumahintergrund für die Berater/innen<br />
oft sehr anstrengend. Hier ist es wichtig, kontinuierlich für<br />
die eigenen Kräfte und das eigene Wohlbefinden als Berater/<br />
in zu sorgen, „Schleusen“ zwischen Arbeit und Privatsphäre<br />
einzubauen und sich bewusst im eigenen Leben und der<br />
eigenen Identität zu verwurzeln, zu entfalten und das Leben<br />
zu genießen bzw. genussvoll zu gestalten.<br />
Barbara Gollwitzer<br />
Ehe-, Familien- und Lebensberatung