EVANGELiScHES bERAtUNGSZENtRUM - EBZ München
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Herangehensweise („der Spaßfaktor“) aber auch die Wahrung<br />
von Grenzen – sowohl eigene als auch die der anderen – bzw.<br />
ein respektvoller Umgang miteinander. Das beinhaltet u. a.,<br />
dass niemand ausgelacht oder beleidigt wird und niemand<br />
sich rechtfertigen muss, wenn er an einer Übung nicht teilnehmen<br />
bzw. sich zu einem Thema nicht äußern möchte<br />
(Freiwilligkeitsprinzip). Die Orientierung an den Bedürfnissen<br />
der Klasse und eine verständliche, wertschätzende Sprache<br />
erleichtern zudem den Zugang zu den Kindern und Jugendlichen<br />
sowie den Transfer von der Informations- zur Handlungsebene.<br />
Wenn es uns gelingt, o. g. Aspekte im Klassenverband umzusetzen,<br />
dann ist die Bereitschaft, sich auf die Themen Liebe,<br />
Sexualität und Partnerschaft einzulassen, sehr groß. Dann<br />
wird es möglich, offen über Irritationen, Ängste, Unterschiede,<br />
Vorbehalte und konkrete Meinungen zu reden ohne<br />
moralische oder abwertende Reaktionen zu provozieren. Dabei<br />
treten vor allem bei den Jungen Themen wie Attraktivität,<br />
Potenz und die Sehnsucht bzw. der Druck, das „erste Mal“ zu<br />
erleben in den Vordergrund. Sie haben eine sehr körperliche<br />
Herangehensweise und ein überwiegend von Pornographie<br />
geprägtes Wissen. Ein Diskurs über Moral und Schädlichkeit<br />
von Pornos würde jedoch das Eingehen bzw. Vertiefen von jugendlichen<br />
Fragen, die auf pornographischen Konsum rückschließen<br />
lassen, erschweren bzw. unmöglich machen. Uns<br />
ist gerade das wertneutrale und unbefangene Gespräch über<br />
Pornographie wichtig, um den Kindern/Jugendlichen bei der<br />
Unterscheidung zwischen realistischer und fiktiver Sexualität<br />
behilflich zu sein.<br />
Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass biologische<br />
Fakten überhaupt nicht langweilen, wenn diese im Kontext<br />
der jugendlichen Erlebnis- und Erfahrungswelt stehen. So<br />
sind Fragen stets hochaktuell wie z. B.: Warum wird der Penis<br />
manchmal schlaff, obwohl man Lust hat? Weshalb funktioniert<br />
Nicht-Verhüten, obwohl es nicht funktionieren kann?<br />
Warum ist für Jungen die Penisgröße so wichtig, obwohl<br />
diese hinsichtlich der Befriedigung unwesentlich ist? Diese<br />
Fragen laden förmlich zu einer differenzierten Betrachtungsweise<br />
ein. Die Praxis zeigt, dass insbesondere Hauptschüler/<br />
innen sich auf diese Ebene einlassen, wenn auf ihre z. T. provokanten<br />
und irritierenden Fragen eingegangen wird. Hierbei<br />
ist die „Entschlüsselung“ der sich dahinter verbergenden eigentlichen<br />
Fragestellungen wesentlich. Bei Fragen nach Leistung<br />
und Technik ist für Jugendliche der Hinweis hilfreich,<br />
dass das Wesen der Sexualität eben nicht technisch bzw. leistungsorientiert<br />
ist. Dann sind auch männliche Jugendliche<br />
konzentriert dabei, wenn der Zusammenhang zwischen der<br />
körperlichen Sexualität und der Gefühlsebene thematisiert<br />
wird. Dass Frauen und Männer anders sind, braucht man niemanden<br />
zu sagen. Dass dieses Anderssein sich aber auch auf<br />
das sexuelle Erleben auswirkt und eine Annäherung bzw. ein<br />
gegenseitiges Verstehen nur auf der Basis von Verständnis<br />
und gegenseitiger Rücksichtsnahme möglich ist, ist für die<br />
meisten dagegen dann aber doch neu.<br />
Im Hauptschulkontext lässt sich auch das Thema „sexuelle<br />
Orientierung“ gut besprechen, wenn dies ohne „flammende“<br />
Plädoyers gegen Ausgrenzung erfolgt. Hauptschüler/innen<br />
haben ein gutes Gespür für „Zwischentöne“ und komplexe<br />
Zusammenhänge. Sie reagieren sehr positiv auf Aussagen<br />
wie, dass sexuelle Kompetenz nicht gleichbedeutend<br />
ist mit Ausprobieren vieler unterschiedlicher Sexualpartner/<br />
innen und –praktiken - und das am besten so früh und so<br />
oft wie möglich. Der Hinweis, dass sexuelle Erfahrenheit mit<br />
der Fähigkeit zusammenhängt, eigene Stimmungen, Gefühle<br />
und Grenzen - sowohl die eigenen als auch die der anderen -<br />
wahrnehmen zu können, kann entlastend wirken. Ebenso die<br />
Gedanken, dass Gefühle nie eindeutig sind und die sexuelle<br />
Entwicklung ein fortlaufender Prozess im Menschsein ist, der<br />
nicht irgendwann mit dem Einsetzen der Pubertät beginnt<br />
und im Erwachsenenalter abgeschlossen wird. Und dass „Pannen“<br />
dazugehören!<br />
Das sind viele Elemente und Gedanken, die auch in unserem<br />
Alltag als Sexualpädagog/innen ihre Entsprechung finden:<br />
Eine gute Vorbereitung und Strukturierung der Veranstaltungen<br />
und Kooperation mit den Lehrkräften tragen genauso<br />
für das Gelingen der Projekte bei wie die Bereitschaft sich auf<br />
den Prozess und auf die Begegnung mit den Jugendlichen<br />
einzulassen und Unvorhergesehenes geschehen zu lassen.<br />
Karl- Heinz Spring<br />
Schwangerschaftsberatung