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EVANGELiScHES bERAtUNGSZENtRUM - EBZ München

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JAHRES--------------<br />

EVANGELISCHES BERATUNGSZENTRUM<br />

bericht 2008<br />

-------


Jahresbericht 2008<br />

Evangelisches Beratungszentrum München e.V.<br />

Landwehrstraße 15/Rgb.<br />

80336 München<br />

Telefon (0 89) 5 90 48 - 0<br />

Telefax (0 89) 5 90 48 - 190<br />

mail@ebz-muenchen.de<br />

www.ebz-muenchen.de<br />

Das Spendenkonto:<br />

Evangelische Kreditgenossenschaft e.G. Kassel<br />

Kto. 340 20 29 (BLZ 520 604 10)


1<br />

Jahresbericht<br />

2008


3<br />

Editorial<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

ein volles Jahr 2008 liegt hinter uns mit vielen Aktivitäten,<br />

neuen Projekten und nicht zu vergessen der Feier des 50jährigen<br />

Jubiläums. Neben all den Anstrengungen standen immer<br />

wieder Momente der Fülle und der Feier. Ich bin dankbar<br />

für alle Begegnungen und Netzwerke, die deutlich machen,<br />

dass die Hilfe für Menschen mit komplexen Nöten nur in einem<br />

Verbund möglich ist.<br />

Menschen kommen zu uns mit ihren Fragen, mit Fragen und<br />

Nöten, die sie manchmal schon lange plagen, ihnen so zu eigen<br />

geworden, dass ihnen der Halt verloren geht. Der Boden<br />

wankt, manchmal wissen sie nicht einmal warum und von<br />

was. Darum gilt es neu das Hoffen zu lernen, sich ins Gelingen<br />

zu verlieben, sich von ihm antreiben und leiten zu lassen<br />

statt in der Furcht vor dem Scheitern zu erstarren.<br />

Für Beratungsprozesse werfen sich uns da immer wieder neue<br />

Fragen auf, denen die Artikel in diesem Jahresbericht nachgehen:<br />

Wie bei einem hochstrittigen Paar den Raum ermöglichen,<br />

dass Verstehen geschehen kann? Wie einem Menschen<br />

mit posttraumatischen Folgestörungen einen Zugang zu<br />

seinen Ressourcen eröffnen? Wie in einem Konflikt das ihm<br />

innewohnende kreative Potential schöpfen? Neben all den<br />

beraterischen Interventionstechniken und therapeutischen<br />

Kompetenzen ist dabei immer auch die persönliche Haltung<br />

von Bedeutung. Von Achtung, Respekt und Verständnis ist<br />

in dem Artikel über die sozialtherapeutische Kindergruppe<br />

die Rede. Achtung, Respekt und Verständnis sind auch die<br />

Grundhaltungen für all unser Arbeiten: mit den Klient/innen,<br />

in den Teams, in unseren Gremien. Sie legen die Grundlage,<br />

aus der heraus Menschen im ebz Heil erfahren können.<br />

ja seine Ganzheit in sich trägt, ein Fragment ist, in dem die<br />

Ganzheit gerade als Abwesende anwesend ist. In dieser Spannung,<br />

in dieser Bewegung der Unruhe die davon ausgeht, ist<br />

die Hoffnung ein Same, eine Leitschnur, eine Kraft. Dabei ist<br />

Hoffnung nicht Utopie, sondern wie die Ganzheit sich im<br />

Torso zeigt, bewegt der Affekt des Hoffens, „geht aus sich<br />

heraus, macht Menschen weit statt sie zu verengen, kann gar<br />

nicht genug von dem wissen, was sie inwendig gezielt macht,<br />

was ihnen auswendig verbündet sein mag“ (Ernst Bloch).<br />

So danke ich allen Mitarbeitenden des ebz für die vielen<br />

Schritte des Engagements und Einsatzes im vergangenen<br />

Jahr. Sie haben sich in der Unvollkommenheit des Torsos<br />

menschlichen Lebens samt den Strukturen, die unseren Arbeitsalltag<br />

mitbestimmen, immer wieder neu kritisch-konstruktiv<br />

auf den Weg nach vorne gewagt, getragen von dem<br />

Affekt der Hoffnung, der Sehnsucht nach Heil, inwendig gezielt<br />

und auswendig verbündet.<br />

Ich wünsche Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, viel Freude<br />

beim Lesen unseres diesjährigen Jahresberichts. Die kurzen<br />

Jahresberichte und Statistiken geben Ihnen einen Überblick<br />

über unsere Tätigkeit im vergangenen Jahr. Eindrücke vom<br />

Jubiläum erinnern an unsere Feier im Juli. In den Fachartikeln<br />

werden Aspekte unserer inhaltlichen Arbeit genauer beleuchtet<br />

und reflektiert.<br />

Gerborg Drescher<br />

Vorstand<br />

Die Sehnsucht nach den Heil-werden hat viel mit dem Prinzip<br />

Hoffnung zu tun oder anders, wie Ernst Bloch sagt: „Es<br />

kommt darauf an, das Hoffen zu lernen.“ Das Leben ist ein<br />

Wirken in Spannung zwischen dem Fragmentarischen und<br />

dem Vollkommenen. Durch seine Endlichkeit ist das Leben<br />

immer zugleich ein Bruchstück, ein Fragment. Wie ein Torso,<br />

der in seiner Unvollkommenheit über sich hinausweist,


Inhaltsverzeichnis<br />

Editorial<br />

1. Rückblick 2008 und Kurzstatistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

1.1. Beratung für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

1.2. Ehe-, Familien- und Lebensberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />

1.3. TelefonSeelsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

1.4. Pastoralpsychologische Supervision, Beratung und Fortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

1.5. Schwangerschaftsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

1.6. Präventionsangebote und Seminare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

1.7 Das ebz ist vernetzt mit ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

1.8 Das ebz ist Mitglied in ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

1.9 Das ebz wird finanziert durch ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

1.10 Der Freundeskreis des ebz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

2. Aspekte aus der Arbeit der Abteilungen des ebz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

2.1. „Warum muss man manchmal ein Kondom benutzen?“ – Erfahrungsbericht über Sexualpädagogik<br />

an Hauptschulen (SSB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />

2.2. Neue Dimensionen der Verunsicherung – Auswirkungen von Arbeitslosigkeit und Armut auf<br />

Partnerschafts- und Familiendynamik (EFL Neuperlach) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

2.3. Die Ressourcen stehen an erster Stelle – Beratung von Klient/innen mit Traumafolgestörungen . . . . . . . . . . . . . . 24<br />

(EFL Landwehrstrasse)<br />

2.4. Gedanken zum Gelingen von „High-Conflict Beratung“ (EB Landwehrstrasse) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

2.5. Gespräche auf der Grundlage von Traumawissen (TS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .27<br />

2.6. Konflikte in Kirchengemeinden – wie sie begleitet werden können (PPA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

2.7. Achtung, Respekt und Verständnis (EB Neuperlach) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

3. Jubiläum: 50 Jahre ebz - Ein Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

3.1. Eindrücke vom Jubiläum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

3.2. Postervorträge zum Jubiläum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

4. Pressespiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43


Rückblick 2008<br />

und Kurzstatistik<br />

5


6<br />

1.1 Die Beratung für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien im Jahr 2008<br />

Beratung, Prävention und Vernetzung<br />

Frühe Förderung bzw. Frühe Hilfen, die Arbeit mit hochstrittigen<br />

Elternpaaren, unsere Angebote in der Jugendberatung<br />

bzw. für Eltern von Jugendlichen und das Thema Schutzauftrag/Kindeswohlgefährdung<br />

– dies waren wesentliche<br />

Schwerpunkte unserer fachlich-konzeptionellen Arbeit im<br />

Jahr 2008.<br />

Unter dem Begriff „Frühe Förderung“ sind neben der regulären<br />

Beratung für die Zielgruppe der Eltern mit Kindern von<br />

0 bis 6 Jahren spezielle Angebote zusammengefasst. In unserer<br />

Erziehungsberatung sind dies seit langem die monatlichen<br />

Außensprechstunden in der evangelischen Familienbildungsstätte,<br />

die jährlichen Schulfähigkeitsuntersuchungen,<br />

ein individuelles Sozialkompetenztraining für kleine Kinder,<br />

ein kurzzeittherapeutisches Angebot für Kinder mit eng<br />

umgrenzter Symptomatik und seit Jahresbeginn auch die<br />

„Integrative Eltern-Säuglings/Kleinkind-Beratung (nach Papousek)“.<br />

Eltern mit Kindern von 0- 6 Jahren stellen 19 % unseres<br />

Klientels in der Beratungsstelle (davon 4% mit Kindern<br />

bis 3 Jahre). Auch 2008 fand das jährliche Vernetzungstreffen<br />

mit den Kindergärten der Sozialregion statt. Zusätzlich<br />

erreichen wir mit unserem psychologischen Fachdienst in<br />

den diversen Kinderkrippen der Sozialregion frühzeitig Eltern<br />

mit Kindern bis zu 3 Jahren. Die gemeinsame Bewerbung der<br />

ökumenischen Partner Caritas und ebz für die Trägerschaft<br />

des Schwerpunktdienstes Frühe Hilfen in der Sozialregion<br />

Ramersdorf-Perlach wurde leider von der Stadt München<br />

nicht berücksichtigt.<br />

Wir entwickelten 2008 unsere bisherige Trennungs-Scheidungsberatung<br />

weiter. Auch die fachliche Fortschreibung des<br />

„Münchner Modells“ in den Münchner Gremien gab Anregungen.<br />

Das „Münchner Modell“ startete im Januar. Es beinhaltet<br />

die Überweisung von solchen Eltern an die regionale<br />

Erziehungsberatungsstelle, die beim schnellen, ersten gerichtlichen<br />

Anhörungstermin zur Scheidung die Empfehlung<br />

zur Regelung des Umgangsrechts u. a. in der EB erhalten.<br />

Von allen Altersgruppen der Klienten unserer EB sind Jugendliche<br />

im Alter von 15 bis knapp 18 Jahren mit ihren Eltern die<br />

größte Gruppe (ca. 20 % des Klientels). Präventive Angebote<br />

waren im Sommer das Elterntraining „Starke Eltern – starke<br />

Kinder“ und „14, 16, 18, 20 jugendlich, fast erwachsen und<br />

doch noch ein Kind“ (ein kommunikativer Abend zwischen<br />

Eltern und jugendlichen Kindern). Wir führten außerdem<br />

Konfirmandenelternabende durch und Konfirmandengruppen<br />

besuchten die EB. In der Förderschule Herrnstraße fanden<br />

monatlich 2 Sprechstunden für Jugendliche statt, auf<br />

Wunsch der Schule durchgeführt von einer Beraterin für die<br />

Mädchen und von einem Berater für die Jungen.<br />

Ende 2008 wurden die träger- und stelleninternen Vorbereitungen<br />

und Regelungen zur Umsetzung des Schutzkonzeptes<br />

bei Kindeswohlgefährdung und zur Tätigkeit als „Insoweit erfahrene<br />

Fachkraft“ (§ 8a SGB VIII) abgeschlossen. Dazu fanden<br />

zahlreiche Fortbildungen sowohl stellenintern als auch<br />

durch den diakonischen Spitzenverband statt. Die „Insoweit<br />

erfahrenen Fachkräfte nach § 8a SGB VIII“ unserer Stelle<br />

nahmen auch an den städtischen Vernetzungstreffen teil.<br />

Personelle Situation<br />

Seit Jahresbeginn arbeiten in der EB Landwehrstraße nach<br />

langer Vakanz der Vollzeit-Stelle die beiden Diplom-Sozialpädagoginnen<br />

Ruth-Daigeler-Natz und Hildegard Streppel<br />

mit. In der Außenstelle Neuperlach ist die Nachfolgerin von<br />

Dipl.-Psych. Nora Jansen Dipl.-Psych. Christine Le Coutre.<br />

Frau Le Coutre ist zugleich Mitglied der Landessynode der<br />

Evang.-Luth. Kirche in Bayern. Dipl.-Soz.päd. Theo Kornder<br />

(Aussenstelle Neuperlach), der 2008 sein 25jähriges Dienstjubiläum<br />

im ebz hatte, wurde für seine engagierte und langjährige<br />

Tätigkeit mit dem Goldenen Kronenkreuz der Diakonie<br />

ausgezeichnet. Überreicht wurde es ihm bei einer Feier in der<br />

ökumenischen Erziehungsberatungsstelle durch Frau Breer<br />

vom Diakonischen Werk Nürnberg.<br />

Dank<br />

Das 50jährige Jubiläum des ebz, veranlasst durch das 50jährige<br />

Jubiläum der Erziehungsberatung als der ältesten Einrichtung<br />

des späteren ebz, zog sich wie ein roter Faden durch das<br />

erste halbe Jahr.<br />

Dem Träger und den Zuschussgebern, den Mitarbeitenden<br />

und den Klienten ist es zu verdanken, dass die Einrichtung<br />

schon so lange besteht.<br />

Mein besonderer Dank geht an die Mitarbeitenden der Erziehungsberatung.<br />

Ich danke ihnen für ihr hohes Engagement,<br />

ihre Vielseitigkeit und ihre Fachkompetenz in Beratung,<br />

Prävention und Vernetzung und nicht zuletzt auch für ihren<br />

Einsatz in der Organisation und Verwaltung der EB. Die<br />

Vielfalt der Aufgaben und Aufträge, die immer wieder herausfordernden<br />

„komplexen Notlagen“, mit denen Ratsuchende<br />

in die Beratung kommen, machen die Arbeit interessant,<br />

zugleich aber auch sehr verdichtet.<br />

Ich danke den Zuschussgebern bei der Landeshauptstadt<br />

München, der Regierung von Oberbayern, der Evang.-Luth.<br />

Landeskirche bzw. dem Diakonischen Werk Bayern sowie<br />

beim Landkreis München für die finanzielle Förderung und<br />

die ideelle Unterstützung!<br />

Dipl.-Psych. Dr. Barbara Alt-Saynisch<br />

Leitung der Beratung für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien


7<br />

Statistik<br />

Gesamtzahl: 1175 Personen aus 544 Familien<br />

Davon: Zahl der angemeldeten Kinder:<br />

männlich: 307 weiblich: 237<br />

Zahl der angemeldeten Kinder und ihre Geschwister: 964<br />

Aus: Stadt München 85,9 %<br />

Landkreis München 9,9 %<br />

Sonstige 4,2 %<br />

Beratungsanliegen (Mehrfachnennungen möglich, Angaben<br />

bei Beratungsaufnahme):<br />

Probleme im Körperbereich: 19,3 %<br />

(Psychosomatische Probleme, psychotrope Substanzen)<br />

Entwicklung und Leistung: 67,3 %<br />

(Entwicklungsauffälligkeiten, Arbeits- und Leistungsfähigkeit)<br />

Erleben und Verhalten: 109,2 %<br />

(Gefühle, Sozialverhalten, Sexualität, Körperbezogenes Verhalten,<br />

posttraumatische Belastungen)<br />

Soziales Umfeld: 238,9 %<br />

(Erziehungsverhalten, familiäre Interaktion, Partnerschaft,<br />

Trennung, Scheidung, Missbrauch und Gewalt, Belastungen<br />

der Familie, außerfamiliäre Belastungen)<br />

Allgemeine Fragestellungen 38,4 %<br />

Das Team in der Landwehrstraße<br />

Durchschnittliche Beratungsstunden pro Fall: 7,6<br />

Beratungsform (in % der Fälle, Mehrfachnennungen möglich)<br />

Junger Mensch allein: 16 %<br />

Elternberatung: 51 %<br />

Familienberatung : 53 %<br />

Kinder-Gruppen: 2,2 %<br />

Telefonberatung: 23 %<br />

Online-Beratung: 277 Stunden/Jahr<br />

Sonstige Beratungsaktivitäten (Hilfeplan-, Helferkonferenzen,<br />

Fachkontakte, Hausbesuche): in 48 % der Fälle<br />

Präventionsarbeit (nur Vorträge, Seminare, Gruppenarbeit)<br />

Anzahl durchgeführte Maßnahmen: 18<br />

Anzahl Teilnehmer/innen: 452<br />

Öffentlichkeitsarbeit: insges. 22 Veranstaltungen / Aktionen<br />

Eigene Projekte: 17 Aktionen / Veranstaltungen / Presseveröffentlichungen<br />

/ Fachbeiträge<br />

Mitwirkung bei Projekten anderer, z. B. virtuelle Beratung:<br />

5 Aktionen / Veranstaltungen<br />

Inhouse-Fortbildungen: Gesamtteam, Fall- und Organisationsteam,<br />

Teamsupervisionen, Konzepttage, Team-Fortbildungen,<br />

Anleitung von Praktikanten/innen.<br />

Darüber hinaus qualifizieren sich die Berater/innen freiwillig<br />

in externen Fortbildungen weiter.<br />

Das Team in Neuperlach<br />

Beratung für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien<br />

Landwehrstraße 15 Rgb. 3. Stock, 80336 München<br />

Leitung: Dipl.-Psych. Dr. Barbara Alt-Saynisch<br />

Tel.: (089) 590 48 - 130<br />

Fax: (089) 590 48 – 190<br />

eb@ebz-muenchen.de<br />

www.ebz-muenchen.de<br />

Außenstelle:<br />

Ökumenische Erziehungsberatungsstelle<br />

Lüdersstraße 10, 81737 München<br />

Tel.: (089) 678 202 - 24<br />

Fax: (089) 678 202 – 15<br />

eb-neuperlach@ebz-aussenstellen.de<br />

www.ebz-muenchen.de


8<br />

1.2 Die Ehe-, Familien- und Lebensberatung im Jahr 2008<br />

Beratung, Prävention und Vernetzung<br />

Die fachliche Differenzierung und Weiterentwicklung unserer<br />

Beratungstätigkeit war uns auch 2008 ein Anliegen.<br />

Im Fokus standen vor allem die Beratung von Klienten mit<br />

Traumafolgestörungen und von „armen“ Klienten. In der<br />

Partnerberatung waren Schwerpunkte die Trennungs-Scheidungsberatung<br />

und die Beratung bei Sexualstörungen. Die<br />

Mitarbeitenden der Außenstelle Neuperlach in der ökumenischen<br />

Eheberatungsstelle haben seit der Einführung von<br />

Hartz IV beobachtet, wie sich Arbeitslosigkeit und Armut auf<br />

Partnerschaft und Familie auswirken. Auch in der Ehe-, Familien-<br />

und Lebensberatung in der Landwehrstraße beobachten<br />

wir diese Entwicklungen für Paare und Familien mit Sorge<br />

– in ihren Auswirkungen auf die Klienten selbst, aber auch<br />

auf uns als Beratungsstelle, z. B. im Hinblick auf notwendige<br />

sozialarbeiterische Hilfen, die wir nicht geben können.<br />

Klienten des Münchner Modells, die von der Bezirkssozialarbeit<br />

und oft direkt vom Familiengericht ab Januar an die<br />

Eheberatung verwiesen wurden, erhielten hier überwiegend<br />

eine Beratung durch die Juristin / Familienmediatorin und<br />

einen Familientherapeuten. Bewährt hat sich inzwischen in<br />

der Beratung dieser hochstrittigen Paare, wenn die künftigen<br />

Berater vom Familienrichter bereits vor Beginn der vom<br />

Richter empfohlenen Beratung zum ersten Anhörungstermin<br />

im Familiengericht eingeladen werden. Das hat den Vorteil,<br />

dass das Elternpaar bereits die möglichen künftigen Berater<br />

kennen lernt, gleichzeitig die Berater aber auch die Scheidungs-Dynamik<br />

in Ausschnitten erleben und nicht auf die<br />

sehr oft sehr differierenden Berichte der beiden Partner im<br />

ersten Beratungsgespräch angewiesen sind. Auch das Anliegen<br />

und der Auftrag des Familienrichters wird für alle<br />

Beteiligten deutlich. Im Laufe des Jahres entstand aus dem<br />

Engagement einzelner Familienrichter, Rechtsanwälte und<br />

vor allem Berater und Beraterinnen aus der Eheberatung und<br />

der Erziehungsberatung des ebz eine interdisziplinäre Gruppe,<br />

die anonymisierte Fallbesprechungen durchführt. Von der<br />

Zeitschrift Familie, Praxis, Recht wurde ein Artikel über unsere<br />

praktischen Erfahrungen in der Beratung angefragt: „Zur<br />

Effektivität von Trennungs-Scheidungsberatung, Paar- und<br />

Familientherapie und Mediation“ (Buchner, U., Appelt, G. und<br />

Alt-Saynisch, B. in FPR 4/08).<br />

Für 2009 ist in Zusammenarbeit mit der Erziehungsberatung<br />

des ebz ein Kurs für Eltern in Trennung geplant: „Kinder im<br />

Blick“. In 2008 fanden die Fortbildungen der Berater dazu<br />

statt. Zu einer internen Fortbildung für alle Mitarbeitenden<br />

der EFL des ebz haben wir Mitte des Jahres den Pasinger<br />

Frauenarzt und Sexualtherapeuten Dr. Gerhard Hasselbacher<br />

eingeladen („Sexualitätsstörungen und Partnerschaftskonflikte“).<br />

Bei der Jahrestagung der Evang. Konferenz für Lebensberatung<br />

in Hofgeismar mit dem Titel „Wo zwischen Schlaf und<br />

Leben nur ein enger Raum bleibt (Swinburne), Sterben und<br />

Tod in der Beratungsarbeit“ führten Rita Eck und ich den<br />

Workshop für Berater/innen „Beratung bei schwerer Erkrankung<br />

und verkürzter Lebenszeit“ durch. „Gottes starke Töchter“<br />

war Thema eines Großgruppen-Seminars von Rita Eck für<br />

Frauen einer Münchner Kirchengemeinde. In der Zeitschrift<br />

„Praktische Theologie“ 2008 wurde der Artikel „Evangelische<br />

Familien- und Partnerschaftsberatung. Konzepte – Aufgaben<br />

– Herausforderungen und Praxis“ (Alt-Saynisch, B. und Wolf,<br />

J.) veröffentlicht.<br />

Personelle Situation<br />

Zum Jahresende beendete die Eheberaterin Ursula Stein ihre<br />

auf 2 Jahre befristete Tätigkeit in der Außenstelle Neuperlach.<br />

Die Stelle konnte noch nicht nachbesetzt werden. In<br />

der Landwehrstraße und in Pasing begannen zwei Praktikantinnen<br />

der Eheberaterausbildung (aus dem Evangelischen<br />

Zentralinstitut für Familienberatung (EZI) Berlin und von der<br />

Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung<br />

(DAJEB)).<br />

Dank<br />

Mein besonderer Dank gilt den Mitarbeitenden in Ehe-, Familien-<br />

und Lebensberatung. Ich danke ihnen für ihren engagierten<br />

Einsatz, ihre Vielseitigkeit und Fachkompetenz in<br />

Beratung, Prävention und Vernetzung und nicht zuletzt auch<br />

für ihren Einsatz in der Organisation und Verwaltung der EFL.<br />

Die Vielfalt der Aufgaben und Aufträge, die immer wieder<br />

herausfordernden „komplexen Notlagen“ mit denen Ratsuchende<br />

in die Ehe- und Lebensberatung kommen, machen<br />

die Arbeit interessant, zugleich aber auch verdichtet und oft<br />

anstrengend.<br />

Ich danke den Zuschussgebern bei der Evang.-Luth. Landeskirche<br />

in Bayern, bzw. dem Diakonischen Werk Bayern sowie<br />

beim Landkreis München für die finanzielle Förderung und<br />

ideelle Unterstützung!<br />

Dipl.-Psych. Dr. Barbara Alt-Saynisch<br />

Leitung der Ehe-, Familien- und Lebensberatung


9<br />

Statistik<br />

Gesamtzahl der beratenen Personen: 891<br />

Davon: männlich 372 weiblich 519<br />

Erwachsene 842 Kinder 49<br />

Beratungsfälle insgesamt: 562<br />

Davon:<br />

Stadt München 399<br />

Landkreis München 71<br />

Sonstige 92<br />

Beratungsanliegen<br />

(Mehrfachnennungen möglich,<br />

Angaben bei Beratungsaufnahme):<br />

Probleme im Körperbereich 21,7 %<br />

Entwicklung und Leistung 7,4 %<br />

Erleben und Verhalten 75,2 %<br />

Soziales Umfeld 149,4 %<br />

Allgemeine soziale Faktoren 27,5 %<br />

Partnerschaft, Trennung, Scheidung 81,3 %<br />

Missbrauchs- und Gewalterfahrung 6,9 %<br />

Belastung durch Herkunftsfamilie 24,0 %<br />

Erfahrungen in der Gesellschaft 9,6 %<br />

Sinnfragen 8,7 %<br />

Allgemeine Fragestellungen 15,8 %<br />

Das Team in der Landwehrstraße<br />

Das Team in Neuperlach<br />

Durchschnittliche Beratungseinheiten pro Fall: 8<br />

Beratungsinhalte<br />

Personenbezogene Anlässe 28,8 %<br />

Partnerbezogene Anlässe 43,2 %<br />

Familienbezogene Anlässe 25,7 %<br />

Gesellschaftsbezogene Anlässe 2,3 %<br />

Präventionsarbeit (Vorträge, Seminare):<br />

Anzahl durchgeführte Maßnahmen: 13<br />

Anzahl Teilnehmer/innen: 244<br />

Öffentlichkeitsarbeit: 21 Aktionen / Veranstaltungen / Maßnahmen<br />

/ Presseveröffentlichungen / Fachbeiträge<br />

Mitwirkung bei 2 Projekten anderer<br />

Inhouse-Fortbildungen: Gesamtteam, Fall- und Organisationsteam,<br />

Team-Supervisionen, Konzepttage, Team-Fortbildungen,<br />

Anleitung von Praktikanten/innen.<br />

Darüber hinaus qualifizieren sich die Berater/innen freiwillig<br />

in externen Fortbildungen weiter.<br />

Das Team in Pasing<br />

Ehe-, Familien- und Lebensberatung<br />

Landwehrstraße 15 Rgb. 3 Stock, 80336 München<br />

Leitung: Dipl.-Psych. Dr. Barbara Alt-Saynisch<br />

Tel.: (089) 590 48 – 120, Fax: (089) 590 48 – 190<br />

efl@ebz-muenchen.de, www.ebz-muenchen.de<br />

Aussenstellen:<br />

Ökumenische Ehe-, Partnerschaft- und Lebensberatung<br />

Lüdersstraße 10, 81737 München<br />

Tel.: (089) 678 202 – 24, Fax: (089) 678 202 – 15<br />

efl-neuperlach@ebz-aussenstellen.de, www.ebz-muenchen.de<br />

Ehe-, Familien- und Lebensberatung<br />

Fritz-Reuter-Straße 6, 81245 München<br />

Tel.: (089) 834 88 66, Fax: (089) 820 88 885<br />

efl-pasing@ebz-aussenstellen.de, www.ebz-muenchen.de


10<br />

1.3 Die Evangelische TelefonSeelsorge München im Jahr 2008<br />

Strukturelle und personelle Situation<br />

Die Leitung der Evangelischen TelefonSeelsorge München<br />

war seit Beginn des Jahres vakant. Bettina Irschl wurde kommissarisch<br />

mit der Leitung betraut. Es gelang mit Hilfe von<br />

zusätzlichem Einsatz und der großen Geduld der Ehrenamtlichen,<br />

die Zeit gut zu überbrücken.<br />

Einführung und Jubiläen<br />

Pfarrer Jürgen Arlt kam im September als neuer Leiter und<br />

wurde mit der feierlichen Einführung am 08. November erwartungsvoll<br />

begrüßt.<br />

Die Evangelische TelefonSeelsorge München feierte im Rahmen<br />

ihrer Herbsttagung 2008 ihr vierzigjähriges Jubiläum.<br />

Die Laudatorin, Ruth Belzner, Leiterin der TelefonSeelsorge<br />

Würzburg und Vorstand der Evangelischen Konferenz für<br />

TelefonSeelsorge, erinnerte an die gesellschaftliche und politische<br />

Aufbruchstimmung des Gründungsjahrs 1968. Wenn<br />

man bedenkt, wie viele Veränderungen und Herausforderungen<br />

die Evangelische TelefonSeelsorge München schon bewältigt<br />

hat, kann man von einer lebendigen und lernenden<br />

Organisation sprechen, die auch heute noch innovativ und<br />

zeitgemäß arbeitet.<br />

Im Rahmen dieser Feier wurde Bettina Irschl für 25 Jahre<br />

Betriebszugehörigkeit mit dem Goldenen Kronenkreuz der<br />

Diakonie geehrt.<br />

Fachliche und inhaltliche Entwicklung<br />

Das zweijährige Projekt „Gesprächsführung auf der Basis<br />

von Traumawissen“ konnte 2008 mit großzügiger Anschubfinanzierung<br />

durch das Diakonische Werk Bayern verwirklicht<br />

werden. Zusätzlich zu den Kompetenzen der TelefonSeelsorger<br />

in Krisenintervention wurde „Traumawissen“ implementiert.<br />

Die Fortbildungen für Ehrenamtliche des Jahres 2008<br />

standen hauptsächlich unter diesem Zeichen:<br />

- Die Frühjahrstagung am Petersberg mit Barbara Gollwitzer;<br />

die meisten Mitarbeitenden wurden neugierig auf das Thema<br />

und motiviert, sich damit auseinander zu setzen.<br />

- Besuch in der Synagoge, eine Konfrontation mit kollektiven<br />

und transgenerationalen Traumata und deren Aufarbeitung<br />

in unserer Stadt.<br />

- Zwei Workshops mit jeweils 20 Teilnehmenden als Weiterarbeit<br />

am Thema unter Einbeziehung der ersten praktischen<br />

Erfahrungen mit traumatisierten Anrufenden.<br />

- In Gruppensupervisionen wurden entsprechende Fälle mit<br />

dem neu erworbenen Wissen beleuchtet.<br />

- Fallbesprechungen im Sprecher/innengremium zur Vorbeugung<br />

von sekundärer Traumatisierung.<br />

- Ein Fortbildungsabend mit der Referentin der Frühjahrstagung<br />

zur Auffrischung „Stabilisierung und Innere Bilder“.<br />

Die Herbsttagung zum Thema „Traum“ passte gut zu dem<br />

Traumaprojekt, ist doch der Traum nächtliche Quelle von<br />

heilsamen inneren Bildern. Ortrud Grön, Traumforscherin,<br />

Traumtherapeutin und Autorin, schenkte die Tagung den<br />

Ehrenamtlichen. Dieses Geschenk erschloss für die Telefon-<br />

Seelsorger/innen einen sanften Zugang zu Selbsterfahrung<br />

in spirituellem Kontext, die für die Tätigkeit so wichtig ist.<br />

„Alles, was im Traum erscheint, sind die inneren Möglichkeiten<br />

des Träumers“ und „Der innere Dialog ist ein Gespräch<br />

mit Gott“, „In jedem Menschen ist Gott als Dialog“ so Ortrud<br />

Grön.<br />

Fundraising<br />

Die Stiftung und der Förderverein der TelefonSeelsorge arbeiteten<br />

an Konzepten und der Akquise neuer Spender bzw.<br />

Stifter. Der Flohmarkt fand bei kalter Witterung am Hohenzollernplatz<br />

statt und fuhr dafür ein beachtliches Ergebnis<br />

ein. Auch im Bereich Fundraising ist das unermüdliche ehrenamtliche<br />

Engagement zu erwähnen und zu würdigen.<br />

Statistik<br />

Der Rückgang der Anruferzahlen ist vermutlich auf mehrere<br />

Faktoren zurückzuführen:<br />

Die zunehmende Professionalität der Mitarbeitenden führt<br />

dazu, dass auf die eigene Psychohygiene geachtet wird. Das<br />

heißt z.B., dass sie zwischen den oft anstrengenden Gesprächen<br />

kleine Entspannungspausen einlegen.<br />

Die Telefonanlage bzw. einzelne Apparate fielen häufiger aus.<br />

Durch die Verschiebung der Ausbildung entstand ein Engpass<br />

bei den Ehrenamtlichen. Mehrere Schichten konnten nicht<br />

besetzt werden. Zum Glück konnte man dabei auf die sonst<br />

doppelt besetzten Zeiten ausweichen, so dass der Dienst insgesamt<br />

nahtlos weitergeführt werden konnte.<br />

Die Nutzung des Festnetzes nimmt langsam ab, während die<br />

mobilen Telefone in den letzten zehn Jahren rasant angestiegen<br />

sind.<br />

Perspektiven<br />

Im Arbeitsjahr 2009 wird das Projekt „Gesprächsführung auf<br />

der Basis von Traumawissen“ weitergeführt. Ab 2009 wird die<br />

Evangelische TelefonSeelsorge München sich an dem bundesweiten<br />

Angebot zur Internetberatung beteiligen.<br />

Im Mittelpunkt werden jedoch die Mitarbeiter/innen stehen.<br />

Die Belastungen des letzten Jahres waren groß, und es erfordert<br />

viel Aufmerksamkeit, damit sich Motivation und Atmosphäre<br />

wieder regenerieren können. Die Gemeinschaft in der<br />

TelefonSeelsorge wird hoffentlich nach diesem krisenhaften,<br />

aber auch kreativen Jahr erstarken.<br />

Bettina Irschl<br />

TelefonSeelsorge


11<br />

Statistik<br />

Gesamtzahl der beratenen Personen: 28.664<br />

Davon: männlich: 29,6 % weiblich: 69,7 %<br />

Erwachsene: 92 % Kinder und Jugendliche: 8 %<br />

Beratungsanliegen:<br />

Sinn und Orientierung 6,8 %<br />

Einsamkeit 12,9 %<br />

Krankheit, physisch 10,6 %<br />

Krankheit, psychisch 31,2 %<br />

Sucht 3,0 %<br />

Suizid 0,7 %<br />

Sterben und Trauer 2,4 %<br />

Gewalt 2,1 %<br />

Sexualität 7,1 %<br />

Schwangerschaft 1,0 %<br />

(Ehe-) Partner 12,9 %<br />

Familie und Verwandtschaft 12,5 %<br />

Freunde, Nachbarn und Kollegen 3,9 %<br />

Arbeit, Schule und Ausbildung 6,9 %<br />

Wohnen und Freizeit 2,2 %<br />

Geld und wirtschaftliche Fragen 5,5 %<br />

Gesellschaft und Politik 3,5 %<br />

Sonstiges 8,1 %<br />

Wiederholte Anrufe: 25,1 %<br />

Regelmäßige Anrufe: 27,1 %<br />

Lebenssituation:<br />

Allein lebend: 52,9 %<br />

In Partnerschaft: 8,2 %<br />

In Familie: 13,4 %<br />

Alleinerziehend: 3,1 %<br />

In Gemeinschaft: 1,1 %<br />

Unbekannt: 21,3 %<br />

Inhouse-Fortbildungen: Gesamtteam, TelefonSeelsorge-<br />

Gruppen, Gruppensupervisionen, Fortbildungstage, Intervision,<br />

Unterstützung der Ehrenamtlichen durch die Hauptberuflichen.<br />

Darüber hinaus qualifizieren sich die Berater/innen freiwillig<br />

in externen Fortbildungen weiter.<br />

Das Team<br />

Eine Gruppe ehrenamtlicher Mitarbeiter/innen<br />

Evangelische TelefonSeelsorge<br />

Landwehrstr. 15 / Rgb. 2. Stock, 80336 München,<br />

Leitung: Jürgen Arlt, Pfarrer<br />

Tel.: (089) 590 48-110, Fax: (089) 590 48-190<br />

Telefonische Beratung 24h: 0800 111 0 111<br />

ts@ebz-muenchen.de, www.ev-telefonseelsorge-muenchen.de<br />

www.ebz-muenchen.de


12<br />

1.4 Die pastoralpsychologische Supervision Beratung und Fortbildung im Jahr 2008<br />

Zu Beginn des Jahres 2008 konnte die PPA ein umfangreiches<br />

Fortbildungsprogramm vorlegen. Es beinhaltete einen Kurs<br />

für seelsorgerliche Praxis und Gemeindearbeit (KSPG) und<br />

verschiedene pastoralpsychologische Einzelkurse. Außerdem<br />

wurde zu verschiedenen neuen Supervisionsgruppen eingeladen.<br />

Der KSPG-Kurs stellt wieder einen speziellen Aspekt in den<br />

Mittelpunkt der Ausbildung. Nachdem zwei Jahre lang ein<br />

spezielles Berufsfeld (Schulseelsorge) im Zentrum stand, haben<br />

wir für den Kurs 2008/2009 einen seelsorgerlichen Ansatz<br />

gewählt: Sieben Frauen und zwei Männer, Hauptberufliche<br />

und Ehrenamtliche aus verschiedenen Arbeitsfeldern<br />

erforschen und erlernen in insgesamt 100 Ausbildungsstunden<br />

Systemische Seelsorge. Sie treffen sich in Blockseminaren<br />

und Kursnachmittagen sowie in Lerngruppen, um ihre<br />

seelsorgerliche Tätigkeit zu reflektieren und neue Impulse<br />

aus der Systemischen Seelsorge zu integrieren. Erstes Fazit<br />

der Kursteilnehmenden: Systemische Seelsorge ist spannend<br />

und eröffnet neue Herangehensweisen im seelsorgerlichen<br />

Gespräch.<br />

Was die pastoralpsychologischen Einzelkurse angeht, so sind<br />

unsere Erfahrungen bezüglich der Nachfrage unterschiedlich.<br />

Bei Kursen, zu denen uns nach der Ausschreibung großes Interesse<br />

rückgemeldet wurde und deren Thema am Puls der<br />

kirchlichen Mitarbeitenden zu liegen schien, gab es kaum<br />

Anmeldungen. Andere fanden statt und ermöglichten eine<br />

intensive Auseinandersetzung mit einem seelsorgerlichen<br />

Thema sowie den eigenen persönlichen Zugängen und Herangehensweisen.<br />

Deutlich wurde, wie sehr gerade die personenorientierten<br />

Anteile der Fortbildungen angenommen und<br />

nachgefragt wurden und wie wichtig die spirituelle Ebene ist.<br />

Die Anzahl der durchgeführten Fortbildungen (PPA-eigene<br />

und als Fremdreferent durchgeführte) konnte mehr als verdoppelt<br />

werden. Ebenso wurde die Anzahl der Kursteilnehmenden<br />

deutlich gesteigert.<br />

Von den angebotenen Supervisionsgruppen kam die Gruppe<br />

„Zwischen leiten und begleiten“ zustande. Acht kirchliche<br />

Mitarbeitende in Leitungsfunktionen treffen sich regelmäßig,<br />

um ihr Leitungshandeln zu reflektieren, neue Ideen<br />

für anstehende Situationen zu gewinnen sowie sich mit den<br />

anderen Gruppenmitgliedern auszutauschen. Dabei wird die<br />

Zusammensetzung der Gruppe mit Menschen aus unterschiedlichen<br />

Berufsgruppen und Handlungsfeldern sehr bereichernd<br />

erlebt.<br />

Die Statistik zeigt deutlich, dass vor allem Einzel-, Gruppen-<br />

und Teamsupervision die Schwerpunkte der PPA bilden.<br />

Supervision in Teams erfuhr eine deutliche Zunahme. Oft<br />

sind es konflikthafte Situationen, die zu einem Ruf nach<br />

Teamsupervision führten. Jedoch auch andere Anlässe wie<br />

eine Teamneubildung nach einer Stellenbesetzung oder eine<br />

regelmäßige Teamreflektion können Motivationen für Teamsupervision<br />

sein. Wir von der PPA wünschten uns, dass wir<br />

bei Konflikten früher angefragt würden und nicht erst dann,<br />

wenn eigentlich nur eine Mediation weiterhelfen kann. Hier<br />

konnten wir die Erfahrungen in der Kooperation mit der Mediatorin<br />

aus der Ehe-, Familien- und Lebensberatung ausbauen.<br />

Darüber hinaus bleibt weiter deutlich zu sehen, dass Frauen<br />

den Weg schneller zur Supervision finden als Männer. Der<br />

Hauptteil der Supervisanden kommt aus dem Dekanat München.<br />

Konflikte bleiben Hauptthema neben dem Umgang mit<br />

Belastungen und Burnout-Erfahrungen. Stark ist auch das<br />

Interesse, persönliche Muster zu erkennen und verändern zu<br />

wollen. Durchschnittlich kommen Supervisanden neun mal<br />

im Jahr zu uns.<br />

Neu in diesem Jahr ist das Angebot der Geistlichen Begleitung.<br />

Sie will der Sehnsucht kirchlicher Mitarbeitender nach<br />

einer intensiveren Beziehung zu Gott einen Raum geben und<br />

sie bei ihrer Suche nach Wegen, im Alltag achtsamer auf die<br />

Stimme Gottes zu hören und sie für das eigene Leben zu deuten,<br />

begleiten.<br />

Neben den Angeboten hat die PPA interne Abläufe überprüft<br />

und sie im Sinne der Qualitätssicherung überarbeitet.<br />

So konnte manches, gerade bei der Kursabwicklung, standardisiert<br />

werden. Ein Öffentlichkeitsarbeitskonzept wurde<br />

erarbeitet und mit Leben gefüllt. Im Zusammenhang der<br />

Veranstaltungen des ebz wurden vier Gottesdienste vorbereitet<br />

und durchgeführt sowie der Betriebsausflug unter dem<br />

Zeichen eines Pilgerwegs mit geistlichen Impulsen gestaltet.<br />

Wichtig ist uns für 2009 auch weiterhin ein Ort zu sein für<br />

kirchliche Mitarbeitende, die Supervision zur Reflektion der<br />

beruflichen Erfahrung, persönliche Beratung oder geistliche<br />

Begleitung suchen. Wir sind mit unserer professionellen Erfahrung<br />

für sie da und garantieren absolute Verschwiegenheit.<br />

Zur Erweiterung der seelsorgerlichen Kompetenzen bieten<br />

wir vielfältigste Fortbildungen an. Wir kommen auch in<br />

die Gemeinde zu einem Vortrag, einem Kirchenvorstandswochenende,<br />

zur Teamsupervision.<br />

Gerborg Drescher<br />

Leitung der Pastoralpsychologie


13<br />

Statistik<br />

Gesamtzahl der beratenen Personen: 103<br />

Davon: männlich: 33 weiblich: 70<br />

Aus: Dekanat München: 81 Kirchenkreis München: 21<br />

Beratungsanliegen<br />

Supervision: insgesamt 58 %<br />

Superisionsanliegen:<br />

Konflikte 73 %<br />

Berufl. Neuorientierung 23 %<br />

Umgang mit Belastungen,<br />

Burnout, Rollenklärung 48 %<br />

Verbesserung berufl. Kommunikation 34 %<br />

Verstehen von berufl. relevanten<br />

systemischen Bedingungen 30 %<br />

Persönliche Muster erkennen und verändern 57 %<br />

Persönliche Beratung: 14 %<br />

Mediation: 26 %<br />

Geistliche Begleitung: 2 %<br />

Durchschnittliche Beratungseinheiten pro Fall: 9<br />

Beratungsform:<br />

Einzelberatung: 10 %<br />

Paarberatung: 7 %<br />

Einzelsupervision: 25 %<br />

Gruppensupervision: 25 %<br />

Teamsupervision: 24 %<br />

Telefonberatung: 9 %<br />

Seminare:<br />

Anzahl durchgeführte Fortbildungen: 21<br />

Anzahl Teilnehmer/innen: 457<br />

Inhouse-Fortbildungen: Gesamtteam, Fallteam, Team-Supervisionen,<br />

Konzepttage.<br />

Darüber hinaus qualifizieren sich die Berater/innen freiwillig<br />

in externen Fortbildungen weiter.<br />

Das Team<br />

Pastoralpsychologische Supervision, Beratung und Fortbildung<br />

Landwehrstr. 15/ Rgb. 2. Stock, 80336 München<br />

Leitung: Gerborg Drescher, Pfarrerin<br />

Tel.: (089) 590 48-141<br />

Fax: (089) 590 48-190<br />

ppa@ebz-muenchen.de<br />

www.ebz-muenchen.de


14<br />

1.5 Die Schwangerschaftsberatung 2008<br />

1. Die Beratung<br />

Auch 2008 war unser „Kerngeschäft“ die allgemeine Schwangerschaftsberatung,<br />

die Schwangerschaftskonfliktberatung<br />

und die nachgehende Beratung, wieder gut nachgefragt.<br />

Eine im Januar und Februar 2009 durchgeführte Befragung<br />

unserer Klient/innen bestätigte uns in unserer Arbeitsweise<br />

sehr. Mit Hilfe von anonymen Fragebögen konnten die Klient/innen<br />

zu 22 Abfragpunkten ihre Bewertung abgeben. So<br />

bescheinigten uns mehr als 90% von insgesamt 90 befragten<br />

Klient/innen eine gute telefonische Erreichbarkeit, eine gute<br />

und passende Terminvergabe und einen freundlichen Empfang.<br />

Annähernd 100% gaben an, dass sie ausreichend Gelegenheit<br />

gehabt hatten, ihr Anliegen anzusprechen und mehr<br />

als 90% empfanden die Beratung als hilfreich, erlebten die<br />

Berater/innen als freundlich, verständnisvoll und kompetent<br />

und würden die Beratungsstelle jederzeit weiterempfehlen.<br />

Die für Ende 2008 geplante Eltern-Baby-Sprechstunde konnte<br />

erst Anfang April 2009 an den Start gehen. Wir hoffen mit<br />

diesem offenen Angebot gerade unseren Klient/innen aus der<br />

allgemeinen Schwangerschaftsberatung eine niedrigschwellige<br />

Anlaufstelle rund um den Alltag mit dem Baby z. B. zu<br />

den Themen Schlafen, Füttern, Weinen bieten zu können.<br />

Mit dem Online-Portal der EKFUL (Evangelische Konferenz<br />

für Familien- und Lebensberatung) erhalten seit Ende 2008<br />

nun auch Klient/innen die Möglichkeit sich per Mail in einem<br />

datensicheren System informieren und beraten zu lassen.<br />

2. Die Beratung vor, während und nach Pränataldiagnostik<br />

(PND)<br />

Die Nachfrage nach Beratung rund um das Thema Pränataldiagnostik<br />

und Spätabbruch verdoppelte sich noch einmal im<br />

vergangenen Jahr. Die Frauen und Paare, die zu dieser Beratung<br />

kommen, wurden meist über ihren Arzt/ihre Ärztin,<br />

bzw. dem gendiagnostischen Institut oder Klinik überwiesen.<br />

Dies deutet darauf hin, dass die psychosoziale Beratung rund<br />

um PND zunehmend als Hilfe und Entlastung für Betroffene<br />

und Ärzt/innen gesehen und geschätzt wird. Die persönliche<br />

Wertschätzung der Fachlichkeit unserer Beraterin, Frau Zenker,<br />

durch Mediziner/innen und die daraus folgende Weiterverweisung<br />

an sie, lässt auch nur so die betroffenen Frauen<br />

und Paare vermehrt den Weg zu uns finden.<br />

3. Die Präventionsarbeit<br />

Der Bereich der Sexualpädagogik wurde 2008 noch weiter<br />

quantitativ und qualitativ ausgebaut. Mehr als 820 Jugendliche<br />

und junge Erwachsene konnten mit unseren Veranstaltungen<br />

erreicht werden. Mit unserem fortlaufenden und auf<br />

einander aufbauenden SexPäd-Projekt an zwei Hauptschulen<br />

über alle Jahrgangsstufen hinweg bietet die Schwangerschaftsberatung<br />

im ebz ein in München einzigartiges, nachhaltiges<br />

Angebot für Jugendliche an (siehe auch Fachartikel<br />

der SSB).<br />

Bereits vor 3 Jahren entstand die Idee, ein spezifisches Angebot<br />

für Frauen mit Migrationshintergrund ins Leben zu rufen,<br />

denn wir stellten fest, dass überproportional viele Frauen mit<br />

Migrationshintergrund sich bei uns im Schwangerschaftskonflikt<br />

beraten lassen und sehr oft über fehlerhaftes bis kein<br />

Wissen über Methoden der Empfängnisverhütung verfügen.<br />

Besondere Kenntnisse der Berater/innen über soziokulturelle<br />

und religiöse Hintergründe der Klient/innen sollten eine darauf<br />

abgestimmte, sensible Ausgestaltung der Themenbereiche<br />

möglich machen. Durch das Angebot der Landeshauptstadt<br />

München, die SSB am Projekt „Interkulturelle Qualitätsentwicklung<br />

in Münchner Sozialregionen (IQE)“ teilnehmen zu<br />

lassen, wurde die Konzeptidee wieder aufgegriffen. Im Rahmen<br />

dieses zweieinhalbjährigen Projektes können wir nicht<br />

nur unser geplantes Angebot konzeptionell entwickeln und<br />

es auch später extern evaluieren lassen, sondern auch unsere<br />

interkulturellen Kompetenzen erweitern.<br />

4. Ausblick<br />

Im Jahr 2009 wird der Ausbau der Beratung rund um Pränataldiagnostik,<br />

die Eltern-Baby-Beratung, das IQE Projekt,<br />

die weitere Qualitätssicherung in allen Produktbereichen<br />

neben der Beratung und der sexualpädagogischen Arbeit im<br />

Vordergrund stehen.<br />

5. Dank<br />

Den Mitarbeitenden in der Schwangerschaftsberatung danke<br />

ich für ihr hohes Engagement und ihre Flexibilität in einem<br />

sehr unruhigen Jahr 2008 mit Jubiläum, Mitarbeiterwechsel<br />

und einer Menge neuen fachlichen Herausforderungen.<br />

Bei dem Familienministerium, der Regierung von Oberbayern,<br />

der Landeshauptstadt München und dem Diakonischen Werk<br />

Bayern möchte ich mich für die finanzielle und fachliche Förderung,<br />

sowie für die lobenden und freundlichen Grußworte<br />

zu unserem Jubiläum sehr bedanken. Die großzügigen Hilfen<br />

und Spenden des Diakonischen Werkes, der Landesstiftung<br />

SZ-Adventskalenders ermöglichten uns wieder zahlreiche<br />

Familien in Not unbürokratisch und schnell zu helfen. Auch<br />

dafür ein herzliches Dankeschön.<br />

Sabine Simon<br />

Leitung der Schwangerschaftsberatung


15<br />

Statistik<br />

Gesamtzahl der beratenen Personen: 1507<br />

Davon: männlich: 290 weiblich: 1217<br />

Erwachsene: 1507 Kinder: 0<br />

Aus:<br />

92,6 % Stadt München<br />

7,1 % Landkreis München<br />

0,3 % Sonstige/unbekannt<br />

Beratungsanliegen<br />

Schwangerschaftskonfliktberatung 20,8 %<br />

Allgemeine Schwangerschaftsberatung 39,3 %<br />

Nachgehende Betreuung ab Geburt 37,9 %<br />

Sonstige Beratung 2 %<br />

Vermittlung sonstiger Hilfen:<br />

485 Anträge an die Landesstiftung<br />

„Hilfe für Mutter und Kind“<br />

60 Anträge und Soforthilfen an das Diakonische Werk Bayern<br />

71 Lebensmittelpakete über SZ-Adventskalender<br />

100 Einkaufsgutscheine der Kaufhof AG über<br />

SZ-Adventskalender<br />

90 Familien- und Ferienpässe über<br />

SZ-Adventskalender<br />

und Ausgabe von ca. 10 Umzugskartons<br />

Bekleidungs- und Spielzeugspenden<br />

Durchschnittliche Beratungseinheiten pro Fall: 1,87 Stunden<br />

Beratungsform : in der Regel Einzel- oder Paarberatung, zunehmend<br />

Telefonberatung<br />

Beratungsthemen<br />

(Mehrfachnennungen, die jeweils 4 häufigsten Themen)<br />

a) In der Schwangerschaftskonfliktberatung:<br />

psychische und physische Überlastung 49,69 %<br />

Schwierigkeiten in der Partnerbeziehung 37,32 %<br />

Das (weitere ) Kind stört die Lebensplanung 17,94 %<br />

Finanzielle Probleme 22,89 %<br />

b) In der allg. Schwangerschaftsberatung und nachgehenden<br />

Betreuung:<br />

Finanzielle Probleme 71,78 %<br />

Informationsbedürfnis 53,53 %<br />

Wohnungsprobleme 15,09 %<br />

Angst vor Verantwortung / Zukunftsangst 14,6 %<br />

c) In der sonstigen Beratung:<br />

Juristische Fragen (Unterhalt) 40 %<br />

Psychologische Beratung nach Abbruch<br />

oder Geburt 47,15 %<br />

Sexual- und Partnerprobleme 5,71 %<br />

Familienplanung 7,14 %<br />

Sexualpädagogische Präventionsarbeit:<br />

Anzahl durchgeführte Maßnahmen 42<br />

Anzahl Teilnehmer/innen ca. 820<br />

Öffentlichkeitsarbeit und sonst. Veranstaltungen (Auszug):<br />

Babyweltmesse u. a. ca. 150 Kurzberatungen<br />

Infoabende „Eltern werden - viel zu wissen<br />

und zu erledigen“ 56 Teilnehmer<br />

Das Team<br />

Staatlich anerkannte Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen<br />

Landwehrstr. 15 / Rgb 4. Stock, 80336 München<br />

Leitung: Sabine Simon, Dipl.Soz.Arb. (FH)<br />

Tel.: (089) 590 48-150<br />

Fax: (089) 590 48-204<br />

ssb@ebz-muenchen.de<br />

www.ebz-muenchen.de


16<br />

1.6 Präventionsangebote und<br />

Seminare in 2008<br />

Angebote für Eltern, Kinder, Erzieher/innen zur kindlichen<br />

Sexualität<br />

Sexualpädagogische Gruppenangebote z. B. für Jugendgruppen<br />

und Schulklassen<br />

Infoabend „Eltern werden - viel zu wissen und zu erledigen“<br />

Information und Beratung zur Empfängnisverhütung<br />

Partnerschule<br />

Kommunikationsseminar für Paare („KomKom“)<br />

Infoabend zu Trennung und Scheidung<br />

Infoabend „Schulfähigkeit“<br />

Thematische Infoabende für diverse Kinderkrippen<br />

Psychologische Sprechstunde in der Elly-Heuss-Familienbildungsstätte<br />

Seminar „Rechte und Pflichten bei Jugendlichen“<br />

Seminar „Starke Eltern, starke Kinder“<br />

Informationsabende für Kirchengemeinden und Kooperationspartner,<br />

z. B. für Konfirmandengruppen und Schulklassen<br />

zum Thema Schwangerschaftskonflikt(-beratung), Information<br />

über die Arbeit und Besuch der Telefonseelsorge,<br />

Erziehungsberatung<br />

Telefontrainings für öffentliche und kirchliche Einrichtungen<br />

sowie Firmen (Servicvetelefone und CallCenter) zur<br />

Frage des Umgangs mit schwierigen Anrufen<br />

Krisentrainings für die LH München für die psychosoziale<br />

Notfallversorgung bei Großschadensfällen<br />

1.7 Das ebz ist vernetzt mit . . .<br />

Einrichtungen der psychosozialen Versorgung, z. B. Beratungsstellen,<br />

Projekte, Einrichtungen, niedergelassene<br />

Therapeuten<br />

Gesundheitsversorgung, z. B. Ärzte, Kliniken, Hebammen,<br />

Kinderkrankenschwestern<br />

Kirchengemeinden<br />

Staatliche und kommunale Ämter/Behörden, z. B. Sozialbürgerhäuser,<br />

Amt für Wohnen und Migration, ARGE München<br />

Gerichte<br />

Ausbildungsinstitute, Universitäten, Fachhochschulen<br />

Klinikseelsorge<br />

Notfallseelsorge<br />

Katholische TelefonSeelsorge<br />

Einrichtungen der ambulanten Krisenintervention<br />

Familienbildungsstätten<br />

Erwachsenenbildung<br />

Stiftungen, z. B. Landesstiftung „Hilfe für Mutter und Kind“,<br />

SZ- Adventskalender, Hilfsfond des Diakonischen Werkes<br />

Pastoralpsychologische Kurse


17<br />

1.8 Das ebz ist Mitglied in . . .<br />

Evangelischer Fachverband für Beratung<br />

Diakonisches Werk Bayern<br />

Evang.-Luth. Dekanat München<br />

Landesarbeitsgemeinschaft für Erziehungsberatung<br />

Bundeskonferenz für Erziehungsberatung<br />

Netzwerk gegen Pränataldiagnostik<br />

Innere Mission München – Bezirksstelle des Diakonischen<br />

Werkes Bayern<br />

Evangelische Konferenz für Telefonseelsorge<br />

Landesarbeitsgemeinschaft der bayerischen Schwangerschaftsberatungsstellen<br />

in freier Trägerschaft<br />

Interseel<br />

Landesarbeitskreis für Ehe-, Partnerschafts-, Familien- und<br />

Lebensberatung in Bayern (LAK)<br />

Facharge „Familienangebote“ des Stadtjugendamtes (Facharge<br />

nach § 78 SGB VIII)<br />

Evangelische Konferenz für Familien- und Lebensberatung<br />

e.V. - Fachverband für Psychologische Beratung und Supervision<br />

(EKFuL)<br />

1.9 Das ebz wird finanziert durch . . .<br />

Bayerisches Staatsministerium für Arbeit, Sozialordnung,<br />

Familie und Frauen<br />

Diakonisches Werk Bayern<br />

Evang.-Luth. Kirche in Bayern<br />

Dekanat München<br />

Landeshauptstadt München: Sozialreferat, Jugendamt und<br />

Gesundheitsreferat<br />

Landkreis München<br />

Spenden und Mitgliedsbeiträge, z. B. durch den Freundeskreis<br />

des ebz, den Förderverein der Evangelischen Telefon-<br />

Seelsorge München e.V., der Stiftung der TelefonSeelsorge,<br />

weiteren Stiftungen sowie vielen Einzelspenden<br />

Kostenbeiträge bei Beratung und Supervision


18<br />

3. Der Freundeskreis des ebz:<br />

Spaß und Erfolg im Team des Freundeskreises<br />

Beim Freundeskreis des ebz spürt man seit geraumer Zeit einen<br />

frischen Wind. Das ist vor allem auf das neu formierte<br />

Team zurückzuführen, das die Benefizveranstaltungen seit<br />

einem Jahr plant, vorbereitet und durchführt: Brigitte Manz-<br />

Gill, Inge Nowak, Regine Schafarschik-Euba, Christl Tillmann,<br />

Wolf Euba, Heinz-Georg Tillmann und Volker Carqueville.<br />

Es bedeutet auch einen Glücksfall, dass sich die Sendlinger<br />

Himmelfahrtskirche zum idealen Veranstaltungsort entwickelt<br />

hat, nicht nur wegen der hervorragenden Akustik, sondern<br />

vor allem wegen der zahlreichen Helferinnen und Helfer<br />

der Gemeinde, die ganz maßgeblich zum Gelingen der Veranstaltungen<br />

beitragen. Dank dieser hervorragenden Zusammenarbeit<br />

konnten dort in den vergangenen Monaten drei<br />

Benefizveranstaltungen durchgeführt werden:<br />

Am 2. Dezember 2008 trug Wolf Euba Stefan Zweigs anrührende<br />

Erzählung „Georg Friedrich Händels Auferstehung“ aus<br />

den „Sternstunden der Menschheit“ vor. Begleitet wurde er<br />

von der brillanten Organistin Anne Horch, die Orgelwerke<br />

von Händel spielte. Als Dank für die erfolgreiche Beratungstätigkeit<br />

werden zu diesen Adventsveranstaltungen alljährlich<br />

alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter des ebz vom<br />

Freundeskreis eingeladen.<br />

Am 3. Februar 2009 fand anlässlich des 200. Geburtstags von<br />

Felix Mendelssohn Bartholdy ein Konzert mit dem vortrefflichen<br />

Bariton Thomas Gropper und dem Pianisten und Organisten<br />

Franz Hauk statt.<br />

Auf einen ganz außergewöhnlichen Zuspruch stieß am 13.<br />

März 2009 Anita Kellers Vortrag von Eric-Emmanuel Schmitts<br />

„Oskar und die Dame in Rosa“ mit Martin Hilmer (Gläserspiel)<br />

und Klaus Geitner (Orgel) als musikalischen Begleitern. Diese<br />

Veranstaltung wurde gemeinsam mit der Dr. Ruth Dausch<br />

-Hospizstiftung durchgeführt.<br />

Zudem gab der Pianist Amir Katz am 18. Januar 2009 ein<br />

großartiges Konzert in der Philharmonie, mit dem er auch<br />

das ebz unterstützte.<br />

Bei allen Maßnahmen des seit 7 Jahren bestehenden Freundeskreises<br />

geht es vorrangig darum, die Öffentlichkeit darauf<br />

hinzuweisen, dass mit dem ebz eine in ihrer Art einzigartige<br />

Beratungseinrichtung besteht. Weiterhin gilt es aufzuzeigen,<br />

dass sich ein ehrenamtliches Engagement besonders in<br />

schwierigen Zeiten auf jeden Fall lohnt. Schließlich stellen<br />

die bei den Benefizveranstaltungen eingenommenen Beträge<br />

für das ebz eine willkommene zusätzliche Einnahmequelle<br />

dar.<br />

Die Feststellung Goethes, „dass es nicht gut ist, dass der<br />

Mensch allein sei, und dass es vielmehr der Teilnahme und<br />

Anregung vieler bedarf, wenn etwas gelingen soll“, trifft<br />

auch auf das Organisationsteam des Freundeskreises des<br />

ebz zu. Gemeinsam gehen einem die zeitaufwändigen und<br />

stereotypen Arbeiten viel leichter von der Hand und beim<br />

gemeinsamen Vorbereiten von Benefizveranstaltungen entstehen<br />

immer wieder neue Ideen und Vorhaben.<br />

Volker Carqueville<br />

Freundeskreis<br />

© Rainer Sturm / pixelio


Aspekte aus der Arbeit<br />

19<br />

der Abteilungen des ebz


20<br />

2.1 „Warum muss man manchmal ein Kondom benutzen?“<br />

Erfahrungsbericht über Sexualpädagogik an Hauptschulen<br />

Neben der Konflikt-, sowie der allgemeinen Beratung während<br />

Schwangerschaft und Elternzeit zählen auch Prävention und<br />

Bewusstseinsbildung im Kontext von Partnerschaft, Sexualität,<br />

Familienplanung und Schwangerschaft zu den zentralen<br />

Aufgaben staatlich anerkannter Beratungsstellen für<br />

Schwangerschaftsfragen. Die Schwangerschaftsberatung des<br />

ebz misst der Prävention daher gleiches Gewicht und Bedeutung<br />

zu wie der Beratungsarbeit. Der nachfolgende Bericht<br />

soll Einblick in konzeptionelle Überlegungen geben und aktuelle<br />

Erfahrungen aufzeigen.<br />

„Kann man vom „Fingern“ schwanger werden?“<br />

„Warum gibt es Pornos? Sind die wirklich falsch gemacht?“<br />

„Welches Alter ist normal für das erste Mal?“<br />

„Was sollte man ganz genau bei Geschlechtsverkehr<br />

beachten?“<br />

„Wie merkt man, dass man schwul/lesbisch ist?“<br />

„Wie groß muss der Penis sein?“<br />

„Wie oft hat der Deutsche im Jahr Sex?“<br />

- dies sind häufige Fragen von Hauptschüler/innen bei den<br />

Projekteinheiten mit unserem SexPädTeam.<br />

In diesem Schuljahr wurden wir, das SexPädTeam der<br />

Schwangerschaftsberatung im ebz (Frau Wittig und Herr<br />

Spring), zum dritten Mal hintereinander von einer Hauptschule<br />

in Allach eingeladen. Vereinbart wurden insgesamt 13<br />

Veranstaltungstermine pro Schuljahr, wobei für alle Klassen<br />

der Jahrgangsstufen 5 bis 10 (M-Zug) eine Projekteinheit<br />

(Dauer drei Schulstunden) vorgesehen ist, so dass im Idealfall<br />

die Schüler/innen von der 5. Klasse an alljährlich zu sexualpädagogischen<br />

Themen von uns begleitet werden. Dieses<br />

Konzept für Projektunterricht an Hauptschulen verfolgen<br />

wir noch an einer weiteren Hauptschule in Blumenau und<br />

möchten es langfristig auch an anderen Schulen so anbieten.<br />

Damit ein solches Projekt in der Schule gelingen kann sind<br />

verschiedene Faktoren wesentlich.<br />

Ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist eine frühzeitige<br />

Jahresplanung, bei der bereits zu Beginn eines neuen<br />

Schuljahres alle zur Verfügung stehenden Termine vergeben<br />

werden, sowie die vorherige Festlegung der Rahmenbedingungen<br />

für eine Veranstaltung. So werden den Schulen im<br />

Vorfeld schriftlich unsere Bedingungen mitgeteilt, wie z. B.<br />

die termingerechte Zusendung der Schülerfragen, der zeitliche<br />

Rahmen des Projekts, die Vor-und Nachbesprechung mit<br />

den zuständigen Lehrkräften, deren Erreichbarkeit während<br />

der Veranstaltung, die Reservierung eines zusätzlichen<br />

Raumes, um den Klassenverband aufteilen zu können, die Bereitstellung<br />

von TV und DVD-/Videorecorder. Darüber hinaus<br />

informieren wir in einer etwa halbstündigen Power-Point<br />

Präsentation möglichst alle Lehrer/innen im Rahmen einer<br />

Lehrerkonferenz über das Projekt der nächsten Wochen. Zum<br />

Ende der Veranstaltungsreihe bieten wir ein bis zwei offene<br />

Sprechstunden für einzelne Schüler/innen an. Abschließend<br />

findet ein Auswertungsgespräch mit der Schulleitung und<br />

ggf. mit dem Lehrerkollegium statt. Wir bieten der Schule<br />

darüber hinaus auch die Gestaltung eines Elternabends im<br />

Vorfeld an, bzw. stellen ihr ein Elterninformationsbrief zur<br />

Verfügung.<br />

Es hat sich bewährt die Veranstaltungen mit der gesamten<br />

Klasse zu beginnen und zu beenden. Für den Hauptteil bilden<br />

wir i. d. R. zwei Gruppen, wobei diese überwiegend geschlechtsspezifisch<br />

aufgeteilt sind. Die Möglichkeit zu einem<br />

Diskurs zwischen den Geschlechtern erachten wir als sehr<br />

notwendig. Wir machen jedoch immer wieder die Erfahrung<br />

an Hauptschulen, dass allein durch die zahlenmäßige Dominanz<br />

der Jungen die Mädchen sich in koedukativen Gruppen<br />

kaum zu Wort melden.<br />

Von Seiten der Schüler/innen besteht gegenüber den Sexualpädagogikprojekten<br />

- als ein punktuelles, im Jahresrhythmus<br />

sich wiederholendes Ereignis - eine hohe Akzeptanz.<br />

Dies ist u. a. daran erkennbar, dass die Schüler/innen sich<br />

trotz des Pflichtcharakters an den Veranstaltungen sehr aktiv<br />

beteiligen. Es zeigt sich auch an der Selbstverständlichkeit,<br />

mit der wir Projektleiter/innen empfangen werden bzw. uns<br />

in der Schule bewegen können, ohne mit Provokationen oder<br />

Anspielungen rechnen zu müssen. Auch ist es für uns immer<br />

wieder erstaunlich, wie viel Wissen aus den vorher gehenden<br />

Projekten den Schülern/innen noch präsent ist.<br />

Für die Vertrauensbildung ist von Vorteil, dass wir nicht Teil<br />

der Schule sind, sondern von außen kommen und Lehrkräfte<br />

i. d. R. an den Projekten nicht teilnehmen dürfen. Dadurch<br />

kann eine Intimität und Anonymität gewahrt werden, die im<br />

üblichen Schulkontext nicht möglich ist. Auch lassen wir uns<br />

mittlerweile nicht mehr verunsichern, wenn Klassenleiter/innen<br />

ihre Klasse als „lernunwillig“ und „wild“ beschreiben.<br />

Die Kinder und Jugendlichen an Hauptschulen zeichnen sich<br />

durch ihre lebhafte, spontane, direkte und unverfälschte<br />

Präsenz aus. Dies zeigt sich auch in der Art und Weise, wie<br />

sie Fragen stellen bzw. an die Thematik herangehen. Sehr<br />

wichtig ist uns während der Veranstaltungen die humorvolle


21<br />

Herangehensweise („der Spaßfaktor“) aber auch die Wahrung<br />

von Grenzen – sowohl eigene als auch die der anderen – bzw.<br />

ein respektvoller Umgang miteinander. Das beinhaltet u. a.,<br />

dass niemand ausgelacht oder beleidigt wird und niemand<br />

sich rechtfertigen muss, wenn er an einer Übung nicht teilnehmen<br />

bzw. sich zu einem Thema nicht äußern möchte<br />

(Freiwilligkeitsprinzip). Die Orientierung an den Bedürfnissen<br />

der Klasse und eine verständliche, wertschätzende Sprache<br />

erleichtern zudem den Zugang zu den Kindern und Jugendlichen<br />

sowie den Transfer von der Informations- zur Handlungsebene.<br />

Wenn es uns gelingt, o. g. Aspekte im Klassenverband umzusetzen,<br />

dann ist die Bereitschaft, sich auf die Themen Liebe,<br />

Sexualität und Partnerschaft einzulassen, sehr groß. Dann<br />

wird es möglich, offen über Irritationen, Ängste, Unterschiede,<br />

Vorbehalte und konkrete Meinungen zu reden ohne<br />

moralische oder abwertende Reaktionen zu provozieren. Dabei<br />

treten vor allem bei den Jungen Themen wie Attraktivität,<br />

Potenz und die Sehnsucht bzw. der Druck, das „erste Mal“ zu<br />

erleben in den Vordergrund. Sie haben eine sehr körperliche<br />

Herangehensweise und ein überwiegend von Pornographie<br />

geprägtes Wissen. Ein Diskurs über Moral und Schädlichkeit<br />

von Pornos würde jedoch das Eingehen bzw. Vertiefen von jugendlichen<br />

Fragen, die auf pornographischen Konsum rückschließen<br />

lassen, erschweren bzw. unmöglich machen. Uns<br />

ist gerade das wertneutrale und unbefangene Gespräch über<br />

Pornographie wichtig, um den Kindern/Jugendlichen bei der<br />

Unterscheidung zwischen realistischer und fiktiver Sexualität<br />

behilflich zu sein.<br />

Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass biologische<br />

Fakten überhaupt nicht langweilen, wenn diese im Kontext<br />

der jugendlichen Erlebnis- und Erfahrungswelt stehen. So<br />

sind Fragen stets hochaktuell wie z. B.: Warum wird der Penis<br />

manchmal schlaff, obwohl man Lust hat? Weshalb funktioniert<br />

Nicht-Verhüten, obwohl es nicht funktionieren kann?<br />

Warum ist für Jungen die Penisgröße so wichtig, obwohl<br />

diese hinsichtlich der Befriedigung unwesentlich ist? Diese<br />

Fragen laden förmlich zu einer differenzierten Betrachtungsweise<br />

ein. Die Praxis zeigt, dass insbesondere Hauptschüler/<br />

innen sich auf diese Ebene einlassen, wenn auf ihre z. T. provokanten<br />

und irritierenden Fragen eingegangen wird. Hierbei<br />

ist die „Entschlüsselung“ der sich dahinter verbergenden eigentlichen<br />

Fragestellungen wesentlich. Bei Fragen nach Leistung<br />

und Technik ist für Jugendliche der Hinweis hilfreich,<br />

dass das Wesen der Sexualität eben nicht technisch bzw. leistungsorientiert<br />

ist. Dann sind auch männliche Jugendliche<br />

konzentriert dabei, wenn der Zusammenhang zwischen der<br />

körperlichen Sexualität und der Gefühlsebene thematisiert<br />

wird. Dass Frauen und Männer anders sind, braucht man niemanden<br />

zu sagen. Dass dieses Anderssein sich aber auch auf<br />

das sexuelle Erleben auswirkt und eine Annäherung bzw. ein<br />

gegenseitiges Verstehen nur auf der Basis von Verständnis<br />

und gegenseitiger Rücksichtsnahme möglich ist, ist für die<br />

meisten dagegen dann aber doch neu.<br />

Im Hauptschulkontext lässt sich auch das Thema „sexuelle<br />

Orientierung“ gut besprechen, wenn dies ohne „flammende“<br />

Plädoyers gegen Ausgrenzung erfolgt. Hauptschüler/innen<br />

haben ein gutes Gespür für „Zwischentöne“ und komplexe<br />

Zusammenhänge. Sie reagieren sehr positiv auf Aussagen<br />

wie, dass sexuelle Kompetenz nicht gleichbedeutend<br />

ist mit Ausprobieren vieler unterschiedlicher Sexualpartner/<br />

innen und –praktiken - und das am besten so früh und so<br />

oft wie möglich. Der Hinweis, dass sexuelle Erfahrenheit mit<br />

der Fähigkeit zusammenhängt, eigene Stimmungen, Gefühle<br />

und Grenzen - sowohl die eigenen als auch die der anderen -<br />

wahrnehmen zu können, kann entlastend wirken. Ebenso die<br />

Gedanken, dass Gefühle nie eindeutig sind und die sexuelle<br />

Entwicklung ein fortlaufender Prozess im Menschsein ist, der<br />

nicht irgendwann mit dem Einsetzen der Pubertät beginnt<br />

und im Erwachsenenalter abgeschlossen wird. Und dass „Pannen“<br />

dazugehören!<br />

Das sind viele Elemente und Gedanken, die auch in unserem<br />

Alltag als Sexualpädagog/innen ihre Entsprechung finden:<br />

Eine gute Vorbereitung und Strukturierung der Veranstaltungen<br />

und Kooperation mit den Lehrkräften tragen genauso<br />

für das Gelingen der Projekte bei wie die Bereitschaft sich auf<br />

den Prozess und auf die Begegnung mit den Jugendlichen<br />

einzulassen und Unvorhergesehenes geschehen zu lassen.<br />

Karl- Heinz Spring<br />

Schwangerschaftsberatung


22<br />

2.2 Neue Dimensionen der Verunsicherung<br />

Auswirkungen von Arbeitslosigkeit und Armut auf Partnerschafts- und Familiendynamik<br />

Seit der Einführung der „Hartz IV“-Regelungen erleben wir in<br />

der EFL in Neuperlach in der Beratung eine Verschärfung der<br />

Probleme, die sich aus Arbeitslosigkeit und Armut ergeben.<br />

Eine größere Zahl von Menschen ist betroffen und dies mit<br />

größerer Härte, da für viele die soziale Absicherung spürbar<br />

nachgelassen hat. Das bedeutet für viele der Betroffenen auf<br />

materieller Ebene Verlust und Not, auf psychischer Ebene<br />

Ohnmacht und Verzweiflung. Tendenziell erleben wir zwei<br />

grundlegende Reaktionsweisen: die seelischen Auswirkungen<br />

von „Hartz IV“ und Armut.<br />

Bei Klient/innen mit einer eher progressiven Orientierung<br />

wird die Zuschreibung „Hartz IV“ wie eine Stigmatisierung<br />

empfunden gegen die sie ankämpfen möchten. Da es aber<br />

trotz großer Bemühungen oft nicht möglich ist wieder eine<br />

adäquate Beschäftigung zu finden, verfestigen sich Enttäuschung<br />

und Verzweiflung. Die hierbei entstehende Aggression<br />

wird oft gegen sich selbst nach innen gewendet. Dies<br />

kann zu massiven psychosomatischen Beschwerden führen<br />

oder sich als lavierte oder auch offen zutage tretende Depression<br />

äußern. Bei Klient/innen mit einer eher regressiven<br />

Grundstruktur überwiegt das Gefühl ausgeliefert zu sein. Sie<br />

empfinden die Zuschreibung „Hartz IV“ als Festlegung, die<br />

sich nicht mehr ändern lässt. Dieses Grundgefühl der Stagnation<br />

führt zu Resignation oder Aggression. Die aggressiven<br />

Impulse richten sich tendenziell nach außen als Gefühl<br />

im Stich gelassen zu werden und gelten oft dem Staat als<br />

„Elterninstanz“, dem Versagen vorgeworfen wird. Die hierbei<br />

entstehende Wut kann sich als Verweigerung oder in Form<br />

einer einseitigen Versorgungs- und Anspruchshaltung äußern.<br />

Bei beiden Verarbeitungsversuchen können die aggressiven<br />

Impulse schwer in konstruktive Handlungen umgesetzt<br />

werden und stellen ein hohes Spannungspotential dar für die<br />

Partnerschaft und die gesamte Familie.<br />

In der konkreten Arbeit in der Beratungsstelle sind wir v. a.<br />

mit Verlust von Selbstwert sowie innerer und äußerer Struktur<br />

und Grenzen konfrontiert. In unserer Gesellschaft hat der<br />

Beruf einen hohen Stellenwert für die Bildung der eigenen<br />

Identität und den Selbstwert. Geht für einen der Partner,<br />

dieser stabilisierende Faktor durch Arbeitslosigkeit verloren,<br />

verändert sich oft auch das Gleichgewicht in der Beziehung<br />

zu seinen Ungunsten. Der Entwertung im Beruf folgt die Entwertung<br />

zu Hause. Ein Teufelskreis setzt sich in Gang, der nur<br />

schwer zu durchbrechen ist. Die Berufstätigkeit ist ein stark<br />

strukturierendes Element in unserem Alltag. Durch sie wird<br />

nicht nur der Tagesablauf in wesentlichen Teilen vorgegeben,<br />

sondern auch die Unterteilung in Freizeit und Arbeitszeit.<br />

Darüber hinaus reguliert sie auch zu einem gewissen Teil die<br />

Aufgabenverteilung und das Gleichgewicht von Nähe und<br />

Distanz in Partnerschaft und Familie. So belastend diese Bestimmung<br />

von außen oft erlebt wird, so gibt sie doch eine<br />

Struktur vor, die nicht leicht selber zu schaffen ist. Ein Aspekt<br />

der Arbeitslosigkeit, der für Partnerschaft und Familienleben<br />

weit reichende Folgen hat, ist der Wegfall dieser Strukturen<br />

und damit die Notwendigkeit, in Zeiten der Krise viele neue<br />

Regeln des Zusammenlebens erarbeiten zu müssen.<br />

© S. Hofschlaeger / pixelio<br />

In dem folgenden Beispiel aus der Außenstelle der EFL in<br />

Neuperlach wird deutlich, wie die belastende Situation, welche<br />

sich durch Arbeitslosigkeit eingestellt hat, auch dazu<br />

führen kann, dass Grenzen innerhalb eines Familiensystems<br />

durchlässiger werden:<br />

Es handelt sich um eine 41-jährige Frau, die getrennt lebt,<br />

alleinerziehend und arbeitslos ist. Sie hat zwei Kinder (13<br />

und 19 Jahre alt). Der Anmeldegrund bei der telefonischen<br />

Anmeldung lautet: Sie will klare Verhältnisse schaffen mit<br />

dem Ehemann.<br />

Vor mir sitzt eine sehr erschöpfte Frau. Sie ist in Deutschland<br />

als Kind türkischer Eltern geboren, spricht fließend, aber<br />

nicht fehlerfrei Deutsch. Zusammen mit ihren Kindern lebt<br />

sie in einer kleinen 3-Zimmer-Wohnung, seit vielen Jahren<br />

überwiegend von ihrem Mann getrennt. Er ist als Kind italienischer<br />

Eltern ebenfalls in Deutschland geboren. In den<br />

zurückliegenden Jahren verließ er sie häufig wegen anderer<br />

Frauen, kehrte aber phasenweise zu ihr zurück. Nun kann<br />

sie diese Situation nicht mehr ertragen und will sie verändern.<br />

Im Erstgespräch stellt sich allerdings heraus, dass das<br />

Paarproblem von anderen Themen überlagert wird: Migrationshintergrund,<br />

Arbeitslosigkeit und die konflikthafte Beziehung<br />

zum 19-jährigen Sohn erscheinen zusätzlich als drängende<br />

Probleme.


23<br />

Vor 4 Jahren hat die Klientin eine Umschulung zur Bürokauffrau<br />

abgeschlossen, in diesem Beruf aber keine Anstellung<br />

gefunden. Ein auf 6 Monate befristeter „1-Euro-Job“<br />

hat ihr Selbstwertgefühl weiter untergraben, die erhoffte<br />

Anstellung hat sie nicht bekommen. Sie lebt von „Hartz IV“.<br />

Ihr Sohn macht zur Zeit eine Lehre. Von seinem monatlichen<br />

Einkommen müsste er ihr einen vom Sozialamt berechneten<br />

Satz als anteilige Miete abgeben, der ihr vom Wohnungsgeld<br />

abgezogen wird. Er weigert sich aber, verachtet sie, gibt ihr<br />

die Schuld an ihrer Arbeitslosigkeit. Sie fühlt sich ihm gegenüber<br />

hilflos und unterlegen, fordert das dringend benötigte<br />

Geld nicht von ihm ein aus Angst ihn zu verlieren. Der Kontakt<br />

zur Tochter ist reduziert. Sie besucht wegen ADS einen<br />

heilpädagogischen Hort und kommt erst abends nach Hause.<br />

Wir beginnen die Arbeit mit dem drängendsten Problem: der<br />

verlorengegangenen Generationengrenze. Die Klientin nimmt<br />

ihrem Sohn gegenüber zeitweise nicht die Position der Mutter<br />

ein. Wenn sie aber in ihrer Mutterrolle ist, fühlt sie sich<br />

schlecht und schuldig, weil sie ihrem Sohn nicht geben kann<br />

was er ihrer Meinung nach braucht, z. B. genügend Geld für<br />

Urlaub. Der interkulturelle Faktor im Zusammentreffen dreier<br />

Kulturen - der italienischen, türkischen und deutschen - wird<br />

als erschwerendes Moment immer wieder deutlich. Vor allem<br />

aber das geringe Selbstwertgefühl und die Armut führen zu<br />

destruktiven Interaktionszirkeln zwischen Mutter und Sohn.<br />

Der Rückhalt durch die Beratung bewirkt, dass sie plötzlich in<br />

ihrem Umfeld verschiedene Möglichkeiten entdecken kann.<br />

Sie besucht einen Arbeitslosentreff, erfährt dadurch von einem<br />

günstigen Englischkurs und meldet sich an. Sie beginnt<br />

wieder Bewerbungen zu schreiben. Auch entschließt sie sich<br />

mit dem Rauchen aufzuhören und besucht einen entsprechenden<br />

Kurs bei der Krankenkasse. Die stützende Beratung<br />

half der Klientin, kleine konkrete Schritte zu tun. Sie spürte<br />

wieder etwas von ihrer verlorengeglaubten Energie und<br />

Selbstachtung.<br />

Die Beratung wurde nach sechs teils wöchentlichen, teils<br />

vierzehntägigen Sitzungen beendet – ohne dass der telefonische<br />

Anmeldegrund noch einmal zur Sprache kam. Der<br />

deutliche Wunsch der Klientin nach Veränderung bewirkte<br />

trotz der fast aussichtslos erscheinenden Problemvielfalt im<br />

Rahmen des Möglichen eine Lösung der aktuellen Probleme.<br />

© Schemmi / pixelio<br />

Respekt verloren und stattdessen findet eine wechselseitige<br />

Entwertung statt. Damit geht eine Grundvoraussetzung<br />

für eine konstruktive Konfliktlösung verloren. Stattdessen<br />

entwickelt sich oft eine Dynamik, die durch eine wechselseitige<br />

Entwertung, durch negativ besetzte Projektionen (der<br />

berühmte Splitter im Auge des Anderen) und durch eine zunehmende<br />

aggressive Grundstimmung gekennzeichnet ist.<br />

Nicht selten kommt es hierbei auch zu Gewaltanwendungen.<br />

Ein respektvoller Umgang ist demzufolge eine lebensnotwendige<br />

Grundvoraussetzung und stellt somit die Basis dar, von<br />

der aus eine adäquate Konfliktlösung in den verschiedensten<br />

Lebenssituationen angestrebt werden kann.<br />

Helmut Brandmair und Team<br />

Ehe-, Familien- und Lebensberatung<br />

Wir haben dieses Thema gewählt, weil wir bemerkt haben,<br />

dass es vielen Klienten, die ja aus den verschiedensten Beweggründen<br />

in die Beratung kommen, ähnlich ergeht. Die<br />

allgemeine Lebenssituation der Klienten ist vielfach dadurch<br />

gekennzeichnet, dass der “gefühlte“, aber auch der reale<br />

Druck, dem die Einzelnen, aber auch die Paare und Familien<br />

ausgesetzt sind, deutlich zunimmt. Und oft passiert dann<br />

folgendes: Je höher der Druck, desto eher geht auch der


24<br />

2.3 Die Ressourcen stehen an erster Stelle<br />

Beratung von Klient/innen mit Traumafolgestörungen<br />

In den letzten Jahren kann die EFL eine Zunahme von<br />

Ratsuchenden mit (chronifizierten) posttraumatischen<br />

Folgestörungen beobachten. In Reaktion darauf hat sich<br />

das Team zu diesem Thema ein Basiswissen angeeignet und<br />

eine Beraterin mit traumatherapeutischer Zusatzausbildung<br />

als „Spezialistin“ in der Fallintervision festgelegt. Selten<br />

kommen Klient/innen wegen eines Traumas, sondern<br />

das Trauma wird im Laufe des Beratungsprozesses so<br />

offensichtlich, dass es zum Thema wird. Anzeichen für das<br />

Vorliegen einer Traumatisierung sind oft Stagnation des<br />

Beratungsprozesses, völlig irrationales Argumentieren oder<br />

Abgleiten in heftige Affekte, wobei die Klient/innen in diesen<br />

Überflutungszuständen unerreichbar sind für klassische<br />

Interventionen der Beraterin bzw. des Beraters.<br />

Traumatisierte Menschen schützen sich oft durch den Versuch<br />

„normal“ zu erscheinen, um nicht für „verrückt“ gehalten zu<br />

werden. Sie selbst halten sich meist für verrückt. Sie hoffen,<br />

dadurch den Schmerz zu vermeiden und das Unaushaltbare<br />

nicht spüren zu müssen. Sie haben den Wunsch nach<br />

Orientierung, Sicherheit, Kontrolle, Wiederherstellung<br />

der Normalität und Schutz vor den sich aufdrängenden<br />

Trauma–Bildern. Dies legt für den Kontakt und die Beratung<br />

dieser Klient/innen einen bestimmten Rahmen nahe:<br />

Die Basis bildet psychotraumatologisches Fachwissen<br />

(Theorie und Interventionstechnik) bei den Berater/innen.<br />

In der Behandlungstechnik haben die Wiederherstellung<br />

von Sicherheit (insbes. bzgl. Täterkontakten) sowie die<br />

Stärkung von Stabilität und von vorhandenen Ressourcen<br />

oberste Priorität. Eine weitere interventionstechnische<br />

Besonderheit besteht darin, dass wir als Berater/innen die<br />

sogenannten Trigger (meist sensorische Reize, die während<br />

der Traumatisierung da waren und den Klient/innen aus dem<br />

Heute in das Dort und Damals des Traumas katapultieren)<br />

nicht kennen. Deshalb sollte der/die Berater/in bei einem<br />

traumaadaptierten Vorgehen, den Klient/innen immer<br />

die inhaltliche Wahl lassen (also nicht nachbohren nach<br />

Inhalten und Details) und auch Deutungen als Angebot<br />

formulieren. Dies führt bei dem/der Klient/in zu einem<br />

Aufbau von Selbstwirksamkeit und Entscheidungsfreiheit<br />

und damit Kontrolle–Haben. Als beraterische Haltung sind<br />

Wertschätzung, Respekt und wohlwollender, empathischer<br />

Abstand im Sinne von Achtung vor den Grenzen des Anderen<br />

gefragt. Für viele Traumatisierte sind Beziehungen vergiftet<br />

durch Ausbeutung, Missbrauch und Grenzüberschreitung.<br />

Es gibt eine Reihe von häufig beobachtbaren Phänomenen<br />

bei diesen Klient/innen: Es jagt eine Katastrophe die<br />

nächste. Jede Situation wird unbewusst familialisiert<br />

(alle sozialen Situationen werden als Duplikat der<br />

Ursprungsfamilienbeziehungen erlebt), was zu einer<br />

Reaktualisierung der traumatischen Situation führt. Auch ist<br />

alles immer sofort existentiell, es geht immer gleich um Leben<br />

und Tod. Oft „funken“ dem/der Ratsuchenden Täterintrojekte<br />

dazwischen, hauptsächlich in Selbstbildern wie: „Ich bin<br />

schlimm / unwert / böse ... es darf mir nicht gut gehen ... lass<br />

die schwafeln, das ist eh wieder eine unfähige Psychotante“<br />

(Entwertung der/des Berater/in). Schließlich spiegelt sich<br />

das Trauma auch in der Beratungsbeziehung: Oft erfassen<br />

/ erspüren traumatisierte Menschen ihr Gegenüber binnen<br />

Minuten und wissen fast alles von ihm. Das hat für den/<br />

die Helfer/in etwas Erschreckendes, Unheimliches, Invasives.<br />

Dem Gegenüber hat diese „Zwangsgabe“ im Damals das<br />

Überleben gesichert. Manchmal wird der/die Helfer/in zum<br />

„allmächtigen, rettenden, guten Objekt“. Das Gegenüber<br />

„klammert“ sich dann mit aller Kraft an. In der Resonanz fühlt<br />

sich der/die Herlfer/in dann oft vereinnahmt, verschluckt,<br />

missbraucht. Diese Szene zeigt uns etwas von der „Potenz“<br />

der Identifikation / Unterwerfung mit dem Täter während der<br />

Traumatisierung. In Resonanz auf diese Phänomene während<br />

der Beratungssituation muss der/die Berater/in eine Vielfalt<br />

von ausgelösten Gefühlen und Impulsen in sich containen und<br />

sortieren: Retterimpulse, Aktionismus und sich verbünden<br />

wollen mit dem/der Klient/in gegen den Rest der feindlichen<br />

Welt, Verwirrtheit und Hinterherhecheln, Hoffnungslosigkeit<br />

und Resignation, aversive Gefühle gegen den/die Klient/in<br />

wie Verachtung, Gewaltfantasien, sich abwenden wollen.<br />

Durch die emotionale Wucht der Traumainhalte sind<br />

Beratungen mit Traumahintergrund für die Berater/innen<br />

oft sehr anstrengend. Hier ist es wichtig, kontinuierlich für<br />

die eigenen Kräfte und das eigene Wohlbefinden als Berater/<br />

in zu sorgen, „Schleusen“ zwischen Arbeit und Privatsphäre<br />

einzubauen und sich bewusst im eigenen Leben und der<br />

eigenen Identität zu verwurzeln, zu entfalten und das Leben<br />

zu genießen bzw. genussvoll zu gestalten.<br />

Barbara Gollwitzer<br />

Ehe-, Familien- und Lebensberatung


25<br />

2.4 Gedanken zum Gelingen von „High-conflict Beratung“<br />

Die Beratung von hoch-konflikthaften Trennungs- und<br />

Scheidungsfamilien gehört seit Jahren zu unserem Arbeitsalltag<br />

in der EB. Im Rahmen der Umsetzung der Beratung<br />

nach dem Münchner Modell und durch eine interne<br />

Fortbildung mit Frau Norman vom Familiennotruf München<br />

sowie die Teilnahme an einer Studie des Deutschen Jugendinstituts<br />

(„Kinderschutz bei hochstrittiger Elternschaft“) ermutigt,<br />

beschreiben wir unsere Erfahrungen und Gedanken<br />

zu einem inzwischen etwas veränderten Vorgehen bei diesen<br />

Beratungen.<br />

Die Ausgangsbedingungen einer high-conflict Beratung...<br />

Unter High-Conflict-Fällen verstehen wir die Arbeit mit Trennungs-<br />

bzw. Scheidungseltern, deren Kommunikation nicht<br />

nur aus gegenseitigen Drohgebärden besteht, sondern bei<br />

denen es zu wiederholten konkreten Einschränkungen kam,<br />

meist im Bereich des Umgangs mit den Kindern, was immer<br />

wieder zur Anrufung des Familiengerichts geführt hat. Das<br />

Konfliktniveau dieser Paare bezogen auf eine Skala von 1<br />

bis 8 befindet sich mindestens auf Stufe 6 (nach Glasl) oder<br />

sogar darüber. Leidtragende dieser Konflikte sind die Kinder,<br />

die mit hineingezogen und als Bündnispartner missbraucht<br />

werden. Zur Rechtfertigung ihrer Sichtweise verwenden die<br />

Eltern die Sorge um das Kind. Sie argumentieren, dass sie im<br />

Interesse des Kindes sprechen und explizit dessen Sichtweise<br />

vertreten. Eine Differenzierung zwischen eigenen Bedürfnissen<br />

und denen des Kindes findet nur noch begrenzt statt.<br />

Mediative Maßnahmen und herkömmliche Formen der Beratung,<br />

die zu einer Einigung in Form einer gemeinsamen verbindlichen<br />

Vereinbarung zwischen den Eltern hätten führen<br />

sollen, sind gescheitert. Meist gibt es zwar eine formale Vereinbarung,<br />

die aber in der Praxis oft nicht eingehalten wird.<br />

Die Gründe dafür werden wiederum mit Argumenten aus der<br />

angeblichen Sicht des Kindes versehen. Da diese Argumentation<br />

beide Eltern jeweils diamentral gegenläufig verwenden,<br />

ist zwischen den Eltern meist eine Pattsituation entstanden,<br />

die zu einer Verhärtung der Fronten geführt hat und ein gegenseitiges<br />

Entgegenkommen zunächst unmöglich macht.<br />

Dies ist die Ausgangssituation für die Anmeldung bei uns.<br />

Das Annehmen der Beratung ist mit einem gewissen Druck<br />

auf die Eltern von Seiten des Gerichts bzw. des Jugendamts<br />

verbunden. Die Eltern melden sich dabei vor allem aufgrund<br />

der dringenden Empfehlung des Gerichtes oder Jugendamtes<br />

an. Es handelt sich dabei um eine gewisse Form der Zwangsberatung.<br />

... erfordern eine therapeutische Haltung auf Beraterseite<br />

Im Gegensatz zur herkömmlichen Trennungs- und Scheidungsberatung<br />

bzw. der freiwilligen Mediation gehen wir<br />

an die high-conflict Beratung mit einer therapeutischen<br />

Haltung heran und weniger mit einer formal zwischen den<br />

Elternteilen vermittelnden. Es hat sich gezeigt, dass einer der<br />

ursächlichen Gründe für die Konfliktverhärtung das subjektive<br />

Gefühl der erlebten Demütigung durch den anderen Elternteil<br />

ist. Dieser wird als existentiell bedrohlich erlebt. Die<br />

Reaktionen darauf sind gekennzeichnet durch eine rational<br />

nicht erklärbare Härte und Unbarmherzigkeit. Obwohl diese<br />

Gefühle offen zu Tage treten, sind sie meist außerhalb des<br />

reflexiven Bereiches der betroffenen Personen. Die Situation<br />

entspricht quasi einer Retraumatisierung alter, als existentiell<br />

bedrohlich erlebter Gefühle, die einen maximalen Schutz<br />

erfordern. Eine andere, nicht weniger massive Reaktion kann<br />

sich in Form von emotionalen Impulskontrollverlusten zeigen,<br />

z. B. durch heftige überraschende Affektausbrüche. Die<br />

Gekränktheit und die Verzweiflung treten also offen zu Tage,<br />

können aber rational nicht bearbeitet oder thematisiert werden,<br />

weil dies wiederum zu bedrohlich wäre. Der durch sein<br />

© Rico Kühnel / pixelio<br />

Verhalten bzw. durch seine pure körperliche Anwesenheit<br />

das Verhalten des anderen auslösende Elternteil fühlt sich<br />

ebenfalls diesen Affekten hilflos ausgeliefert und versucht<br />

manchmal durch extreme Reaktionen seinerseits die erlebte<br />

Bedrohung abzuwehren. Hierzu gehören z. B. Drohgebärden<br />

und/oder ebenfalls eine kompromisslose Form der Härte und/<br />

oder scheinbar weiche Gesten des Entgegenkommens, die<br />

aus der konflikthaften Beziehungsgeschichte stammen. So<br />

steigert sich das Erleben wechselseitig und kann zu tatsächlichen<br />

oder angedrohten Kontaktabbrüchen führen.


26<br />

... und spezielle Rahmenbedingungen und Vorgehensweisen.<br />

Am besten ist es, in Co-Beratung zu arbeiten, wenn möglich<br />

als Mann/Frau-Beraterpaar, um so in den Sitzungen eine optimale<br />

Projektionsfläche für die männliche und die weibliche<br />

Seite zu gewährleisten. Der Versuch der parteilichen Vereinnahmung<br />

und auch die angebotenen Übertragungsphänomene<br />

sind in diesen Fällen besonders heftig. Zu zweit können<br />

sie besser angenommen, ausgehalten und nutzbar gemacht<br />

werden.<br />

Insgesamt handelt es sich um eine sehr anstrengende, konzentrierte<br />

und energieaufwendige Form der Beratung. Sie<br />

macht es notwendig, dass die Berater/innen immer wieder<br />

zwischen Intervention und Beobachtung hin und her pendeln.<br />

Man muss sich als Therapeut/in in der Sitzung zeitweise<br />

immer wieder zurücklehnen und regenerieren, sonst ist die<br />

Dichte nicht auszuhalten. Dementsprechend wählen wir für<br />

die High-Conflict-Beratung einen großen und neutralen Beratungsraum,<br />

der den Gefühlen der gegenseitigen Bedrohung<br />

durch Ausweichmöglichkeiten auch Rechnung trägt.<br />

Ein dritter Faktor ist ausreichend Zeit, 120 Minuten sollten<br />

auf alle Fälle zur Verfügung gestellt werden. In der einzelnen<br />

Sitzung ist dann jeweils zu prüfen, wann ein günstiger<br />

Zeitpunkt zum Beendigen der Sitzung gekommen ist, denn,<br />

eine gewisse Flexibilität ohne unnötigen Zeitdruck erscheint<br />

uns notwendig. Das jeweilige Ende kann an konkreten Ergebnissen<br />

der Einigung festgemacht werden, aber auch an der<br />

emotionalen Belastung der einzelnen Beteiligten. Die Eltern<br />

stehen unter einem gewaltigen Druck. Sie haben viele Punkte<br />

zu regeln und fühlen sich gleichzeitig emotional überfordert,<br />

da sie die Beratungssituation als unangenehm erleben. Daher<br />

sollte von vornherein klar sein, dass es erst mal nur wenige<br />

Termine geben wird. Die Abstände zwischen den Sitzungen<br />

betragen mindestens 2-3 Wochen.<br />

Wie üblich ist zu Beginn des Prozesses der Eigenauftrag sowie<br />

auch eventuelle Fremdaufträge zu klären und deutlich zu<br />

formulieren. Ebenso ist es sinnvoll, wenn ein Überblick über<br />

den bisherigen Verlauf des gerichtlichen Prozesses vorliegt.<br />

Ein Nicht-Zustande-Kommen eines ersten Termines aus zeitlichen<br />

Gründen ist ein wesentlicher Hinweis dafür, dass es für<br />

einen gemeinsamen Beratungsprozess zu früh oder schon zu<br />

spät ist bzw., aus welchen Gründen auch immer, kein echtes<br />

Interesse besteht.<br />

Bei Bedarf Einbeziehung der Kinder ...<br />

Da es bei der Beratung grundsätzlich um Fragen zur Gestaltung<br />

des Umgangsrechts geht, ist es gut, dass beide Elternteile<br />

damit einverstanden sind, dass die Kinder bei Bedarf<br />

persönlich miteinbezogen werden können. Dies liegt vor allem<br />

an der bereits erwähnten Argumentation der Eltern, dass<br />

beide die Sicht ihrer Kinder vertreten. Es kann daher günstig<br />

sein, den Unterschied zwischen den Sichtweisen der Eltern<br />

und denen der Kinder durch deren konkreten Einbezug in<br />

Form eines Einzeltermins nur mit den Kindern zu verdeutlichen.<br />

Aber Vorsicht bei parentifizierten Kindern! Von einem<br />

direkten Einbezug in Form eines gemeinsamen Termins mit<br />

den Eltern sehen wir aufgrund der beschriebenen emotionalen<br />

Dichte eher ab. Ein gemeinsamer Termin mit den Eltern<br />

erscheint uns eher als eine Zumutung für die Kinder.<br />

Die konkrete Beratungsarbeit, ihre Chancen und Grenzen<br />

Gearbeitet wird in den Sitzungen immer an konkreten Punkten,<br />

die auch visualisiert und schriftlich fixiert werden. Dies<br />

stellt jedoch nur einen formal symbolischen Akt dar, das Wesentliche<br />

für uns bleibt der ablaufende emotionale Prozess.<br />

Die Erfahrung zeigt, dass die Tücke oft im Detail steckt, d. h.<br />

der Einigungsprozess geht eine ganze Zeit lang konstruktiv<br />

voran und bleibt dann an einem bestimmten Punkt hängen.<br />

Es ist daher sinnvoll, leichtere Punkte vorzuziehen und die<br />

Übereinstimmungen festzuhalten. Das gibt die Möglichkeit<br />

zu erleben, dass evtl. doch etwas gelungen ist und erreicht<br />

werden konnte. Diese Erfahrung der konstruktiven Bewältigung<br />

einer Auseinandersetzung kann Eltern helfen, zukünftig<br />

auch in einer eigenständigen Form Konfliktpunkte anzugehen.<br />

Wenn die emotionale Belastung für einen oder beide Elternteile<br />

zu hoch erscheint, sind flankierende Einzeltermine eine<br />

mögliche Option. Sollte die emotionale Kränkung jedoch so<br />

traumatische Auswirkungen haben, dass schon das Zusammentreffen<br />

mit dem subjektiv erlebten „Aggressor“ einen<br />

Trigger darstellt, ist es besser auf gemeinsame Beratungstermine<br />

mit den Elternteilen zu verzichten. Dann erscheint eine<br />

Einzeltherapie dringend empfohlen. Man darf in diesem Zusammenhang<br />

nicht vergessen, dass die Auseinandersetzung<br />

mit dem anderen Elternteil einen Prozess reaktiviert hat, für<br />

dessen Auslösung zwar das Handeln der anderen Person verantwortlich<br />

ist, dessen Ursache jedoch in viel früher erlebten<br />

Demütigungen und Kränkungen liegen kann, was die Massivität<br />

der emotionalen Reaktion verständlich macht. Dieser<br />

Teil kann zwar verdeutlicht, aber letztendlich in dieser Form<br />

des Settings nicht bearbeitet werden. Ein grundsätzlicher<br />

und klarer Appell an die Eigenverantwortlichkeit und Fürsorgepflicht<br />

ihren Kindern gegenüber erscheint sehr hilfreich<br />

und nützlich. Gleichzeitig muss immer wieder deutlich werden,<br />

dass beide Elternteile ausschließlich ihre eigene Sicht<br />

vertreten und daher endlich aufhören sollten, aus der Sicht<br />

ihrer Kinder zu argumentieren. Der Abschluss des Prozesses<br />

wird auf alle Fälle gebührend gewürdigt und die konkret erbrachten<br />

Einigungspunkte schriftlich fixiert auch dem Gericht<br />

vorgelegt.


27<br />

Letztendlich handelt es sich bei der High-Conflict-Beratung<br />

um einen sehr dichten Prozess, der emotional sehr aufgeladen<br />

abläuft und daher oft auch zum Scheitern verurteilt ist.<br />

Es ist dennoch ein Versuch mit einer anderen Art des Vorgehens<br />

der Beratung, trotz erlebter und reaktivierter Kränkungen<br />

und Misserfolge, doch noch zu einem konstruktiven<br />

Ergebnis im Interesse der Kinder zu kommen. Ein therapeutisch-diagnostisches<br />

Know How erscheint uns für diese Form<br />

der therapeutischen Beratung jedoch unumgänglich.<br />

Jürgen Wolf und Barbara Reiss<br />

Beratung für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien<br />

2.5 Gespräche auf der Grundlage von Traumawissen<br />

TelefonSeelsorge galt bisher als spezialisierte Einrichtung für<br />

Krisenintervention. Krisen erleben Menschen von der Geburt<br />

bis ins hohe Alter. Ob eine Krise zum Trauma wird, hängt von<br />

der Verarbeitung ab. Vor allem die bildgebenden Verfahren<br />

der Neurobiologie haben neue Kenntnisse über das Trauma<br />

eröffnet. Menschen finden möglicherweise aus einer Krise<br />

nicht mehr heraus und entwickeln posttraumatische Belastungsstörungen<br />

(PTBS). Manche dieser Störungen legen sich<br />

nach einiger Zeit, manche werden dysfunktional, summieren<br />

sich durch neue traumatische Erfahrungen oder Retraumatisierungen<br />

und werden so zu Persönlichkeitsstörungen. Dass<br />

viele Menschen, die bei der TelefonSeelsorge anrufen, unter<br />

Persönlichkeitsstörungen leiden, ist seit langem bekannt.<br />

Dass von diesen wiederum viele komplex traumatisiert sein<br />

dürften, wird erst nach und nach bewusst. Dies verändert die<br />

Sicht, das Verständnis, die Geduld und die Geprächsführung<br />

der Beratenden. So hat die Evangelische TelefonSeelsorge<br />

München ein Projekt entwickelt, das ehrenamtlich Mitarbeitenden<br />

Kompetenzzuwachs auf dem Gebiet des Traumawissens<br />

ermöglicht.<br />

Es gibt Anrufende, die öfters anrufen. Fast immer repräsentieren<br />

sie im Gespräch ihre alten Muster. Manchmal ziehen<br />

sie die Berater/innen in den Sog ihrer erlernten Hilflosigkeit.<br />

Manchmal zeigen sie deutlich, dass die frühe Bindungsstörung<br />

noch heute wirksam ist, sind im Moment des Gesprächs<br />

ganz das verletzte Kind von damals. Es kann beruhigen, dass<br />

die TelefonSeelsorger/innen nur einen kleinen Ausschnitt<br />

dieses Lebens mitbekommen. Nur ein Teil, meist der verletzte,<br />

der schmerzhafte, wird im Gespräch gezeigt. Es stellt sich die<br />

Frage, was gibt es im Leben dieses Anrufenden noch an Stärken,<br />

Fähigkeiten, Gelungenem – also Ressourcen? Was hat<br />

diesen Menschen überleben lassen? Gibt es stärkende Quellen,<br />

gibt es in diesem Leben eine Widerstandsfähigkeit (Resilienz),<br />

wo ist die Würde, die dieser Mensch vielleicht noch in<br />

sich trägt? Die Beratenden sollten neugierig sein auf das Hier<br />

und Heute und was es sonst noch gibt außer der gerade präsentierten<br />

Seite. Dann ist hoffentlich das Verbleiben in dem<br />

Schmerz von damals gar nicht mehr so wichtig.<br />

Ein paar Gedanken aus dem ersten Projektjahr<br />

Traumatisierte Menschen brauchen Sicherheit und Schutz.<br />

Beides bietet TelefonSeelsorge in hohem Maße an: Eine seriöse<br />

Institution, jeweils eine verschwiegene Vertrauensperson,<br />

die immer präsent ist, die Aufmerksamkeit, Verständnis und<br />

Seelsorge und obendrein Anonymität verspricht. Kein Wunder,<br />

dass TelefonSeelsorge von so vielen Menschen angerufen<br />

wird, die vermutlich komplex traumatisiert sind.<br />

Wenige Menschen rufen bei der TelefonSeelsorge in einer<br />

akut traumatischen Situation an. Viele Anrufende sind ziemlich<br />

sicher komplex traumatisiert, ohne dies selbst benennen<br />

zu können. TelefonSeelsorger/innen sind nicht in der Lage,<br />

Diagnosen zu stellen. Sie können aber erspüren, wenn jemand<br />

Stabilisierung braucht und Schutz vor einer Retraumatisierung<br />

z. B. durch das allzu ausführliche Erzählen schrecklicher<br />

Erfahrungen.<br />

© Gerdralt / pixelio<br />

Ein zweiter wichtiger Aspekt bei der Beschäftigung mit Gesprächsführung<br />

auf der Grundlage von Traumawissen war<br />

und ist die sekundäre Traumatisierung von TelefonSeelsorgerInnen<br />

nach belastenden Gesprächen. Dies zeigte sich<br />

erst im Laufe der Zeit und wurde vor allem als dringlich in


28<br />

Supervisionen erkannt. Hier galt es Stabilisierungsübungen<br />

(nach Luise Reddemann) für die Mitarbeitenden einzuüben<br />

und Techniken zu erlernen, die sie als Berater/innen schützen<br />

können. Dennoch ist es oft für die Betroffenen nicht sofort<br />

erkennbar, wenn sie sekundär traumatisiert sind. Zum einen<br />

kann der Inhalt des Gesprächs an eigene biographische Erlebnisse<br />

anrühren (triggern), die als traumatisch erlebt wurden.<br />

Zum anderen gibt es Gespräche, die nicht so einfach abgelegt<br />

werden können und bei Telefonberatern als Belastung<br />

zurückbleiben. Dies bedarf der sorgfältigen supervisorischen<br />

Bearbeitung, soll es nicht zum Burn-out führen.<br />

Fallbeispiele vom Telefon<br />

Eine junge Frau ruft uns in Abständen immer wieder an und<br />

erzählt von einer Vergewaltigung vom Vortag. Sie erlebt aber<br />

offenbar Flash-backs. Früher wäre die Glaubwürdigkeit der<br />

Anruferin in Frage gestellt worden. Heute hilft die Frage:<br />

“Wann ist das passiert? In welcher Zeit befinden Sie sich,<br />

wenn Sie uns das erzählen?“ Ohne uns Details erzählen zu<br />

lassen, können wir mit der Anruferin besprechen, wo sie Hilfe<br />

finden kann. Wir können ihr evtl. auch vermitteln, dass es<br />

Techniken gibt, mit deren Hilfe man schlimme Erinnerungen<br />

wegpacken kann (Psychoedukation), und vielleicht eine kleine<br />

Übung anbieten (Stabilisierung).<br />

Ein älterer Anrufer erzählt immer wieder von Erlebnissen aus<br />

seiner Zeit in der Fremdenlegion. Nachts holen ihn die Bilder<br />

vom Töten ein. Er erzählt stereotyp davon, dass Gott ihm<br />

nie vergeben wird. Sein negativer Satz ist in einem Gespräch<br />

nicht zu löschen, von einem gütigen Gott wäre er nicht zu<br />

überzeugen. Also können wir nur in diesem gegenwärtigen<br />

Moment mit ihm arbeiten. Er kann wieder ruhiger werden,<br />

für diese Nacht seine Schuld bei uns abladen und danach<br />

versuchen, wieder Schlaf zu finden. Wir „containen“, nehmen<br />

ihm etwas ab von seiner Last. Die Gesprächshygiene verlangt,<br />

dass wir das Paket sozusagen „entsorgen“, damit es nicht als<br />

Belastung bleibt.<br />

Ein junger Mann ruft eines Nachts aus einer Friedhofstoilette<br />

an. Er hat sich dort abends unbemerkt einsperren lassen,<br />

weil er einen sicheren Ort brauchte. Er war aus einer Abhängigkeitsbeziehung<br />

geflohen, in der er Opfer ritueller Gewalt<br />

geworden war. Er hat Panik, weil er sich verfolgt fühlt. Die<br />

TelefonSeelsorgerin glaubt ihm, gibt ihm eine Zeit lang die<br />

Sicherheit und Geborgenheit ihrer virtuellen Anwesenheit.<br />

Sie holt sich am nächsten Morgen in einer Supervision Unterstützung<br />

bei der Verarbeitung dieser außerordentlich belastenden<br />

Erfahrung.<br />

Bettina Irschl<br />

TelefonSeelsorge<br />

2.6 Konflikte in Kirchengemeinden – wie sie begleitet werden können<br />

„Ist denn gar kein Weiser unter euch, der zwischen Brüdern<br />

schlichten könnte“ (1. Kor 6, 5b)<br />

Konflikte in Kirchengemeinden sind normal. Wie in allen Organisationen<br />

und lebendigen Systemen gibt es auch in der<br />

Kirche Konflikte auf allen denkbaren Ebenen: zwischen Mitarbeiter/innen,<br />

Gemeindemitgliedern, im Kirchenvorstand, in<br />

den Ausschüssen, in den Hierarchieebenen u. v. a.. Und ebenso<br />

normal ist es, dass Menschen im Konflikt oft heftige Emotionen<br />

haben, sich verunsichert fühlen und an ihre Grenzen<br />

stoßen. Hier zwei exemplarische Beispiele:<br />

Schon wieder hat es geknallt. Der 1. Pfarrer und der Diakon<br />

eines Hauptamtlichenteams einer Kirchengemeinde geraten<br />

in jeder Dienstbesprechung aneinander. Es geht um Fahrtkosten,<br />

Kopiergelder und die Kaffeemaschine. Lässt sich das<br />

nicht sachlich klären? Lappalien? Beiden ist nicht wirklich<br />

klar, was da zwischen ihnen immer wieder eskaliert. Der Rest<br />

des Teams schweigt betreten oder genervt vom ewigen Dau-<br />

erclinch. Die Kantorin hat nach einigen Vermittlungsversuchen<br />

aufgegeben und kommt so gut wie gar nicht mehr zu<br />

den Teamsitzungen.<br />

Eine Pfarrerin zur Anstellung ist bei der Verteilung der Arbeitsgebiete<br />

nicht berücksichtigt worden. Als junge und neue<br />

Mitarbeiterin hat sie es nicht gewagt, sich für ihre Interessensschwerpunkte<br />

wirklich stark zu machen. Ihre Arbeit erledigt<br />

sie gewissenhaft, aber ohne zusätzliches Engagement.<br />

Das Hauptamtlichenteam und die Gemeinde finden, dass sie<br />

zu wenig arbeitet und werfen ihr vor, dass sie zu penibel auf<br />

ihr Zeitkontingent achtet und wenig in der Gemeinde spürbar<br />

ist. Sie ist immer häufiger krank.<br />

Natürlich haben Menschen Angst, fühlen sich verunsichert<br />

und hilflos, wenn der Dialog ins Stocken gerät, unfruchtbar<br />

wird, erlischt oder sogar destruktives Agieren die Oberhand<br />

gewinnt. Niemand will nachgeben – und erst recht nicht das<br />

eigene Gesicht verlieren. Und einfach die Stelle wechseln, das


29<br />

Amt aufgeben, die Gemeinde verlassen, erscheint wie Flucht<br />

oder Niederlage, wird auch oft aus Existenzangst oder aus<br />

familiären Rücksichten gar nicht in Erwägung gezogen.<br />

Wie kann es geschehen, dass Konflikte nicht einfach erlitten<br />

werden oder zu den berühmten „faulen Kompromissen“<br />

führen, mit denen letztlich die Bedürfnislagen aller Beteiligten<br />

kaum befriedigt werden können? Und die dazu beitragen,<br />

dass der Konflikt eben nicht befriedet wird, sondern<br />

nur allzu oft in den Untergrund abwandert, um zum falschen<br />

Zeitpunkt oder am falschen Ort wieder an die Oberfläche zu<br />

schwappen? Wer kennt nicht die Momente, in denen uns<br />

Monate nach einer Auseinandersetzung scheinbar „alter<br />

Käse“ neu aufs Brot geschmiert wird ...<br />

Sowohl Supervision als auch Mediation sind etablierte und<br />

situationsgerechte Verfahren, die Unterstützung und Hilfe<br />

durch geschulte Mediator/innen bzw. Supervisor/innen bereithalten.<br />

Diese Fachleute sind nicht am Konflikt beteiligt<br />

und können diesen professionell begleiten und zur Klärung<br />

bringen. Konfliktklärung heißt dabei nicht zwangsläufig Konfliktbeseitigung.<br />

Es geht vielmehr darum, sich selbst, die eigene<br />

Position und die damit verbundenen Interessen, die Situation<br />

und mögliche nächste Schritte zu klären – und zwar<br />

in einer Art und Weise, die es allen Beteiligten ermöglicht,<br />

trotz vieler Differenzen, einander mit Achtung zu begegnen.<br />

Es geht oft um Konkurrenz, Überschneidung von Kompetenzen,<br />

unklare Verteilung der Arbeitsgebiete, die Beliebtheit in<br />

der Gemeinde, den besseren Draht zum Kirchenvorstand etc..<br />

In der Mediation oder Supervision werden die Hintergründe<br />

eines Konflikts aufgedeckt. Motive wie Anerkennung, Angst<br />

vor Prestigeverlust, mangelndes Zutrauen in die Verlässlichkeit<br />

des jeweils Anderen etc. kommen zur Sprache, bevor<br />

strukturelle Klärung und inhaltliche Lösungsfindung gelingen<br />

kann.<br />

Wenn sich alle Konfliktparteien auf einen Klärungsprozess<br />

einlassen und akzeptieren, dass es eben nie nur um die Sache<br />

geht, wenn sie die Bereitschaft aufbringen, auf Vergeltung<br />

zu verzichten und in der gegenseitigen Wahrnehmung des<br />

Handelns und auch der je eigenen Anteile am Konflikt auch<br />

das Verständnis füreinander wächst, kann eine Lösung für die<br />

zukünftige Zusammenarbeit möglich werden.<br />

Dies gelingt, wenn die sich hinter den Konfliktpositionen verbergenden<br />

Interessen, Bedürfnisse, aber auch Verletzungen<br />

und Enttäuschungen herausgefunden werden. Dann entsteht<br />

eine Art „Verstehensbrücke“, über die eine für beide Seiten<br />

nachvollziehbare Klärung und im besten Fall Lösung herbeigeführt<br />

werden kann bei der alle ihr Gesicht wahren. Genau<br />

dafür braucht es allparteiliche Dritte, Mediatoren/innen,<br />

Supervisoren/innen, die vorsichtig nach Hintergründen, Motiven<br />

und Wünschen fragen, und die immer im Sinne einer<br />

Moderation mit dem Ziel einer Konfliktklärung bzw. Lösung<br />

agieren.<br />

Unser Resümee aus Supervision bzw. Mediation im kirchlichen<br />

Feld<br />

„Wir haben jede Menge Konflikte – und das ist gut so“ antwortet<br />

ein Kirchenvorsteher auf die Frage, ob in Kirchengemeinden,<br />

ob unter Christen gestritten werden darf. Er lächelt<br />

dabei und erklärt, wie viel er bei sich und in seiner Gemeinde<br />

im und durch den Konflikt entdeckt und gewinnt. Wie viel<br />

Veränderungspotenzial und Kraft, Gemeinde zu gestalten,<br />

kommt erst im Konflikt zum Vorschein? Konfliktvermeidung?<br />

Scheu? Harmoniemäntelchen? Nein, davon hält dieser Kirchenvorstand<br />

nichts.<br />

Bei allen Konflikten spielen neben sachlichen auch persönliche<br />

Sichtweisen und damit auch ethische Grundhaltungen<br />

eine wichtige Rolle, wie z. B. „Nächstenliebe“, dass Christen<br />

sich doch nicht streiten sollten, oder Aggression negativ besetzt<br />

ist. Häufig holen sich die Konfliktparteien deswegen viel<br />

zu spät Unterstützung von außen. Der Konflikt muss dann<br />

aufwendig unter dem Mäntelchen des Schweigens und dem<br />

Streben nach Harmonie hervorgeholt werden.<br />

Auf den Prozess einlassen: nicht „ob“ fragen – sondern<br />

„wie“ wagen!<br />

Bei kirchlichen Konflikten geht es nie nur um die Klärung<br />

eines einmaligen Konflikts, sondern um ein Lernen bzgl.<br />

Kommunikation und Konfliktkultur und um die Möglichkeiten,<br />

die einem Konflikt innewohnen – letztlich also um die<br />

Wertschätzung des Konflikts. Denn neben aller Konfrontation<br />

werden in Konflikten auch unterschiedliche Denkansätze und<br />

Handlungsstrategien deutlich und eröffnen dadurch immer<br />

wieder Perspektiven zu neuen, kreativen Lösungen bei Pro-


30<br />

blemlagen, die mit altvertrauten Strategien kaum zu bewältigen<br />

sind. Im für und wider der Konfliktpositionen und den<br />

dahinterliegenden divergierenden Interessen entsteht nicht<br />

nur ein Dialog der Unterschiedlichkeit, sondern oft auch etwas<br />

Überraschendes, Neues. Etwas, das für alle Beteiligten in<br />

der zu bewältigenden Situation wirklich trägt und weiterführt.<br />

Konflikte bergen also die Möglichkeit der Entwicklung.<br />

Sie sind normal, notwendig und wertvoll.<br />

Müssen Richtungskonflikte sein?<br />

Wenn viele unterschiedliche Menschen Unterschiedlichstes<br />

wollen – wie kann das ohne Auseinandersetzung gelingen?<br />

Neben den persönlichen Reibungspunkten ist Kirche als lebendiges<br />

System ja andauernden Veränderungsprozessen<br />

unterworfen. Hauptamtlichenteams, Aufgabengebiete, Kirchenvorstände<br />

verändern sich, Gemeinden werden umstrukturiert,<br />

Personal und Sachzuwendungen eingespart oder<br />

aufgestockt, und gleichzeitig korrespondieren manche innerkirchliche<br />

Prozesse mit gesellschaftlichen Bewegungen:<br />

Kirchenaus- und eintritte, neue ökumenische Bewegungen,<br />

Veränderung spiritueller Angebote etc.<br />

In all diesen Herausforderungen und Entscheidungslagen<br />

ringt eine Gemeinde in der Ausrichtung des je eigenen Gemeindeprofils<br />

um Lösungen und zukunftsorientierte Konzepte.<br />

Veränderungen brauchen eine Zielrichtung. Und über<br />

diese muss man auch streiten können. Es geht nicht darum,<br />

Kirche zur konfliktfreien Zone zu erklären (das hat ohnehin<br />

nie funktioniert!), sondern den Konflikt zu nutzen und im<br />

Blick zu haben, dass manche Sachentscheidungen gleichzeitig<br />

auch Weichenstellungen für Glaubensausrichtungen und<br />

Werthaltungen einer Gemeinde sind. Werden solche „Richtungs-Konflikte“<br />

nicht offen ausgetragen, geraten sie nicht<br />

selten zum Schwelbrand, der Arbeitsatmosphäre und -resultate<br />

werden dauerhaft beeinträchtigt.<br />

„Aber draußen sagen wir nichts!“ - Interne Konflikte und<br />

Außenwirkung<br />

Konflikte in einer Kirchengemeinde haben immer auch mit<br />

Öffentlichkeit zu tun. Ein größerer Konflikt z. B. zwischen<br />

Kirchenvorstand und geschäftsführendem Pfarrer kann nicht<br />

unter dem Teppich gehalten werden. Dadurch gewinnt die<br />

Frage der Transparenz an Gewicht. Wie transportiert sich der<br />

Konflikt in die Kirchengemeinde, evtl. sogar politische Gemeinde,<br />

wenn wir ihn nicht kommunizieren? Wie lässt er sich<br />

nach außen hin darstellen, ohne dass einer der Beteiligten<br />

das Gesicht verliert? Wie vorbildlich ist dabei unsere Streitkultur?<br />

Wer gehört zur Konfliktlösung dazu?<br />

Der vorherige Punkt macht deutlich, dass die Hierarchieebenen<br />

sich ab einer gewissen Tragweite, bzw. Eskalationstiefe,<br />

dem Konflikt nicht entziehen dürfen, sondern ihrer Personalführungsverantwortung<br />

und Fürsorgepflicht sowohl für die<br />

einzelnen Mitarbeiter als auch der Kirchengemeinde nachkommen<br />

und von daher z. B. in die Mediation mit einbezogen<br />

werden müssen.<br />

Konflikte bleiben nicht aus. Konflikte sind notwenig. Konflikte<br />

bergen kreatives Potenzial. Je nach dem, was wir daraus<br />

machen – und wie wir uns dabei helfen lassen.<br />

Andreas Herrmann<br />

Pastoralpsychologie<br />

2.7 Achtung, Respekt und Verständnis<br />

Achtung, Respekt und Verständnis sind Werte, die unsere gesamte<br />

Beratungsarbeit durchziehen, und heute am Beispiel<br />

der sozialen Gruppenarbeit mit Kindern in der EB Neuperlach<br />

veranschaulicht werden sollen. Unter Respekt verstehe<br />

ich eine Grundhaltung, die durch grundsätzliche Anerkennung,<br />

Toleranz und Achtung für sich selbst wie für andere<br />

gekennzeichnet ist. Respekt und Verständnis gehören zu den<br />

Leitzielen der sozialtherapeutischen Kindergruppen, die Teil<br />

des Leistungsangebotes der Beratungsstelle sind. Da taucht<br />

natürlich sofort die Frage auf, wie es gelingen kann, eine solche<br />

Grundhaltung der Toleranz zu fördern und zu entwickeln.<br />

Nach unserer Überzeugung gibt es dafür kein Patentrezept.<br />

Trotzdem gibt es Einsichten und Erkenntnisse, die wir für<br />

das Erlernen dieser Werte für unverzichtbar halten. Bei der<br />

Auseinandersetzung mit dem Thema waren mir selbst einige<br />

Gedanken wichtig, auf die ich mich gestützt habe. Schon im<br />

3. Buch Moses, später auch im Lukasevangelium steht der<br />

Satz „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Martin Buber<br />

übersetzte diese Textstelle mit „Liebe deinen Nächsten, denn<br />

er ist wie du, oder er ist dir gleich.“ Er freut sich wie du,<br />

er weint wie du, er lässt sich begeistern wie du usw.. Buber<br />

nennt diese Bewusstheit über die Gleichheit aller Menschen<br />

eine Grundvoraussetzung für die Achtung des Anders-seins.<br />

Die Andersartigkeit, das für mich Fremde im Wesen, im Verhalten<br />

oder Erleben des Anderen hebt also die grundsätzliche<br />

Gleichheit nicht auf. Die Achtung fremder Kulturen, anderer<br />

Religionen, Bräuche oder unterschiedlicher Lebensformen


31<br />

und Verhaltensweisen kann nur dort gelingen, wo sie auf der<br />

Erkenntnis der Gleichheit aller Menschen fußt.<br />

Behandele den anderen so wie du von ihm selbst behandelt<br />

werden möchtest. Dieser pädagogische Leitsatz bezieht sich<br />

auf diesen Grundgedanken, der nicht nur die christliche Tradition<br />

prägt, sondern ebenso in den anderen Weltreligionen<br />

und z. B. im Humanismus zu den zentralen Werten gehört.<br />

Diese Gleichheit trägt und toleriert das Trennende, das fremd<br />

Wirkende. Nur dieser Grundsatz schützt im Umgang mit dem<br />

Anderen vor Abwertung und Feindseligkeit. Damit ist keinesfalls<br />

gemeint, aus dem Gemeinsamen eine Einheitlichkeit<br />

zu machen. Für manche Andersartigkeit finden wir kein Verständnis,<br />

manche Differenz stärkt unser eigenes Empfinden<br />

der Identität und fordert zum Widerspruch geradezu heraus,<br />

manches können wir schlecht gelten lassen und die Toleranz<br />

zu üben gelingt nur mit großer Anstrengung.<br />

Dies gilt eben auch für die Arbeit mit Kindern. Dort spielen<br />

das Streiten und das oft zähe miteinander Ringen um<br />

Lösungen eine zentrale Rolle im Gruppenalltag. Der Verzicht<br />

auf die eigene Maximalposition, das Einüben des Perspektivwechsels,<br />

um Interessen der anderen Kinder verstehen zu<br />

lernen, das Gelten Lassen anderer Ideen, das Erproben von<br />

Einlenken kennzeichnen einen wichtigen Gruppenprozess.<br />

Kindergruppen werden zusammengestellt. Die Kinder treffen<br />

keine Auswahl wie in ihrem Freundeskreis. So stoßen sie auf<br />

andere Kinder, die oft Neigungen, Interessen, Hobbys, die Liebe<br />

zum Fußballverein nur bedingt teilen oder gar ablehnen<br />

- und dann? Schon die Arbeit in Gruppen an sich stiftet also<br />

einen wesentlichen Erfahrungsrahmen für die Gleichheit und<br />

für die Andersartigkeit. Die sozialtherapeutische Konzeption<br />

stellt eine Fülle von Regeln und Spielformen bereit für das<br />

Erleben des Gemeinsamen und das Erproben von Verhaltensweisen<br />

im respektvollen Umgang mit Differenzen. Regeln<br />

gelten für alle gleich. Sie haben nicht nur eine große Bedeutung<br />

für das Funktionieren von Gruppenabläufen, sondern<br />

sie drücken die allem zu Grunde gelegte Gleichwertigkeit der<br />

Gruppenmitglieder aus und repräsentieren den Wert der Gerechtigkeit.<br />

Spielformen aus dem sozialtherapeutischen Rollenspiel<br />

schulen das Verstehen des Anderen durch Einfühlungen:<br />

„Der andere ist wie ich, er freut sich wie ich, er weint wie<br />

ich, er will als erster drankommen wie ich, er will gewinnen<br />

wie ich, er hasst schlechte Schulnoten wie ich, usw.“<br />

Gerade wenn ein Kind etwas Bedrückendes aus seinem Alltag<br />

erzählt, ermuntern wir die anderen Kinder der Gruppe zu<br />

einer Einfühlung. Dabei wird das Erlebnis des Kindes nicht<br />

kommentiert oder bewertet, sondern die Kinder stellen ähnliche<br />

eigene Erlebnisse dem Kind zur Seite. Wenn dies der<br />

Gruppe so noch nicht möglich ist, gibt der Gruppenleiter für<br />

diese Einfühlungen ein Vorbild, indem er stützend einwirkt.<br />

In den ca. 25 Gruppentreffen pro Jahr entwickelt so jede<br />

Kindergruppe eine eigene Geschichte in diesem Wertebezug.<br />

Respekt, Achtung und Verständnis als Grundhaltung entwickelt<br />

sich dort am nachhaltigsten, wo die Kinder mit Begeisterung<br />

angstfrei und fehlerfreundlich lernen können, indem<br />

die Leiter/innen selbst ein glaubwürdiges Vorbild geben im<br />

wertschätzenden Umgang mit allen Kindern.<br />

Theo Kornder<br />

Beratung für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien<br />

© S. Hofschlaeger / pixelio


Jubiläum: 50 Jahre ebz<br />

Ein Rückblick<br />

33<br />

Im Jahr 2008 konnte das ebz sein 50-jähriges Jubiläum<br />

begehen. 50 Jahre professionelle evangelische Beratung in<br />

München waren ein Anlass innezuhalten und zu feiern.<br />

In der Mitte des Jahres, am 3. Juli 2008 hatte das ebz zu<br />

seiner Jubiläumsfeierlichkeit eingeladen. Viele ehemalige<br />

Mitarbeitende, ehemalige Vorstände, Kooperationspartner<br />

sowie Menschen aus Politik und Kirche waren der Einladung<br />

gefolgt und machten diesen strahlenden Sommertag<br />

zu einem unvergessenen Erlebnis. Besonders freuten wir<br />

uns, dass Prof. Dr. Marianne Hege, die erste Leiterin der Erziehungsberatung<br />

und damit der Wurzel des ebz mit dabei<br />

sein konnte. Herr Prof. Dr. Manfred Cramer, der in seiner<br />

Berufsanfangszeit in der Erziehungsberatung des ebz tätig<br />

war, wies mit seinem Vortrag „Komplexe Notlagen – Hilfen<br />

sichern. Möglichkeiten und Herausforderungen eines Beratungszentrums“<br />

Wege für die Beratungsarbeit in der Zukunft<br />

auf. Aspekte der inhaltlichen Arbeit des ebz wurden<br />

beim Jubiläumsfest in Postervorträgen vorgestellt (s. u.).<br />

Doch auch der Austausch der Erinnerungen an frühere Zeiten<br />

und gemeinsame Erlebnisse hatte genügend Raum. Der<br />

Tag machte nach mageren Jahren die Fülle und Üppigkeit<br />

all der Kompetenzen und Ressourcen, der Vernetzungen und<br />

tragenden Säulen des ebz deutlich. Die vielen Begegnungen<br />

und Gespräche, die fachlichen Impulse, das schöne Wetter<br />

und die geschmückten Innenhöfe machten den Tag zu einer<br />

gelungenen Veranstaltung.<br />

Parallel zum Fest gab das ebz eine Festschrift heraus, die neben<br />

der Geschichte des ebz und eines Interviews mit der ersten<br />

Leiterin über Fragen und Ereignisse der Anfangsjahre die<br />

fachlichen Herausforderungen beschreibt, derer sich das ebz<br />

derzeit stellt. Die Beratenden stellen fest, dass die Notlagen<br />

immer komplexer geworden sind und Menschen in Notlagen<br />

immer umfangreichere und komplexere Hilfen benötigen –<br />

eine Erfahrung, die sich durch alle Abteilungen des ebz zieht.<br />

Vernetzung spielt dabei eine große Rolle um der Komplexität<br />

angemessen begegnen zu können.<br />

Wir freuen uns, dass viele Menschen mit uns die 50 Jahre ebz<br />

gefeiert haben, sich erinnert haben und mit uns einen Schritt<br />

weiter gegangen sind. Viele Weggefährten unterstützen uns<br />

dabei. Wir danken allen, die zum Gelingen des Jubiläums beigetragen<br />

haben!<br />

Für Mitarbeitende des ebz war es ein Tag, der auch mit zu<br />

einer inneren Zentrierung und gegenseitigen Wahrnehmung<br />

beitrug. In einem Gottesdienst anlässlich des Jubiläums<br />

konnten sich die Mitarbeitenden auf die evangelischen Wurzeln<br />

der Beratungsarbeit besinnen und aus der Spiritualität<br />

Kraft schöpfen.


36<br />

3.2 Postervorträge<br />

Die Arbeit der Erziehungsberatung heute<br />

Der Postervortrag stellte den gesetzlichen Auftrag, die Kernaufgaben<br />

und speziellen Aufgaben mit ihren Zielgruppen sowie<br />

die aktuellen Angebote der heutigen „Beratung für Eltern,<br />

Kinder, Jugendliche und Familien“ vor. Interessant waren für<br />

die Fachkräfte anderer Stellen besonders von Erziehungsberatungsstellen<br />

aus anderen Städten vor allem die speziellen<br />

Aufgaben wie Krippenbetreuung und Regionales Fachteam.<br />

Denn der Psychologische Fachdienst für Kinderkrippen in der<br />

Sozialregion und die regelmäßige Teilnahme von Psycholog/<br />

innen der Beratungsstelle am Empfehlungsgremium des regionalen<br />

Sozialbürgerhauses für alle ambulanten, teilstationären<br />

und stationären Jugendhilfemaßnahmen sind Münchner<br />

„Spezialitäten“.<br />

Dr. Barbara Alt-Saynisch (EB)<br />

40 Jahre rund um die Uhr - TelefonSeelsorge<br />

Den Postervortrag der TelefonSeelsorge hatten ehrenamtliche<br />

Mitarbeiterinnen ausgearbeitet, sie standen auch als Gesprächspartnerinnen<br />

zur Verfügung.<br />

Inhaltlich wurde informiert über<br />

- verändertes Anrufverhalten durch Handys,<br />

- vermehrt jugendliche Anrufende,<br />

- Zunahme psychischer Belastungen und diffuser Ängste,<br />

- Gespräche auf der Grundlage von Trauma-Wissen.<br />

Für die anspruchsvolle, vielseitige, oft belastende Beratungsarbeit<br />

am Telefon erhielten die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen<br />

viel Erstaunen und Anerkennung vom Fachpublikum.<br />

Bettina Irschl (TS)<br />

Frühe Förderung in der Schwangerschaftsberatung<br />

Der Postervortrag der SSB stellte das, für Ende 2008 geplante,<br />

neue Angebot der Eltern-Baby-Beratung vor. Neben<br />

Angaben zur Zielgruppe, zur gesetzlichen Auftragsgrundlage,<br />

zu den möglichen Kooperationspartnern und möglichen<br />

Themen in der Eltern-Babyberatung wurden auch weitere<br />

Ideen, wie das Angebot einer Stillgruppe und einer Informationsreihe<br />

für werdende Eltern aufgeführt. Kolleginnen aus<br />

anderen Schwangerschaftsberatungsstellen fanden dieses<br />

Angebot interessant und hilfreich, da auch sie sehr oft mit<br />

der Hilf- und Ratlosigkeit junger Eltern gegenüber Regulationsschwierigkeiten<br />

bei ihren Baby und der Alltagsgestaltung<br />

konfrontiert sind.<br />

Sabine Simon (SSB)


37<br />

„Und da ist noch was...“ Umgang mit Trauma<br />

Der Titel beinhaltet eine häufige, oft zögerlich vorgebrachte<br />

Eröffnung von Klient/innen, die sich ein Herz gefasst haben,<br />

von einem Trauma, das die Gegenwart mit dominiert, zu berichten.<br />

Mein Postervortrag fasste psychotraumatologisches<br />

Fachwissen, spezifische Merkmale dieses Klientels, des Beratungsprozesses<br />

und ausgelöster Gefühle bei den Berater/innen<br />

sowie Erfahrungen aus der Beratungspraxis mit traumatisierten<br />

Klient/innen zusammen. Beim Jubiläum vorgetragen,<br />

stieß er auf hohes Interesse, insbesondere der Fachkolleg/<br />

innen unter den Gästen, die natürlich auch mit solchen Klient/innen<br />

zu tun haben. Aber auch mehrere Kolleg/innen mit<br />

(transgenerationalen) Traumata aus Nationalsozialismus und<br />

Kriegskindheiten waren angerührt und erklärten, der Vortrag<br />

sei für sie eine Initialzündung, sich auch fachlich und professionell<br />

mit dem (auch eigenen) Thema zu befassen.<br />

Barbara Gollwitzer (EFL)<br />

Ökumenische Erziehungsberatung im ökumenischen Kontext<br />

In Neuperlach, der Entlastungs- und Trabantenstadt im<br />

Münchner Osten, wurde mit den beiden Kirchengemeinden<br />

St. Stephan (katholisch) und Laetare (evangelisch) ein ökumenisches<br />

Zentrum mit vielfältigen sozialen Einrichtungen<br />

geschaffen. Das ebz ist mit der Erziehungsberatung sowie mit<br />

der Ehe-, Familien- und Lebensberatung dort präsent. Die<br />

Einrichtungen sind im gesamten Stadtbezirk bekannt und<br />

vernetzt, um den vielen und unterschiedlichen Bedürfnissen<br />

der Bevölkerung gerecht zu werden.<br />

Brigitte Manz-Gill (EB)<br />

Für die Seele sorgen – Pastoralpsychologie<br />

Pastoralpsychologie besteht aus den Säulen Supervision,<br />

Beratung, Fortbildung und Geistlicher Begleitung. Ihre Zielgruppe<br />

sind kirchliche Mitarbeitende, die Pastoralpsychologie<br />

nutzen, um Lösungen zu finden, Kompetenzen zu stärken<br />

und Ressourcen zu wecken. Dabei steht immer wieder auch<br />

die Frage nach Gott im Raum, neben und in all den zwischenmenschlichen<br />

Beziehungen. Gäste des Jubiläums interessierten<br />

sich unter anderem auch für das Angebot der pastoralpsychologischen<br />

Einzelkurse.<br />

Andreas Herrmann / Gerborg Drescher (PPA)


38<br />

Pressespiegel


Pressespiegel<br />

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Pressespiegel


Impressum<br />

Herausgegeben von<br />

Evangelisches Beratungszentrum München e. V.<br />

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80336 München<br />

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Telefax: 089 – 590 48 - 190<br />

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Kto 340 20 29<br />

BLZ 520 604 10<br />

Vorstand<br />

Gerborg Drescher, Pfarrerin<br />

Aufsichtsrat<br />

Klaus Schmucker, Kirchenrat der ELKB, Leiter der<br />

Evangelischen Dienste München (Vors.)<br />

Reinhold Krämmel, Unternehmer (stv. Vors.)<br />

Volker Carqueville, Schulleiter i. R.<br />

Matthias Heinrich, Unternehmensberater<br />

Monika Kormann-Lassas, Soziologin<br />

Gerhard Wiens, Richter<br />

Redaktion<br />

Gerborg Drescher<br />

Barbara Gollwitzer<br />

Petra Horn<br />

Gestaltung und Druck<br />

Uni-Druck OHG<br />

www.uni-druck.com

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