Auftrag_277_150dpi.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
Auftrag_277_150dpi.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
Auftrag_277_150dpi.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
BLICK IN DIE GESCHICHTE<br />
des Einzelnen sein. Sie kann nicht zur<br />
Maxime für die Politik unseres Staates<br />
erhoben werden. Niemand von uns hat<br />
das Recht, unserer Republik … aufzuerlegen,<br />
waffenlos zu sein.“ 42<br />
Zwar betont er: „Auf unsere <strong>Soldaten</strong><br />
können wir stolz sein“, doch im<br />
Text wird diese Zuneigung nicht deutlich.<br />
Zwar spricht Kohl sehr häufig<br />
von „unserer Bundeswehr“ und nennt<br />
den Wehrdienst „Ehrendienst“, doch<br />
eine emotionale Seite zum Militär<br />
klingt nicht an. Kein Wort von Begegnungen<br />
mit <strong>Soldaten</strong>, keine Details<br />
seiner zahlreichen Besuche, keine<br />
Anekdote. Nur die Namen der Verteidigungsminister<br />
werden genannt.<br />
<strong>Soldaten</strong> hingegen bleiben in diesem<br />
Kapitel unerwähnt, und nur die Namen<br />
dreier Generale der Bundeswehr<br />
tauchen auf: Neben General Dr. Günter<br />
Kießling (1925-2009), dem unter<br />
der Überschrift „Kein Sicherheitsrisiko“<br />
ein eigenes Kapitel gewidmet<br />
ist, 43 sind es die Generale Bastian,<br />
„ein Wortführer der ‚Friedensbewegung‘“<br />
und Steinhoff im Zusammenhang<br />
mit der Gedenkfeier in Bitburg.<br />
Generalleutnant Schönbohm 44 wird<br />
erst im Band der Jahre 1990-1994<br />
lobend erwähnt: „Zusammen mit Generalleutnant<br />
Jörg Schönbohm, dem<br />
späteren brandenburgischen Innenminister,<br />
und seinen Mitarbeitern gelang<br />
dem Minister (= Stoltenberg) eine Meisterleistung“.<br />
45 (= Auflösung/ Eingliederung<br />
NVA)<br />
Die Gründung des deutsch-niederländischen<br />
Korps wird im Band<br />
der Jahre 1990-1994 ebenso genannt,<br />
wie – im Kapitel 36 46 – die ersten<br />
Auslandseinsätze der Bundeswehr.<br />
Kohl hatte keinerlei Berührungsängste<br />
mit der Armee. Er schoss mit<br />
einem Leopard-Panzer im scharfen<br />
Schuss und gehörte zu jenen Politikern,<br />
die stets die <strong>Soldaten</strong>-Crew des<br />
Luftwaffen-Airbusses der Flugbereitschaft<br />
persönlich begrüßten; selbst ölverschmierte<br />
Hände, wie jene des Me-<br />
42 a.a.O., S. 398.<br />
43 a.a.O., S. 235-239.<br />
44 Schönbohm trat erst nach seiner aktiven<br />
Zeit als Offi zier der CDU bei. Kohl war<br />
auch privat zu Gast im Hause Schönbohm<br />
im brandenburgischen Kleinmachnow,<br />
wo beide im Garten „unter<br />
einer riesigen alten Eiche“ saßen.<br />
45 Kohl, Helmut Erinnerungen 1990-1994,<br />
S. 414.<br />
46 a.a.O., S. 564 ff.<br />
chanikers Stephan Albrecht von der<br />
Instandsetzungsstaffel des Aufklärungsgeschwaders<br />
51 „Immelmann“<br />
drückte er bei einem Zwischenstopp<br />
in Bremgarten Anfang der 1990er<br />
Jahre. Doch so jovial er im Umgang<br />
mit jungen <strong>Soldaten</strong> war, – so schien<br />
er – von den Generalen Naumann<br />
und von Kirchbach abgesehen – hohen<br />
<strong>Soldaten</strong> eher distanziert gegenüber<br />
zu stehen. Dieser Eindruck wird<br />
von vielen Betroffenen jedoch nicht<br />
geteilt. So wurden die Inspekteure<br />
zu Antritts- und Abschiedsbesuchen<br />
empfangen und konnten dabei in den<br />
etwa halbstündigen Gesprächen unmittelbar<br />
aus ihrer Sicht vortragen.<br />
Auch hatte er wiederholt einen größeren<br />
Kreis von Generalen und Admiralen<br />
– auch Divisionskommandeure<br />
– in seinen Bonner Bungalow eingeladen,<br />
und diese informellen Treffen<br />
zogen sich – gefördert durch Wein aus<br />
Kohlschen Beständen – bisweilen tief<br />
in die Nacht hin. Von den Nachfolgern<br />
Schröder und Merkel sind solche<br />
Begegnungen weder überliefert noch<br />
vorstellbar. Vielleicht fiel gerade aus<br />
diesem persönlichen Kennen Kohls<br />
Urteil über die Generalität verhalten<br />
aus: „Jetzt hören Sie doch wirklich auf,<br />
diese Schimäre eines Komplotts von<br />
Generälen an die Wand zu malen! Ich<br />
kann Ihnen nur sagen: Meine Erfahrung<br />
mit Generälen der Bundeswehr<br />
besteht nicht darin, dass sie besonders<br />
eckig sind, sondern ich wünschte mir,<br />
dass manche mehr Ecken und Kanten<br />
hätten, um das einmal bildlich auszudrücken“.<br />
47<br />
Als im Oktober 1988 Verteidigungsminister<br />
Rupert Scholz –<br />
im Rahmen eines offiziellen Besuches<br />
von Bundeskanzler Kohl – als erster<br />
deutscher Verteidigungsminister<br />
die Sowjetunion besuchte, bestand<br />
die kleine Delegation von Scholz nur<br />
aus Generalleutnant Schönbohm, dem<br />
Leiter des Planungsstabes und Generalmajor<br />
Klaus Naumann, dem Leiter<br />
der Abteilung Militärpolitik im Ministerium<br />
(Fü S III), sowie dem Pressesprecher<br />
und dem Adjutanten. Generalinspekteur<br />
Wellershoff flog nicht<br />
mit. Den von ihm geschätzten damaligen<br />
Generalmajor Naumann band<br />
47 Kohl, Helmut: 9. Sitzung des Deutschen<br />
Bundestages am 15.12.1994 (Bulletin<br />
Nr. 117/S. 1061 vom 17.12.1994).<br />
Kohl bereits als Stabsabteilungsleiter<br />
Fü S III in enge politische Zirkel ein,<br />
wie z.B. beim Treffen des Kanzlers mit<br />
dem stellvertretenden US-Außenminister<br />
Eagleburger am Nachmittag<br />
des 30. Januars 1990 48 , als über US-<br />
Vorschläge zur Truppenreduzierung<br />
für die Wiener „Verhandlungen über<br />
konventionelle Streitkräfte in Europa“<br />
(VKSE) diskutiert wurde. In der<br />
Frage der Teilnahme eines deutschen<br />
Regierungschefs alliierten Siegesfeiern<br />
stellte Kohl fest: „Es ist für den<br />
deutschen Bundeskanzler kein Grund<br />
zum Feiern, wenn andere ihren Sieg in<br />
einer Schlacht begehen, in der Zehntausende<br />
Deutsche elend umgekommen<br />
sind.“ 49<br />
Kohl hätte – wie erwähnt – auch<br />
aus persönlichen Gründen „niemals<br />
an den Jahrestagen der Landung alliierter<br />
Truppen in der Normandie<br />
teilgenommen.“ 50 Diese Haltung<br />
schmälert jedoch weder sein Eintreten<br />
für eine verstärkte militärische<br />
Zusammenarbeit noch sein Bemühen<br />
um Aussöhnung mit den ehemaligen<br />
Kriegsgegnern – im Gegenteil.<br />
Insgesamt vier Verteidigungsminister<br />
– Wörner, Scholz, Stoltenberg<br />
und Rühe – waren in den fünf Kabinetten<br />
Kohls zwischen 1982 und 1998<br />
vertreten. Wörners Tragik liegt in seinem<br />
Verhalten in der sog. „Kießling-<br />
Affäre“, die eigentlich „Wörner-Affäre<br />
heißen müsste. Als er nach fast<br />
sechs Jahren im Amt am 1. Juli 1988<br />
als erster Deutscher Generalsekretär<br />
der NATO wurde, folgte ihm der Jurist<br />
und politische Seiteneinsteiger Prof.<br />
Rupert Scholz (* 1937). Eine glückliche<br />
Wahl war es nicht: mit dem militärfernen<br />
Dr. Hans Apel und dem<br />
farb- und oft hilflos scheinenden Dr.<br />
Franz Josef Jung gehört Scholz zu<br />
den drei schwächsten Verteidigungs-<br />
48 An der Besprechung mit Eagleburger<br />
und dem stellvertretenden Sicherheitsberater<br />
Gates nahmen deutscherseits<br />
nur acht Personen teil: neben dem<br />
Kanzler und General Naumann, die<br />
Minister Genscher und Stoltenberg,<br />
die Ministerialdirektoren Teltschik und<br />
Holik, sowie der Leiter des Kanzlerbüros<br />
und der Referatsleiter 212. Siehe:<br />
Dokumente zur Deutschlandpolitik<br />
Deutsche Einheit Sonderedition aus<br />
den Akten des Bundeskanzleramtes<br />
1989/90, S. 739.<br />
49 Kohl, Helmut: Erinnerungen 1982-<br />
1990, S. 289.<br />
50 Ebenda. Keiner seiner Vorgänger war zu<br />
einem 6. Juni eingeladen worden.<br />
50 AUFTRAG <strong>277</strong> • MÄRZ 2010