Auftrag_277_150dpi.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
Auftrag_277_150dpi.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
Auftrag_277_150dpi.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
BLICK IN DIE GESCHICHTE<br />
beim ersten Besuch der Bundeswehr<br />
als Kanzler 1982 in Koblenz, er wäre<br />
mit den Problemen der Streitkräfte<br />
schon als Ministerpräsident vertraut<br />
gewesen. So hatte er am 13. August<br />
1975 das Wehrbereichskommando<br />
IV unter Generalmajor Ernst-Ulrich<br />
Hantel (1916-2003) und dabei auch<br />
eine Wehrübung mit Reservisten besucht.<br />
Ein Jahr später, am 11. Juni<br />
1976, informierte er in Begleitung<br />
des CDU-Abgeordneten Dr. Manfred<br />
Wörner (1934-1994) und des Generals<br />
der Kampftruppen, Generalmajor<br />
Fritz Birnstiel (* 1918), an der<br />
Kampftruppenschule II in Munster<br />
unter Brigadegeneral Hans-Joachim<br />
Mack (1928-2008).<br />
Am 1. Oktober 1982 wurde Helmut<br />
Kohl nach sechs Jahren als<br />
Oppositionsführer im Zuge eines<br />
konstruktiven Misstrauensvotums –<br />
„durch Genschers fliegenden Wechsel<br />
unverhofft zur Macht gekommen“,<br />
schrieb der „Spiegel“ 29 – durch den<br />
Bundestag zum sechsten Kanzler der<br />
Bundesrepublik Deutschland gewählt.<br />
Am Tag nach der Wahl seines<br />
Vaters zum Kanzler trat sein ältester<br />
Sohn Walter (* 1963) seinen Dienst<br />
als Soldat auf Zeit (SaZ 2) in der Bundeswehr<br />
an. Später folgte auch der<br />
jüngere Bruder. Nach Peter Kiesinger<br />
war es das zweite Mal, dass die Söhne<br />
eines Bundeskanzlers Wehrdienst<br />
leisteten und sogar Reserveoffiziere<br />
wurden. Zu dieser Zeit der NATO-<br />
Nachrüstung war dies auch ein persönliches<br />
Signal. Walter Kohl diente<br />
in der 2. Kompanie des Jägerbataillons<br />
542 30 in der Saarpfalz-Kaserne<br />
im saarländischen Bexbach und verbrachte,<br />
soweit nicht auf Lehrgängen,<br />
seine gesamte Dienstzeit in dieser<br />
Einheit – zuerst als Rekrut, später<br />
als Gruppenführer und Stellvertretender<br />
Zugführer. Kompaniechef waren<br />
zunächst Hauptmann Siegfried<br />
Wolf (* 1951; später Oberst) und ab<br />
April 1983 Oberleutnant Norbert Falkowski,<br />
und als Kompaniefeldwebel<br />
die Hauptfeldwebel Karl-Heinz Solibieda<br />
(* 1947; bis April 1984) und<br />
Jagdbombergeschwaders 33 in Büchel<br />
zwar Besuche der rheinlandpfälzischen<br />
Ministerpräsidenten Dr. Vogel (1978)<br />
und Dr. Wagner (1989), aber keinen von<br />
Dr. Kohl.<br />
29 Spiegel Nr. 50/82 v. 13.12.1982, S. 28 f.<br />
30 Das Bataillon wurde 1996 aufgelöst.<br />
AUFTRAG <strong>277</strong> • MÄRZ 2010<br />
Klaus Louia (* 1947). Kommandeur<br />
des Jägerbataillons war Oberstleutnant<br />
Karl-Christoph von Stünzner-<br />
Karbe (* 1939; später Oberst) und<br />
Kommandeur der vorgesetzten Heimatschutzbrigade<br />
54 in Trier Oberst<br />
Bild 2: Helmut Kohl besucht als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz am<br />
13. August 1975 das Wehrbereichskommando IV unter Generalmajor<br />
Ernst-Ulrich Hantel (1916-2003). Während einer Gefechtsübung mit<br />
Reservisten lässt er sich ins Manövergelände einweisen; links Horst<br />
Teltschik, seit 1972 Referent in der Mainzer Staatskanzlei. Seitdem zählt<br />
Teltschik zum engsten Beraterkreis von Kohl, war maßgeblich an den<br />
deutsch-deutschen Verhandlungen der Wendezeit und der Deutschen<br />
Wiedervereinigung beteiligt; T. leitete von 1999 bis 2008 die Münchner<br />
Sicherheitskonferenz.<br />
Eberhard Wetter (* 1932; später Brigadegeneral).<br />
Walter Kohl war ein<br />
umgänglicher und engagierter Soldat,<br />
der rasch Vertrauen und Anerkennung<br />
seiner Kameraden gewann<br />
und deshalb zum Vertrauensmann gewählt<br />
wurde. Seine Prominenz brachte<br />
ihm allerdings Nachteile: So berichtete<br />
er – zu Recht wenig begeistert<br />
– von seiner Abschlussprüfung<br />
als Reserveoffizier im Herbst 1984 an<br />
der Kampftruppenschule 1 in Hammelburg<br />
unter Brigadegeneral Gerhard<br />
Ohm (1924-1990) als Schulkommandeur:<br />
„Normalerweise war es in<br />
Hammelburg so, dass ein Reserveoffiziersanwärter<br />
von ein oder zwei Offizieren<br />
geprüft wurde. In meinem Fall<br />
war das anders. Ich hatte die zweifelhafte<br />
Ehre, nicht nur von fünf Stabsoffizieren,<br />
sondern auch noch gleich in<br />
Gegenwart von zwei Generälen geprüft<br />
zu werden. Es waren wieder einmal unglaublich<br />
verschärfte … unfaire Prüfungsbedingungen.“<br />
31<br />
Dass die Anforderungen tatsächlich<br />
erhöht wurden, erscheint fraglich,<br />
aber Walter Kohl empfand dies<br />
so. Bei diesem Andrang höherer Offiziere<br />
handelte es sich um Servilität<br />
gepaart mit Neugier. Die Eltern<br />
Kohl bemühten sich, das öffentliche<br />
Interesse vom Dienst ihres Ältesten<br />
fernzuhalten. Daher besuchten sie<br />
ihn zwar nicht im Standort, nahmen<br />
aber aus der Distanz großen Anteil an<br />
seinem Dienst. So empfing der Kanzler<br />
im März 1984 die Offiziere und<br />
Unteroffiziere der 2. Kompanie des<br />
Bataillons 542 – einschließlich des<br />
Fähnrichs Kohl – im Kanzleramt, als<br />
dieses im Rahmen einer Weiterbildung<br />
die Bundeshauptstadt besuchte<br />
– eine große Auszeichnung. Am 30.<br />
September 1984 wurde Walter Kohl<br />
als Fähnrich entlassen und ein Jahr<br />
später zum Leutnant der Reserve befördert.<br />
In einem Interview sagte er<br />
Jahre später: „Mein Name hat mich oft<br />
fast erdrückt.“ Auch Peter (* 1965),<br />
31 Kujacinski, Dona & Kohl, Peter a.a.O.,<br />
S. 193 f.<br />
47