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Auftrag_277_150dpi.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten

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BLICK IN DIE GESCHICHTE<br />

ertüchtigungslager“ nach Berchtesgaden<br />

verschickt und mit 14 Jahren zum<br />

Luftwaffenhelfer ausgebildet. Neben<br />

Schulunterricht stand auch vormilitärische<br />

Ausbildung auf dem Lehrplan.<br />

Einen Monat vor Kriegsende<br />

– an seinem 15. Geburtstag, dem 3.<br />

April 1945 – wurden die Jungen dort<br />

vom Reichsjugendführer Arthur Axmann<br />

(1913-1996) vereidigt. Am 25.<br />

April 1945 wurde Berchtesgaden von<br />

über 300 alliierten Lancaster-Flugzeugen<br />

angegriffen. Kohl überlebte<br />

den Bombenhagel. Zusammen mit einigen<br />

anderen Jungen verließ er das<br />

in Auflösung befindliche Lager und<br />

schlug sich zu Fuß in mehreren Wochen<br />

über 400 km nach Ludwigshafen<br />

in die Heimat durch – eine beachtliche<br />

Leistung. Glück hatten sie obendrein,<br />

dass sie nicht einer fanatischen<br />

Streife in die Hände gefallen waren.<br />

Bereits am 5. Mai 1945 hatte die 7.<br />

US-Armee unter General George S.<br />

Patton (1885-1945) das zerbombte<br />

Ludwigshafen eingenommen. Als die<br />

Jungen zu Hause ankamen, war der<br />

Krieg endgültig vorüber.<br />

Zunächst begann der Fünfzehnjährige<br />

eine landwirtschaftliche Lehre,<br />

kehrte aber nach wenigen Monaten<br />

auf die Schulbank zurück. Noch während<br />

der Schulzeit trat er in die CDU<br />

ein und war einer der Mitbegründer<br />

der Jungen Union in Rheinland-Pfalz.<br />

1950 bestand Kohl die Reifeprüfung<br />

in Ludwigshafen und nahm danach<br />

im Wintersemester 1950/51 sein Studium<br />

in Frankfurt mit Schwerpunkt<br />

Rechtswissenschaft und Geschichte<br />

auf. 1958 promovierte er mit dem<br />

Thema „Die politische Entwicklung<br />

in der Pfalz und das Wiedererstehen<br />

der Parteien nach 1945“ zum Dr. phil.<br />

Als die Bundeswehr 1955 gegründet<br />

wurde, war Kohl bereits im 25. Lebensjahr<br />

und gehörte damit zu den<br />

sog. „weißen Jahrgängen“, die wegen<br />

ihres fortgeschrittenen Alters nicht<br />

mehr zum Wehrdienst herangezogen<br />

wurden. Kohl hat die Aufstellung der<br />

Bundeswehr begrüßt und unterstützt,<br />

doch er sagt dies nicht eindeutig, sondern<br />

umschreibt sie mit den Worten,<br />

er habe den „außen- und innenpolitischen<br />

Kurs Konrad Adenauers … als<br />

Student voller Sympathie“ 24 begleitet.<br />

Bei der grundsätzlichen Frage nach<br />

24 Kohl, Helmut, a.a.O., S. 85.<br />

einer Wiederbewaffnung bleibt Kohl<br />

unklar und stellt einschränkend fest,<br />

„die Notwendigkeit eines Wehrbeitrages<br />

bereitete unserer Partei auch in<br />

der Pfalz einige Probleme, ...“<br />

In der Familie von Kohls erster Frau<br />

Hannelore (1933-2001; geb. Renner)<br />

gab es keine militärische Tradition.<br />

Schwiegermutter Irene Renner<br />

(1897-1980; geb. Merling) 25 stammte<br />

aus einer Bremer Anwaltsfamilie<br />

und Schwiegervater Wilhelm Renner<br />

(1890-1952), ein Elektroingenieur,<br />

aus einer Bauernfamilie in der Pfalz.<br />

Während des Ersten Weltkrieges hatte<br />

er als Ingenieur bei der Fliegertruppe<br />

in der Erprobungsabteilung für<br />

Funk- und Funktelegraphie gearbeitet<br />

und war im Zweiten Weltkrieg als<br />

Konstruktionsingenieur Betriebsdirektor<br />

der Hugo Schneider AG (HA-<br />

SAG), einem großen Rüstungsunternehmen,<br />

das u.a. Panzerfäuste produzierte,<br />

„unabkömmlich“ (u.k.) gestellt.<br />

Hannelore Kohl erlebte als Elfjährige<br />

in ihrem sächsischen Wohnort Döbeln<br />

im letzten Kriegswinter 1944/1945<br />

beim Bahnhofsdienst, den sie jede<br />

zweite Woche leisten musste, Leid<br />

und Schrecken des Krieges. Das junge<br />

Mädchen half beim Bergen von Toten<br />

und bei der Versorgung der Verwundeten,<br />

die per Bahn von der Front eintrafen.<br />

Mutter Irene wurde in einem Werk<br />

am Fliesband kriegsdienstverpflichtet.<br />

Später floh sie mit ihrer Tochter<br />

in den Westen.<br />

zog Kohl als Ministerpräsident<br />

in die Mainzer<br />

1969<br />

Staatskanzlei; seine Eltern erlebten<br />

dies noch. Kohls Bundesland Rheinland-Pfalz<br />

– im Falle eines Krieges in<br />

der rückwärtigen Kampfzone gelegen<br />

– wies eine hohe Dichte deutscher<br />

und alliierter <strong>Soldaten</strong> auf. Letztere<br />

spielten eine bedeutende Rolle bei der<br />

Entwicklung des Landes, waren doch<br />

über lange Jahre bis zu 69.000 USund<br />

ca. 30.000 französische <strong>Soldaten</strong>,<br />

viele mit ihren Familien, dort stationiert.<br />

Rheinland-Pfalz war der wichtigste<br />

Pfeiler der NATO-Luftverteidi-<br />

25 Sie hatte zwei Brüder und eine<br />

Schwester Ilse (1895-1996), die unter<br />

dem Künstlernamen Ilse Marwenka<br />

als Operettenstar in Berlin auftrat.<br />

1933 wanderte sie in die USA aus und<br />

heiratete einen amerikanischen Offizier;<br />

beide sind in Arlington begraben.<br />

gung in Mitteleuropa und beherbergte<br />

zahlreiche Logistikeinrichtungen.<br />

Kohl nannte sein Bundesland einmal<br />

den „Flugzeugträger der NATO“. Große<br />

Garnisonen wie Koblenz und Trier,<br />

Flugplätze und Truppenübungsplätze<br />

wie Ramstein und Baumholder gehörten<br />

dazu. Koblenz – mit dem Stab des<br />

III. Korps und später des Heeresführungskommandos,<br />

dem Zentrum Innere<br />

Führung, dem Bundeswehr-Zentralkrankenhaus,<br />

die Panzerbrigaden<br />

14 (alt) und 15 und zahlreichen Korpstruppen<br />

– war bis Ende der 1980er<br />

Jahre die größte Garnisonsstadt Europas.<br />

Baumholder war der größte<br />

US-Standort in Deutschland und Trier<br />

zeitweise nach Paris die größte Garnison<br />

französischer Truppen. In der<br />

Landeshauptstadt Mainz lag der territoriale<br />

Stab des Wehrbereichskommandos<br />

IV mit insgesamt sieben VBK,<br />

davon den drei in Rheinland Pfalz<br />

stationierten VBK 41 (Koblenz), 42<br />

(Trier) und 45 (Neustadt a.d.W.), sowie<br />

dem Heimatschutzkommando 16<br />

(ab 1981 Heimatschutzbrigade 54) in<br />

Zweibrücken. Kohl erlebte in seiner<br />

Amtszeit als Ministerpräsident insgesamt<br />

fünf Befehlshaber. 26<br />

Trotz der sieben Jahre als Landesvater<br />

findet die Bundeswehr im<br />

ersten Band von Kohls Erinnerungen<br />

der Jahre 1930 bis 1982 keine direkte<br />

Erwähnung. Nur auf einer Fotografie<br />

aus dem Jahre 1973 ist Helmut<br />

Kohl im Manöver bei französischen<br />

Streitkräften zu sehen. 27 Kohl war als<br />

Ministerpräsident wiederholt auch<br />

zu Gast bei in seinem Bundesland<br />

stationierten US-Truppen; von einer<br />

Teilnahme an Veranstaltungen der<br />

Bundeswehr hingegen wie Empfängen,<br />

Biwaks und Bällen, wird nichts<br />

berichtet. Erwähnung findet nur dass<br />

seine Frau Hannelore, wohl auch wegen<br />

ihrer exzellenten Sprachkenntnisse,<br />

in diesen Jahren gute Kontakte<br />

zu den amerikanischen und französischen<br />

<strong>Soldaten</strong> und deren Familien<br />

pflegte. 28 Allerdings betonte Kohl<br />

26 Die Generalmajore Christian Schaeder<br />

1964-1969; Karl-Theodor Molinari<br />

1969-1970; Günther Reischle 1970-<br />

1971; Achim Oster 1971-1973 und<br />

Ernst-Ulrich Hantel 1973-1976.<br />

27 Kohl, Helmut: Erinnerungen 1930-<br />

1982, S. 396.<br />

28 Kujacinski, Dona & Kohl, Peter:<br />

Hannelore Kohl Ihr Leben, S. 116.<br />

So verzeichnet z.B. die Chronik des<br />

46 AUFTRAG <strong>277</strong> • MÄRZ 2010

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