Auftrag_277_150dpi.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
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BLICK IN DIE GESCHICHTE<br />
densstandort Landau zurück, wo er<br />
im Januar 1919 zu seiner Stammeinheit,<br />
dem 12. bayrischen Feldartillerieregiment<br />
unter Oberstleutnant<br />
Eduard Pfeiffer, zurückversetzt und<br />
bis Juli Führer der Sicherheitskompanie<br />
Würzburg wurde. Mitte 1919<br />
wurde er durch die Abwicklungsstelle<br />
nach 13 Jahren aus dem aktiven<br />
Dienst entlassen. Eine Beförderung<br />
zum Leutnant ist gemäß Personalbogen<br />
bis Kriegsende nicht nachzuweisen;<br />
offenbar erfolgte diese – wie auch<br />
die zum Oberleutnant der Reserve –<br />
erst nach dem Krieg.<br />
In Landau lernte Hans Kohl Cäcilie,<br />
die Tochter des Lehrers Josef<br />
Schnur (+ 1930) kennen. Er nahm<br />
sie zur Frau und schulte zum Steuersekretär<br />
in der bayerischen Finanzverwaltung<br />
um.<br />
ie Erzählungen meines Va-<br />
über den Ersten Welt-<br />
„Dters<br />
krieg sind mir im Gedächtnis haften<br />
geblieben“, 19 erinnert sich Helmut<br />
Kohl. Im Herbst 1938, während der<br />
Sudetenkrise, wurde Hans Kohl nur<br />
für ein paar Tage eingezogen. Doch<br />
kaum ein Jahr später, am 31. August<br />
1939, dem Tag vor Ausbruch des 2.<br />
Weltkrieges, folgte seine dritte Einberufung:<br />
obwohl bereits 52 Jahre<br />
alt, musste der fronterfahrene Familienvater<br />
nun auch am Zweiten Weltkrieg<br />
teilnehmen. Als Oberleutnant<br />
der Reserve kämpfte er zunächst mit<br />
der 13. Kompanie des Infanterieregiments<br />
485 20 im Polenfeldzug .21 Das<br />
Regiment gehörte zur 263. Infanteriedivision<br />
unter Generalleutnant Franz<br />
Karl (1888-1964; Ritterkreuz); die<br />
Weintrauben im Divisionswappen<br />
weisen auf ihre rheinische Herkunft<br />
hin. Im Winter 1939/40 war Hans<br />
Kohl kurzzeitig Kommandant eines<br />
polnischen Fleckens namens Zirats 22 .<br />
Dann ging es an die Westfront: Weihnachten<br />
1939 verbrachte er in einem<br />
Bereitstellungsraum in der Eifel. Am<br />
12. Januar 1940 wurde er in den Stab<br />
19 Vernet, Daniel in: Appel, Reinhard<br />
(Hrsg.): Helmut Kohl im Spiegel seiner<br />
Macht, S. 48.<br />
20 Das Regiment war im September 1939<br />
im Wehrkreis XII (Koblenz) aufgestellt<br />
worden.<br />
21 siehe: Kohl, Helmut: Erinnerungen<br />
1930-1982, S. 32.<br />
22 Die geografi sche Lage dieses Dorfes war<br />
nicht zu ermitteln.<br />
AUFTRAG <strong>277</strong> • MÄRZ 2010<br />
des Infanterie-Ersatzbataillons 485<br />
versetzt und blieb dort bis zum 15.<br />
August. Während des Westfeldzuges<br />
diente er zunächst im Infanterie-Ersatz-Regiment<br />
263 unter Oberst Günther<br />
Plehn, dessen Stab ab Juli 1941<br />
als Besatzungstruppe nach Commercy<br />
in Lothringen, südlich von Verdun,<br />
verlegt wurde. Ende Mai 1942 wurde<br />
Kohl, inzwischen zum Hauptmann<br />
befördert, als Fürsorgeoffizier zum<br />
Landesschützen-Ersatz-Bataillon 12<br />
versetzt. Dieser Verband – im März<br />
1940 in Wiesbaden aufgestellt – unterstand<br />
ab August 1940 der 172.<br />
Division unter Generalleutnant Kurt<br />
Fischer (1877-†) und stellte die Sicherungstruppe<br />
im westpreußischen<br />
Gotenhafen (Gdingen). Wegen eines<br />
Herzleidens wurde Hans Kohl im<br />
Winter 1943/44 aus der Wehrmacht<br />
entlassen, jedoch 1945 in den letzten<br />
Kriegswochen als Chef einer Volkssturmkompanie<br />
des Wehrersatzbezirks<br />
Mannheim in Friesenheim ein<br />
viertes Mal reaktiviert. Die Einheit<br />
– ihr <strong>Auftrag</strong> bestand in allgemeinen<br />
Sicherungsaufgaben in unmittelbarer<br />
Heimatgegend – kam allerdings nicht<br />
mehr zum Einsatz. Hans Kohl hatte<br />
seine „<strong>Soldaten</strong>“ mit der Feststellung,<br />
der Krieg sei aus, nach Hause<br />
geschickt und damit selbst demobilisiert.<br />
Diese Handlung zeugt von großem<br />
Mut, denn selbst als das Ende des<br />
Krieges erkennbar war, haben nicht<br />
wenige – von Standgerichten abgeurteilt<br />
– ähnlich aufrechte Handlungen<br />
mit dem Leben bezahlt.<br />
Wahrscheinlich aus eigener Erfahrung<br />
hatte Vater Hans seinem Sohn<br />
Walter (1926-1944) geraten, Reserveoffizier<br />
zu werden. Und so meldete<br />
sich dieser 1943 mit siebzehn Jahren<br />
zur Luftwaffe und wurde zum Fallschirmjäger-Regiment<br />
9 versetzt, das<br />
zunächst unter Führung von Hauptmann<br />
Bodo Göttsche im Januar 1944<br />
in Reims aufgestellt worden war. Das<br />
Regiment – der 3. Fallschirmjäger-<br />
Division unter Generalmajor Walter<br />
Barenthin (1888-1959) unterstellt –<br />
wurde nach nur kurzer Grundausbildung<br />
zunächst zur Sicherung des dortigen<br />
Hafens in den Raum Brest verlegt,<br />
aber von dort am 7. Juni 1944,<br />
einen Tag nach dem „D-Day“, der<br />
Landung der Alliierten in der Normandie<br />
(„Operation Overlord“), an die<br />
Invasionsfront um St. Lo ins Zentrum<br />
des alliierten Ringens um die Ausdehnung<br />
des Brückenkopfes geworfen.<br />
Nach schweren Abwehrkämpfen<br />
im Rahmen des II. Fallschirmkorps<br />
unter Generalleutnant Eugen Meindl<br />
(1892-1951; Eichenlaub) gegen die<br />
in Stärke und Ausrüstung weit überlegenen<br />
alliierten Landungstruppen,<br />
die zudem Lufthoheit besaßen, wurde<br />
das kampfunerfahrene Regiment<br />
Schritt für Schritt zurückgedrängt und<br />
acht Wochen später im Kessel von<br />
Falaise fast vollständig aufgerieben.<br />
Walter Kohl zählte zu den wenigen,<br />
die – wenngleich schwer verwundet –<br />
noch herauskamen. Doch was sich als<br />
Glück erwies, kehrte sich wenig später<br />
ins Gegenteil: Nach seiner Genesung<br />
im September 1944 kam Walter<br />
Kohl mit dem Dienstgrad Fallschirmjäger<br />
in den Stab der II. Abteilung seines<br />
Fallschirmjägerregiments unter<br />
Oberst Hellmut Hoffmann zunächst an<br />
die deutsch-holländische Grenze, wo<br />
das Regiment neu aufgestellt worden<br />
war. Wenige Wochen danach – am 19.<br />
November 1944 – fiel er in Haltern am<br />
See,15 km südwestlich von Münster,<br />
nur ein halbes Jahr vor Kriegsende<br />
bei einem Tieffliegerangriff. Ein britischer<br />
Bomber – von der Flak abgeschossen<br />
– hatte beim Absturz einen<br />
Starkstrommast umgerissen, der den<br />
jungen <strong>Soldaten</strong> erschlug. Helmut<br />
Kohl war vierzehn, als er erfuhr, dass<br />
sein Bruder mit nur achtzehn Jahren<br />
gefallen war.<br />
„Der Tod meines Bruders verursachte<br />
bei mir einen tiefen Schock“ 23 ,<br />
schreibt er. Kohls Familie gehörte zu<br />
den vielen, die einen beträchtlichen<br />
Blutzoll in den beiden großen Kriegen<br />
des 20. Jahrhunderts gezahlt haben.<br />
Onkel Walter, der Bruder von<br />
Helmut Kohls Mutter Cäcilie, war<br />
als Student im Ersten Weltkrieg gefallen.<br />
Einer der beiden Brüder von<br />
Kohls erster Frau Hannelore starb als<br />
Soldat an den Folgen der Ruhr. Vor<br />
diesem persönlichen Hintergrund ist<br />
die Haltung Kohls zu verstehen, nicht<br />
an Siegesfeiern der Alliierten in der<br />
Normandie teilzunehmen, hätte ihn<br />
dies doch wieder unmittelbar mit dem<br />
Schicksal seines Bruders in Berührung<br />
gebracht.<br />
Im Spätherbst 1944 wurde Helmut<br />
Kohl als Hitlerjunge in ein sog. „Wehr-<br />
23 Kohl, Helmut: Erinnerungen 1930-<br />
1982, S. 37.<br />
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