fol. 5v: Evangelist Lukas Heiliger Lukas. Lukas, in weißer Tunika ...

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04.07.2012 Aufrufe

Verkündigung an Maria, Perikopenbuch des Kuno von Falkenstein. Trier, Domschatz, Hs. 6, fol. 7. 96 Franz J. Ronig Im Perikopenbuch des Kuno von Falkenstein von 1380 (fol. 7) ist aus unserer Verkündigungsszene lediglich die Architektur der Stadt wie ein Versatzstück eingebaut; das Figürliche der dortigen Szene folgt einem gotischen Vorbild. Dass Maria eine purpurfarbene Kasel trägt, erregt die Neugier, ob hier nicht etwas mehr gemeint sein könnte als die pure Illustration einer Szene. Wie an verschiedenen Stellen des Codex Egberti kann auch hier die Farbe und die Form des Gewandes ekklesiologisch verstanden werden. In seinem Lukaskommentar deutet Ambrosius von Mailand (gest. 397) Maria als „Urbild der Kirche“: Maria bene desponsata, sed virgo, quia est ecclesiae typus, quae est immaculata, sed nupta – „Maria ist gut verlobt, aber Jungfrau, denn sie ist Urbild der Kirche, welche unbefleckt ist und dennoch verheiratet.“ Ambrosius führt den Vergleich noch weiter aus: (wie Maria so) „hat uns die Jungfrau (Kirche) vom Heiligen Geist empfangen, hat uns die Jungfrau ohne Stöhnen geboren.“ Im Anschluss an Ambrosius führt Augustinus (z. B. Enchiridion de fide, spe et caritate, c. 10) diesen Gedanken noch weiter aus. fol. 10v: Besuch Marias bei Elisabeth Das Bild der Heimsuchung ist zwischen das Ende der vorausgehenden und den Beginn der neuen Lesung eingeschoben, der es als Illustration dient (Lk 1, 39–47): zur Feria VI. (Freitag) nach dem 3. Adventssonntag. Maria machte sich in jenen Tagen auf und ging eilends in das Gebirge in eine Stadt Judas. Und sie trat in das Haus des Zacharias ein und grüßte Elisabeth. Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind freudig in ihrem Leibe auf; und Elisabeth wurde erfüllt vom Heiligen Geist und rief mit lauter Stimme: Du bist gesegnet unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes! Wie geschieht es mir, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, als die Stimme deines Grußes in meinen Ohren erscholl, hüpfte das Kind voller Freude auf in meinem Leibe. Und selig bist du, die du geglaubt hast, dass in Erfüllung gehen wird, was dir vom Herrn gesagt wurde. Und Maria sprach: Hoch preist meine Seele den Herrn und mein Geist frohlockt in Gott, meinem Heil. Die Miniatur zeigt die Begegnung der beiden Frauen Maria und Elisabeth, die sich bei ihrer Begrüßung umarmen und küssen: Von Umarmung und Kuss berichtet der Lukastext allerdings nichts; sie könnten als zum antiken Begrüßungszeremoniell gehörend betrachtet werden. Aber auch hier darf man einen patristischen Hintergrund annehmen. Dabei spielt die allegorisch-mystische Erklärung von Psalm 84, 11 die entscheidende Rolle: Misericordia et veritas obviaverunt sibi, iustitia et pax osculatae sunt – „Barmherzigkeit und Wahrheit begegnen sich, Gerechtigkeit und Friede küssen sich.“ Arnobius Junior wendet diese Stelle auf Johannes den Täufer an, dem Christus, wie man bei Theodoret von Cyrus lesen kann, schon im Mutterleib begegnet, indem Besuch Marias bei Elisabeth, Perikopenbuch des Kuno von Falkenstein. Trier, Domschatz, Hs. 6, fol. 8. sich die beiden Mütter, Maria und Elisabeth, begegnen, umarmen und küssen. Hilfreich für das Verständnis sind die Illustrationen dieses Psalmverses im karolingischen Psalter zu Stuttgart und in den byzantinischen Psalterien des 9. Jahrhunderts, für die hier stellver- Erläuterungen zu den Miniaturen tretend der Chloudoff-Psalter (Moskau) genannt sei. Jedes Mal ist die Begegnung von Maria und Elisabeth bei diesem Psalmvers als Illustration eingeschoben. Im Egbert-Codex ist die Szene wieder ins Freie, vor die „Stadt in Juda“, gelegt, während der Text ausdrücklich Maria zunächst in das Haus des Zacharias eintreten und dann erst Elisabeth begrüßen lässt. Die Mäntel der beiden Frauen sind von purpurner und dunkelgrüner Farbe; der Hintergrund ist intensiver gefärbt als bei der vorausgehenden Miniatur. Standen dort die Personen und die Stadt wie auf einem gemeinsamen und realen Boden, so „schweben“ nun die Frauen vor dem atmosphärisch gefärbten Grund; die Stadt ist dagegen wie auf einem Hügel erbaut. Die Evangeliare Ottos III. in Aachen und München weisen diese Szene nicht auf. Das Perikopenbuch des Kuno von Falkenstein hat die Miniatur übernommen und in den Stil des 14. Jahrhunderts übersetzt (fol. 8). fol. 10v 97

Arles, Musée de l’Art Chrétien, Sarkophag. Detail: Sandale Petri auf dem Suppedaneum. Franz J. Ronig in der Pose des Sandalenlösers. Nach der ersten Abwehr der Waschung und der dann folgenden Belehrung durch Christus streckt Petrus emphatisch seine Hände aus und möchte nun auch die Hände und das Haupt gewaschen bekommen. Christus hat sich mit dem Leinentuch gegürtet, dessen umschlagenden Saum er mit der Linken fasst, als wolle er gerade mit dem Abtrocknen beginnen. Die Rechte hat er im Redegestus zu Petrus hin erhoben. Auf die zeitliche Inkongruenz der beiden Gesten hat Hermann Schnitzler 1962 aufmerksam gemacht und das Urbild herausgearbeitet, das der Formulierung unserer Szene zugrunde liegt. Es ist eine mehrfach belegte frühchristliche Sarkophagkomposition, auf die sich auch das schräge Sitzen Petri und seine Gestikulation zurückführen lassen. Der rechte Fuß Petri war ursprünglich tiefer angesetzt; die Vorzeichnung ist noch sichtbar. Die Änderung hängt wohl mit formalen Problemen zusammen, die sich aus dem Umsetzen der dem spätantiken Vorbild verpflichteten Vorlage ergaben. Schnitzler hat ebenfalls auf die Parallelen in der Reichenauer Buchmalerei und im Perikopenbuch zu Bremen hingewiesen und gezeigt, dass die Reichenau hier in Anlehnung an die Antike einen eigenen Weg geht. Die Gestik Petri und Christi ist im Codex Egberti trotz der inneren Dramatik der Szene klassisch gezügelt. Im Aachener Otto- Evangeliar, besonders aber im Münchner Codex sind die Gesten ins geradezu Expressive gesteigert. Ein besonders reizvolles Motiv ist der „Sandalenlöser“ am rechten Bildrand, der als eine „Antike“ ohne textliche Grundlage in das Bild eingeschleust wurde. Da Christus und die Apostel immer mit unbeschuhten Füßen wiedergegeben sind (Wie schön sind die Füße derer, die den Frieden, die das Gute verkünden. Vgl. Is 52, 12), ist der Sandalenlöser eigentlich un- sinnig – es sein denn, seine Einfügung sei bereits zu einer Zeit geschehen, da sich die apostolische Nacktheit der Füße noch nicht durchgesetzt hatte. Als hätten die Maler des Egbert- Codex und des Bremer Evangelistars (oder ihrer beider Vorlage?) an diesem Sachverhalt Unbehagen empfunden, haben sie die Sandalenriemen fortgelassen und den Stützsockel in ein Wasserbecken verwandelt, worin sich dieser eine Apostel die Füße selbst waschen kann; das Missverhältnis wurde dadurch aber keineswegs gebessert. Die Fingerstellung weist noch immer auf das Sandalenlösen hin. Im Evangeliar Ottos III. zu München ist tatsächlich das Lösen der Sandale dargestellt. Die Säulenhalle möchte wohl den Innenraum bezeichnen, in dem die Handlung stattfindet. Die Reichenauer Parallelen und der Fußwaschung; Abendmahl, Echternacher Perikopenbuch. Bremen, Staatsbibliothek, Hs. b. 21, fol. 57v. Bremer Codex kennen sie (in Varianten) ebenfalls (fol. 57v). Allerdings sind beim Bremensis die Säulen marmoriert und mit „richtigen“ Kapitellen versehen, während es im Egbert-Codex und im Perikopenbuch Heinrichs II. zu München eher (Kristall-)Kugeln sind. Unter den byzantinischen Handschriften hat der Codex aus Trapezunt (St. Petersburg, Öffentliche Bibliothek, Ms. 21) einen Anklang an eine Säulenhalle. 27 Die genaue Herkunft des Motivs ist noch zu ermitteln. Ob sich vielleicht darin die (über die noch unbekannten, aber zu postulierenden Zwischenglieder überlieferte) „Erinnerung“ an die Komposition der Säulensarkophage erhalten hat? Erläuterungen zu den Miniaturen fol. 79v: Gefangennahme Jesu APOSTOLI. PETRVS. IVDEI. IHC XPC. Apostel. Petrus. Juden. Jesus Christus. Die Inschriften sind hier und in zwei weiteren Szenen der Passionsgeschichte auf Purpurstreifen geschrieben. Vielleicht erinnert diese Eigenart an Inschriftenstreifen der karolingischen Schule von Tours. Mit dieser Miniatur wird die Johannespassion eröffnet, die am Karfreitag gelesen wird (Joh 18, 1–19, 42). Sie beginnt auf fol. 79 und reicht bis fol. 86. Alle Passionsbilder des Codex Egberti befinden sich in der Johannespassion. Bei der Gefangennahme Jesu berichtet die Johannespassion allerdings nichts 154 155 fol. 79v

Verkündigung an<br />

Maria, Perikopenbuch<br />

des Kuno<br />

von Falkenste<strong>in</strong>.<br />

Trier, Domschatz,<br />

Hs. 6, <strong>fol</strong>. 7.<br />

96<br />

Franz J. Ronig<br />

Im Perikopenbuch des Kuno von Falkenste<strong>in</strong><br />

von 1380 (<strong>fol</strong>. 7) ist aus unserer Verkündigungsszene<br />

lediglich die Architektur der<br />

Stadt wie e<strong>in</strong> Versatzstück e<strong>in</strong>gebaut; das Figürliche<br />

der dortigen Szene <strong>fol</strong>gt e<strong>in</strong>em gotischen<br />

Vorbild.<br />

Dass Maria e<strong>in</strong>e purpurfarbene Kasel<br />

trägt, erregt die Neugier, ob hier nicht etwas<br />

mehr geme<strong>in</strong>t se<strong>in</strong> könnte als die pure Illustration<br />

e<strong>in</strong>er Szene. Wie an verschiedenen<br />

Stellen des Codex Egberti kann auch hier die<br />

Farbe und die Form des Gewandes ekklesiologisch<br />

verstanden werden. In se<strong>in</strong>em <strong>Lukas</strong>kommentar<br />

deutet Ambrosius von Mailand<br />

(gest. 397) Maria als „Urbild der Kirche“:<br />

Maria bene desponsata, sed virgo, quia est ecclesiae<br />

typus, quae est immaculata, sed nupta –<br />

„Maria ist gut verlobt, aber Jungfrau, denn sie<br />

ist Urbild der Kirche, welche unbefleckt ist<br />

und dennoch verheiratet.“ Ambrosius führt<br />

den Vergleich noch weiter aus: (wie Maria so)<br />

„hat uns die Jungfrau (Kirche) vom Heiligen<br />

Geist empfangen, hat uns die Jungfrau ohne<br />

Stöhnen geboren.“ Im Anschluss an Ambrosius<br />

führt August<strong>in</strong>us (z. B. Enchiridion de fide,<br />

spe et caritate, c. 10) diesen Gedanken noch<br />

weiter aus.<br />

<strong>fol</strong>. 10v:<br />

Besuch Marias bei Elisabeth<br />

Das Bild der Heimsuchung ist zwischen das<br />

Ende der vorausgehenden und den Beg<strong>in</strong>n<br />

der neuen Lesung e<strong>in</strong>geschoben, der es als Illustration<br />

dient (Lk 1, 39–47): zur Feria VI.<br />

(Freitag) nach dem 3. Adventssonntag.<br />

Maria machte sich <strong>in</strong> jenen Tagen auf und g<strong>in</strong>g<br />

eilends <strong>in</strong> das Gebirge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Stadt Judas. Und<br />

sie trat <strong>in</strong> das Haus des Zacharias e<strong>in</strong> und grüßte<br />

Elisabeth. Und es begab sich, als Elisabeth den<br />

Gruß Marias hörte, hüpfte das K<strong>in</strong>d freudig <strong>in</strong><br />

ihrem Leibe auf; und Elisabeth wurde erfüllt<br />

vom Heiligen Geist und rief mit lauter Stimme:<br />

Du bist gesegnet unter den Frauen und gesegnet<br />

ist die Frucht de<strong>in</strong>es Leibes! Wie geschieht es mir,<br />

dass die Mutter me<strong>in</strong>es Herrn zu mir kommt?<br />

Denn siehe, als die Stimme de<strong>in</strong>es Grußes <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en<br />

Ohren erscholl, hüpfte das K<strong>in</strong>d voller Freude<br />

auf <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Leibe. Und selig bist du, die du<br />

geglaubt hast, dass <strong>in</strong> Erfüllung gehen wird, was<br />

dir vom Herrn gesagt wurde. Und Maria sprach:<br />

Hoch preist me<strong>in</strong>e Seele den Herrn und me<strong>in</strong><br />

Geist frohlockt <strong>in</strong> Gott, me<strong>in</strong>em Heil.<br />

Die M<strong>in</strong>iatur zeigt die Begegnung der beiden<br />

Frauen Maria und Elisabeth, die sich bei ihrer<br />

Begrüßung umarmen und küssen: Von<br />

Umarmung und Kuss berichtet der <strong>Lukas</strong>text<br />

allerd<strong>in</strong>gs nichts; sie könnten als zum antiken<br />

Begrüßungszeremoniell gehörend betrachtet<br />

werden. Aber auch hier darf man e<strong>in</strong>en<br />

patristischen H<strong>in</strong>tergrund annehmen. Dabei<br />

spielt die allegorisch-mystische Erklärung von<br />

Psalm 84, 11 die entscheidende Rolle: Misericordia<br />

et veritas obviaverunt sibi, iustitia et pax<br />

osculatae sunt – „Barmherzigkeit und Wahrheit<br />

begegnen sich, Gerechtigkeit und Friede<br />

küssen sich.“ Arnobius Junior wendet diese<br />

Stelle auf Johannes den Täufer an, dem Christus,<br />

wie man bei Theodoret von Cyrus lesen<br />

kann, schon im Mutterleib begegnet, <strong>in</strong>dem<br />

Besuch Marias bei<br />

Elisabeth, Perikopenbuch<br />

des Kuno von<br />

Falkenste<strong>in</strong>.<br />

Trier, Domschatz,<br />

Hs. 6, <strong>fol</strong>. 8.<br />

sich die beiden Mütter, Maria und Elisabeth,<br />

begegnen, umarmen und küssen. Hilfreich<br />

für das Verständnis s<strong>in</strong>d die Illustrationen dieses<br />

Psalmverses im karol<strong>in</strong>gischen Psalter zu<br />

Stuttgart und <strong>in</strong> den byzant<strong>in</strong>ischen Psalterien<br />

des 9. Jahrhunderts, für die hier stellver-<br />

Erläuterungen zu den M<strong>in</strong>iaturen<br />

tretend der Chloudoff-Psalter (Moskau) genannt<br />

sei. Jedes Mal ist die Begegnung von<br />

Maria und Elisabeth bei diesem Psalmvers als<br />

Illustration e<strong>in</strong>geschoben. Im Egbert-Codex<br />

ist die Szene wieder <strong>in</strong>s Freie, vor die „Stadt <strong>in</strong><br />

Juda“, gelegt, während der Text ausdrücklich<br />

Maria zunächst <strong>in</strong> das Haus des Zacharias e<strong>in</strong>treten<br />

und dann erst Elisabeth begrüßen lässt.<br />

Die Mäntel der beiden Frauen s<strong>in</strong>d von<br />

purpurner und dunkelgrüner Farbe; der H<strong>in</strong>tergrund<br />

ist <strong>in</strong>tensiver gefärbt als bei der vorausgehenden<br />

M<strong>in</strong>iatur. Standen dort die Personen<br />

und die Stadt wie auf e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen<br />

und realen Boden, so „schweben“ nun<br />

die Frauen vor dem atmosphärisch gefärbten<br />

Grund; die Stadt ist dagegen wie auf e<strong>in</strong>em<br />

Hügel erbaut.<br />

Die Evangeliare Ottos III. <strong>in</strong> Aachen und<br />

München weisen diese Szene nicht auf. Das<br />

Perikopenbuch des Kuno von Falkenste<strong>in</strong> hat<br />

die M<strong>in</strong>iatur übernommen und <strong>in</strong> den Stil<br />

des 14. Jahrhunderts übersetzt (<strong>fol</strong>. 8).<br />

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