CCC - Das chaos Computer Buch
CCC - Das chaos Computer Buch
CCC - Das chaos Computer Buch
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<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />
<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />
Denken aufzuzwingen und sie zu veranlassen, selbsterdachte<br />
Befehlsfolgen anzunehmen, ist ein Glücksgefühl, das einem Orgasmus<br />
nahekommt. (Um Hobby-Banalytikern zuvorzukommen: Ein echter<br />
Orgasmus ist natürlich viel schöner.) Hier war es genauso. Man sitzt<br />
gebannt vor dem iooo-Marks-<strong>Computer</strong>, sieht auf den Bildschirm und<br />
ist gleichzeitig in Japan, an der Konsole eines Megadollargeräts und<br />
kann nichts Sinnvolles damit anfangen.<br />
«Du kannst doch denken», meinte Gandalf, als er meinen Blick<br />
bemerkte und machte eine Kunstpause. «Dann denke. »<br />
«Also wird es wohl irgendwie einen Zugang für Gäste geben»,<br />
dachte ich laut, «aber was heißt Gast aufjapanisch?»<br />
« Hmmm. . . und welche ASCII-Codes haben die japanischen<br />
Zeichen?»<br />
«Ich habe doch gesagt, du sollst nachdenken. In welcher Sprache<br />
hat er dich denn angeredet?» meckerte Gandalf und schien äußerst<br />
ungehalten ob meiner Unfähigkeit.<br />
Der Wink mit dem Zaunpfahl war hilfreich, und sofort wurde dem<br />
Rechner auf die Frage nach dem Benutzernamen mit einem locker<br />
dahingeworfenen geantwortet. Daß man mit diesem Namen<br />
manchmal etwas erreicht, hatte ich natürlich schon einmal irgendwo<br />
gelesen, nur war in der Aufregung dieses Wissen nicht greifbar. Japan<br />
antwortete. Ein Haufen Systeminformationen tröpfelte über den<br />
Schirm. Irgend etwas von Handbüchern, die man bei einem gewissen<br />
Touchi-San abfordern könne, Uhrzeit und Datum des letzten Anrufs<br />
mit dem Namen Guest und ähnlich packende Information. Schließlich<br />
endete der Datenwust mit einem einzelnen Dollarzeichen.<br />
«<strong>Das</strong> ist der Systemprompt», dozierte Gandalf, «das bedeutet, er<br />
wartet jetzt auf deine Befehle. Dann laß mal langsam einen Schuß<br />
kommen. »<br />
Ich muß dreingeschaut haben wie ein katholischer Priester, der<br />
feststellt, daß er plötzlich verheiratet ist.<br />
«<strong>Das</strong> heißt SHOW USERS, und du gibst halt nur SH und US ein,<br />
dazwischen läßt du eins frei. Du siehst dann schon, was passiert . . . »<br />
Na ja, wenn er meint. Aus Japan kam eine Liste mit Namen,<br />
Gandalf las halblaut mit:<br />
«Kamasutra, Ramazuki, Nishio-San, na also, es sind ja alle da. <strong>Das</strong> ist<br />
nämlich so. . .» und es folgte eine halbstündige Einführung in die<br />
Grundlagen von Superminicomputern und das Einrichten eigener<br />
privilegierter Benutzerkennungen, unter besonderer Berücksichtigung<br />
der Schwachstellen eines bestimmten Betriebssystems.<br />
Ich habe nichts davon begriffen, sondern nur hin und wieder ein<br />
verständnisvolles Nicken eingeworfen, um zu dokumentieren, daß ich<br />
noch nicht eingeschlafen war, mittlerweile war es nämlich schon nach<br />
Mitternacht. Soviel begriff ich jedenfalls: Da waren ein paar Leute, die<br />
konnten mit diesem sündhaft teuren Gerät im fernen Japan machen,<br />
was sie wollten. Vom häuslichen Fernsehschirm aus kontrollierten sie<br />
den <strong>Computer</strong>, und die Macht war mit ihnen.<br />
«Und jetzt?» fragte ich. «Was kann ich denn nun hier machen?»<br />
«Alles», war die lapidare Auskunft.<br />
«Alles? Wirklich alles? Alles lesen, alles verändern, etwas<br />
hinzufügen, anderer Leute Programme laufen lassen oder löschen?»<br />
Meine geschockten Ganglien waren auf einmal wieder in der Lage,<br />
klare Gedanken zu formulieren.<br />
Gandalf zuckte zusammen, und jetzt war er es, der geschockt war.<br />
«Nun ja», kam nach einigem Zögern die Antwort. «Du kannst<br />
natürlich kein anderes Datenband einlegen oder neues Papier in die<br />
Drucker werfen, aber mit dem System, so wie es jetzt dasteht, kannst<br />
du wirklich alles machen, wenn du willst. » Seine Stimme bekam<br />
einen etwas härteren Ton. « Du kannst die Kiste auch abschalten.<br />
Wenn du jetzt den Befehl SHUT DOWN eingibst, fährt der Rechner<br />
runter, und die Japaner müssen ihn morgen wieder hochfahren. Aber...<br />
» - wieder folgte eine Kunstpause, und der Tonfall wurde noch härter.<br />
«So etwas macht man nicht, es sei denn, man ist dazu gezwungen. <strong>Das</strong><br />
lernst du aber noch. » Seine Stimme wurde wieder normal, und er gab<br />
mir eine weitere Lektion, diesmal unter der Überschrift<br />
.<br />
«Du solltest eines begreifen», fuhr er fort. « Wir sind keine<br />
Kriminellen. Ich hab es dir vorhin angesehen, das Fieber hat dich jetzt<br />
auch gepackt. Du bist jetzt in der Lage, einen der besten <strong>Computer</strong> der<br />
Welt zu benutzen. Und wenn ich sage: benutzen, dann meine ich das<br />
auch so. Wenn du ihn runterfährst, hast du nichts davon. Wenn du<br />
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