CCC - Das chaos Computer Buch
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<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />
<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />
Kap der Guten Hoffnung<br />
Die Besiedelung der Neuesten Welt<br />
«In Zukunft besteht die Arbeit nicht mehr darin, seinen<br />
Lebensunterhalt zu verdienen, sondern darin, im Zeitalter der<br />
Automation leben zu lernen. »<br />
Marshai McLuhan<br />
Datenland ist Neuland. Die geographischen Räume unseres Planeten<br />
sind restlos besetzt. Jeder Fleck der Erde ist von Menschen berührt,<br />
betreten und in Besitz genommen, riesige Regionen sind<br />
zentimetergenau vermessen und in Katastern registriert. Die<br />
Eroberung des Weltraums ist ins Stocken geraten. <strong>Das</strong> Foto, auf dem<br />
die Detonationswolke der Raumfähre aChallenger» wie eine Faust zu<br />
sehen ist, aus der sich ein mahnender Finger streckt, wurde zum<br />
Sinnbild für den Fall, der dem technologischen Hochmut folgt.<br />
Im übrigen mögen Menschen fernhegender Generationen darüber<br />
rätseln, aus welchen schwer erfindlichen Gründen ihre Vorfahren im<br />
zwanzigsten Jahrhundert monumentale stählerne Heiligtümer bauten,<br />
die offensichtlich derselben Aufgabe wie die altägyptischen<br />
Steinpyramiden dienten, nämlich der Himmelfahrt, und in deren<br />
Innerem sich ebenfalls Mumien befanden, die monatelang präpariert<br />
worden waren, um die jede Lebensfunktion auslöschenden Folgen<br />
einer Reise in die Unendlichkeit zu überdauern.<br />
Nun ist der <strong>Computer</strong> an unserem Erfahrungshorizont erschienen und<br />
bietet dem Hunger nach Raum neue Nahrung. Er eröffnet ungeahnte<br />
virtuelle Regionen, den Kontinent der Daten - neues Land.<br />
Datenland ist Schattenland. Oft ist das Argument zu hören, der<br />
<strong>Computer</strong> sei prinzipiell weder gut noch böse, es komme ganz darauf<br />
an, was man mit ihm mache. <strong>Das</strong> stimmt einfach nicht. Man kann mit<br />
einer Schrotflinte auch Nägel in die Wand schlagen oder Löcher für<br />
Setzlinge in ein Beet stechen. Jeder, der einen <strong>Computer</strong> benutzt, tut<br />
gut daran, sich von Mumford nachdrücklich an die Herkunft der<br />
Maschine erinnern zu lassen: «So kam eine der höchsten Leistungen<br />
des modernen Menschen in der Erforschung der elementaren<br />
Bausteine<br />
der physikalischen Welt, gipfelnd in der Erschließung der Kräfte, über<br />
die der Sonnengott gebietet, unter dem Druck eines völkermordenden<br />
Krieges und der Drohung totaler Vernichtung zustande. »<br />
Anders als bei der Schrotflinte bleibt die urpsrüngliche Bestimmung<br />
der Prozeßrechner hinter einem illuminierenden Fächer aus<br />
Faszinationen, Verheißungen, Projektionen und notdürftig erdachten<br />
zivilen Nutzanwendungen in Deckung. Der Satz eines Ingenieurs, oder<br />
<strong>Computer</strong> ist die Lösung, was uns jetzt noch fehlt, ist das Problem•>,<br />
bezeichnet treffend die arge Verlegenheit, in die die Hersteller<br />
gerieten, als die Maschine, die eigentlich zur Vereinfachung<br />
militärischer und später verwaltungstechnischer Aufgaben ersonnen<br />
worden war, plötzlich zum Massenartikel geriet.<br />
Datenland ist Zeichen-Land. Der Geist der Kriegsmaschine steckt tief<br />
in den Strukturen der Mikroprozessoren. Der <strong>Computer</strong> schießt nicht<br />
auf Wesen oder Dinge, er schießt auf Zeichen. <strong>Computer</strong> können<br />
Bedeutungen töten. Weizenbaums Beschreibung der im Vietnamkrieg<br />
eingesetzten Pentagon-Rechner etwa macht deutlich, wie durch den<br />
<strong>Computer</strong> die Bedeutung von Verantwortung desintegriert wird. Wer<br />
könnte noch dafür zur Verantwortung gezogen werden, daß in von<br />
einem <strong>Computer</strong> ausgewählten Zonen alles unter Feuer genommen<br />
werden durfte, was sich bewegt? Der <strong>Computer</strong>fabrikant? Die<br />
Programmierer, die die Auswahlkriterien eingegeben hatten? Die<br />
Offiziere, welche die <strong>Computer</strong> bedient und den Output an die Funker<br />
weitergegeben haben? Je mehr Entscheidungen ins Innere des<br />
<strong>Computer</strong>s verlagert werden, die das Leben von Menschen mittelbar<br />
oder unmittelbar betreffen, desto unfaßbarer wird Verantwortung.<br />
Eines der großen Probleme der Gegenwart -daß nämlich die Moral<br />
jedes einzelnen von uns ohnehin bereits bei dem Versuch überfordert<br />
ist, auch nur die offiziellen Daten und Informationen zu bewerten, die<br />
ständig aus jeder Ecke des Globus ankommen - wird dadurch deutlich<br />
verschärft. Es ist ein Gemeinplatz, daß die Botschaften von Not und<br />
Unrecht, die stündlich aus aller Welt in die Informationskanäle<br />
rauschen die spontane Reaktion zu helfen in die Leere der<br />
Medienrealität laufen lassen und das Gefühl, mitverantwortlich zu<br />
sein, tief verstören.<br />
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