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CCC - Das chaos Computer Buch

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<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />

<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />

und DO-WHILE-Schleifen als Refrains erkannt hat, die Nähe zu den<br />

uralten Formen des Langgedichts spüren. Auch die mächtigen<br />

«reservierten Worte» der Codes decken sich mit Bedeutungspotenzen<br />

der klassischen Lyrik, wo beispielsweise ein Begriff wie «Rose» nicht<br />

einfach für eine rote Blume steht, sondern einen ganzen Dschungel<br />

von Interpretationsmöglichkeiten um sich hat.<br />

Mumford mahnt: «Etwas für die Kreativität des Menschen, auch in der<br />

Wissenschaft, Wesentliches könnte verschwinden, wenn die nach wie<br />

vor metaphorische Sprache der Dichtung völlig der denaturierten<br />

Sprache des <strong>Computer</strong>s weichen müßte. » Als Programmierer, dessen<br />

Talente dazu nicht ausreichen, als Schriftsteller und nicht zuletzt<br />

einfach als Mensch möchte ich auf diesem Weg alle, die mit dem<br />

Gedanken spielen, einen Mikroprozessor oder eine<br />

Programmiersprache zu entwickeln oder zu modifizieren, dazu<br />

einladen, einen freundlichen Geist in die Maschine zu pflanzen.<br />

Am Tisch ein Strauß File'chen<br />

Leben und Arbeiten im Datenblockhaus<br />

«Beim <strong>Computer</strong> sind dem Flirt mit der Niederlage bei dem Versuch, ges zu<br />

schaffen), keine Grenzen gesetzt. Es gibt keine Grenzen für das Maß an Gewalt,<br />

das dem Versuch innewohnt. Über den <strong>Computer</strong> siegen heißt siegen. »<br />

Sherry Turkle<br />

«Ihre verknautschten Anzüge, ihre ungewaschenen und unrasierten<br />

Gesichter und ihr ungekämmtes Haar bezeugen, wie sehr sie ihren<br />

Körper vernachlässigen und die Welt um sich herum vergessen.<br />

Zumindest solange sie derart gefangen sind, existieren sie nur durch<br />

und für den <strong>Computer</strong>. <strong>Das</strong> sind <strong>Computer</strong>fetischisten, zwanghafte<br />

Programmierer. Sie sind ein internationales Phänomen. » Nachdem ich<br />

diese Beschreibung in Weizenbaums <strong>Buch</strong> (s. Quellen) gelesen hatte,<br />

schaute ich halb erschrocken, halb stolz in die Spiegelwand am Ende<br />

meines Arbeitszimmers.<br />

Ich war zwar frisiert, aber ich hatte die ganze Nacht, statt zu schlafen,<br />

an einem Algorithmus getüftelt, der alle Kombinationsmöglichkeiten<br />

der <strong>Buch</strong>staben eines eingegebenen Worts durchspielt, abzüglich jener<br />

Kombinationen, die entsprechend einer Liste von Regeln der<br />

Wortbildung im Deutschen sinnlos sind; es sollte ein kleines<br />

Werkzeug werden, das mir beim Dichten hilft, ein Anagramm-<br />

Generator. Ich hatte mich eine Weile in dem Gefühl tiefer<br />

Zufriedenheit gesonnt, das die erfolgreiche Formulierung einer Idee in<br />

einer Programmiersprache nach sich zieht, und danach wieder einmal<br />

ein wenig in Weizenbaums <strong>Buch</strong> geblättert. Zum Anagrammieren<br />

hatte ich keine Lust mehr -ich hatte schon gedichtet, indem ich das<br />

Programm geschrieben hatte.<br />

Mitkam wieder <strong>Das</strong> Gesetz in den Sinn-PRIL, mein Private Law-, das<br />

ich mir ein paar Wochen, nachdem der erste <strong>Computer</strong> gekauft war,<br />

selbstauferlegthatte:<br />

hordieserMaschinebistduderWissenschaftlerunddie Laborratte in<br />

einem. Beobachte, auch was dir nichtgefällt, mit offenen Augen. Finde<br />

heraus, ob diese Maschine dich verändert, dein Denken, deine<br />

Gefühle, dein herhalten. Wennja: Versuche zuerkennen, wasgeschieht,<br />

und beschreibe es. DngehörstzuderGeneration,<br />

dieaufgerufenistherauszufinden, was esmit diesen Maschinen auf sich<br />

hat. <strong>Das</strong> kannte ich schon: Wenn mir das PRIL einfiel, war das ein<br />

sicheres Zeichen dafür, daß etwas Ungefälliges zur Erkenntnis anlag.<br />

Diesmal war es die Einsicht, daß die Programmierwut nicht nach einer<br />

einmaligen, monatelangen HochtechnologieHochgefühlsphase<br />

ausklingt, sondern in Zyklen wiederkehrt, für deren Takt ich mich mal<br />

interessieren sollte.<br />

Außerdem mußte ich zur Kenntnis nehmen, daß durch das<br />

Programmieren bisweilen das Mittel zum Zweck wird. Es beginnt mit<br />

einer Idee-zum Beispiel, als Kapitelüberschriften für eine Erzählung,<br />

in der <strong>Computer</strong> eine Rolle spielen, nach hübschen Anagrammen des<br />

Worts « Information» zu suchen -, die zu dem Bedürfnis führt, die<br />

lästige Kombinationsarbeit von der Maschine ausführen zu lassen und<br />

nur noch die Ergebnisse zu bewerten und auszuwählen. Es setzt sich<br />

fort in einer kämpferischen Begegnung mit den Formelsätzen der<br />

algebraischen Kombinatorik und verschiedenen Versuchen, dieselben<br />

zuzüglich eines Filters für unerlaubte Wortbildungen in<br />

algorithmischer Form auszudrücken.<br />

Seite 140<br />

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