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CCC - Das chaos Computer Buch

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<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />

<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />

internationalen Datenverkehr; in der Bundesrepublik gab es vielleicht<br />

gerade fünfzig, die zumeist von <strong>Computer</strong>-Hobbyisten als Freizeitvergnügen<br />

betrieben wurden.<br />

Mit der Telebox wollte die Post ihren Kritikern endlich einmal beweisen,<br />

wie modern sie sein kann - und gleichzeitig auf dem Zukunftsmarkt<br />

<strong>Computer</strong>kommunikation Positionen besetzen. Als<br />

Teilnehmer am Probebetrieb, der zur Hannover-Messe eingeläutet<br />

wurde, konnte man denn auch so illustre Firmen wie Nixdorf, Pepsi<br />

Cola oder die Wirtschaftsauskunftei Schimmelpfeng gewinnen, die<br />

alle für ihre Mitarbeiter elektronische Postfächer mieteten.<br />

Natürlich gab es einige Anlaufschwierigkeiten, aber was soll's -dem<br />

Enthusiasmus, mit dem das Postler-Team aus dem Fernmeldetechnischen<br />

Zentralamt (FTZ) in Darmstadt sein System in Hannover<br />

demonstrierte, taten die keinen Abbruch. Jedoch: Bei den Messe-Vorführungen<br />

haben einige Hacker vom <strong>CCC</strong> ganz genau aufgepaßt und<br />

einem unvorsichtigen Postler dessen Kennung und das persönliche<br />

Paßwort, den Schlüssel zum Mailbox-Fach, abgeluchst. Christian Jonas<br />

hieß der unselige FTZ-Mann, dem die Ehre gebührt, das erste<br />

öffentliche Opfer der Chaos-Hackerei zu sein. Als Paßwort für die<br />

Telebox hatte er übrigens seinen Nachnamen gewählt: Jonas. Typisch<br />

für einen <strong>Computer</strong>benutzer mit schlechtem Gedächtnis.<br />

<strong>Das</strong> nun nicht mehr geheime Paßwort und die (ansonsten nicht öffentliche)<br />

Telefonnummer der Telebox machten in der Szene die<br />

Runde. Ein paar glückliche Wochen lang wurde der Rechner gründlichst<br />

durchgehackt - bis die Postler Wind davon bekamen und den<br />

Zugang sperrten. Da griff Wau zur Hacker-Taktik des «social engineering»,<br />

sehr frei übersetzt «einfühlsames Vorgehen»: Standard Elektrik<br />

Lorenz (SEL) hatte mit der Telebox-Entwicklung zu tun. Deshalb<br />

schöpfte der Postler im Fernmeldetechnischen Zentralamt auch keinen<br />

Verdacht, als eines Tages ein Techniker von SEL anrie f. «Guten Tag,<br />

hier ist Dau von SEL. Uns ist die halbe Paßwort-Datei abgestürzt,<br />

unter anderem auch Ihre unter der Kennung DPB 003. Wir suchen den<br />

Fehler, aber in der Zwischenzeit bräuchten wir von Ihnen ein neues<br />

Paßwort, das wir hilfsweise eingeben können. » - «Nehmen Sie doch<br />

einfach viermal Y», antwortete der FTZler. - «Wird gemacht. Ach<br />

übrigens, wie hieß eigentlich Ihr altes Paßwort?» - «Ste-<br />

fan», kam es prompt zurück, und damit hatten die Freaks vom <strong>CCC</strong><br />

wieder einen gültigen Zugang. Mit «Stefan» gingen sie rein in die<br />

Telebox, trugen das neue Paßwort «YYYY» ein, damit der Postler<br />

keinen Verdacht schöpfte, und stöberten dann ungeniert herum. Der<br />

ahnungslose Postmann änderte einige Zeit später übrigens «YYYY»<br />

wieder, Herr Dau von SEL hatte ja gesagt, es sei nur vorübergehend.<br />

Doch kein Problem für die Hacker-Truppe, das neue Paßwort war<br />

wieder das alte- < Stefan».<br />

Unbemerkt konnten die heimlichen Datenwanderer dann wochenlang<br />

weiterhacken und in den Briefkästen der Teilnehmer manch Erstaunliches<br />

entdecken. «<strong>Das</strong> System schreitet zielgerichtet ins Chaos»,<br />

war zum Beispiel zu lesen. Ein Benutzer erzählte elektronisch Witze:<br />

«Hallo, ist dort die Alkoholiker-Beratungsstelle? Können Sie mir<br />

sagen, ob man zu Gänsebraten Weißwein oder Rotwein trinkt?o Die<br />

Schwarzen Bretter «Kunst» und oKummerkasten» waren notorisch<br />

leer, dafür gab's einen Fragebogen des FTZ für TeleboxTeilnehmer: «<br />

Wie lange nehmen Sie Telebox im Monat schätzungsweise in<br />

Anspruch? Kommen Sie mit der Ablage von Mitteilungen zurecht?<br />

Haben Sie beobachtet, daß Versuche unternommen worden sind, in<br />

Ihre Box unberechtigt einzudringen?» Besonders indiskret war die<br />

Frage: «Gibt es Partner, mit denen Sie regelmäßig verkehren wollen?»<br />

Mögliche Antworten: «Keine, einige, mehrere, viele. »<br />

Irgendwann flog die Sache auf. Welchen Sinn hatte das Herumstöbern<br />

im Telebox-Rechner? Klar, «Menschenrecht auf unbehinderten<br />

und nicht kontrollierbaren Datenaustausch, Freiheit für die Daten» und<br />

so - aber mußte das ausgerechnet mit obskuren Hacks durchgesetzt<br />

werden? Die <strong>CCC</strong>-Hacker räumten ein, daß es ihnen in erster Linie um<br />

den Spaß gegangen sei: «Ein harmloser Scherz, wie ein Klingelstreich,<br />

nur eben per <strong>Computer</strong>». Außerdem sei es natürlich ein gutes Gefühl,<br />

gerade die Post zu ärgern, den verhaßten Gilb mit seinem<br />

Fernmeldemonopol, das nach Hackermeinung nur den technischen<br />

Fortschritt behindere. Hierzulande dürfe man ja noch nicht einmal<br />

<strong>Computer</strong> selbständig Telefonnummern wählen lassen.<br />

Die Post, das Opfer, bemühte sich, nach außen gelassen zu reagie -<br />

ren, damit nicht allzu viel Unruhe unter ihren Kunden aufkam. Im<br />

Probebetrieb sei die Telebox eben eine Baustelle, frei zu besichtigen,<br />

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