CCC - Das chaos Computer Buch
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<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />
<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />
umzukompomeren, bis sie in der grafischen Darstellung sehenswerte<br />
Ergebnisse liefern. Wenn ich in einem <strong>Buch</strong> oder einer Zeitschrift eine<br />
schöne Formel gefunden habe, freue ich mich wie über ein neues,<br />
wohlklingendes Instrument, auf dem ich Musik für die Augen spielen<br />
kann. Eine Programmiersprache ist, um im Bild zu bleiben, etwas wie<br />
ein Orchester-Baukasten, aus dem man sich von der kleinen<br />
KursaalCombo bis zum bombastischen Silicon Symphonic Orchestra<br />
jede Art von Datenklangkörper zusammenstellen kann.<br />
<strong>Computer</strong>benutzer fühlen sich meist einem Indianerstamm zugehörig,<br />
der die jeweils eigene Rechnermarke als Totem verehrt. Anderen<br />
Systemen gegenüber befindet man sich gewöhnlich auf dem<br />
Kriegspfad (A: ? Kriegs). Daß trotzdem viele Programmiersprachen<br />
auf unterschiedlichen Marken gleichermaßen Verwendung finden,<br />
zeigt wieder einmal die über soziale Grenzen hinaus verbindende<br />
Wirkung der Muse: Wo gerechnet wird, da mach dir's ruhig bequem,<br />
böse Menschen haben kein PC-System.<br />
Programmiersprachen wären also die Volksmusik der Datenländler,<br />
allerdings gibt es auch da regionale Variablen und Eigenarten. So ist<br />
mir nach langen Beobachtungen deutlich geworden, daß sich zwischen<br />
der jeweils von Usern bevorzugten Programmiersprache und ihrer<br />
Vorliebe für bestimmte Musikrichtungen in der wirklichen Welt<br />
Verbindungen herstellen lassen.<br />
In BASIC (Beginners All Symbolic Instruction Code) singen sie ihre<br />
Kinderlieder.<br />
Alle meine ENDchen<br />
Schwimmen in dem $tring<br />
Sie sollten zwar was andres tun<br />
Nur krieg ich's noch nicht hing.<br />
Leise Melancholie streift mich, wenn ich an den Verlust meiner<br />
Programmiererunschuld denke, als ich versuchte, ein selbst verfaßtes<br />
BASIC-Programm, das ich schon ein paar Wochen nicht mehr<br />
betrachtet hatte und in dem es zuging wie auf einem codegewordenen<br />
Kindergeburtstag, in einen strukturierten Dialekt zu übertragen. Zwei<br />
Tage lang hüpfte ich mit bunten Filzstiftstrichen Dutzenden von<br />
GOTO-Absprüngen hinterher und versuchte mich verzweifelt daran zu<br />
erinnern, was ich mit diesem oder jenem Variablennamen<br />
(«N=FF*PF-QT») wohl gemeint haben könnte.<br />
LOGO lasse ich weg, weil LOGO auf einem Mißverständnis basiert.<br />
In LOGO codieren nur Neulinge über 35, die irgendwo gehört haben,<br />
daß das eine Programmiersprache für Kinder ist und deshalb glauben,<br />
sie würden da aufjeden Fall durchsteigen.<br />
FORTRAN (Formula Translation Language) ist etwas für anständige<br />
Bürger solide, borniert und langweilig wie deutscher Schlager, im<br />
besten Fall spröde kompliziert wie das dritte Brandenburgische<br />
Konzert von Bach, das sich in meinen Ohren anhört, als würde eine<br />
Drehorgel in Zeitlupe über eine Kellertreppe kollern. Man kann in<br />
FORTRAN Filmkameras in Jupitersonden steuern,<br />
Atombombensimulationen abwickeln und Großrechenanlagen<br />
kleinrechnen, mit einem Wort: FORTRAN ist kein bißchen hip.<br />
COBOL (Commercial and Business Oriented Language) ist fast noch<br />
schlimmer. Wie Marschmusik.<br />
Code in ASSEMBLER ist extrem maschinennah und liest sich wie ein<br />
Gitarrenstück für John McLaughlin, das ein Astrophysiker geschrieben<br />
hatkarg, superfrickelig, irgendwie witzig und konsequent<br />
unverständlich; Tempo: Furioso. Dazu in muskalischer Relation auch:<br />
Burundi-Beat (Tam Tam Tom Tom), Hardcore Punk (Vollgas) oder<br />
Mozart, auf einem alten Plattenspieler mit 78er<br />
Umdrehungsgeschwindigkeit abgespielt.<br />
Darunter gibt es nurnoch die MASCHINENSPRACHE, Prozessor-<br />
Klartext. MASCHINENSPRACHE ist haarsträubend ziseliert wie<br />
Flamenco von Mannas de Plata, pur und direkt wie eine TremoloEtüde<br />
a al «Riqerdos de 1'Alhambras~>. Leute, die zum erstenmal die<br />
Bitmuster in Form endloser hexadezimaler Kolonnen - aus 16 Zeichen<br />
von o-9 und von A-F - sehen, mutmaßen gewöhnlich, es handele sich<br />
um eine Systemstörung oder die Kubikwurzel aus Schillers «Lied von<br />
der Glocke». Angeblich soll es MASCHINENSPRACHE-Freaks<br />
geben, die ab und zu ihren Rechner aufschrauben und versuchen, mit<br />
einem Mikroskop und dieser Art Besteck, das normalerweise<br />
Augenchirurgen verwenden, die Bits von Hand im Prozessor<br />
herumzuschieben.<br />
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