CCC - Das chaos Computer Buch
CCC - Das chaos Computer Buch
CCC - Das chaos Computer Buch
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<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />
<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />
den musste, um meinem gestalterischen Anspruch einigermaßen zu<br />
genügen. Aus viel zu vielen. Es hätte Wochen gedauert, all die<br />
Eckpunkte zu positionieren. Darüber hinaus wurde mir deutlich, dass<br />
Formteile und Linienführung des menschlichen Körpers, so geläufig<br />
oder wohlproportioniert sie dem Auge erscheinen mögen, sich der<br />
euklidischen Geometrie entziehen, wo es nur geht.<br />
Ich ging dazu über, erst einmal übungshalber einen Arm zu<br />
konstruieren. Immer noch zu viele Vielecke. Nebenher, ohne mich von<br />
meiner Polygonzählerei abhalten zu lassen, dachte ich darüber nach,<br />
weshalb es mich nicht ausreichend befriedigte, meinen eigenen,<br />
massiv dreidimensionalen, voll durchgeformten, farbechten, mitsamt<br />
Porentextur und Härchenflaum hochgradig realistisch vorhandenen<br />
Arm zu bewegen, und weshalb ich statt dessen von dem<br />
unbezähmbaren Drang beseelt war, eine motorische Arm-Simulation<br />
im <strong>Computer</strong> aufzubauen. Ich kam zu keinem Ergebnis und reduzierte<br />
meinen Konstruktionsansatz auf eine Hand.<br />
Die Hand war zwar, was die Anzahl der Eckpunkte betraf, an einem<br />
Nachmittag zu erstellen, dafür tauchten aber neue Fragen auf. Der<br />
Versuch, ein kleines Teil der Natur im <strong>Computer</strong> nachzubilden- auch<br />
wenn es nur ein animiertes Modell aus unendlich dünnen Polygonen<br />
sein sollte-, zog nach sich, dass ich mir bis ins kleinste über die<br />
Funktionen des Teils Klarheit verschaffen musste. Ich studierte eine<br />
Stunde lang abwechselnd meine rechte und meine linke Hand und<br />
deren Bewegungen, um herauszufinden, welche Drehachsen an jenen<br />
Stellen durch die grafische Hand zu legen waren, an denen in der<br />
wirklichen Hand die Gelenke sitzen. Ich machte mir bewusst, dass<br />
jeder Finger bestimmte Bewegungsfreiheiten hat; man kann einen<br />
Finger z. B. nur bis zu einem gewissen Grad nach hinten oder zur Seite<br />
biegen.<br />
Am nächsten Nachmittag befasste ich mich in den ersten zwei Stunden<br />
mit der Motorik meines rechten Daumens. Anschließend gab ich mich<br />
Überlegungen hin, wie man den Muskelzug mathematisch möglichst<br />
unaufwendig beschreiben könnte, da ein Finger ja nicht als gerade<br />
Linie umklappt, sondern sich seine Glieder unterschiedlich weit<br />
krümmen. Ich hatte einen zigarettenschachtelhohen Stapel Papier mit<br />
Verlaufsmodellen, Krümmungsfunktionen und Programmieransätzen<br />
vollgekritzelt.<br />
Anderntags ging ich von der Hand auf einen Finger runter. Es wäre ein<br />
schöner Traum gewesen, eine realistisch gezeichnete Hand am<br />
Bildschirm zu sehen, die sich langsam zur Faust ballt. Leider hatte ich<br />
über Beobachtungen wie Hautdehnung, Verformbarkeit des<br />
Muskelfleischs und Faltenbildung den Eindruck gewonnen, daß der<br />
dazu nötige Algorithmus an den Aufwand zur Berechnung einer<br />
vereinheitlichten Feldtheorie der Naturkräfte heranreichen würde.<br />
Ich programmierte so etwas wie einen Finger. Er bestand aus drei als<br />
durchsichtige Drahtgitter dargestellten Quaderklötzchen und zwei<br />
Drehachsen für die Gelenke. Nach einer Weile krümmten sich die drei<br />
Klötzchen zum erstenmal, ein wenig steif vielleicht, aber ich freute<br />
mich. Was ich mir wirklich erarbeitet hatte, war nicht der Drahtfinger,<br />
sondern ein profunder Respekt vor der Natur, nicht zuletzt vor meinen<br />
eigenen Händen.<br />
RUNba, FoxTRON, POKE'n'Roll<br />
Music of the Silicontinent<br />
«In meiner Jugend las ich Modern Electrics, und die neuen Mittel der<br />
drahtlosen Kommunikation nahmen meine Jünglingsphantasie<br />
gefangen. Nachdem ich meinen ersten Radioapparat<br />
zusammengebastelt hatte, war ich hocherfreut, als ich tatsächlich<br />
Botschaften von nahegelegenen Stationen empfing, und ich fuhr fort,<br />
mit neuen Geräten und Anschlüssen zu experimentieren, um noch<br />
lautere Botschaften von weiter entfernten Sendestationen zu<br />
empfangen. Aber ich machte mir nie die Mühe, das Morsealphabet zu<br />
lernen oder zu verstehen, was ich da hörte. »<br />
Lewis Mumford<br />
Viele Menschen stellen sich <strong>Computer</strong>codes als ein Mysterium vor,<br />
kryptischer als Zwölftonmusik, komplizierter als Börsennotierungen<br />
und außerdem irgendwie streng logisch, also dem natürlichen Denken<br />
völlig zuwiderlaufend. Obwohl in den Aufbaujahren der<br />
<strong>Computer</strong>ei die Leute bei IBM großen Wert darauf gelegt haben, die<br />
Undurchsichtigkeit des Codes zu optimieren (« Aufwärtskompatibi-<br />
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