CCC - Das chaos Computer Buch
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<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />
<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />
Große Strömungen<br />
Licht, Feuer, Strom<br />
« Die Verbindung von Körperlichem und Unkörperlichern ist aber<br />
ein Rätsel, da keine unmittelbare Einwirkung des einen auf das andere<br />
stattfinden kann. Diese Einwirkung kann nur durch die Vermittlung<br />
eines Dritten geschehen, nämlich durch das Licht einerseits<br />
und die Seele (animus) andererseits, da diese die beiden<br />
Wesenheiten sind, die sowohl körperlich als auch unkörperlich<br />
vorkommen. <strong>Das</strong> Licht ist die universelle bindende Naturkraft. »<br />
Franciscus Patritius, 1529-1597<br />
Die Leuchtfeuer der alten Küste versinken hinter dem Horizont, und<br />
unter dem Glanz der elektronischen Sterne geht die Fahrt ins Neue:<br />
Was mich am Programmieren und auch am Schreiben mit einer Textverarbeitung<br />
von Anfang an fasziniert hat, war das Licht. Es gibt<br />
Menschen, denen es schwer fällt, sich von der Schreibmaschine auf<br />
einen <strong>Computer</strong> umzustellen. Ihnen fehlt das Stoffliche, der Anschlagpatsch<br />
des Typenhebels auf dem Papier, die Schweinereien mit<br />
Tipp-Ex, Kleber und Schere.<br />
Autoren arbeiten seit jeher am Rand des Materiellen, mit einem<br />
hauchdünnen bisschen Papier und den farbbandschwarzen Abdrücken<br />
der <strong>Buch</strong>staben darauf. Die Sprache, das eigentliche Material, ist<br />
stofflos. Für mich bedeutet das Schreiben am <strong>Computer</strong> nun ein angemesseneres<br />
Arbeiten. Jetzt kann ich sagen: Meine Tinte ist das Licht.<br />
Ich stelle den Bildschirm stets so ein, dass ich mit weißen <strong>Buch</strong>staben<br />
auf schwarzem Hintergrund schreibe. So machen die Zeichen deutlich,<br />
dass sie Zeichen sind: sie erscheinen luzid, unberührbar und flüchtig.<br />
Der Text zeigt sich rein.<br />
Die Freude am Leuchtenden regt meine Phantasie an und bewirkt,<br />
dass ich die Maschine in immer neuem Licht sehe. Sie wird metaphorisch.<br />
Derart verwandelt sich der <strong>Computer</strong> für mich in ein poetisches<br />
Erkenntnis-Instrument. Bereits das weiche Aufleuchten des Monitors<br />
beim Booten kann ich dann als eine Parodie wahrnehmen: «Technisches<br />
Modell eines Sonnenaufgangs ohne Farben»; fiat pix. Dieser andere<br />
Blick hält schon ein einzelnes Pixel (Picture Element), einen<br />
Leuchtpunkt am Bildschirm fest als Polarstern, der mir bei der Kurs-<br />
bestimmung hilft: Woher kommt, wohin führt mich die Faszination<br />
an dieser gläsernen Bildschirm-Oberfläche, an der sich so vieles trifft,<br />
spiegelt und reflektiert? Wie kommt es, dass sie mir einmal als<br />
Meeresoberfläche erscheint, durchscheinend bis hinunter auf eine<br />
leuchtende Tiefseefauna von Symbolen, und dann wieder als<br />
Ausschnitt eines Firmaments, über das Stern-Zeichen scrollen und<br />
grafische Meteore huschen? Wo ist oben, wo ist unten?<br />
Und immer wieder wird der Rechner auf meinem mit Blumen,<br />
Dosen, bunten Stiften und Papieren vollgeräumten Schreibtisch zur<br />
Feuerstelle. Seit der Vorzeit winkte dem Menschen aus dem gezähmten<br />
Feuer die Verheißung, dem Ursprung des Lichts, das von der<br />
Sonne und den Sternen so götterweit entfernt ist, näher und näher zu<br />
kommen. Feuer ist der Flugplatz der Materie, ein Ort der Transformation.<br />
Die Flammen sind die Flügel der im Feuer verwandelten<br />
Stoffe, die aufsteigen als Vögel aus Licht und Hitze.<br />
Ich sehe einen Menschen vor dem Feuer sitzen, tief in der Nacht der<br />
Zeiten, Jahrzehntausende vor der Schrift, und ich sehe mich vor dem<br />
Bildschirm sitzen, dem Lagerfeuer des zwanzigsten Jahrhunderts, und<br />
frage mich: Was hat sich seither verändert, außer dass ich Hosen<br />
anhabe? Ich sehe den Monitor und muss an den Karfunkel denken, den<br />
Stein der Alchemie, der aus eigener Kraft im Dunkeln leuchtet. Ich<br />
sehe den Bildschirm, auf den mir das Licht Nachrichten aus den internationalen<br />
Datennetzen schreibt, und erinnere mich an den «Weltenspiegel»<br />
Alexanders des Großen, «worin er mit einem Blicke alle Geheimnisse<br />
und Pläne seiner Feinde durchschaute».<br />
Muss man sich wundern, wenn Friedrich Kittler behauptet, der<br />
<strong>Computer</strong> werde < den Begriff der einkassieren und zum<br />
Medium schlechthin» werden? Muss man nicht vielmehr anfügen, dass<br />
der <strong>Computer</strong> älteste wie jüngste Mythen und Phantasien einkassiert<br />
und sich auflädt zu einem gespenstischen Mega-Mythos? Oder hatte<br />
Marshal McLuhan den schärferen Blick, indem er nicht den <strong>Computer</strong>,<br />
sondern das Licht als das absolute Medium sah? «Elektrisches Licht<br />
ist reine Information. Es ist gewissermaßen ein Medium ohne<br />
Botschaft, wenn es nicht gerade dazu verwendet wird, einen Werbetext<br />
<strong>Buch</strong>stabe um <strong>Buch</strong>stabe auszustrahlen. [...] Die Botschaft des<br />
elektrischen Lichts wirkt wie die Botschaft der elektrischen Energie in<br />
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