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CCC - Das chaos Computer Buch

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<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />

<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />

Wir einigten uns darauf, diese Frage zu vertagen. <strong>Das</strong> Gespräch<br />

endete, und ich war völlig verstört. Was ist denn jetzt wieder explodiert?»<br />

fragte ich mich. Ich rief in den Clubräumen an. Carsten war am<br />

Telefon, ein netter Mensch, der nette, kleine Programme bastelt und<br />

dazu gern den clubeigenen Rechner benutzt.<br />

«Ja», antwortete er auf meine Frage, ob er wisse, was denn los wäre,<br />

«hier hat's eine Durchsuchung gegeben. Bei Wau und Steffen auch.<br />

Sie haben eine Menge Zeug beschlagnahmt. »<br />

Jacke an, Auto. Ich fuhr zu Steffen. Jemand, den ich noch nie gesehen<br />

hatte, öffnete, und durch den Türspalt fiel Scheinwerferlicht auf<br />

mein Gesicht. Es musste mindestens eine halbe Hundertschaft Journalisten<br />

sein, die sich in dem kleinen Arbeitszimmer drängte.<br />

«Gut, dass du kommst» , sagte Steffen trocken, «du kannst mal Kaffee<br />

kochen und dich dann um die Telefone kümmern. Wau ist gerade<br />

im Studio, kommt aber demnächst wieder. »<br />

Gewöhnlich lasse ich mich von Steffen nicht rumkommandieren,<br />

aber ungewöhnliche Situationen erfordern flexible Reaktionen. Ich<br />

kannte ihn auch gut genug, um zwischen Hegemonieansprüchen und<br />

im gleichen Tonfall vorgebrachten Hilferufen unterscheiden zu können.<br />

Während Steffen die Neugier der Journalisten befriedigte, erfuhr<br />

ich nach und nach, was eigentlich geschehen war.<br />

Mehr als dreißig Beamte waren eingesetzt, um diese angeblichen Verstöße<br />

gegen geltendes deutsches Recht zu ahnden. Im Zuge der Aktion<br />

wurde umfangreiches Material sichergestellt, darunter auch das<br />

Redaktionssystem des <strong>CCC</strong>-Bildschirmtext-Dienstes, eine Festplatte,<br />

Hunderte von Disketten und Magnetbändern sowie Papierdokumente.<br />

Wir hatten damit gerechnet, dass die Behörden auf Grund der<br />

NASA-Sache aktiv werden würden. Womit wir nicht gerechnet hatten,<br />

war, dass sich die Aktivitäten gegen uns richten würden. Anstatt die<br />

Digital Equipment Corporation wegen Schlamperei zur Rechenschaft<br />

zu ziehen, wurden nun diejenigen ins Visier genommen, die den<br />

Pfusch öffentlich gemacht hatten. Pikanterweise wussten wir zum<br />

Zeitpunkt des NASA-Hacks noch nicht einmal, dass Philips überhaupt<br />

DEC-Rechner verwendet und ein Forschungszentrum in Frankreich<br />

unterhält. Und CERN - ach ja, CERN. Welcher Hacker kennt CERN<br />

denn nicht? CERN ist so etwas wie die Fahrschule der Hacker; ein Ort,<br />

der einen gastlich willkommen heißt und einem hilft, Erfahrungen zu<br />

sammeln. CERN hat sich die Hacker Anfang der achtziger Jahre<br />

eingefangen und ist sie seither nicht wieder losgeworden. Wir hatten<br />

eigentlich gedacht, man hätte dort seine Lektion in Sachen<br />

Hackerethik längst gelernt . . .<br />

Fremde in der Nacht<br />

Pünktlich um 19 Uhr klingelten am 28.9.1987 Beamte des Wiesbadener<br />

Bundeskriminalamts, unterstützt von hamburgischen und französischen<br />

Beamten, gleichzeitig an den Wohnungstüren von Wau<br />

Holland und Steffen Wernery. Sie hatten Durchsuchungsbeschlüsse<br />

bei sich, die sie ermächtigten, die Wohn- und Geschäftsräume beider<br />

Personen zu durchsuchen. Anlass für diese Aktion war der Vorwurf,<br />

diese hätten gemeinsam mit «noch nicht näher bekannten» Personen<br />

Rechnersysteme der Firma Philips in Frankreich und des Europäischen<br />

Kernforschungszentrums CERN in der Schweiz geplündert und dort<br />

Daten sowohl ausgespäht als auch verändert oder gelöscht.<br />

The show must go an<br />

Nach Aussagen von Beamten hatte das BKA fast ein Jahr gewartet und<br />

sich auf die Stunde Null vorbereitet. Aber wie immer, wenn eine<br />

Sache besonders sorgfältig geplant wird, geht etwas schief - in diesem<br />

Fall glücklicherweise. Der Mitbewohner Steffens verließ die Eppendorfer<br />

Wohnung just in dem Moment, als die Beamten sich anschickten,<br />

mit der Durchsuchung zu beginnen. Er alarmierte einen Journalisten,<br />

von dem er wusste, dass er oft in einer Kneipe um die Ecke<br />

sitzt, und nach kurzer Zeit erschien ein TV-Team und nutzte die<br />

seltene Gelegenheit, die Durchsuchung vom gegenüberliegenden<br />

Balkon aus zu filmen. Noch während die Beamten die Wohnung<br />

durchstöberten,<br />

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