03.11.2014 Aufrufe

CCC - Das chaos Computer Buch

CCC - Das chaos Computer Buch

CCC - Das chaos Computer Buch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />

<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />

Eruption<br />

Am Dienstag den 15. September, gegen 11.00 Uhr lief die ausführliche<br />

Hauptmeldung über die Agentur-Netze. Nachdem ich gegen 14.00 Uhr<br />

noch relativ gesund in die Clubräume gekommen war, wurde dieser<br />

Dienstag auch für mich zu einem brachialen Stress-Tag. Der am<br />

Vortag installierte Anrufbeantworter gab schon Rauchzeichen, die<br />

Telefone klingelten ununterbrochen. Gott und die Welt wollten genaue<br />

Informationen über den NASA-Hack. Ich schaffte es, trotz<br />

unausgesetzten Telefonierens einigermaßen ruhig zu bleiben, bis mir<br />

ein Glas Cola ins Terminal kippte, während ich einem Journalisten der<br />

Morgenpost weiterzuhelfen versuchte. Es brutzelte ein wenig, und<br />

kleine Rauchschwaden stiegen aus dem Gerät auf. Glücklicherweise<br />

konnte ich gerade noch rechtzeitig den Stecker ziehen.<br />

Die erste Panik-Welle schwappte bis in den Abend hinein. Als dann<br />

allmählich die noch uninformierten Co-Chaoten und andere, die über<br />

die Situation nicht im Bild waren, zum Club-Treffen kamen, entwic -<br />

kelten sich die Gespräche wirrer als je zuvor. Die herrschende Atmosphäre<br />

war uns vollkommen neu. Während der Fernseher von oben<br />

herab die Hack-Meldung in einer Nachrichtensendung lieferte und aus<br />

dem Radio ein Live-Interview mit Steffen Wernery tönte, musste ich<br />

einem etwas geplätteten Neuling auseinandersetzen, dass ich mich<br />

sofort um ihn kümmern würde, wenn ich die Washington Post am Telefon<br />

abgefertigt hätte. Der Neuling arbeitet inzwischen übrigens rege<br />

in unserem inneren Kreis mit. <strong>Das</strong> erste, was er an diesem Tag sagte,<br />

war: «Hier gefällt's mir. Ich weiß zwar noch nicht genau, worum es<br />

geht, aber es ist mal was anderes . . . »<br />

Abends komprimierte sich dann die Club-Besatzung vor dem<br />

Fernseher, um zu der «Panorama»-Sendung ein paar Croques zu essen.<br />

Für viele war das die erste Mahlzeit an diesem Tag. Später sollte<br />

sich herausstellen, dass wir nicht die einzigen waren, die zur Nachtzeit<br />

noch mit dem NASA-Hack beschäftigt waren. Auch ein Hamburger<br />

Staatsanwalt begann, allerdings aus einer anderen Perspektive,<br />

sich Gedanken über Hacker und den Chaos <strong>Computer</strong> Club zu<br />

machen.<br />

Lava<br />

Nachdem die betroffenen Hacker die Situation und deren Gefahr erkannt<br />

hatten, wandten sie sich an den Hamburger Chaos <strong>Computer</strong> Club e. V. (<strong>CCC</strong>).<br />

Dieser hatte bereits in der Vergangenheit vertrauliche Kontakte zwischen<br />

Hackern und betroffenen Rechnerbetreibern vermittelt, um Schäden und<br />

mögliche Gefährdungen der Integrität der jeweiligen Rechnersysteme zu<br />

entschärfen und eine öffentliche Diskreditierung der Rechnerbetreiber wie<br />

auch eine Kriminalisierung der Hacker zu vermeiden. Die Erfahrungen bei der<br />

Thematisierung privater Verbraucherinteressen beim Btx-Coup von 1984<br />

zeigen, dass es außerordentlich schwierig ist, komplexe technische<br />

Sachverhalte - und sei es nur einer Fachöffentlichkeit - unmissverständlich zu<br />

erläutern.<br />

Gleichwohl bemüht sich der <strong>CCC</strong> bei derartigen Hackeraktionen im<br />

Wissenschaftsbereich und betroffener Industrie sowie bei Anwendungen der<br />

militärischen Forschung um verantwortliche Darstellung und Vermittlung. Die<br />

derzeit verbreiteten Informationen des Systemherstellers entschärfen das<br />

Problem nur teilweise. Um die betroffenen Sy steme wieder zu sichern, genügt<br />

es keinesfalls, das vom Hersteller vertriebene Sicherungsprogramm<br />

einzuarbeiten. Die Systeme müssen zudem von den Trojanischen Pferden<br />

befreit werden.<br />

Der Tag danach<br />

Der Dienstag war noch voll Ungewissheit gewesen, in welche Richtung<br />

die öffentliche Meinung pendeln würde. Am Mittwoch gab es<br />

nichts mehr als harte Arbeit. In Steffens Wohnung in der Eppendorfer<br />

Landstraße, die zum provisorischen Informationszentrum umfunktioniert<br />

worden war, läuteten alle drei Telefone Sturm, dazu<br />

schnarrte kontrapunktisch die Türklingel. Rundfunkleute, Fernsehteams,<br />

einzelne Reporter, Nachrichtenjournalisten und Lokalredakteure<br />

drängelten sich in den Zimmern. Der Monitor eines unbenutzten<br />

<strong>Computer</strong>s war binnen kürzester Zeit zugeklebt mit kleinen gelben<br />

Haftzetteln, auf denen Interview-Termine vermerkt wurden. Zeitweilig<br />

hatten wir im Arbeitszimmer drei Telefoninterviews gleichzeitig<br />

Seite 44<br />

Seite 45

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!