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CCC - Das chaos Computer Buch

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<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />

<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />

Die Erde bebt<br />

Die Warnmeldung Ommonds war Anlass, den engsten <strong>CCC</strong>-Kreis<br />

sofort zu informieren, um erst einmal das Ausmaß der Katastrophe zu<br />

besprechen. Wir versuchten, die Folgen einzuschätzen, die das Schreiben<br />

nach sich ziehen würde. Die Veröffentlichung eines solches Briefs<br />

wäre nicht weiter schlimm gewesen, hätte der Brief nicht die Namen<br />

zweier Netzwerkteilnehmer enthalten, die Roy Ommond als mutmaßliche<br />

Hacker beschuldigte. Überdies ließ er keine Zweifel daran,<br />

wie sie zu disziplinieren seien (« . . . and in my opinion are to be<br />

considered along with the lowest dregs of society... in the hope, someone.<br />

. . might perform physical violence on them »).<br />

Der Stil Ommonds wäre Grund genug gewesen, das Schreiben zu<br />

veröffentlichen. Für uns ging es aber in erster Linie darum, die beiden<br />

Personen (und weitere) zu schützen. Im Kreis der Betroffenen und der<br />

Clubleitung wurde daher über das weitere Vorgehen beraten. Wir kamen<br />

zu der Entscheidung, so wenig Öffentlichkeit wie möglich herzustellen,<br />

es sei denn, die Umstände verlangten mehr. Weder durften die<br />

Hacker kriminalisiert noch die betroffenen Systembetreiber diskreditiert<br />

werden. Vorsichtig wurden Maßnahmen zur Schadensbegrenzung<br />

eingeleitet. Wir versuchten eine Veröffentlichung zu verhindern, so<br />

lange es möglich war, um alle Beteiligten zu schützen.<br />

Tanz auf dem Vulkan<br />

Manchmal hilft auch die sorgfältigste Planung nichts. Ein Agenturjournalist,<br />

mit dem wir bereits früher zu tun gehabt hatten, wurde auf<br />

Ommonds Meldung aufmerksam und begann zu recherchieren. Zuerst<br />

schien es, als könnten wir die Sache im Sande verlaufen lassen, aber<br />

wir täuschten uns. Er hatte Blut geleckt und folgte seinemjagdinstinkt.<br />

Welcherjournalist würde sich eine solche Geschichte schon gern<br />

entgehen lassen? Am Dienstag, dem 8. September, wurden wir uns im<br />

inneren Kreis des Clubs darüber klar, daß eine Veröffentlichung nicht<br />

mehr zu verhindern war. Der BitBang kündigte sich an. Wir taten gut<br />

daran,<br />

uns nun voll auf die bevorstehende Pressearbeit zu konzentrieren. Die<br />

Erfahrungen der Vergangenheit hatten uns gelehrt, daß es sehr schwie -<br />

rig ist, falsche Pressemeldungen richtigzustellen, wenn sie erst einmal<br />

gedruckt sind. Diesmal wollten wir unsere Informationen unmißverständlich<br />

verbreiten.<br />

Im <strong>CCC</strong> gibt es einen Begriff für das hektische Treiben, das<br />

einsetzt, wenn eine unvorhergesehene Lage zu meistern ist:<br />

Panikmanagement. Es ist dem Versuch gleichzusetzen, möglichst viele<br />

Interessen unter einen Hut zu bekommen. <strong>Das</strong> Eindringen der Hacker<br />

in das SPANNET, der bis dato größte anzunehmende Störfall, zwang<br />

uns zu Oberlegungen und Schritten, an die wir vorher nie ernstlich<br />

gedacht hatten.<br />

Auf der einen Seite lagen die Interessen der Hacker. Information<br />

und alles, was dir helfen kann, diese Welt zu verstehen, soll frei und<br />

uneingeschränkt zugänglich sein - so lautet eine der Maximen der<br />

Hackerethik, und nichts von dem, was wir tun konnten oder mußten,<br />

durfte diesen Kernsatz einschränken. Die NASA-Hacker folgten<br />

diesem Leitsatz, wann immer sie im globalen Dorf spazierengingen,<br />

egal in welchen Rechnerverbünden sie das taten. Jeder falsche Schritt<br />

unsererseits konnte das Aus für eine ganze Reihe von<br />

Hackertätigkeiten bedeuten.<br />

Andererseits waren da weit über einhundert über die ganze Welt<br />

verstreute <strong>Computer</strong>, von denen nur bekannt war, daß sie anfällig für<br />

Einbruchsversuche waren. Jeder, der sich ein wenig mit diesen Geräten<br />

auskannte, war nun durch die übereilte Meldung Ommonds in der<br />

Lage, sich selbst einen Weg durch das große Tor zu bahnen, das der<br />

Betriebssystemfehler aufgetan hatte. Die wissenschaftlichen Daten fast<br />

aller bedeutenden Forschungsinstitute der Hochenergiephysik, der<br />

Kernphysik und der Raumfahrttechnik waren damit praktisch jedermann<br />

zugänglich. Und jedermann bedeutete in diesem Zusammenhang<br />

auch dem KGB-Agenten, der sich in das bundesdeutsche<br />

Fernsprechnetz einwählt; auch dem Industriespion, der kostengünstig<br />

Know-how abziehen wollte. Plötzlich waren es nicht mehr nur die<br />

autorisierten Benutzer und die Hacker, die Zugriff zum System hatten,<br />

sondern der Kreis der potentiellen Mitbenutzer konnte sich ständig und<br />

unkontrolliert erweitern.<br />

Es war gerade dieser Grundkonflikt, der es so schwierig machte,<br />

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