CCC - Das chaos Computer Buch
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<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />
<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />
zweck war, bot MCS die Möglichkeit, einem der anderen hundert oder<br />
zweihundert Benutzer eine Nachricht zukommen zu lassen, oder aber<br />
seine Ergüsse an einem elektronischen schwarzen Brett auf die<br />
Allgemeinheit loszulassen. «Warum schreibt mir den keiner 'ne<br />
PME?» und «Kilroy was here» waren typische Nachrichten in diesen<br />
Tagen, nur hin und wieder von inhaltlichen Beiträgen unterbrochen.<br />
Aber, und nur das ist letztlich wichtig, MCS war eine der ersten<br />
Mailboxen, die es ermöglichte, sich unabhängig von den bestehenden<br />
Netzen zu machen, eine eigene DFÜ-Subkultur zu entwickeln. Ich<br />
nutzte diese Möglichkeit täglich, wann immer es ging.<br />
Irgendwie kam ich im Herbst 1984 zu einem zweiten Rechner,<br />
ebenfalls einem C64. Er stand zunächst nur herum und hüllte sich in<br />
Staub und Nutzlosigkeit. <strong>Das</strong> Schicksal wollte es, daß mein Interesse<br />
an MCS auch wieder erlahmte, einfach weil es zu wenig Inhaltliches<br />
gab, das meine Neugier weckte oder meine Phantasie anregte, und<br />
weil beinahe täglich neue Dinge ins Programm kamen, die man sich<br />
merken mußte, wollte man dabeibleiben. Hinzu kam die ständig<br />
wachsende Zahl der Benutzer, die es sehr oft unmöglich machte, zu<br />
vernünftigen Zeiten in die Mailbox zu kommen, was einem<br />
gestandenen Hacker zwar nichts ausmacht, aber doch lästig ist, wenn<br />
man morgens um sechs aufstehen und arbeiten muß. Andere Benutzer<br />
hatten das auch erkannt, und der große Mailboxboom in Hamburg<br />
begann. Denn die Folge der Unzufriedenheit war, es besser zu machen.<br />
Ich besorgte mir also das Programm der MCS-Mailbox, bastelte eine<br />
Apparatur, die den Telefonapparat bediente, und machte meine eigene<br />
Mailbox auf.<br />
Daß ich auf zwei <strong>Computer</strong> zugreifen konnte, war eine der idealen<br />
Startbedingungen für die eigene Mailbox. Im Gegensatz zu den<br />
meisten anderen Betreibern, die ihren einzigen <strong>Computer</strong><br />
zweckentfremdeten, war ich in der Lage, die Dienste der Mailbox von<br />
Anfang an rund um die Uhr anzubieten, wenn man von kleinen Pausen<br />
zwecks Eigennutzung des einzigen Telefonanschlusses mal absieht.<br />
In den ersten drei Monaten lief nur ein inoffizieller Probebetrieb.<br />
Die Rufnummer war nur guten Freunden bekannt, die das Programm<br />
auf Herz und Nieren testen sollten. Große Fehler waren nicht zu<br />
erwarten, so dachte ich, da das Programm ja schon mehrfach von ande<br />
ren Betreibern eingesetzt wurde. <strong>Das</strong> dies ein Irrtum war, stellte sich<br />
erst im Laufe der Zeit heraus, als ein versteckter Fehler nach dem<br />
anderen zutage trat. Mir wurde klar, daß kein Programm fehlerfrei ist<br />
und daß die Wahrscheinlichkeit, schwerwiegende Fehler vor ihrem<br />
Auftreten zu entdecken, umgekehrt proportional zu dem Schaden ist,<br />
den sie anrichten. Wohl in keinem anderen Bereich werden einem<br />
Murphy's Gesetze so deutlich bewußt wie beim Umgang mit dem<br />
<strong>Computer</strong>.<br />
Schließlich mußte auch noch ein sinnreicher Name gefunden<br />
werden, der sich einprägsam abkürzen ließ, genau wie MCS, RAM<br />
und wie sie alle heißen. Da ich wenige Jahre zuvor bei einer<br />
Rockgruppe namens Goblin mitgemischt und diesen Namen später als<br />
Pseudonym für meine Datenreisen benutzt hatte, lag es nahe, auch für<br />
die Mailbox einen Namen aus diesem Bereich zu wählen. Nach drei<br />
Flaschen Bier und wehmütigem Hineinhorchen in alte Aufnahmen der<br />
Band war es dann sonnenklar: CLINCH sollte das Projekt heißen, ein<br />
Kürzel, das eine gewisse Eigendynamik entwickelt und Assoziationen<br />
weckt. Nur - für was um alles in der Welt ist das eine Abkürzung?<br />
Etliche Biere später hatte ich dann endlich einen Anglizismus<br />
ausgebrütet, der sich passend abkürzen ließ: Communication Link-<br />
Information Network <strong>Computer</strong> Hamburg. Ein hochtrabender Name,<br />
der keinesfalls mit der Realität übereinstimmte, die in Gestalt eines<br />
C64 vor sich hin dümpelte.<br />
Nun, die Netze entstehen in den Köpfen, und eines Tages wagte ich<br />
den großen Schritt: Die Rufnummer der Box wurde auffällig<br />
unauffällig in einer anderen Hamburger Mailbox plaziert, und ich<br />
wartete gespannt auf das, was kommen sollte. Die Stunden verrannen,<br />
und nichts geschah. Nicht ein Anrufer verirrte sich in meinen<br />
<strong>Computer</strong>. Verzweiflung machte sich breit. Später begann es zu<br />
dämmern. Ich warf die Lacklederkutte über und ging zur nahen<br />
Telefonzelle. Der Kontrollanruf bei mir selbst ergab, daß offenkundig<br />
doch jemand angerufen hatte, natürlich just in dem Moment, als ich<br />
auf dem Weg zur Zelle war. Also flugs zurück in die heimische<br />
Wohnung, drei Stufen auf einmal nehmend, die Türe aufgeschlossen,<br />
ein Blick auf den Monitor und - Ratlosigkeit. Der Rechner wartete<br />
nach wie vor stoisch auf den ersten Anrufer.<br />
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