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CCC - Das chaos Computer Buch

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<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />

<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />

wie Floppy-Laufwerke und Drucker anzuschließen. 1400 DM kostete<br />

der Commodore 64 damals, unerhört preiswert, wenn man die neuen<br />

Möglichkeiten mit dem Marktstandard verglich. Im Gegensatz zu<br />

anderen Maschinen, die vielleicht mehr freien Speicher hatten oder<br />

schneller waren, hatte der C64 den Vorteil, eine wirklich offene<br />

Maschine zu sein, die sich mit vergleichsweise geringem Aufwand<br />

auch für Dinge nutzen ließ, an die wohl nicht einmal der Hersteller<br />

gedacht hat. Dies zeigt sich auch daran, daß dieser Rechner nunmehr<br />

im sechsten Jahr steht und millionenfache Verbreitung gefunden hat.<br />

<strong>Das</strong> Angebot an Programmen ist schier unübersehbar geworden,<br />

wenngleich auch der Schwerpunkt bei den <strong>Computer</strong>spielen<br />

anzusiedeln ist, weniger bei Gebrauchssoftware.<br />

<strong>Das</strong> Interesse am C64 hielt zwei Jahre und flachte dann ab.<br />

Irgendwie war es unbefriedigend, immer wieder irgendwelche Spiele<br />

zu spielen oder sich mit einem unzulänglichen Textprogramm<br />

herumzuärgern. Die unvermeidliche Erkenntnis, daß man seine private<br />

Adressenliste doch besser mittels eines Notizbuches führte, statt mit<br />

dem <strong>Computer</strong>, der erschreckend unrationell war, wenn man drei<br />

Minuten auf eine Ausgabe warten mußte, die man auch binnen<br />

Sekunden hätte nachschlagen können, tötet jede Euphorie. Die Tage,<br />

an denen die Kiste ausgeschaltet blieb, mehrten sich, und im Frühjahr<br />

1984 war alles zum Stillstand gekommen. Die Situation war ähnlich<br />

wie bei einer vom Bankrott bedrohten Firma: Mit dem vorhandenen<br />

Material war nichts mehr anzufangen, trotzdem stellte es einen Wert<br />

dar, der zu nutzen war. Logische Konsequenz: entweder weiter<br />

investieren oder alles als Verlust abschreiben. Da traf es sich gut, daß<br />

die Post nach langem Hin und Her endlich die Erlaubnis erteilt hatte,<br />

Geräte zur nichtöffentlichen bewegten Datenübertragung zu benutzen,<br />

die sogenannten Akustikkoppler, die zu Preisen um l000 DM den<br />

Einstieg ins Weltdatennetz anboten.<br />

Epson CX21 hieß der Schlüssel zum globalen Dorf, und war ein<br />

unscheinbares, kantiges Etwas, das sich standhaft weigerte, etwas anderes<br />

als den Hörer einer grauen Maus, wie der Fernsprechtischapparat<br />

612 gern genannt wird, zu akzeptieren. Dieses Gerät setzte die<br />

Zeichen, die der <strong>Computer</strong> von sich gab, in hörbare Töne um und<br />

konnte entsprechende Töne eines anderen <strong>Computer</strong>s wieder in ein<br />

maschinenkonformes Format umsetzen. Die Faszination dieser eher<br />

profanen Maschine lag darin, daß es plötzlich gleichgültig war,<br />

welchen <strong>Computer</strong> man benutzte, ob am anderen Ende des Drahtes ein<br />

Homecomputer oder ein Großrechner stand und wo dieser fremde<br />

Rechner stand. Japan, Amerika, Afrika- das alles schrumpfte zu mehr<br />

oder weniger langen Vorwahlen, und im heimischen Wohnzimmer<br />

gaben sich Leute ein Stelldichein im grünen Schimmer ihrer Monitore,<br />

ohne sich jemals von Angesicht zu Angesicht gesehen zu haben. Selbst<br />

bei der besten interkontinentalen Sprechverbindung ist man sich<br />

immer der Entfernung zum Gesprächspartner bewußt, so typisch sind<br />

die Laufzeiten der Signale, das Rauschen transatlantischer<br />

Tiefseekabel und das Echo ferner Satelliten. Beim Gespräch von<br />

Tastatur zu Tastatur entfallen diese Merkmale, es gibt keine Hinweise<br />

mehr auf die Entfernung zwischen den Stationen, und Meldungen wie<br />

sind bloße Zeichen auf dem Schirm ohne<br />

weitere Bedeutung. Die Sprache der <strong>Computer</strong> ist Englisch, und das ist<br />

auch die Sprache, die man überall im globalen Dorf versteht. Um so<br />

größer ist dann die Überraschung, wenn man feststellt, daß der<br />

Gesprächspartner, den man im fernen Japan wähnt, nur ein paar<br />

Straßen weiter in Hamburg wohnt und sich nur zufällig auf den<br />

gleichen Rechner in Übersee eingewählt hat.<br />

Meist ist es die Post, die mit ihrer Fernmelderechnung den Sinn für<br />

Realitäten wieder geraderückt. Nach etlichen tausend Gesprächseinheiten<br />

tritt die Ernüchterung ein, und man beginnt, sich Gedanken<br />

über andere Nutzungsmöglichkeiten zu machen. Bleibe im Lande<br />

und nähre dich redlich, so lautet die Devise, und internationale Kontakte<br />

schrumpfen auf das unvermeidliche Mindestmaß. Nun gab es<br />

damals in Deutschland nur eine Handvoll von Systemen, die man per<br />

Telefon erreichen konnte, und in Hamburg gar nur zwei, nämlich den<br />

Rechner der Universität, der hoffnungslos überlastet war und mehr<br />

als subversive Müllhalde diente, denn als Kommunikationssystem,<br />

sowie MCS. MCS heißt Master Control System. <strong>Das</strong> ist eine<br />

schlichte Übertreibung, denn hinter dem klangvollen Kürzel verbarg<br />

sich ebenfalls ein C64, und ein chaotisches Basicprogramm sorgte dafür,<br />

daß alles möglichst absturzfrei funktionierte. Zu einer Zeit, als<br />

Datenfernübertragung für die meisten Benutzer noch reiner Selbst-<br />

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