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CCC - Das chaos Computer Buch

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<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />

<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />

hin auswerten will, wo zum Beispiel Waldschäden spezieller Art auftreten.<br />

Hier möchte man gezielt in deutscher Sprache Anfragen stellen<br />

können. Dann das ganze Gebiet der Fernerkundung. Die Masse von<br />

Bildmaterial, die von Satelliten heruntergefunkt wird, kann ja gar<br />

nicht mehr per Hand ausgewählt werden. »<br />

Vorläufig hat die Horrorvision vom totalen Überwachungscomputer<br />

rein technisch keine Chancen, Wirklichkeit zu werden. Dazu<br />

müßte die Bilderkennung noch viel perfekter werden, als sie es heute<br />

ist. Diese Erkenntnis empfinde ich als beruhigend. Der VITRA-<br />

<strong>Computer</strong> zum Beispiel kann überhaupt nur Objekte auf dem Bild<br />

erkennen, wenn sie sich bewegen. Und auch dann kann er gerade mal<br />

Straßenbahnen von Autos unterscheiden, doch schon ein kleiner Lieferwagen<br />

und ein Pkw sind für ihn dasselbe, Fußgänger übersieht er<br />

ganz. Also Gesichter aus einer Menschenmenge herausfischen und die<br />

mit abgespeicherten Porträts vergleichen, das funktioniert auf absehbare<br />

Zeit noch nicht, soviel ist klar.<br />

Klar ist allerdings auch, daß die Bilderkenner so lange nicht aufgeben<br />

werden, bis <strong>Computer</strong> mindestens so gut sehen können wie Menschen.<br />

Die Aufgabe, «nicht-starre Körper» in natürlicher Umgebung<br />

automatisch zu identifizieren, hat dabei Priorität. Am Fraunhofer-Institut<br />

für Informations- und Datenverarbeitung in Karlsruhe, das den<br />

Bilderkennungsteil von VITRA bearbeitet, rechnen die Forscher seit<br />

einiger Zeit an Videoaufnahmen eines Fußballspiels des Karlsruher<br />

SC herum und versuchen, einzelne Spieler automatisch zu identifizieren<br />

und über eine Zeitlang zu verfolgen. Die ersten Ergebnisse<br />

sind ermutigend, wie sie sagen.<br />

Auf die Resultate der Fußballberechnungen wartet Wolfgang Wahlster<br />

schon ungeduldig. Auch er beschäftigt sich mit einem Fußballspiel,<br />

allerdings findet es bisher nur im <strong>Computer</strong> statt. , wie<br />

sein neues Programm heißt, stellt auf dem Bildschirm ein Spielfeld<br />

dar, auf dem sich 22 zappelnde Kreise bewegen, immer hinter einem<br />

runden Etwas her, ganz wie im richtigen Leben. < Wir haben realistische<br />

Spielzüge einprogrammiert, Doppelpässe zum Beispiel, Flanken<br />

oder Schüsse aufs Tor», erklärt Wahlster, «und lassen , genau<br />

wie einen menschlichen Reporter, das Geschehen auf dem Bildschirm<br />

kommentieren - simultan, also während das Spiel läuft. »<br />

Die Echtzeit-Verarbeitung der Bilder war die wichtigste<br />

Aufgabenstellung bei (Soccer>, gleichzeitig untersuchten die<br />

Saarbrückener Fragen der «Sprechplanung». Zur Vorbereitung haben<br />

sie jede Menge Untersuchungen (die gibt's wirklich!) über die Sprache<br />

von Sportreportern gewälzt und den <strong>Computer</strong> mit diesen<br />

Erkenntnissen geimpft. Er kennt also ein paar Tricks seiner<br />

zweibeinigen Kollegen. Zum Beispiel beschreibt er nicht alles, was er<br />

sieht: Weil das Spiel im allgemeinen schneller läuft, als er sprechen<br />

kann, wählt er selbständig aus. Oder er nimmt bestimmte Ereignisse<br />

sprachlich vorweg, um sich dann selbst zu korrigieren: «Schuß aufs<br />

Tor... wieder daneben. »<br />

Wenn loslegt, hört sich das so an: «Moll, der Verteidiger,<br />

steht in der linken Spielhälfte. Breit, der Verteidiger, steht in der<br />

rechten Spielhälfte. Becker, der Torhüter, hat ihm den Ball, der rollt,<br />

zugespielt. Der Verteidiger rennt. o Auch Wahlster gibt zu, daß das<br />

nicht ganz so mitreißend ist wie etwa Herbert Zimmermanns legendäre<br />

Spitzenleistung anläßlich des WM-Finales 1954 in Bern. Aber es geht<br />

ihm ja nicht darum, mit dereinst Ernst Huberty oder Rolf<br />

Kramer abzulösen. Es geht um etwas, das er «Intentionserkennung»<br />

nennt - «Planerkennung», könnte man auch sagen. Wahlster: «<strong>Das</strong><br />

System beobachtet erst mal objektiv physikalische Vorgänge. Der<br />

Witz ist aber, daß einige der Objekte, die sich dort bewegen,<br />

intentionsgesteuert sind. Bei vielen Beobachtungen, Überwachungen,<br />

Auswertungen möchte man natürlich wissen: Auf was läuft das hinaus,<br />

was ich da sehe?» Und zwar subito, also nicht nach stundenlangen<br />

Rechendurchläufen.<br />

Sicher, bei Fußballspielen ist die Frage nach den Absichten der<br />

Spieler ziemlich leicht zu beantworten. Stürmer schießen Tore,<br />

Torhüter verhindern sie, das < Generalzielo der ganzen Mannschaft<br />

heißt Sieg sofern sie nicht, was ja schon passiert sein soll, fürs<br />

Verlieren bezahlt wird. Aber ist Wahlsters Fußballspiel nicht auch nur<br />

so eine Miniwelt wie ehedem Terry Winograds Klötzchenwelt bei<br />

SHRDLU? Was würde (Soccer> wohl denken, wenn Lothar Matthäus<br />

einen Spielerkollegen ohrfeigt, Otto Rehhagel seine cholerischen<br />

Anfälle kriegt oder Zuschauer Bierdosen aufs Spielfeld werfen?<br />

Meine Skepsis trifft bei Wolfgang Wahlster einen wunden Punkt.<br />

Immer noch sagt er, hat die KI-Forschung das große Ziel vor Augen,<br />

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