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Gender-Kompetenz für die Bildungsarbeit. - Gender Qualifizierung ...

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Derichs-Kunstmann/<br />

Kaschuba/Lange/Schnier<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong>.


Karin Derichs -Kunstmann, Gerrit Kaschuba,<br />

Ralf Lange, Victoria Schnier (Hrsg.)<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong>.<br />

Konzepte � Erfahrungen � Analysen � Konsequenzen


Carlos Lächele gewidmet (� 2007)<br />

Impressum<br />

1. Auflage Dezember 2009<br />

�VERLAG FORSCHUNGSINSTITUT ARBEIT, BILDUNG, PARTIZIPATION (FIAB)<br />

RECKLINGHAUSEN 2009<br />

Umschlaggestaltung: Leoni Buscher, Recklinghausen,<br />

unter Verwendung eines Bildes von Lothar Trelenberg, Marl, www.lotre.de<br />

Fotos: J. Bewersdorf (S. 224), GeQuaB-Projekt (S. 11, 86, 118, 129, 200),<br />

V. Kurzweg (S. 192, 196), M. Nousch (S. 82, 151, 176, 187), C. Reichert<br />

(S. 216), E. Wilhelm (S. 208)<br />

Redaktion und Manuskriptbetreuung: Karin Derichs-Kunstmann<br />

Druck: Schützdruck GmbH, Recklinghausen<br />

Veröffentlicht im Rahmen des Modellprojektes „<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Bildungsarbeit</strong>“<br />

gefördert durch das Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung und Forschung<br />

ISBN Nr. 978-3-925724-57-2<br />

Alle Rechte vorbehalten


Inhaltsverzeichnis - 5 -<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

Seite<br />

Vorwort 7<br />

1. <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Konzept und Ergebnisse des Modellprojektes GeQuaB<br />

10<br />

1.1 Zur Anlage des Modellprojektes Karin Derichs-Kunstmann 10<br />

1.2 Das didaktisch-methodische Konzept der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

1.3 Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation des Fortbildungskonzeptes<br />

der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en<br />

Gerrit Kaschuba, Sibylle Hahn<br />

2. <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> – theoretische Grundlagen 51<br />

2.1 Zur Bedeutung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Victoria Schnier<br />

51<br />

2.2 „<strong>Gender</strong> – all inclusive?“ – Zur Bedeutung von Intersektionalität <strong>für</strong><br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en Gerrit Kaschuba<br />

61<br />

2.3 Zur Bedeutung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Organisationsentwicklung<br />

in Bildungsinstitutionen Ralf Lange<br />

72<br />

3. <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Fortbildungspraxis 82<br />

3.1 Didaktisch-methodische Überlegungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Gestaltung von<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en<br />

83<br />

Didaktische Prinzipien einer gender-sensiblen <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

83<br />

Widerstände gegenüber „<strong>Gender</strong>“ – Hintergründe und Umgangsmöglichkeiten<br />

Gerrit Kaschuba<br />

88<br />

„Störungen haben Vorrang“ Störungen und Konflikte im Seminarverlauf<br />

als Lernchancen Ralf Lange<br />

95<br />

Das Prinzip der Kollegialen Beratung als Instrument <strong>für</strong> den <strong>Gender</strong>-<br />

Dialog Ralf Lange<br />

101<br />

Doing <strong>Gender</strong> im Rollenspiel – Die Inszenierung von<br />

Geschlechterverhältnissen als Lernform Ralf Lange<br />

108<br />

3.2 Methoden <strong>für</strong> Fortbildungen zur <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> 115<br />

<strong>Gender</strong>-sensible Gestaltung von Anfangs- und Schlusssituationen<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

115<br />

Rollenspiel: Szenen aus dem Alltag Karin Derichs-Kunstmann 120<br />

Biographisches Arbeiten: <strong>Gender</strong>-Bewusstsein in der eigenen<br />

Biografie Karin Derichs-Kunstmann<br />

123<br />

<strong>Gender</strong>-Orientierungsreise zu Kommunikation und Interaktion<br />

Gerrit Kaschuba<br />

126<br />

14<br />

32


- 6 -<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

„Geschlechtergerechtigkeit“ - Kommunikation über Zielvorstellungen 133<br />

Gerrit Kaschuba<br />

Planspiel: Geschlechterpolitische Strategien zwischen Frauen- 137<br />

förderung und Diversity Management Victoria Schnier<br />

Planspiel: Geschlechtergerechte Programmqualität in der<br />

141<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> Karin Derichs-Kunstmann<br />

Übung: Quellen meines Bildungskonzeptes Gerrit Kaschuba 145<br />

Methodenwerkstatt: Geschlechtergerechte Methodik in der<br />

147<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> Karin Derichs-Kunstmann<br />

Übung: <strong>Gender</strong>-Analyse von Bildungsprogrammen<br />

150<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Übung: Qualitätskriterien <strong>für</strong> <strong>die</strong> eigene Arbeit Victoria Schnier 155<br />

<strong>Gender</strong>-bezogene Auswertungsmethoden und -instrumente<br />

Gerrit Kaschuba<br />

4. <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Bildungspraxis 162<br />

4.1 Die Praxisprojekte innerhalb des GeQuaB-Projektes<br />

Victoria Schnier<br />

162<br />

4.2 Jungen sind anders, Lehrerinnen auch Martin Koralczak 170<br />

4.3 Grundqualifizierung <strong>für</strong> Kursleitende an Volkshochschulen<br />

Monika Engel, Manfred Nousch<br />

179<br />

4.4 <strong>Gender</strong> in Seminaren – Eine Werkstatt zur Annäherung<br />

Volker Kurzweg<br />

189<br />

4.5 Aller Anfang ist…gar nicht so schwer. Betriebsverfassung: Einführung<br />

und Überblick Eva Meyer, Monika Rietze<br />

198<br />

4.6 <strong>Gender</strong> und kontinuierliche Teamentwicklung im Tätigkeitsfeld<br />

politische Jugendbildung Elke Wilhelm<br />

204<br />

4.7 City-Bound: Mission Impossible? Christian Reichert 212<br />

4.8 Sowohl als auch – Familien- und Erwerbsarbeit: ein Männerthema<br />

Jörg Bewersdorf<br />

5. <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Organisationspraxis<br />

Victoria Schnier<br />

5.1 Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten 229<br />

5.2 Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben 233<br />

5.3 Deutscher Volkshochschulverband 238<br />

5.4 Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft 241<br />

6. Literatur aus dem Kontext des GeQuaB-Projektes 246<br />

7. Qualitätskriterien <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en 250<br />

8. Zu den Autorinnen und Autoren 255<br />

157<br />

220<br />

229


Vorwort<br />

Vorwort<br />

Von November 2004 bis Dezember 2007 wurde vom Forschungsinstitut<br />

Arbeit, Bildung, Partizipation e.V. (FIAB) in Recklinghausen, Institut an der<br />

Ruhr-Universität Bochum, das Modellprojekt „<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Bildungsarbeit</strong>“ (GeQuaB) durchgeführt. Aufgabe des Projektes war es, ein<br />

Fortbildungskonzept zur <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> pädagogische Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter in der Erwachsenen- und Jugendbildung zu entwickeln,<br />

zu erproben und zu evaluieren.<br />

Die Durchführung des GeQuaB-Projektes und <strong>die</strong> Entwicklung des Fortbildungskonzeptes<br />

erfolgte durch ein Team von wissenschaftlichen MitarbeiterInnen<br />

des FIAB (Projektleitung Dr. Karin Derichs-Kunstmann) und freiberuflichen<br />

TrainerInnen in enger Zusammenarbeit mit vier Verbänden bzw. Organisationen<br />

der Weiterbildung: dem Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e.V. (AdB),<br />

dem Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben e.V. (BAK), dem Deutschen Volkshochschul-Verband<br />

e.V. (DVV) und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft<br />

(ver.di). Um <strong>die</strong> fortlaufende konzeptionelle Weiterentwicklung zu begleiten<br />

und <strong>die</strong> Nachhaltigkeit des <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>skonzeptes sicher zu stellen,<br />

wurde das Forschungsinstitut tifs e.V. mit der Evaluierung der Modellfortbildung<br />

beauftragt.<br />

Für <strong>die</strong> Vermittlung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> wurden parallel drei Lehrgänge<br />

mit jeweils vier fünf- bzw. viertägigen Seminaren durchgeführt. 24 Frauen<br />

und 21 Männer haben <strong>für</strong> den erfolgreichen Abschluss ein Zertifikat als<br />

<strong>Gender</strong> Trainerin bzw. <strong>Gender</strong> Trainer <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> erhalten.<br />

Mit <strong>die</strong>sem Buch stellen wir <strong>die</strong> Arbeit und <strong>die</strong> Ergebnisse des Modellprojektes<br />

„<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong>“ der interessierten<br />

Fachöffentlichkeit vor. Ziel <strong>die</strong>ser Veröffentlichung ist es, <strong>die</strong> innerhalb des<br />

Projektes erarbeiteten Konzepte, Materialien und darüber hinausgehende<br />

Reflexionen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Praxis gender-sensibler <strong>Bildungsarbeit</strong> verfügbar zu machen<br />

und <strong>die</strong> weitere Implementierung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Bildungspraxis<br />

zu unterstützen.<br />

Das Kapitel 1 „<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong>“ <strong>die</strong>nt der Darstellung<br />

der Arbeit des GeQuaB-Modellprojektes einschließlich des didaktisch-methodischen<br />

Konzeptes und der Ergebnisse der wissenschaftlichen<br />

- 7 -


- 8 -<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Evaluierung durch das Forschungsinstitut tifs (Sibylle Hahn und Gerrit Kaschuba).<br />

Im Kapitel 2 „<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> – theoretische Grundlagen“ wird<br />

der theoretische Hintergrund der Projektarbeit von verschiedenen Seiten<br />

beleuchtet. Victoria Schnier setzt sich mit der Bedeutung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> auseinander, Gerrit Kaschuba erörtert <strong>die</strong> Bedeutung<br />

einer gender-theoretischen Rahmung sowie der methodologischen<br />

Haltung der Intersektionalität <strong>für</strong> diversitätsbewusste <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en<br />

und Ralf Lange beschreibt <strong>die</strong> Funktion von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> bei der<br />

Organisationsentwicklung in Bildungsinstitutionen.<br />

Kapitel 3 „<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Fortbildungspraxis“ enthält Reflexionen<br />

und Anregungen <strong>für</strong> eine gender-sensible Fortbildungspraxis. Im<br />

ersten Teil werden didaktische Prinzipien einer gender-sensiblen <strong>Bildungsarbeit</strong>,<br />

Ursachen von und Umgang mit Widerständen und Störungen als<br />

Lernchancen ebenso diskutiert wie das Prinzip der Kollegialen Beratung und<br />

Rollenspiele als Lernformen. Im zweiten Teil des Kapitels werden in zwölf<br />

Artikeln von Anfangssituationen bis Auswertungsinstrumenten methodische<br />

Ansätze <strong>für</strong> eine gender-sensible <strong>Bildungsarbeit</strong> vorgestellt.<br />

Um das Abschluss-Zertifikat erhalten zu können, mussten <strong>die</strong> Teilnehmenden<br />

ein Projekt entwickeln, <strong>die</strong>ses in ihrer pädagogischen Praxis erproben<br />

und darüber einen Bericht verfassen. 35 Praxisprojekte wurden von ihnen –<br />

z.T. im Tandem – entwickelt und durchgeführt. Sieben <strong>die</strong>ser Praxisprojekte<br />

aus unterschiedlichen Arbeitsfeldern der <strong>Bildungsarbeit</strong> werden im<br />

Kapitel 4 „<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Bildungspraxis“ vorgestellt. Als Einleitung<br />

zu <strong>die</strong>sen Berichten gibt Victoria Schnier eine zusammenfassende<br />

Analyse aller Praxisprojekte.<br />

Ein Anspruch des GeQuaB-Projektes bestand auch darin, in <strong>die</strong> beteiligten<br />

Verbände und Organisationen hineinzuwirken, um <strong>die</strong> Umsetzung von <strong>Gender</strong><br />

Mainstreaming dort zu unterstützen und voranzutreiben. Ob und wie<br />

<strong>die</strong>s geschehen ist, war der Gegenstand eines Teils der Projektevaluierung<br />

durch Victoria Schnier. Sie stellt im Kapitel 5 „<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Organisationspraxis“<br />

<strong>die</strong> Transferaktivitäten der Verbände dar und geht auf<br />

<strong>die</strong> Synergieeffekte und positiven Wirkungen der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong><br />

ebenso wie auf <strong>die</strong> Notwendigkeit weiterer Umsetzungsanstrengungen ein.<br />

Das Ausmaß und <strong>die</strong> Vielfalt der Wirkungen des GeQuaB-Projektes können<br />

mit <strong>die</strong>ser Darstellung nicht vollständig erfasst werden. Insgesamt kann<br />

festgestellt werden, dass das Projekt in den beteiligten Verbänden und


Vorwort<br />

über <strong>die</strong> Verbände hinaus einen Beitrag <strong>für</strong> <strong>die</strong> nachhaltige Implementierung<br />

von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in vielfältigen Handlungsfeldern der Weiterbildung<br />

geleistet hat und im Sinne eines Schneeballeffektes durch <strong>die</strong> zahlreichen<br />

mit dem Projekt erreichten Personen und durch <strong>die</strong> von ihnen angestoßenen<br />

Veränderungen weiterwirken wird. Die hiermit vorgelegte Veröffentlichung<br />

soll einen Beitrag dazu leisten, <strong>die</strong>sen begonnenen Prozess<br />

weiterhin zu unterstützen.<br />

An der erfolgreichen Durchführung des Projektes und der Weitervermittlung<br />

seiner Ergebnisse waren viele Menschen beteiligt, denen an <strong>die</strong>ser<br />

Stelle gedankt werden soll. Da sind zuerst <strong>die</strong> Mitglieder der beiden TrainerInnen-Teams<br />

zu nennen, Gerrit Kaschuba, Carlos Lächele und Ralf<br />

Lange, ebenso wie Victoria Schnier und Thomas Krause, <strong>die</strong> <strong>die</strong> beiden<br />

Teams unterstützt haben.<br />

Leider ist ein Mitglied des Teams nicht mehr unter uns. Carlos Lächele ist<br />

im Mai 2007 verstorben. Er konnte noch im Februar 2007 beim Vernetzungsworkshop<br />

des Projektes dabei sein und den erfolgreichen Abschluss<br />

gemeinsam mit allen Beteiligten feiern. Wir haben mit ihm einen guten<br />

Freund und Kollegen verloren. Wir wissen, wie wichtig sein Beitrag <strong>für</strong> das<br />

Gelingen des Projektes war und trauern um ihn.<br />

Ohne <strong>die</strong> konstruktive Mitarbeit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der<br />

drei GeQuaB-Lehrgänge und vor allen Dingen <strong>die</strong> von ihnen entwickelten<br />

Praxisprojekte hätte das Modellprojekt nicht so erfolgreich sein können. Ihnen<br />

gilt unser ganz besonderer Dank.<br />

Das Projekt wurde von einer Lenkungsgruppe begleitet, in der <strong>die</strong> beteiligten<br />

Verbände vertreten waren durch: Dr. Hannelore Chiout (AdB), Gundula<br />

Frieling (DVV), Barbara Menke (BAK AuL), Herbert Schmidt, Ilona Schulz-<br />

Müller und Carola Schwirn (ver.di). Ihre Unterstützung hat wesentlich zum<br />

Gelingen des Projektes beigetragen, da<strong>für</strong> sei ihnen gedankt.<br />

Gefördert wurde das Modellprojekt durch das Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung<br />

und Forschung. Die Projektbetreuung erfolgte durch den Projektträger<br />

DLR. Diese hilfreiche Unterstützung hat <strong>die</strong> gemeinsame Arbeit von<br />

Verbänden, Forschungsinstitut, TrainerInnen und Teilnehmenden überhaupt<br />

erst ermöglicht. Herzlichen Dank da<strong>für</strong>, insbesondere an Frau Dr.<br />

Daub und Herrn Lange beim Projektträger DLR.<br />

Für <strong>die</strong> HerausgeberInnen Karin Derichs-Kunstmann<br />

- 9 -


- 10 -<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

1. <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Konzept und Ergebnisse des Modellprojektes GeQuaB<br />

1.1 Zur Anlage des Modellprojektes<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Ziele und Vorgehensweise des Modellprojektes<br />

Zentrales Ziel des GeQuaB-Projektes war es, „in der Weiterbildung einen Beitrag<br />

zur Verbesserung der Chancengleichheit <strong>für</strong> Frauen und Männer durch <strong>die</strong><br />

Förderung der Implementierung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming mit dem besonderen<br />

Schwerpunkt auf der Programmqualität zu leisten“ (vgl. FIAB 2004, S. 2-<br />

3). Dieses erfolgte durch <strong>die</strong> Entwicklung, Erprobung und Evaluierung eines<br />

<strong>Qualifizierung</strong>slehrgangs zur Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit in der<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> mit Jugendlichen und Erwachsenen. Die Zielgruppe des Projektes<br />

waren haupt- und nebenamtliche sowie freiberufliche pädagogische Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter. Ihnen wurde <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> vermittelt, um<br />

sie <strong>für</strong> <strong>die</strong> Implementation von <strong>Gender</strong> Mainstreaming in <strong>die</strong> Programmpraxis<br />

der Weiterbildung zu qualifizieren. Die erfolgreiche Teilnahme an den <strong>Gender</strong>-<br />

<strong>Qualifizierung</strong>en wurde durch ein Zertifikat bescheinigt.<br />

Projekt- und Kooperationsstruktur<br />

Zentrale Voraussetzung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Durchführung des Modellprojektes war <strong>die</strong><br />

Zusammenarbeit mit vier Verbänden bzw. Organisationen der Weiterbildung,<br />

�� dem Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e.V. (AdB),<br />

�� dem Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben e.V. (BAK),<br />

�� dem Deutschen Volkshochschulverband e.V. (DVV) und<br />

�� der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.<br />

Diese Struktur der Zusammenarbeit bildete <strong>die</strong> Basis <strong>für</strong> den Feldzugang<br />

sowie <strong>für</strong> Synergieeffekte und Effektivität.


<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> - 11 -<br />

Die <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> bestand aus vier Modulen, <strong>die</strong> jeweils fünf bzw.<br />

vier Tage umfassten und in drei parallelen Lehrgängen erprobt wurden.<br />

Alle Lehrgänge der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> wurden im ver.di Bildungs- und<br />

Begegnungszentrum „Clara Sahlberg“ in Berlin-Wannsee durchgeführt. Die<br />

gesamte <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> erstreckte sich – einschließlich der Erprobungen<br />

in der eigenen Bildungspraxis und einem gemeinsamen Vernetzungsworkshop<br />

aller drei Lehrgangsgruppen – über einen Zeitraum von<br />

zwei Jahren (März 2005 bis Februar 2007). Zwischen den einzelnen<br />

Modulen eines Lehrgangs lagen in der Regel 6 Monate, in denen Praxisaufgaben<br />

und <strong>die</strong> jeweiligen Praxisprojekte von den Teilnehmenden zu<br />

bearbeiten waren.<br />

Das GeQuaB-Team (v.l.): Thomas Krause, Ralf Lange,<br />

Karin Derichs-Kunstmann, Victoria Schnier, Carlos Lächele, Gerrit Kaschuba<br />

Die Durchführung der einzelnen Module lag jeweils in der Hand eines geschlechtsgemischten<br />

Teams, in dem Dr. Gerrit Kaschuba und Ralf Lange M.A.<br />

sowie Dr. Karin Derichs-Kunstmann und Carlos Lächele zusammen arbeiteten.<br />

Assistiert wurde ihnen von Dipl. Päd. Victoria Schnier und Thomas Krause B.A.<br />

Für <strong>die</strong> Anlage der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> ebenso wie <strong>für</strong> <strong>die</strong> Anforderungen<br />

an <strong>die</strong> Teilnehmenden, <strong>die</strong> zur Erlangung eines Zertifikats führten, wurden<br />

gemeinsam vom Projektteam und den Vertreterinnen und Vertretern der<br />

beteiligten Verbände Qualitätskriterien entwickelt (siehe Anhang S. 248).


- 12 -<br />

Die Teilnehmenden der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Die Zielgruppe des Projektes waren pädagogische Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter der vier am Projekt beteiligten Verbände bzw. ihrer Mitgliedsorganisationen.<br />

Voraussetzung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Beteiligung an den Lehrgängen war,<br />

dass <strong>die</strong> Teilnehmenden über Vorkenntnisse und Erfahrungen in der Jugend-<br />

bzw. Erwachsenenbildung verfügten. Es wurde von ihnen außerdem<br />

erwartet, dass sie sich <strong>für</strong> den Besuch aller vier Seminare des Lehrgangs<br />

verpflichteten, dass sie <strong>die</strong> Umsetzung des <strong>Qualifizierung</strong>sinhalts in Form<br />

eines Praxisprojektes erprobten und ihre erworbene Qualifikation in <strong>die</strong> Arbeit<br />

innerhalb der Verbände einbringen würden. Insgesamt haben 49 Personen<br />

� 26 Frauen und 23 Männer � in drei parallelen Lehrgängen an den<br />

<strong>Qualifizierung</strong>en teilgenommen.<br />

Kategorie<br />

GeQuaB-Teilnehmende<br />

nach beruflichem Status, Verband und Geschlecht<br />

Haupt<br />

berufliche<br />

Neben<br />

berufliche<br />

Frei<br />

berufliche<br />

Gesamt<br />

summe<br />

Geschlecht<br />

♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ∑<br />

AdB 6 2 0 1 0 3 6 6 12<br />

AuL 7 4 0 0 0 1 7 5 12<br />

DVV 6 4 0 0 0 0 6 4 10<br />

ver.di 0 0 6 5 1 2 7 7 14<br />

FIAB 0 0 0 1 0 0 0 1 1<br />

Summe 19 10 6 7 1 6 26 23 49


<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> - 13 -<br />

44 von 49 Teilnehmenden verfügten über eine akademische Ausbildung,<br />

überwiegend in pädagogischen Berufen. Vom beruflichen Status her gehörten<br />

<strong>die</strong> Teilnehmenden drei verschiedenen Gruppen an:<br />

�� hauptamtliche pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der<br />

beteiligten Organisationen und ihrer Mitgliedseinrichtungen,<br />

�� nebenberufliche pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, <strong>die</strong><br />

noch eine andere hauptberufliche Beschäftigung haben,<br />

�� als freiberufliche Seminarleiterinnen und Seminarleiter Tätige.<br />

Je nach Verbandsstruktur war <strong>die</strong> Verteilung <strong>die</strong>ser drei Statusgruppen<br />

unterschiedlich, wie <strong>die</strong> nachfolgende Tabelle zeigt.<br />

Das Alter der GeQuaB-Teilnehmenden erstreckte sich über fast alle Altersgruppen.<br />

Die Hälfte von ihnen war bei Beginn der Lehrgänge bis 44 Jahre<br />

alt, <strong>die</strong> andere Hälfte zwischen 45 und 59 Jahre alt. Ein Teilnehmer war<br />

älter als 60 Jahre. Die regionale Herkunft der Teilnehmenden streute über<br />

13 von 16 Bundesländern. Die Länder Baden-Württemberg, Mecklenburg-<br />

Vorpommern und Sachsen-Anhalt waren nicht vertreten. Vier der Teilnehmenden<br />

haben in der DDR gelebt, zwei Teilnehmer hatten einen Migrationshintergrund.<br />

49 Teilnehmende � 26 Frauen und 23 Männer � hatten mit dem 1. Modul <strong>die</strong><br />

GeQuaB-Lehrgänge begonnen, davon haben 45 Teilnehmende � 24 Frauen<br />

und 21 Männer � <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> erfolgreich abgeschlossen.


- 14 -<br />

1.2 Das didaktisch-methodische Konzept<br />

der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> als Ziel der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en<br />

Zentrales Ziel der GeQuaB-Seminare war der Erwerb bzw. <strong>die</strong> Weiterentwicklung<br />

von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong>. <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> zählt zu den Schlüsselqualifikationen<br />

und verweist auf <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Perspektive als Querschnittsperspektive.<br />

Die drei Ebenen von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> sind Wollen,<br />

Wissen und Können 1 . Die drei Zielebenen von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> wurden<br />

mit Blick auf <strong>die</strong> Handlungsfelder der Teilnehmenden als <strong>Gender</strong> TrainerInnen<br />

folgendermaßen konkretisiert (vgl. FIAB 2004, S. 5-6):<br />

Wollen/Selbstreflexivität: Die Teilnehmenden erkennen, reflektieren und<br />

verändern<br />

�� ihr eigenes geschlechterbezogenes Verhalten,<br />

�� ihre Interaktionen im persönlichen und beruflichen Alltag,<br />

�� ihr Leitungsverhalten,<br />

�� <strong>die</strong> Interaktionen gegenüber den Teilnehmenden ihrer Veranstaltungen<br />

sowie<br />

�� ihre eigene Sprache und Kommunikation.<br />

Wissen: Die Teilnehmenden eignen sich Kenntnisse an zu<br />

�� theoretischen Ansätzen der Geschlechterforschung,<br />

�� historischen Entwicklungsprozessen in Theorie, Politik, Praxis,<br />

�� geschlechterpolitischen Strategien und<br />

�� geschlechtergerechter Didaktik und Methodik.<br />

1 vgl. <strong>Gender</strong><strong>Kompetenz</strong>Zentrum 2008; zur Definition von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> siehe S. 50ff.


<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> - 15 -<br />

Können/Handeln: Die Teilnehmenden sind in der Lage<br />

�� sich mit ihrem fachlichen Handeln im <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Diskurs sowie<br />

innerhalb der Geschlechtertheorie zu verorten,<br />

�� ihre fachliche Arbeit gender-kompetent zu gestalten,<br />

�� ihre methodisch-didaktischen Vorgehensweisen auf verschiedene Zielgruppen<br />

geschlechtergerecht anzuwenden,<br />

�� geschlechtergerechte Ansprachekonzepte zu entwickeln,<br />

�� einen Geschlechterdialog zu führen und anzuleiten,<br />

�� mit geschlechterbezogenen Konflikten und Widerständen konstruktiv<br />

umzugehen,<br />

�� Perspektivenwechsel zu praktizieren,<br />

�� den Transfer des Gelernten sicherzustellen und<br />

�� in ihrem professionellen Kontext zum Fachdiskurs beizutragen.<br />

Das didaktische Konzept der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en<br />

Diese drei Ebenen von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> bildeten das Raster, an dem sich<br />

der Aufbau der <strong>Qualifizierung</strong> orientiert hat. In der didaktischen Umsetzung<br />

wurde <strong>die</strong> Entwicklung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> mit ihren drei Ebenen durch<br />

<strong>die</strong> didaktischen Elemente der Sensibilisierung (Wollen), der Informationsvermittlung<br />

(Wissen) und des Transfers (Können) gefördert. Daraus ergab<br />

sich <strong>für</strong> <strong>die</strong> Struktur der einzelnen Module der regelmäßige Wechsel zwischen<br />

theoretischer Fun<strong>die</strong>rung, praxisbezogener ebenso wie biografiebezogener<br />

Reflexion und praktischer Anwendung (Vgl. auch Derichs-Kunstmann,<br />

Kaschuba, Schnier 2008). Insbesondere <strong>die</strong> Förderung von Selbstreflexivität<br />

wurde als Basis <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entwicklung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong><br />

betrachtet. Die gegenseitige Verwobenheit <strong>die</strong>ser Ebenen wurde immer<br />

wieder im didaktischen Prozess reflektiert.<br />

Dabei zielte das didaktische Element der Sensibilisierung auf <strong>die</strong> Ebene des<br />

Wollens. Dies geschah zum einen durch einen kritischen Blick auf <strong>die</strong> eigene<br />

Geschlechterrolle und den eigenen Anteil an alltäglich stattfindenden<br />

sozialen Konstruktionsprozessen. Zum anderen wurde bei der Sensibilisierung<br />

der organisationale Kontext des eigenen Handlungsfeldes in den<br />

Blick genommen mit dem Ziel, <strong>die</strong>ses Feld als Teil von „gendered<br />

institutions“ (Acker 1991) und den dort stattfindenden Konstruktionsprozessen<br />

zu erkennen.


- 16 -<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Mit der Vermittlung von Informationen wurde <strong>die</strong> Ebene des Wissens<br />

angesprochen. Das gender-theoretische Wissen stellt als Basiswissen <strong>die</strong><br />

notwendige Voraussetzung <strong>für</strong> den Transfer in <strong>die</strong> eigene Praxis dar und<br />

ermöglicht gleichzeitig eine analytische Einschätzung der Struktur des<br />

eigenen Handlungsfeldes. Wichtiger Bestandteil davon ist <strong>die</strong> Einsicht in<br />

den Zusammenhang von sozialen Konstruktionsprozessen und strukturellen<br />

Machtverhältnissen. Differenziertes gender-theoretisches Wissen <strong>die</strong>nt<br />

außerdem dazu, nicht erneut Essentialismen aufzubauen, d.h. nicht alte<br />

Klischees und Vorurteile durch neue zu ersetzen.<br />

Um <strong>die</strong> Handlungsfähigkeit in der eigenen pädagogischen Praxis zu steigern,<br />

sind Elemente des Transfers ein weiterer wichtiger Bestandteil des didaktischen<br />

Konzeptes. Ziel dabei ist <strong>die</strong> Überprüfung und Veränderung des eigenen<br />

professionellen Handelns unter <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten. Dieses bezieht<br />

sich sowohl auf das pädagogische Handeln in Lehr-/Lern-Situationen als auch<br />

auf das Handeln im organisationalen Kontext des Praxisfeldes. Für den Erfolg<br />

des Transfers ist es entscheidend, dass <strong>die</strong> Teilnehmenden gender-sensibles<br />

Handeln in der Praxis nicht als von außen kommende Zusatzanforderung,<br />

sondern als Verbesserung der eigenen Professionalität begreifen.<br />

Ein zentrales didaktisch-methodisches Prinzip der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> ist<br />

der prozessorientierte Ansatz bei der Durchführung der Lehrgänge. Das<br />

beinhaltet den systematischen Bezug zwischen den vier Modulen ebenso<br />

wie <strong>die</strong> Orientierung am gemeinsamen Lernprozess der Lehrgangsgruppe.<br />

Basis des Lernprozesses sind <strong>die</strong> gemeinsamen Seminare in einer festen<br />

Lehrgangsgruppe von 16 Personen, <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Dauer des Lehrgangs<br />

zusammen arbeitet. Es war während des gesamten Modellprojektes kein<br />

Wechsel zwischen den drei verschiedenen Lehrgangsgruppen möglich.<br />

Ebenso blieben das TrainerInnen-Team, das <strong>die</strong> jeweilige Gruppe begleitete,<br />

und der Seminarort konstant. Durch <strong>die</strong>se Gestaltung des Lernprozesses<br />

stellt <strong>die</strong> Lehrgangsgruppe ein konstantes Setting dar, das immer<br />

wieder ermöglichte, verknüpft mit den gemeinsamen Erfahrungen, das<br />

eigene Konzept zu reflektieren und weiterzuentwickeln.<br />

Die Prozessorientierung fand ihren Ausdruck auch innerhalb der einzelnen<br />

Seminare. Es fand jeweils ein Wechsel zwischen Sensibilisierung, theoretischer<br />

Fun<strong>die</strong>rung und praktischer Anwendung im Seminar statt. Ergänzt<br />

wurde <strong>die</strong>ses Vorgehen durch Praxisaufgaben <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zeit zwischen den<br />

einzelnen Modulen und deren gemeinsame Reflexion im darauf folgenden<br />

Modul.


<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> - 17 -<br />

Die Inhalte der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en<br />

Systematisch betrachtet wurden in den vier GeQuaB-Modulen folgende Inhalte<br />

bearbeitet:<br />

Persönlich-individuelle Ebene der Sensibilisierung<br />

�� Sensibilisierung <strong>für</strong> <strong>Gender</strong>-Aspekte der eigenen Biografie und Berufspraxis,<br />

�� Sensibilisierung <strong>für</strong> <strong>Gender</strong>-Aspekte des eigenen professionellen Handelns,<br />

u.a. durch Einführung in Konzepte und Instrumente zur Selbstevaluierung<br />

von Dozentinnen und Dozenten,<br />

�� Bearbeitung von pädagogischen Konfliktsituationen mit <strong>Gender</strong>-Dimensionen<br />

und Erprobung von Interventionsmöglichkeiten.<br />

Organisationale Ebene der Sensibilisierung<br />

�� Erarbeitung des aktuellen Standes der Auseinandersetzung mit <strong>Gender</strong><br />

Mainstreaming in den eigenen Organisationen und Verbänden,<br />

�� Erarbeitung von Kriterien <strong>für</strong> <strong>die</strong> geschlechtergerechte Gestaltung von<br />

Bildungsprogrammen durch <strong>die</strong> kritische Analyse vorhandener Programme<br />

unter <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten.<br />

Theoretische Grundlagen<br />

�� Grundlagen der sozialwissenschaftlichen Frauen-, Männer- und Geschlechterforschung,<br />

�� Konzepte geschlechterbezogener Politikansätze wie Frauenförderung,<br />

<strong>Gender</strong> Mainstreaming und Diversity Management,<br />

�� didaktische Theorien <strong>für</strong> <strong>die</strong> Erwachsenenbildung.<br />

Didaktisch-methodische Grundlagen<br />

�� Auseinandersetzung mit dem eigenen Bildungskonzept,<br />

�� Aneignung des Konzeptes der geschlechtergerechten Didaktik und Methodik,<br />

�� Weiterentwicklung der Methodenkompetenz durch <strong>die</strong> Einführung in Methoden,<br />

mit denen Geschlecht als Thema bearbeitet werden kann, <strong>die</strong><br />

Reflexion von Methoden unter der Geschlechterperspektive und das<br />

gemeinsames Erproben von Methoden und deren kritische Reflexion,<br />

�� Erarbeitung von Reflexions- und Auswertungsmethoden <strong>für</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

jenseits von Geschlechterzuschreibungen.


- 18 -<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Transfer/Handlungsorientierung<br />

�� Konzeptentwicklung <strong>für</strong> eine geschlechtergerechte <strong>Bildungsarbeit</strong>, u.a.<br />

durch Entwicklung von Praxisprojekten <strong>für</strong> das eigene Handlungsfeld,<br />

�� Präsentation der Praxisprojekte im Seminar,<br />

�� Kollegiale Beratung über <strong>die</strong> Erfahrungen in und mit den Praxisprojekten.<br />

Aufbau und Konzept der GeQuaB-Module<br />

Die drei Lehrgänge des Moduls 1 waren von fünftägiger Dauer, sie fanden<br />

im Frühjahr 2005 statt. Die Lehrgänge des viertägigen Moduls 2 wurden im<br />

Herbst 2005 durchgeführt. Die drei viertägigen Lehrgänge des 3. GeQuaB-<br />

Moduls fanden im Frühjahr 2006 statt. Die Lehrgänge des 4. Moduls umfassten<br />

jeweils 5 Tage im Herbst 2006. Zum Abschluss der gemeinsamen<br />

Arbeit wurde im Februar 2007 ein gemeinsamer Wochenend-Workshop aller<br />

drei Lehrgänge durchgeführt.<br />

Das Konzept <strong>für</strong> <strong>die</strong> vier verschiedenen Module der Lehrgänge wurde aufbauend<br />

auf den bisherigen Erfahrungen in den beteiligten Organisationen<br />

vom TrainerInnen-Team gemeinsam erarbeitet und unter Berücksichtigung<br />

der Evaluationsergebnisse (siehe Kap. 1.3, S. 32ff.) weiter entwickelt. In<br />

der mikro-didaktischen Konzeption der vier Module wurden <strong>die</strong> Themen in<br />

der didaktischen Feinplanung folgendermaßen konkretisiert.<br />

Modul 1<br />

<strong>Gender</strong>-Perspektiven in der Weiterbildung – Theorie, Politik, Praxis<br />

Das erste Modul hatte zwei große Schwerpunkte 2 : Die Vermittlung von Hintergrundwissen<br />

bezogen auf <strong>die</strong> drei Themenfelder sozialwissenschaftliche<br />

Geschlechtertheorien, geschlechterpolitische Strategien und geschlechterbezogene<br />

Aspekte von <strong>Bildungsarbeit</strong> bzw. Begriffsklärung im Hinblick auf<br />

geschlechtergerechte Programmqualität. Dieses sollte verknüpft werden<br />

mit einer geschlechterbezogenen Sensibilisierung vor allem hinsichtlich der<br />

eigenen Biografie und Berufspraxis ebenso wie der alltäglichen geschlechtsbezogenen<br />

Zuschreibungsprozesse. Wichtig war außerdem <strong>die</strong> gemeinsame<br />

Entwicklung von geschlechterpolitischen Zielvorstellungen. In<br />

der Umsetzung bedeutete das:<br />

2 Zum Programmablauf des ersten Moduls vgl. <strong>die</strong> Übersicht S. 20-21.


<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> - 19 -<br />

�� Sensibilisierung: geschlechterbezogene Zuordnungsprozesse, Konstruktionsprinzipien<br />

von Geschlecht, Stereotype und ihre Funktion,<br />

Wahrnehmung und Verhalten, innere Bilder, „Männlichkeit/Weiblichkeit“,<br />

Diskriminierung qua Geschlecht, Emanzipation von Zuschreibungen.<br />

�� Begriffsklärung/theoretische Verortung: <strong>Gender</strong>, „doing gender“,<br />

„gendered institutions“, System der Zweigeschlechtlichkeit, „geschlechtsspezifisch“,<br />

Zwangsheterosexualität, hegemoniale Männlichkeit, Mittäterschaft<br />

von Frauen, Differenz, Gleichheit, Dekonstruktion, Bedeutung von<br />

Kategorien wie Ethnizität, soziale Schicht/Klasse, sexuelle Orientierung, Alter.<br />

�� Geschlechterpolitische Politikansätze: Frauenförderung, Gleichstellungspolitik,<br />

<strong>Gender</strong> Mainstreaming, Managing Diversity als Hintergrundwissen<br />

<strong>für</strong> geschlechtergerechte <strong>Bildungsarbeit</strong>.<br />

�� Geschlechterpolitische Ziele/Visionen: Geschlechtergerechtigkeit,<br />

Chancengleichheit, Geschlechterdemokratie, Gleichstellung, Gleichheit.<br />

�� Handlungsfelder, professionelle Rolle: <strong>Gender</strong>-Perspektiven im<br />

eigenen Arbeitsbereich, Institution, Umfeld, Aufgabe, Arbeitsteilung,<br />

Geschlechterhierarchien, Entscheidungsstrukturen, Konzepte, Zielgruppen,<br />

Themenfelder, Themenschwerpunkte, Erfahrungen mit geschlechterbezogener<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong>, Erarbeitung des aktuellen Standes<br />

der Auseinandersetzung mit <strong>Gender</strong> Mainstreaming in den eigenen<br />

Organisationen und Verbänden.<br />

Praxisaufgabe <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zeit bis zum 2. Modul war <strong>die</strong> Auseinandersetzung<br />

mit und <strong>die</strong> Anwendung von einem Selbstevaluierungsbogen <strong>für</strong> Dozentinnen<br />

und Dozenten, bei dem es um das eigene (geschlechterbezogene)<br />

Verhalten in pädagogischen Kontexten ging.<br />

Modul 2<br />

Geschlechtergerechte Didaktik und Methodik in der <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Im 2. Modul 3 ging es stärker um <strong>Bildungsarbeit</strong> unter <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten,<br />

insbesondere <strong>die</strong> mikro-didaktische Ebene. Ziel war eine praxisbezogene<br />

<strong>Kompetenz</strong>vermittlung, vor allem von pädagogisch-didaktischer<br />

<strong>Kompetenz</strong> auf (geschlechter-)theoretischer Grundlage sowie <strong>die</strong> Sensibilisierung<br />

<strong>für</strong> <strong>Gender</strong>-Aspekte des eigenen professionellen Handelns. Dieses<br />

geschah u.a. durch:<br />

3 Zum Programmablauf des zweiten Moduls vgl. <strong>die</strong> Übersicht S. 22-23.


- 20 -<br />

Modul 1:<br />

<strong>Gender</strong>-Perspektiven in der Weiterbildung –<br />

Theorie, Politik, Praxis“<br />

Zeit 1. Tag 2. Tag 3. Tag<br />

8.30 –<br />

8.45 Uhr<br />

8.45 –<br />

12.30<br />

Uhr<br />

14.30 –<br />

18.00<br />

Uhr<br />

19.00 –<br />

20.30<br />

Uhr<br />

Anreise<br />

Einstieg –<br />

Kennenlernen -<br />

Wahrnehmung<br />

14.00 Uhr<br />

Begrüßung<br />

Kennenlernen<br />

Ziele und Interessen<br />

der Teilnehmenden<br />

Wochenplan<br />

Verabredungen zur<br />

Zusammenarbeit<br />

Szenen aus dem Alltag<br />

(Wahrnehmungsübung)<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Warming up Warming up<br />

Biografische und<br />

theoretische<br />

Verortungen<br />

Input: Wahrnehmung<br />

im System der<br />

Zweigeschlechtlichkeit<br />

- Dimensionen des<br />

Begriffs <strong>Gender</strong><br />

<strong>Gender</strong>-Perspektiven in<br />

der eigenen Biografie<br />

AGs und Plenum<br />

Input: Theoretische<br />

Grundlagen der<br />

Frauen-, Männer- und<br />

Geschlechterforschung<br />

Überblick über <strong>die</strong><br />

gesamte Fortbildung<br />

Feedback und<br />

Tagebuch<br />

SEMINARABLAUF<br />

Geschlechterpolitische<br />

Strategien<br />

<strong>Gender</strong> Mainstreaming,Frauenförderung,<br />

Managing<br />

Diversity<br />

AGs,<br />

Podiumsdiskussion<br />

Auswertung mit<br />

ergänzendem Input<br />

GM in den<br />

beteiligten<br />

Organisationen -<br />

Standort<br />

AGs<br />

Präsentation und<br />

Austausch der AG-<br />

Ergebnisse im<br />

Plenum<br />

Zwischenbilanz<br />

Feedback und<br />

Tagebuch<br />

Filmabend (optional)


<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> - 21 -<br />

SEMINARABLAUF 1. MODUL - FORTSETZUNG<br />

Zeit 4. Tag 5. Tag<br />

8.30 –<br />

8.45 Uhr<br />

8.45 –<br />

12.30 Uhr<br />

14.30 –<br />

18.00 Uhr<br />

19.00 –<br />

20.30 Uhr<br />

Warming up Warming up<br />

Geschlechtergerechtigkeit -<br />

Übung in<br />

geschlechtshomogenen<br />

Gruppen<br />

Input: Geschlechtergerechte<br />

Programmqualität in der<br />

Weiterbildung<br />

<strong>Gender</strong>-Perspektiven im<br />

eigenen Arbeitsbereich<br />

AGs<br />

Fortsetzung der<br />

Präsentationen<br />

im Plenum<br />

Methodenreflexion<br />

Feedback und Tagebuch<br />

Selbstgestalteter Abend<br />

Evaluation und<br />

Arbeitsaufträge<br />

Input: Evaluation<br />

Evaluationsbogen der<br />

Teilnehmenden<br />

AGs und Plenum<br />

Seminarauswertung:<br />

Rückblick auf das<br />

Modul 1<br />

Arbeitsaufträge und<br />

Planung<br />

12.30<br />

Mittagessen<br />

und Abreise


- 22 -<br />

Modul 2:<br />

Geschlechtergerechte Didaktik und Methodik in der<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Zeit 1. Tag 2. Tag<br />

8.30 –<br />

8.45 Uhr<br />

8.45 –<br />

12.30 Uhr<br />

14.30 –<br />

18.00 Uhr<br />

19.00 –<br />

20.30 Uhr<br />

Anreise<br />

14.00 Begrüßung, Einstieg<br />

- „Was hat sich bei mir getan<br />

seit dem letzten Mal?“<br />

- Interessen/Fragen, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

Teilnehmenden im 2. Modul<br />

bearbeiten möchten<br />

- Planung vorstellen<br />

Auswertung der Erfahrungen<br />

mit den Selbstevaluierungsbögen<br />

(Praxisaufgabe)<br />

Prinzipien der <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Fortsetzung vom Nachmittag<br />

Tagebuch<br />

Warming up<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

SEMINARABLAUF<br />

Schwierige Situationen<br />

in der <strong>Bildungsarbeit</strong>,<br />

<strong>die</strong> mit Geschlechterverhältnissen<br />

zu tun haben<br />

AGs und Rollenspiel im Plenum<br />

Fortsetzung vom Vormittag<br />

mit ausführlichem Üben von<br />

verschiedenen Interventionsmöglichkeiten<br />

Tagebuch


<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> - 23 -<br />

SEMINARABLAUF 2. MODUL- FORTSETZUNG<br />

Zeit 3. Tag 4. Tag<br />

8.30 –<br />

8.45 Uhr<br />

8.45 –<br />

12.30 Uhr<br />

14.30 –<br />

18.00 Uhr<br />

19.00 –<br />

20.30 Uhr<br />

Warming up Warming up<br />

Gemeinsame Reflexion<br />

über <strong>die</strong> methodische<br />

Vorgehensweise bei den<br />

Rollenspielen<br />

Inszenierung der<br />

Geschlechterverhältnisse<br />

in der Weiterbildung<br />

Input und Diskussion<br />

Geschlechtergerechte<br />

Methodik und Didaktik<br />

Arbeitsgruppen<br />

Fortsetzung GGD<br />

Plenum<br />

Reflexion: Gruppendynamik<br />

Praxisprojekte<br />

AGs: Entwicklung der eigenen<br />

Umsetzungsprojekte<br />

Tagebuch<br />

Evtl. Fortsetzung der AGs<br />

zu Praxisprojekten<br />

Fortsetzung Praxisprojekte<br />

Plenum: Vorstellung der<br />

eigenen Projektideen <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Praxis<br />

„Raum <strong>für</strong> Themenspeicher“<br />

Leistungsanforderungen<br />

zur Erlangung des Zertifikats<br />

Praxisaufgabe -<br />

Arbeitsaufträge - Planung<br />

13.30 Uhr<br />

Seminarauswertung:<br />

1) Teilnehmendenfragebögen<br />

2) Gemeinsamer Rückblick<br />

3) Aufräumen<br />

15.00 Uhr Abreise


- 24 -<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

�� Sensibilisierung: Bearbeitung von schwierigen Situationen in der<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> (Seminarkonflikten) mit <strong>Gender</strong>-Dimensionen in Rollenspielen,<br />

herausarbeiten der <strong>Gender</strong>-Dimensionen, Erarbeitung von Lösungsmöglichkeiten<br />

und Interventionsstrategien.<br />

�� Theorien und Forschungen zur Weiterbildung: Auseinandersetzung<br />

mit dem eigenen erwachsenenpädagogischen Konzept, relevante<br />

Ergebnisse der zur Kommunikations- und Interaktionsforschung und<br />

der Weiterbildungsforschung zur Inszenierung von Geschlechterverhältnissen<br />

in der <strong>Bildungsarbeit</strong>, Reflexion von Methoden der Gruppendynamik<br />

unter <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten.<br />

�� Transfer/Handeln: Einführung in Konzepte und Instrumente zur<br />

Selbstevaluierung von Dozentinnen und Dozenten, Erarbeitung des<br />

Konzeptes der geschlechtergerechten Didaktik und Methodik und seiner<br />

möglichen Konsequenzen <strong>für</strong> <strong>die</strong> eigene professionelle Praxis.<br />

Die Praxisaufgabe zwischen dem 2. und 3. Modul bestand darin, sich mit<br />

<strong>Gender</strong>-Dimensionen von problematischen Situationen in Gruppen (eigenen<br />

Seminaren, Arbeitsgruppen o.ä.) und den eigenen und fremden Interventionen<br />

und ihren Wirkungen auseinander zu setzen.<br />

Modul 3<br />

Konzepte und Methoden geschlechtergerechter Bildung<br />

Auch beim 3. Modul 4 stand <strong>die</strong> mikro-didaktische Ebene des pädagogischen<br />

Handelns im Mittelpunkt der Seminararbeit. Dabei gab es zwei Schwerpunkte:<br />

geschlechtergerechte Methodik sowie Konzeptentwicklung und -<br />

beratung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Praxisprojekte der Teilnehmenden. Außerdem wurde <strong>die</strong><br />

Praxisaufgabe zu Interventionen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Teilnehmenden in der Zwischenzeit<br />

bearbeitet hatten, durchgesprochen. Die makro-didaktische Ebene<br />

wurde in einer Arbeitseinheit bearbeitet, <strong>die</strong> sich mit der <strong>Gender</strong>-Analyse<br />

von Bildungsprogrammen und Ausschreibungstexten 5 befasste. Dazu wurde<br />

umfangreiches Arbeitsmaterial verteilt 6 . In der Umsetzung finden sich folgende<br />

Themenfelder wieder:<br />

4<br />

Zum Programmablauf des dritten Moduls vgl. <strong>die</strong> Übersicht S. 26-27.<br />

5<br />

Diese Arbeitseinheit wurde nicht in allen drei Lehrgängen im 3. Modul bearbeitet. Manche<br />

Lehrgänge haben deren Bearbeitung im 4. Modul eingebaut.<br />

6<br />

Zu <strong>die</strong>sen und anderen Arbeitsblättern und –materialien, <strong>die</strong> in den GeQuaB-Modulen<br />

eingesetzt wurden, vgl. Kap. 3.


<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> - 25 -<br />

�� Handlungsfeldbezogene Sensibilisierung: Auseinandersetzung<br />

��<br />

mit Konzepten und Methoden geschlechtergerechter Bildung, u.a.<br />

durch Einführung in ‚neue‘ Methoden, mit denen Geschlecht als Thema<br />

bearbeitet werden kann, gemeinsame Weiterentwicklung der Methodenkompetenz<br />

durch Erproben von gemeinsam erarbeiteten Methoden<br />

in der Form einer Methodenwerkstatt, Reflexion von ‚Standardmethoden‘<br />

unter der Geschlechterperspektive, Erarbeitung von Reflexionsund<br />

Auswertungsmethoden <strong>für</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> jenseits von Geschlechterzuschreibungen.<br />

<strong>Gender</strong>-Analyse: anhand von Leitfragen und Hintergrundmaterialien<br />

wurden Bildungsprogramme und Ausschreibungstexte unter der Geschlechterperspektive<br />

analysiert (Inhalt, Bilder, Gestaltung, Sprache)<br />

sowie Vorschläge <strong>für</strong> <strong>die</strong> Verbesserung entwickelt.<br />

�� Konzeptentwicklung <strong>für</strong> geschlechtergerechte <strong>Bildungsarbeit</strong>:<br />

gemeinsame Erarbeitung von Anforderungen an <strong>die</strong> Praxisprojekte der<br />

Teilnehmenden (Zielsetzungen, Zielgruppe, Inhalte, Methoden, Rahmenbedingungen,<br />

Transfer, Evaluation), Darstellung und Diskussion<br />

der Konzepte <strong>für</strong> Praxisprojekte.<br />

Die Praxisaufgabe <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zeit zwischen dem 3. und 4. Modul bestand in<br />

der Durchführung des eigenen Praxisprojektes und in der Erarbeitung des<br />

Praxisberichts sowie in der Vorbereitung der Präsentation des Projektes<br />

beim 4. Modul.<br />

Modul 4<br />

Geschlechtergerechte Programmqualität: Kollegiale Beratung und<br />

Evaluation<br />

Im Mittelpunkt des 4. Moduls 7 stand <strong>die</strong> Präsentation der Praxisprojekte der<br />

Teilnehmenden. Des Weiteren wurden Qualitätskriterien <strong>für</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

sowie das Konzept der geschlechtergerechten Programmqualität auf dem<br />

Hintergrund der 1½jährigen Erfahrungen in der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> diskutiert.<br />

Je nachdem, ob in der Lehrgangsgruppe mehrere Tandems Praxisprojekte<br />

erarbeitet hatten oder ob es sich um Einzelarbeit handelte, war<br />

der Umfang der Präsentationen der Praxisprojekte in den drei Lehrgängen<br />

unterschiedlich. Programmpunkte waren im Einzelnen:<br />

7 Zum Programmablauf des vierten Moduls vgl. <strong>die</strong> Übersicht S. 28-29.


- 26 -<br />

Modul 3:<br />

Konzepte und Methoden geschlechtergerechter Bildung<br />

Zeit 1. Tag 2. Tag<br />

8.30 –<br />

8.45 Uhr<br />

8.45 –<br />

12.30 Uhr<br />

14.30 –<br />

18.00 Uhr<br />

19.00 –<br />

20.30 Uhr<br />

Anreise<br />

14.00 Uhr<br />

Begrüßung, Einstieg<br />

�� Anknüpfen an das<br />

vergangene Seminar<br />

�� Erläuterung des<br />

Seminarablaufs<br />

�� Abklärung der Erwartungen<br />

der Teilnehmenden<br />

Kommunikation,<br />

Interaktion<br />

<strong>Gender</strong>-Orientierungsreise<br />

Fortsetzung vom Nachmittag<br />

Tagebuch<br />

Warming up<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

SEMINARABLAUF<br />

Methodenwerkstatt<br />

Geschlechtergerechte Methodik<br />

in der Erwachsenenbildung<br />

und außerschulischen<br />

Jugendbildung<br />

Austausch über Methoden und<br />

Modifizierung von Methoden<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> eigene geschlechtergerechte<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Arbeitsgruppen, Plenum<br />

Fortsetzung<br />

vom Vormittag<br />

Reflexion des Tages<br />

Tagebuch


<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> - 27 -<br />

Zeit 3. Tag 4. Tag<br />

8.30 –<br />

8.45 Uhr<br />

8.45 –<br />

12.30 Uhr<br />

14.30 –<br />

18.00 Uhr<br />

19.00 –<br />

20.30 Uhr<br />

SEMINARABLAUF 3. MODUL - FORTSETZUNG<br />

Warming up Warming up<br />

Umgang mit Widerständen<br />

in der <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

(Micro- und Macro-Didaktik),<br />

<strong>die</strong> sich am Thema Geschlecht<br />

entzünden<br />

Arbeitsgruppen und Plenum<br />

im Wechsel<br />

ALTERNATIV ODER IN<br />

THEMENVERSCHIEDENEN AGS<br />

<strong>Gender</strong>-Analyse von<br />

Bildungsprogrammen und<br />

Ausschreibungstexten<br />

Reflexions- und Feed-back-<br />

Methoden<br />

Feed-back-Methoden<br />

austauschen, erproben,<br />

Auswertungsfragen<br />

gemeinsam entwickeln<br />

Arbeitsgruppen,<br />

Plenumsgespräch<br />

Tagebuch<br />

Führung<br />

durch <strong>die</strong> Kolonie Alsen<br />

Praxisaufgabe: Interventionen<br />

Erfahrungsaustausch in<br />

Kleingruppen, Plenum<br />

Zum Stand der konzeptionellen<br />

Erarbeitung der Praxisprojekte<br />

Austausch, Klärungsbedarf,<br />

weitere Planungen,<br />

evtl. Beratung <strong>für</strong> einzelne<br />

Praxisprojekte in Kleingruppen<br />

13.30 Uhr<br />

Arbeitsaufträge und Planung<br />

Aufgabe <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zeit zwischen<br />

den Modulen<br />

Seminarauswertung<br />

15.00 Uhr Abreise


- 28 -<br />

Modul 4:<br />

Geschlechtergerechte Programmqualität:<br />

Kollegiale Beratung und Evaluation<br />

Zeit 1. Tag 2. Tag 3. Tag<br />

8.30 –<br />

8.45<br />

Uhr<br />

8.45 –<br />

12.30<br />

Uhr<br />

14.30<br />

–<br />

18.00<br />

Uhr<br />

19.00<br />

–<br />

20.30<br />

Uhr<br />

Anreise<br />

14.00 Uhr<br />

Begrüßung, Einstieg<br />

Planspiel:<br />

Geschlechtergerechte<br />

Programmqualität<br />

Arbeitsgruppen,<br />

Präsentation im Plenum<br />

Auswertung des<br />

Planspiels<br />

Geschlechtergerechte<br />

Programmqualität<br />

Input<br />

Tagesauswertung<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

SEMINARABLAUF<br />

Warming up Warming up<br />

<strong>Gender</strong>-Analyse von<br />

Bildungsprogrammen<br />

Kleingruppenarbeit zu<br />

mitgebrachten<br />

Ausschreibungen und<br />

Programmen,<br />

Checklisten<br />

Quellen meines<br />

Konzepts<br />

Bearbeitung eigener<br />

Qualitätskriterien<br />

Einzelarbeit, Dy- oder<br />

Triaden<br />

Tagesauswertung<br />

Präsentation<br />

der<br />

Praxisprojekte<br />

Präsentation<br />

der<br />

Praxisprojekte<br />

Präsentation<br />

der<br />

Praxisprojekte<br />

Tagesauswertung


<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> - 29 -<br />

SEMINARABLAUF 4. MODUL - FORTSETZUNG<br />

Zeit 4. Tag 5. Tag<br />

8.30 –<br />

8.45 Uhr<br />

8.45 –<br />

12.30 Uhr<br />

14.30 –<br />

18.00 Uhr<br />

19.00 –<br />

20.30 Uhr<br />

Warming up Warming up<br />

Präsentation<br />

weiterer<br />

Praxisprojekte<br />

Auswertung<br />

der Präsentationen<br />

der Praxisprojekt-<br />

Weitere Zusammenarbeit<br />

Ideensammlung zur<br />

weiteren<br />

Zusammenarbeit,<br />

Vernetzung<br />

Tagesauswertung<br />

Selbstgestalteter Abend<br />

Zertifikat<br />

Information und<br />

Gespräch<br />

Auswertung<br />

und Reflexion<br />

des Seminars<br />

Mittagessen und Abreise


- 30 -<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

�� Sensibilisierung: Auseinandersetzung mit den Quellen des eigenen<br />

Bildungskonzeptes.<br />

�� Handeln/Transfer: Präsentation der erprobten Praxisprojekte der<br />

Teilnehmenden und gemeinsame Bearbeitung der Projekte mit der<br />

Methode der Kollegialen Beratung, Auseinandersetzung mit vorhandenen<br />

Qualitätskriterien <strong>für</strong> geschlechtergerechte <strong>Bildungsarbeit</strong> und<br />

Entwicklung von Kriterien <strong>für</strong> <strong>die</strong> eigene <strong>Bildungsarbeit</strong>. Entwicklung<br />

von Ideen und Konzepten <strong>für</strong> <strong>die</strong> weitere Zusammenarbeit nach Abschluss<br />

der <strong>Qualifizierung</strong>, Erarbeitung von Vorschlägen <strong>für</strong> Präsentationen<br />

beim Vernetzungsworkshop.<br />

�� Evaluation: Auswertung und Reflexion des Seminars und der<br />

gesamten Fortbildung.<br />

Alle vier Module waren so aufgebaut, dass TrainerInnen und Teilnehmende<br />

gemeinsam <strong>die</strong> jeweiligen Themenstellungen bearbeitet haben. Im Sinne<br />

eines erwachsenengerechten Lehrens und Lernens verstanden wir <strong>die</strong><br />

Seminarplanung und <strong>die</strong> vorbereiteten Arbeitsmaterialien und Theorie-Inputs<br />

als Lern-Angebote, dessen konkrete Ausfüllung und Umsetzung von dem<br />

Engagement und den Interessen der Teilnehmenden gefüllt und konkretisiert<br />

wurde. Dabei spielte <strong>die</strong> Seminargruppe und der Bezug auf <strong>die</strong> gemeinsamen<br />

(Lern-)Erfahrungen eine wichtige Rolle.<br />

Von der mikro-didaktischen Struktur her fand in jedem Modul ein regelmäßiger<br />

Wechsel zwischen Einzelarbeit, Gruppenarbeit und Plenumsphasen<br />

statt. Das <strong>die</strong>nte vor allem auch dazu, immer wieder den Bezug zu der eigenen<br />

Berufspraxis herzustellen und neue theoretische wie praktische Ansätze<br />

in das vorhandene eigene Konzept zu integrieren. Dieses verlief nicht<br />

immer konfliktfrei und war bei den einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmern<br />

– je nach professionellem Hintergrund und biografischen Erfahrungen<br />

– durchaus unterschiedlich.<br />

Literatur<br />

Acker, Joan 1991: Hierarchies, Jobs, Bo<strong>die</strong>s: A Theory of <strong>Gender</strong>ed Organizations.<br />

In: Lorber/ Farell (Hrsg.): The social Construction of <strong>Gender</strong>, London/<br />

New Delhi, S. 162 -179<br />

Derichs-Kunstmann, Karin 2005: Didaktische und methodische Überlegungen<br />

zur Gestaltung von <strong>Gender</strong> Trainings bzw. <strong>Gender</strong> Workshops. In: GEcel-Projektgruppe<br />

(Hrsg.): GEcel - Politische Bildung und Lernen <strong>für</strong> <strong>Gender</strong>


<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> - 31 -<br />

Mainstreaming. Beispiele guter Trainings-Praxis - Höhepunkte und Hindernisse.<br />

Bundeszentrale <strong>für</strong> politische Bildung. Roskilde/Bonn 2005, S. 41-45<br />

Derichs-Kunstmann, Karin 2006: <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Implementierung<br />

als Beitrag zur Qualitätsentwicklung in Weiterbildungseinrichtungen. In:<br />

Jahrbuch Arbeit, Bildung, Kultur, Bd. 23/24, Recklinghausen 2005/2006, S.<br />

103-117<br />

Derichs-Kunstmann, Karin 2006: <strong>Gender</strong>kompetenz als Schlüsselkompetenz<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> politische Bildung. In: Praxis Politische Bildung. 10. Jhg., 3. Vj. 2006,<br />

S. 172-177<br />

Derichs-Kunstmann, Karin 2007 (Hrsg.): <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

- Transfer und Vernetzung. Dokumentation des Workshops vom<br />

23. bis 25. Februar 2007 im ver.di Bildungs- und Begegnungszentrum Clara<br />

Sahlberg in Berlin. Verlag Forschungsinstitut Arbeit, Bildung, Partizipation.<br />

Materialien aus der Frauen- und Geschlechterforschung, Bd. 9. Recklinghausen,<br />

November 2007<br />

Derichs-Kunstmann, Karin 2008 (Hrsg.): <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in Bildungsforschung<br />

und –praxis. Dokumentation der Fachtagung am 20. November<br />

2007 in Recklinghausen. Verlag Forschungsinstitut Arbeit, Bildung, Partizipation.<br />

Materialien aus der Frauen- und Geschlechterforschung, Bd. 10.<br />

Recklinghausen, Februar 2008<br />

Derichs-Kunstmann, Karin; Kaschuba, Gerrit; Schnier, Victoria 2008: „Wie<br />

kann man <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> vermitteln? Das GeQuaB-Konzept und seine<br />

Übertragungsfähigkeit auf <strong>die</strong> Hochschule“. Vortrag auf der Tagung „<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong><br />

in Forschung, Lehre und Verwaltung“ in der Universität Luxemburg<br />

am 24.6.08. Online-Publikation: http://www.gender-qualifizierung.de/<br />

GeQuaB_Luxemburg-deutsch.pdf<br />

Forschungsinstitut Arbeit Bildung Partizipation e.V., Institut an der<br />

Ruhr-Universität Bochum, Bereich Frauen- und Geschlechterforschung (FIAB<br />

2004): Vorhabenbeschreibung Modellprojekt „<strong>Gender</strong> Mainstreaming-<strong>Qualifizierung</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Weiterbildung“ GM-Qua-BiA. Entwicklung, Erprobung und<br />

Evaluierung eines Zertifikats-Lehrgangs <strong>für</strong> haupt- und nebenberufliche Dozentinnen<br />

und Dozenten aus der Weiterbildung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Umsetzung geschlechtergerechter<br />

Programmqualität. Recklinghausen, September 2004<br />

Kaschuba, Gerrit 2004: Von der Wundertüte zum kontrollierten Einsatz? Anregungen<br />

zur prozessorientierten Entwicklung von Qualitätskriterien <strong>für</strong> <strong>Gender</strong><br />

Trainings. In: Netzwerk <strong>Gender</strong> Training (Hrsg.): Geschlechterverhältnisse<br />

bewegen – Erfahrungen mit <strong>Gender</strong> Trainings. Königstein/Taunus<br />

Kaschuba, Gerrit 2005: Theoretische Grundlagen einer geschlechtergerechten<br />

Didaktik. Begründungen und Konsequenzen. In: Literatur- und Forschungsreport<br />

Weiterbildung 1/2005, S. 67-74


- 32 -<br />

Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation<br />

1.3 Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation des<br />

Fortbildungskonzeptes der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en<br />

Gerrit Kaschuba, Sibylle Hahn<br />

Die wissenschaftliche Evaluation des Modellprojekts GeQuaB begleitete den<br />

gesamten Projektzeitraum. Ihr Ziel lag in der Überprüfung der Fortbildungskonzeption<br />

in ihrem Aufbau mit vier Modulen und in der Überprüfung<br />

des Curriculums der einzelnen Module sowie in der Klärung der Übertragbarkeit<br />

des Konzepts. Folgende zentrale Fragestellungen lagen der Überprüfung<br />

des Konzepts zugrunde und sollten zu seiner Weiterentwicklung<br />

beitragen:<br />

�� Welche Lernprozesse reflektieren <strong>die</strong> Teilnehmenden im Zusammenhang<br />

mit der Fortbildung? Inwieweit ist <strong>die</strong> Vermittlung von <strong>Gender</strong>-<br />

<strong>Kompetenz</strong>en <strong>für</strong> MultiplikatorInnen in der <strong>Bildungsarbeit</strong> erreicht?<br />

�� Welche Bestandteile des Konzeptes haben sich bewährt und welche<br />

Veränderungen sind nötig? Dies wird unter anderem daran gemessen,<br />

inwieweit das Konzept es ermöglicht, <strong>Gender</strong>-Konstruktionen zu hinterfragen<br />

und den Blick auf <strong>die</strong> Vielfalt zu öffnen, ohne Geschlecht als<br />

Strukturkategorie und <strong>die</strong> Macht der Verhältnisse zu negieren.<br />

�� Was sind <strong>die</strong> Konsequenzen <strong>für</strong> <strong>die</strong> konzeptionelle Weiterentwicklung<br />

und gleichzeitig <strong>für</strong> einen Transfer des Konzeptes?<br />

Das Design der Evaluation<br />

Bei der Evaluation wurden verschiedene Perspektiven miteinbezogen. Dieses<br />

mehrperspektivische Vorgehen bezog sich zum einen auf <strong>die</strong> rekonstruktive<br />

Sicht der Teilnehmenden, aber auch des Leitungsteams, zum andern<br />

auf <strong>die</strong> interaktiven Ebenen im Fortbildungsgeschehen.<br />

�� Perspektive der Teilnehmenden: Die Teilnehmenden wurden mittels<br />

Fragebögen am Ende jedes Moduls zu ihren Lernprozessen und vor<br />

allem zu Inhalten und Vorgehensweisen der Fortbildung befragt. Diese<br />

Befragung wurde ergänzt durch diskursive Auswertungsrunden am<br />

Ende eines jeden Moduls. Nach Abschluss der gesamten Fortbildung<br />

erfolgten in einem Abstand von etwa drei Monaten drei Gruppendis-


Gerrit Kaschuba, Sibylle Hahn - 33 -<br />

kussionen, <strong>die</strong> entsprechend der drei Lehrgänge zusammengesetzt<br />

waren.<br />

�� Perspektive der Leitungsteams: Die beiden Frau-Mann-Teams erhielten<br />

einen Selbstevaluationsbogen, der in Form der Einzelarbeit eingesetzt<br />

wurde, der aber auch als Leitfaden <strong>für</strong> <strong>die</strong> kollegiale Reflexion in<br />

beiden Teams direkt nach jedem Modul <strong>die</strong>nte.<br />

�� Teilnehmende Beobachtung der Fortbildung: Das „Bildungsgeschehen<br />

vor Ort“ wurde mit der Methode der teilnehmenden Beobachtung erfasst.<br />

In jedem Lehrgang fand einmal während der gesamten Laufzeit<br />

eine teilnehmende Beobachtung durch eine externe Evaluatorin statt.<br />

Das bedeutet, pro Modul beobachtete <strong>die</strong> Wissenschaftlerin das Fortbildungskonzept<br />

und seine Resonanz jeweils in einem anderen Lehrgang.<br />

So konnten einzelne Konzeptionsbestandteile in ihrer „Passung“<br />

auf <strong>die</strong> verschiedenen Gruppen überprüft werden.<br />

Die Ergebnisse der Evaluierung flossen fortlaufend in <strong>die</strong> Weiterentwicklung<br />

der Module und des gesamten Lehrgangskonzeptes ein. Es handelte sich<br />

um eine responsive Evaluation, um eine Praxisforschung, <strong>die</strong> als Handlungsforschung<br />

angelegt war 1 . Das beinhaltet eine intensive Verbindung<br />

zwischen Konzeptentwicklung, Durchführung und Weiterentwicklung des<br />

Konzepts aufgrund der empirischen Ergebnisse und folgt der Prämisse der<br />

Prozessorientierung.<br />

Bei den Projektsitzungen, bei denen beide Teams vertreten waren und <strong>die</strong><br />

jeweils zwischen den Modulen stattfanden, wurden Rückmeldungen durch<br />

<strong>die</strong> beiden wissenschaftlichen Evaluatorinnen in das Modellprojekt eingespeist,<br />

<strong>die</strong> aufgrund der Auswertung der teilnehmenden Beobachtung, der<br />

Teilnehmendenrückmeldungen und auf der Basis unmittelbarer Team-Reflexionen<br />

im Anschluss an jedes Modul erfolgten. Dabei ging es um grundlegende<br />

Ausrichtungen des Gesamtkonzepts wie etwa <strong>die</strong> Verbindung zwischen<br />

<strong>Gender</strong>-Theorie und Praxis.<br />

1 Zwei Wissenschaftlerinnen des Forschungsinstituts tifs e.V. führten <strong>die</strong> Evaluation in<br />

Form einer Selbst- und einer Fremdevaluation durch. Eine Evaluatorin arbeitete im Feld,<br />

d.h. im GeQuaB-Team (Gerrit Kaschuba), und übernahm den Teil der Selbstevaluation<br />

wie etwa <strong>die</strong> Teilnehmendenfragebögen. Die externe Evaluatorin (Sibylle Hahn) übernahm<br />

<strong>die</strong> teilnehmende Beobachtung und Befragungsanteile. Damit war eine reflexive<br />

Evaluation gewährleistet.


- 34 -<br />

Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation<br />

Anlage der Evaluation des Modellprojekts GeQuaB<br />

Noch engmaschiger erfolgte <strong>die</strong> Rückmeldung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Weiterentwicklung<br />

jedes einzelnen Moduls innerhalb der drei Lehrgänge, <strong>die</strong> zeitlich versetzt<br />

stattfanden. So wurden etwa aufgrund der Auswertung der Teilnehmendenrückmeldungen<br />

sowie der Team-Reflexion nach der Durchführung des<br />

Moduls 1 beim Lehrgang A konzeptionelle Änderungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Durchführung<br />

des Moduls 1 bei Lehrgang B vorgenommen.<br />

Vielfältige Ausgangsbedingungen<br />

Die Evaluation musste <strong>die</strong> unterschiedlichen Ausgangsbedingungen der<br />

Teilnehmenden bzw. der Zusammensetzung der Lehrgruppen insofern berücksichtigen,<br />

als sie in <strong>die</strong> Bewertung der Lernerfolge und des Konzepts<br />

mit hinein spielen. Diese Vielfalt wurde maßgeblich bestimmt durch:<br />

�� <strong>die</strong> vier verschiedenen Verbände der Erwachsenenbildung,<br />

�� <strong>die</strong> unterschiedlichen Zugangsbedingungen zur Fortbildung je nach<br />

Verband entweder ausschließlich als Frau-Mann-Tandem oder als Einzelperson,


Gerrit Kaschuba, Sibylle Hahn - 35 -<br />

�� den unterschiedlichen Status als Hauptamtliche und Nebenamtliche<br />

bzw. Freiberufliche,<br />

�� <strong>die</strong> beiden zentralen Tätigkeitsbereiche im Rahmen der Fortbildung zu<br />

„Programmqualität“: <strong>die</strong> Organisation/Planung und <strong>die</strong> Durchführung<br />

von <strong>Bildungsarbeit</strong>,<br />

�� <strong>die</strong> unterschiedlichen Zielgruppen der Teilnehmenden durch <strong>die</strong><br />

Arbeitsfelder Jugendbildung und Erwachsenenbildung,<br />

�� <strong>die</strong> unterschiedlichen fachlichen Voraussetzungen der Teilnehmenden<br />

in Bezug auf <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> und Erfahrungen in der <strong>Bildungsarbeit</strong>,<br />

soziale Faktoren wie Alter, Bildungshintergrund und Herkunft,<br />

wobei <strong>die</strong> Mehrheit aus den „alten“ Bundesländern und zwei Teilnehmende<br />

aus den „neuen“ Bundesländern kamen sowie ein weiterer<br />

Teilnehmender einen Migrationshintergrund hatte,<br />

�� <strong>die</strong> unterschiedlichen Interessen in Bezug auf <strong>die</strong> Fortbildung: Manche<br />

wollten vor allem ein Zertifikat, um ihre Ausgangsbedingungen auf<br />

dem Markt zu verbessern, um sich in dem fachlichen Kontext zu vergewissern,<br />

weiterzuentwickeln, <strong>für</strong> andere wiederum stand mehr oder<br />

weniger an, sich zum ersten Mal intensiver über einen längeren Zeitraum<br />

mit der <strong>Gender</strong>-Perspektive zu beschäftigen,<br />

�� <strong>die</strong> zwei unterschiedlichen Mann-Frau-TrainerInnen-Teams, wobei vor<br />

allem <strong>die</strong> Generationenzugehörigkeit und <strong>die</strong> Form der Zusammenarbeit<br />

neben dem immer in das Fortbildungsgeschehen hineinwirkenden<br />

Faktor unterschiedlicher Persönlichkeiten zu nennen sind.<br />

<strong>Gender</strong>-kompetent - Lernprozesse der Teilnehmenden<br />

Das Fortbildungskonzept zielt auf <strong>die</strong> (Weiter-)Entwicklung von <strong>Gender</strong>-<br />

<strong>Kompetenz</strong>en <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong>. Der Begriff zählt zu den Schlüsselqualifikationen<br />

(vgl. Metz-Göckel/Roloff 2002) und verweist auf <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-<br />

Perspektive als Querschnittsperspektive. <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> bezieht sich<br />

auf alle Lebensbereiche und auf <strong>die</strong> verschiedenen Ebenen des Wollens,<br />

d.h. der geschlechterbezogenen Selbstreflexivität und der Motivation, des<br />

<strong>Gender</strong>-Wissens und des geschlechterbezogenen Könnens und Handelns<br />

Der <strong>Kompetenz</strong>begriff ist subjektorientiert und basiert auf formellen, aber<br />

auch informellen Lernprozessen, <strong>die</strong> von besonderer Bedeutung <strong>für</strong> den<br />

Umgang mit Geschlechterverhältnissen und -konstruktionen sind. Bei der<br />

Nutzung des Terminus „<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong>en“ im Evaluationskonzept wird<br />

differenziert zwischen personaler <strong>Kompetenz</strong>, Fach- und Sachkompetenz –


- 36 -<br />

Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation<br />

vor allem theoretische <strong>Gender</strong>-Kenntnisse in ihrer Anwendung im Bildungsgeschehen<br />

–, Methodenkompetenz und Sozialkompetenz. Wichtig ist darüber<br />

hinaus <strong>die</strong> Berücksichtigung einer geschlechterpolitischen Dimension<br />

von sozialer <strong>Kompetenz</strong>, <strong>die</strong> sich an einem weiter gefassten Politikbegriff<br />

orientiert und sich auf <strong>die</strong> verschiedenen gesellschaftlichen Konfliktlinien<br />

und (<strong>Gender</strong>-)Interessen bezieht (vgl. Negt 1990, Kaschuba 2005).<br />

Lernprozesse wurden von den Teilnehmenden stärker in den späteren<br />

Gruppeninterviews benannt als in den Fragebögen und mündlichen Auswertungsrunden<br />

direkt im Anschluss an <strong>die</strong> einzelnen Module. Der zeitliche<br />

Abstand und das Eintauchen in den Alltag machten <strong>die</strong>se Wirkungen von<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> erst erfahrbar. Der folgende Überblick fasst <strong>die</strong> von den<br />

Teilnehmenden reflektierten <strong>Kompetenz</strong>en zusammen.<br />

Personale <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong><br />

Die persönliche Sensibilisierung bis hin zur Veränderung der eigenen Haltung<br />

wurde im Zusammenhang mit der beruflichen <strong>Qualifizierung</strong> von Teilnehmenden<br />

wahrgenommen. Die eigene Position konnten auch <strong>die</strong>jenigen<br />

mit bereits vorhandenem <strong>Gender</strong>-Wissen reflektieren. Häufig wurde ein<br />

selbstbewussteres Auftreten und ein Sich-Entgegen-Stellen gegenüber dem<br />

Schubladen-Denken geschildert: So sprach eine Teilnehmerin über ihr Auftreten<br />

und Eintreten <strong>für</strong> eine stärkere Berücksichtigung der <strong>Gender</strong>-Perspektive<br />

in der <strong>Bildungsarbeit</strong> in einem „Teamenden-Arbeitskreis“ von ver.di,<br />

„ohne zu <strong>für</strong>chten, wieder in <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Schublade gesteckt zu werden“<br />

(A,F,4). Damit verbunden wurde <strong>die</strong> Stärkung des Durchhaltevermögens<br />

erlebt. Das Thema wurde seit der Fortbildung mit mehr Selbstverständlichkeit<br />

eingefordert und häufig konnte <strong>die</strong> Erfahrung gemacht werden,<br />

dass <strong>die</strong>se Haltung Erfolg bringt. So schilderte ein Teilnehmer: „Wenn was<br />

bei <strong>Gender</strong>-Themen abschlägig beschieden wurde, habe ich mich früher<br />

schneller ausmanövrieren lassen, und heute merke ich, ich setze viel mehr<br />

nach, und schönerweise, es zeigt Wirkung“ (C,M,3). Vor allem bei Männern<br />

gab es <strong>die</strong> Erkenntnis, „das hat unheimlich viel mit mir zu tun“ (C,M,4).<br />

Fachlichkeit<br />

An erster Stelle wurden ein professionellerer Umgang mit dem <strong>Gender</strong>-<br />

Thema und mit Personengruppen resümiert. Die Implementierung der<br />

<strong>Gender</strong>-Perspektive in <strong>die</strong> eigene Praxis erfolgte, d.h. <strong>die</strong> Teilnehmenden<br />

konnten den fachlichen <strong>Kompetenz</strong>zuwachs als eine <strong>Qualifizierung</strong> der ei-


Gerrit Kaschuba, Sibylle Hahn - 37 -<br />

genen Seminarpraxis bzw. des Alltagsgeschäfts erleben. Stellenweise wurde<br />

<strong>die</strong>s als bewussteres Einflechten von gender-bezogenen Elementen in <strong>die</strong><br />

Seminare beschrieben. Bei Einzelnen hatte <strong>die</strong> Fortbildung zur Folge, dass sie<br />

sich beruflich neu orientierten und <strong>Gender</strong>-Fortbildungen anbieten wollten.<br />

Methodenkompetenz<br />

Die Methodenkompetenz konnten einige bezogen auf <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

allgemein, der überwiegende Teil aber vor allem mit dem Fokus auf <strong>die</strong><br />

<strong>Gender</strong>-Perspektive erweitern. Wichtig ist, dass <strong>die</strong> Rückmeldung einiger,<br />

grundsätzlich ihre Methodenkompetenz erweitert zu haben, unterstreicht,<br />

dass mit der geschlechtergerechten Didaktik bzw. der durchgängigen Berücksichtigung<br />

der <strong>Gender</strong>-Perspektive Grundlagen und Prinzipien der Erwachsenenbildung<br />

eine differenzierte Anwendung finden.<br />

Soziale <strong>Kompetenz</strong><br />

Als Lerngewinn im Bereich Soziale <strong>Kompetenz</strong>en wurde an erster Stelle bezeichnet,<br />

dass es im Laufe der Fortbildung möglich wurde, sich gegenseitig<br />

Rückmeldungen in Bezug auf geschlechterbezogene Konstruktionen zu geben,<br />

ebenso das Erleben von Konfliktlösungen durch <strong>die</strong> Gruppe oder moderiert<br />

durch das Leitungsteam.<br />

Gesellschaftspolitische Dimension des <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong>erwerbs<br />

Diese Dimension nahmen <strong>die</strong> Teilnehmenden häufig als einen „Nebennutzen“<br />

wahr, indem <strong>die</strong> Thematik von ihnen in andere Bereiche eingebracht wurde<br />

wie beispielsweise beim Ehrenamt in der Schule der Kinder. Weitere Beispiele<br />

<strong>für</strong> den gesamten Lebenshorizont wurden genannt. Auswirkungen hatte <strong>die</strong><br />

Teilnahme an der Fortbildung auch auf das verbandspolitische Engagement �<br />

etwa sich in einer Kommission zu engagieren, um mit dem Thema im<br />

Verband politisch weiterzuarbeiten. Durch <strong>die</strong> intensive Beschäftigung mit<br />

<strong>Gender</strong> Mainstreaming konnte das Thema anders in <strong>die</strong> Organisation<br />

eingebracht, thematisiert und durchgesetzt werden. So wurde <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-<br />

Perspektive beispielsweise bereits in Standardkonzepte eingeflochten.<br />

Beim Thema <strong>Kompetenz</strong>entwicklung wiesen <strong>die</strong> Teilnehmenden auch explizit<br />

auf konzeptionelle Verbesserungsnotwendigkeiten bzw. strukturelle<br />

Grenzen ihrer Institutionen hin. Verbesserungsmöglichkeiten sahen vor allem<br />

<strong>die</strong> Planenden von <strong>Bildungsarbeit</strong>, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Weiterentwicklung ihrer beruflichen<br />

<strong>Kompetenz</strong> nur eingeschränkt <strong>für</strong> ihre unmittelbare Arbeit erfah-


- 38 -<br />

Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation<br />

ren haben. Gleichzeitig äußerten sie durchaus, dass sich <strong>die</strong> <strong>Qualifizierung</strong><br />

in ihrer Programmplanung bemerkbar machte. Auch wurden Auswirkungen<br />

im Umgang mit DozentInnen bei deren Einstellung genannt.<br />

Strukturelle Probleme der Umsetzung im Alltag wurden bei der Zusammenarbeit<br />

mit KollegInnen und Vorgesetzten ohne <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong>en bzw.<br />

bei denjenigen, <strong>die</strong> nicht an der Fortbildung teilgenommen haben, erlebt.<br />

Teilnehmende an GeQuaB kritisierten deren Trägheit und wiesen auf <strong>die</strong><br />

Notwendigkeit der Veränderung von Rahmenbedingungen hin, um <strong>Gender</strong>-<br />

<strong>Kompetenz</strong>en im Alltag in vollem Umfang einbringen zu können.<br />

Das GeQuaB-Konzept auf dem Prüfstand<br />

Das Konzept wird im Folgenden bezogen auf <strong>die</strong> Dimensionen Inhalte,<br />

Teilnehmende, Methoden, Leitungsteam und Rahmenbedingungen reflektiert.<br />

Dabei werden – basierend auf den Befragungen und der teilnehmenden<br />

Beobachtung – jeweils <strong>die</strong> wichtigsten Aspekte von dem, was sich bewährt<br />

hat, und dem, was es zu verändern gilt, dargestellt.<br />

Die Inhalte<br />

Bewährt haben sich einzelne Bausteine der vier Module, jedoch nicht unbedingt<br />

in der jeweiligen Zusammenstellung oder Durchführung.<br />

Modul 1: <strong>Gender</strong>-Perspektiven in der Weiterbildung – Theorie,<br />

Politik, Praxis<br />

Themen: Geschlechterbezogene Theorie und Politik, <strong>Gender</strong>-Aspekte der<br />

eigenen Biografie und Berufspraxis, Geschlechtergerechte Programmqualität<br />

Das erste Modul wurde als Grundlagen-Modul wahrgenommen. Alle Lehrgangsgruppen<br />

bewerteten <strong>die</strong> Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie<br />

unter <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten, mit den Ansätzen von <strong>Gender</strong> Mainstreaming,<br />

Managing Diversity und Frauenförderung und das Auffächern<br />

von geschlechtergerechter Programmqualität in Makro- und Mikrodidaktik<br />

überwiegend positiv. Der Input zu theoretischen Grundlagen der Frauen-,<br />

Männer- und Geschlechterforschung wurde in den verschiedenen Gruppen<br />

als wichtig bewertet, wobei der Rekurs auf <strong>die</strong> Männerforschung als<br />

ausbaufähig rückgemeldet wurde. Insgesamt zeigte sich bei den theoretischen<br />

Inputs <strong>die</strong> Spanne der Wissensstände der Teilnehmenden besonders<br />

deutlich: Für einige war es eine Fülle an Input, <strong>für</strong> andere war vieles


Gerrit Kaschuba, Sibylle Hahn - 39 -<br />

bereits bekannt. Punktuelle unterschiedliche thematische Schwerpunktsetzungen<br />

in den Gruppen machen deutlich, dass das Konzept flexibel auf <strong>die</strong><br />

Bedürfnisse der Teilnehmenden eingehen muss.<br />

Modul 2: Geschlechtergerechte Didaktik und Methodik in der<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Themen: Forschung zu geschlechterbezogenen Konstruktionsprozessen in<br />

der Bildung, Geschlechtergerechte Didaktik, Sensibilisierung <strong>für</strong> <strong>Gender</strong>-Aspekte<br />

des eigenen Bildungshandelns und <strong>für</strong> Interventionsmöglichkeiten,<br />

Selbstevaluations- und Teilnehmendenfragebögen<br />

In dem zweiten Modul wurde <strong>die</strong> begriffliche Klärung und Darstellung des<br />

Ansatzes der geschlechtergerechten Didaktik <strong>für</strong> wichtig gehalten. Dies galt<br />

auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> Vermittlung von Forschungsergebnissen zur „Inszenierung der<br />

Geschlechterverhältnisse in der <strong>Bildungsarbeit</strong>“. Allerdings erfolgten hier<br />

Anmerkungen in Bezug auf <strong>die</strong> Wiedergabe des Forschungsstandes als<br />

Gefahr der Reproduktion des Systems der Zweigeschlechtlichkeit, wenn<br />

nicht <strong>die</strong>se Gefahr thematisiert wird und Befunde kritisch durchleuchtet<br />

werden. Die Sensibilisierung <strong>für</strong> <strong>Gender</strong>-Aspekte des eigenen Handelns und<br />

das Entwickeln von Interventionen in Rollenspielen zu „Schwierigen Situationen<br />

in der <strong>Bildungsarbeit</strong>“ wurde – vorwiegend von Teilnehmenden, <strong>die</strong> in<br />

der Durchführung der <strong>Bildungsarbeit</strong> tätig sind – als eindrücklich gewertet.<br />

Modul 3: Konzepte und Methoden geschlechtergerechter Bildung<br />

Themen: Methodenwerkstatt mit gender-bezogener Reflexion, Kommunikation,<br />

Umgang mit Widerständen<br />

Schwerpunkte der positiven Bewertung waren <strong>die</strong> Methodenwerkstatt unter<br />

der <strong>Gender</strong>-Perspektive, <strong>die</strong> Beschäftigung mit Reflexions- und Feedback-<br />

Methoden, der Umgang mit Widerständen gegenüber <strong>Gender</strong> Mainstreaming<br />

bzw. <strong>Gender</strong>-Aspekten in der Bildung sowie <strong>die</strong> Durchführung einer<br />

„<strong>Gender</strong>-Orientierungsreise“. Hier fand eine Auseinandersetzung mit Erkenntnissen<br />

aus der Kommunikationswissenschaft und <strong>Gender</strong>-Forschung<br />

statt. Dabei zeigte sich wiederum in der Rückmeldung <strong>die</strong> Spanne zwischen<br />

gender-theoretisch Versierten und denjenigen, <strong>die</strong> sich bis dahin weniger<br />

theoretisch auseinandergesetzt hatten, und <strong>für</strong> <strong>die</strong> es erläuternde Zusatzinformationen<br />

gebraucht hätte. Dieses Modul wurde bei allen Gruppen besonders<br />

positiv hervorgehoben: „Diese Woche ist es mir locker von der<br />

Hand gegangen“, „<strong>die</strong>se Woche hatte eine gewisse Leichtigkeit“. Die Be-


- 40 -<br />

Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation<br />

wertung wurde zum einen in Verbindung gebracht mit der Tatsache, dass<br />

<strong>die</strong> Teilnehmenden aktiver werden konnten, zum andern aber auch damit,<br />

dass an <strong>die</strong> Erkenntnisse aus den vorangegangenen Modulen angeknüpft<br />

werden konnte. Vor allem eine Lehrgruppe benannte, dass sich das Modul<br />

dadurch auszeichne, dass Inhalte, Methoden und <strong>die</strong> Gruppenentwicklung<br />

ineinander griffen.<br />

Modul 4: Geschlechtergerechte Programmqualität, kollegiale<br />

Beratung, Evaluation<br />

Themen: Praxisprojekte, kollegiale Beratung, Analyse und Gestaltung von<br />

Bildungsprogrammen, Standortbestimmung, Qualitätskriterien<br />

Als Bereicherung wurde vor allem <strong>die</strong> Präsentation der Praxisprojekte und<br />

deren Bearbeitung in Form der kollegialen Beratung erlebt. Ebenso fand <strong>die</strong><br />

<strong>Gender</strong>-Analyse von Bildungsprogrammen und deren Umwandlung in neue<br />

geschlechtergerechte Ausschreibungstexte bzw. Gestaltungen eines ganzen<br />

Programms großen Anklang. Als sehr wichtig <strong>für</strong> <strong>die</strong> eigene Standortbestimmung<br />

sahen Teilnehmende <strong>die</strong> Beschäftigung mit Qualitätskriterien <strong>für</strong><br />

gender-bezogene <strong>Bildungsarbeit</strong> an. Zum andern <strong>die</strong>nte das Arbeiten am<br />

eigenen Profil der Standortbestimmung. Die dabei stattfindende individuelle<br />

Leistung des Zusammenfügens der eigenen Bezüge zu <strong>Gender</strong>-Theorie und<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong>en in der Praxis erlebten <strong>die</strong> Teilnehmenden als klärend<br />

und perspektivisch richtungsweisend.<br />

Das GeQuaB-Konzept insgesamt<br />

Zusammenfassend zeigen sich inhaltliche Veränderungsnotwendigkeiten in<br />

der Gesamtanlage des Konzeptes, so <strong>die</strong> Auswertung der Rückmeldungen.<br />

Vor allem bezogen auf Modul 1 und 2 wurde Kritik geäußert. Bei Modul 1<br />

betrifft sie <strong>die</strong> Fülle an Themen und Inputs und <strong>die</strong> geringe Zeit, sich mit<br />

eigenen Motivationen und Interessen auseinanderzusetzen bzw. Wissen<br />

einzubringen. Einer relativ starken Fokussierung auf <strong>Gender</strong>-Theorie im<br />

ersten Modul folgte nach Ansicht von Teilnehmenden eine zu geringe Bezugnahme<br />

in den weiteren Modulen. Vor allem in Modul 2 wurde sichtbar,<br />

dass Inhalte und Themenstellungen stärker <strong>die</strong> Gruppe der Planenden berücksichtigen<br />

müssten. Es zeigt sich <strong>die</strong> Notwendigkeit der Schärfung der<br />

Profile der Module 2 und 3 � auch in den Titeln der einzelnen Fortbildungswochen.


Gerrit Kaschuba, Sibylle Hahn - 41 -<br />

In jedem Modul sollte verstärkt nach zusammengehörenden Blöcken eine<br />

Reflexion unter gender-theoretischen Fragestellungen und unter Vermittlungsgesichtspunkten<br />

stattfinden, um <strong>die</strong> Rolle als MultiplikatorInnen kontinuierlich<br />

in den Mittelpunkt zu rücken. Gleichzeitig schließt <strong>die</strong> Berücksichtigung<br />

der Vermittlungstätigkeit der Teilnehmenden nicht den Ansatz der<br />

Selbsterfahrung aus: Aus Sicht der Leitungsteams geht es dabei auch immer<br />

um <strong>die</strong> Steigerung der Selbstreflexivität von MultiplikatorInnen. Dies<br />

stimmt durchaus damit überein, dass einige Teilnehmende Bedarf an mehr<br />

Zeit <strong>für</strong> einzelne Themen signalisierten: Es gab zwar Zeitpuffer <strong>für</strong> <strong>die</strong> Aufnahme<br />

von Themen aus dem Teilnehmendenkreis. In den Lehrgängen<br />

waren <strong>die</strong>s Themen wie etwa Sprache, Sexismus, Reflexion über <strong>die</strong> Rolle<br />

als Seminarleitung. Doch ging es bei <strong>die</strong>ser Kritik um eine grundsätzlich<br />

entspanntere zeitliche Planung, da der dann ausbaufähige kollegiale Austausch<br />

und Diskurs <strong>für</strong> sehr wertvoll eingeschätzt wurde.<br />

Die Gruppe der Teilnehmenden<br />

Zwei Aspekte sind mit Blick auf <strong>die</strong> Teilnehmenden von zentraler Bedeutung<br />

<strong>für</strong> das Konzept: <strong>die</strong> Zusammensetzung der Gruppe nach ihren verschiedenen<br />

Arbeitsbereichen sowie <strong>die</strong> Gruppe als Lerngegenstand.<br />

Die Zusammensetzung der Teilnehmenden<br />

Die Vielfalt der Gruppe wurde von den Teilnehmenden selbst überwiegend<br />

positiv bewertet. Aus der Tätigkeit in der Planung, der Makrodidaktik, und<br />

der Durchführung der <strong>Bildungsarbeit</strong>, der Mikrodidaktik, ergaben sich aber<br />

unterschiedliche Interessen der Teilnehmenden, <strong>die</strong> eine stärkere Berücksichtigung<br />

erfordert hätten. Die Planenden fühlten sich im Vergleich zu<br />

denjenigen, <strong>die</strong> mit der Durchführung von Bildungsveranstaltungen betraut<br />

sind, zu wenig mit ihrer Tätigkeit berücksichtigt. Aus deren Perspektive ist<br />

der konzeptionelle Aufbau zu überdenken. Offenbar existierten auch unterschiedliche<br />

Erwartungen von Planenden und von Durchführenden in der<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> an einzelne Einheiten wie etwa zum Thema der geschlechtergerechten<br />

Didaktik. Der Tätigkeitsbereich der Planung, <strong>die</strong> Makrodidaktik,<br />

ist dezi<strong>die</strong>rter zu berücksichtigen und nicht überwiegend <strong>die</strong> Interventionen<br />

in der Mikrodidaktik, „das Fein-Tuning“ im unmittelbaren Bildungsgeschehen,<br />

zu fokussieren.


- 42 -<br />

Die Gruppe als Lern- und Forschungsgegenstand<br />

Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation<br />

Die Gruppe der Teilnehmenden ist unter <strong>Gender</strong>-Aspekten – implizit und<br />

explizit – auch Lerngegenstand. Die Bedeutung des Zusammenhangs von<br />

individuellem und intersubjektivem Lernen ist bei der Auswertung aller vier<br />

Module ersichtlich geworden. Teilnehmende legten eine gestiegene Reflexivität<br />

in Bezug auf <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Perspektive in der Gruppendynamik bei dem<br />

3. Modul an den Tag, indem sie vor allem in der schriftlichen Befragung<br />

darauf hinwiesen, dass <strong>die</strong>se stärker thematisiert werden solle. In der Umsetzung<br />

der Fortbildungskonzeption gelang es offenbar nur ansatzweise,<br />

<strong>die</strong> Interaktion in der Gruppe unter <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten zum Gegenstand<br />

zu machen, obwohl <strong>die</strong>s konzeptionell bereits im 2. Modul vorgesehen<br />

war. Die Gruppendynamik wurde bei den einzelnen Lehrgängen zu<br />

verschiedenen Zeitpunkten – so vor allem in den Fragebogenrückmeldungen<br />

– als schwierig erlebt: Als Hauptgrund wurde <strong>die</strong> fachliche Heterogenität<br />

der Teilnehmenden genannt, aber auch einzelne schwierige oder dominante<br />

Teilnehmende und <strong>die</strong> von Teilnehmenden selbst stellenweise vollzogene<br />

informelle Bildung von Untergruppen.<br />

Im Grunde wurde <strong>die</strong> Unterschiedlichkeit in den Voraussetzungen der Teilnehmenden<br />

von vielen einerseits als Störfaktor, andererseits aber auch als<br />

Lerngewinn aufgrund der Vielfalt benannt, was letztlich das zentrale Thema<br />

bei <strong>Gender</strong>- und Diversity-Fortbildungen ist. Die Tatsache, dass Teilnehmende<br />

vor allem schriftlich dazu Stellung bezogen, verweist einmal mehr<br />

darauf, <strong>die</strong>sen gruppendynamischen Aspekt stärker im Konzept zum Lern-<br />

und Forschungsgegenstand zu machen. Es sollte einen verbindlichen Rahmen<br />

bieten, <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Dimensionen in der Gruppe und dabei vor allem<br />

geschlechterbezogene oder auch ethnisierende Zuschreibungen Einzelner<br />

stärker durch das Team, aber auch durch <strong>die</strong> Teilnehmenden selbst aufzugreifen<br />

und zu reflektieren.<br />

Methoden<br />

Die Teilnehmenden bewerteten den Methodenmix positiv. Viele Methoden<br />

wurden als weiter verwendbar in der Praxis bezeichnet wie:<br />

�� <strong>die</strong> kollegiale Beratung und der Austausch von Erfahrungen in geschlechtshomogenen<br />

und geschlechtsheterogenen Kleingruppen,<br />

�� ein methodisches Vorgehen in aufbauenden Stufen wie der Einstieg in<br />

ein Thema über Einzelarbeit und anschließende Weiterarbeit in Gruppen,<br />

wie <strong>die</strong>s etwa bei der Biografiearbeit angelegt war,


Gerrit Kaschuba, Sibylle Hahn - 43 -<br />

�� <strong>die</strong> Gestaltung von Podiumsdiskussionen als Rollenspiel zur Erarbeitung von<br />

Inhalten, wenn darauf aufbauend eine Vertiefung der Inhalte möglich ist,<br />

�� „beziehungshafte Einstiege“ in Module wie etwa <strong>die</strong> Form der Orientierungsreise,<br />

<strong>die</strong> spielerisch zur Auseinandersetzung über Kommunikation<br />

und Geschlecht in kleinen Gruppen aufforderte,<br />

�� Rollenspiele mit klarer Anleitung,<br />

�� Mediation, <strong>die</strong> anlässlich einer schwierigen Phase der Kleingruppenbildung<br />

in einem Lehrgang stattfand,<br />

�� von der Leitung moderierte Kleingruppen,<br />

�� Wahrnehmungsübungen,<br />

�� Praxisaufgaben <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zeit zwischen den Modulen und deren Bearbeitung<br />

in der Fortbildung,<br />

�� das Lerntagebuch, das manche Teilnehmende <strong>für</strong> sich selbst während<br />

der Fortbildung führten.<br />

Veränderungsnotwendigkeiten bei den Methoden bzw. den Sozialformen<br />

ergeben sich aufgrund der geringen Homogenität der Gruppe. Es braucht<br />

neben der methodischen Vielfalt mehr Augenmerk auf <strong>die</strong> Arbeitsgruppeneinteilung,<br />

was im Laufe des Fortgangs des Modellprojekts stärker beachtet<br />

wurde. Das kann auch bedeuten, Neigungsgruppen entsprechend unterschiedlicher<br />

Kenntnisse zu installieren. Des Weiteren regten <strong>die</strong> Teilnehmenden<br />

Überlegungen an, wie <strong>die</strong> Erfüllung der Praxisaufgaben verbindlicher<br />

gestaltet werden könnte. Dies könnte z.B. durch Zusenden der Ergebnisse<br />

der Aufgabe an eine verabredete Kleingruppe und/oder eine Leitungsperson<br />

vor dem nächsten Abschnitt erfolgen.<br />

Das Leitungsteam<br />

Die Konstellation der Teams und dabei vor allem <strong>die</strong> Zusammenarbeit von<br />

Mann und Frau in der Vorbildfunktion war als „Subtext“ während der gesamten<br />

Fortbildung von großer Bedeutung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Teilnehmenden. Da zwei<br />

verschiedene Teams agierten, werden als Quintessenz im Folgenden zentrale<br />

Anforderungen an gemischtgeschlechtliche Teams aus den Rückmeldungen<br />

herausgearbeitet:<br />

�� An ein gemischtgeschlechtliches Team stellt sich <strong>die</strong> Anforderung, das<br />

Thema „Zwangsheterosexualität“ mit Blick auf <strong>die</strong> Zusammensetzung<br />

des Teams zu diskutieren, um nicht erneut der Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit<br />

anheimzufallen.


- 44 -<br />

Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation<br />

�� Es braucht eine Transparenz in der Rollenverteilung.<br />

�� Wichtige Faktoren sind Humor und Authentizität der Leitenden.<br />

�� Sie sollten den Teilnehmenden Vertrauen und Sicherheitsgefühl bieten.<br />

�� Eine weitere Anforderung wird formuliert mit dem Beherrschen von<br />

Techniken, Seminarsituationen zu spiegeln und Teilnehmende auf ihre<br />

Konstruktionen aufmerksam zu machen.<br />

Die Rahmenbedingungen<br />

Die gesamte Anlage der Fortbildung mit der Zusammenarbeit verschiedener<br />

Verbände wurde als Bereicherung erlebt. Positiv gewertet wurde des<br />

Weiteren <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Zusammensetzung gegebene Möglichkeit des<br />

Benchmarkings unter den Verbänden. Die verbandsübergreifende Anlage<br />

ermöglichte stellenweise eine Legitimation gegenüber der eigenen Institution.<br />

Noch stärker wurden <strong>die</strong> inhaltlichen Erfahrungen aus den verschiedenen<br />

Verbänden positiv erlebt. Kritisch benannten Teilnehmende dagegen<br />

auch, dass damit ungleiche Voraussetzungen ins Spiel kamen.<br />

Kritisiert wurden <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Verbände unterschiedlich geregelten Zugangsbedingungen<br />

zu der Fortbildung. So war <strong>die</strong> Vorgabe bei manchen<br />

Verbänden, dass sich Männer und Frauen als Tandem anmelden sollten.<br />

Bei anderen dagegen wurde <strong>die</strong>s nicht praktiziert. Dazu kamen unterschiedliche<br />

Bewertungen der Voraussetzungen der sich bewerbenden Teilnehmenden<br />

durch <strong>die</strong> Zuständigen in den Verbänden, <strong>die</strong> stellenweise auf<br />

Landesebene organisiert sind.<br />

Bezogen auf das Verfahren in dem Modellprojekt wurde deutlich, dass auf<br />

der Basis von Vorschlägen der Verbände eine Auswahl durch <strong>die</strong> TrainerInnen<br />

anhand von transparenten Kriterien hätte erfolgen sollen.<br />

Eine grundsätzliche Anforderung an das Konzept stellte sich bei den Abschlussdiskussionen<br />

heraus: Wie kann eine Kontinuität über einen längeren<br />

Zeitraum zwischen den stellenweise ein halbes Jahr auseinanderliegenden<br />

Modulen erhalten bleiben? Der Vorschlag, <strong>die</strong> Fortbildungswochen zeitlich<br />

näher zusammenzulegen, wurde innerhalb der Gruppen kontrovers diskutiert,<br />

da eine Fortbildung mit mehr als zwei Wochen im Jahr <strong>für</strong> viele nicht<br />

zu organisieren gewesen wäre. Auch an <strong>die</strong>ser Stelle kam <strong>die</strong> Vielfalt an<br />

unterschiedlichen Ausgangsbedingungen von Festangestellten und Freiberuflichen<br />

zum Tragen.


Gerrit Kaschuba, Sibylle Hahn - 45 -<br />

Zentrales Qualitätskriterium:<br />

Ist das Konzept <strong>Gender</strong>-Konstruktionen hinterfragend, öffnend<br />

oder festschreibend?<br />

Nach den Modulen meldeten <strong>die</strong> Teilnehmenden mehrheitlich zurück, dass<br />

<strong>die</strong> Anlage der Fortbildung <strong>Gender</strong>-Konstruktionen hinterfragend und öffnend<br />

gewirkt habe. Deutlich wurde in der Gesamtauswertung allerdings,<br />

dass es nicht ausreicht, <strong>die</strong>se Frage auf einzelne Inhalte, Vorgehensweisen,<br />

Leitungshandeln zu beziehen, sondern auch stärker als bislang geplant auf<br />

<strong>die</strong> Gruppe. Hierin liegt auch eine gesellschaftspolitische Dimension von<br />

sozialer <strong>Kompetenz</strong>. Diese ist verquickt mit fachlicher (theoretischer und<br />

praktischer), methodischer und personaler <strong>Kompetenz</strong>, aber auch mit unterschiedlichen<br />

Transfermöglichkeiten in den beruflichen Alltag der Einzelnen,<br />

was mit den Positionen hauptamtlich und nebenamtlich bzw. freiberuflich<br />

zusammenhängt.<br />

Bezogen auf den zentralen Maßstab „Reproduktion oder Re- und De-Konstruktion<br />

von Geschlecht“ kann als wichtiges Ergebnis festgestellt werden,<br />

dass <strong>die</strong>se Frage sich zu einem zentralen Bewertungskriterium der Teilnehmenden<br />

entwickelte. Damit wurde ein wesentliches Lernziel erreicht:<br />

das In-Beziehung-Setzen von Theorie und Praxis, als etwas „Selbstverständliches“,<br />

Reflektiertes und in Handeln Umgesetztes.<br />

Empfehlungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Weiterentwicklung des Konzeptes<br />

Die Transferfrage des Konzepts auf neue Teilnehmendengruppen ist der<br />

Anlage der Evaluation bereits inhärent: Indem nicht ein Lehrgang, sondern<br />

alle drei Lehrgänge fortlaufend evaluiert wurden, konnten unterschiedliche<br />

Gruppenzusammensetzungen und Verläufe hinsichtlich der Konsequenzen<br />

<strong>für</strong> ein Konzept ausgewertet werden, das sich in hohem Maße flexibel erweisen<br />

muss.<br />

Die im Folgenden dargestellten Empfehlungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Weiterentwicklung<br />

beziehen sich sowohl auf das GeQuaB-Konzept in seiner Gesamtstruktur als<br />

auch auf <strong>die</strong> vier einzelnen Module. Darüber hinaus werden Überlegungen<br />

zu den Transferbedingungen angestellt.<br />

Zentrale Empfehlungen zur konzeptionellen Weiterentwicklung<br />

1. <strong>Gender</strong>-Theorie und -Praxis sind in jedem Modul stärker zu verzahnen.


- 46 -<br />

Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation<br />

2. Die Metaebene der Reflexion ist <strong>für</strong> MultiplikatorInnen in der <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

stärker zu gewichten, sodass <strong>die</strong> Vermittlungsschritte regelmäßig<br />

reflektiert werden. Dabei geht es um ein Austarieren des Sich-Selbst-<br />

Erfahrens der Teilnehmenden und der Reflexion des Erfahrenen im<br />

Sinne des Weitervermittelns.<br />

3. Bei einer <strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> geschlechtergerechte Programmqualität bedarf<br />

es einer stärkeren Berücksichtigung der verschiedenen Personengruppen,<br />

vor allem der Bereiche Planung/Organisation und Durchführung<br />

von <strong>Bildungsarbeit</strong>.<br />

4. Prozessorientierung, Partizipation und <strong>Kompetenz</strong>orientierung sollten in<br />

dem Konzept <strong>für</strong> MultiplikatorInnen kontinuierlich berücksichtigt und<br />

kommuniziert werden.<br />

5. Die Gruppe als Lern- und Forschungsgegenstand <strong>für</strong> geschlechterbezogene<br />

Konstruktionen und De-Konstruktionen ist im Konzept mehr in den<br />

Blick zu nehmen.<br />

6. Vor allem <strong>die</strong> Module 1 und 2 sind zu überarbeiten und alle Module konturierter<br />

zu benennen.<br />

7. Das Zertifikat „<strong>Gender</strong> Trainer/in <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong>“ erfordert den<br />

Transfer auf <strong>die</strong> Tätigkeit der Planenden.<br />

Konzeptionelle und curriculare Empfehlungen<br />

Modul 1: Verortungen in <strong>Gender</strong>-Theorie und -Praxis der<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Biografiearbeit und Klärung der eigenen Motivation, sich mit <strong>Gender</strong>-Fragen<br />

in der Bildung und dem eigenen Selbstverständnis als MultiplikatorIn auseinanderzusetzen,<br />

stellen zentrale Themen <strong>für</strong> das erste Modul dar.<br />

Damit zusammen hängt das Thema der eigenen Positionierung unter <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten<br />

innerhalb der Organisationen, in der oder <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

Teilnehmenden arbeiten. Themen wie Widerstand und Sprache bzw. auch<br />

der Widerstand gegenüber geschlechtergerechter Sprache bei KollegInnen<br />

wurden von den Teilnehmenden eingebracht mit dem Bedürfnis, organisationsbezogene<br />

und persönliche Strategien zu entwickeln, um <strong>die</strong> eigenen<br />

Handlungsspielräume zu vergrößern.<br />

<strong>Gender</strong>-Theorie als Grundlage der Fortbildung ist auf <strong>die</strong> verschiedenen<br />

Module (1-3) zu verteilen. Dabei ist es wichtig, <strong>die</strong> Männerforschung zu


Gerrit Kaschuba, Sibylle Hahn - 47 -<br />

berücksichtigen. Grundsätzlich geht es darum, an das unterschiedliche<br />

Theoriewissen der Teilnehmenden anzuknüpfen und mit der Reflexion<br />

praktischer Erfahrungen zu verknüpfen (Fragestellung: Was heißt das <strong>für</strong><br />

meine Bildungspraxis?).<br />

Frei- bzw. Nebenberufliche und Hauptamtliche sowie Planende und Durchführende<br />

in der <strong>Bildungsarbeit</strong> als Gruppen müssen gleichermaßen mit ihren<br />

Tätigkeiten und Interessen berücksichtigt werden. Dies betrifft alle Module,<br />

ist aber <strong>für</strong> den Einstieg von zentraler Bedeutung, um so <strong>die</strong> Thematisierung<br />

zu ermöglichen, wo unterschiedliche Erfahrungen vorliegen, und<br />

wie <strong>die</strong>se mit ihrem beruflichen Status in Verbindung mit Geschlecht, Herkunft,<br />

Alter etc. zusammenhängen. In der im Modellprojekt entwickelten<br />

Einheit zu geschlechtergerechter Programmqualität bieten sich gute Anknüpfungsmöglichkeiten.<br />

Wichtig ist hier eine synergetischere Bezugnahme<br />

der beiden vorhandenen Perspektiven der anwesenden Planenden und der<br />

Durchführenden aufeinander.<br />

Bereits in dem ersten Modul kann über Übungen <strong>die</strong> Ebene der Kommunikation<br />

und Dynamik in der Gruppe als zentraler Bestandteil der Fortbildung<br />

eingeführt werden. Dazu sich eignet bspw. <strong>die</strong> Übung zu Geschlechtergerechtigkeit,<br />

in der es in geschlechtshomogenen Gruppen um <strong>die</strong> Reflexion<br />

der eigenen Zielsetzungen und anschließend um einen methodisch angeleiteten<br />

Austausch im Plenum geht.<br />

Modul 2: Gleichstellungspolitische Strategien und Geschlechtergerechte<br />

Didaktik<br />

Eine vertiefte Auseinandersetzung mit <strong>Gender</strong> Mainstreaming, Managing<br />

Diversity, Frauenförderung kann als Ausgangpunkt <strong>für</strong> das zweite Modul<br />

<strong>die</strong>nen. Über <strong>die</strong> im Modellprojekt eingesetzte Übung hinaus ist eine intensivere<br />

Beschäftigung mit den Strategien nötig.<br />

Daran kann der zweite große Block zu geschlechtergerechter Didaktik in<br />

Verbindung mit <strong>Gender</strong>-Theorie anknüpfen: Dabei ist der Zugang zu der<br />

Einheit über verschiedene methodische Zugänge zu wählen. Gerade hier ist<br />

es sicherlich ertragreich, <strong>die</strong> Gruppe der Planenden und <strong>die</strong> Gruppe der<br />

Durchführenden mit unterschiedlichen Aufgaben anzusprechen: Rollenspiele<br />

zur Analyse von schwierigen Situationen und zur Einübung von geschlechtergerechten<br />

Interventionen im Seminar, aber auch in der Organisation<br />

und Planung von Bildung sind ein Ansatzpunkt neben Good-practice-<br />

Beispielen. Als Vertiefung kann ein Arbeitspapier zu geschlechtergerechter


- 48 -<br />

Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation<br />

Didaktik <strong>die</strong>nen. Dieses kann bei der Diskussion in Gruppen sowohl zur Reflexion<br />

eigener Erfahrungen als auch zur Auseinandersetzung unter gendertheoretischen<br />

Gesichtspunkten eingesetzt werden.<br />

Auch hier kann der Strang, <strong>die</strong> Gruppe zum Forschungsgegenstand zu machen,<br />

weiter gezogen werden: Das Thema Gruppeneinteilung kann als<br />

Thema von gender-bezogenen gruppendynamischen Prozessen <strong>die</strong>nen, um<br />

einerseits mögliche Formen der Einteilung, andererseits aber auch <strong>die</strong> eigene<br />

Gruppendynamik und Kommunikation zu reflektieren.<br />

Modul 3: Methoden und Instrumente<br />

Methodenwerkstatt in Kombination mit Reflexion sowie Reflexions-, Auswertungs-<br />

und Feedbackmethoden unter geschlechterbezogenen Aspekten<br />

fokussieren <strong>die</strong> Mikrodidaktik. Hier könnte parallel oder ergänzend der Bereich<br />

Evaluationsmethoden – z.B. Teilnehmendenfragebögen – sowie <strong>die</strong><br />

Analyse und das Überarbeiten von Bildungsprogrammen und Ausschreibungstexten<br />

integriert werden, mit denen <strong>die</strong> Planenden stärker befasst<br />

sind. Die Orientierungsreise zu Kommunikation mit Zitaten aus der <strong>Gender</strong>-<br />

Forschung als methodischer und zugleich inhaltlicher Lerninhalt bedarf<br />

stellenweise der Unterfütterung bzw. der intensiveren Nacharbeit, kann des<br />

Weiteren auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> gruppeninterne Reflexion der Kommunikation genutzt<br />

werden, <strong>die</strong> ebenfalls der Begleitung bedarf.<br />

Modul 4: Konzepte und kollegiale Beratung<br />

Die Reflexion der Quellen des eigenen Bildungskonzepts unter <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten<br />

sowie <strong>die</strong> Auseinandersetzung mit Qualitätskriterien von<br />

<strong>Gender</strong> Trainings bzw. gender-bezogener Bildung und Beratung ergänzen<br />

den letzten Fortbildungsabschnitt. Den Schwerpunkt bildet <strong>die</strong> Präsentation<br />

der Praxisprojekte, <strong>die</strong> in Anlehnung an <strong>die</strong> Methode der Kollegialen Beratung<br />

auch hinsichtlich der Frage der Festschreibung bzw. Hinterfragung<br />

von Geschlechterkonstruktionen reflektiert werden.


Gerrit Kaschuba, Sibylle Hahn - 49 -<br />

Modul-übergreifende Maßnahmen<br />

Grundlegend sind <strong>die</strong> Praxisaufgaben, <strong>die</strong> Kontinuität zwischen den einzelnen<br />

Modulen sowie der Bedarf an Zeit <strong>für</strong> Austausch und eigene Themen in<br />

allen Modulen sowie <strong>die</strong> permanente Reflexion des Transfers des Gelernten<br />

in <strong>die</strong> eigene Vermittlungspraxis weiter zu entwickeln.<br />

Zur Wahrung der Kontinuität bietet sich an, regionale Kleingruppen zum<br />

Austausch zwischen den Modulen zu bilden, unabhängig von Verbandszugehörigkeiten.<br />

Die Praxisaufgaben könnten an <strong>die</strong> Mitglieder der eigenen<br />

Kleingruppe sowie an <strong>die</strong> Leitung vor dem nächsten Modul verschickt<br />

werden. Themen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Praxisaufgaben können durchaus der Einsatz von<br />

Selbstevaluierungsbögen und das Erproben und Reflektieren von Interventionen<br />

unter <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten darstellen.<br />

Fazit: Transferbedingungen<br />

Als grundlegend <strong>für</strong> den Transfer des Fortbildungskonzepts haben sich vor<br />

allem <strong>die</strong> Kriterien <strong>für</strong> <strong>die</strong> Auswahl der Teilnehmenden erwiesen, <strong>die</strong> über<br />

<strong>Gender</strong>-Kenntnisse und Bildungserfahrungen verfügen sollten, was durch<br />

einen Auswahl-Workshop zu prüfen ist. Bezogen auf <strong>die</strong> inhaltliche Konzeption<br />

bedarf es einer Hinterlegung aller Themenblöcke mit gender-theoretischer<br />

und methodischer Reflexion sowie des Einbezugs der Diskussion<br />

um Intersektionalität (neben Geschlecht vor allem <strong>die</strong> Kategorien Migrationshintergrund/Ethnizität,<br />

sexuelle Orientierung, Region, Alter/ Generation).<br />

Im Hinblick auf <strong>die</strong> Partizipation der Teilnehmenden ist eine stärkere<br />

Differenzierung bezogen auf <strong>die</strong> Gruppen der Planenden und der Durchführenden<br />

notwendig sowie eine verstärkte Bezugnahme auf <strong>die</strong> Gruppe<br />

als Lern- und Forschungsgegenstand.<br />

Abschließend lässt sich sagen: Wie bei <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Prozessen<br />

allgemein so auch bezogen auf eine Fortbildung zur <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong><br />

von MultiplikatorInnen geht es bildlich gesehen eher um ein spiralförmiges<br />

Gebilde als um einen quadratischen Baukastensatz: Die Weiterentwicklung<br />

des grundlegenden Konzepts wird sich in jeder Fortbildungsgruppe und mit<br />

jedem Leitungsteam dynamisch voranbewegen – und somit auch <strong>die</strong> damit<br />

verbundenen Lern- und Erkenntnisprozesse.


- 50 -<br />

Literatur<br />

Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation<br />

Bohnsack, Ralf 1999: Gruppendiskussion. In: Flick, U./von Kardorff, E./Steinke<br />

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Mainstreaming – Lernverhalten und Lernwiderstände. In: Forum<br />

Erwachsenenbildung, DEAE, 4/2005, S. 23-30.<br />

Derichs-Kunstmann, Karin/ Auszra, Susanne/ Müthing, Brigitte 1999: Von<br />

der Inszenierung des Geschlechterverhältnisses zur geschlechtsgerechten<br />

Didaktik. Konstitution und Reproduktion des Geschlechterverhältnisses in<br />

der Erwachsenenbildung, Bielefeld.<br />

Friebertshäuser, Barbara/ Prengel, Annedore 1997: Handbuch Qualitative<br />

Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft, Weinheim und<br />

München.<br />

Gildemeister, Regine 2004: Geschlechterdifferenz –<br />

Geschlechterdifferenzierung: Beispiele und Folgen eines Blickwechsels in<br />

der empirischen Geschlechterforschung. In: Buchen, S. u.a. (Hg.): <strong>Gender</strong><br />

methodologisch. Empirische Forschung in der Informationsgesellschaft vor<br />

neuen Herausforderungen. Wiesbaden, S. 27-45.<br />

Heiner, Maja 1996: Evaluation zwischen <strong>Qualifizierung</strong>, Qualitätsentwicklung<br />

und Qualitätssicherung. In: <strong>die</strong>s.(Hrsg.): Qualitätsentwicklung durch<br />

Evaluation. Freiburg: Lambertus, S. 20-47<br />

Kaschuba, Gerrit 2005: Theoretische Grundlagen einer geschlechtergerechten<br />

Didaktik. Begründungen Konsequenzen. In: Literatur- und Forschungsreport<br />

Weiterbildung 1/2005, S. 67-74.<br />

Kaschuba, Gerrit 2007: <strong>Gender</strong>-Qualifzierung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Praxis der<br />

Erwachsenenbildung. In: Hessische Blätter <strong>für</strong> Volksbildung 3/2007, S. 263-<br />

271. (Beitrag zur GeQuaB-Fortbildung)<br />

Lüders, Christian 2003: Teilnehmende Beobachtung. In: Bohnsack,<br />

Ralf/Marotzki, Winfried/Meuser, Michael (Hg.): Hauptbegriffe Qualitativer<br />

Sozialforschung, Opladen, S. 151-153.<br />

Metz-Göckel, Sigrid/ Roloff, Christine 2002: <strong>Gender</strong>kompetenz als<br />

Schlüsselqualifikation. In: Journal Hochschuldidaktik. Heft 1, S. 1-4,<br />

http://www.me<strong>die</strong>n-bildung.net/pdf/themen_seiten/metz_goeckel_roloff.pdf<br />

Negt, Oskar 1990: „Überlegungen zur Kategorie „Zusammenhang“ als einer<br />

gesellschaftlichen Schlüsselqualifikation.“ Literatur- und Forschungsreport<br />

Weiterbildung, S. 11-19.


Zur Bedeutung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> - 51 -<br />

2. <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> – theoretische Grundlagen<br />

2.1 Zur Bedeutung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Victoria Schnier<br />

Die Vermittlung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> war ein zentrales Ziel der <strong>Gender</strong>-<br />

<strong>Qualifizierung</strong>en im GeQuaB-Projekt. Im Folgenden soll der Begriff der<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> begriffsgeschichtlich mit den Diskursen um den <strong>Kompetenz</strong>begriff<br />

in der Erwachsenenbildung verknüpft werden. Des weiteren<br />

soll <strong>die</strong> Bedeutung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong>en in der <strong>Bildungsarbeit</strong> aufgezeigt<br />

werden. In der Literatur zur Erwachsenenbildung finden sich vermehrt<br />

Analysen, dass <strong>Gender</strong> in der Erwachsenenbildung zwar eine ebenso bedeutsame<br />

Kategorie darstellt wie in anderen Bildungsbereichen, dass sie<br />

aber <strong>für</strong> <strong>die</strong> und in der Erwachsenenbildung noch nicht hinreichend berücksichtigt<br />

wird (vgl. u.a. Schlüter 2008; Venth 2006, S. 16). Eine mögliche<br />

Begründung kann darin liegen, dass der Begriff der <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong>ses Handlungsfeld bisher nicht ausreichend präzisiert und differenziert<br />

worden ist. Dieses Kapitel soll einen Beitrag zur konkreteren Bestimmung<br />

des Begriffs <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> leisten.<br />

Begründungen <strong>für</strong> <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Erwachsenenbildung<br />

Die Notwendigkeit der Diskussion um <strong>die</strong> Bedeutung der Kategorie Geschlecht<br />

zeigt sich spätestens seit der Festlegung der Strategie <strong>Gender</strong><br />

Mainstreaming 1 im Amsterdamer Vertrag 2 . Von der Voraussetzung ausge-<br />

1 Die am häufigsten verwendete Definition ist <strong>die</strong> des Europarats: „<strong>Gender</strong> mainstreaming is<br />

the (re)organisation, improvement, development and evaluation of policy processes, so that<br />

gender equality perspective is incorporated in all policies at all levels and at all stages, by the<br />

actors normally involved in policy-making.“ (Council of Europe 1998, S. 19).<br />

2 Mit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags am 01. Mai 1999 war <strong>für</strong> <strong>die</strong> Mitgliedsstaaten<br />

festgelegt, dass <strong>Gender</strong> Mainstreaming als Strategie zur Umsetzung von Chancen-


- 52 -<br />

Victoria Schnier<br />

gangen, dass keine Geschlechtsneutralität existiert und dass Geschlechter<br />

sozial und kulturell konstruiert sind, ist <strong>Gender</strong> Mainstreaming als Strategie<br />

etabliert worden, um <strong>die</strong> Beachtung des sozialen Geschlechts in allen gesellschaftlichen<br />

Vorhaben zu sichern. Diese politische Strategie soll zu einer<br />

Demokratisierung der Geschlechterverhältnisse beitragen und eine Basis<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit schaffen (vgl. Blickhäuser/von<br />

Bargen 2006, S. 21).<br />

Vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen zur Geschlechterthematik<br />

stellt sich <strong>für</strong> <strong>die</strong> Weiterbildung <strong>die</strong> Frage nach ihrem Beitrag. „Weiterbildung<br />

soll allen Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht und Alter,<br />

ihrer Bildung, sozialen oder beruflichen Stellung, politischen oder weltanschaulichen<br />

Orientierung und Nationalität, <strong>die</strong> Chance bieten, sich <strong>die</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> freie Entfaltung der Persönlichkeit, <strong>die</strong> Mitgestaltung der Gesellschaft<br />

und <strong>die</strong> <strong>für</strong> ihre berufliche Entwicklung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten<br />

und Fertigkeiten anzueignen“ (KMK 2001) formulierte <strong>die</strong> Kultusministerkonferenz<br />

2001. Aus der ‚Agenda <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zukunft’, <strong>die</strong> aus der 1997 in<br />

Hamburg durchgeführten 5. Internationalen UNESCO-Konferenz <strong>für</strong> Erwachsenenbildung<br />

hervorgegangen ist, ist explizit <strong>die</strong> Verpflichtung abzulesen<br />

„eine im Hinblick auf <strong>die</strong> Geschlechterrollen sensible partizipatorische<br />

Pädagogik“ zu fördern (CONFINTEA 1997). Hierbei sind <strong>die</strong> Institutionen<br />

der Erwachsenenbildung, in denen <strong>die</strong>se Förderung stattfinden kann, ebenfalls<br />

als „gendered institutions“ (Acker 1991) zu betrachten, in denen auch<br />

„strukturelle Machtverhältnisse neben sozialen Konstruktionsprozessen<br />

nicht vernachlässigt [werden dürfen]“ (Kaschuba 2005).<br />

In der Rezeption der Fortschritte <strong>die</strong>ses Implementierungs- oder Umsetzungsprozesses<br />

ist allerdings von <strong>Gender</strong> und Erwachsenenbildung als einer<br />

„scheinbar hoffnungslose[n] Liaison“ (Budde 2008, S. 43) <strong>die</strong> Rede. Zur<br />

Umsetzung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming oder genereller gesprochen: zur<br />

Berücksichtigung von <strong>Gender</strong>-Aspekten in der <strong>Bildungsarbeit</strong> und <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

gemeinsame Arbeit am Ziel der Geschlechtergerechtigkeit, sind <strong>Gender</strong>-<br />

<strong>Kompetenz</strong>en der Mitarbeitenden auf allen Ebenen erforderlich. Das Ziel ist<br />

�� eine geschlechtergerechte Erwachsenenbildung, <strong>die</strong> den Menschen<br />

nicht „<strong>die</strong> Möglichkeit [versperrt], etwas <strong>für</strong> ein anderes Geschlechter-<br />

gleichheit anzuwenden sei (Konsoli<strong>die</strong>rte Fassung des Vertrags zur Gründung der<br />

Europäischen Gemeinschaft vom 24.12.2002 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften<br />

C 325/33).


Zur Bedeutung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> - 53 -<br />

verhältnis und eine neue Verteilung von Arbeit und Leben zu lernen“<br />

(Venth 200, S. 193),<br />

�� eine Erwachsenenbildung, <strong>die</strong> sich nicht mehr am hegemonial Männlichen<br />

orientiert und damit „Weiblichkeit tendenziell abwertet“ (Budde<br />

2008, S. 44),<br />

�� eine Erwachsenenbildung, <strong>die</strong> alle Zielgruppen in den Blick nimmt und<br />

allen Menschen offen steht.<br />

Annäherung an den Begriff der <strong>Kompetenz</strong> und <strong>die</strong> Anschlussfähigkeit<br />

an den <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong>begriff<br />

Die Verwendung des Begriffs <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> erfolgt uneinheitlich und<br />

<strong>die</strong> Implikationen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Erwachsenenbildung sind bislang nicht ausreichend<br />

aufgezeigt. Auch der inflationäre Gebrauch des <strong>Kompetenz</strong>begriffs,<br />

vornehmlich durch <strong>die</strong> Ausdifferenzierung in Teilkompetenzen wie Me<strong>die</strong>nkompetenz,<br />

interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>, <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong>, Sozialkompetenz,<br />

Sprachkompetenz etc. lässt auf eine leere Universalvokabel schließen<br />

(vgl. Erpenbeck/von Rosenstiel 2003). Dennoch liest sich kaum eine Seminarausschreibung<br />

ohne <strong>die</strong>sen Begriff in der Zielbeschreibung. Durch das<br />

‚Programme for the International Assessment of Adult Competencies’<br />

(PIAAC) der OECD sollen <strong>die</strong> <strong>Kompetenz</strong>niveaus von Erwachsenen im Ländervergleich<br />

untersucht werden. Mit der ersten Erhebung, <strong>die</strong> <strong>für</strong> das Jahr<br />

2011 geplant ist, liegt dann eine sogenannte PISA-Stu<strong>die</strong> <strong>für</strong> Erwachsene<br />

vor (vgl. OECD 2008).<br />

Vor allem Arnold weist jedoch darauf hin, dass der „‚<strong>Kompetenz</strong>begriff’ (…)<br />

keineswegs ‚vogelfrei’ [ist], d.h. beliebig verfüg- und definierbar, er entstammt<br />

vielmehr unterschiedlichsten Theorietraditionen, <strong>die</strong> zunächst einmal<br />

rekonstruiert und kritisch auf ihre Kompatibilität mit der aktuellen<br />

weiterbildungspolitischen Begriffsverwendung analysiert werden müssen“<br />

(Arnold 2002, S. 28). Einer Definition des Begriffs <strong>Kompetenz</strong> in Anlehnung<br />

an Heyse, Erpenbeck und Michel folgend, sind <strong>Kompetenz</strong>en „Selbstorganisationsdispositionen“<br />

und bilden somit <strong>die</strong> Möglichkeit des Umgangs mit<br />

Unbestimmtheit und des selbstorganisierten und kreativen Handelns trotz<br />

fehlender Zielvorstellungen ab (vgl. Heyse, Erpenbeck, Michel 2002, S. 11).<br />

Demnach sind <strong>Kompetenz</strong>en als Eigenschaften von Personen und somit<br />

„subjektzentriert“ (Erpenbeck/von Rosenstiel 2003: XI) zu betrachten.


- 54 -<br />

Victoria Schnier<br />

Die Ausrichtung erfolgt auf <strong>die</strong> Ausbildung der Handlungskompetenz, <strong>die</strong><br />

sich in <strong>die</strong> Bereiche Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz<br />

und Mitwirkungs- oder personale <strong>Kompetenz</strong> ausdifferenzieren lässt.<br />

(vgl. Gnahs 2007, S. 28). Nach Lindner besteht <strong>die</strong> Besonderheit <strong>die</strong>ser<br />

<strong>Kompetenz</strong>en allerdings in der Vernetzung der <strong>Kompetenz</strong>en untereinander<br />

und in deren Reziprozität (vgl. Lindner 2004, S. 141). Handlungskompetenz<br />

als Fähigkeit, Wissen anwenden zu können und das eigene Verhalten dementsprechend<br />

zu gestalten, ist in den Ausführungen von Gnahs (2007) und<br />

Lindner (2004) <strong>die</strong> übergeordnete <strong>Kompetenz</strong>, welche sich wiederum aus<br />

den anderen <strong>Kompetenz</strong>en zusammensetzt.<br />

So ist mit der personalen <strong>Kompetenz</strong> vor allem <strong>die</strong> Fähigkeit der Selbstorganisation<br />

beschrieben, <strong>die</strong> Sozialkompetenz umfasst Fähigkeiten, <strong>die</strong> Handeln<br />

in Bezug zu Anderen gelingen lässt. Methodenkompetenz ist am wenigsten<br />

trennscharf zu den anderen <strong>Kompetenz</strong>en benennbar, da sie an<br />

<strong>die</strong>se mit ihren verschiedenen Dimensionen und den sie ausmachenden<br />

Fähigkeiten zum Teil angrenzt. So ist beispielsweise in der personalen<br />

<strong>Kompetenz</strong> <strong>die</strong> Bereitschaft zur Selbstreflexivität umfasst, in der Methodenkompetenz<br />

ist <strong>die</strong> Fähigkeit zur Selbstreflexivität wiederum enthalten. Die<br />

Fachkompetenz wird unterschiedlich beschrieben, zunächst sind damit<br />

fachbezogene Kenntnisse gemeint. Lindner weist jedoch darauf hin, dass<br />

hier auch <strong>die</strong> Einsicht in <strong>die</strong> Einsatzmöglichkeiten des eigenen Fachwissens<br />

und <strong>die</strong> kognitive Leistungsfähigkeit, z.B. in Form der Fähigkeit, Zusammenhänge<br />

herstellen zu können, gemeint sind. Dazu gehört <strong>für</strong> ihn ebenfalls<br />

<strong>die</strong> Anwendungserfahrung, um <strong>die</strong> Beurteilungsfähigkeit der genannten<br />

Dimensionen zu gewährleisten (vgl. Lindner 2004, S. 142).<br />

Arnold kritisiert in seinen Ausführungen <strong>die</strong> Voranstellung des Wirtschaftsbezugs<br />

im <strong>Kompetenz</strong>diskurs und <strong>die</strong> Vernachlässigung der Bezüge zur Erwachsenensozialisation<br />

(vgl. Arnold 2002, S. 34). Die Gefahren einer solchen<br />

Verwendung benennt Pongratz: „‚<strong>Kompetenz</strong>’ kann eben alles sein,<br />

solange sie <strong>die</strong> Anpassung an <strong>die</strong> jeweiligen Bedürfnisse des Marktes<br />

sicherstellt. Im Kern läuft <strong>die</strong>se ‚Allgemeinbildung’ auf eine permanente<br />

Selbstanpassung hinaus, <strong>die</strong> mal als unausweichlicher Zwang, mal als stets<br />

erneuerte Chance daherkommt“ (Pongratz 2007, S. 163).<br />

Auch Negt kritisiert mit seinem emanzipatorischen Bildungsansatz eine<br />

Unterordnung der Bildung unter eine betriebswirtschaftliche Logik und das<br />

Lernen im Hinblick auf <strong>die</strong>se Logik (vgl. Negt 1998). Er bezeichnet das Anlegen<br />

von Wissensvorräten zum Schutz vor Manipulationen, zur Reflexion


Zur Bedeutung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> - 55 -<br />

von verschiedenen Informationen und zum Erkennen von Zusammenhängen<br />

als Grundkompetenz auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> Erwachsenenbildung (vgl. ebd.).<br />

Dazu benennt Negt fünf Schlüsselqualifikationen, <strong>die</strong> seines Erachtens da<strong>für</strong><br />

förderlich sind: Identitätskompetenz, technologische <strong>Kompetenz</strong>, Gerechtigkeitskompetenz,<br />

ökologische <strong>Kompetenz</strong> und ökonomische <strong>Kompetenz</strong><br />

(ebd.).<br />

Für <strong>die</strong> Entwicklung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> sind m.E. besonders <strong>die</strong> Identitätskompetenz<br />

und <strong>die</strong> Gerechtigkeitskompetenz von Bedeutung, auch<br />

wenn sie von Negt im Zusammenhang mit Arbeit und Eigentum gesehen<br />

wurden. Die Identitätskompetenz, <strong>die</strong> in der Möglichkeit des Umgangs mit<br />

einer bedrohten traditionellen Identität und der Erlangung neuer Stabilität<br />

liegt (vgl. ebd.) konstituiert sich neben den Aspekten Arbeit und Eigentum<br />

eben auch aus traditionellen Geschlechterrollen und den entsprechenden<br />

Geschlechterrollenerwartungen. Insofern sind <strong>die</strong> Erkenntnisse von Negt an<br />

<strong>die</strong>ser Stelle übertragbar auf eine zu erlangende <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong>, zu<br />

der demnach auch Identitätskompetenz gehört. Die Gerechtigkeitskompetenz<br />

lässt sich über das Wissen über und das Bewusstsein <strong>für</strong> Recht und<br />

Unrecht oder Gleichheit und Gerechtigkeit hinaus auch auf <strong>die</strong> Geschlechtergerechtigkeit<br />

erweitern und zeigt so <strong>für</strong> <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> ebenfalls<br />

eine deutliche Relevanz auf. Ebenso betont Jelich unter Bezugnahme auf<br />

Negt, dass mit der Orientierung an <strong>Kompetenz</strong> lediglich ein Subjektbezug<br />

hergestellt ist. Um Handlungskompetenz zu erlangen sei es notwendig<br />

„Einordnungsangebote in reflexive Sinnstrukturen (Werte, Normen, Ideale)“<br />

(Jelich 2002, S. 182) zu erhalten. Diese können auf den Bereich der<br />

Erwachsenenbildung bezogen in einem gemeinsamen demokratischen<br />

Grundverständnis und damit auch in einer Gleichwertigkeit der Geschlechter<br />

liegen.<br />

Beitrag zur Definition von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong><br />

in der Erwachsenenbildung<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> wird in der aktuellen Diskussion bezogen auf <strong>die</strong> drei<br />

Bereiche Wollen, Wissen und Können (vgl. <strong>Gender</strong><strong>Kompetenz</strong>Zentrum<br />

2009). Unter Wollen kann – kurz gefasst – <strong>die</strong> Bereitschaft und Motivation<br />

verstanden werden, auf das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit hinzuarbeiten.<br />

Dazu gehört auch eine Reflexion von eigenen Zuschreibungsprozessen<br />

und dem eigenen Gewordensein, also der Auseinandersetzung mit der eigenen<br />

Geschlechtersozialisation und -biographie (vgl. Derichs-Kunstmann/Kaschuba/Schnier<br />

2008). <strong>Gender</strong>-Wissen meint, Kenntnisse der Ge-


- 56 -<br />

Victoria Schnier<br />

schlechterforschung zu besitzen, sich weiter anzueignen und <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />

<strong>die</strong>ses Wissen auf verschiedene Fachbereiche zu übertragen (vgl.<br />

ebd.). Der Bereich des Könnens umfasst <strong>die</strong> Fähigkeit, <strong>Gender</strong>-Aspekte in<br />

ihrer Differenziertheit zu erkennen, sichtbar machen zu können und das<br />

eigene Handeln dementsprechend zu gestalten (vgl. ebd.).<br />

Diese drei Bereiche lassen sich nun in Anlehnung an oben aufgeführte Definition<br />

von <strong>Kompetenz</strong>en als Personale <strong>Kompetenz</strong>, Sozialkompetenz, Methodenkompetenz<br />

und Fachkompetenz als Bestandteile einer Handlungskompetenz<br />

genauer beschreiben.<br />

Abbildung: <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> als Handlungskompetenz 3<br />

Gemeinsame Werte und Normen:<br />

Geschlechtergerechtigkeit, Geschlechterdemokratie<br />

Fachkompetenz:<br />

Kenntnisse<br />

der Geschlechterforschung;<br />

<strong>Gender</strong>-Aspekte im eigenen<br />

Fachbereich erkennen;<br />

Anwendungserfahrung<br />

Methodenkompetenz:<br />

<strong>Gender</strong>-Aspekte konzeptionell<br />

berücksichtigen und didaktisch<br />

bearbeiten können; Fähigkeit<br />

zur geschlechterbezogenen<br />

Selbstreflexivität; ganzheitliches<br />

Denkvermögen<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong><br />

als<br />

Handlungskompetenz<br />

Personale <strong>Kompetenz</strong>:<br />

Identitätskompetenz;<br />

Bereitschaft zur Mitwirkung<br />

und Selbstreflexivität<br />

Sozialkompetenz:<br />

Gerechtigkeitskompetenz;<br />

geschlechtergerechte<br />

Kommunikations- und<br />

Kooperationsfähigkeit<br />

3 Quelle: eigene Abbildung im Anschluss an <strong>die</strong> Ausführungen von Derichs-Kunstmann/<br />

Kaschuba/Schnier 2008; <strong>Gender</strong><strong>Kompetenz</strong>Zentrum 2009; Gnahs 2007, S. 27ff.; Jelich<br />

2002, S. 175ff.; Kaschuba/Derichs-Kunstmann 2009, S. 60; Lindner 2004, S. 141ff.;<br />

Negt 1998, S. 21ff.


Zur Bedeutung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> - 57 -<br />

Personale <strong>Kompetenz</strong> meint in Bezug auf <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>die</strong> Bereitschaft<br />

zur Umsetzung geschlechtergerechter <strong>Bildungsarbeit</strong> („Wollen“, Bereitschaft<br />

zur Mitwirkung), geschlechterbezogene Selbstreflexivität und <strong>die</strong><br />

Ambiguitätstoleranz im Hinblick auf Vielfalt und <strong>die</strong> dadurch entstehenden<br />

Energien. Hierzu gehört auch <strong>die</strong> von Negt angeführte Identitätskompetenz,<br />

also – auf <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> übertragen – <strong>die</strong> Fähigkeit, vor dem<br />

Hintergrund der eigenen Geschlechtersozialisation und –identität, andere<br />

Lebenswirklichkeiten und –entwürfe anerkennen zu können und nicht als<br />

selbstverunsichernd abzuwerten.<br />

Sozialkompetenz umfasst insbesondere eine geschlechtergerechte Kommunikations-<br />

und Kooperationsfähigkeit und ein Verantwortungsgefühl <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Gleichwertigkeit der Geschlechter. Die Richtung kann hier durch das vorgegeben<br />

werden, was Negt als Gerechtigkeitskompetenz bezeichnet, in <strong>die</strong>sem<br />

Fall mit der Erweiterung um <strong>die</strong> Geschlechtergerechtigkeit.<br />

Methodenkompetenz bezieht sich auf <strong>die</strong> Anwendung geschlechtersensibler<br />

Methoden und <strong>die</strong> Fähigkeit, <strong>Gender</strong>-Aspekte konzeptionell berücksichtigen<br />

und didaktisch bearbeiten zu können. Reflexive Fähigkeiten sowie eine<br />

ganzheitliche Pädagogik im Bildungsprozess sind hier implizit.<br />

Fachkompetenz überschreibt demnach Kenntnisse der Geschlechterforschung,<br />

Fertigkeiten des jeweiligen Fachbereichs und <strong>die</strong> Fähigkeit, <strong>die</strong> in<br />

ihnen enthaltenen <strong>Gender</strong>-Aspekte zu erkennen und zu thematisieren. Eine<br />

entsprechende Anwendungserfahrung wird <strong>für</strong> <strong>die</strong> Beurteilung und Herstellung<br />

der Zusammenhänge benötigt.<br />

Felder der <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Erwachsenenbildung<br />

Für <strong>die</strong> Makro- und Mikrodidaktik differenzieren Kaschuba und Derichs-<br />

Kunstmann in der Weiterentwicklung der geschlechtergerechten Didaktik<br />

zehn Dimensionen der Didaktik (vgl. Kaschuba/Derichs-Kunstmann 2009).<br />

Damit können zehn Felder ausgemacht werden, in denen <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong><br />

notwendig ist.<br />

Für <strong>die</strong> Makrodidaktik – und damit vorwiegend <strong>für</strong> hauptamtliche Mitarbeitende<br />

und Planungsverantwortliche - identifizieren sie <strong>die</strong> Dimensionen der<br />

Weiterbildungsbedarfsermittlung, Programmplanung und Konzeptentwicklung,<br />

der Gewinnung von Dozentinnen und Dozenten oder Teamenden, der<br />

Öffentlichkeitsarbeit und Programmausschreibung, der Rahmenbedingun-


- 58 -<br />

Victoria Schnier<br />

gen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Durchführung von Fortbildungen sowie der Evaluierung (vgl.<br />

ebd., S. 17).<br />

Für <strong>die</strong> Mikrodidaktik – und damit <strong>für</strong> Personen, <strong>die</strong> als Teamende und Dozentinnen<br />

und Dozenten tätig sind – stellen sie <strong>die</strong> Dimensionen der Inhalte<br />

und Themen, der Teilnehmenden, der Leitung und des Leitungshandelns,<br />

der methodischen und didaktische Ausgestaltung sowie der Me<strong>die</strong>n<br />

und Materialien heraus (vgl. ebd., S. 35).<br />

Diese analytische Trennung der Ebenen der Didaktik mit ihren entsprechenden<br />

Dimensionen und damit Feldern von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong>, erlaubt<br />

<strong>für</strong> Planende und Durchführende von Bildungsveranstaltungen im Hinblick<br />

auf eine geschlechtergerechte Umsetzung ein strukturiertes im Gegensatz<br />

zu einem eher intuitiven Vorgehen.<br />

Für in der Weiterbildung Tätige ist damit eine konkrete Einflussnahme auf<br />

<strong>die</strong> Felder der Mikro- und Makrodidaktik beschrieben. Das Ziel einer Geschlechterdemokratie<br />

oder Geschlechtergerechtigkeit umfasst jedoch noch<br />

weitere Ebenen der Erwachsenenbildung. Venth weist auf das <strong>Gender</strong>ing<br />

der Bildungspolitik und der Strukturen der Bildung hin (vgl. Venth 2006, S.<br />

16), <strong>die</strong> ebenfalls unter <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten analysiert, aufgearbeitet<br />

und verändert werden müssten. Beginnend mit der Sichtbarmachung und<br />

Veränderung sozialer Konstruktionsprozesse ist innerhalb bestehender Bildungspolitik<br />

und Strukturen in der Erwachsenenbildung eine Möglichkeit<br />

des Handelns gegeben.<br />

Die oben aufgeführten <strong>Kompetenz</strong>bereiche in Beziehung zu setzen, <strong>die</strong><br />

Verbindungslinien (s. Abb.) zwischen ihnen aufbauen sowie Relevanzen<br />

und Erfordernisse abschätzen zu können und vom Subjektbezug zu einer<br />

Handlungskompetenz zu gelangen, sind innerhalb des gesteckten Rahmens<br />

<strong>die</strong> Zwischenziele <strong>für</strong> pädagogisch Tätige. Um <strong>die</strong>se Ziele zu erlangen, bedarf<br />

es zweierlei Voraussetzungen: zum einen <strong>die</strong> von Negt so bezeichnete<br />

Grundkompetenz, also mehr als das Folgen einer betriebswirtschaftlichen<br />

Logik, nämlich das Anhäufen von Wissen über den konkreten Verwertungsbezug<br />

hinaus, um Reflexionsmöglichkeiten zu schaffen. Dieser Reflexionsmöglichkeiten<br />

und –räume bedarf es, um Zusammenhänge zu erkennen<br />

und zu bewerten, neues Wissen und Kenntnisse in eigene Strukturen einzuordnen<br />

oder abzuschätzen und zu verwerfen. Zum zweiten werden, wie<br />

Jelich betonte, Einordnungsangebote, also Werte, Normen und Ideale auf<br />

<strong>die</strong> hin sich das eigene Handeln richten kann, benötigt. Diese können in ei-


Zur Bedeutung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> - 59 -<br />

nem demokratischen Grundverständnis, das Geschlechtergerechtigkeit beinhaltet,<br />

ausgemacht werden, darüber hinaus jedoch auch in dem Ziel und<br />

der Aufgabe von Erwachsenenbildung, <strong>die</strong> immer auch <strong>die</strong> Unterstützung<br />

der freien Entfaltung der Persönlichkeit und der Mitgestaltung der Gesellschaft<br />

<strong>für</strong> alle Menschen beinhaltet.<br />

Literatur<br />

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Schiersmann, Chr./ Siebert, H. (Hrsg.): <strong>Kompetenz</strong>entwicklung statt Bildungsziele?<br />

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14.-18. Juli 1997, Bonn<br />

Council of Europe 1998: <strong>Gender</strong> Mainstreaming. Conceptual framework, methodology<br />

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kann man <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> vermitteln? Vortrag auf der Tagung „<strong>Gender</strong>-<br />

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am 24.06.2008; Online-Publikation:<br />

http://www.gender-qualifizierung.de/GeQuaB_Luxemburg-deutsch.pdf<br />

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Erpenbeck, John / Rosenstiel, Lutz von 2003 (Hrsg.): Handbuch <strong>Kompetenz</strong>messung.<br />

Erkennen, verstehen und bewerten von <strong>Kompetenz</strong>en in der betrieblichen,<br />

pädagogischen und psychologischen Praxis. Stuttgart<br />

<strong>Gender</strong><strong>Kompetenz</strong>Zentrum 2009: Stand: 31.07.2009<br />

http://www.genderkompetenz.info/ gender kompetenz/<br />

Gnahs, Dieter 2007: <strong>Kompetenz</strong>en – Erwerb, Erfassung, Instrumente. Bielefeld<br />

Heyse, Volker / Erpenbeck, John / Michel, Lutz 2002: Lernkulturen der Zukunft.<br />

<strong>Kompetenz</strong>bedarf und <strong>Kompetenz</strong>entwicklung in Zukunftsbranchen.<br />

QUEM-report, Heft 74; Berlin


- 60 -<br />

Victoria Schnier<br />

Jelich, Franz-Josef 2002: <strong>Kompetenz</strong> und ? Gewerkschaftliche politische Bildung<br />

und <strong>die</strong> Veränderung von Lernkulturen am Beispiel der IG Metall. In:<br />

Röder, Wolf Jürgen / Dörre, Klaus (Hrsg.): Lernchancen und Marktzwänge:<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> im flexiblen Kapitalismus. Münster, S. 175-186<br />

Kaschuba, Gerrit 2005: Theoretische Grundlagen einer geschlechtergerechten<br />

Didaktik. Begründungen und Konsequenzen. In: REPORT. Literatur- und<br />

Forschungsreport Weiterbildung 1/2005, S. 67-74<br />

Kaschuba, Gerrit/ Derichs-Kunstmann, Karin 2009: Fortbildung – gleichstellungsorientiert!<br />

Arbeitshilfen zur Integration von <strong>Gender</strong>-Aspekten in Fortbildungen.<br />

Hrsg. vom Bundesministerium <strong>für</strong> Familien, Senioren, Frauen<br />

und Jugend, Berlin 2009<br />

Kaschuba, Gerrit / Derichs-Kunstmann, Karin 2009: Leitfaden <strong>für</strong> eine<br />

gleichstellungsorientierte Didaktik. In: <strong>die</strong>s.: Fortbildung – gleichstellungsorientiert!<br />

Berlin, S. 16-58<br />

Europäischen Gemeinschaften 2002: Konsoli<strong>die</strong>rte Fassung des Vertrags<br />

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der Europäischen Gemeinschaften C 325/33<br />

Lindner, Joachim 2004: Der Paradigmenwechsel – Von der Qualifikation zur<br />

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Negt, Oskar 1998: Lernen in einer Welt gesellschaftlicher Umbrüche. In:<br />

Dieckmann, Heinrich/ Schachtsieck, Bernd (Hrsg.): Lernkonzepte im<br />

Wandel. Die Zukunft der Bildung. Stuttgart, S. 21-44<br />

Nuissl von Rein, Ekkehard/ Schiersmann, Christiane/ Siebert, Horst 2002<br />

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OECD 2009: Programme for the International Assessment of Adult Competencies<br />

(PIAAC) http://www.oecd.org/document/29/0,3343,de_34968570<br />

_350089 30_40300061_1_1_1_1,00.html Stand: 31.07.2009<br />

Pongratz, Ludwig A. 2007: Plastikwörter. Notizen zur Bildungsreform. In: engagement.<br />

Zeitschrift <strong>für</strong> Erziehung und Schule. Heft 03/2007, S. 161-170<br />

Röder, Wolf Jürgen / Dörre, Klaus 2002 (Hrsg.): Lernchancen und Marktzwänge:<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> im flexiblen Kapitalismus. Münster<br />

Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in<br />

der BRD 2009 (Hrsg.): Vierte Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur<br />

Weiterbildung (Beschluss der KMK vom 1.2.2001)<br />

http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2001/2001<br />

_02_01-4-Empfehlung-Weiterbildung.pdf Stand: 31.07.2009<br />

Venth, Angela 2006: <strong>Gender</strong>-Porträt Erwachsenenbildung. Bielefeld


„<strong>Gender</strong> – all inclusive?“ - 61 -<br />

2.2 „<strong>Gender</strong> – all inclusive?“ � Zur Bedeutung von<br />

Intersektionalität <strong>für</strong> <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en<br />

Gerrit Kaschuba<br />

Die zentrale erkenntnisleitende Fragestellung <strong>für</strong> <strong>Gender</strong>-Fortbildungen wie<br />

GeQuaB besteht darin, inwieweit das Fortbildungskonzept das System der<br />

Zweigeschlechtlichkeit und geschlechterbezogene Zuschreibungen manifestiert<br />

oder es gelingt, entsprechende Unterscheidungen aufzudecken, zu<br />

hinterfragen und zu de-konstruieren. Die reflektierte Auseinandersetzung<br />

mit <strong>die</strong>sen Fragen stellte zugleich einen integralen Bestandteil der Fortbildung<br />

dar, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Vermittlung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> an professionell Tätige<br />

in der <strong>Bildungsarbeit</strong> zum Ziel hatte.<br />

Doch mit <strong>die</strong>ser Fokussierung auf „gender“ kommen, gerade dann, wenn<br />

man <strong>die</strong> Frage der Zuschreibungen ernst nimmt, Zweifel auf: Ist hiermit<br />

nicht bereits wieder eine Ontologisierung und Essentialisierung verbunden?<br />

1 Zum Beispiel dadurch, dass <strong>die</strong> reale Heterogenität an Frauen- und<br />

Männerleben, an sexuellen Orientierungen, an konkreten sozialen Lagen<br />

meist unterbelichtet bleibt? Oder muss nicht je nach Gegenstand der Fortbildung<br />

(zunächst einmal) eine Kategorie wie „gender“ im Vordergrund<br />

stehen, um sie in ihren verschiedenen Dimensionen überhaupt erst zu erfassen?<br />

Dabei würde davon ausgegangen werden, dass über <strong>die</strong> Kategorie<br />

Geschlecht auch <strong>die</strong> anderen sozialen Kategorien aufgeschlossen werden<br />

können.<br />

In Anlehnung an Gudrun-Axeli Knapp habe ich einen theoretischen Rahmen<br />

<strong>für</strong> gender-sensible <strong>Bildungsarbeit</strong> und geschlechtergerechte Didaktik formuliert,<br />

der <strong>die</strong> verschiedenen Facetten von „<strong>Gender</strong>“ mit einbezieht,<br />

gleichzeitig aber mitbedenkt, dass <strong>die</strong>se Kategorie, wenn sie nicht fokus-<br />

1 Dies stellt sich nochmals in besonderer Weise als Herausforderung in <strong>Qualifizierung</strong>en<br />

<strong>für</strong> professionell in der Bildung Tätige, da es hier um Weitervermittlung und den<br />

Transfer in ihre eigene Vermittlungsarbeit geht. Dabei spielt eine Rolle, dass vermutlich<br />

ein Teil der Teilnehmenden ihrer Fortbildungen Abwehr gegenüber <strong>Gender</strong>-Aspekten an<br />

den Tag legen wird.


- 62 -<br />

Gerrit Kaschuba<br />

siert wird, schnell dem sozialen Vergessen anheim fällt (vgl. Knapp 1998,<br />

Kaschuba 2005). Als derzeit populäre Rettungsanker gegenüber der drohenden<br />

Ontologisierung durch <strong>die</strong> Fokussierung der Kategorie Geschlecht<br />

erscheinen <strong>die</strong> Konzepte „diversity“ und „Intersektionalität“ im Wissenschafts-<br />

und im Trainingsdiskurs. Auf <strong>die</strong>se Ansätze werde ich in Auseinandersetzung<br />

mit der gender-theoretischen Rahmung von geschlechtergerechter<br />

Didaktik eingehen und ihre Bedeutung <strong>für</strong> <strong>Gender</strong>-Qualifzierungen<br />

diskutieren.<br />

Gleichheit – Differenz – (De-)Konstruktion:<br />

Geschlechtertheoretische Ansätze und ihre Bedeutung <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Fort- und Weiterbildung<br />

Von Geschlechterunterschieden zu Prozessen der Unterscheidung<br />

Stand in den 70er Jahren vor allem <strong>die</strong> formale Gleichheit von Frauen und<br />

Männern im Vordergrund von Forschung und Praxis, fokussierten verschiedene<br />

differenztheoretische Ansätze in den 1980er Jahren <strong>die</strong> Differenz zwischen<br />

Frau und Mann. In der geschlechterdifferenzierenden Bildungspraxis<br />

zeigte sich <strong>die</strong>ses Anknüpfen an differenztheoretischen Ansätzen vor allem<br />

darin, dass von Unterschieden zwischen Frauen und Männern im Sinne von<br />

Geschlechtertypisierungen ausgegangen wurde. Dieses Differenzmodell,<br />

auf das auch heute noch immer wieder (implizit) zurückgegriffen wird, weil<br />

es alltagstheoretischen Vorstellungen von Geschlecht so gut entspricht (vgl.<br />

Gildemeister 2004), verstellte und verstellt aber den Blick auf Mechanismen<br />

der Unterscheidung, auf <strong>die</strong> Konstitutions- und Konstruktionsprozesse, an<br />

denen Frauen wie Männer beteiligt sind – und damit auch auf <strong>die</strong> Veränderungsmöglichkeiten.<br />

Notwendige Differenzierungen unter Frauen und<br />

unter Männern wurden aber bereits in den 1980er Jahren diskutiert, so<br />

etwa mit dem Konstrukt der „Mittäterschaft“ (Thürmer-Rohr) von Frauen<br />

oder in den kritischen Einwänden afroamerikanischer Feministinnen gegenüber<br />

dem „weißen feministischen Diskurs“ und seinen Auslassungen. Mit<br />

dem Hinweis auf Heterogenität wurde der Blick auf <strong>die</strong> Dominanzverhältnisse<br />

unter Frauen gerichtet. In den Debatten der sozialwissenschaftlichen<br />

Geschlechtertheorie in Deutschland findet seit Anfang der 1990er Jahre<br />

eine zunehmende Diskussion um konstruktivistische und dekonstruktivistische<br />

Ansätze statt (vgl. Gildemeister/ Wetterer 1992). Der Prozess des<br />

„doing gender“ wurde durch Kommunikations- und Interaktionsstu<strong>die</strong>n erforscht<br />

(vgl. z.B. Goffmann 1994, Kotthoff 2002).


„<strong>Gender</strong> – all inclusive?“ - 63 -<br />

Gleichzeitig ist „<strong>Gender</strong>“ eine soziale Strukturkategorie. Sie <strong>die</strong>nt als „soziales,<br />

kulturelles und symbolisches Ordnungsprinzip in unserer Gesellschaft"<br />

(Dietzen 1993, S. 171). Das bedeutet, <strong>die</strong> gesellschaftliche Zweigeschlechtlichkeit<br />

erscheint als institutionalisierte Handlungsbedingungen und Rollenzuschreibungen<br />

in Form von “gendered institutions” (Acker 1991). Dazu<br />

gehören beispielsweise Schulen, Hochschulen, Erwachsenenbildungseinrichtungen.<br />

Das gesellschaftliche System der Zweigeschlechtlichkeit verdeckt<br />

aber eine latente oder manifeste Vielfalt von Unterschieden unter<br />

Frauen und unter Männern. Es stellt sich <strong>die</strong> Frage: Wie kann ein „undoing<br />

gender“ (Goffman 1994, Hirschauer 2001) aussehen? Gibt es eine Möglichkeit,<br />

<strong>die</strong> starren Vorstellungen zu differenzieren oder gar aufzulösen?<br />

Bedeutungsverlust der Kategorie Geschlecht?<br />

Theoretikerinnen der sozialen Konstruktion hinterfragen <strong>die</strong> Kategorie Geschlecht<br />

in ihrer dualistischen Ausrichtung. <strong>Gender</strong> enthält demnach einen<br />

impliziten Biologismus, anstatt <strong>die</strong> Konstruktion von Geschlechterdifferenz<br />

als Unterschied zu hinterfragen und Prozesse der Unterscheidung in den<br />

Blick zu nehmen. Die hierarchische Geschlechterdifferenz zu enthierarchisieren<br />

ist ein Ziel dekonstruktivistischer Ansätze. Gleichzeitig wird es immer<br />

schwieriger, allgemeine Aussagen über Geschlechterrelationen zu treffen,<br />

sodass stellenweise bereits in den 1990er Jahren vom Bedeutungsverlust<br />

der Kategorie Geschlecht gesprochen wurde. Diese Schlussfolgerung übersieht<br />

jedoch, dass es nach wie vor wichtig ist, <strong>die</strong> Prozesse der Reproduktion<br />

von Ungleichheit aufgrund geschlechterbezogener sowie sozialer, ethnischer<br />

und altersabhängiger Unterschiede zu berücksichtigen. Sie macht<br />

den „Fehler“, dass sie letztlich doch wieder einem Differenzdenken folgt,<br />

nach dem Geschlecht nur dann eine relevante Kategorie ist, wenn sie in ein<br />

klares binäres Muster von differenten Geschlechtsidentitäten passt. Vielmehr<br />

muss es darum gehen, Geschlecht und Identität zu trennen. Die Philosophin<br />

Iris Marion Young hat den Begriff der „seriellen Kollektivität“ im<br />

Rahmen einer Politik der Differenz in <strong>die</strong> Diskussion eingeführt: „Mein Vorschlag<br />

lautet, ‚Frausein‘ als Phänomen serieller Kollektivität zu interpretieren“<br />

(Young 1994, S. 224). Mit der Sichtweise, dass es ein „Set struktureller<br />

Einschränkungen“ (ebd. S. 259) gibt, <strong>die</strong> das Handeln und seine Bedeutung<br />

bedingen, erübrigt sich <strong>die</strong> Definition einer geschlossenen weiblichen<br />

Identität.


- 64 -<br />

Gerrit Kaschuba<br />

Ebenso von Bedeutung sind in <strong>die</strong>sem Zusammenhang <strong>die</strong> Arbeiten von Robert<br />

Connell mit der Unterscheidung verschiedener Männlichkeiten, <strong>die</strong> keine<br />

Charaktertypisierungen, sondern Handlungsmuster darstellen (Connell 1999).<br />

Mit <strong>die</strong>sen Differenzierungen und Hinterfragungen männlicher und weiblicher<br />

Identität wird sowohl der immer wieder eingeforderten Verknüpfung mit anderen<br />

Strukturkategorien wie Migrationshintergrund, Klasse/ Schicht sowie<br />

Generation, sexuelle Orientierung etc. Rechnung getragen.<br />

<strong>Gender</strong>-Theorierahmen <strong>für</strong> eine geschlechtergerechte Didaktik<br />

Die Kunst einer geschlechtergerechten Didaktik besteht darin, sich der Prozesse<br />

der „Unterscheidung“ zwischen Frauen und Männern bewusst zu<br />

sein, sie aufzudecken und nicht gleichzeitig wieder erneut „Unterschiede“<br />

zuzuschreiben. In Anlehnung an das Plädoyer <strong>für</strong> eine theoretisch reflektierte<br />

Praxis von Gudrun-Axeli Knapp (1998) sehe ich eine Notwendigkeit in<br />

der Überwindung der Abgrenzungen innerhalb der theoretischen Auseinandersetzung<br />

um Geschlecht. Knapp formuliert aus den gender-theoretischen<br />

Entwicklungen drei Leitlinien <strong>für</strong> eine Gleichstellungspolitik: Gleichheit, Differenz<br />

und Dekonstruktion.<br />

Die Verbindung <strong>die</strong>ser theoretischen Konzepte kann <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

und ihre Aufgabe, zu einer (geschlechter)gerechten Gesellschaft aktiv beizutragen,<br />

einen sinnvollen praxisbezogenen <strong>Gender</strong>-Theorierahmen abgeben:<br />

Gleichheit bezieht sie auf <strong>die</strong> rechtliche Ebene. Demzufolge bedarf es<br />

gleicher Rechte und Handlungsbedingungen <strong>für</strong> Frauen und Männer und<br />

des Verbots von Diskriminierungen. In <strong>die</strong>se Dimension fällt z.B. auch das<br />

AGG (Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz) und <strong>Gender</strong> Mainstreaming.<br />

Differenz bezieht sich bei Knapp nicht auf <strong>die</strong> Diskursebene und <strong>die</strong> alltägliche<br />

Wiederherstellung auf der Ebene der subjektiven Positionierungen,<br />

sondern auf <strong>die</strong> strukturelle Ebene, auf <strong>die</strong> strukturelle Ungleichheit von<br />

Frauen und Männern. So muss zwischen Männern und Frauen und innerhalb<br />

der Geschlechtergruppen nach Migrationshintergrund, sozialer<br />

Schicht/ Klasse etc. differenziert werden, was den Zugang zu Macht betrifft.<br />

Die Dekonstruktion bezieht sich dann auf <strong>die</strong> Diskursebene: Sie stellt<br />

zweigeschlechtliches Denken und verallgemeinernde Aussagen radikal in<br />

Frage, deckt Konstruktionen von Geschlecht bzw. Unterscheidungen aufgrund<br />

des Geschlechts auf. Zu betonen ist: Nicht <strong>die</strong> gemeinsame Identität<br />

von Frauen, von Männern stiftet <strong>die</strong> Ziele, sondern <strong>die</strong>se sind immer wieder<br />

in bestimmten Kontexten neu zu bestimmen. Die Kunst besteht darin, Un-


„<strong>Gender</strong> – all inclusive?“ - 65 -<br />

terschiede und Prozesse der Unterscheidung und <strong>die</strong> jeweiligen Bewertungen<br />

aufzudecken und nicht gleichzeitig wieder erneut zuzuschreiben.<br />

Doch wissen alle, <strong>die</strong> mit dem Transfer von Theorie in Praxis befasst sind,<br />

dass <strong>die</strong> Reduktion von Komplexität und damit so manche Verengung der<br />

gender-theoretischen und -politischen Implikationen im ersten Zugang zur<br />

Thematik immer wieder stattfindet � und vielleicht sogar erfolgen muss.<br />

„Dass im operativen Geschehen notwendigerweise Geschlechterdichotomien<br />

reaktiviert werden und Differenzierungen verblassen, ist ein von feministischen<br />

Wissenschaftler/innen wie von den Anhängern und Anhängerinnen<br />

der Diversitätsansätze gleichermaßen erhobener Vorwurf. Die Anklage<br />

indes übersieht das Erfordernis jeglicher auf strukturellen Wandel<br />

zielender Politik, bestehende Asymetrien auszuleuchten und strategisch zu<br />

fokussieren.“ (Braunmühl 2009, S. 56f)<br />

Die Mehrdimensionalität von <strong>Gender</strong> ist wichtig und <strong>die</strong>nt als reflexiver Horizont.<br />

Ohne <strong>die</strong> Berücksichtigung des geschlechtertheoretischen Bezugsrahmens<br />

ist eine geschlechtergerechte Didaktik in der Gefahr zu pauschalisieren.<br />

Anders als in der konstruktivistischen Didaktik (vgl. Arnold/ Siebert<br />

1995), <strong>die</strong> <strong>die</strong> Vielfalt und Pluralität als wichtige Orientierung und Gütezeichen<br />

von Bildung beschreibt, werden in der geschlechtergerechten Didaktik<br />

<strong>die</strong> strukturellen Machtverhältnisse neben sozialen Konstruktionsprozessen<br />

nicht vernachlässigt (vgl. Kaschuba 2005). Hier<strong>für</strong> ist der Ansatz der Intersektionalität,<br />

der das Zusammenspiel von <strong>Gender</strong>, Rasse/ Ethnizität, Klasse,<br />

Sexualität, Generation, Religion, Behinderung/ Gesundheit in Bezug auf <strong>die</strong><br />

Gleichzeitigkeit ihrer Wirkung auf Identitätskonstruktionen einbezieht (vgl.<br />

Lutz/Davis 2005), stärker und systematischer als bisher in <strong>die</strong> (gender-bezogene)<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> zu integrieren.<br />

<strong>Gender</strong> – Intersektionality - Diversity<br />

„Intersektionalität“ als methodologische Haltung hat ihre Wurzeln<br />

in der <strong>Gender</strong>-Forschung<br />

Der Begriff „Intersektionalität“ bzw. „Intersectionality“ problematisiert Ungleichheit.<br />

Er wurde von der Rechtswissenschaftlerin Kimberlé Crenshaw<br />

mit ihrer Forderung nach einer Intersektionalitätsanalyse (vgl. Crenshaw<br />

1994) eingeführt. Sie geht davon aus, dass es notwendig und möglich ist,<br />

gender/Geschlecht, race/Ethnizität, class/Klasse, sexuelle Orientierung, Nationalität<br />

usw. in ihrem Zusammenspiel und in Bezug auf <strong>die</strong> Gleichzeitig-


- 66 -<br />

Gerrit Kaschuba<br />

keit ihrer Wirkung zu untersuchen. Als Metapher <strong>die</strong>nt <strong>die</strong> Straßenkreuzung<br />

– bei ihr in Auseinandersetzung mit der Diskriminierung von schwarzen<br />

Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Es geht um Interaktion und Interdependenzen<br />

zwischen verschiedenen Kategorien wie gender und race. Im Rahmen<br />

der <strong>Gender</strong>-Forschung ist <strong>die</strong>ser Gedanke nicht neu, hat doch z.B. der<br />

„Schwesternstreit“ in den 1980er Jahren bereits auf <strong>die</strong> Differenzen zwischen<br />

Frauen verwiesen und geschlechtertheoretische Ansätze weiter befördert<br />

(vgl. auch Young 1994). Intersektionalität dagegen wird im gegenwärtigen<br />

sozialwissenschaftlichen Diskurs überwiegend als methodologische<br />

Haltung verstanden, nicht als eigenständige Theorie oder Methode.<br />

Differenzlinien wie männlich/weiblich bei der Kategorie Geschlecht oder<br />

heterosexuell/homosexuell bei der Kategorie Sexualität repräsentieren eine<br />

bestimmte soziale Positionierung und haben gleichzeitig als soziale Konstruktionen<br />

Einfluss auf das gesellschaftliche Leben. Nach Helma Lutz verschränken<br />

sich 15 bipolare hierarchische Differenzlinien, denen Grunddualismen<br />

(dominierend – dominiert) zugeordnet sind, <strong>die</strong> jeweils eine hierarchische<br />

Komponente beinhalten. Dabei wird deutlich, „dass nicht nur <strong>die</strong><br />

Differenzen als separate Linien, sondern auch Kreuzungen und Verschränkungen<br />

derselben bedacht werden müssen.“ (Lutz/Leiprecht 2005, S. 219).<br />

Die Kategorien in ihrer Verschränkung beeinflussen sich gegenseitig, bringen<br />

sich wechselseitig hervor. Sie sind nicht nur soziale Platzanweiser,<br />

sondern sie generieren auch Identität. Und gerade in Bezug auf <strong>die</strong> Diskussion<br />

über Ungleichheit im und durch das Bildungswesen sind sie von zentraler<br />

Bedeutung.<br />

Im Diskurs um Intersektionalität zeigen sich Herausforderungen und Leerstellen:<br />

So sind empirische Analysen Mangelware (vgl. Hardmeier/Vinz<br />

2007). „Die Herausforderung an Theorie und Empirie ist nun, nicht nur von<br />

der Komplexität der Differenzlinie zu sprechen, sondern Instrumente zu<br />

entwickeln, mit denen <strong>die</strong>se Komplexität als Verhältnis untersucht und<br />

‘fassbar’ gemacht werden kann.“ (Lutz/Leiprecht 2005, S. 221) Des weiteren<br />

formulieren Wissenschaftlerinnen <strong>die</strong> Notwendigkeit, eine gesellschaftstheoretische<br />

Einbettung der „Achsen der Ungleichheit“ zu leisten<br />

(Klinger/Knapp 2005), um dann Schlüsse bis auf <strong>die</strong> individuelle Ebene zu<br />

ziehen. Auch bei der Anwendung der intersektionellen Methodologie<br />

scheint schwer vorstellbar, alle Kategorien bzw. Differenzlinien gleichermaßen<br />

berücksichtigen zu können. Am weitesten entwickelt ist <strong>die</strong>s in der<br />

Biografieforschung (vgl. Lutz/Davis 2005). Zum andern besteht <strong>die</strong> Gefahr,<br />

dass mit der Benennung der verschiedenen Kategorien <strong>die</strong> Fokussierung


„<strong>Gender</strong> – all inclusive?“ - 67 -<br />

auf diskriminierende gesellschaftliche – in Institutionen und der Alltagskommunikation<br />

stattfindende – Prozesse und deren Auswirkungen bestehen<br />

bleibt. Gleichzeitig ist aber auch der Blick auf <strong>die</strong> Potentiale und handlungserweiternden<br />

Ressourcen der Subjekte notwendig, ohne sie von den<br />

benannten diskriminierenden Strukturen und Systemen mit ihren Interaktionsprozessen<br />

losgelöst zu sehen (vgl. Bruchhagen/Koall 2007). Gerade <strong>für</strong><br />

Bildungsprozesse sind das Erkennen diskriminierender Strukturen und Interaktionsprozesse,<br />

<strong>die</strong> Erweiterung des Handlungsspielraums sowie das<br />

Ansetzen an Ressourcen und Potentialen in Fortbildungen unter Berücksichtigung<br />

der <strong>Gender</strong>-Perspektive in ihrer Verschränkung mit den jeweiligen<br />

anderen Kategorien ernst zu nehmen. Unter <strong>die</strong>ser Prämisse ist <strong>die</strong><br />

Zielsetzung bedeutsam, wie sie Verena Bruchhagen und Iris Koall <strong>für</strong> ein<br />

Diversity-Lernen in dekonstruktivistischer Perspektive formulierten, „im<br />

Rahmen von Dekonstruktionsprozessen handlungsfähig zu bleiben und den<br />

potentiellen Zuwachs an Optionen als begrenzte Irritation verarbeiten zu<br />

können“ (Bruchhagen/Koall 2007, S. 37). Dies kann allerdings auch immer<br />

noch Abwehrstrategien beim Lernen gegenüber zu großer Komplexität und<br />

damit einen Rückgriff auf Stereotypisierungen hervorrufen, ebenso wie (zu<br />

recht) Widerstände auftreten, wenn zu plakativ auf binäre Kategorien zurückgegriffen<br />

wird 2 .<br />

In der Diskussion um „Diversity“ – meist in Kombination mit „Managing“ –<br />

wird allerdings häufig implizit auf das Diversity Management rekurriert, das<br />

sich überwiegend auf das Personalmanagement in der Privatwirtschaft bezieht.<br />

Viele PädagogInnen greifen einfach auf <strong>die</strong>se Ansätze aus dem Bereich<br />

der Betriebswirtschaft zurück, was nicht unproblematisch ist, bauen<br />

sie doch auf anderen Grundlagen als <strong>die</strong> Erziehungswissenschaft auf (vgl.<br />

Leiprecht 2010). Unternehmen verbinden mit Managing Diversity <strong>die</strong> Frage<br />

nach den Human Ressources, was nicht selten mit Prozessen der Essentialisierung<br />

einhergeht, so z.B. im Reden über gruppenbezogene Potentiale,<br />

<strong>die</strong> <strong>für</strong> Unternehmen unter dem Motto der Wertschätzung von Vielfalt<br />

nutzbar gemacht werden sollen. Doch gibt es verschiedene Diversity-Ansätze<br />

in der Forschung und auf politischer Ebene in Bürgerrechts- oder<br />

Frauenbewegungen, bei denen ähnlich wie in der <strong>Bildungsarbeit</strong> soziale<br />

Gerechtigkeit und Chancengleichheit im Vordergrund stehen.<br />

Es geht also um eine diversitätsbewusste Orientierung. So ist eine professionelle<br />

Perspektive auf <strong>die</strong> verschiedenen AdressatInnen der Erwachsenen-<br />

2 vgl. Kaschuba zu Widerständen in <strong>die</strong>sem Buch S. 87ff.


- 68 -<br />

Gerrit Kaschuba<br />

bildung hilfreich, <strong>die</strong> über in spezifischer Weise identifizierte „Zielgruppen“<br />

hinausgeht, ohne sie zu vernachlässigen. Mit einer diversitätsbewussten<br />

Perspektive steht nicht mehr ein einzelnes und isoliertes Gruppenmerkmal<br />

im Mittelpunkt – wie zum Beispiel <strong>die</strong> andere Kultur (vgl. Leiprecht 2010).<br />

Es wird vielmehr danach gefragt, weshalb und wie bestimmte Konstellationen<br />

von Differenzlinien in einem konkreten sozialen Kontext eine Rolle<br />

spielen.<br />

Plädoyer <strong>für</strong> einen diversitätsbewussten Ansatz in <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en<br />

Es ist ein eigenständiger Begriff von Diversity/Diversität in der Bildung<br />

(weiter) zu entwickeln, der aber keinesfalls den Begriff <strong>Gender</strong> ersetzen<br />

kann. In <strong>die</strong>sem Kontext ist eine zunehmende De-Thematisierung geschlechterrelevanter<br />

gesellschaftlicher Konfliktlagen festzustellen, <strong>die</strong> durch<br />

<strong>die</strong> „Humanressource Geschlecht“ oder <strong>die</strong> Zerlegung von gender in unzählige<br />

Diversitäten erfolgt. Diese Entwicklung läuft Gefahr, sich am Projekt<br />

der Individualisierung zu beteiligen. „Aus Angst vor Festschreibungen verzichtet<br />

<strong>die</strong> Gleichstellung zunehmend auf <strong>die</strong> Artikulation einer kollektiven<br />

Betroffenheit, obgleich <strong>die</strong>se nach wie vor besteht“ (Soiland 2009, S. 47).<br />

Des weiteren sind Verkürzungen in der Rezeption von <strong>Gender</strong> Mainstreaming<br />

in der gegenwärtigen Umsetzung festzustellen: Statt von der strukturverändernden<br />

Intention auszugehen, wie sie auf den Weltfrauenkonferenzen<br />

inten<strong>die</strong>rt war, <strong>die</strong> in <strong>die</strong> Organisationen, Inhalte bzw. Fachthemen,<br />

Kommunikation hineinreicht und auch <strong>die</strong> Person umfasst, wird häufig lediglich<br />

<strong>die</strong> Personalentwicklung in den Blick genommen. Dazu kommt, dass<br />

das neoliberale Geschlechterregime bzw. <strong>die</strong> neoliberalen Regierungen mit<br />

der Freisetzung von Individualität und Befreiung von der <strong>Gender</strong>-Norm<br />

operieren und nicht mehr mit der Anpassung an Geschlechterstereotype.<br />

Diese gegenwärtige Modernisierungsleistung führt bereits stellenweise zur<br />

Ausblendung des gesellschaftlichen Zusammenhangs. Darin kann auch ein<br />

Grund <strong>für</strong> <strong>die</strong> Abwehr von <strong>Gender</strong>-Themen sein.<br />

Intersektionalität kann auch aus <strong>die</strong>sen Gründen als öffnende Methodologie<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Weiterarbeit in Theorie und Praxis der Fortbildungen gesehen werden.<br />

Es geht um ein Mehr an spezifischen Ansätzen und Disziplinen (wie<br />

<strong>Gender</strong>-Forschung, Migrationsforschung etc.), <strong>die</strong> aufeinander zu beziehen<br />

sind. Und es braucht Anschlüsse zwischen der Diskussion auf der Makroebene<br />

und den Individuen. Ein Bindeglied ist <strong>die</strong> hier ausgeführte gender-


„<strong>Gender</strong> – all inclusive?“ - 69 -<br />

theoretische Rahmung von Bildung, <strong>die</strong> verschiedene <strong>Gender</strong>-Ansätze differenziert<br />

und in <strong>die</strong> Praxis – z.B. bei der Vermittlung bzw. Weiterentwicklung<br />

von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> bei künftigen <strong>Gender</strong> TrainerInnen in der <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

(vgl. Kaschuba 2007, Schnier Kap. 2.1 in <strong>die</strong>sem Buch) – übersetzt.<br />

Im Übrigen lassen sich ähnliche Entwicklungen in den Diskursen um<br />

Ethnizität/Migrationshintergrund und in deren Transfer in <strong>die</strong> interkulturelle<br />

Bildung feststellen.<br />

Eine wichtige Anschlussstelle zwischen Makro- und Mikroebene im Sinne<br />

der Intersektionalität bietet der „subjektive Möglichkeitsraum“ (Holzkamp<br />

1983, vgl. Leiprecht 2010): Das Subjekt hat einen Möglichkeitsraum und ist<br />

nicht völlig festgelegt, aber auch nicht völlig frei aufgrund der kategorialen<br />

Schnittstellen von Geschlecht, Ethnizität etc. Neben diskriminierenden<br />

Strukturen sind eigene Beteiligungen sowie Potentiale und Ressourcen der<br />

Subjekte thematisierbar. Die Berücksichtigung <strong>die</strong>ser verschiedenen Ebenen<br />

und Mechanismen kann auch der Gefahr einer Verlagerung der Gesellschaftsanalyse<br />

auf das Gebiet der Identitätspolitik vorbeugen (vgl. Klinger<br />

2003, Soiland 2009) sowie einer Reifizierung von geschlechterbezogenen<br />

(aber auch z.B. ethnisierenden) Zuschreibungen. Möglicherweise ließe sich<br />

darüber auch das Missverständnis auflösen, sich mit der Durchführung von<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en auf eine Hauptkategorie festzulegen. Letztlich geht<br />

es um <strong>die</strong> ständige Herausforderung an <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en, einen reflexiven<br />

diversitätsbewussten Ansatz zu verfolgen, der im Sinne der Intersektionalität<br />

auch <strong>die</strong> Dominanzstrukturen in ihrer Verschränkung im Blick<br />

behält.<br />

Literatur<br />

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- 70 -<br />

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Reifizierung in der Frauenforschung. In: Knapp, G. A./Wetterer, A. (Hrsg.):<br />

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Goffman, Erving 1994: Interaktion und Geschlecht. Hrsg. und eingeleitet von<br />

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Holzkamp, Klaus 1983: Grundlegung der Psychologie. Frankfurt a.M.<br />

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In: Hessische Blätter <strong>für</strong> Volksbildung 3/2007, S. 263-271<br />

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Didaktik. Begründungen und Konsequenzen. In: Literatur- und Forschungsreport<br />

Weiterbildung 1/2005, S. 67-74<br />

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Klinger, Cornelia/ Knapp, Gudrun-Axeli 2005: Achsen der Ungleichheit –<br />

Achsen der Differenz – Verhältnisbestimmung von Klasse, Geschlecht,<br />

„Rasse“/ Ethnizität. In: Transit. Europäische Revue 29/2005 (online-Veröffentlichung)<br />

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„<strong>Gender</strong> – all inclusive?“ - 71 -<br />

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Schule in der Einwanderungsgesellschaft, Schwalbach/Ts., S. 218-234<br />

Lutz, Helma/ Davis, Kathy 2005: Geschlechterforschung und Biografieforschung:<br />

Intersektionalität als biographische Ressource am Beispiel einer<br />

außergewöhnlichen Frau. In: Völter, Bettina/ Dausien, Bettina/ Lutz, Helma/<br />

Rosenthal, Gabriele (Hrsg.). Biographieforschung im Diskurs. Wiesbaden, S.<br />

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Soiland, Tove 2009: <strong>Gender</strong> als Selbstmanagement. Zur Reprivatisierung des<br />

Geschlechts in der gegenwärtigen Gleichstellungspolitik. In: Andresen,<br />

Sünne/ Kreuber, Mechthild/ Lüdke, Dorothea (Hrsg.): <strong>Gender</strong> und Diversity:<br />

Albtraum oder Traumpaar? Interdisziplinärer Dialog zur „Modernisierung“<br />

von Geschlechter- und Gleichstellungspolitik. Wiesbaden, S. 35-51<br />

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und Politik. Frankfurt a.M., S.221-261


- 72 -<br />

Ralf Lange<br />

2.3 Zur Bedeutung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Organisationsentwicklung in Bildungsinstitutionen<br />

Ralf Lange<br />

<strong>Gender</strong>ing Change – Changing <strong>Gender</strong>: Veränderungsprozesse<br />

gestalten und <strong>Gender</strong> Mainstreaming praktizieren<br />

Um <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> als innovativen Faktor in Veränderungsprozessen<br />

von Bildungsinstitutionen nutzbar machen zu können, bedarf es eines organisationalen<br />

Umfeldes, das es den Fach- und Führungskräften ermöglicht,<br />

ihre <strong>Gender</strong>-Expertise in der jeweiligen Facharbeit und in der Führungspraxis<br />

umzusetzen. Sie müssen ihre <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> nicht nur als<br />

Wissens- und Erfahrungsschatz kontinuierlich ausbilden, sondern benötigen<br />

den expliziten Auftrag, um als Change-Agents <strong>für</strong> eine gender-orientierte<br />

Fach- und Führungsarbeit aktiv werden zu dürfen.<br />

Dieses Verständnis von Empowerment setzt ein gewachsenes Bewusstsein<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Notwendigkeit und den Nutzen einer solchen Vorgehensweise voraus,<br />

d.h. es bedarf einer klaren strategischen Orientierung durch entsprechende<br />

Grundsatzentscheidungen des Top-Managements zur Implementierung<br />

eines gender-orientierten Change Managements.<br />

Begriffe wie Belastbarkeit, Durchsetzungsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft,<br />

Selbstständigkeit, Flexibilität und Karriereorientierung sind in der organisationalen<br />

Wirklichkeit keine geschlechtsneutralen Konstrukte, sondern<br />

in hohem Maße mit stereotypen Deutungsmustern entlang der Geschlechtergrenze<br />

belegt 1 . Jenseits <strong>die</strong>ser häufig sehr eindimensionalen Zuschreibungen<br />

zeichnet sich gender-orientiertes Führungsverhalten durch<br />

eine geschärfte Wahrnehmungsfähigkeit aus, <strong>die</strong> auf der Handlungsebene<br />

den individuellen Ausgangslagen, Interessen und Bedürfnissen der jeweiligen<br />

Menschen in ihrer Vielfalt gerecht wird.<br />

1 Weitere Konkretisierungen <strong>die</strong>ser Begriffe mit Blick auf <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> im Führungsverhalten<br />

finden sich u.a. bei Blickhäuser/ von Bargen 2005, S. 29-34.


<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Organisationsentwicklung - 73 -<br />

<strong>Kompetenz</strong>zuschreibungen und –vermutungen entlang der Geschlechtergrenze<br />

bezogen auf interpersonelle Dimensionen wie Kritikfähigkeit, Kooperationsfähigkeit,<br />

Team- und Kommunikationsfähigkeit, Einfühlungsvermögen<br />

und Konfliktfähigkeit sind zu überprüfen und hinsichtlich ihrer tatsächlichen<br />

Relevanz <strong>für</strong> konkrete Männer und Frauen und ihren unterschiedlichen<br />

Lebensrealitäten zu reflektieren. Eine gender-sensible Führungspraxis<br />

in Bildungsinstitutionen beachtet Vielfalt und Unterschiede,<br />

würdigt und respektiert den damit verbundenen Ressourcenreichtum, ohne<br />

<strong>die</strong>se Differenzphänomene <strong>für</strong> Hierarchisierungen und Diskriminierungen<br />

auszubeuten.<br />

Führungskräfte sind zugleich verantwortlich <strong>für</strong> <strong>die</strong> Planung, Steuerung und<br />

Evaluation von Prozessen der Organisationsentwicklung. Sie werden aufgrund<br />

ihrer Haltung und ihrer Vorgehensweisen im Prozess als Vorbilder<br />

wahrgenommen. Diese zugeschriebene Vorbildfunktion setzt voraus, dass<br />

<strong>die</strong> betroffenen Personen ihre eigenen Deutungs- und Handlungsmuster im<br />

jeweiligen organisationalen Kontext sorgfältig reflektieren.<br />

Eine glaubwürdige Verkörperung von dialogisch-partizipativen Vorgehensweisen,<br />

ein <strong>für</strong> <strong>Gender</strong>-Aspekte sensibler Umgang mit anderen Menschen,<br />

<strong>die</strong> Bereitschaft zur ehrlichen Äußerung ambivalenter Gefühle im Veränderungsprozess<br />

zwischen Hoffnung, Euphorie und Zuversicht einerseits und<br />

Zweifeln, Bedenken und Ängsten andererseits, können entscheidend dazu<br />

beitragen, dass in Change-Prozessen lernförderliche Umfeldbedingungen<br />

entstehen können.<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entwicklung von Kultur, Strategie<br />

und Identität einer Organisation<br />

Organisationaler Wandel in Bildungsinstitutionen und <strong>die</strong> damit verbundenen<br />

Lern- und Entwicklungsprozesse finden auf unterschiedlichen Ebenen<br />

statt. Strategische, strukturelle, prozessbezogene und kulturelle Dimensionen<br />

bilden in ihrer wechselseitigen Verschränkung den Fokus organisationalen<br />

Lernens. Nachhaltige Veränderungsprozesse in Organisationen bedürfen<br />

der Lernbereitschaft und -fähigkeit einer relevanten Zahl von Organisationsmitgliedern,<br />

so dass <strong>die</strong> Zielerreichung zu einer gemeinsamen<br />

Aufgabe wird, <strong>die</strong> mehr ist als <strong>die</strong> Summe der individuellen Ziele. Dies trifft<br />

in besonderer Weise auf ein gender-orientiertes Change Management zu.<br />

In der bisherigen Implementierungspraxis zeigt sich gleichwohl, dass fun-


- 74 -<br />

Ralf Lange<br />

<strong>die</strong>rtes Wissen und gewachsene <strong>Kompetenz</strong>en zur Relevanz von <strong>Gender</strong> in<br />

Veränderungsprozessen nur bei wenigen Personen vorhanden sind.<br />

Außerdem wird in der Praxis häufig über Delegationsverfahren <strong>die</strong> kollektive<br />

Verantwortung <strong>für</strong> <strong>Gender</strong> Mainstreaming als Gemeinschaftsaufgabe<br />

aller Ressorts zugunsten der Zuständigkeit von Beauftragten (wie bspw.<br />

Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte, <strong>Gender</strong>-Beauftragte oder Diversity-Beauftragte)<br />

ausgehebelt. Diese Beauftragten sind strukturell mit der<br />

anstehenden Aufgabe immer dann überfordert, wenn es keine institutionellen<br />

Traditionen, Regeln, Verfahren und Rituale gibt, <strong>die</strong> kontinuierliches<br />

Lernen als ständige Querschnittsaufgabe <strong>für</strong> alle Organisationsmitglieder<br />

fördert.<br />

Mit Blick auf <strong>Gender</strong>-Dimensionen geht es nicht nur um <strong>die</strong> Frage nach den<br />

möglichen Verbesserungen auf den Ebenen von Strategie, Struktur und<br />

Prozessqualität einer Organisation, sondern um <strong>die</strong> grundlegenderen Fragen<br />

nach dem kollektiven Selbstverständnis und den handlungsleitenden<br />

Prinzipien des jeweiligen sozialen Systems. Neue Einsichten auf <strong>die</strong>ser<br />

Ebene, wo es um Fragen der Identität, der (ideologischen) Ausstrahlungskraft,<br />

der Sinnhaftigkeit und der Zielsetzung einer Organisation geht, haben<br />

erhebliches transformatorisches Potenzial, das in der Praxis des<br />

Change Managements gleichwohl nur selten ausgeschöpft wird.<br />

Nach innen eröffnet sich in solchen Lernprozessen <strong>die</strong> Chance, <strong>die</strong> Differenzen<br />

im Denken und Handeln der Organisationsmitglieder systematisch<br />

zu reflektieren, um jenseits tra<strong>die</strong>rter Gewohnheiten und Muster zu einer<br />

Praxis zu kommen, <strong>die</strong> sich durch Geschlechtergerechtigkeit und –demokratie,<br />

einen diskriminierungsfreien Umgang miteinander, und durch gleiche<br />

Teilhabechancen <strong>für</strong> alle Organisationsmitglieder auszeichnet. Ein<br />

lernförderliches Umfeld in Organisationen zeichnet sich durch grenzüberschreitende<br />

Dialogformen aus. Die Etablierung einer möglichst angst- und<br />

hierarchiefreien Lernkultur ist von entscheidender Bedeutung <strong>für</strong> das angestrebte<br />

Ziel der Nachhaltigkeit im Change Management.<br />

Über kollektive Lernprozesse kann <strong>die</strong> intrinsische Motivation der Organisationsmitglieder<br />

<strong>für</strong> das Change Management entscheidend wachsen, denn<br />

<strong>die</strong> Notwendigkeit, der individuelle und kollektive Nutzen, <strong>die</strong> Zielrichtung<br />

und der Konsens über <strong>die</strong> Umsetzungsschritte werden auf <strong>die</strong>se Weise aktiv<br />

angeeignet. Zugleich sind in <strong>die</strong>sen Lern- und Entwicklungsprozessen<br />

<strong>die</strong> stets auftretenden Ängste, Sorgen und Be<strong>für</strong>chtungen der unterschied-


<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Organisationsentwicklung - 75 -<br />

lichen Akteursgruppen mit großem Einfühlungsvermögen und ohne beschädigendes<br />

Feedback in den Prozess zu integrieren. Widerstand gegen<br />

Veränderungen, insbesondere wenn es um fundamentalen Wandel auf den<br />

Ebenen Strategie, Struktur, Prozess oder Kultur einer Organisation geht, ist<br />

eine Normalität, <strong>die</strong> erwartet und akzeptiert werden muss. Die Reaktionen<br />

auf Widerstand sollten aber stets mit Dialog und Verhandlungsbereitschaft<br />

verbunden sein, so dass <strong>die</strong> berechtigten Interessen und Bedürfnisse der<br />

jeweiligen Anspruchsgruppen angemessen berücksichtigt und in den<br />

Change-Prozess integriert werden können.<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Personalentwicklung:<br />

Geschlechtergerechtigkeit und Chancengleichheit herstellen<br />

In Prozessen der Organisationsentwicklung werden nicht zuletzt personalpolitische<br />

Entscheidungen erforderlich, <strong>die</strong> bestenfalls zu passgenauen Lösungen<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> betroffenen Menschen und <strong>die</strong> Organisation als Ganzes führen<br />

sollten. Personalpolitische Grundsätze sind wichtige Aspekte des strategischen<br />

Managements in Bildungsinstitutionen und systematisch auf <strong>die</strong><br />

jeweiligen strategischen Grundsatzentscheidungen zu beziehen. Prinzipien<br />

und Instrumente der Rekrutierung, der Laufbahn- und Karriereplanung, der<br />

Aus- und Weiterbildung sowie der Teamentwicklung gehören dabei zu den<br />

wichtigsten Gestaltungsfragen der strategischen Personalentwicklung.<br />

Um Lern- und Entwicklungsprozesse auf <strong>die</strong>sen Ebenen auch mit Blick auf<br />

<strong>Gender</strong>-Aspekte zu planen und zu evaluieren, sind <strong>Kompetenz</strong>en und Wissensbestände<br />

zu integrieren, <strong>die</strong> in vielen Bildungsinstitutionen bislang<br />

häufig ignoriert werden. Die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit, Geschlechterdemokratie,<br />

Chancengleichheit und Anti-Diskriminierung steht<br />

zwar als Leitbild in vielen Bildungsinstitutionen im Vordergrund – es mangelt<br />

aber nicht selten an nachhaltigen Umsetzungsstrategien. Anknüpfungspunkte<br />

im Bereich der Personalentwicklung bieten <strong>die</strong> Handlungsfelder<br />

Work-life-balance, Rekrutierung, Weiterbildung, Laufbahn- und Karriereplanung<br />

sowie Teamentwicklung.<br />

Work-life-balance<br />

Viele Menschen wünschen sich Arbeits- und Lebensverhältnisse, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

Vereinbarkeit von beruflichen und privaten Anforderungen im Alltag ermöglichen.<br />

Auch Frauen und Männer in pädagogischen Arbeitsfeldern lernen,<br />

ihre Wünsche und Bedürfnisse mit Blick auf ihre Verantwortung in El-


- 76 -<br />

Ralf Lange<br />

ternschaft und Pflege besser in den Blick zu nehmen. Damit wird der weit<br />

verbreitete Grundsatz „Beruf geht vor Familie“ als Ausdruck eines männlich<br />

konnotierten Organisationsprinzips zugunsten einer anzustrebenden Balance<br />

zwischen <strong>die</strong>sen Lebensbereichen grundsätzlich in Frage gestellt.<br />

Ein differenziertes Human Ressource Management (Kühne 1997) prüft alle<br />

personalwirtschaftlichen Entscheidungen und Instrumente z.B. mit Blick auf<br />

Auswirkungen auf <strong>die</strong> betroffenen Mütter und Väter und steuert ggf. um,<br />

damit Benachteiligung und Diskriminierung unterbunden wird. Diese Orientierung<br />

<strong>die</strong>nt nicht nur den betroffenen Menschen, sondern nützt auch den<br />

Unternehmen. Effekte einer differenzierten und familienfreundlichen Personalpolitik<br />

können auf folgenden Ebenen liegen:<br />

�� Verringerung der Fluktuation und Reduzierung des Aufwands bei der<br />

Wiederbesetzung offener Stellen,<br />

�� Erhöhung der Rückkehrquote und Senkung der Abwesenheitsdauer<br />

nach der Erziehungszeit,<br />

�� Senkung von Fehlzeiten und Krankenstand,<br />

�� Verbessertes Personalmarketing durch attraktive Arbeitsbedingungen,<br />

�� Marketing-Effekte auch <strong>für</strong> den Produktabsatz,<br />

�� Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens,<br />

�� Steigerung der Motivation und Zufriedenheit der Beschäftigten,<br />

�� Effizienzsteigerungen,<br />

�� Reduktion der Stressbelastung z.B. durch eine innovative Arbeitszeitpolitik,<br />

<strong>die</strong> mehr individuelle Wahlmöglichkeiten eröffnet,<br />

�� Verbessertes Unternehmensimage z.B. durch Zertifizierungen wie Total-E-Quality<br />

oder das „Audit Beruf und Familie“.<br />

Rekrutierung<br />

Alle Maßnahmen zur Rekrutierung, Betreuung und Weiterentwicklung des<br />

Personals <strong>die</strong>nen dem Ziel, Fach- und Führungskräfte mittels aktiven<br />

Selbstmanagements, passgenauer Laufbahnplanung und abgestimmter<br />

Weiterbildungsaktivitäten dazu zu befähigen, aktuellen und zukünftigen Arbeitsanforderungen<br />

gerecht werden zu können (Mayerhofer 1999).<br />

Es kommt im gesamten Rekrutierungsprozess darauf an, sich kritisch mit<br />

gender-bezogenen Stereotypen auf individueller und organisationaler Ebene<br />

auseinander zu setzen, um zu einer reflexiven und diskriminierungs-


<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Organisationsentwicklung - 77 -<br />

freien Rekrutierungspraxis kommen zu können. Geschlechtsneutral formulierte<br />

Stellenausschreibungen sind dabei ein notwendiger, aber keinesfalls<br />

hinreichender Bestandteil des Prozesses. Dieser reflektierte Umgang mit<br />

eigenen Vorurteilen und Stereotypen im Rekrutierungsverfahren ist nicht<br />

zuletzt deshalb wichtig, weil <strong>die</strong> Rolle <strong>die</strong>ser subjektiven Zuschreibungs-<br />

und Bewertungsmuster <strong>für</strong> den Auswahlprozess von entscheidender Bedeutung<br />

ist.<br />

Betriebliche Weiterbildung<br />

Eine systematische Stärkung der Problemlösungsfähigkeit von Bildungsinstitutionen<br />

ist darüber hinaus im Bereich der betrieblichen Weiterbildungsaktivitäten<br />

angelegt. Investitionen in <strong>die</strong> fachliche und sozial-kommunikative<br />

bzw. personale <strong>Qualifizierung</strong> der Beschäftigten sind das Kerngeschäft<br />

der betrieblichen Personalentwicklung. Dabei wird <strong>für</strong> <strong>die</strong> Beschäftigten zunehmend<br />

wichtig, sich mittels berufsbegleitender Fortbildungen kompetent<br />

und permanent auf neue Umfeldbedingungen einzustellen. Mayerhofer<br />

(1999) betont dabei <strong>die</strong> Fähigkeit zur Reflexion des eigenen Handelns insbesondere<br />

bezogen auf <strong>die</strong> Wirkung auf andere Personen, sowie <strong>die</strong> Fähigkeit<br />

zur Selbstmotivation und zum selbst gesteuerten Lernen.<br />

Die Fach- und Führungskräfte sollen mittels entsprechender <strong>Qualifizierung</strong>smaßnahmen<br />

dazu befähigt werden, <strong>die</strong> Relevanz von <strong>Gender</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Wahrnehmung und den Umgang mit Differenzphänomenen im eigenen<br />

Handlungsfeld zu erkennen. Dazu gehört nicht zuletzt <strong>die</strong> Aneignung relevanten<br />

Wissens um <strong>die</strong> gesellschaftliche Konstruktion und Rekonstruktion<br />

von Differenzverhältnissen entlang der Dimensionen <strong>Gender</strong>, Herkunft, Alter,<br />

Behinderung, Religion, sexuelle Orientierung usw. „Es geht (…) um das<br />

Erkennen von Diskriminierungsstrukturen und der eigenen Werte, Normen<br />

und Einstellungen in Bezug auf (…) Diversitätsdimensionen. Das Wissen<br />

und Erkennen sind wesentliche Grundvoraussetzungen <strong>für</strong> das Entstehen<br />

von <strong>Kompetenz</strong>en, <strong>die</strong> eine Person zur selbstorganisierten Bewältigung<br />

kommender Herausforderungen, <strong>die</strong> inhaltlich im Vorhinein nicht bestimmbar<br />

oder prognostizierbar sind, befähigen. <strong>Kompetenz</strong>entwicklung fokussiert<br />

also in erster Linie auf Verhaltensdispositionen und weniger auf kognitive<br />

Lerninhalte.“ (Schmidt 2004, S. 143).


- 78 -<br />

Laufbahn- und Karriereplanung<br />

Ralf Lange<br />

Das Personalmanagement in Bildungsinstitutionen hat u.a. <strong>die</strong> Aufgabe,<br />

attraktive betriebliche Karriereoptionen zu eröffnen, um <strong>die</strong> Interessen und<br />

Bedürfnisse der Fach- und Führungskräfte an beruflichem Aufstieg bzw.<br />

beruflicher Neuorientierung erfüllen zu können.<br />

Jenseits von stereotypen Zuschreibungen und dem darin angelegten diskriminierenden<br />

Potenzial müssen Organisationen lernen, formelle und informelle<br />

Netzwerke so weiterzuentwickeln, dass <strong>die</strong> möglichen Spielräume<br />

<strong>für</strong> geschlechtergerechtes Verhalten ausgeweitet werden und eindimensionale<br />

Einschränkungen beider Geschlechter zugunsten von Wahlmöglichkeiten<br />

in der Karriereentwicklung abgelöst werden. Es muss darum gehen,<br />

<strong>die</strong> Sichtbarkeit bislang unterrepräsentierter Akteursgruppen auf allen Hierarchieebenen<br />

zu erhöhen, um das Potenzial der personellen Vielfalt voll<br />

ausschöpfen zu können.<br />

Doing <strong>Gender</strong> in der Teamentwicklung<br />

Die zunehmende Bedeutung der Teamentwicklung in Bildungsinstitutionen<br />

ist ein sichtbarer Ausdruck der fortlaufenden Modernisierung von Arbeitsprozessen<br />

in <strong>die</strong>sen Einrichtungen. Der Einsatz von Gruppen und Teams als<br />

strategischer Erfolgsfaktor soll den Prozess der Leistungserstellung verbessern,<br />

Leistungsreserven systematisch erschließen, und eine gemeinsame<br />

Leistungs- und Zielorientierung unterstützen (Antoni 2000).<br />

Die Erwartungen an gelingende Teamarbeit sind in der Regel nicht frei von<br />

Vorurteilen und stereotypisierenden Zuschreibungen bezogen auf <strong>die</strong> anderen<br />

Teammitglieder bzw. bezogen auf <strong>die</strong> Formen der Kooperation. Die<br />

Dynamik von bzw. in Gruppenprozessen muss unter Berücksichtigung von<br />

<strong>Gender</strong>-Aspekten analysiert werden, um <strong>die</strong> Fallstricke und Stolpersteine in<br />

Prozessen der Teamentwicklung erkennen und umgehen zu können. Die<br />

alltägliche Inszenierung von <strong>Gender</strong> bzw. Männlichkeit(en) und Weiblichkeit(en)<br />

in Geschlechterverhältnissen („doing gender“), sowie <strong>die</strong> Herausforderung<br />

der Heterogenität und Vielfalt in Teams schlägt sich in erster Linie<br />

in Teamstrukturen und -prozessen nieder.<br />

Berufe und Tätigkeitsprofile in den jeweiligen Arbeitsbereichen einer Organisation<br />

sind geschlechtlich konnotierte Formen von Arbeit, <strong>die</strong> Frauen und<br />

Männer mit spezifischen Verhaltenserwartungen konfrontieren. Die Art der<br />

Kooperation findet auch bei Teamarbeit häufig entlang der stereotypen Zu-


<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Organisationsentwicklung - 79 -<br />

schreibungen <strong>für</strong> geschlechtergerechtes Verhalten statt und ist nicht per se<br />

mit einem Abbau geschlechtshierarchischer Arbeitsteilung verbunden, d.h.<br />

<strong>die</strong> „Platzanweiserfunktion“ des biologischen Geschlechts (engl.: sex) wird<br />

nicht automatisch außer Kraft gesetzt, weil das Prinzip der Teamarbeit eingeführt<br />

wird.<br />

Teamarbeit stellt keine macht- und hierarchiefreie Zone des täglichen Arbeitsvollzugs<br />

dar, sondern führt über Alltagskommunikationen im Team zu<br />

Status- und Rollenunterschieden, <strong>die</strong> wiederum Machtstrukturen konstituieren<br />

können. Welches Teammitglied mit einer anderen Person aus dem<br />

Team über welches Thema wann und wie spricht, ist ein Ausdruck <strong>die</strong>ser<br />

Machtstrukturen. Die Statuszuweisungen und ein sich herausbildendes Rollenverständnis<br />

nehmen starken Einfluss auf <strong>die</strong> Leistung und <strong>die</strong> Arbeitszufriedenheit<br />

im Team. Zugeschriebene Rollen können z.B. von der Stellung<br />

und Position des Teammitglieds in der betrieblichen Hierarchie abhängig<br />

sein, oder auf Persönlichkeitsmerkmale des Teammitglieds bezogen<br />

sein. Merkmale wie Alter, Geschlecht, Herkunft, persönliche Vorerfahrungen<br />

und Vorlieben werden bewusst und unbewusst <strong>für</strong> Hierarchisierungen<br />

in Teamzusammenhängen wirksam gemacht.<br />

Frauen und Männer nutzen auch <strong>die</strong> Teamarbeit zur Inszenierung von Geschlechtsidentität(en)<br />

und nutzen dazu alltägliche Interaktionen zur bewussten<br />

und unbewussten Konstruktion von Differenz und Hierarchie. Auf<br />

der anderen Seite werden Frauen und Männern unterschiedliche Kommunikationsstile<br />

zugeschrieben, <strong>die</strong> u.a. auf sozialisatorische Erfahrungen und<br />

daraus resultierende persönliche Vorlieben zurückgeführt werden. In <strong>die</strong>sem<br />

Zusammenhang kommt es häufig zu einer höheren Bewertung der<br />

Sachkompetenz von Männern. Teammitglieder, <strong>die</strong> dem aktuell wirkungsmächtigen<br />

Bild hegemonialer Männlichkeit nicht gerecht werden wollen<br />

oder können, müssen durch zusätzlichen Wissens- und <strong>Kompetenz</strong>erwerb<br />

nachweisen, dass sie den gleichen Status im Team beanspruchen dürfen.<br />

Eine marginalisierte Rolle im Team kann zugleich <strong>die</strong> Folge einer internalisierten<br />

Selbstabwertung sein, <strong>die</strong> sich z.B. in der wahrgenommenen Überzeugungskraft<br />

der eigenen Aussagen und Einstellungen zeigen kann (vgl.<br />

Hermann 2004, S. 123). Diese Selbstkategorisierungen führen in gemischtgeschlechtlichen<br />

Teams häufig dazu, dass Frauen per se ein geringerer<br />

Status zugeschrieben wird als Männern. Männer, <strong>die</strong> eine marginalisierte<br />

Form von Männlichkeit im Team repräsentieren, erleben <strong>die</strong>ses Phänomen<br />

in ähnlicher Weise, verfügen gleichwohl über andere Ressourcen als Frau-


- 80 -<br />

Ralf Lange<br />

en, um dem Konformitätsdruck der Gruppe durch alternative Inszenierungen<br />

von Männlichkeit(en) zu begegnen. Gleichwohl können männerbündische<br />

Formen der Vergemeinschaftung auch im Teamzusammenhang Exklusionswirkungen<br />

entfalten, <strong>die</strong> Frauen und „abweichende“ Männer massiv<br />

benachteiligen (vgl. Lange 2006, 2004, 1998; Hermann 2004).<br />

Erfolgsfaktoren bei der Einführung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming<br />

als innovatives Handlungsprinzip in Bildungseinrichtungen<br />

Insgesamt ist in Bildungseinrichtungen ein Trend von der traditionellen<br />

Frauenförderpolitik zum Konzept des <strong>Gender</strong> Mainstreaming deutlich erkennbar,<br />

ohne dass <strong>die</strong> bewährten Instrumente der Frauenförderung damit<br />

obsolet werden. Viele <strong>die</strong>ser Organisationen verfolgen eine Art Doppelstrategie,<br />

<strong>die</strong> beide konzeptionellen Ansätze mit spezifischen Aufgaben bei<br />

ähnlichen Zielsetzungen integriert. Darüber hinaus werden Elemente des<br />

Diversity Management zunehmend integriert, um z.B. im Bereich der interkulturellen<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> neue Akzente setzen zu können.<br />

Zusammenfassend sollen an <strong>die</strong>ser Stelle <strong>die</strong> wichtigsten Voraussetzungen<br />

und Erfolgsfaktoren <strong>für</strong> <strong>die</strong> Einführung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming als innovatives<br />

Handlungsprinzip in Bildungseinrichtungen dargestellt werden.<br />

�� Sichtbares Engagement und klare strategische Orientierung durch das<br />

strategische Management (Top-Down).<br />

�� Klarheit in der strategischen und prozessbezogenen Verantwortung.<br />

�� Differenzierte Analyse der Ausgangslage (Ist-Aufnahme) und Erarbeitung<br />

einer substanziellen Datenbasis (<strong>Gender</strong>-Analysen).<br />

�� Die Belegschaft einbinden: Betroffene zu Beteiligten machen.<br />

�� Transparenz, Praktikabilität und Verbindlichkeit aller Entscheidungen.<br />

�� <strong>Gender</strong> Mainstreaming strukturell im Wissensmanagement integrieren.<br />

�� <strong>Gender</strong> Mainstreaming als Regelpraxis etablieren und dabei bereits<br />

eingeführte Instrumente nutzen.


<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Organisationsentwicklung - 81 -<br />

Literatur<br />

Antoni, Conni H. 2000: Teamarbeit gestalten. Grundlagen, Analysen, Lösungen.<br />

Weinheim<br />

Blickhäuser, Angelika; von Bargen, Henning 2005: <strong>Gender</strong>-Mainstreaming-<br />

Praxis Arbeitshilfe zur Anwendung der Analysekategorie „<strong>Gender</strong>“ in <strong>Gender</strong>-Mainstreaming-Prozessen.<br />

Schriftenreihe zur Geschlechterdemokratie<br />

Nr. 12, herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin<br />

Hermann, Anett 2004: Teams und Teamentwicklung unter <strong>Gender</strong>- und<br />

Diversitäts-Fokus. In: Bendl, R.; Hanappi-Egger, E.; Hofmann, R. (Hg.)<br />

2004. Interdisziplinäres <strong>Gender</strong>- und Diversitätsmanagement, S. 103-129<br />

Kühne, Doris 1997: Differenziertes Human Resource Management: Lösungsansatz<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Geschlechtergleichstellung. Wiesbaden<br />

Lange, Ralf 1998a: Männer – Macht – Management. In: Multioptionale Männlichkeiten?<br />

Zeitschrift <strong>für</strong> sozialistische Politik im Bildungs-, Gesundheitsund<br />

Sozialbereich. Bielefeld, S. 45-61<br />

Lange, Ralf 1998b: Geschlechterverhältnisse im Management von Organisationen.<br />

München<br />

Lange, Ralf 2004: <strong>Gender</strong> Mainstreaming – Ein neuer Ansatz zur Veränderung<br />

von Männlichkeitsdiskursen in Organisationen? In: Sozialwissenschaften und<br />

Berufspraxis. Hg: Berufsverband Deutscher SoziologInnen, Nr. 4/04, S. 409-<br />

418<br />

Lange, Ralf 2006: <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> das Change Management – <strong>Gender</strong><br />

& Diversity als Erfolgsfaktoren <strong>für</strong> organisationales Lernen. Bern<br />

Mayerhofer, Wolfgang 1999: Personalentwicklung aus personalpolitischer Perspektive.<br />

In: Elsik, W.; Mayrhofer, W. (Hg.). Strategische Personalpolitik.<br />

München, S. 173-196<br />

Schmidt, Angelika 2004: <strong>Gender</strong>gerechte Personalentwicklung. In: Bendl, Regine;<br />

Hanappi-Egger, Edeltraut; Hofmann, Roswitha (Hg.) 2004: Interdisziplinäres<br />

<strong>Gender</strong>- und Diversitätsmanagement. Wien, S. 131-157


- 82 -<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

3. <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Fortbildungspraxis<br />

Die im folgenden Kapitel vorgestellten Überlegungen stellen eine Weiterentwicklung<br />

des im Modellprojekt „<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong>“<br />

erprobten Konzeptes und seiner didaktisch-methodischen Bestandteile<br />

dar. Das nachfolgende Kapitel gliedert sich in zwei Teile.<br />

Im ersten Teil werden didaktische Prinzipien einer gender-sensiblen <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

vorgestellt, <strong>die</strong> nicht nur in Fortbildungen <strong>für</strong> <strong>Gender</strong>-TrainerInnen,<br />

sondern auch in anderen Seminaren Anwendung finden können. Widerstände<br />

begegnen uns alltäglich in der <strong>Bildungsarbeit</strong>; Gerrit Kaschuba setzt<br />

sich mit deren Ursachen und Möglichkeiten des Umgangs damit auseinander.<br />

Ralf Lange diskutiert Störungen und Konflikte als Lernchancen ebenso wie<br />

das Prinzip der Kollegialen Beratung und Rollenspiele als Lernformen.<br />

Im zweiten Teil des Kapitels werden verschiedene methodische Ansätze <strong>für</strong><br />

eine gender-sensible <strong>Bildungsarbeit</strong>, <strong>die</strong> innerhalb des Modellprojektes erprobt<br />

wurden, von der Gestaltung von Anfangs- und Schlusssituationen bis<br />

hin zu gender-bezogenen Auswertungsmethoden vorgestellt.<br />

Diese Umsetzungsvorschläge <strong>für</strong> eine gender-sensible <strong>Bildungsarbeit</strong> sollen<br />

zur Nachahmung anregen und einen Beitrag zur Verbesserung der Praxis<br />

einer gender-sensiblen <strong>Bildungsarbeit</strong> leisten.


Didaktische und methodische Überlegungen - 83 -<br />

3.1 Didaktisch-methodische Überlegungen<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Gestaltung von <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en<br />

Didaktische Prinzipien einer gender-sensiblen <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Die nachfolgend dargestellten didaktischen Prinzipien basieren auf eigener<br />

Forschungs- (vgl. u.a. Derichs-Kunstmann u.a. 1999) und Umsetzungspraxis<br />

(Derichs-Kunstmann 2003, 2004, 2006) und sind der Versuch einer Verbindung<br />

zentraler Zugänge verschiedener theoretischer Ansätze wie der erwachsenenpädagogischen<br />

Konzepte der Subjektorientierung (vgl. u.a. Meueler<br />

2009), der geschlechtergerechten Didaktik (vgl. Derichs-Kunstmann<br />

2003, Kaschuba 2005) und sozialwissenschaftlicher Geschlechtertheorien<br />

(vgl. u.a. Knapp/Wetterer 2003). Die acht Prinzipien einer gender-sensiblen<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> basieren vor allen Dingen auf der internationalen Zusammenarbeit<br />

in einem Grundtvig-Projekt zur Implementation von <strong>Gender</strong> Mainstreaming<br />

in der politischen Bildung (vgl. Derichs-Kunstmann 2005) und wurden<br />

auf dem Hintergrund der Erfahrungen im GeQuaB-Projekt weiter entwickelt.<br />

Ziele einer gender-sensiblen <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Wie in den beiden vorherigen Kapiteln ausgeführt, ist das zentrale Ziel von<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en <strong>die</strong> (Weiter-)Entwicklung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong><br />

mit ihren drei Dimensionen: Wollen, Wissen und Können. Diese drei Dimensionen<br />

bilden auf der Basis eines subjektorientierten gender-sensiblen<br />

Ansatzes <strong>die</strong> Grundlage von didaktischen Überlegungen und damit das<br />

Raster, an dem sich der Aufbau von Seminaren orientiert:<br />

�� Information � Wissen,<br />

�� Sensibilisierung � Wollen und<br />

�� Transfer � Können.


- 84 -<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Teilnehmende an Seminaren wollen in der Regel ihre individuellen <strong>Kompetenz</strong>en<br />

erweitern, aber vielfach auch ihre Handlungskompetenz im Hinblick<br />

auf <strong>die</strong> Erfordernisse in ihrem jeweiligen beruflichen Handlungskontext. Sie<br />

verbinden mit der Teilnahme an Seminaren ebenso soziale und emotionale<br />

Bedürfnisse (Meueler 2009, S. 985).<br />

Auf dem Hintergrund <strong>die</strong>ses Ansatzes besteht <strong>die</strong> Aufgabe von Dozentinnen<br />

und Dozenten in der Herstellung von „Lern-Möglichkeiten“ (Meueler 2009,<br />

S. 976). Die Teilnehmenden sind gleichberechtigte PartnerInnen im Lehr-<br />

Lern-Zusammenhang. Die unterschiedlichen Interessen und Lernbedürfnisse<br />

der Einzelnen werden in Inhalt und Gestaltung der Veranstaltung berücksichtigt<br />

(Prinzip Geschlechtergerechtigkeit, siehe Kasten S. 85). Jede<br />

teilnehmende Person wird von den anderen Beteiligten (Teilnehmende und<br />

DozentInnen) als Individuum akzeptiert und in ihrer jeweiligen Individualität<br />

und Subjektivität respektiert (Prinzipien Akzeptanz/Respekt und Geschlechtergerechtigkeit).<br />

Alle Beteiligten erhalten <strong>die</strong> gleichen Chancen,<br />

sich am Seminargeschehen zu beteiligen.<br />

Der Erfahrungskontext der Teilnehmenden und ihre Lernbedürfnisse stehen<br />

im Mittelpunkt des Lernengeschehens. Alle am Seminargeschehen Beteiligten<br />

haben einen erfahrungsgeleiteten individuellen Blick auf <strong>die</strong> Wirklichkeit<br />

(Prinzip Konstruktivität). Dieser wird nicht infrage gestellt. Die Seminargestaltung<br />

sollte so angelegt sein, dass sie eine Verständigung über <strong>die</strong> unterschiedlichen<br />

Sichtweisen ermöglicht.<br />

Methodische Gestaltung<br />

Um an den Lernbedürfnissen der Teilnehmenden anknüpfen zu können und<br />

ihre aktive Mitgestaltung des Seminargeschehens zu ermöglichen (Prinzip<br />

Partizipation), ist es unabdingbar, ihre Erwartungen am Beginn des Seminars<br />

zu erheben und im Laufe des Seminars immer wieder darauf zurück<br />

zu kommen. Durch zwischenzeitige Reflexionsrunden (Prinzip Reflexion/<br />

Evaluation) sollte regelmäßig überprüft werden, in wieweit <strong>die</strong> Erwartungen<br />

erfüllt wurden oder ob sie noch weiter bearbeitet werden müssen.<br />

Das Prinzip der Gestalt bedeutet in methodischer Hinsicht, dass <strong>die</strong> einzelnen<br />

Arbeitschritte einer Veranstaltung auf einander aufbauen und untereinander<br />

in Beziehung stehen. Das bedeutet aber auch <strong>für</strong> alle Beteiligten,<br />

dass eine selektive Teilnahme an Seminaren im Interesse der gemeinsamen<br />

Erarbeitung eines Ergebnisses nicht zielführend ist.


Didaktische und methodische Überlegungen - 85 -<br />

Acht Prinzipien einer gender-sensiblen <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

1. Akzeptanz / Respekt<br />

Jede teilnehmende Person wird von den anderen Beteiligten als<br />

Individuum akzeptiert und respektiert.<br />

2. Partizipation<br />

Alle Teilnehmenden haben <strong>die</strong> Möglichkeiten, ihre Fragen und<br />

Ideen in den Gruppenprozess einzubringen. Der Gruppenprozess<br />

wird so gestaltet, dass alle gemeinsam daran beteiligt sind.<br />

3. Konstruktivität<br />

Alle am Seminargeschehen Beteiligten haben einen erfahrungsgeleiteten<br />

individuellen Blick auf ihre Wirklichkeit. Die Seminargestaltung<br />

ermöglicht eine Verständigung über <strong>die</strong> unterschiedlichen<br />

Sichtweisen.<br />

4. Geschlechtergerechtigkeit<br />

Alle Beteiligten haben <strong>die</strong> gleichen Chancen, sich am Seminar zu<br />

beteiligen. Die unterschiedlichen Lernbedürfnisse der Einzelnen<br />

werden nach Möglichkeit in Inhalt und Gestaltung der Veranstaltung<br />

berücksichtigt.<br />

5. Transparenz<br />

In allen Phasen der gemeinsamen Arbeit ist allen Beteiligten bekannt,<br />

was gerade geschieht und welches Ziel damit verbunden ist.<br />

6. Gestalt<br />

Der gemeinsame Prozess der Zusammenarbeit hat eine „Gestalt“.<br />

Das bedeutet, dass alle Arbeitsphasen miteinander zusammen<br />

hängen und <strong>die</strong> Veranstaltung einen gemeinsamen Anfang und ein<br />

gemeinsames Ende hat.<br />

7. Transfer<br />

Überlegungen zum Transfer der bearbeiteten Fragestellungen in<br />

<strong>die</strong> Alltagspraxis der Beteiligten sind Bestandteil des gemeinsamen<br />

Lernprozesses.<br />

8. Reflexion / Evaluation<br />

Die gemeinsame Reflexion über den Arbeitsprozess in der Gruppe<br />

ist ein wesentlicher Teil der Arbeit. Die gemeinsame Auswertung/<br />

Evaluation des Seminars ist ein genuiner Bestandteil des Seminarablaufs.


- 86 -<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Das Prinzip der Gestalt ist eng verbunden mit dem Prinzip der Transparenz.<br />

Die Funktion jedes einzelnen Arbeitsschrittes soll <strong>für</strong> alle Beteiligten durchschaubar<br />

sein. Seminarleitungen sind gefordert, in jeder Arbeitsphase deutlich<br />

zu machen, welche Funktion der jeweilige Arbeitsschritt innerhalb des<br />

gesamten Seminargeschehens hat.<br />

Unter dem Gesichtspunkt der Geschlechtergerechtigkeit ist bei der Gestaltung<br />

von Seminaren darauf zu achten, dass auf <strong>die</strong> – möglicherweise –<br />

unterschiedlichen Kommunikations- und Interaktionsformen der Teilnehmenden<br />

differenziert reagiert wird. Alle Beteiligten sollen je nach ihrer<br />

Lerngeschichte und ihren Lernbedürfnissen <strong>die</strong> Möglichkeit erhalten, sich<br />

ins Seminargeschehen einzubringen. Unterstützt wird <strong>die</strong>ses durch den<br />

Einsatz partizipativer Methoden (Prinzip Partizipation) ebenso wie gemeinsame<br />

Reflexionsphasen (Prinzip Reflexion/ Evaluation). Dabei bezieht sich<br />

<strong>die</strong> gemeinsame Reflexion sowohl auf inhaltliche und methodische als auch<br />

auf soziale Aspekte des Seminargeschehens.<br />

Seminare haben normalerweise ein über ihr unmittelbares Geschehen hinaus<br />

weisendes Ziel, das mit dem jeweiligen Handlungskontext der Teilnehmenden<br />

in Beziehung steht. Daher gehören Überlegungen und Seminareinheiten<br />

zum Transfer des Gelernten (Prinzip Transfer) immer zum Inhalt<br />

des Seminars dazu.


Didaktische und methodische Überlegungen - 87 -<br />

Die Umsetzung der dargestellten acht Prinzipien in <strong>die</strong> alltägliche Praxis<br />

von <strong>Bildungsarbeit</strong> bietet Anhaltspunkte, um das Ziel einer gender-sensiblen,<br />

erwachsenengerechten <strong>Bildungsarbeit</strong> zu verfolgen.<br />

Literatur<br />

Derichs-Kunstmann, Karin 2003: Geschlechtergerechte Didaktik. Begründungen,<br />

Dimensionen, Konsequenzen. In: TIFS e.V./ FKF/ Vorbereitungsgruppe<br />

<strong>Gender</strong>-Fachkongress (Hrsg.): GeschlechterPerspektivenWechsel. Impulse<br />

zur Bildungsdiskussion. Tübingen, S. 32-37<br />

Derichs-Kunstmann, Karin 2004: <strong>Gender</strong> Mainstreaming <strong>für</strong> betriebliche Interessenvertretungen.<br />

Seminarkonzept zu <strong>Gender</strong> Mainstreaming <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Praxis betrieblicher Interessenvertretungen. In: Forschungsinstitut Arbeit,<br />

Bildung, Partizipation (Hrsg.): Jahrbuch Arbeit, Bildung, Kultur. Bd. 21/22,<br />

2003/ 2004, S. 353-368<br />

Derichs-Kunstmann, Karin 2005: Didaktische und methodische Überlegungen<br />

zur Gestaltung von <strong>Gender</strong> Trainings bzw. <strong>Gender</strong> Workshops. In: GEcel-Projektgruppe<br />

(Hrsg.): GEcel - Politische Bildung und Lernen <strong>für</strong> <strong>Gender</strong><br />

Mainstreaming. Beispiele guter Trainings-Praxis - Höhepunkte und Hindernisse.<br />

Bundeszentrale <strong>für</strong> politische Bildung. Roskilde/Bonn 2005, S. 41-45<br />

Derichs-Kunstmann, Karin 2006: <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Implementierung<br />

als Beitrag zur Qualitätsentwicklung in Weiterbildungseinrichtungen. In:<br />

Jahrbuch Arbeit, Bildung, Kultur, Bd. 23/24, Recklinghausen 2005/2006, S.<br />

103-117<br />

Derichs-Kunstmann, Karin/ Auszra, Susanne/ Müthing, Brigitte 1999: Von der<br />

Inszenierung des Geschlechterverhältnisses zur geschlechtsgerechten Didaktik.<br />

Konstitution und Reproduktion des Geschlechterverhältnisses in der Erwachsenenbildung,<br />

Bielefeld<br />

Kaschuba, Gerrit 2005: Theoretische Grundlagen einer geschlechtergerechten<br />

Didaktik. Begründungen und Konsequenzen. In: Literatur- und Forschungsreport<br />

Weiterbildung 1/2005, S. 67-74<br />

Kaschuba, Gerrit 2009: „<strong>Gender</strong> – all inclusive?“ � Zur Bedeutung von Intersektionalität<br />

<strong>für</strong> <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en. In <strong>die</strong>sem Band S. 61-71<br />

Knapp, Gudrun-Axeli/ Wetterer, Angelika 2003 (Hrsg.), Achsen der Differenz.<br />

Gesellschaftstheorie und feministische Kritik. Bd. 2. Münster<br />

Meueler, Erhard 2009: Didaktik der Erwachsenenbildung � Weiterbildung als<br />

offenes Projekt. In: Tippelt, Rudolf/ von Hippel, Aiga (Hrsg.): Handbuch der<br />

Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Opladen, S. 973-987


- 88 -<br />

Widerstände gegenüber „<strong>Gender</strong>“<br />

� Hintergründe und Umgangsmöglichkeiten<br />

Gerrit Kaschuba<br />

Gerrit Kaschuba<br />

Widerstände können in vielfältiger Form bei der Thematisierung von <strong>Gender</strong>-Aspekten,<br />

der Einführung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming und der Durchführung<br />

von <strong>Gender</strong> Trainings auftreten 1 . Was sind mögliche Ursachen?<br />

Können Sie minimiert, aufgelöst oder gar in Motivation verwandelt werden?<br />

Keineswegs sind es nur Männer, <strong>die</strong> in <strong>Gender</strong> Trainings oder in ihren Organisationen<br />

gegenüber <strong>Gender</strong> Mainstreaming Widerstand an den Tag legen,<br />

auch Frauen haben Vorbehalte. Widerstände können in unterschiedlicher<br />

Form und aus unterschiedlichen Anlässen auftreten. Sie können sich<br />

aus den Teilnahmebedingungen bei Fortbildungen ergeben: Je nachdem,<br />

ob es sich um eine Pflichtveranstaltung oder ein freiwillig besuchtes Training<br />

handelt, zeigt sich bei den Teilnehmenden eine unterschiedliche Bereitschaft,<br />

sich darauf einzulassen. Sie können gegenüber methodischem<br />

Vorgehen wie der Einteilung in Männer- und Frauengruppen oder auch gegenüber<br />

Themenstellungen auftreten, <strong>die</strong> Geschlechterverhältnisse fokussieren.<br />

Widerstände können sich aber auch an Begriffen wie <strong>Gender</strong> Mainstreaming<br />

festmachen. Sie äußern sich nonverbal oder verbal, beispielsweise<br />

in dem Bestreiten der Notwendigkeit („Diskriminierung gibt es bei<br />

uns nicht.“) oder in der Verweigerung der Verantwortungsübernahme („Es<br />

gibt zur Zeit Wichtigeres.“) (vgl. Erfurt 2009).<br />

1 Widerstände sind jedoch nicht mit Widersprechen zu verwechseln, wenn etwa Teilnehmende<br />

Leitenden von Fortbildungen widersprechen: So kann beispielsweise das Ziel<br />

der Geschlechtergerechtigkeit durchaus geteilt werden, jedoch können <strong>die</strong> Ausgestaltung,<br />

etwa <strong>die</strong> jeweiligen männlichen und weiblichen Lebensentwürfe, und <strong>die</strong> Wege<br />

der Zielerreichung unterschiedlich aussehen. Widersprüche und Ambivalenzen, <strong>die</strong> im<br />

Zusammenhang mit der <strong>Gender</strong>-Thematik auftreten können, sind wichtige Ansatzpunkte<br />

<strong>für</strong> Lernprozesse, wenn sie genug Raum bekommen. Im Sinne der Partizipation der<br />

Beteiligten stellen Widersprechen, aber auch das Aufdecken von Widersprüchen und<br />

eigenen Ambivalenzen einen wichtigen Motor dar, ein Zeichen da<strong>für</strong>, dass es eine an<br />

der Sache orientierte gemeinsame thematische Auseinandersetzung gibt.


Widerstände gegenüber „<strong>Gender</strong>“ - 89 -<br />

Was verbirgt sich hinter Widerständen gegenüber der <strong>Gender</strong>-<br />

Thematik?<br />

Hintergründe <strong>für</strong> Widerstand können auf einer organisationsbezogenen und<br />

auf einer biografischen Ebene liegen. Hinter Widerständen kann sich ein<br />

Schutzmechanismus verbergen, um Vertrautes zu bewahren. Damit verbunden<br />

ist meist eine Angst vor Veränderung.<br />

Widerstände können sich aus einer „männerbündisch“ verfassten Organisationskultur<br />

(Höyng 2002) speisen. Dabei spielen <strong>die</strong> Diskurse und damit zusammenhängenden<br />

Werte und Normen einer Organisation eine bedeutende<br />

Rolle. So wirkt es sich aus, ob Gleichstellungsthemen belächelt werden oder<br />

integraler Bestandteil von Organisations- und Qualitätsentwicklungsprozessen<br />

sind. Bei einigen Männern kann <strong>die</strong> Angst vor dem Verlust ihres Images, von<br />

Privilegien und Macht eine Quelle von Widerstand sein. Widerstände können<br />

beispielsweise bei manchen Frauen auftreten, wenn sie <strong>die</strong> Benennung von<br />

Ungleichheiten als Defizite empfinden, <strong>die</strong> ihnen zugeschrieben werden, aber<br />

auch aufgrund von Vorbehalten gegenüber <strong>Gender</strong> Mainstreaming als Gefahr<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Abschaffung von Frauenpolitik und Frauenförderung in der Organisation<br />

(vgl. Kaschuba/ Lächele 2004).<br />

Widerstand kann auch von sozialisationsbedingten Erfahrungen herrühren,<br />

von erlebten Verletzungen, Verunsicherungen oder von vorhandenen Stereotypen<br />

der Teilnehmenden. So kann es Frauen geben, <strong>die</strong> möglicherweise<br />

be<strong>für</strong>chten, nur als „Geschlechtswesen“ und nicht aufgrund der fachlichen<br />

<strong>Kompetenz</strong> wahrgenommen zu werden. Bei Männern kann Abwehr<br />

dadurch erzeugt werden, dass sie sich erst einmal damit auseinandersetzen<br />

sollen, ebenso wie Frauen „Geschlechtswesen“ zu sein, möglicherweise<br />

verbunden mit der Sorge, als Prototyp des diskriminierenden Geschlechts<br />

angeprangert zu werden.<br />

Es kommen also bei dem Thema Widerstand organisations- und biografiebezogene<br />

Verunsicherungen von Frauen und Männern zum Vorschein: mit<br />

Blick auf ihre jeweilige Arbeitsaufgabe und ihren Statuserhalt in der Institution<br />

ebenso wie mit der Sorge vor einseitigen geschlechterbezogenen<br />

Polarisierungen verbunden mit Abwertungen.<br />

In Fortbildungen können <strong>die</strong> auftretenden Widerstände evtl. auch ihre Ursache<br />

in Entwicklungen innerhalb einer Gruppe haben. Es können sich organisationsinterne<br />

Autoritätskonflikte dahinter verbergen, <strong>die</strong> mit Statusunterschieden<br />

in der Seminargruppe zu tun haben, wenn Teilnehmende aus der-


- 90 -<br />

Gerrit Kaschuba<br />

selben Einrichtung in unterschiedlichen hierarchischen Positionen an der<br />

Fortbildung teilnehmen. Es können aber auch äußere Autoritätskonflikte eine<br />

Rolle spielen, <strong>die</strong> mit der Leitung des Seminars verbunden sind. Häufig<br />

macht es einen Unterschied, ob ein Dozent oder eine Dozentin das Thema<br />

einbringt. Historisch gesehen wurde <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Perspektive zunächst von<br />

Frauen aus thematisiert – wenn auch in verschiedenen Phasen der Frauenbewegung<br />

und der Entwicklung der fachlichen <strong>Gender</strong>-Diskussionen in Wissenschaft,<br />

Politik und Praxis durchaus unterschiedlich. So kann es passieren,<br />

dass � ebenso wie <strong>die</strong> gesamte <strong>Gender</strong>-Thematik immer wieder mit Frauen<br />

gleichgesetzt wird � weibliche Referentinnen mit dem Thema in eine „Frauenecke“<br />

gestellt werden.<br />

Ein Rückbezug auf <strong>die</strong> Lerntheorie ermöglicht es, <strong>die</strong> Widerstand erzeugenden<br />

Abläufe mit Blick auf <strong>die</strong> Lernmotivation zu verstehen. Als Intention organisierten<br />

Lernens formulierte Hans Tietgens <strong>die</strong> Horizonterweiterung der<br />

Teilnehmenden im Sinne der „Erweiterung des Ich-Gesichtswinkels“ (Tietgens<br />

1983, S.66). Eng damit verbunden ist <strong>die</strong> Subjektorientierung, <strong>die</strong> den<br />

Kontext des institutionellen und gesellschaftlichen Lernarrangements der Geschlechterverhältnisse<br />

im Blick behält. Nach Erhard Meueler, der <strong>die</strong> Frage<br />

danach stellt, „wie aus dem ‚Teilnehmer’ das Subjekt seines Lernens wird“,<br />

müssen <strong>die</strong> entscheidenden Antriebe von den Lernenden ausgehen (Meueler<br />

1994, S. 622). Ähnlich formulierte es Klaus Holzkamp in seiner subjektwissenschaftlichen<br />

Grundlegung des Lernens mit der Anforderung an <strong>die</strong> Entwicklung<br />

einer partizipatorischen Lernkultur, <strong>die</strong> darauf zielt, dass Frauen<br />

und Männer fähig sind, ihre Angelegenheiten in <strong>die</strong> Hand zu nehmen (vgl.<br />

Holzkamp 1996). Lernen kann beispielsweise dann erfolgen, wenn das Subjekt<br />

in seinem Alltag auf Hindernisse stößt, <strong>für</strong> <strong>die</strong> es den „Umweg des Einschaltens<br />

einer Lernschleife“ braucht (ebd., S. 21). Hier<strong>für</strong> verwendet er den<br />

Begriff „expansives Lernen“. Holzkamp bezieht sich allerdings ausschließlich<br />

auf intentionales Lernen des Subjekts. Informelle Lernprozesse, <strong>die</strong> im Kontext<br />

der Diskussion um Lebenslanges Lernen immer mehr Bedeutung erlangten<br />

und gerade unter der <strong>Gender</strong>-Perspektive notwendig miteinzubeziehen<br />

sind, werden vernachlässigt (vgl. Haug 2003, Kaschuba 2005).<br />

Auch <strong>die</strong>ser Artikel fokussiert im Wesentlichen den Schauplatz der Fortbildungen<br />

und somit intentionaler Lernprozesse, wie sie mit <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Prozessen<br />

angelegt sind, sieht jedoch informelle Lernprozesse,<br />

biografisches Lernen und weibliche und männliche Sozialisationserfahrungen<br />

als wesentliche Vorbedingungen (vgl. z.B. Becker-Schmidt/ Knapp


Widerstände gegenüber „<strong>Gender</strong>“ - 91 -<br />

1989 2 ). Darauf aufbauend wirken sich <strong>die</strong> konkreten Lerninteressen, <strong>die</strong><br />

auch immer in Lebensinteressen eingebettet sind, sowie <strong>die</strong> Rahmenbedingungen<br />

von Bildungs- und Beratungsprozessen auf <strong>die</strong> Motivation zu lernen<br />

aus. Was – so könnte durchaus auch in Bezug auf <strong>Gender</strong>-Themen gefragt<br />

werden – behindert oder fördert Lernende, „einen erweiterten Weltaufschluss<br />

zu erlangen“ (Grell 2006, S. 80)?<br />

Widerstände wahrnehmen, verstehen und Lernen ermöglichen<br />

Die Auseinandersetzung mit Widerständen ist <strong>für</strong> <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> <strong>Gender</strong><br />

Mainstreaming in Organisationen oder in ihren Fortbildungen vermitteln,<br />

ein zentrales Thema. In der GeQuaB-Fortbildung reflektierten <strong>die</strong> Teilnehmenden<br />

konkrete Situationen, in denen Widerstände gegenüber der <strong>Gender</strong>-Thematik<br />

in ihren Organisationen und damit verbunden auch ihnen gegenüber<br />

von Seiten der Leitung, von KollegInnen oder nebenberuflichen<br />

DozentInnen auftraten. Darauf aufbauend entwickelten sie mögliche Handlungsstrategien.<br />

Diese thematische Auseinandersetzung erfolgte in Kleingruppen<br />

in Form einer kollegialen Beratung in vier Schritten:<br />

�� Wie äußert sich der Widerstand und wer ist beteiligt? (Formen von Widerstand,<br />

typische Äußerungen)<br />

�� Was macht es mir aus?<br />

�� Welche Hintergründe und Motive sind möglicherweise damit verbunden?<br />

(Hypothesenbildung)<br />

�� Welche Umgangsmöglichkeiten und Handlungsstrategien sehe ich?<br />

Die Auseinandersetzung zielte auf <strong>die</strong> Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten<br />

der Teilnehmenden in ihrer Rolle als MittlerInnen der <strong>Gender</strong>-Thematik in ihrer<br />

Organisation und in ihrer Fortbildungstätigkeit. Durch den Einbezug der verschiedenen<br />

Ebenen wie der Konkretisierung der beobachteten Widerstände,<br />

dem Einbezug der emotionalen Ebene, der Hypothesenbildung und der Reflexion<br />

eigener möglicher Strategien wurde kreative Phantasie freigesetzt.<br />

Die Komplexität der Hintergründe macht es erforderlich, verschiedene Ansatzpunkte<br />

zu überlegen. Ausgehend von den bereits skizzierten lerntheoretischen<br />

Erklärungen <strong>für</strong> widerständiges Verhalten gegenüber <strong>Gender</strong>-<br />

Themen lassen sich Überlegungen zu entsprechenden Umgangsweisen ableiten.<br />

Wenn sich Personen in Zwangssituationen befinden, und als solche<br />

kann <strong>die</strong> Beschäftigung mit <strong>Gender</strong> Mainstreaming <strong>für</strong> manche gelten, können<br />

ihnen Lernzumutungen unsinnig erscheinen mit der Folge, dass sie <strong>die</strong>-


- 92 -<br />

Gerrit Kaschuba<br />

se boykottieren. Solchermaßen „defensives“ Lernen erfordert es, den Lernenden<br />

einen Zugang zu ihrer Abwehr zu ermöglichen und gleichzeitig ihre<br />

eigenen Lerninteressen zu verfolgen. „Expansives“ Lernen erfolgt, um <strong>die</strong><br />

eigene Lebens- und Arbeitsqualität zu verbessern. Eine solche Veränderungsmotivation<br />

kann beispielsweise dann erzeugt werden, wenn deutlich<br />

wird, dass das Beibehalten alter Verhaltensweisen <strong>für</strong> Einzelne bzw. das<br />

Beharrungsvermögen herkömmlicher Arbeitsstrukturen <strong>für</strong> Organisationen<br />

zu negativen Konsequenzen führt � etwa wenn <strong>Gender</strong> Mainstreaming in<br />

Institutionen der Verwaltung oder <strong>Bildungsarbeit</strong> Anwendung findet (vgl.<br />

Jochmann-Döll 2004; Argyris/ Schön 1999). Weitere Impulse bieten das<br />

Kennen lernen von Einstellungen anderer � etwa gegenüber <strong>Gender</strong> Mainstreaming<br />

� in einer Fortbildung, Fragen nach der subjektiven Bedeutung<br />

von Lernen, um „neben defensiven, der Abwehr <strong>die</strong>nenden, auch expansive,<br />

der Welterschließung <strong>die</strong>nende Lernbegründungen wachzurufen“<br />

(Grell 2006, S.84).<br />

Als zentrale Voraussetzung kann <strong>die</strong> Selbstreflexivität, mit welcher Haltung <strong>die</strong><br />

Leitung einer Fortbildung <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Perspektive einbringt, formuliert werden:<br />

Sicherlich ist ein moralischer Zeigefinger nicht der Schlüssel zum Erfolg, genauso<br />

wenig wie eine belehrende Haltung. Vielmehr braucht es eine authentische Haltung<br />

der LeiterInnen von Fortbildungen, <strong>die</strong> Auseinandersetzung mit ihren eigenen<br />

Vorstellungen von Männlichkeit(en) und Weiblichkeit(en) sowie Respekt gegenüber<br />

den Sichtweisen von Teilnehmenden.<br />

Grundsätzlich ist <strong>die</strong> Gestaltung der Lehr-Lern-Situation wichtig, vor allem<br />

dass praxisorientierte Aufgaben und Anwendungsorientierung fokussiert<br />

werden, damit der eigene Nutzen ersichtlich wird. Dazu gehört auch <strong>die</strong><br />

Reflexion von Alternativen, wie bspw. eine verbesserte, kooperative Arbeitskultur<br />

aussehen kann, wie Männlichkeiten, <strong>die</strong> nicht dem Bild der hegemonialen<br />

Männlichkeit entsprechen, oder wie vielfältige Lebensentwürfe<br />

von Frauen aussehen können, sowie das Thematisieren der Möglichkeiten<br />

und Grenzen von <strong>Gender</strong> Mainstreaming.<br />

Ein wichtiger Zugang ist es, an den <strong>Kompetenz</strong>en der Beteiligten anzusetzen,<br />

unterschiedliche Meinungen und Ausgangsbedingungen zu akzeptieren<br />

und <strong>die</strong>se Haltung auch bei allen zu fördern. Eine verständnisvolle Begleitung<br />

und <strong>die</strong> Ermutigung der Teilnehmenden im Training durch Übungsmöglichkeiten<br />

und Transparenz der eigenen inhaltlichen Position als Leitung<br />

können ein positives Lernklima herstellen. Ein ebenso wesentliches<br />

Prinzip ist <strong>die</strong> Partizipation der Teilnehmenden.


Widerstände gegenüber „<strong>Gender</strong>“ - 93 -<br />

Bei auftretendem Widerstand in einem Training können je nach eigener Verortung<br />

in der <strong>Gender</strong>-Thematik, dem Thema der Fortbildung und der Versiertheit<br />

im gruppendynamischen Vorgehen, <strong>die</strong> Leitenden den Verlauf unterbrechen<br />

und den Widerstand zum Thema machen. Es kann je nach Situation auch<br />

sinnvoll sein, anstatt den Widerstand möglicherweise vorschnell bezogen auf<br />

<strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Thematik zu interpretieren und dementsprechend darauf einzugehen,<br />

dass <strong>die</strong> Leitenden zunächst einmal mehr Informationen über <strong>die</strong> Teilnehmenden<br />

sammeln. Widerstände können auch gruppendynamische Ursachen<br />

haben. Hilfreich ist häufig ein Methodenwechsel, z.B. statt im Plenum in<br />

Kleingruppen an erfahrungsbezogenen und konkreten Aufgaben zu arbeiten.<br />

Falls es sich um Fortbildungen handelt, <strong>die</strong> zwar nicht explizit unter einem<br />

<strong>Gender</strong>-Thema angekündigt, aber dennoch so angelegt sind, dass <strong>die</strong>ses als<br />

Querschnittsperspektive berücksichtigt werden soll, ist ein kognitiver Zugang<br />

denkbar: Dies beinhaltet <strong>die</strong> Vermittlung an <strong>die</strong> Teilnehmenden, dass <strong>die</strong> gender-bezogene<br />

Fragestellung integraler Bestandteil von Fortbildungen (z.B. in<br />

der öffentlichen Verwaltung oder in einem Verband, der <strong>die</strong> gleichstellungspolitische<br />

Querschnittsstrategie verankert hat) ist. Damit bewegt man sich unter<br />

Umständen auf der Ebene des „Müssens“. Sinnvoll ist es daher, <strong>die</strong>sen Fakt zu<br />

Beginn einer Fortbildung als selbstverständlichen inhaltlichen Bestandteil einzuführen.<br />

Hilfreich kann es sein, auf der inhaltlichen Ebene und der Ebene des<br />

„Wollens“ den unmittelbaren Nutzen des in der Fortbildung neu erworbenen<br />

oder weiter entwickelten <strong>Gender</strong>-Wissens und entsprechender Reflexions- und<br />

Handlungskompetenzen <strong>für</strong> den Arbeitsplatz zu thematisieren. Für Führungskräfte<br />

kann das bedeuten, Mitarbeitende durch den gender-sensiblen Blick auf<br />

deren Lebenslage und <strong>Kompetenz</strong>en besser motivieren zu können (vgl. Kaschuba/<br />

Derichs-Kunstmann 2009).<br />

Als wesentliche Erkenntnis resultiert aus der gender-bezogenen <strong>Bildungsarbeit</strong> und<br />

dem Umgang mit Widerständen, dass es wichtig ist, <strong>die</strong> Teilnehmenden- und<br />

Subjektorientierung im Blick zu behalten, und nicht allein den Widerstand. Da<strong>für</strong> ist<br />

es sicherlich förderlich, den Blick stärker auf <strong>die</strong> Lernprozesse zu richten, darauf,<br />

wie <strong>die</strong>se begleitet werden, und wie – auch emotional – motivierende Ansätze aussehen<br />

können (vgl. Botzat 2005). Doch gibt es da<strong>für</strong> keine Rezepte, vielmehr<br />

braucht es immer wieder <strong>die</strong> Einsicht, dass <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Thematik von unterschiedlicher<br />

Bedeutung <strong>für</strong> <strong>die</strong> einzelnen aufgrund ihrer gesellschaftlichen Positionierung,<br />

ihrer biografischen Erfahrung und ihrer gender-bezogenen Selbstreflexivität ist.<br />

Gleichzeitig gilt es, dass sich <strong>die</strong> ‚LernbegleiterInnnen’ auf dem Weg zu einer geschlechtergerechten<br />

Gesellschaft klar machen, dass sie auch Störfaktoren im Ge-


- 94 -<br />

Gerrit Kaschuba<br />

triebe einer Organisation sind, dass es auch darum geht, Widerstand auszuhalten,<br />

daran zu arbeiten und ihn nicht zu verdecken.<br />

Literatur<br />

Argyris, Donald A./Schön, Chris 1999: Die lernende Organisation. Grundlagen,<br />

Methode, Praxis, Stuttgart<br />

Becker-Schmidt, Regina/Knapp, Gudrun-Axeli 1989 2 : Geschlechtertrennung<br />

– Geschlechterdifferenz. Suchbewegungen sozialen Lernens, Bonn<br />

Botzat, Tatjana 2005: <strong>Gender</strong> Trainings und Fortbildungen zu <strong>Gender</strong> Mainstreaming<br />

– Lernverhalten und Lernwiderstände. In: DEAE (Hg.): Forum<br />

Erwachsenenbildung 4/2005<br />

Erfurt, Philine 2009: Widerstände gegen Gleichstellung und Möglichkeiten der<br />

Akzeptanzsicherung, http://www.genderkompetenz.info/ gendermainstreaming/implementierung/widerstaende/<br />

Stand: 15.5.2009<br />

Grell, Petra 2006: Lernen lernen durch kritisch-reflexive Analyse. In: Faulstich,<br />

Peter/Bayer, Mechthild (Hrsg.): Lernwiderstände. Anlässe zur Vermittlung<br />

und Beratung. Hamburg, S. 79-89<br />

Haug, Frigga 2003: Lernverhältnisse. Selbstbewegungen und Selbstblockierungen,<br />

Hamburg<br />

Holzkamp, Klaus 1996: Wider den Lehr-Lern-Kurzschluß. Interview zum Thema<br />

Lernen: In: Arnold, Rolf (Hg.): Lebendiges Lernen. Hohengehren, S.21-30<br />

Höyng, Stephan 2002: Gleichstellungspolitik als Klientelpolitik greift zu kurz.<br />

In: Silke Bothfeld u. a. (Hrsg.),: <strong>Gender</strong> Mainstreaming – eine Innovation in<br />

der Gleichstellungspolitik. Frankfurt/New York, S. 199-228<br />

Jochmann-Döll, Andrea 2004: Organisationsentwicklung und <strong>Gender</strong> Mainstreaming.<br />

In: Deutsches Jugendinstitut (Hg.): <strong>Gender</strong> Mainstreaming in der<br />

Kinder- und Jugendhilfe. Dokumentation der Tagung in Bonn am 11.9.2003,<br />

München, S. 19-29<br />

Kaschuba, Gerrit/ Derichs-Kunstmann, Karin (Hrsg.) 2009: Fortbildung –<br />

gleichstellungsorientiert! Arbeitshilfen zur Integration von <strong>Gender</strong>-Aspekten<br />

in Fortbildungen. Herausgegeben vom Bundesministerium <strong>für</strong> Familie, Senioren,<br />

Frauen und Jugend, Berlin<br />

Kaschuba, Gerrit 2005: Theoretische Grundlagen einer geschlechtergerechten<br />

Didaktik. Begründungen und Konsequenzen. In: Literatur- und Forschungsreport<br />

Weiterbildung 1/2005, S. 67-74<br />

Kaschuba, Gerrit/Lächele, Carlos 2004: <strong>Gender</strong> Training – Konzepte – Erfahrungen.<br />

In AdB Außerschulische Bildung Heft 2/2004, S. 157-165<br />

Meueler, Erhard 1994: Didaktik der Erwachsenenbildung/Weiterbildung als<br />

offenes Projekt. In: Tippelt, Rudolf (Hrsg.): Handbuch der Erwachsenenbildung/Weiterbildung.<br />

Opladen, S. 615-628<br />

Tietgens, Hans 1983: Teilnehmerorientierung in Vergangenheit und Gegenwart.<br />

Frankfurt a.M.


„Störungen haben Vorrang“ - 95 -<br />

„Störungen haben Vorrang“<br />

Störungen und Konflikte im Seminarverlauf<br />

als Lernchancen<br />

Ralf Lange<br />

Wahrnehmung und Wirkungsweisen von Störungen und Konflikten<br />

Störungen und Konflikte im Seminarverlauf gehören zum Erfahrungsschatz<br />

jedes Menschen, der in Gruppen einen gemeinsamen Lernprozess erlebt<br />

bzw. mitgestaltet. Unbehagen, Schwierigkeiten, Probleme und Spannungen<br />

gehören zum täglichen Miteinander im Seminarverlauf und bieten zugleich<br />

eine Vielzahl von Lernchancen <strong>für</strong> <strong>die</strong> beteiligten Menschen. Die Aufgabe<br />

der Seminarleitungen ist es, <strong>die</strong>se schwierigen Situationen nicht nur sensibel<br />

wahrzunehmen, sondern <strong>für</strong> <strong>die</strong> Klärung einen angemessenen und <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Teilnehmenden passenden Rahmen zu schaffen. Dabei sind <strong>die</strong> jeweiligen<br />

Verhaltensweisen der beteiligten Personen unter <strong>Gender</strong>-Aspekten zu<br />

reflektieren, um geschlechtergerechte Lösungen <strong>für</strong> beide Geschlechter zu<br />

erreichen.<br />

Viele Trainerinnen und Trainer fokussieren bereits zu Beginn eines Seminars<br />

auf das inzwischen weit verbreitete Postulat „Störungen haben Vorrang“,<br />

das auf <strong>die</strong> Psychoanalytikerin Ruth Cohn (1993) und ihr Konzept<br />

der Themenzentrierten Interaktion (TZI) zurückgeht. Damit trägt sie der<br />

Tatsache Rechnung, dass Teilnehmende, <strong>die</strong> eine Störung wahrnehmen, in<br />

ihrer Arbeitsfähigkeit stark beeinflusst sind und häufig zunächst eine Bearbeitung<br />

und Klärung <strong>die</strong>ser Störung erfolgen muss, damit anschließend mit<br />

neuer Kraft weiter zusammengearbeitet werden kann (vgl. Langmaack/<br />

Braune-Krickau 1993: 96-103).<br />

Störungen müssen dabei nicht ausschließlich mit der Gruppe oder dem Setting<br />

im Seminar zusammenhängen. Häufig sind persönliche Beweggründe<br />

ausschlaggebend und entsprechend zu würdigen (z.B. „Ich bin mit meinen<br />

Gedanken gerade ganz woanders, weil mich private Sorgen drücken“).<br />

Gleichzeitig können <strong>die</strong> Gruppendynamik und der Seminarverlauf dazu bei-


- 96 -<br />

Ralf Lange<br />

tragen, dass einzelne Teilnehmende ein starkes Gefühl des Unbehagens,<br />

des Ärgers, der Langeweile, der Traurigkeit oder der Euphorie spüren. Alle<br />

<strong>die</strong>se Gefühlsdimensionen und <strong>die</strong> damit verbundenen Verhaltensweisen<br />

und Interaktionen können <strong>die</strong> Konzentration in der Gruppe schwächen und<br />

Energien binden. Eine gewisse Zeit können Gruppe und Leitung Störungen<br />

ignorieren. Gleichwohl sind sie stets wirksam und sollten deshalb so schnell<br />

wie möglich bearbeitet werden, um den Fortgang der gemeinsamen Arbeit<br />

sicher zu stellen.<br />

Die möglichen Gründe oder Ursachen sind vielfältig und nur vor dem Hintergrund<br />

des spezifischen Kontextes, der jeweiligen Situation und der beteiligten<br />

Personen nachvollziehbar. Pauschale Mutmaßungen, (Vor-) Urteile<br />

und einseitige Parteinahmen sind in solchen Situationen möglichst zu vermeiden<br />

und insbesondere aus der Leitungsrolle heraus dysfunktional. Viel<br />

mehr kommt es darauf an, den möglichen Ursachen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Störungen oder<br />

den Konflikt in der Gruppe auf <strong>die</strong> Spur zu kommen. Dazu ist <strong>die</strong> Analyse<br />

der Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche der beteiligten Menschen von zentraler<br />

Bedeutung. Insbesondere bei gravierenden Störungen, <strong>die</strong> sich zu einem<br />

Konflikt ausweiten könnten, sind <strong>die</strong> dabei relevanten <strong>Gender</strong>-Aspekte<br />

stets mit zu berücksichtigen, um zu geschlechtergerechten Lösungen zu<br />

kommen und <strong>die</strong> impliziten Lernchancen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Demokratisierung von Geschlechterverhältnissen<br />

zu nutzen.<br />

Analyse der Ausgangslage: Beobachtungen, Gefühle, Bedürfnisse<br />

und Wünsche transparent machen<br />

Am Beginn einer Bearbeitung von Störungen und Konflikten steht <strong>die</strong> Analyse<br />

der Ausgangslage aus der jeweiligen Perspektive der beteiligten Personen.<br />

Menschen entwickeln immer dann ein Gefühl des Unbehagens und<br />

erleben negativen Stress, wenn wesentliche Grundbedürfnisse, <strong>die</strong> uns allen<br />

gemein sind, nicht in hinreichendem Maße befriedigt werden. Der<br />

Schlüssel zum Umgang mit schwierigen Situationen und negativem Stress<br />

ist <strong>die</strong> Fähigkeit zur Empathie und zur Anteilnahme. Der Psychologe und<br />

Konfliktforscher Rosenberg (2004), der <strong>die</strong> Methode der Gewaltfreien Kommunikation<br />

begründete, unterscheidet dabei <strong>die</strong> Ebenen Beobachtung,<br />

Gefühle, Bedürfnisse und Bitte/Wunsch. D.h. im ersten Schritt werden ausschließlich<br />

Beschreibungen ohne Wertungen formuliert („Was ist genau<br />

passiert?“), um danach <strong>die</strong> Gefühle der betroffenen Person(en) („Wie es<br />

mir damit geht?“) in ihrer Verschränkung mit der jeweiligen Bedürfnis-


„Störungen haben Vorrang“ - 97 -<br />

struktur zu thematisieren („Was ich brauche?“). Die Nicht-Erfüllung vitaler<br />

Bedürfnisse wie z.B. Kontakt, Entwicklung, Sinn, Anerkennung, Kreativität,<br />

Freundschaft, Autonomie, Wertschätzung usw. führt zu negativem Stress<br />

und wird als empfindliche Störung oder gar als Konflikt erlebt. Die Erfüllung<br />

wesentlicher Grundbedürfnisse führt zu Wohlbefinden, Entspannung und<br />

Zufriedenheit und ist zugleich Grundvoraussetzung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Herstellung von<br />

Arbeitsfähigkeit in Lernprozessen.<br />

Bearbeitung von Störungen im Seminarkontext –<br />

<strong>Gender</strong>-orientierte Lernchancen erkennen und ausschöpfen<br />

Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass eskalierende Handlungssituationen<br />

im Seminarverlauf bei den handelnden Personen zu psychischen<br />

Beeinträchtigungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen, Wollen und<br />

Verhalten führen können. Gleichzeitig können <strong>die</strong>se Beeinträchtigungen zu<br />

einer Reproduktion stereotyper Verhaltensweisen beitragen (vgl. Ballreich/<br />

Glasl 2007). Das Ausmaß <strong>die</strong>ses partiellen Kontrollverlustes hängt stark<br />

davon ab, welche individuellen Reaktionsmuster <strong>die</strong> betroffenen Personen<br />

in ihren beruflichen und privaten Kontexten entwickelt haben und auf welche<br />

Ressourcen sie zurückgreifen können.<br />

Es ist von großer Bedeutung, <strong>die</strong> betroffenen Konfliktparteien darin zu unterstützen,<br />

<strong>die</strong> Ursachen <strong>die</strong>ser seelischen Beeinträchtigungen darin zu erkennen,<br />

dass wesentliche menschliche Grundbedürfnisse nicht erfüllt werden.<br />

Neben sozialen Bedürfnissen wie Kontakt, Zuwendung, Zugehörigkeit<br />

oder Wertschätzung sind <strong>die</strong>s in unterschiedlichem Ausmaß Sicherheitsbedürfnisse<br />

(Geborgenheit, Vertrauen, Angstfreiheit) und Autonomiebedürfnisse<br />

(Selbstentfaltung, Selbstwert, Stärke, Unabhängigkeit, Distanz usw.).<br />

Zur Stärkung der Handlungsfähigkeit von Seminarteilnehmenden in<br />

schwierigen Seminarsituationen ist es daher wichtig, <strong>die</strong> eigenen, biographisch<br />

verwurzelten Reaktionsweisen in schwierigen Situationen zu reflektieren.<br />

So können <strong>die</strong> bislang erlernten Routinen im Umgang mit Spannungen<br />

im beruflichen Alltag zugunsten eines erweiterten Verhaltensspektrums<br />

abgelöst werden.<br />

Die Selbstdiagnostik in schwierigen Situationen<br />

Bei der Reflexion der eigenen Erfahrungen mit Störungen und Konflikten<br />

und den damit verbundenen individuellen Reaktionsmustern haben sich dialogische<br />

Verfahren wie Partner- oder Kleingruppenarbeit in unserer Semi-


- 98 -<br />

Ralf Lange<br />

nararbeit vielfach bewährt. Ansatzpunkte und Fragen zur Integration von<br />

<strong>Gender</strong>-Dimensionen in <strong>die</strong> verschiedenen Formen der Selbstdiagnostik<br />

sind z.B.:<br />

�� Welche Tendenzen, Vorlieben und Verhaltensmuster stehen bei den<br />

beteiligten männlichen und weiblichen Teilnehmenden im Vordergrund?<br />

Welche auffälligen Häufungen sind feststellbar?<br />

�� Welche möglichen Ursachen könnte <strong>die</strong>s haben (Biographie / Sozialisation/<br />

Dispositionen)?<br />

�� Wie wirkt sich <strong>die</strong>s konkret auf das bisherige Miteinander aus?<br />

�� Welche offenen und welche heimlichen Aufträge erleben <strong>die</strong> Seminarteilnehmenden<br />

als Frauen und Männer, wenn es um <strong>die</strong> Selbstdarstellung<br />

in schwierigen Situationen geht?<br />

�� Was davon kommt bei dem/der Einzelnen an und wie ist der Umgang<br />

mit <strong>die</strong>sen geschlechtsbezogenen Erwartungen?<br />

�� Was kann unternommen werden, wenn <strong>die</strong> eigene Sicht auf KollegInnen<br />

und auf <strong>die</strong> Störung bzw. den Konflikt stereotypisierende Tendenzen<br />

erkennbar werden lässt?<br />

Reflektierter Einsatz verschiedener Interventionstechniken<br />

Zu den wichtigsten Instrumenten und Gesprächstechniken, <strong>die</strong> im Rahmen<br />

von Seminaren bei Störungen und Konflikten in der Gruppe eingesetzt werden,<br />

gehören <strong>die</strong> Techniken des Zusammenfassens (Paraphrasieren), das<br />

Aktive (empathische) Zuhören, das Verbalisieren von Gefühlen und Bedürfnissen,<br />

das Doppeln bzw. Umdeuten (Refraiming) sowie eine Reihe von<br />

Frage- und Feedbacktechniken (vgl. z.B. Diez, 2005, S. 158-209). Diese Instrumente<br />

und Techniken werden den jeweiligen Seminarleitungen und den<br />

teilnehmenden Frauen und Männern in unterschiedlichem Maße vertraut<br />

sein. Sozialisationsbedingte und berufsbiographische Vorlieben und Stärken<br />

sowie <strong>die</strong> wahrscheinlich vorhandenen Lern- und Entwicklungsbedarfe<br />

sollten vor <strong>die</strong>sem Hintergrund auch unter <strong>Gender</strong>-Aspekten reflektiert<br />

werden, um stereotype Verhaltensmuster zu erkennen und zu überprüfen.<br />

Bei der praktischen Erprobung von Interventionstechniken kommt es darauf<br />

an, den Kontext und das Setting möglichst oft zu modifizieren, damit<br />

<strong>die</strong> Handlungssituationen auch mit Blick auf <strong>Gender</strong>-Aspekte stets neue<br />

Herausforderungen darstellen und zugleich über <strong>die</strong> Reflexion neue Einblicke<br />

<strong>für</strong> alternative Verhaltensweisen eröffnen. Lehr-/Lerngespräche und


„Störungen haben Vorrang“ - 99 -<br />

praktische Übungen zu möglichen Interventionstechniken in schwierigen<br />

Gesprächssituationen gehören zum Kernbestandteil von Konfliktmanagementseminaren.<br />

Der Fokus ist dabei auf das Verhältnis von Sachebene (der<br />

sichtbare Gegenstand, um den es vordergründig geht) zu Beziehungsebene<br />

(Emotionen, Gefühle und <strong>die</strong> mit ihnen verbundenen Bedürfnisse und Interessen)<br />

gerichtet. Die aktive Ansprache von wahrgenommenen Gefühlen<br />

kann und soll „Druck“ und Spannung lösen. Empathie, Akzeptanz und<br />

Wertschätzung sind essentiell <strong>für</strong> Deeskalationsstrategien: Bestätigung,<br />

Selbsteröffnung, aktives Zuhören, Umformulierung, Paraphrase, Präzisierung,<br />

Umdeutung und gegebenenfalls Doppeln sind Basistechniken der<br />

Kommunikation und der Gesprächsführung, <strong>die</strong> bei der Bearbeitung von<br />

Konflikten im Mittelpunkt stehen. Bei der Vermittlung und Erprobung <strong>die</strong>ser<br />

Techniken sind folgende ergänzende Reflexionsfragen hilfreich:<br />

�� Wie leicht bzw. schwer fällt mir als Mann/Frau <strong>die</strong>se Form der Gesprächsführung?<br />

Und woran könnte das liegen?<br />

�� Welche Art der Gesprächsführung wird von mir erwartet? Wer trägt<br />

<strong>die</strong>se Erwartungen an mich heran und wie verhalte ich mich dazu?<br />

�� Woher kommen <strong>die</strong>se Erwartungen (Kontext, Tradition, Erwartungen,<br />

Führungsleitbild und -stil)?<br />

�� Welche Gesprächstechniken und welche <strong>Kompetenz</strong>en passen zu mir<br />

als Frau/Mann? Wie stark sind <strong>die</strong>se <strong>Kompetenz</strong>vermutungen und<br />

-zuschreibungen an meine Geschlechtsidentität gekoppelt und was bedeutet<br />

<strong>die</strong>s <strong>für</strong> meine Handlungsfähigkeit als Klärungshelfer/in?<br />

�� Wie vermeide ich Stereotype von Frauen und Männern durch mein<br />

eigenes Vorbild? Welche produktiven Irritationen möchte ich als Seminarleitung<br />

hervorrufen, damit sich das Verhaltensspektrum auch in<br />

schwierigen Situationen erweitern lässt?<br />

In der dialogischen Beantwortung <strong>die</strong>ser Fragen lassen sich vielfältige Lernchancen<br />

<strong>für</strong> alle Beteiligten erkennen. Die reflexive Auseinandersetzung mit<br />

persönlichen, kulturellen und kommunikativen Dimensionen einer Störung<br />

oder eines Konfliktes im Seminarverlauf ermöglicht eine neue Sicht auf<br />

mögliche Ursachen, Verstrickungen und Lösungen, <strong>die</strong> wir als Männer und<br />

Frauen erkennen und erarbeiten können.


- 100 -<br />

Literatur<br />

Ralf Lange<br />

Ballreich, Rudi / Glasl, Friedrich 2007: Mediation in Bewegung – Ein Lehrund<br />

Übungsbuch mit Filmbeispielen auf DVD. Stuttgart<br />

Cohn, Ruth 1993: Es geht um Anteilnehmen. Freiburg<br />

Diez, Hannelore 2005: Werkstattbuch Mediation. Centrale <strong>für</strong> Mediation, Köln<br />

Gildemeister, Regine/Wetterer, Angelika 1992: Wie Geschlechter gemacht<br />

werden. Die soziale Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit und ihre Reifizierung<br />

in der Frauenforschung. In: Knapp, Gudrun Axeli/ Wetterer, Angelika<br />

(Hrsg.): Traditionen Brüche. Entwicklungen feministischer Theoriebildung.<br />

Freiburg, S. 201-254<br />

Goffman, Erving 1994: Interaktion und Geschlecht. Hrsg. und eingeleitet von<br />

H.A. Knoblauch, Frankfurt am Main/New York<br />

Kotthoff, Helga 1993: Kommunikative Stile, Asymmetrie und "Doing <strong>Gender</strong>".<br />

Fallstu<strong>die</strong>n zur Inszenierung von Expert(inn)entum in Gesprächen. In: Feministische<br />

Stu<strong>die</strong>n, Bd. 2, S. 79-95<br />

Langmaack, Barbara; Braune-Krickau, Michael 1993: Wie <strong>die</strong> Gruppe laufen<br />

lernt – Ein praktisches Lehrbuch. Weinheim<br />

Mühlen-Achs, Gitta 1998: Geschlecht bewusst gemacht. Körpersprachliche<br />

Inszenierungen – Ein Bilder- und Arbeitsbuch, München<br />

Rosenberg, Marshall B. 2004: Gewaltfreie Kommunikation. Paderborn<br />

West, Candice / Zimmermann, Don: Doing <strong>Gender</strong>. In: <strong>Gender</strong> @ Society,<br />

Heft 2/1, 1987, S. 125-151


Das Prinzip der Kollegialen Beratung - 101 -<br />

Das Prinzip der Kollegialen Beratung als Instrument <strong>für</strong><br />

den <strong>Gender</strong>-Dialog<br />

Ralf Lange<br />

Die Kollegiale Beratung als Instrument der Qualitätssicherung<br />

und –entwicklung in Bildungsinstitutionen<br />

Das Instrument der Kollegialen Beratung bietet eine lebendige und viel versprechende<br />

Möglichkeit, konkrete Herausforderungen des Berufsalltags �<br />

wie <strong>die</strong> Qualität von Bildungsmaßnahmen � in einer Gruppe zu reflektieren<br />

und gemeinsam kreative Lösungen zu entwickeln. Im Rahmen der <strong>Gender</strong>-<br />

<strong>Qualifizierung</strong>en wurde das Instrument der Kollegialen Beratung auch als<br />

Unterstützung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entwicklung von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

genutzt.<br />

Die Prinzipien der kollegialen Beratung haben sich in pädagogischen und<br />

sozialpädagogischen Arbeitsfeldern in den letzten Jahren zunehmend als<br />

professioneller Standard durchgesetzt (vgl. z.B. Gieseke 2007, Tietze 2003,<br />

Pallasch et al. 1992, Franz/Kopp 2003). Diese häufig selbst organisierte<br />

Form der Entwicklung von beruflichen <strong>Kompetenz</strong>en fördert eine kreative<br />

Kooperation in Gruppen und Teams und ist grundsätzlich auch <strong>für</strong> Angehörige<br />

anderer Berufsgruppen einsetzbar. Zugleich bietet <strong>die</strong>ses Verfahren <strong>die</strong><br />

Chance, in der wechselseitigen Beratung durch <strong>die</strong> teilnehmenden Mitglieder<br />

<strong>die</strong> Möglichkeiten und Grenzen eines berufsfachlichen <strong>Gender</strong>-Dialogs<br />

auszuloten, um unter Berücksichtigung der Perspektive <strong>Gender</strong> „blinde Flecken“<br />

zu entdecken und eine Perspektiverweiterung zu befördern. Um <strong>die</strong>s<br />

näher zu beschreiben und zu begründen, sollen im folgenden Abschnitt zunächst<br />

<strong>die</strong> grundlegenden konzeptionellen Überlegungen der Kollegialen<br />

Beratung skizziert werden, um anschließend das Potenzial <strong>für</strong> <strong>die</strong> Förderung<br />

kollegialer Klärungs- und Beratungsprozesse einzuschätzen.


- 102 -<br />

Ralf Lange<br />

Grundlagen und Ablauf der Kollegialen Beratung in pädagogischen<br />

Arbeitsfeldern<br />

Den Prinzipien der Kollegialen Beratung liegt <strong>die</strong> Annahme zugrunde, das Menschen<br />

aus ähnlichen Arbeitsfeldern <strong>die</strong> besten Personen sind, <strong>die</strong> bei beruflichen<br />

Problemen und Herausforderungen beraten und unterstützen können. Die Beratung<br />

findet in Gruppen statt, deren Mitglieder sich „auf Augenhöhe“, d.h. möglichst<br />

ohne hierarchische Beziehungsmuster, begegnen. Zugleich existiert eine<br />

verbindliche Struktur und ein feststehender Ablauf, der den Rahmen <strong>für</strong> <strong>die</strong>se<br />

Form der selbst gesteuerten Beratung darstellt. Eine abgestimmte Arbeits- und<br />

Rollenverteilung in der Gruppe sichert <strong>die</strong> Stringenz des Verfahrens, das grundsätzlich<br />

ohne externe Leitung organisiert wird.<br />

Die Gruppe, <strong>die</strong> in Abgrenzung zu supervisorischen Settings auch „Intervisionsgruppe“<br />

genannt wird, konzentriert sich auf berufliche bzw. arbeitsbezogene<br />

Themen. Das methodisch-didaktische Instrumentarium lebt von bekannten dialogisch-interaktiven<br />

Verfahren wie z.B. Brainstorming, Feedback, Hypothesenbildung,<br />

Inneres Team, Umdeutung usw. (vgl. z.B. Schulz von Thun 1996). Die aktive<br />

Beteiligung aller Gruppenmitglieder am Prozess der Kollegialen Beratung ist<br />

eine wichtige Grundlage <strong>für</strong> <strong>die</strong> erfolgreiche Durchführung. Der Ablauf und <strong>die</strong><br />

wichtigsten Methoden sollten allen Gruppenmitgliedern vertraut sein.<br />

Die Kollegiale Beratung orientiert sich an einem Beratungsverständnis, das den<br />

Prinzipien der Prozessberatung nahe kommt (vgl. z.B. Schein 1987, Pallasch et<br />

al. 1992). Die Ratsuchenden bleiben verantwortlich <strong>für</strong> <strong>die</strong> Lösung ihrer Probleme.<br />

Die Leistung der Prozessberatung besteht darin, einen Rahmen und hilfreiche<br />

Fragen <strong>für</strong> den Prozess der Lösungssuche zur Verfügung zu stellen, so<br />

dass auf <strong>die</strong>se Weise besser, schneller und gezielter gearbeitet werden kann. Die<br />

Gruppe leistet in der Kollegialen Beratung entscheidende Klärungshilfe <strong>für</strong> <strong>die</strong> Rat<br />

suchende Person, so dass <strong>die</strong>se anschließend über erweiterte <strong>Kompetenz</strong>en<br />

verfügt, um schwierige berufliche Situationen strukturiert reflektieren und zukünftig<br />

eigenständig lösen zu können.<br />

Die Kollegiale Beratung <strong>die</strong>nt stets dem Ziel, <strong>die</strong> berufliche Praxis der Gruppenmitglieder<br />

zu verbessern. Dabei geht es sowohl um <strong>die</strong> gemeinsame Suche nach Lösungen<br />

<strong>für</strong> aktuelle Praxisprobleme, als auch um <strong>die</strong> Reflexion der beruflichen Tätigkeit<br />

bzw. der Berufsrolle. Zugleich fördert <strong>die</strong> Kollegiale Beratung den Ausbau von praktischen<br />

Beratungskompetenzen in einer Gruppe bzw. in einer Organisation, d.h. mit<br />

<strong>die</strong>sem Instrument verfügt eine Organisation über ein hilfreiches Werkzeug zur kontinuierlichen<br />

Personal- und Organisationsentwicklung (Tietze 2003, S. 19-24).


Das Prinzip der Kollegialen Beratung - 103 -<br />

Im Mittelpunkt der Kollegialen Beratung stehen Erzählungen und Reflexionen<br />

über berufliche Kommunikations- und Frustrationserlebnisse, <strong>die</strong> gemeinsam<br />

in der Gruppe erörtert werden. Das können z.B. <strong>die</strong> Bewältigung<br />

neuer Aufgaben sein, <strong>die</strong> Integration neuer Kolleginnen und Kollegen,<br />

Probleme mit der eigenen Arbeitsweise oder der Arbeitsweise von Teammitgliedern,<br />

gestörte Arbeitsabläufe, Schwierigkeiten mit Vorgesetzten oder<br />

der Kundschaft, Konflikte im Team usw. Vorhandene Einstellungen, Vorlieben<br />

und Verhaltensmuster werden auf den Prüfstand gestellt, ggf. korrigiert<br />

oder aber bestätigt.<br />

Der Umgang mit Stresssituationen oder Frustrationen, <strong>die</strong> im beruflichen<br />

Kontext eine regelmäßig wiederkehrende Herausforderung darstellen, kann<br />

geklärt werden, um im Ergebnis zu einer verbesserten Arbeitsfähigkeit zu<br />

gelangen. Dabei lernen alle Beteiligten über <strong>die</strong> Reflexion der jeweiligen<br />

Fallgeschichte, ihre eigenen Handlungsstrategien zu überprüfen und im Dialog<br />

mit anderen betroffenen Personen das eigene Handlungsspektrum zu<br />

erweitern. Hierzu sind häufig Perspektivwechsel und <strong>die</strong> Einfühlung in <strong>die</strong><br />

Arbeitswirklichkeit anderer Personen erforderlich.<br />

Diese Fähigkeit zur einfühlsamen Reflexion der Erlebniswelt vertrauter Kolleginnen<br />

und Kollegen kann ein Schlüssel zum Lernen im Erwachsenenalter<br />

sein. Damit eröffnet jede Kollegiale Beratung <strong>die</strong> Chance, <strong>die</strong> eigene berufliche<br />

Tätigkeit und <strong>die</strong> jeweilige Berufsrolle und –aufgabe kritisch zu hinterfragen,<br />

um das Verhaltensspektrum und <strong>die</strong> Handlungsspielräume insgesamt<br />

erweitern zu können. Ein willkommener Begleiteffekt <strong>die</strong>ser kollegialen<br />

Beratungsarbeit ist <strong>die</strong> kontinuierliche Weiterentwicklung sozialer,<br />

kommunikativer und methodischer <strong>Kompetenz</strong>en, <strong>die</strong> insbesondere in Bildungsinstitutionen<br />

ein herausragendes Qualitätsmerkmal darstellen.<br />

Der berufliche Alltag und <strong>die</strong> damit verbundenen Herausforderungen werden<br />

sehr individuell wahrgenommen und bewertet. Zugleich kann es Wahrnehmungs-<br />

und Verhaltensmuster geben, <strong>die</strong> vor dem Hintergrund von Lebenslage,<br />

Geschlecht, Alter, Herkunft usw. eine wichtige Ausgangs- und Umfeldbedingung<br />

<strong>für</strong> den Prozess der Kollegialen Beratung darstellen. Durch geeignete Vorgehensweisen<br />

und gezielte Fragen kann explizit auf <strong>Gender</strong>-Perspektiven eingegangen<br />

werden, so dass stereotype Denkweisen und Verhaltensmuster überprüft<br />

und verändert werden können (Dobelhofer/Küng 2008, S. 247-252). Jenseits<br />

stigmatisierender und einengender Zuschreibungen sollte es dabei stets um <strong>die</strong><br />

Würdigung der gesamten Persönlichkeit gehen, <strong>die</strong> sich zugleich in einem sozia-


- 104 -<br />

Ralf Lange<br />

len System bzw. Kontext bewegt, dass i.d.R. geschlechtliche Konnotationen aufweist<br />

(Lange 2006, S. 72-83). Auf welche Weise <strong>die</strong>s gelingen kann, soll im<br />

nächsten Abschnitt anhand eines beispielhaften Ablaufs einer Kollegialen Beratung<br />

erläutert werden.<br />

Idealtypische Schrittfolge einer Kollegialen Beratung und <strong>die</strong><br />

Integration von <strong>Gender</strong>-Aspekten<br />

Der Ablauf einer Kollegialen Beratung umfasst insgesamt sechs Phasen, in<br />

denen <strong>die</strong> Gruppe gemeinsam einen Beratungsgegenstand bzw. Fall bearbeitet.<br />

Dazu werden <strong>die</strong> Rollen FallerzählerIn, ModeratorIn und BeraterIn<br />

definiert. Diese Funktionen und Rollen wechseln von Termin zu Termin. Jedes<br />

Gruppenmitglied hat <strong>die</strong> Möglichkeit, <strong>die</strong>se Rollen zu übernehmen. Es<br />

sollte darauf geachtet werden, dass jedes Gruppenmitglied jede Rolle von<br />

Zeit zu Zeit wahrnimmt, damit keine einseitigen und womöglich stereotypen<br />

Zuweisungen in der Praxis auf unangenehme Weise spürbar werden.<br />

Der/<strong>die</strong> FallerzählerIn hat <strong>die</strong> Aufgabe, den Fall und den aktuellen Klärungsbedarf<br />

in den Mittelpunkt der Erörterungen zu stellen. Der/<strong>die</strong> ModeratorIn<br />

hat <strong>für</strong> <strong>die</strong> Dauer eines Durchgangs <strong>die</strong> Aufgabe, den/<strong>die</strong> FallgeberIn<br />

und <strong>die</strong> BeraterInnen durch strukturierende Fragen zu leiten und den<br />

Ablauf inkl. Zeitplan im Blick zu behalten. Die BeraterInnen werden als<br />

Beratungsteam aktiv, sobald <strong>die</strong> Spontanerzählung des/der FallgeberIn abgeschlossen<br />

ist und eine Schlüsselfrage formuliert wurde.<br />

Die Schrittfolge der Kollegialen Beratung gliedert sich in sechs Phasen:<br />

1. Casting<br />

(Rollen besetzen)<br />

2. Spontanerzählung<br />

des/der FallgeberIn<br />

Wer übernimmt welche Rolle?<br />

Welche Fälle sind da?<br />

Wie viele Fälle können wir bearbeiten?<br />

Worum geht es? Wie stellt sich <strong>die</strong><br />

Situation <strong>für</strong> den/<strong>die</strong> FallgeberIn dar?<br />

3. Schlüsselfrage Welchen Klärungswunsch hat der/<strong>die</strong><br />

FallerzählerIn in Bezug auf seine/ihre<br />

Situation?<br />

4. Methodenwahl Welche Beratungsmethode wählen wir<br />

aus? Welche Vorgehensweise ist besonders<br />

hilfreich?<br />

5 Min.<br />

10 Min.<br />

5 Min.<br />

5 Min.


Das Prinzip der Kollegialen Beratung - 105 -<br />

5. Beratung Was geben wir dem/der FallgeberIn in<br />

Bezug auf seine/ihre Schlüsselfrage mit?<br />

6. Abschluss Was nimmt der/<strong>die</strong> FallgeberIn aus der<br />

Kollegialen Beratung mit?<br />

15 Min.<br />

5 Min.<br />

Bei der Entscheidung über <strong>die</strong> Besetzung der Rollen sollte auf Gleichberechtigung<br />

und Gleichwertigkeit Wert gelegt werden, um offene und subtile<br />

Mechanismen der Ausgrenzung und Abwertung von Beginn an zu unterbinden.<br />

Frauen und Männer sollten möglichst zu gleichen Teilen in allen Rollen<br />

präsent sein, ohne durch geschlechtsstereotype Zuweisungen eingeschränkt<br />

zu werden. Die Spontanerzählung durch den/<strong>die</strong> FallgeberIn sollte<br />

� wenn möglich � <strong>Gender</strong>-Perspektiven berücksichtigen, sofern sie <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Geschichte und den aktuellen Klärungsbedarf relevant sind. Der/<strong>die</strong> ModeratorIn<br />

könnte in <strong>die</strong>sem Schritt durch entsprechende Rückfragen eine <strong>die</strong><br />

Aufmerksamkeit lenkende Funktion übernehmen (z.B. „Welchen Einfluss<br />

hat <strong>die</strong> Tatsache, dass an dem geschilderten Problem ausschließlich Männer<br />

beteiligt sind?“). Auch <strong>die</strong> Schlüsselfrage, <strong>die</strong> den aktuellen Klärungsbedarf<br />

anzeigt, kann bei entsprechender Sensibilität des/der Fallgebers/-in<br />

und der Gruppe mit Hilfe der Kategorie <strong>Gender</strong> näher spezifiziert werden<br />

(z.B. „Was sollte ich als weibliche Führungskraft bei einem Teamkonflikt<br />

beachten, wenn das Team ausschließlich aus Frauen besteht?“).<br />

Bei der Methodenauswahl sollte darauf geachtet werden, ob das ausgewählte<br />

Vorgehen dem Fall und dem/der Protagonisten/-in hinreichend gerecht<br />

wird. Ob <strong>die</strong> Methode stimmig und Ziel führend <strong>für</strong> den/<strong>die</strong> FallgeberIn<br />

ist, sollte <strong>die</strong>se Person selbst entscheiden. In der anschließenden Beratung<br />

sind unter <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten viele Reflexionsebenen denkbar.<br />

Rückmeldungen und Reflexionen können sich z.B. auf <strong>die</strong> Haltung, Rolle<br />

und Aufgabe des/der FallgeberIn beziehen. Sie können <strong>die</strong> geschilderten<br />

Interaktions- und Kommunikationsmuster unter geschlechtsbezogener Perspektive<br />

überprüfen („doing gender“) und das gesamte Geschehen im<br />

Kontext organisationaler Politik („doing gendered organization“) diskutieren.<br />

Für den Abschluss wären Einschätzungen des/der Fallerzählers/-in bezogen<br />

auf <strong>die</strong> angesprochenen <strong>Gender</strong>-Dimensionen hilfreich, um <strong>die</strong>sen<br />

Aspekt nicht wie so oft als „blinden Fleck“ unbeachtet zu lassen.


- 106 -<br />

Ralf Lange<br />

Das innovative Potenzial gender-reflexiver Vorgehensweisen<br />

in der Kollegialen Beratung<br />

Neben den zuvor angesprochenen Möglichkeiten der Integration von <strong>Gender</strong>-Aspekten<br />

in den methodischen Ablauf der Kollegialen Beratung sind darüber hinausgehende<br />

methodische Ergänzungen denkbar und wünschenswert. Der Dialog<br />

der Geschlechter in geschlechtergetrennten Gruppen könnte z.B. als Variation<br />

integriert werden, wenn der/<strong>die</strong> FallgeberIn <strong>die</strong>s wünscht bzw. es aus Sicht des<br />

Beratungsteams sinnvoll ist. Der Blick auf <strong>die</strong> individuellen und gender-bezogenen<br />

Interpretations- und Aneignungsleistungen im Anschluss an <strong>die</strong> Formulierung<br />

einer Schlüsselfrage könnte interessante Aspekte zum Beratungsgegenstand<br />

aufdecken. Zugleich ist bei einer solchen Vorgehensweise stets das Risiko<br />

der Reproduktion von Zweigeschlechtlichkeit zu prüfen bzw. zu reflektieren. Es<br />

ist davon auszugehen, dass auch im Kontext der Kollegialen Beratung stereotype<br />

Zuschreibungen und Deutungen vorkommen können. Ein reflexives und Vielfalt<br />

anerkennendes Verständnis von <strong>Gender</strong> sollte deshalb bei allen Gruppenmitgliedern<br />

im Vordergrund stehen bzw. im Prozess der gemeinsamen Arbeit wachsen.<br />

Grundsätzlich interessant ist jede Form von Perspektivwechsel in der Kollegialen<br />

Beratung. Hier kann der/<strong>die</strong> ModeratorIn durch geeignete Fragen dazu beitragen,<br />

dass der Fall bzw. das Problem in all seinen Facetten sichtbar wird. Es können<br />

neue Einsichten und überraschende Aussichten gewonnen werden, <strong>die</strong> <strong>für</strong><br />

den/<strong>die</strong> FallgeberIn nützlich sein können. So kann bereits bei der Fallerzählung<br />

durch entsprechende Verständnisfragen auf <strong>die</strong> geschlechtsbezogenen Besonderheiten<br />

des Falles eingegangen werden (z.B. „Wie wird der geschilderte Konflikt<br />

von den beteiligten Frauen und Männern wahrgenommen und bewertet?“<br />

oder „Welche Bedeutung haben <strong>die</strong> aktuelle Situation und das geschilderte<br />

Problem vor dem Hintergrund der eigenen biographischen Erfahrungen und Erlebnisse?“).<br />

In der gemeinsamen Beratung des Falles können <strong>die</strong> BeraterInnen<br />

explizit machen, wie sie als Frau/Mann das Problem verstehen und welche Handlungsstrategien<br />

bzw. Lösungsideen sie vor <strong>die</strong>sem Hintergrund <strong>für</strong> hilfreich erachten.<br />

Dabei wird das Wissen um <strong>die</strong> Verantwortung aller Gruppenmitglieder<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Gestaltung von Geschlechterverhältnissen vertieft. Vertrautes und Überraschendes<br />

kann ans Licht gebracht werden und <strong>die</strong> Beziehungen zwischen den<br />

Geschlechtern bereichern. Damit gewinnt <strong>die</strong> Kollegiale Beratung eine zusätzliche<br />

qualitative Dimension und kann auch in Bildungsinstitutionen und bei der<br />

Durchführung von Bildungsseminaren ein wertvolles Element zur Qualitätsentwicklung<br />

sein.


Das Prinzip der Kollegialen Beratung - 107 -<br />

Literatur<br />

Doblhofer, Doris/ Küng, Zita 2008: <strong>Gender</strong> Mainstreaming – Gleichstellungsmanagement<br />

als Erfolgsfaktor. Heidelberg<br />

Gieseke, Wiltrud 2007: Lebenslanges Lernen und Emotionen: Wirkungen von<br />

Emotionen auf Bildungsprozesse aus beziehungstheoretischer Perspektive.<br />

Bielefeld<br />

Lange, Ralf 2006: <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> das Change Management. <strong>Gender</strong> &<br />

Diversity als Erfolgsfaktoren <strong>für</strong> organisationales Lernen. Bern<br />

Pallasch, Waldemar/ Mutzeck, Wolfgang/ Reimers, Heino 1992 (Hrsg.):<br />

Beratung, Training, Supervision – Eine Bestandsaufnahme über Konzepte<br />

zum Erwerb von Handlungskompetenz in pädagogischen Arbeitsfeldern.<br />

Weinheim<br />

Schein, Edgar H. 1987: Process Consultation: Its Role in Organization<br />

Development. Reading<br />

Schulz von Thun, Friedemann 1996: Praxisberatung in Gruppen. Erlebnisaktivierende<br />

Methoden mit 20 Fallbeispielen zum Selbsttraining <strong>für</strong> Trainerinnen<br />

und Trainer, Supervisoren und Coachs. Weinheim<br />

Thomann, Christoph 1998: Klärungshilfe: Konflikte im Beruf. Methoden und<br />

Modelle klärender Gespräche bei gestörter Zusammenarbeit. Reinbek<br />

Tietze, Kim-Oliver 2003: Kollegiale Beratung – Problemlösungen gemeinsam<br />

entwickeln. Reinbek


- 108 -<br />

Doing <strong>Gender</strong> im Rollenspiel – Die Inszenierung von<br />

Geschlechterverhältnissen als Lernform<br />

Ralf Lange<br />

Ralf Lange<br />

Die Inszenierungen von Geschlechtsidentität und Geschlechterverhältnissen<br />

in Lernprozessen<br />

In der <strong>Bildungsarbeit</strong> mit unterschiedlichen Zielgruppen werden Geschlechterverhältnisse<br />

und Geschlechtsidentitäten unabhängig vom jeweiligen Thema in<br />

der täglichen Interaktion und Kommunikation durch <strong>die</strong> Teilnehmenden und<br />

<strong>die</strong> Lehrenden aktiv hergestellt. Dieser permanente Prozess der Selbstinszenierung<br />

und des wechselseitigen Reagierens auf geschlechterbezogene Zuschreibungen<br />

reflektiert und bekräftigt i.d.R. eine bipolare Geschlechterordnung,<br />

in der das soziale Geschlecht als eine essentielle Kategorie spürbar wird<br />

(vgl. Mühlen-Achs 1998). Äußerungen, Handlungen und soziale Aktivitäten sind<br />

geschlechtlich ko<strong>die</strong>rt und bestätigen implizit <strong>die</strong> Relevanz von Geschlecht <strong>für</strong><br />

gelingende Kommunikations- und Lernprozesse. Durch <strong>die</strong> differenzierte Wahrnehmung<br />

von Männlichkeit(en) und Weiblichkeit(en) im Alltagshandeln und<br />

den damit zusammenhängenden Rollenerwartungen, Rollenzuschreibungen<br />

und Deutungsmustern wird <strong>die</strong> Notwendigkeit einer gender-sensiblen Bearbeitung<br />

von Lerngegenständen wahrnehmbar (vgl. Connell 1999).<br />

Vor <strong>die</strong>sem Hintergrund sind handlungsorientierte Methoden, <strong>die</strong> an den Erfahrungen,<br />

Erlebnissen und dem Wissensschatz der am Lernprozess beteiligten<br />

Menschen ansetzen, eine wirksame Methode, um <strong>die</strong> kulturelle und<br />

soziale Herstellung von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen im sozialen<br />

Handeln – im Tun, Wahrnehmen und Deuten – besser verstehen zu lernen.<br />

Dabei bieten <strong>die</strong>se Vorgehensweisen eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich<br />

<strong>die</strong>s- und jenseits der soziodramatisch konzipierten Rollen zu inszenieren, so<br />

dass <strong>die</strong> Wirksamkeit von Klischees und Vorurteilen spürbar werden kann<br />

und somit <strong>die</strong> Möglichkeit der kritischen Reflexion gegeben ist. Spielerisch<br />

können neue Rollen erprobt werden es kann über <strong>die</strong> Inszenierung zu einer<br />

kritischen Reflexion kommen.


Doing <strong>Gender</strong> im Rollenspiel - 109 -<br />

Insbesondere <strong>für</strong> Bildungsangebote zu <strong>Gender</strong>-Themen im Bereich der Jugend-<br />

und Erwachsenenbildung eröffnen Methoden wie Rollenspiel, Planspiel,<br />

Standbilder, Szenische Darstellungen, Soziodrama und Psychodrama<br />

Lernwege, in denen nicht nur kognitive sondern auch emotionale Dimensionen<br />

des geschlechterreflexiven Lernens angesprochen werden. Auf der<br />

analytischen Ebene bieten Simulationsspiele <strong>die</strong> Chance, das Handeln von<br />

Männern und Frauen in unterschiedlichen Kontexten und sozialen Situationen<br />

kritisch zu reflektieren, um <strong>die</strong> eigene Wahrnehmung und <strong>die</strong> damit<br />

zusammenhängenden Zuschreibungsmuster entlang der Geschlechtergrenze<br />

und innerhalb der jeweiligen Genusgruppen zu überprüfen. Hierarchisierungen,<br />

Machtverhältnisse und das emanzipatorische Potenzial können<br />

gemeinsam ergründet und zielgerichtet weiterentwickelt werden.<br />

Rollenspiele als Methode zur aktiven Aneignung von Lerninhalten:<br />

„Doing <strong>Gender</strong> revisited“<br />

Als didaktische Grundüberlegung steht hinter Rollen- oder Simulationsspielen<br />

<strong>die</strong> Annahme, dass <strong>die</strong> Seminarteilnehmenden durch <strong>die</strong> Übernahme<br />

von Rollen aus der sie umgebenden Wirklichkeit lernen, wie <strong>die</strong>se jeweiligen<br />

Kontexte und Situationen auf <strong>die</strong> Herstellung von Geschlechtsidentitäten<br />

und Geschlechterverhältnissen wirken. Dieses Lernen findet dabei sowohl<br />

auf kognitiver als auch auf sozialer und emotionaler Ebene statt.<br />

Durch das Probehandeln in einer spielerischen Situation kann <strong>die</strong> Aneignung<br />

von komplexen Themen gelingen, so dass über <strong>die</strong> Inszenierung<br />

neue und vor allem alltagsrelevante Handlungskompetenzen <strong>die</strong>s- und jenseits<br />

der eigenen Geschlechtsidentität werden können. Zugleich kann über<br />

das Rollenspiel auf kognitiver und emotionaler Ebene <strong>die</strong> Wahrnehmung<br />

des Arrangements der Geschlechter („System der Zweigeschlechtlichkeit“)<br />

in einem spezifischen kulturellen Kontext erfahren und reflektiert werden<br />

(vgl. Goffman 1994, Wetterer 2005). Um <strong>die</strong>se Methoden erfolgreich in der<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> einzusetzen, sind eine Reihe von Grundlagen und Instrumenten<br />

zu beachten.<br />

Grundlagen, Techniken und Instrumente der Methode Rollenspiel<br />

Die Besonderheit von simulierten Situationen (Rollenspielen) im Seminarverlauf<br />

besteht darin, <strong>für</strong> verschiedene Kontexte und Situationen ein Bild<br />

der Wirklichkeit zu zeichnen, das zugleich Einblicke in <strong>die</strong> inneren Wirklichkeiten<br />

bzw. Deutungsmuster der handelnden Personen ermöglicht. Wenn<br />

<strong>die</strong> physische Welt im Rollenspiel simuliert wird, entsteht ein Experimen-


- 110 -<br />

Ralf Lange<br />

tierfeld, um <strong>die</strong> psychischen und soziokulturellen Dimensionen der Lebens-<br />

und Arbeitswelt zu erforschen. Dabei kann den handelnden Personen als<br />

Objekte und Subjekte des Lernprozesses <strong>die</strong> Vielschichtigkeit und Dynamik<br />

von Lebens- und Arbeitssituationen bewusst werden. Die beteiligten Frauen<br />

und Männer werden durch entsprechende Anleitung darin unterstützt, eine<br />

Situation aus verschiedenen Perspektiven zu analysieren (Multiperspektivität),<br />

eigene Befindlichkeiten, Gefühle, Ziele und Wertvorstellungen zu konkretisieren<br />

und neue Verhaltensweisen zu erproben. Die Lerngegenstände<br />

und –inhalte werden systematisch mit eigenem Fühlen und Denken emotional<br />

verknüpft – ein didaktischer Weg zur Gestaltung von Lernprozessen,<br />

<strong>die</strong> erlebnisdicht, intensiv und folgenreich sind (vgl. Schaller 2001, S. 11-18).<br />

Zu den wichtigsten Techniken und Instrumenten im Rollenspiel gehören<br />

Vorgehensweisen zur Rollenübernahme bzw. –verteilung, Imaginationsübungen<br />

zur Einstimmung auf <strong>die</strong> jeweiligen Rollen, das Einfrieren oder<br />

Unterbrechen von Rollenspielen (Standbilder oder auch Statuentheater),<br />

soziometrische Aufstellungen (Soziogramme), <strong>die</strong> gegenseitige Rollenübernahme<br />

(Rollentausch) und das Doppeln (Soufflieren) oder auch das Spiegeln<br />

in schwierigen Spielsituationen (vgl. ebd., S. 21-52).<br />

Anwendungsformen des Rollenspiels in der <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Rollenspiele in der politischen und beruflichen Jugend- und Erwachsenenbildung<br />

werden überwiegend mit einer pädagogischen Zielsetzung verbunden.<br />

D.h. es kommt in <strong>die</strong>sem Bereich weniger darauf an, z.B. psychosomatische<br />

Störungen, Fragen der Persönlichkeitsentwicklung und therapeutische<br />

Aufgaben mit dem Ziel des psychischen Wohlbefindens zu bearbeiten.<br />

Viel mehr stehen <strong>die</strong> Vermittlung von fachbezogenem Wissen, <strong>die</strong> Praxisbegleitung<br />

und Dimensionen erwünschter Verhaltensänderungen im<br />

Vordergrund. Die professionelle bzw. „öffentliche“ Rollen- und Aufgabenwahrnehmung<br />

soll gestärkt und unterstützt werden. Darüber hinaus kann<br />

unterschieden werden zwischen stark vorstrukturierten und angeleiteten<br />

Rollenspielen im Unterschied zu Rollenspielen mit hohem Anteil an Improvisation<br />

und Imagination. In der politischen und beruflichen <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

finden wir eher <strong>die</strong> angeleiteten Formen, <strong>die</strong> mehr Handlungsorientierung<br />

und weniger schauspielerisches Geschick verlangen. Zu <strong>die</strong>sen Rollenspielformen<br />

gehören z.B. das Planspiel, das Unternehmenstheater, soziometrische<br />

Aufstellungen und Rollenspiele mit definierten Rollen, Situationen und<br />

Kontexten.


Doing <strong>Gender</strong> im Rollenspiel - 111 -<br />

Es werden häufig klar definierte und möglichst realitätsnahe Szenen durchgespielt,<br />

so dass der Ort, der Zeitpunkt, <strong>die</strong> beteiligten RollenträgerInnen<br />

und der situative Kontext relativ stark vorbestimmt sind. Diese Rollenspiele<br />

<strong>die</strong>nen als Trainingselement zur Vorbereitung auf Herausforderungen, <strong>die</strong><br />

auf <strong>die</strong> Teilnehmenden in ihren jeweiligen Handlungskontexten zukommen.<br />

Ziel ist dabei <strong>die</strong> Erprobung verschiedener Handlungsmöglichkeiten, um<br />

persönliche Vorlieben, Stärken und blinde Flecken entdecken zu können<br />

und neue Verhaltensmuster anzueignen. Dieses Ziel lässt sich allerdings<br />

nur erreichen, wenn sich <strong>die</strong> Inszenierung des Rollenspiels in einem angstfreien<br />

und <strong>für</strong> <strong>die</strong> Teilnehmenden ungefährlichen Setting abspielt. Ein sicherer<br />

Rahmen muss durch <strong>die</strong> Seminarleitung geschaffen werden, damit<br />

<strong>die</strong> ProtagonistInnen der jeweiligen Rollen durch Handlungsprobleme der<br />

dargestellten Personen ein vertieftes Verständnis <strong>für</strong> <strong>die</strong> Hintergründe, Antriebe<br />

und Motivationen der jeweiligen RollenträgerInnen entwickeln. Die<br />

anschließende Auswertung des Rollenspiels eröffnet den Beteiligten vielfältige<br />

Möglichkeiten <strong>für</strong> Rückmeldungen und Reflexionen.<br />

Die vorgespielte Szene bietet Anregungen zur Erweiterung des eigenen<br />

Handlungsrepertoires. Durch <strong>die</strong> Übernahme verschiedener Rollen werden<br />

zugleich <strong>die</strong> Flexibilität und <strong>die</strong> psychische Beweglichkeit der Lernenden<br />

gefördert. Besonders hilfreich kann dabei ein Perspektivwechsel sein, so<br />

dass z.B. mit Hilfe eines Rollentausches <strong>die</strong> jeweilige Szene und das damit<br />

verbundene Thema aus der Perspektive einer anderen Person wahrgenommen<br />

werden können (Brenner 1997). Dieser Perspektivwechsel bietet<br />

sich u.a. bei Seminaren zu geschlechterpolitischen Themen an, um den<br />

Gegenstand und <strong>die</strong> anstehende Aufgabe aus unterschiedlichen Perspektiven<br />

wahrnehmen zu können. Zugleich können in <strong>die</strong>sen Inszenierungen<br />

neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität<br />

erkennbar werden, um voreilige und verkürzte Stereotypisierungen<br />

möglichst zu vermeiden. <strong>Gender</strong> wird so als interdependente Kategorie erfahrbar<br />

und kann in seinen Ungleichheit generierenden Dimensionen zusammen<br />

mit Kategorien wie Herkunft/ Ethnie, Alter, Klasse, Körper, Alter<br />

usw. reflektiert werden (Winker/ Degele 2009, Walgenbach et al. 2007).


- 112 -<br />

Ralf Lange<br />

Das Rollenspiel als „Bühne“ zur Konstruktion und Dekonstruktion<br />

von Geschlechterverhältnissen<br />

Die Auseinandersetzung mit Geschlechterfragen in der politischen und beruflichen<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> ist immer wieder mit dem Risiko einer voreiligen und problematischen<br />

Fokussierung auf vermeintliche Wesensunterschiede zwischen<br />

„Mann“ und „Frau“ verbunden. Simulationsspiele und Inszenierungen im Seminarverlauf<br />

fokussieren hingegen nicht auf <strong>die</strong> den zwei (!) Geschlechtern zugeschriebenen<br />

Eigenschaften und <strong>Kompetenz</strong>en, sondern thematisieren das Handeln,<br />

Wahrnehmen und Deuten von konkreten Personen in unterschiedlichen<br />

Situationen und Kontexten, um <strong>die</strong> Prozesse der Konstruktion von Geschlechterverhältnissen<br />

und sozialer Ungleichheit zu reflektieren. Rollenspiele eröffnen <strong>die</strong>s-<br />

und jenseits von stereotypen Zuschreibungen entlang der Geschlechtergrenze<br />

ein analytisches Potenzial zur Dekonstruktion von Männlichkeit(en) und Weiblichkeit(en)<br />

in konkreten Handlungsbezügen.<br />

Um mit Blick auf <strong>Gender</strong> als Persönlichkeitsdimension sowie als Handlungs- und<br />

Strukturkategorie nachhaltiges Lernen und nachhaltigen Wandel befördern zu<br />

können, sind ganzheitliche Lernformen erforderlich, <strong>die</strong> kognitive und emotionale,<br />

bewusste und latente, verbale und non-verbale, körperliche, psychische<br />

und soziale Dimensionen einbeziehen (Ameln/Kramer 2007). Sowohl das implizite<br />

als auch das explizite Wissen der Teilnehmenden über Geschlechterverhältnisse<br />

und Geschlechtsidentitäten wird in der szenischen Darstellung erkennbar.<br />

Durch <strong>die</strong> Inszenierung werden schwer verbalisierbare Zusammenhänge spürbar<br />

und einer anschließenden Reflexion zugänglich gemacht. „Zu wissen, dass ein<br />

Vorgesetzter auf bestimmte Formen von Männlichkeit zurückgreift, um seine<br />

Macht zu sichern, ist etwas anderes als zu erleben und zu spüren, wie sich das<br />

anfühlt. Und <strong>die</strong>se emotionale Erkenntnis kann wiederum neue Wahrnehmungen<br />

und auch Handlungen mit sich bringen.“ (Novy 2008, S. 4).<br />

Empfehlenswert <strong>für</strong> <strong>die</strong> Thematisierung von <strong>Gender</strong>-Aspekten im Seminar<br />

sind angeleitete Rollenspiele mit definierten Rollen, d.h. es gibt vorgegebene<br />

Rollen- und Situationsbeschreibungen (z.B. der einfühlsame Vorgesetzte,<br />

<strong>die</strong> empörte Kollegin, der brave Auszubildende, <strong>die</strong> resolute Chefin),<br />

<strong>die</strong> den Teilnehmenden Rollendistanz ermöglichen, so dass Hemmungen,<br />

Rechtfertigungen und voreilige Erklärungen zur Inszenierung der jeweiligen<br />

Geschlechterverhältnisse vermieden werden können. Die Übernahme soziodramatischer<br />

Rollen hat zugleich entlastende Funktion, denn es kommt<br />

nicht zu einer Erprobung zukünftiger Handlungssituationen („Generalprobe“,<br />

„Prüfung“), sondern <strong>die</strong> Erforschung einer ggf. eher fremden Rolle


Doing <strong>Gender</strong> im Rollenspiel - 113 -<br />

steht im Vordergrund. Diese Distanzierung eröffnet häufig neue Räume <strong>für</strong><br />

Spielfreude und Kreativität, <strong>die</strong> insbesondere mit Blick auf <strong>die</strong> Thematisierung<br />

von <strong>Gender</strong> im Seminar wertvoll sind.<br />

Gleichwohl besteht bei allen Formen des szenischen Spiels das Risiko der<br />

unreflektierten Reproduktion des Systems der Zweigeschlechtlichkeit im<br />

Denken und Handeln der jeweiligen ProtagonistInnen. Es kommt nicht nur<br />

darauf an zu ergründen, wie <strong>die</strong> Bedeutung der Geschlechtszugehörigkeit<br />

zur Herstellung asymmetrischer Geschlechterarrangements in Beruf und<br />

Familie, Wissenschaft und Politik beiträgt. Es kommt auch darauf an, <strong>die</strong><br />

Unterschiede und <strong>die</strong> vielfältigen Inszenierungen von Weiblichkeit(en) und<br />

Männlichkeit(en) zu erkennen und zugleich <strong>die</strong> Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten<br />

zwischen Frauen und Männern zu verdeutlichen (Wetterer<br />

2005). Damit kann <strong>die</strong> Wirksamkeit der Zweigeschlechtlichkeit als zentrales<br />

Ordnungsprinzip der Welt in Frage gestellt und über das szenische Spiel<br />

überprüfbar gemacht werden.<br />

Von herausragender Bedeutung <strong>für</strong> den Lernerfolg im Zusammenhang mit<br />

Rollenspielen ist <strong>die</strong> gemeinsame Reflexion der Inszenierung. Dabei ist es<br />

möglich, mit Hilfe von Rollenfeedback, Einfühlung und thematischer Auswertung<br />

der jeweiligen Szene den impliziten Bedeutungen und der Relevanz<br />

von <strong>Gender</strong>-Dimensionen auf <strong>die</strong> Spur zu kommen. Mögliche Auswertungsfragen<br />

können sein:<br />

�� Wie habe ich mein Verhalten als (…) wahrgenommen?<br />

�� Welche Gedanken und Gefühle sind dabei spürbar geworden?<br />

�� Wie habe ich das Verhalten der anderen Personen wahrgenommen?<br />

�� Wie stark haben mich innere Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit,<br />

<strong>die</strong> sich an der Zweigeschlechtlichkeit orientieren, beeinflusst?<br />

�� Welche Zuschreibungen und Vorurteile spielten eine Rolle?<br />

�� Welche Ähnlichkeiten zwischen männlichen und weiblichen Personen<br />

habe ich im Rollenspiel erkannt?<br />

�� Welche Form von Weiblichkeit bzw. Männlichkeit beanspruchte im Rollenspiel<br />

<strong>die</strong> hegemoniale Position?<br />

�� Welche Hypothesen habe ich hinsichtlich des Zusammenspiels der Geschlechter<br />

in <strong>die</strong>ser konkreten Situation?<br />

�� Was könnten <strong>die</strong> ProtagonistInnen tun, um zu einem geschlechtergerechten<br />

Miteinander beizutragen und geschlechterdemokratische Abstimmungen<br />

zu befördern?


- 114 -<br />

Ralf Lange<br />

Selbstverständlich lässt sich nicht immer vermeiden, dass auch über Rollenspiele<br />

und andere Formen der szenischen Darstellung im Seminar zunächst<br />

nur das System der Zweigeschlechtlichkeit in seiner Wirkungsmacht<br />

dargestellt wird und sich <strong>die</strong> Teilnehmenden ausschließlich ihre jeweiligen<br />

Vorurteile bestätigen. Bei entsprechend intensiver Auswertung und Reflexion<br />

der Spielhandlung unter Anleitung gender-kompetenter Seminarleitungen<br />

lassen sich aber <strong>die</strong>se Fallstricke vermeiden. Die Rückmeldungen der<br />

GeQuaB-Teilnehmenden zeigten, dass über Rollenspiele eine Reihe von<br />

Denk- und Lernprozessen ausgelöst werden konnten, <strong>die</strong> verfestigte innere<br />

Bilder zu Männlichkeiten und Weiblichkeiten in Bewegung gebracht und<br />

zugleich Lust auf Veränderung und Weiterentwicklung der vorherrschenden<br />

Geschlechterarrangements gemacht haben.<br />

Literatur<br />

Ameln, Falko von; Kramer, Josef 2007: Organisationen in Bewegung bringen.<br />

Handlungsorientierte Methoden <strong>für</strong> <strong>die</strong> Personal, Team- und Organisationsentwicklung.<br />

Heidelberg<br />

Brenner, I.; Clausing, H. 1997: Das pädagogische Rollenspiel in der betrieblichen<br />

Praxis. Hamburg<br />

Connell, Robert 1999: Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten.<br />

Opladen<br />

Goffman, Erving 1994: Interaktion und Geschlecht. Hrsg. und eingeleitet von<br />

H.A. Knoblauch, Frankfurt am Main/New York<br />

Mühlen-Achs, Gitta 1998: Geschlecht bewusst gemacht. Körpersprachliche<br />

Inszenierungen – Ein Bilder- und Arbeitsbuch, München<br />

Novy, Katharina 2008: Doing <strong>Gender</strong> auf <strong>die</strong> Bühne bringen. Soziodramatische<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> zu Geschlechterthemen. In: MAGAZIN erwachsenenbildung.at.<br />

Das Fachmedium <strong>für</strong> Forschung, Praxis und Diskurs 3/08<br />

Schaller, Roger 2001: Das große Rollenspiel-Buch. Grundtechniken, Anwendungsformen,<br />

Praxisbeispiele. Weinheim<br />

Walgenbach, Katharina et al. 2007: <strong>Gender</strong> als interdependente Kategorie.<br />

Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität. Opladen<br />

Wetterer, Angelika 2005: Gleichstellungspolitik und Geschlechterwissen – Facetten<br />

schwieriger Vermittlungen. Internet:<br />

http://db.genderkompetenz.info/w/files/gkompzpdf/gl_wetterer_gleichstellungspolitik_und_geschlechterwissen_140205.pdf<br />

Winker, Gabriele; Degele, Nina 2009: Intersektionalität – Zur Analyse sozialer<br />

Ungleichheiten. Bielefeld


Methoden zur Gestaltung von Anfangs- und Schlusssituationen - 115 -<br />

3.2 Methoden <strong>für</strong> Fortbildungen zur <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong><br />

<strong>Gender</strong>-sensible Gestaltung von Anfangs- und Schlusssituationen<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Seminare haben – unabhängig von ihrer Dauer – immer einen Spannungsbogen.<br />

Ebenso wie <strong>die</strong> einzelnen thematischen Arbeitsschritte sind <strong>die</strong> Anfangs-<br />

und Schlusssequenzen Teil einer Gesamtinszenierung. Auch bei der<br />

Planung der methodischen Gestaltung <strong>die</strong>ser Phasen von Seminaren spielt<br />

<strong>die</strong> Frage nach einem geschlechtergerechten Methodeneinsatz eine Rolle.<br />

<strong>Gender</strong>-sensible methodische Gestaltung von Anfangssituationen<br />

Bei der Gestaltung von Seminaren ist immer zu bedenken, dass nicht nur<br />

<strong>die</strong> zu vermittelnden kognitiven Inhalte, sondern auch <strong>die</strong> soziale und emotionale<br />

Dimension des Geschehens <strong>für</strong> den Lernerfolg der Teilnehmenden<br />

wichtig sind. Dieses sollten Seminarleiterinnen und Seminarleiter immer im<br />

Blick haben.<br />

Der Beginn eines Seminars ist <strong>für</strong> fast alle Beteiligten eine neue soziale Situation<br />

mit unbekannten Personen 1 . Häufig sind vorher weder <strong>die</strong> anderen<br />

Teilnehmenden noch <strong>die</strong> Seminarleiterin oder der Seminarleiter bekannt.<br />

Gerade in so einer Situation kommt es vor, dass von vielen Beteiligten aus<br />

Unsicherheit „traditionelle“ Verhaltensmuster reproduziert werden. Ein<br />

Grund liegt möglicherweise darin, dass <strong>die</strong>se Muster „erfolgreiche Inszenierungen“<br />

von Männlichkeit bzw. Weiblichkeit darstellen.<br />

Auch Seminarleiterinnen und Seminarleiter sind davon nicht ausgenommen.<br />

Sie brauchen daher eine Sensibilität gegenüber den eigenen geschlechterbezogenen<br />

Verhaltensweisen, deren Reflexion sowie das Auspro-<br />

1<br />

Das gilt nicht <strong>für</strong> Seminare innerhalb einer Seminarreihe oder innerhalb geschlossener<br />

Arbeitszusammenhänge.


- 116 -<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

bieren und Weiterentwickeln eines gender-sensiblen Seminarverhaltens.<br />

Andererseits werden sie auch mit geschlechterbezogenen Normierungen<br />

durch <strong>die</strong> Teilnehmenden konfrontiert. Auf <strong>die</strong>sem Hintergrund sind sie<br />

Vorbilder � auch <strong>für</strong> geschlechterbezogenes Handeln.<br />

Alles <strong>die</strong>ses wirkt in den Beginn eines Seminars hinein. Daher ist <strong>die</strong> Gestaltung<br />

der Anfangssituation konstitutiv <strong>für</strong> <strong>die</strong> Beziehungsstruktur innerhalb<br />

der Seminargruppe. Mit der Methodenwahl <strong>für</strong> <strong>die</strong> Anfangssituation<br />

können Seminarleiterinnen und Seminarleiter bereits ihren partizipativen<br />

Ansatz deutlich machen. Sie können Partizipation als wichtiges didaktisches<br />

Prinzip einer gender-sensiblen Didaktik von Anfang an praktizieren 2 . So gilt<br />

es, Vorstellungsmethoden zu vermeiden, in denen geübte Rednerinnen und<br />

Redner viel Raum <strong>für</strong> ihre Selbstinszenierung finden 3 . Ebenso gilt es, den<br />

Anfangsstress zu minimieren und Angstsituationen zu vermeiden. Obendrein<br />

erleichtert ein spielerischer Einstieg vielen Anwesenden <strong>die</strong> erste aktive<br />

Beteiligung am Seminar.<br />

Bei Beginn eines Seminars mit einer unbekannten Gruppe von Teilnehmenden<br />

passiert es auch erfahrenen SeminarleiterInnen, dass sie sich auf<br />

Zwiegespräche mit dominanten Teilnehmenden einlassen. Das ist zwar situativ<br />

häufig verständlich, sollte aber vermieden werden. Im Übrigen sollten<br />

sie ihr eigenes Verhalten daraufhin überprüfen, ob sie evtl. durch Blickkontakt<br />

<strong>die</strong>ses Verhalten von Teilnehmenden gefördert haben.<br />

Es gibt keine Methoden, <strong>die</strong> von vornherein als geschlechtergerecht bezeichnet<br />

werden können. Es kann aber durchaus vorkommen, dass ein Methodeneinsatz<br />

nicht gender-sensibel erfolgt und dadurch ungleiche Beteiligungschancen<br />

bis hin zu (Geschlechter-)Hierarchien im Seminar gefördert<br />

werden. Wichtig ist daher, bei der Seminarvorbereitung im Hinblick auf <strong>die</strong><br />

inhaltliche wie methodische Gestaltung <strong>die</strong> in der Gesellschaft wie am Arbeitsplatz<br />

vorhandenen – möglicherweise unterschiedlichen – Ausgangsbedingungen<br />

von Frauen und Männern und <strong>die</strong> präsenten geschlechterbezogenen<br />

Konstruktionen zu antizipieren.<br />

Es sollen hier keine Vorstellungsmethoden im Einzelnen vorgestellt werden.<br />

PartnerInnen-Interview, soziometrische Aufstellungen, Kartenabfrage, Bild-<br />

Assoziation und andere Methoden werden in vielen Seminaren eingesetzt<br />

2 Vgl. den Beitrag „Didaktische Prinzipien einer gender-sensiblen <strong>Bildungsarbeit</strong>“ S. 83ff.<br />

3 Diese Funktion wird in Seminaren häufig eher von Männern als von Frauen übernommen,<br />

vgl. Derichs-Kunstmann u.a. 1999, S. 45ff.


Methoden zur Gestaltung von Anfangs- und Schlusssituationen - 117 -<br />

(vgl. Geißler 1989). Für <strong>die</strong> Auswahl sind immer auch <strong>die</strong> Rahmenbedingungen,<br />

wie zur Verfügung stehende Zeit, Raumgröße und –gestaltung,<br />

Anzahl der Teilnehmenden, Verfügbarkeit von Materialien (Papier, Stifte,<br />

Kärtchen etc.) entscheidend.<br />

Methoden <strong>für</strong> <strong>die</strong> Gestaltung von Anfangssituationen in Seminaren sollten<br />

allerdings unter <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten folgende Kriterien erfüllen:<br />

�� den Teilnehmenden das „Ankommen“ im Seminar erleichtern,<br />

�� allen <strong>die</strong> gleiche Chance der Beteiligung geben,<br />

�� keinen Beitrag zur Herstellung von Hierarchien – auch Geschlechterhierarchien<br />

– unter den Teilnehmenden leisten,<br />

�� keine Hürden durch Leistungsdruck aufbauen,<br />

�� einen ersten Eindruck von den themenbezogenen Lerninteressen der<br />

Teilnehmenden ergeben<br />

�� und den Anwesenden einen Eindruck von den anderen Beteiligten vermitteln.<br />

Dieser Einstieg ist nicht nur <strong>für</strong> <strong>die</strong> Teilnehmenden, sondern auch <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Seminarleiterinnen und Seminarleiter wichtig. Erfahren sie doch häufig genug<br />

erst in der Anfangsphase eines Seminars, welches <strong>die</strong> Vorerfahrungen<br />

und Lerninteressen der Teilnehmenden sind.<br />

<strong>Gender</strong>-sensible methodische Gestaltung von Schlusssituationen<br />

Für <strong>die</strong> Gesamtinszenierung eines Seminars ist ein gestaltetes Ende ebenso<br />

wichtig wie der Anfang. Schlusssituationen von Seminaren haben ebenso<br />

kognitive, soziale und emotionale Funktionen wie der Beginn des Seminars.<br />

Es geht zum einen darum, das inhaltliche Seminargeschehen abzurunden,<br />

und zum anderen darum, <strong>die</strong> Teilnehmenden aus der Gruppensituation zu<br />

verabschieden. Karlheinz Geißler nennt <strong>die</strong> dazu gehörigen Prozesse innerhalb<br />

des Seminars Transfer (inhaltliche Zusammenfassung und Übertragung<br />

auf den beruflichen oder privaten Alltag) 4 , Trennung (Verabschiedung<br />

aus der Seminargruppe) und Trauer (emotionale Loslösung) (vgl. Geißler<br />

1992). Auch hier gilt es im Hinblick auf eine gender-sensible Gestaltung einige<br />

Kriterien bei der Auswahl der Methoden zu beachten.<br />

4 vgl. dazu den Beitrag zu Auswertungsinstrumenten, S. 157ff.


- 118 -<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Methoden <strong>für</strong> <strong>die</strong> Gestaltung von Schlusssituationen sollten u.E. folgende<br />

Kriterien erfüllen, sie sollten:<br />

�� ausreichend Zeit <strong>für</strong> verschiedene Schritte der Verabschiedung lassen,<br />

�� nicht nur <strong>die</strong> inhaltlichen Dimensionen der gemeinsamen Arbeit, sondern<br />

auch <strong>die</strong> sozialen Dimensionen, wie <strong>die</strong> Zusammenarbeit in der<br />

Gruppe, thematisieren,<br />

�� verschiedene Ausdrucksformen ermöglichen,<br />

�� allen <strong>die</strong> gleiche Chance der Beteiligung geben,<br />

�� emotionale Stresssituationen vermeiden und<br />

�� den Teilnehmenden den Abschied von der Seminargruppe erleichtern.<br />

Das hat auf den ersten Blick nur wenig mit <strong>Gender</strong> zu tun, hat aber im Sinne<br />

einer gender- und diversitätsbewussten Didaktik 5 als Basis einen respektvollen<br />

Umgang mit allen Teilnehmenden in ihrer jeweiligen Individualität<br />

6 . Das nachfolgende Beispiel aus den GeQuaB-Fortbildungen zeigt auf,<br />

wie man eine Abschiedssituation gestalten kann.<br />

Abschiedsfoto des GeQuaB-Lehrgangs B mit Papierblumen<br />

5<br />

vgl. den Artikel von Gerrit Kaschuba auf S. 61ff.<br />

6<br />

vgl. dazu auch S. 83ff.


Methoden zur Gestaltung von Anfangs- und Schlusssituationen - 119 -<br />

Am Ende der GeQuaB-Lehrgänge haben wir mit verschiedenen Methoden<br />

gearbeitet. Wandzeitungen zu den Themen „Inhalt“, „Seminarleitung“,<br />

„Gruppe“, „Haus“ 7 <strong>die</strong>nten zur Seminarkritik, dazu den verschiedenen positiven<br />

und negativen Urteilen der Teilnehmenden Raum zu geben, ohne<br />

dass <strong>die</strong>se ausführlicher erörtert werden mussten. In einer sich daran anschließenden<br />

Schlussrunde kamen mündliche Ergänzungen hinzu. Außerdem<br />

bot <strong>die</strong>se Runde den Teilnehmenden <strong>die</strong> Gelegenheit, Botschaften an<br />

<strong>die</strong> anderen Gruppenmitglieder und das Team zu richten. Ein Abschiedsritual<br />

(siehe Arbeitsblatt) unterstrich <strong>die</strong> emotionale Seite des Endes der<br />

Zusammenarbeit.<br />

Arbeitsblatt zum Abschiedsritual<br />

Wir sind alle kreativ, manuell, handwerklich sehr unterschiedlich begabt<br />

und geübt. Es geht jetzt um keinen Wettbewerb.<br />

Als Material stehen Euch Krepppapier in verschiedenen Farben und<br />

Blumendraht zum Binden zur Verfügung. Wir bitten Euch, nehmt von<br />

dem in der Mitte liegenden Material, was Ihr braucht, um eine Blume<br />

herzustellen.<br />

Die Blume sollt ihr zum Abschied Eurem rechten Nachbarn, Eurer rechten<br />

Nachbarin überreichen. Überlegt Euch, was Ihr ihr oder ihm dazu<br />

sagen könntet oder wolltet. Auch stumm überreichen ist möglich.<br />

Literatur<br />

Geißler, Karlheinz A. 1989: Anfangssituationen. Was man tun und besser lassen<br />

sollte. Weinheim und Basel, 3. Aufl.<br />

Geißler, Karlheinz A. 1992: Schlusssituationen. Die Suche nach dem guten Ende.<br />

Weinheim und Basel<br />

7 oder andere Überschriften zu den Rahmenbedingungen der Seminararbeit


- 120 -<br />

Rollenspiel: Szenen aus dem Alltag<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Damit <strong>die</strong> Diskussion um Rollenklischees und <strong>die</strong> „soziale Konstruktion von Geschlecht“<br />

nicht theoretisch bleibt, ist es sehr wirksam, wenn Teilnehmende Inszenierungen<br />

spielerisch darstellen. Dadurch wird <strong>die</strong> Ebene der subjektiven<br />

Erfahrungen und des eigenen Anteils an der alltäglichen Konstruktion von Geschlecht<br />

thematisierbar.<br />

Das folgende nonverbale Rollenspiel ermöglicht einen spielerischen Themeneinstieg,<br />

es öffnet den Teilnehmenden <strong>die</strong> Augen <strong>für</strong> ihre eigenen geschlechtsbezogenen<br />

Zuweisungsprozesse, wirkt gleichzeitig auflockernd und erkenntnisfördernd.<br />

Seminar<br />

phase<br />

Erste Arbeitsphase des Seminars<br />

Ziele Bewusst werden von Geschlechterbildern und Rollenstereotypen<br />

in der alltäglichen Wahrnehmung,<br />

<strong>für</strong> Geschlechtsrollenstereotype sensibilisieren,<br />

Ebenen der interpersonellen Wahrnehmung erkennen,<br />

Geschlecht ‚dekonstruieren’<br />

Raum Räume oder Arbeitsecken <strong>für</strong> Kleingruppenarbeit<br />

Teilnehmende<br />

Gemischtes Seminar mit männlichen und weiblichen Teilnehmenden,<br />

kann aber auch mit geschlechtshomogenen<br />

Seminaren gespielt werden,<br />

10 bis maximal 20 Personen.<br />

Zeitbedarf 1,5 Stunden, je nach Gesamtdauer des Seminars,<br />

Teilnehmendenanzahl und Intensität der Diskussion<br />

Ablauf 5 Arbeitsphasen<br />

Phase 1<br />

Plenum<br />

ca. 5 Min.<br />

Bildung von geschlechtshomogenen Kleingruppen<br />

Verteilen der Arbeitsblätter,<br />

Klärung der Aufgabenstellung


Rollenspiel: Szenen aus dem Alltag - 121 -<br />

Phase 2<br />

Kleingruppen<br />

ca. 10 Min.<br />

Phase 3<br />

Plenum<br />

je ca. 10 Min.<br />

Phase 4<br />

Plenum<br />

ca. 10 Min.<br />

je Gruppe<br />

Gesamtdauer<br />

Phasen 3 + 4<br />

ca. 60 Min.<br />

Phase 5<br />

Reflexion<br />

ca. 20 Min.<br />

Erarbeitung von nonverbalen Rollenspielen in<br />

geschlechtshomogenen Kleingruppen<br />

Aufgabenstellung � Arbeitsblatt<br />

Nacheinander werden <strong>die</strong> Szenen aus dem Alltag im<br />

Plenum vorgeführt.<br />

Jede Gruppe bekommt ca. 10 Min. Zeit.<br />

Die Auswertung erfolgt in zwei Schritten:<br />

Zuerst versuchen <strong>die</strong> Zuschauenden, <strong>die</strong> Szene zu erkennen<br />

und zu identifizieren, welches <strong>die</strong> männlichen und<br />

welches <strong>die</strong> weiblichen AkteurInnen waren. Sie müssen<br />

ihre Interpretation begründen. Es geht vor allem um <strong>die</strong><br />

Merkmale und Eigenschaften, aufgrund deren eine Person<br />

als männlich bzw. weiblich identifiziert wurde.<br />

Die Seminarleitung notiert <strong>die</strong>se Antworten auf einer<br />

Wandzeitung oder einem Flip-Chart.<br />

Die AkteurInnen kommen erst im zweiten Schritt zu Wort.<br />

Sie erläutern ihre Absichten bei der Darstellung. Diejenigen,<br />

<strong>die</strong> eine gegengeschlechtliche Rolle eingenommen<br />

haben, werden zu ihren Empfindungen befragt.<br />

Nach der Vorführung aller Rollenspiele wird über männliche<br />

und weibliche Körpersprache und kulturelle Muster<br />

der ‚Konstruktion von Geschlecht’ diskutiert.<br />

Hinzu kommt <strong>die</strong> Erkenntnis über <strong>die</strong> eigene Wahrnehmung<br />

und <strong>die</strong> Klischees, <strong>die</strong> dabei alltäglich eine Rolle<br />

spielen.<br />

Das Ziel ist es, geschlechtsbezogene Zuweisungsprozesse<br />

als kulturelle Konstruktionen zu erkennen, aber auch <strong>die</strong><br />

Rückwirkungen von körpersprachlichen Inszenierungen<br />

auf <strong>die</strong> Beteiligten zu diskutieren.<br />

Material Arbeitsblatt mit Aufgabenstellung<br />

Vorbereitungen<br />

Bitte<br />

beachten!<br />

Keine Vorbereitung nötig<br />

Sowohl in der Einleitung zur Methode als auch in der Diskussion<br />

ist es wichtig, deutlich zu machen, dass es nicht<br />

darum geht, Klischees zu verstärken, sondern durch <strong>die</strong><br />

Darstellung bewusst und damit diskutierbar zu machen.


- 122 -<br />

Arbeitsblatt<br />

Rollenspiel: Szenen aus dem Alltag<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

1. Bitte tauscht Euch in geschlechtshomogenen Gruppen über Situationen<br />

aus Eurem Alltag aus, <strong>die</strong> eine Geschlechterdimension haben.<br />

Wählt eine Situation aus, <strong>die</strong> Ihr im Plenum als stummes Rollenspiel<br />

darstellen wollt und entscheidet Euch jeweils <strong>für</strong> eine Rolle.<br />

2. Im Plenum spielt Ihr Eure Alltagsszene vor.<br />

3. In der Auswertung des Spiels geht es in einem ersten Schritt darum,<br />

dass <strong>die</strong> ZuschauerInnen berichten, welche Person sie <strong>für</strong><br />

männlich und welche <strong>für</strong> weiblich gehalten haben und <strong>die</strong>ses auch<br />

begründen.<br />

Erst in einem zweiten Reflexionsschritt kommen <strong>die</strong> Spielenden mit<br />

ihrer Wahrnehmung der Situation zu Wort.<br />

4. Ziel der Übung ist es, <strong>für</strong> <strong>die</strong> alltägliche Konstruktion von<br />

Geschlechterstereotypen zu sensibilisieren.


Methode: Biographisches Arbeiten - 123 -<br />

Biographisches Arbeiten:<br />

<strong>Gender</strong>-Bewusstsein in der eigenen Biografie<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Eine zentrale Dimension von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> ist geschlechterbezogene<br />

Selbstreflexivität verknüpft mit Sensibilität <strong>für</strong> den eigenen Beitrag zur „sozialen<br />

Konstruktion von Geschlecht“. Der Förderung <strong>die</strong>ser Dimension<br />

<strong>die</strong>nen im Verlaufe des Seminars, insbesondere in der Anfangsphase, Sensibilisierungsübungen,<br />

Übungen, in denen <strong>die</strong> geschlechterbezogene Sensibilität<br />

bezogen auf <strong>die</strong> eigene Biografie im Mittelpunkt steht.<br />

Seminar<br />

phase<br />

Erster oder zweiter Tag eines mehrtägigen Seminars bzw.<br />

in der ersten Woche einer mehrwöchigen Fortbildung<br />

Ziele Sensibilisierung <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Aspekte der eigenen<br />

Biografie<br />

Förderung der Reflexion darüber, wann <strong>die</strong> Teilnehmenden<br />

sich bewusst als Mädchen/Frau bzw. Junge/Mann wahrgenommen<br />

haben und wie es ihnen damit ergangen ist.<br />

Raum Ausreichend Räume <strong>für</strong> Einzelarbeit und Kleingruppen<br />

Teilnehmende<br />

Mindestens 12, maximal 20 Personen, gemischtes Seminar<br />

mit männlichen und weiblichen Teilnehmenden, möglichst<br />

ausgewogenes Geschlechterverhältnis.<br />

Kann auch in geschlechtshomogenen Seminaren durchgeführt<br />

werden.<br />

Zeitbedarf 3 Seminarstunden, max. 135 Minuten<br />

Ablauf 5 Arbeitsphasen<br />

Phase 1<br />

Plenum<br />

ca. 5 Min.<br />

Verteilen der Arbeitsblätter,<br />

Klärung der Aufgabenstellung


- 124 -<br />

Phase 2<br />

Einzelarbeit<br />

ca. 15 Min.<br />

Phase 3<br />

Arbeitsgruppen<br />

ca. 60 Min.<br />

Phase 4<br />

Plenum<br />

ca. 30 Min.<br />

Phase 5<br />

Reflexion<br />

ca. 20 Min.<br />

Achtung!<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Die Teilnehmenden erstellen in Einzelarbeit eine Lebenskurve<br />

zur Frage „Entwicklung meines <strong>Gender</strong>-Bewusstseins<br />

in meiner Biografie“<br />

Aufgabenstellung � Arbeitsblatt<br />

In geschlechtshomogenen Gruppen mit drei bis vier Personen<br />

wird in drei Schritten vorgegangen:<br />

1. <strong>die</strong> Teilnehmenden stellen sich gegenseitig ihre<br />

Lebenskurven vor,<br />

2. gemeinsam werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede<br />

herausgearbeitet,<br />

3. <strong>die</strong>se werden auf Kärtchen oder einer Wandzeitung<br />

festgehalten.<br />

Jede Gruppe bekommt ca. 5 Minuten Zeit, um <strong>die</strong> von ihr<br />

herausgefundenen Gemeinsamkeiten und Unterschiede in<br />

den Biografien darzustellen.<br />

Es ist sinnvoll, dass jeweils <strong>die</strong> Frauen- und <strong>die</strong> Männergruppen<br />

kompakt hintereinander ihre Ergebnisse präsentieren,<br />

dadurch ergeben sich häufig auch noch weitere<br />

Gemeinsamkeiten innerhalb des Geschlechts.<br />

Schwerpunkt <strong>die</strong>ser Reflexion ist das Herausarbeiten der<br />

Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Biografien<br />

der teilnehmenden Frauen und Männer, aber auch<br />

der möglicherweise vorhandenen Unterschiede innerhalb<br />

der Geschlechtergruppe und <strong>die</strong> Berücksichtigung weiterer<br />

Kategorien wie ethnische Herkunft oder Altersgruppe.<br />

Bei der Darstellung von Unterschieden zwischen den<br />

Biografien von Frauen und Männern besteht <strong>die</strong> Gefahr<br />

von Essentialisierungen. Es ist <strong>die</strong> Aufgabe der Seminarleitung,<br />

<strong>die</strong>ses nicht zu unterstützen.<br />

Material Papierbögen oder Flipchartpapier, Stifte, Kärtchen, Pinnwände,<br />

Arbeitsblatt mit Aufgabenstellung<br />

Vorbereitungen<br />

Flipchartblätter mit Zeitachse<br />

Arbeitsblatt mit Aufgabenstellung


Methode: Biographisches Arbeiten - 125 -<br />

Arbeitsblatt<br />

Biographisches Arbeiten<br />

“<strong>Gender</strong>-Bewusstsein in der eigenen Biografie“<br />

1. Arbeitsschritt: Einzelarbeit (ca. 15 Minuten)<br />

Bitte bearbeitet <strong>die</strong> nachfolgende Fragestellung, indem Ihr auf einem<br />

Flipchart-Blatt eine Zeitachse auftragt und Eure Entwicklung mittels<br />

einer Kurve darstellt: „Die Entwicklung meines <strong>Gender</strong>-Bewusstseins im<br />

Verlauf meiner Biografie“.<br />

Anregungen und Fragen dazu könnten sein:<br />

�� Mein <strong>Gender</strong>-Bewusstsein war sehr ausgeprägt, nahm einen zentralen<br />

Stellenwert ein.<br />

�� Mein <strong>Gender</strong>-Bewusstsein war eher gering.<br />

�� An welche Dilemmata, Widersprüche, Polaritäten erinnere ich mich?<br />

�� Wann erlebte ich einen Nutzen oder Gewinn durch <strong>die</strong> Entwicklung<br />

von <strong>Gender</strong>-Bewusstsein?<br />

Stellt euch dann <strong>die</strong> Frage: Wie erkläre ich mir meine Entwicklung?<br />

Anregung dazu könnte sein, sich Einflüsse zu vergegenwärtigen:<br />

�� Privatleben, soziales Milieu, Personen, Organisationen<br />

�� Zeitgeschichtliche Ereignisse und Einflüsse, gesellschaftliches Klima<br />

2. Arbeitsschritt: Kleingruppenarbeit (ca. 60 Minuten)<br />

In geschlechtshomogenen Kleingruppen mit 3 bis 4 Personen<br />

a) stellt jede Person ihre Biografie unter der Themenstellung vor<br />

b) werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet<br />

und auf Kärtchen festgehalten.<br />

3. Arbeitsschritt: Plenum<br />

Im Plenum werden dann Gemeinsamkeiten und Unterschiede vorgestellt<br />

und ausgetauscht.


- 126 -<br />

Gerrit Kaschuba<br />

<strong>Gender</strong>-Orientierungsreise zu Kommunikation und Interaktion<br />

Gerrit Kaschuba<br />

Zur Methode der <strong>Gender</strong>-Orientierungsreise<br />

Die <strong>Gender</strong>-Orientierungsreise hat verschiedene Vorläufer im Bereich der<br />

Biografiearbeit und des partizipativen Lernens. Sie orientiert sich vor allem<br />

an der „<strong>Gender</strong>-Rallye“, <strong>die</strong> im Rahmen eines EU-Projektes von Barwig/<br />

Bürckardt (2005) entwickelt wurde.<br />

Mit der Bezeichnung „Orientierungsreise“ in Unterscheidung zu einer Rallye<br />

soll hier hervorgehoben werden, dass es nicht um Rekorde und Tempo<br />

geht, sondern Zeit zur Besinnung und Austausch vorhanden ist. Die Methode<br />

der <strong>Gender</strong>-Orientierungsreise ermöglicht es, Menschen miteinander<br />

ins Gespräch zu bringen. Dies kann am Anfang von Fortbildungen geschehen,<br />

aber auch im Prozess, um auf bisherige Erfahrungen und Themen anhand<br />

von thematischen Impulsen und Aufgabenstellungen zurückkommen<br />

zu können. Die Orientierungsreise kann zu verschiedenen Themen entworfen<br />

werden, auch als Einstieg in das Thema Geschlechterverhältnisse.<br />

In der Fortbildung GeQuaB wurde der Fokus auf das Themenspektrum von<br />

„Kommunikation und Interaktion“ gelegt, um zum einen Gelegenheit zu<br />

geben, Kommunikationsthemen aus dem bisherigen Prozess aufzugreifen<br />

und zum anderen das Thema „Kommunikation und Interaktion“ aus gender-theoretischer<br />

Sicht zu beleuchten. Dazu wurden Textpassagen aus der<br />

<strong>Gender</strong>-Forschung und gender-bezogenen Kommunikationsforschung ausgewählt,<br />

aber auch Passagen aus der nicht explizit gender-bezogenen<br />

Kommunikationsforschung, zu der gender-bezogene Fragestellungen formuliert<br />

wurden.<br />

Das Schwerpunktthema: Kommunikation und Interaktion<br />

Die Forschung zur alltäglichen Kommunikation und Wahrnehmung beschreibt,<br />

wie sich Menschen als männlich oder weiblich zu erkennen geben,<br />

wobei kein Phänomen allein einen Stil ausmacht, sondern es sich immer<br />

um Merkmalsbündel – Kleidung, Körpersprache, Gesprächsstil – handelt.


<strong>Gender</strong>-Orientierungsreise zu Kommunikation und Interaktion - 127 -<br />

Kommunikative Stile und <strong>die</strong> damit verbundenen Symbolisierungen und Zuschreibungsmuster<br />

sind entlang der Unterscheidung männlich – weiblich<br />

Ausdruck einer kulturellen Praxis, <strong>die</strong> in den jeweiligen Kontexten „üblich“<br />

ist. Erving Goffman (1994) betont, ähnlich wie <strong>die</strong> Kommunikationswissenschaftlerin<br />

Helga Kotthoff (2002), dass kulturell und sozial geformte Geschlechter(rollen)<br />

institutionalisiert hervorgebracht werden, so dass sich<br />

tra<strong>die</strong>rte Merkmale des Männlichen und Weiblichen herausbilden und ein<br />

„Arrangement der Geschlechter“ entsteht, das auf der differenten Inszenierung<br />

von Weiblichkeit(en) und Männlichkeit(en) basiert. Dabei ist <strong>die</strong><br />

Wirksamkeit der massenmedialen Bildproduktion nicht zu unterschätzen.<br />

Geschlechterbezogene Unterscheidungen werden abhängig von sozialen<br />

Situationen mit unterschiedlichen Erwartungen an Frauen und Männer vorgenommen.<br />

Ein wesentlicher Bestandteil der alltäglichen Inszenierung und<br />

Kommunikation in Geschlechterverhältnissen ist der Einsatz körpersprachlicher<br />

bzw. nonverbaler Mittel. Unbewusst versuchen wir, uns durch unsere<br />

Beobachtungen von Körperhaltung, Gestik, Mimik usw. ein Bild von unseren<br />

Mitmenschen zu machen. So können wir in verschiedenen Situationen<br />

wahrnehmen, wie der Körper zur Demonstration von Überlegenheit eingesetzt<br />

wird oder körpersprachlich Bindung, Kontakt und Nähe hergestellt<br />

wird, was <strong>für</strong> gelingende Kommunikation von entscheidender Bedeutung<br />

ist. Nicht selten besteht <strong>die</strong> Gefahr, dass körpersprachliche Elemente wie<br />

z.B. ein charmantes Lächeln, ein Augenaufschlag bzw. Blick oder eine<br />

bestimmte Geste als Ausdruck von fehlender Autorität und Unterwerfung<br />

im Geschlechterverhältnis interpretiert werden (vgl. Lange/ Baumgärtner<br />

2009). Durch den Prozess der geschlechterbezogenen Zuschreibung, des<br />

„doing gender“ in der Kommunikation, können immer wieder Stereotype<br />

über Frauen und Männer bekräftigt werden (vgl. Mühlen-Achs 1998).<br />

Dennoch gibt es Spielräume <strong>für</strong> <strong>die</strong> Einzelnen: Frauen wie Männer können<br />

vielfältige Formen der Selbstinszenierung jenseits stereotyper Deutungsmuster<br />

vornehmen. Die Wirksamkeit geschlechterbezogener Stereotype<br />

verliert in bestimmten Kontexten an Bedeutung. Die meisten Menschen<br />

verfügen etwa über eine Vielzahl an Gesprächsstilen, <strong>die</strong> sie je nach Kontext<br />

und Situation unterschiedlich einsetzen (vgl. Kotthoff 2002).<br />

<strong>Gender</strong> stellt in erster Linie eine soziale und kulturelle Kategorie dar, <strong>die</strong><br />

personale Ebene der Selbststilisierung und des Identitätsmanagements ist<br />

vor <strong>die</strong>sem Hintergrund häufig sekundär. Zwischenmenschliche Kommunikation<br />

ist zum einen kontextabhängig und zum anderen biographisch und


- 128 -<br />

Gerrit Kaschuba<br />

kulturell geprägt. Zugleich wirkt Kommunikation aber auch identitätsbildend.<br />

Insofern bietet <strong>die</strong> Reflexion kommunikativer Prozesse eine gute Folie,<br />

<strong>die</strong> Existenz, Genese und Wirkung von Bildern, Werten und Rollenerwartungen<br />

in Bezug auf das soziale Geschlecht zu thematisieren (vgl.<br />

Mühlen-Achs 1998; Kotthoff 2002; Goffman 1994).<br />

Seminar<br />

phase<br />

Am Beginn einer Fortbildung, aber auch zu einem späteren<br />

Zeitpunkt einsetzbar, um auf bisher bearbeitete Themen<br />

durch neue thematische Impulse und Aufgabenstellungen<br />

zurückzukommen.<br />

Ziele �� Wissen über kommunikations- und gendertheoretische<br />

Diskurse<br />

�� Subjektive Standortbestimmung zum Thema<br />

„Kommunikation und Geschlecht“<br />

Raum Großer Raum <strong>für</strong> ein Spielfeld mit 60 Aufgabenblättern<br />

DIN A 4 und Gruppenecken mit je 4-6 Stühlen<br />

Zahl der<br />

Teilnehmenden<br />

12 – 20 Teilnehmende,<br />

aufgeteilt in z.B. 4 Kleingruppen mit ca. 4 – 6 Personen<br />

Zeitbedarf ca. 60 Minuten, es kann aber auch länger gespielt werden<br />

Vorbereitung<br />

während des<br />

Seminars<br />

Phase 1<br />

Plenum<br />

ca. 5 Min.<br />

Das Leitungsteam muss vorher <strong>die</strong> Spielfläche <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Orientierungsreise gestalten.<br />

Es gibt 60 Spielfelder, <strong>die</strong> einen großen Kreis bilden und<br />

auf denen sich <strong>die</strong> Aufgabenblätter – in mehrfacher Ausfertigung<br />

– befinden.<br />

Bildung von drei oder vier Teams mit je 4 bis 6 Personen,<br />

Klärung der Aufgabe, Verteilen einer Spielanleitung, einer<br />

Spielfigur und eines Würfels an jede Kleingruppe.


<strong>Gender</strong>-Orientierungsreise zu Kommunikation und Interaktion - 129 -<br />

Phase 2<br />

Arbeitsgruppen<br />

ca. 45 Min.<br />

Phase 3<br />

Plenum<br />

ca. 15 Min.<br />

Blick auf <strong>die</strong> Stationen der<br />

<strong>Gender</strong>-Orientierungsreise<br />

Die Spielfigur wird je nach Punktzahl beim Würfeln auf den<br />

Spielfeldern (Aufgabenblättern) vorwärts bewegt. Es sind<br />

auf jeder Station Aufgaben zu bewältigen, dabei sind auch<br />

Spielfelder als Pausen zur Erfrischung (z.B.: „Ihr könnt<br />

Euch bei einem Snack ein wenig entspannen!“) eingebaut.<br />

Jedes Team hat am Schluss seiner Orientierungsreise eine<br />

Abschlussfrage bearbeitet, <strong>die</strong> ihm vorher von der Seminarleitung<br />

gegeben wurde, mögliche Fragen (alternativ):<br />

Bitte stellt den anderen vor, welches Aufgabenblatt<br />

�� bei Euch am meisten Diskussion ausgelöst hat,<br />

�� am meisten umstritten war,<br />

�� am lustigsten war,<br />

�� Ihr gerne noch weiter diskutieren möchtet.<br />

Da<strong>für</strong> sind pro Team ca. 3 Minuten im Plenum vorgesehen.<br />

Material Bei vier Teams: 4 Würfel, 4 (größere) Spielfiguren,<br />

Aufgabenblätter <strong>für</strong> <strong>die</strong> Orientierungsreise (von jeder Aufgabe<br />

mehrere Exemplare aufeinanderlegen, da Gruppen<br />

gleichzeitig auf ein Spielfeld gelangen können),<br />

Tisch mit Getränken und Snacks <strong>für</strong> Spielpausen<br />

Spielanleitungen � Arbeitsblatt <strong>für</strong> Teilnehmende


- 130 -<br />

Arbeitsblatt <strong>für</strong> Teilnehmende<br />

Gerrit Kaschuba<br />

<strong>Gender</strong>-Orientierungsreise zu Kommunikation und Interaktion<br />

(in Anlehnung an Barwig/ Bürckardt 2005)<br />

Eine Orientierungsreise unterscheidet sich von einer Rallye vor allem dadurch,<br />

dass eine Orientierungsreise ein gemächliches Tempo hat und Zeit<br />

zur Besinnung und Betrachtung lässt. Es geht nicht um Rekorde. Jedes<br />

Team kann soviel Stationen anlaufen, wie es möchte und eine selbstgewählte<br />

Zeit bei den Stationen verbleiben.<br />

Wir empfehlen allerdings, 10 Minuten nicht zu überschreiten.<br />

Zunächst wird per Los <strong>die</strong> Mitgliedschaft in einem Team entschieden.<br />

Dann wird jeder Gruppe ein Startfeld und eine Spielfigur zugewiesen.<br />

Jetzt geht es los:<br />

1. Würfelt und geht mit Eurer Spielfigur <strong>die</strong> entsprechende Punktzahl<br />

voran. Auf dem Spielfeld findet ihr eine Aufgabe oder eine Anweisung.<br />

Ihr folgt der Anweisung bzw. nehmt <strong>für</strong> Euer Team ein Exemplar des<br />

Aufgabenblattes mit in <strong>die</strong> Kleingruppe.<br />

2. Unterhaltet Euch über das Thema. Schildert Euch gegenseitig Eure<br />

Assoziationen oder persönliche Erfahrungen, diskutiert über den Text.<br />

Die Gruppe entscheidet selbst, wie lange sie sich damit beschäftigt.<br />

3. Danach würfelt Ihr erneut, legt das „alte“ Aufgabenblatt an seine<br />

ursprüngliche Stelle zurück, geht mit Eurer Spielfigur entsprechend<br />

weiter und verfahrt ansonsten so wie oben beschrieben.<br />

Natürlich könnt Ihr auch eine Aufgabe überspringen.<br />

Dann würfelt ein weiteres Mal und bearbeitet <strong>die</strong> dann erwürfelte<br />

Aufgabe.<br />

Insgesamt habt Ihr <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Phase ca. 45 Minuten Zeit. Bei Fragen stehen<br />

wir Euch gerne zur Verfügung.<br />

Gute Reise wünscht Euch Euer Seminarteam!


<strong>Gender</strong>-Orientierungsreise zu Kommunikation und Interaktion - 131 -<br />

Beispiele <strong>für</strong> Aufgabenblätter der <strong>Gender</strong>-Orientierungsreise<br />

Das aktive Zuhören ist von großer Bedeutung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Verbesserung der<br />

tagtäglichen zwischenmenschlichen Kommunikation. Es wäre viel gewonnen,<br />

wenn der Empfänger – bevor er seinen „eigenen Senf“ dazu gibt –<br />

zunächst einmal in der Lage wäre, sich präzise in <strong>die</strong> Welt des anderen<br />

einzufühlen und <strong>die</strong>se Welt gleichsam mit dessen Augen zu sehen (Empathie).<br />

(Quelle: Schulz von Thun 1991)<br />

Welche Auswirkung hätte eine solche Kommunikation auf <strong>die</strong> Geschlechterverhältnisse<br />

/ Geschlechterbeziehungen?<br />

Goffman (1994) hat betont, der Mann müsse seine Höflichkeiten im Bezug<br />

auf <strong>die</strong> Frau nicht ausüben, er müsse <strong>die</strong> Spinne nicht entfernen, den<br />

Stuhl nicht hinrücken, das verrostete Glas nicht aufschrauben. Wenn er<br />

es tut, handelt er im Rahmen einer normativen Geschlechtererwartung,<br />

bestätigt <strong>die</strong>se somit.<br />

1. Gibt es kein Entrinnen aus der normativen Geschlechterordnung unter<br />

Beibehaltung herkömmlicher Höflichkeitsrituale?<br />

2. Wie könnte Höflichkeit umdefiniert aussehen?<br />

Beim Sprechen sind Stimme und Proso<strong>die</strong> (Intonation, Lautstärke, Rhythmus,<br />

Pausensetzung) der Bereich, welcher am stärksten mit dem Körper<br />

verbunden sind. Frauen und Männer erkennen wir sogar am Telefon.<br />

Gemeinhin geht man davon aus, dass im Bereich von Stimme und Proso<strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> Anatomie <strong>für</strong> Unterschiede verantwortlich ist. Es gibt auch in der<br />

Tat physiologische Ursachen <strong>für</strong> Stimmunterschiede. Frauen haben z.B.<br />

im Durchschnitt kürzere und dünnere Stimmbänder. Beide Geschlechter<br />

können aber eine ganze Brandbreite an Stimmlagen und Tonhöhen realisieren<br />

(vgl. Kotthoff 2002).<br />

Welche Bewertungen sind mit unterschiedlichen Stimmen und Proso<strong>die</strong>n<br />

bei Frauen und bei Männern verbunden?


- 132 -<br />

Gerrit Kaschuba<br />

Bilder sind gute Möglichkeiten zur Auseinandersetzung mit der Alltagskommunikation<br />

der Geschlechter.<br />

Literatur<br />

Beschreibt den Inhalt<br />

des Dialogs auf dem Bild!<br />

Barwig, Gerlinde/ Bürkardt, Dagmar 2005: <strong>Gender</strong>-Rallye – Vorstellung einer<br />

Tagungsmethode. In: Ev. Akademie Bad Boll/ Kolibri/ BWA/ EQUAL (Hrsg.):<br />

GeschlechterGerechtigkeit umsetzen. Strategien und Perspektiven in Projekten<br />

und Organisationen. Dokumentation der Tagung vom 4. bis 5. März<br />

2005 in der Ev. Akademie Bad Boll, S. 4-9<br />

Goffman, Erving 1994: Interaktion und Geschlecht. Hrsg. und eingeleitet von<br />

H.A. Knoblauch, Frankfurt am Main/New York<br />

Kotthoff, Helga 2002: Was heißt eigentlich „doing gender“? Zu Interaktion<br />

und Geschlecht. In: Leeuwen-Turnovcová, J. van (et al.) (Hrsg.): Wiener<br />

Slawistischer Almanach, Sonderband 55<br />

Lange, Ralf/ Baumgärtner, Andreas 2009: Fachbezogene Konzepte <strong>für</strong> Fortbildungen<br />

am Beispiel „Kommunizieren und Kooperieren“. In: Kaschuba,<br />

Gerrit/ Derichs-Kunstmann, Karin: Fortbildungen – gleichstellungsorientiert!<br />

Arbeitshilfen zur Integration von <strong>Gender</strong>-Aspekten in Fortbildungen. Hrsg.<br />

vom Bundesministerium <strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin,<br />

S. 113-128<br />

Mühlen-Achs, Gitta 1998: Geschlecht bewusst gemacht. Körpersprachliche<br />

Inszenierungen – Ein Bilder- und Arbeitsbuch, München<br />

Schulz von Thun, Friedemann 1991: Miteinander reden, Band 1-3. Reinbek


Geschlechtergerechtigkeit - 133 -<br />

„Geschlechtergerechtigkeit“ –<br />

Kommunikation über Zielvorstellungen<br />

Gerrit Kaschuba<br />

Diese Übung zielt darauf, verschiedene Facetten der vielfach in Organisationen<br />

und auch in der <strong>Bildungsarbeit</strong> verwendeten Zielsetzung „Geschlechtergerechtigkeit“<br />

zu erfassen, bewusst zu machen und zur Klärung der Begrifflichkeit<br />

beizutragen. Teilnehmende können sich ihres eigenen Verständnisses<br />

auf dem Hintergrund der Definitionen der anderen Teilnehmenden<br />

vergewissern und eine Standortbestimmung vornehmen. Gleichzeitig<br />

macht sie deutlich, dass es nicht nur um das „Was“, sondern auch<br />

das „Wie“, um <strong>die</strong> Art und Weise der Verständigung über gender-bezogene<br />

Zielsetzungen geht.<br />

Das Thema fokussiert <strong>die</strong> Gerechtigkeit zwischen Frauen und Männern,<br />

aber umfasst immer auch Fragen von sozialer Gerechtigkeit, Generationengerechtigkeit,<br />

internationaler Gerechtigkeit. Damit einher gehen Themen<br />

wie Verteilungsgerechtigkeit, Ausgeschlossensein und Dazugehören, Zugang<br />

zu Bildung und deren Auswirkungen auf <strong>die</strong> Lebenschancen und<br />

Handlungsspielräume von Frauen und Männern unterschiedlicher Lebenslagen.<br />

Einen weiteren Aspekt stellen bei <strong>die</strong>sem Thema Moralprinzipien im<br />

Zusammenhang mit weiblichen und männlichen Rollenerwartungen dar<br />

(vgl. Nunner-Winkler 2006).<br />

Sicherlich besteht bei dem Begriff der „Geschlechtergerechtigkeit“ <strong>die</strong> von<br />

Christina Thürmer-Rohr in Bezug auf den Begriff der Geschlechterdemokratie<br />

formulierte Gefahr, dass das Geschlechterverhältnis um sich selbst<br />

kreist (Thürmer-Rohr 2000). Gerade deshalb ist es umso wichtiger, sich der<br />

kontextuellen und historischen Verwendung des Begriffs zu vergewissern.<br />

Die Prozessorientierung in Fortbildungen erfordert es, unterschiedliche Vorgehensweisen<br />

je nach Gruppenklima zu wählen: einmal <strong>die</strong> nachfolgend<br />

dargestellte Übung in ihrer ganzen Komplexität der Reflexion von inhaltlichen<br />

Vorstellungen zu Geschlechtergerechtigkeit und der Art und Weise<br />

der Kommunikation über <strong>die</strong>ses Thema einzusetzen bis hin zu einer ausschließlich<br />

inhaltlich orientierten Auseinandersetzung mit dem Begriff.


- 134 -<br />

Seminar<br />

phase<br />

Gerrit Kaschuba<br />

Diese Übung eignet sich besonders <strong>für</strong> <strong>die</strong> Anfangsphase von<br />

Seminaren.<br />

Ziele 1. Geschlechtergerechtigkeit definieren, unterschiedliche<br />

subjektive Bedeutungen bewusst machen, Standortbestimmung<br />

in Bezug auf <strong>die</strong> Zielsetzung der Auseinandersetzung<br />

mit Geschlechterverhältnissen vornehmen<br />

2. Bewusstwerden der Kommunikation unter Frauen und<br />

Männern über Geschlechterthemen<br />

Raum Pro Arbeitsgruppe ein Raum oder eine Ecke in einem großen<br />

Raum<br />

Teilnehmende<br />

Zeitbedarf 1,5 Stunden<br />

Ablauf der<br />

Übung<br />

Phase 1<br />

ca. 10 Min.<br />

Phase 2<br />

Arbeitsgruppen<br />

ca. 30 Min.<br />

Es braucht mindestens zwei Gruppen, möglichst eine Frauen-<br />

und eine Männergruppe, denkbar sind auch zwei Frauen- und<br />

zwei Männergruppen; Gesamtzahl von ca. 8 bis 24 Personen<br />

1. Einführung<br />

2. Geschlechtshomogene Gruppenarbeit<br />

3. Austausch im Plenum<br />

Einführung in <strong>die</strong> Methode<br />

Die Gruppe wird aufgeteilt in Männer- und Frauengruppen –<br />

bevorzugt in zwei Frauen- und zwei Männergruppen mit<br />

jeweils ca. vier bis fünf Personen.<br />

Jede Gruppe bekommt ein Plakat, auf dem in der Mitte<br />

„Geschlechtergerechtigkeit“ steht.<br />

Außerdem erhält jede Gruppe <strong>die</strong> Arbeitsanweisung, ohne zu<br />

sprechen mit einem Stift abwechselnd ihre Assoziationen und<br />

Gedanken zum Thema Geschlechtergerechtigkeit aufzuschreiben.<br />

Im Anschluss an <strong>die</strong>se stille Phase unterhalten sich<br />

<strong>die</strong> Gruppenmitglieder über ihre aufgeschriebenen Assoziationen,<br />

stellen Nachfragen und ergänzen ihre schriftlichen<br />

Aussagen. Nach der Erläuterungsphase einigen sich <strong>die</strong> Teilnehmenden<br />

auf <strong>die</strong> drei wichtigsten Aussagen und machen<br />

<strong>die</strong>se auf dem Plakat kenntlich.


Geschlechtergerechtigkeit - 135 -<br />

Phase 3<br />

Plenum<br />

ca. 30-40<br />

Min.<br />

(je nach<br />

Anzahl der<br />

Gruppen)<br />

Phase 4<br />

Plenum<br />

ca. 15 Min.<br />

Das Gespräch zwischen allen Gruppen über <strong>die</strong> Plakate im<br />

Plenum wird folgendermaßen strukturiert: Eine Männergruppe<br />

spricht über das Plakat einer Frauengruppe, <strong>die</strong><br />

zunächst nur zuhört. Die Männer assoziieren laut, stellen<br />

Fragen. Anschließend kann <strong>die</strong> Frauengruppe reagieren,<br />

Kommentare zu Interpretationen und Bemerkungen der<br />

Männer abgeben und ihr Plakat erläutern. Dabei hören <strong>die</strong><br />

Männer zu. In einem dritten Schritt kommen Frauen und<br />

Männer ins Gespräch über das Plakat und <strong>die</strong> verschiedenen<br />

Assoziationen. Dann spricht eine Frauengruppe über das<br />

Plakat einer Männergruppe, <strong>die</strong> wiederum nur zuhört. Das<br />

weitere Verfahren entspricht dem soeben dargestellten. Bei<br />

zwei Männer- und zwei Frauengruppen sind anschließend <strong>die</strong><br />

beiden Gruppen an der Reihe, deren Plakate noch nicht<br />

besprochen wurden.<br />

In dem Plenumsgespräch über <strong>die</strong> gesamte Übung werden<br />

folgende Fragen bearbeitet:<br />

�� Lassen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bezug<br />

auf <strong>die</strong> Zielsetzung „Geschlechtergerechtigkeit“<br />

feststellen?<br />

Womit hängen <strong>die</strong>se zusammen?<br />

�� Wie wirkt sich <strong>die</strong> Struktur der Übung auf das Kommunikationsverhalten<br />

zwischen Frauen und Männern, unter<br />

Frauen, unter Männern aus?<br />

Welche Veränderungen kommen gegenüber dem<br />

Alltagsverhalten zum Zuge?<br />

�� Welche Verletzungen werden erkennbar?<br />

Welche Zuschreibungen werden sichtbar?<br />

�� Welche Konsequenzen können daraus <strong>für</strong> <strong>die</strong> eigene<br />

Praxis gezogen werden?<br />

Material Arbeitsblatt oder Flipchart mit Aufgabenstellung (Phase 2);<br />

jeweils ein Flipchartpapier pro Gruppe, ein Stift pro Gruppe;<br />

im Plenum ausreichend Moderationswände<br />

Vorbereitungen<br />

Flipchartpapier <strong>für</strong> <strong>die</strong> Arbeitsgruppen mit dem Begriff<br />

„Geschlechtergerechtigkeit“ vorbereiten


- 136 -<br />

Zu<br />

beachten<br />

Gerrit Kaschuba<br />

Wichtig ist, <strong>die</strong> Einhaltung des Vorgehens und der beschriebenen<br />

Spielregeln in Phase 3 genau zu beachten, weil nur auf<br />

<strong>die</strong>se Weise das Kommunikationsverhalten zwischen und<br />

unter Frauen und Männern deutlich werden kann.<br />

Erfahrungen mit dem Einsatz <strong>die</strong>ser Übung gibt es aus verschiedenen<br />

<strong>Gender</strong>-Workshops: „Wir haben bei <strong>die</strong>ser Übung mehrfach <strong>die</strong> Erfahrung<br />

gemacht, dass neben dem Austausch über <strong>die</strong> inhaltlichen Aspekte zur Zielsetzung<br />

der Geschlechtergerechtigkeit, <strong>die</strong> Reflexion des alltäglichen Kommunikationsverhaltens<br />

und der Wahrnehmung <strong>für</strong> alle Beteiligten einen<br />

wichtigen Erkenntnisgewinn gebracht haben. In einem <strong>Gender</strong> Training mit<br />

Professionellen aus der Jugendarbeit nahmen männliche Teilnehmer bei<br />

<strong>die</strong>ser Übung wahr, dass <strong>die</strong> ‚konkreteren’ Zielvorstellungen eher oder zahlreicher<br />

auf den Plakaten der Frauengruppen zu finden seien und <strong>die</strong> ‚philosophischeren’<br />

Zielvorstellungen eher und zahlreicher auf den Plakaten von<br />

Männergruppen. Im gemeinsamen Gespräch über <strong>die</strong>se Beobachtung kamen<br />

<strong>die</strong> Teilnehmenden darauf, dass sich hier bereits wieder polarisierende<br />

Bewertungen und Zuschreibungen aufbauen (‚doing gender’). (...) Das<br />

weitere Gespräch verlief sehr intensiv und nachdenklich darüber, wie wichtig<br />

das gegenseitige Zuhören <strong>für</strong> eine Gesprächskultur zwischen und unter<br />

Frauen und Männern ist, und wie oft alte Zurücksetzungen, Nicht-Beachtung<br />

von Gesprächsbeiträgen von Frauen wie von Männern (...), Interpretationen<br />

oder Belächeln das Verstehen und das Zusammenarbeiten von<br />

Frauen und Männern beeinträchtigen“ (Kaschuba/Lächele 2004, S. 161f.).<br />

Literatur<br />

Kaschuba, Gerrit/ Lächele, Carlos 2004: <strong>Gender</strong> Training – Konzepte – Erfahrungen.<br />

In AdB Außerschulische Bildung Heft 2/2004, S. 157-165<br />

Nunner-Winkler, Gertrud u.a. 2006: Integration durch Moral. Moralische Motivation<br />

und Ziviltugenden Jugendlicher, Wiesbaden 2006<br />

Thürmer-Rohr, Christina 2000: Geschlechterdemokratie. Vortrag beim Kongress<br />

der Heinrich Böll Stiftung in Berlin am 3./4.11.2000


Planspiel: Geschlechterpolitische Strategien - 137 -<br />

Planspiel: Geschlechterpolitische Strategien zwischen<br />

Frauenförderung und Diversity Management<br />

Victoria Schnier<br />

Das folgende Rollenspiel <strong>die</strong>nt in einem mehrtägigen Seminar der spielerischen<br />

Klärung der geschlechterpolitischen Vorstellungen und Zielsetzungen.<br />

Sein Ausgangspunkt ist <strong>die</strong> Tatsache, dass <strong>die</strong> meisten Teilnehmenden<br />

mit den unterschiedlichen geschlechterpolitischen Strategien konfrontiert<br />

sind, <strong>die</strong>se aber in der Diskussion häufig nicht trennscharf unterschieden<br />

werden.<br />

Seminar<br />

phase<br />

Beginn des Seminars, erste Arbeitsphase nach der Vorstellungsrunde<br />

bei einem mehrtägigen Seminar<br />

Ziele Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen geschlechterpolitischen<br />

Strategien, das Kennen lernen der unterschiedlichen<br />

Argumentationen und das klare Abgrenzen<br />

der verschiedenen Strategien.<br />

Raum Ein ausreichend großer Raum <strong>für</strong> das Plenum mit Stühlen<br />

sowie ein bis zwei Tischen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Podiumsdiskussion.<br />

Drei weitere kleinere Räume <strong>für</strong> <strong>die</strong> Arbeitsgruppenphase.<br />

Zahl der<br />

Teilnehmenden<br />

Um das Rollenspiel mit allen seinen Phasen durchführen zu<br />

können, ist eine Mindestgröße von 12 Teilnehmenden Voraussetzung,<br />

effektiver wären 16 Personen. Es kann auch<br />

mit größeren Gruppen gespielt werden.<br />

Zeitbedarf 3 - 4 Seminarstunden (ca. 180 Minuten)<br />

Ablauf der<br />

Übung<br />

Phase 1<br />

Plenum<br />

ca. 15 Min.<br />

5 Arbeitsphasen<br />

Bildung von vier Arbeitsgruppen mit je drei bis sechs<br />

Personen, Klärung der Aufgabenstellung,<br />

Verteilen der Arbeitsblätter und Materialien


- 138 -<br />

Phase 2<br />

4 Arbeitsgruppen<br />

ca. 45 Min.<br />

Phase 3<br />

Rollenspiel<br />

im Plenum<br />

30 – 45 Min.<br />

Phase 4<br />

Auswertung<br />

des Rollenspiels<br />

im Plenum<br />

ca. 30 Min.<br />

Victoria Schnier<br />

Arbeitsgruppen 1 - 3<br />

Erarbeitung wesentlicher Elemente der geschlechterpolitischen<br />

Strategien in thematisch getrennten Arbeitsgruppen<br />

anhand von Texten zu<br />

��Frauenförderung/Gleichstellungspolitik<br />

��<strong>Gender</strong> Mainstreaming<br />

��Managing Diversity<br />

Aufgabenstellung � Arbeitsblatt 1<br />

Arbeitsgruppe 4<br />

Diese Arbeitsgruppe bildet das Publikum bei der Podiumsdiskussion.<br />

Auch hier kann es verschiedene Rollen geben<br />

und es sollten Fragen erarbeitet werden, <strong>die</strong> an <strong>die</strong><br />

Beteiligten des Podiums gestellt werden können.<br />

Aufgabenstellung � Arbeitsblatt 2<br />

Präsentation der erarbeiteten Positionen zu den geschlechterpolitischen<br />

Strategien durch je eine Vertreterin/einen<br />

Vertreter der Arbeitsgruppen 1 – 3 im Rahmen einer moderierten<br />

Podiumsdiskussion. Die Moderation wird von einem<br />

Mitglied des Leitungsteams übernommen.<br />

Die Beteiligten am Podium können auch in fiktive Rollen<br />

schlüpfen, bspw.:<br />

�� Alice Schwarzer, Herausgeberin der Zeitschrift<br />

„Emma“ (Frauenförderung/Gleichstellungspolitik)<br />

�� Professor oder Professorin einer Universität<br />

(<strong>Gender</strong> Mainstreaming)<br />

�� Beauftragte <strong>für</strong> Diversity Management eines Unternehmens<br />

Hinzu kommen AkteurInnen aus dem Publikum, <strong>die</strong> nach<br />

ca. 15 - 20 Min. der Podiumsdiskussion durch den/<strong>die</strong> ModeratorIn<br />

eingebunden werden<br />

1. Wahrnehmungen und Empfindungen der Podiumsteilnehmenden<br />

zur Inszenierung der Strategiediskussion<br />

transparent machen<br />

a. Was hat <strong>die</strong> Rolle leicht bzw. schwer gemacht?<br />

b. Was ist gut oder weniger gut gelungen?<br />

c. Wie gut sind Unterschiede und Standpunkte<br />

sichtbar geworden?


Planspiel: Geschlechterpolitische Strategien - 139 -<br />

Fortsetzung<br />

Phase 4<br />

Phase 5<br />

Reflexion<br />

30 – 45 Min.<br />

2. Wahrnehmungen des „Publikums“ reflektieren<br />

a. Wie überzeugend sind <strong>die</strong> Positionsbestimmungen<br />

der Podiumsteilnehmenden angekommen?<br />

b. Welche Äußerungen haben euch zu einem Kommentar<br />

bzw. einer Frage veranlasst?<br />

Welche Dynamik und welche Akzentverschiebungen<br />

konnten durch <strong>die</strong> Einbindung des Publikums im<br />

Rollenspiel erreicht werden?<br />

Reflexion und Standortbestimmung zu den vorgestellten<br />

und diskutierten geschlechterpolitischen Strategien<br />

Da es <strong>für</strong> <strong>die</strong> weitere Arbeit im Seminar wichtig ist, <strong>die</strong><br />

jeweiligen Standpunkte zu klären und <strong>die</strong> geschlechterpolitischen<br />

Zielsetzungen zu präzisieren, ist es sinnvoll,<br />

in einer letzten Phase das Rollenspiel zu verlassen und<br />

eine Einordnung vorzunehmen.<br />

Material Für <strong>die</strong> Arbeitsgruppen 1 – 3 werden Texte benötigt, in<br />

denen <strong>die</strong> drei geschlechterpolitischen Strategien dargestellt<br />

werden. Die Texte sollten möglichst kurz und präzise<br />

sein. In der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> wurden folgende Texte<br />

verwendet:<br />

�� Zu Frauenförderung/Gleichstellungspolitik:<br />

Beate Hoecker: Frauen, Männer und <strong>die</strong> Politik.<br />

Bonn 1998, Kapitel 10, S. 208-213<br />

�� Zu <strong>Gender</strong> Mainstreaming:<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und<br />

Jugend: <strong>Gender</strong> Mainstreaming. Was ist das?<br />

Berlin 2002, S. 5 – 8, S. 33ff<br />

�� Zu Diversity Management:<br />

Krell, Gertraude: Managing Diversity und <strong>Gender</strong><br />

Mainstreaming: ein Konzeptvergleich.<br />

In: Sozialwissenschaften und Berufspraxis (SuB).<br />

27 Jhg. (2004), Heft 4, S. 367-376<br />

Vorbereitung Achtung!<br />

Durch <strong>die</strong> Suche nach geeigneten Texten kann es recht<br />

arbeitsintensiv sein, <strong>die</strong>se Übung vorzubereiten.


- 140 -<br />

Arbeitsblatt 1:<br />

Arbeitsaufträge <strong>für</strong> <strong>die</strong> Arbeitsgruppen 1 - 3<br />

Victoria Schnier<br />

1. Lest den in Eurer Arbeitsgruppe vorliegenden Text sorgfältig durch.<br />

Beschreibt in drei bis fünf Sätzen <strong>die</strong> wichtigsten Kernaussagen und<br />

Ziele der dort dargestellten Strategie.<br />

2. Welche kritischen Anmerkungen zu den dargestellten geschlechterpolitischen<br />

Strategien wollt ihr formulieren?<br />

3. Wählt eine Person aus der AG <strong>für</strong> das Podium aus, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Rolle<br />

des/der ExpertIn <strong>für</strong> Euer Thema übernimmt und wählt einen –<br />

möglicherweise prominenten – Namen <strong>für</strong> sie aus.<br />

Arbeitsblatt 2:<br />

Arbeitsaufträge <strong>für</strong> <strong>die</strong> Arbeitsgruppe 4<br />

Welche kritischen Anmerkungen zu den jeweiligen geschlechterpolitischen<br />

Strategien wollt ihr mit den PodiumsvertreterInnen diskutieren?<br />

Entscheidet euch <strong>für</strong> unterschiedliche Diskussionsbeiträge und verteilt <strong>die</strong>se<br />

untereinander.<br />

Verteilt unter Euch Rollen, <strong>die</strong> Ihr im Publikum spielen wollt, denkbare<br />

Rollen könnten z.B. sein:<br />

�� Vertreterin der autonomen (Frauen-)Szene<br />

�� Mitarbeiter einer Behörde mit ersten <strong>Gender</strong> Mainstreaming-<br />

Erfahrungen<br />

�� Vertreter der kritischen Männerforschung<br />

�� Gewerkschaftssekretärin<br />

�� Vertreter eines Schwulen-/Lesbenverbandes<br />

�� Leiterin einer Volkshochschule


Planspiel: Geschlechtergerechte Programmqualität - 141 -<br />

Planspiel: Geschlechtergerechte Programmqualität<br />

in der <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Das im Folgenden dargestellte Planspiel kann bei einer mehrstufigen Fortbildung<br />

zu Beginn eines Seminars, bei dem es vor allem um Qualitätskriterien<br />

einer geschlechtergerechten <strong>Bildungsarbeit</strong> gehen soll, als spielerischer<br />

Einstieg ins Thema <strong>die</strong>nen. Resultat <strong>die</strong>ses Planspiels soll aber auch <strong>die</strong><br />

Entwicklung von Qualitätsdimensionen sein, <strong>die</strong> in der weiteren Arbeit wieder<br />

aufgegriffen werden. Das Planspiel kann aber durchaus auch als eine<br />

Art spielerischer Lernzielkontrolle in der Endphase eines Seminars eingesetzt<br />

werden.<br />

Seminar<br />

phase<br />

Mitte bis Ende eines mehrtägigen Seminars bzw. einer<br />

mehrwöchigen Fortbildung<br />

Ziele 1. Spielerischer Einstieg ins Thema geschlechtergerechte<br />

Programmqualität,<br />

2. Klärung dessen, was geschlechtergerechte<br />

Programmqualität in der Praxis bedeuten könnte,<br />

3. Entwicklung von Qualitätskriterien<br />

Raum Ausreichend Räume <strong>für</strong> drei Kleingruppen<br />

Teilnehmende<br />

Mindestens 10 bis maximal 25 Personen<br />

Zeitbedarf 2 – 3 Seminarstunden, max. 180 Minuten<br />

Ablauf der<br />

Übung<br />

Phase 1<br />

Plenum<br />

ca. 10 Min.<br />

7 Arbeitsphasen<br />

Bildung von drei Kleingruppen, <strong>die</strong> jeweils <strong>die</strong> VertreterInnen<br />

eines Bildungsträgers spielen sollen,<br />

Verteilen der Arbeitsblätter,<br />

Klärung der Aufgabenstellung


- 142 -<br />

Phase 2<br />

Arbeitsgruppen<br />

ca. 45 Min.<br />

Phase 3<br />

Plenum<br />

ca. 45 Min.<br />

Phase 4<br />

Beratungspause<br />

ca. 10 Min.<br />

Phase 5<br />

Plenum<br />

ca. 10 Min.<br />

Phase 6<br />

Meta-<br />

Reflexion<br />

ca. 20 Min.<br />

Phase 7<br />

inhaltliche<br />

Zusammenfassung<br />

ca. 10 Min.<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

In drei Kleingruppen erarbeiten <strong>die</strong> Teilnehmenden <strong>die</strong><br />

Wettbewerbspräsentation ihres Bildungsträgers. Die Form<br />

der Präsentation und <strong>die</strong> Schwerpunktsetzung wird ihnen<br />

freigestellt.<br />

Aufgabenstellung � Arbeitsblatt<br />

Präsentationen der drei Bildungsträger<br />

Jede Gruppe erhält 15 Minuten Zeit, um ihre Institution im<br />

Plenum vorzustellen<br />

Während <strong>die</strong> Teilnehmenden eine Pause haben und sich<br />

<strong>die</strong> Präsentationen noch einmal ansehen können, berät <strong>die</strong><br />

Jury, <strong>die</strong> aus den Mitgliedern des Teams besteht, <strong>die</strong><br />

Preisvergabe.<br />

Preisverleihung<br />

Die Jury nimmt <strong>die</strong> Preisverleihung vor. Bei den Begründungen<br />

werden <strong>die</strong> einzelnen Präsentationen noch einmal<br />

angeschaut und wichtige Bewertungskriterien hervorgehoben.<br />

In <strong>die</strong>ser Phase geht es zuerst einmal darum,<br />

das Planspiel als Methode zu reflektieren:<br />

�� Was hat es gebracht?<br />

�� Was ist zu beachten?<br />

�� In welcher Phase eines Seminars kann <strong>die</strong>se<br />

Vorgehensweise sinnvoll eingesetzt werden?<br />

Im nächsten Schritt werden – zusammenfassend – <strong>die</strong><br />

verschiedenen Dimensionen von Programmqualität herausgearbeitet,<br />

<strong>die</strong> bei der Bewertung der Jury eine Rolle<br />

gespielt haben. Das sind: Bildungskonzept, Programmausschreibungen<br />

und –veröffentlichungen, Organisationsentwicklung,<br />

Qualitätsentwicklung, Personalentwicklung.<br />

Material Arbeitsblatt mit Aufgabenstellung<br />

Papier, Stifte, Kärtchen, Pinnwände.<br />

Vorbereitungen<br />

Es sollten kleine Präsente <strong>für</strong> alle Beteiligten mitgebracht<br />

werden, wie z.B. Bonbons, Gummibärchen o.ä.


Planspiel: Geschlechtergerechte Programmqualität - 143 -<br />

Arbeitsblatt zum Planspiel<br />

Wettbewerb „Geschlechtergerechte Programmqualität in der<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong>“<br />

Das Ausgangsszenario<br />

Wir befinden uns in einer deutschen Landeshauptstadt im Jahre 2012.<br />

Der Magistrat der Stadt hat erstmals einen Wettbewerb zum Thema<br />

„Geschlechtergerechte Programmqualität in der <strong>Bildungsarbeit</strong>“ ausgeschrieben.<br />

Die regionalen und lokalen Träger der politischen und beruflichen<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> sollen durch <strong>die</strong>sen Wettbewerb stärker als bisher<br />

auf <strong>die</strong> Strategie des <strong>Gender</strong> Mainstreaming orientiert werden. Darüber<br />

hinaus hoffen <strong>die</strong> InitiatorInnen auf einen nachhaltigen Image-,<br />

Profil- und Qualitätsgewinn <strong>für</strong> <strong>die</strong> politische und berufliche <strong>Bildungsarbeit</strong>.<br />

Durch <strong>die</strong> öffentlichkeitswirksame Vergabe des Preisgeldes in Höhe<br />

von insgesamt 50.000,00 € wird ein attraktiver Anreiz zur Teilnahme am<br />

Wettbewerb geschaffen. Der Preis soll zur Weiterentwicklung der <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

in den prämierten Institutionen genutzt werden.<br />

Die Aufgabe und das Ziel<br />

Es werden drei Kleingruppen gebildet, <strong>die</strong> jeweils <strong>die</strong> VertreterInnen eines<br />

Bildungsträgers verkörpern. Ihr habt euch als Institution am<br />

Wettbewerb beteiligt und konntet euch bereits gegen viele MitbewerberInnen<br />

durchsetzen. Der Preis wird einer der drei folgenden Institutionen<br />

zugesprochen:<br />

�� Volkshochschule,<br />

�� Akademie <strong>für</strong> berufliche Weiterbildung,<br />

�� Landesbildungswerk.<br />

Eure Aufgabe besteht darin, in einer Präsentation vor der Jury, bestehend<br />

aus dem Senator <strong>für</strong> Bildung, der Bürgermeisterin der Stadt und<br />

zwei VertreterInnen des Stadtrates, <strong>die</strong> wichtigsten Eckpunkte eures<br />

Profils und Konzeptes zum Thema „Geschlechtergerechte Programmqualität<br />

in der <strong>Bildungsarbeit</strong>“ überzeugend darzustellen. Die Jury würdigt<br />

insbesondere originelle und innovative Ansätze in der <strong>Bildungsarbeit</strong>,<br />

<strong>die</strong> bei einem effizienten Mitteleinsatz eine nachhaltige Förderung<br />

von Geschlechterdemokratie, Integration und Gleichwertigkeit in Differenzverhältnissen<br />

ermöglichen.


- 144 -<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Das Vorgehen<br />

Ihr bekommt 45 Min. Zeit in der Arbeitsgruppe, um eure Präsentation<br />

vorzubereiten. Bei der inhaltlichen und formalen Ausgestaltung könnt<br />

ihr eurer Phantasie freien Lauf lassen. Wichtig ist dabei, möglichst viele<br />

originelle Ideen zur Profilierung der Institution mit Blick auf das Thema<br />

„Geschlechtergerechte Programmqualität“ zusammen zu tragen.<br />

Vorgaben hinsichtlich der institutionellen Ausstattung (Personal, Räume,<br />

Teilnehmende, usw.) gibt es nicht. Alle drei Bildungsträger gehören<br />

aber bereits seit mehr als 60 Jahren zu den etablierten Institutionen im<br />

Bereich der politischen und beruflichen <strong>Bildungsarbeit</strong>. Der Wettbewerbsteilnahme<br />

ging bereits eine mehrjährige Auseinandersetzung mit<br />

dem Thema „Geschlechtergerechte Programmqualität“ voraus.<br />

Für <strong>die</strong> Präsentationen stehen jeder Institution maximal 15 min. zur<br />

Verfügung. Die Jury entscheidet über <strong>die</strong> Preisvergabe nach kurzer Beratung.<br />

Viel Spaß wünscht das Seminar-Team!


Quellen meines Bildungskonzeptes - 145 -<br />

Übung: Quellen meines Bildungskonzeptes<br />

(Konzeptbilanzierung)<br />

Gerrit Kaschuba<br />

Teilnehmende von Fortbildungen verfügen über unterschiedliche Ressourcen<br />

und <strong>Kompetenz</strong>en, aus denen sich ihre jeweiligen Bildungskonzepte<br />

speisen. Diese sind abhängig von unterschiedlichen biografischen Verläufen<br />

(Geschlecht, Ethnizität/Migrationshintergrund, Generation, Region etc.),<br />

Bildungserfahrungen (auch z.B. Studium der gender stu<strong>die</strong>s bei Jüngeren),<br />

besuchten Fortbildungen, theoretischen, methodischen und fachlichen<br />

Ausrichtungen, unterschiedlicher Intensität der Auseinandersetzung mit<br />

<strong>Gender</strong>-Themen, eigenen Erfahrungen mit gender-bezogener <strong>Bildungsarbeit</strong>,<br />

aber auch Dauer ihrer Tätigkeit in der <strong>Bildungsarbeit</strong>, von der Bildungsorganisation,<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> sie tätig sind, und der Form ihrer Tätigkeit (angestellt,<br />

freiberuflich). Sich <strong>die</strong>ser Voraussetzungen bewusst zu werden und<br />

sie in einem � durchaus offenen � Rahmenkonzept zu formulieren, ist notwendig,<br />

um sich mit einem gender-bezogenen Bildungskonzept auf dem<br />

„Bildungsmarkt“ zu präsentieren.<br />

Diese Konzeptbilanzierung basiert auf dem Konzeptentwicklungsquadrat <strong>für</strong><br />

ein eigenes Supervisions- und Coaching-Konzept (Fallner/Pohl 2002).<br />

Seminar<br />

phase<br />

Im letzten Teil einer mehrteiligen Fortbildung<br />

Ziele �� Bewusstwerden der verschiedenen Ressourcen und<br />

Quellen des eigenen Bildungsansatzes<br />

�� Entwicklung des eigenen Bildungskonzepts unter<br />

<strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten<br />

�� Erkennen der notwendigen individuellen, subjektiven<br />

Ausgestaltung eines gender-bezogenen Konzepts<br />

Zeitbedarf 120 Min.


- 146 -<br />

Ablauf der<br />

Übung<br />

Phase 1<br />

ca. 15 Min.<br />

Phase 2<br />

ca. 30 Min.<br />

Phase 3<br />

ca. 60 Min.<br />

Phase 4<br />

Plenum<br />

ca. 15 Min.<br />

1. Einführung<br />

2. Einzelarbeit<br />

3. Zweierteams<br />

4. Plenum<br />

Einführung: Das Vorgehen und <strong>die</strong> einzelnen<br />

Konzeptbestandteile werden im Plenum erläutert.<br />

Einzelarbeit: Arbeitsblatt, schriftliche Fixierung der<br />

verschiedenen Quellen<br />

Gerrit Kaschuba<br />

Im Zweierteam (auch im Dreierteam möglich): Vorstellen<br />

des Konzepts, Nachfragen und Erläutern, Rückmeldung<br />

der Partnerin bzw. des Partners, Wechsel<br />

Kurze Rückmeldung der Teilnehmenden im Plenum, wie es<br />

ihnen mit <strong>die</strong>ser Reflexionsphase erging, und Gespräch<br />

über Weiterentwicklung der eigenen Konzepte<br />

Material �� Arbeitsblatt, Papier und Stift<br />

Arbeitsblatt „Quellen meines Bildungskonzeptes“<br />

Einzelarbeit: Nehmt Euch eine halbe Stunde Zeit und notiert <strong>die</strong> Quellen<br />

Eures Bildungskonzeptes.<br />

Austausch im Zweierteam:<br />

1. Vorstellen des Konzepts<br />

2. Nachfragen durch Partner/innen und Erläuterungen durch <strong>die</strong><br />

Konzeptvorstellenden<br />

3. Rückmeldung des Partners, der Partnerin<br />

Dann Wechsel, erneut Schritte 1-3<br />

Gesamtzeit: 1,5 Stunden<br />

Literatur<br />

Fallner, Heinrich/ Pohl, Michael 2002: Das Konzeptentwicklungs-Quadrat. In: Diess.:<br />

Coaching mit System. Die Kunst nachhaltiger Beratung, Wiesbaden 2009 3


Methodenwerkstatt: Geschlechtergerechte Methodik in der <strong>Bildungsarbeit</strong> - 147 -<br />

Methodenwerkstatt:<br />

Geschlechtergerechte Methodik in der <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Die Methodenwerkstatt hat ihren Platz in einer mindestens einwöchigen,<br />

wenn nicht gar mehrwöchigen Fortbildung. Es geht bei ihr zum einen<br />

darum, Methoden vorzustellen und zu erarbeiten, mit denen <strong>Gender</strong>-Aspekte<br />

im Seminar thematisiert werden können. Zum anderen <strong>die</strong>nt sie<br />

dazu, gängige Methoden daraufhin zu überprüfen, inwieweit ihr Einsatz in<br />

einer gender-sensiblen <strong>Bildungsarbeit</strong> sinnvoll ist, und sie ggf. zu verändern<br />

oder zu modifizieren.<br />

Seminar<br />

phase<br />

Mitte bis Ende eines mehrtägigen Seminars bzw. einer<br />

mehrwöchigen Fortbildung<br />

Ziele 1. Verbindung von Ziel, Inhalt und Methode. Der<br />

Methodeneinsatz im Seminar sollte nicht beliebig sein,<br />

sondern es ist immer zu überlegen, welche Ziele und<br />

Inhalte im Seminarverlauf damit verbunden sind.<br />

2. Es sollen gemeinsam Kriterien <strong>für</strong> <strong>die</strong> Auswahl und<br />

den Einsatz von Methoden entwickelt werden.<br />

3. Methoden sollen unter der <strong>Gender</strong>-Perspektive<br />

bewertet werden.<br />

Raum Ausreichend Räume <strong>für</strong> drei bis vier Kleingruppen<br />

Teilnehmende<br />

Mindestens 12, maximal 20 Personen<br />

Zeitbedarf 4 – 6 Seminarstunden (max. 270 Minuten),<br />

je nach Anzahl der Kleingruppen<br />

Ablauf der<br />

Übung<br />

Phase 1<br />

Plenum<br />

ca. 10 Min.<br />

mindestens 5 Arbeitsphasen<br />

Bildung von Arbeitsgruppen mit je vier bis fünf Personen<br />

orientiert an den Handlungsfeldern der Teilnehmenden,<br />

Verteilen der Arbeitsblätter, Klärung der Aufgabenstellung


- 148 -<br />

Phase 2<br />

Arbeitsgruppen<br />

ca. 90 Min.<br />

Phase 3<br />

Plenum<br />

ca. 15–20 Min.<br />

pro Gruppe<br />

Phase 4<br />

Diskussion<br />

ca. 10–15 Min.<br />

nach jeder<br />

vorgestellten<br />

Methode<br />

Phase 5<br />

Reflexion<br />

ca. 15 Min.<br />

Achtung<br />

wichtig!<br />

Material<br />

Vorbereitungen<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

In Kleingruppen erarbeiten <strong>die</strong> Teilnehmenden jeweils eine<br />

Methode, <strong>die</strong> sie im Plenum vorstellen wollen.<br />

Aufgabenstellung und Kriterien � Arbeitsblatt<br />

Jede Gruppe hat 15 - 20 Minuten Zeit, um <strong>die</strong> von ihr ausgewählte<br />

Methode im Plenum vorzustellen oder gemeinsam<br />

mit den anderen Teilnehmenden durchzuspielen und<br />

zu erläutern.<br />

Im Anschluss an jede Methode wird <strong>die</strong>se ausgewertet.<br />

Auswertungsfragen<br />

1. Fragen an <strong>die</strong> Präsentierenden:<br />

�� Habt Ihr erreicht, was Ihr wolltet?<br />

�� Seht Ihr noch Veränderungs- und Verbesserungsbedarf?<br />

2. Fragen an <strong>die</strong> Teilnehmenden bzw. ZuschauerInnen:<br />

�� Was habt Ihr als gelungen erlebt?<br />

�� Was hat Euch irritiert? Wo habt Ihr noch Erläuterungsbedarf?<br />

�� Worin seht Ihr <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Aspekte der Methode?<br />

�� Könnt Ihr Euch vorstellen, <strong>die</strong> Methode auch in Euren<br />

Seminaren einzusetzen?<br />

Die nachfolgende Frage kann im Zusammenhang mit jeder<br />

einzelnen Methode diskutiert werden. Wenn das nicht<br />

geschehen ist, sollte in jedem Fall in einer Schlussreflexion<br />

darauf eingegangen werden.<br />

�� Wie kann ein gender-sensibler Methodeneinsatz erfolgen<br />

und wie können <strong>Gender</strong>-Fragestellungen im<br />

Seminar diskutiert werden, ohne dabei erneut<br />

Zuschreibungen und Festlegungen zu erliegen?<br />

Arbeitsblatt mit Aufgabenstellung<br />

Papier, Stifte, Kärtchen, Pinnwände<br />

Falls einzelne Gruppen andere Materialien benötigen,<br />

müssen <strong>die</strong>se evtl. noch beschafft werden.<br />

Es kann sinnvoll sein, <strong>die</strong> Methodenwerkstatt vorab<br />

anzukündigen, damit <strong>die</strong> Teilnehmenden evtl. eigene<br />

Materialien mitbringen können.


Methodenwerkstatt: Geschlechtergerechte Methodik in der <strong>Bildungsarbeit</strong> - 149 -<br />

Arbeitsblatt Methodenwerkstatt<br />

Arbeitsschritte<br />

1. Bitte bildet drei Gruppen zu je 4 oder 5 Personen. (Die<br />

Gruppenbildung orientiert sich an der Frage, <strong>für</strong> welchen<br />

Bildungsbereich Arbeitsmethoden überlegt werden sollen.)<br />

2. Verständigt Euch zuerst darüber,<br />

<strong>für</strong> welche Zielgruppe, welchen Seminarinhalt, welche<br />

Seminarform und welchen Seminarverlauf; unter welchen<br />

Rahmenbedingungen Ihr Euch mit welcher Zielsetzung eine<br />

angemessene Arbeitsmethode oder mehrere Methoden<br />

überlegen wollt.<br />

3. Tauscht Eure Erfahrungen mit dem Einsatz <strong>die</strong>ser Methode aus.<br />

4. Sprecht <strong>die</strong> ausgewählte/n Methode/Methoden gemeinsam durch,<br />

orientiert Euch dabei an den unten aufgeführten Kriterien und<br />

berücksichtigt dabei besonders <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Aspekte.<br />

5. Einigt Euch auf eine Methode, <strong>die</strong> Ihr im Plenum darstellen wollt,<br />

und auf eine Präsentationsform, z.B. gemeinsames Durchspielen,<br />

Anspielen durch <strong>die</strong> Gruppe oder andere Formen der Darstellung.<br />

6. Kriterien <strong>für</strong> <strong>die</strong> Darstellung der Methoden<br />

�� Name der Methode<br />

�� Thema des Seminars, Seminarphase<br />

�� Ziele des Methodeneinsatzes<br />

�� Zielgruppe und Gruppengröße<br />

�� Voraussetzungen der Teilnehmenden<br />

�� Zeit- und Raumbedarf<br />

�� Material und notwendige Vorbereitungen<br />

�� Ablauf / Phasen der Methode<br />

�� Prozess / Dynamik im Seminar<br />

�� Geschlechterbezogene Aspekte


- 150 -<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Übung: <strong>Gender</strong>-Analyse von Bildungsprogrammen<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

In <strong>die</strong>ser Übung geht es darum, <strong>die</strong> während des Seminars bzw. der mehrwöchigen<br />

Fortbildung erarbeiteten Kriterien <strong>für</strong> eine gender-sensible Gestaltung<br />

von Bildungsprogrammen an bereits vorhandenen Bildungsprogrammen<br />

zu präzisieren. Dabei empfiehlt es sich, nicht mit dem eigenen<br />

Programm zu arbeiten, sondern mit dem Programm einer anderen Bildungseinrichtung,<br />

um unverstellt durch <strong>die</strong> Erinnerung an <strong>die</strong> eigenen Produktionsbedingungen<br />

<strong>die</strong> Analyse vornehmen zu können. In einer Abschlussreflexion<br />

werden <strong>die</strong> Kriterien und ihre Übertragbarkeit in <strong>die</strong> alltägliche<br />

Bildungspraxis diskutiert.<br />

Seminar<br />

phase<br />

Mitte bis Ende eines mehrtägigen Seminars bzw. einer<br />

mehrwöchigen Fortbildung<br />

Ziele Erarbeitung von Kriterien <strong>für</strong> eine gender-sensible<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> und deren Anwendung auf <strong>die</strong> Außendarstellung<br />

bzw. das Programm von Bildungsträgern.<br />

Raum Ausreichend Räume <strong>für</strong> Kleingruppen<br />

Zahl der<br />

Teilnehmenden<br />

ca. 4 Personen je Gruppe<br />

Zeitbedarf 3 - 4 Seminarstunden (max. 180 Minuten)<br />

Ablauf der<br />

Übung<br />

Phase 1<br />

Plenum<br />

ca. 10 Min.<br />

3 Arbeitsphasen<br />

Bildung von Arbeitsgruppen mit je ca. vier Personen,<br />

<strong>die</strong> jeweils an einem Programm arbeiten,<br />

Verteilen der Arbeitsblätter und Materialien,<br />

Klärung der Aufgabenstellung


Übung: <strong>Gender</strong>-Analyse von Bildungsprogrammen - 151 -<br />

Phase 2<br />

Arbeitsgruppen<br />

ca. 45 Min.<br />

Phase 3<br />

Plenum<br />

ca. 30 Min.<br />

Phase 4<br />

Reflexion<br />

ca. 30–45 Min.<br />

Die Arbeitsgruppen bearbeiten <strong>die</strong> ihnen vorliegenden<br />

Bildungsprogramme nach den Schwerpunkten:<br />

1. Inhalte<br />

2. Texte<br />

3. Bilder/Gestaltung<br />

und halten <strong>die</strong> Ergebnisse auf Kärtchen oder Wandzeitungen<br />

fest.<br />

Aufgabenstellung � Arbeitsblatt<br />

Vorstellen der Arbeitsgruppenergebnisse im Plenum<br />

Jede Gruppe hat 10 Minuten Zeit, um <strong>die</strong> Ergebnisse ihrer<br />

Analyse im Plenum vorzustellen.<br />

Es werden weitere Materialien verteilt, <strong>die</strong> den Teilnehmenden<br />

in ihrer alltäglichen Praxis Hilfestellung bei der<br />

gender-sensiblen Gestaltung von Bildungsprogrammen<br />

geben sollen.<br />

� Vertiefende Materialien 1 und 2<br />

Die in den Arbeitsgruppen angewendeten Kriterien und <strong>die</strong><br />

weiteren verteilten Materialien werden in einer zusammenfassenden<br />

Diskussion vor allem unter dem Gesichtspunkt<br />

der Übertragbarkeit in <strong>die</strong> Praxis überprüft.<br />

Material Für <strong>die</strong> Arbeit sind in ausreichender Menge Bildungsprogramme<br />

verschiedener Träger erforderlich. Daher sollten<br />

<strong>die</strong> Teilnehmenden vor dem Seminar aufgefordert werden,<br />

einige Programme ihrer Einrichtungen mitzubringen.


- 152 -<br />

Arbeitsblatt<br />

<strong>Gender</strong>-sensible Programmanalyse<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Bitte analysiert das euch vorliegende Bildungsprogramm unter folgenden<br />

Gesichtspunkten:<br />

1. Inhalte<br />

�� Ist <strong>Gender</strong> ein eigenes Thema im Bildungsprogramm?<br />

�� Ist aus dem Programm erkennbar, dass den VeranstalterInnen<br />

Geschlecht als Kategorie bewusst ist?<br />

�� Werden Rollenklischees vermittelt bzw. be<strong>die</strong>nt?<br />

2. Texte<br />

�� Wird eine geschlechtergerechte Sprache verwendet?<br />

�� Wer wird direkt angesprochen? Ist das erkennbar?<br />

�� Werden Frauen und Männer als AkteurInnen direkt benannt?<br />

3. Bilder/Gestaltung<br />

�� Gibt es Bilder im Programmheft?<br />

�� Welche Funktionen haben <strong>die</strong>se Bilder<br />

(inhaltsbezogen oder reine Illustration) ?<br />

�� Wie viele Frauen, wie viele Männer werden abgebildet?<br />

�� In welcher Rolle/Funktion werden Frauen bzw. Männer<br />

dargestellt?<br />

�� Wer wird mit den Bildern angesprochen?<br />

Bitte haltet Euer Arbeitsergebnis auf einer Wandzeitung oder<br />

mit Kärtchen fest, um es im Plenum zu präsentieren.


Übung: <strong>Gender</strong>-Analyse von Bildungsprogrammen - 153 -<br />

Vertiefendes Arbeitsmaterial 1<br />

<strong>Gender</strong> Mainstreaming-Leitfaden <strong>für</strong> <strong>die</strong> Gestaltung von<br />

Bildungsprogrammen i<br />

Bilder/Illustrationen<br />

Darstellungsprinzipien sollten sein:<br />

�� Rollenklischees zu vermeiden, z.B.<br />

�� indem männliche wie weibliche Personen in unterschiedlichen<br />

Funktionen und Berufen dargestellt werden,<br />

�� indem Männer in männeruntypischen Berufen abgebildet werden, z.B.<br />

haushaltsnahe Dienstleistungen,<br />

�� Frauen in frauenuntypischen Berufen, z.B. technisch-naturwissenschaftliche<br />

Berufe, aber sie auch dort nicht nur in Assistenzfunktionen<br />

darstellen,<br />

�� aber natürlich auch in <strong>für</strong> das jeweilige Geschlecht „typischen“<br />

Berufen/Tätigkeiten<br />

�� <strong>die</strong> Vielfalt von Möglichkeiten der Lebensgestaltung zu präsentieren durch<br />

<strong>die</strong> Darstellung der<br />

�� unterschiedlichen gesellschaftlichen Realitäten und Interessenlagen<br />

von Frauen und Männern,<br />

�� der Lebensrealitäten unterschiedlicher sozialer und ethnischer<br />

Gruppen.<br />

Sprache<br />

Die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache sollte selbstverständlich<br />

sein, ohne dass <strong>die</strong>se aufgesetzt und gekünstelt wirkt.<br />

Gestaltung der Materialien<br />

�� Geschlechterstereotype Icons und Illustrationen sind zu vermeiden,<br />

�� geschlechtersensitive Auswahl von Bildern, Symbolen und Metaphern<br />

(keine diskriminierenden Symbole verwenden),<br />

�� kulturelle Unterschiede bei der Verwendung von Farben und Symbolen<br />

beachten.<br />

AdressatInnenansprache<br />

�� Mit der Gestaltung ein Kommunikationsangebot machen.<br />

�� Jungen und Mädchen, Frauen wie Männer, Menschen mit unterschiedlichem<br />

kulturellen Hintergrund sollten sich durch <strong>die</strong> Gestaltung angesprochen<br />

fühlen.


- 154 -<br />

Karin Derichs-Kunstmann<br />

Vertiefendes Arbeitsmaterial 2<br />

Fragestellungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Untersuchung der eigenen Bildungsprogramme<br />

und Veröffentlichungen<br />

�� Welches sind meine wichtigsten inhaltlichen Kriterien, nach denen<br />

ich den Entwurf <strong>für</strong> ein Bildungsprogramm beurteile?<br />

�� Wird eine geschlechtergerechte Sprache verwendet? ii<br />

�� Welches sind meine wichtigsten Kriterien bei der Gestaltung des<br />

Programms?<br />

�� Nach welchen Kriterien wird Bildmaterial ausgesucht?<br />

�� Welche Kriterien vermittle ich meinen Kolleginnen und Kollegen?<br />

�� Wie können in <strong>die</strong>se Kriterien <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkte einfließen?<br />

Literatur<br />

Bundesverwaltungsamt 2002: Sprachliche Gleichbehandlung von Frauen<br />

und Männern. Hinweise, Anwendungsmöglichkeiten und Beispiele. BBB-<br />

Merkblatt M 19, Köln 2. Auflage<br />

http://www.bva.bund.de/imperia/md/content/bbb_win/allgemeines/16.pdf<br />

Wiesner, Heike et al. 2004: Leitfaden zur Umsetzung des <strong>Gender</strong> Mainstreaming<br />

in den „Neuen Me<strong>die</strong>n in der Bildung - Förderbereich Hochschule“ Bremen/<br />

Dortmund 2004<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2005<br />

(Hrsg.): Arbeitshilfe zu § 2 GGO: „Checkliste <strong>Gender</strong> Mainstreaming bei<br />

Maßnahmen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Berlin<br />

http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/RedaktionGM/Pdf-Anlagen/gm-undoeffentlichkeitsarbeit,property=pdf,bereich=gm,rwb=true.pdf<br />

Österreichischer Gewerkschaftsbund, Referat <strong>für</strong> Öffentlichkeitsarbeit,<br />

Werbung, Marketing 2006 (Hrsg.): „Ich Tarzan – Du Jane?“ Frauenbilder –<br />

Männerbilder. Weg mit den Klischees! Anleitung <strong>für</strong> eine gendergerechte<br />

Me<strong>die</strong>ngestaltung. Wien<br />

i In Anlehnung an: Wiesner, Heike et al. 2004<br />

ii Eine gute Hilfestellung gibt: Bundesverwaltungsamt 2002


Übung: Qualitätskriterien <strong>für</strong> <strong>die</strong> eigene Arbeit - 155 -<br />

Übung: Qualitätskriterien <strong>für</strong> <strong>die</strong> eigene Arbeit<br />

Victoria Schnier<br />

In <strong>die</strong>ser Arbeitseinheit geht es darum, sich mit den Qualitätsmaßstäben<br />

auseinander zu setzen, <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> eigene Arbeit als <strong>Gender</strong> Trainerin bzw.<br />

<strong>Gender</strong> Trainer gelten sollen. Es sollen <strong>die</strong> eigenen Ansprüche an eine gender-sensible<br />

Bildungspraxis überprüft und mit den von anderen formulierten<br />

Qualitätskriterien abgeglichen werden. Als Anregung können verschiedene<br />

Veröffentlichungen von Qualitätskriterien <strong>die</strong>nen, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sen und<br />

anderen Projekt- und Vernetzungszusammenhängen entwickelt wurden.<br />

Seminar<br />

phase<br />

In der Schlussphase, kurz vor dem Ende einer<br />

mehrtägigen bis mehrwöchigen Fortbildung<br />

Ziele Ziel ist <strong>die</strong> Auseinandersetzung mit den Ansprüchen an <strong>die</strong><br />

Qualität der eigenen gender-sensiblen <strong>Bildungsarbeit</strong>, eine<br />

Verständigung über Qualitätsmaßstäbe sowie – möglicherweise<br />

– <strong>die</strong> Formulierung gemeinsamer Qualitätskriterien<br />

am Ende der Fortbildung.<br />

Raum Ausreichend Platz <strong>für</strong> mehrere Arbeitsgruppen je nach Gesamtgröße<br />

des Seminars.<br />

Zahl der<br />

Teilnehmenden<br />

Diese Übung kann mit kleinen und größeren Seminargruppen<br />

durchgeführt werden, es sollten sich nur mindestens<br />

zwei Personen mit jeweils einem Text auseinander setzen.<br />

Zeitbedarf ca. 2 Seminarstunden<br />

Ablauf der<br />

Übung<br />

Phase 1<br />

Plenum<br />

ca. 10 Min.<br />

3 Arbeitsphasen<br />

Bildung von drei Arbeitsgruppen mit je zwei bis max. fünf<br />

Personen, Klärung der Aufgabenstellung,<br />

Verteilen der Arbeitsblätter und Materialien


- 156 -<br />

Phase 2<br />

3 Arbeitsgruppen<br />

ca. 45 Min.<br />

Phase 3<br />

Plenum<br />

30 – 45 Min.<br />

Victoria Schnier<br />

Jede der Arbeitsgruppen bearbeitet einen der verteilten<br />

Texte mit folgenden Arbeitsschritten:<br />

1. Auseinandersetzung mit dem vorliegenden Text und<br />

den darin enthaltenen Qualitätskriterien,<br />

2. Erarbeitung eigener Kriterien auf der Grundlage der<br />

vorliegenden Qualitätskriterien,<br />

3. Ergänzung <strong>die</strong>ser Kriterien um weitere, dem eigenen<br />

Selbstkonzept als <strong>Gender</strong>-Trainerin oder <strong>Gender</strong>-<br />

Trainer entsprechende, wichtige Kriterien.<br />

Das Arbeitsergebnis sollte auf einer Wandzeitung oder auf<br />

Metaplankarten festgehalten werden.<br />

Zusammentragen der Gruppenergebnisse, Reflexion der<br />

entwickelten Qualitätskriterien und ggf. Entwickeln von<br />

gemeinsamen Kriterien.<br />

Material Texte zu Qualitätskriterien. Die Texte sollten möglichst<br />

kurz und präzise sein. In der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong><br />

wurden folgende Texte verwendet:<br />

�� „Methodische Prämissen <strong>für</strong> eine reflektierte <strong>Gender</strong>-<br />

Praxis.“ Aus: Regina Frey u.a.: <strong>Gender</strong>-Manifest.<br />

Plädoyer <strong>für</strong> eine kritisch reflektierende Praxis in der<br />

genderorientierten Bildung und Beratung. Berlin,<br />

Januar 2006, S. 4+5<br />

�� „Qualitätsanforderungen auf einen Blick.“<br />

Aus: Angelika Blickhäuser und Henning von Bargen:<br />

Mehr Qualität durch <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong>. Ein Wegweiser<br />

<strong>für</strong> Training und Beratung im <strong>Gender</strong> Mainstreaming.<br />

Königstein/Taunus 2006, S. 204-205<br />

�� „Qualitätskriterien <strong>für</strong> <strong>die</strong> GeQuaB–Lehrgänge“<br />

Aus: Modellprojekt „<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong>:<br />

Zur Erlangung eines GeQuaB-Zertifikats.<br />

Recklinghausen, 20. Sept. 2005, S. 1-2 1<br />

Metaplankarten, Pinwände, Stifte<br />

Vorbereitung Texte raussuchen und <strong>für</strong> alle kopieren. Zur Bearbeitung<br />

wird je Gruppe nur ein Text verteilt, im Anschluss daran<br />

können <strong>die</strong> Texte <strong>für</strong> alle zur Verfügung gestellt werden.<br />

1 Dieser Text befindet sich im Anhang auf den Seiten 250ff.


<strong>Gender</strong>-bezogene Auswertungsmethoden und -instrumente - 157 -<br />

<strong>Gender</strong>-bezogene Auswertungsmethoden und -instrumente:<br />

Reflexion – Feedback – Transfer<br />

Gerrit Kaschuba<br />

Auswerten heißt, auf das zu schauen, was mich weiterbringt – am Ende einer<br />

Fortbildung und zwischendurch. Es gibt – wie in der gesamten Didaktik<br />

– keine „spezifischen“ gender-bezogenen Auswertungsmethoden und -instrumente.<br />

Existierende Instrumente zur Reflexion des Gelernten und zum<br />

Feedback werden mit der <strong>Gender</strong>-Perspektive ‚ausgestattet’. Neues kann<br />

entstehen, <strong>die</strong> Praxis angereichert werden, wenn bekannte Methoden mit<br />

Blick auf <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Perspektive erweitert werden. Bei den Überlegungen<br />

zur Anwendung einer Methode unter <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten steht wie<br />

immer das „Wie“ im Vordergrund, denn Methoden haben stets etwas mit<br />

planvollem Handeln zu tun, sind zielgerichtet.<br />

Im Kontext einer <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> sind zwei Aspekte von Bedeutung:<br />

1) Einmal geht es um den Lernprozess, <strong>die</strong> Aneignung von <strong>Gender</strong>-Wissen<br />

bzw. ein Andocken an bereits vorhandene Wissensbestände und <strong>Kompetenz</strong>en.<br />

Dies gelingt über reflexives Lernen, indem sich <strong>die</strong> Teilnehmenden<br />

das in der Fortbildung erworbene Wissen zueigen machen und biografisch<br />

verknüpfen (vgl. Becker-Schmidt/Knapp 1989 2 ).<br />

2) Es geht immer auch um Qualitätsentwicklung bezogen auf <strong>die</strong> Struktur-,<br />

Ergebnis- und Prozessqualität von Fortbildungen. Sie umfasst <strong>die</strong> Teilnehmenden-<br />

und <strong>die</strong> Leitungsperspektive. Qualitätskriterien <strong>die</strong>nen � unter Berücksichtigung<br />

der <strong>Gender</strong>-Perspektive (vgl. Kaschuba 2004) � zur Vor- und<br />

Nachbereitung sowie zur Durchführung von <strong>Qualifizierung</strong>en und dabei zur<br />

Verständigung zwischen den verschiedenen Beteiligten. Während und vor<br />

allem nach Fortbildungen sind Evaluationen der Teilnehmendenrückmeldungen<br />

und der Leitungsauswertung im Team zur Überprüfung von Konzeption<br />

und Ausgestaltung wichtig. Damit in den Fortbildungen selbst <strong>die</strong>ser<br />

Spürsinn weiter wachgehalten wird, sind dialogisch-untersuchende Formen<br />

gefragt, um auf <strong>die</strong> Menge an Informationen reagieren, sie interpretieren<br />

und gender-bezogene Lernprozesse unterstützen zu können.


- 158 -<br />

Gerrit Kaschuba<br />

Reflexionsmethoden ermöglichen den Teilnehmenden, den Blick darauf<br />

zu lenken, was sie unter der <strong>Gender</strong>-Perspektive Neues gelernt haben und<br />

eventuell in ihr Handeln einbauen wollen. Geschehenes wird unter bestimmten<br />

Fragestellungen in verschiedenen Phasen auf der Metaebene betrachtet,<br />

um Abläufe unter der <strong>Gender</strong>-Perspektive besser zu verstehen.<br />

Methoden da<strong>für</strong> sind Videoaufnahmen und -auswertungen, Collagen, Würfel,<br />

Aufstellungen, Soziometrie, Koffer packen, Freeze, Ampelreflexion,<br />

Lerntagebuch etc.<br />

Am Beispiel des Lerntagebuchs soll hier <strong>die</strong> Berücksichtigung der <strong>Gender</strong>-<br />

Perspektive verdeutlicht werden. Das Lerntagebuch kann zur Selbstreflexion<br />

der <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong>entwicklung <strong>die</strong>nen. Die Teilnehmenden protokollieren<br />

ihre Erkenntnisse des Tages unter besonderer Berücksichtigung<br />

der Weiterentwicklung ihrer <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong>en. Dieses Instrument hat<br />

sich auch unter Diversity-Gesichtspunkten als wertvoll erwiesen: So schilderte<br />

eine Teilnehmerin, <strong>die</strong> in ihrer Fortbildungsgruppe <strong>die</strong> einzige<br />

Vertreterin aus den „neuen“ Bundesländern war, dass sie mit dem Tagebuch<br />

ihre Biografie mitreflektieren und soweit verarbeiten konnte, dass es<br />

<strong>für</strong> sie auch in der Fortbildung als Thema an Stellen ansprechbar wurde, in<br />

denen es nicht innerhalb des Fortbildungskonzeptes berücksichtigt worden<br />

war. Das Tagebuch <strong>die</strong>nte somit auch als Klärungs- und Formulierungshilfe,<br />

um an der Fortbildung aktiv partizipieren und den eigenen Kontext unter<br />

<strong>Gender</strong>- und Diversity-Gesichtspunkten einbringen zu können.<br />

Beispiel: Notizen zum Tag (Tagebuch)<br />

Was war <strong>für</strong> mich heute unter <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten wichtig?<br />

(z.B. Inhalte, Methoden, Gruppendynamik, Leitungsverhalten)<br />

Was hat mich irritiert? Welche Fragen stellen sich mir?<br />

Welche geschlechterbezogenen Muster in Bezug auf mein Denken,<br />

Wahrnehmen, Handeln werden mir deutlich?<br />

Was habe ich heute gelernt? Konnte ich meine <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong>en<br />

(personale, soziale, methodisch, fachliche) erweitern bzw. habe ich Anregungen<br />

dazu bekommen?


<strong>Gender</strong>-bezogene Auswertungsmethoden und -instrumente - 159 -<br />

Feedbackmethoden zielen darauf ab, in Erfahrung zu bringen, wie <strong>die</strong><br />

Einheit/ der Tag/ <strong>die</strong> Fortbildung war und wie es den Teilnehmenden damit<br />

geht. Das Feedback im Rahmen von Bildungssituationen soll etwas über <strong>die</strong><br />

Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen aussagen, ohne dass darüber diskutiert<br />

werden muss. Dabei sind zwei Ebenen zu unterscheiden:<br />

�� das interpersonale Feedback: Die Rückmeldung zwischen Leitung und<br />

Teilnehmenden steht hier meist im Vordergrund.<br />

�� das systemische Feedback: Die Gesamtheit der selbstregulierenden<br />

Kräfte im System wird angeschaut.<br />

Kriterien, <strong>die</strong> bei der Planung eines Feedbacks bedacht werden sollten, sind<br />

beispielsweise Zeitpunkt (nach einer Einheit, unmittelbar), Dauer (kurz, begrenzt),<br />

Regeln (ohne Zwang, zuhören, nicht diskutieren), Ziele (Möglichkeit<br />

eines Gruppenfeedbacks, Zielüberprüfung). Methoden können sein:<br />

Gruppenbild malen, Kartenabfrage, Grenzen/Abstand räumlich inszenieren,<br />

Stimmungsbarometer, Blitzlicht, schriftliches Feedback, Punkte-Feedback.<br />

Beispiel: Punkte-Feedback zu gender-bezogenen Fragen<br />

Eine mögliche Frage ist bspw.: „Wurde das Seminarthema geschlechterbewusst<br />

gestaltet?“ Die immer wieder eingesetzten unterschiedlichen<br />

farbigen Punkte <strong>für</strong> Männer und Frauen sind mit Vorsicht anzuwenden,<br />

da damit möglicherweise zu vorschnell auf Unterschiede fokussiert wird.<br />

Die nachfolgenden Auszüge aus einem Fragebogen entstammen dem Fraugebogen<br />

der wissenschaftlichen Evaluation, der am Ende jedes Moduls der<br />

GeQuaB-Fortbildung eingesetzt wurde, damit das Feedback in den weiteren<br />

Verlauf einfließen konnte. Hier wechseln sich explizit gender-bezogene Fragestellungen<br />

mit impliziten bzw. allgemeinen Fragestellungen ab. Auch sind<br />

Fragen zur Reflexion und zum möglichen Transfer des Gelernten integriert.<br />

In der GeQuaB-Fortbildung arbeiteten <strong>die</strong> Teilnehmenden aber auch an<br />

den von ihnen in ihrer <strong>Bildungsarbeit</strong> eingesetzten Teilnehmendenfragebögen,<br />

um <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Perspektive zu integrieren. Gerade bei Fragebögen zur<br />

Auswertung von Veranstaltungen wird deutlich, dass es sich immer um<br />

eine Gratwanderung in den Fortbildungen handelt, inwieweit es einerseits<br />

gelingt, Polarisierungen („männlich-weiblich“) aufzudecken und andererseits<br />

nicht wieder erneut Geschlechterdifferenzen – auch durch <strong>die</strong> Abfrage


- 160 -<br />

Gerrit Kaschuba<br />

- zu verfestigen. Das beginnt bereits mit der Möglichkeit des Ankreuzens<br />

bei Frau mit/ Frau ohne Migrationshintergrund oder Mann mit/ Mann ohne<br />

Migrationshintergrund. Das Verunsichern oder Hinterfragen von Geschlechterkonstruktionen<br />

geht über ein rein technisches Einsetzen von Analyseinstrumenten<br />

und Checklisten hinaus und erfordert ein – häufig gleichzeitiges<br />

� Arbeiten auf verschiedenen Ebenen, etwa durch <strong>die</strong> gleichzeitige Durchführung<br />

einer diskursiven Auswertung.<br />

Beispiel: Feedback mittels Fragebogen<br />

Wie hast du das Frau-Mann-Leitungsteam in der Zusammenarbeit erlebt?<br />

O sehr gut O gut O nicht so gut<br />

Anmerkungen: .............................................................................................<br />

Hast du <strong>die</strong> Fortbildung als Geschlechterzuschreibungen öffnend erlebt?<br />

O ja O nein<br />

Bitte erläutern:......................................................................................<br />

Zu deinem Lerngewinn in der Fortbildung:<br />

hoch mittel gering<br />

<strong>für</strong> dich persönlich O O O<br />

<strong>für</strong> dein konkretes Arbeitsfeld O O O<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Weiterarbeit in deiner Institution O O O<br />

Anmerkungen:...........................................................................................<br />

Transfer-Methoden orientieren sich an Fragen wie: Was nehme ich mit<br />

und was setze ich um? Deren Beantwortung und vor allem den Transfer<br />

selbst – den Übergang in das eigene Verhalten, <strong>die</strong> Realisierung von geschlechterbewussten<br />

Zielsetzungen – gilt es gleichzeitig in der <strong>Qualifizierung</strong><br />

zu erzeugen oder wach zu halten. Da<strong>für</strong> kann eine Fortbildung Impulse<br />

geben, vieles aber ist letztlich in der Selbstverantwortung der Teilnehmenden<br />

und deren Eigenmotivation.<br />

Das Gelernte in <strong>die</strong> Praxis umsetzen bedeutet auch, <strong>die</strong> Praxis ins Seminar<br />

zu holen. So sind wichtige Transfermethoden: Fallarbeit, Inneres Team,<br />

Auftragsklärungen, Projektplanung und -durchführung, Praxisaufgaben zur<br />

Erprobung zwischen Fortbildungsabschnitten, Methodenwerkstätten (vgl. S.<br />

147ff.), in denen <strong>die</strong> Teilnehmenden Gelegenheit haben, neu Gelerntes mit<br />

ihren <strong>Kompetenz</strong>en zu verbinden; Kollegiale Beratung (vgl. S. 101ff.), Ta-


<strong>Gender</strong>-bezogene Auswertungsmethoden und -instrumente - 161 -<br />

gebuch zu Transferfragen, Blitzlicht, Fragebogen, Zielformulierung und<br />

Zielüberprüfung, Transfergespräche der entsendenden Organisationen mit<br />

den Teilnehmenden (vor der <strong>Qualifizierung</strong>), Selbstplanung des Ablaufs<br />

bzw. der Anteile von Teilnehmenden und Leitenden (zu Beginn); kontinuierliche<br />

Transferfragen, <strong>die</strong> sich an <strong>die</strong> einzelnen Teilnehmenden richten;<br />

transferorientierte symbolische Handlung am Ende der <strong>Qualifizierung</strong>,<br />

Transfernetzwerke nach der <strong>Qualifizierung</strong>. Kontinuierliche Transferfragen<br />

können sich beispielsweise nach der Durchführung einer gender-bezogenen<br />

Übung darauf beziehen, ob sich <strong>die</strong> Teilnehmenden vorstellen könnten, <strong>die</strong><br />

Übung bei ihren eigenen Fortbildungen einzusetzen, ob sie sich eher <strong>für</strong><br />

geschlechtergetrennte oder -gemischte Gruppen eignet.<br />

Wenn <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Perspektive bei Fortbildungen im Mittelpunkt steht, ist es<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> eigene Reflexivität, <strong>für</strong> <strong>die</strong> Auswertung der Fortbildung und den<br />

Transfer in den eigenen Arbeitsalltag notwendig, <strong>die</strong> Kategorie Geschlecht<br />

auch bei den verschiedenen Auswertungsmethoden immer wieder zu thematisieren.<br />

1 Es geht darum, <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Perspektive in allen Phasen und<br />

Prozessen der <strong>Bildungsarbeit</strong> zu berücksichtigen (also z.B. auch in der<br />

Überprüfung der Durchführung einzelner Seminareinheiten bezogen auf<br />

Inhalte und Methoden), um sie somit auch zu relevantem Wissen und vor<br />

allem zur Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten als <strong>Gender</strong> TrainerIn <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> nutzen zu können. Erst wenn sie Bestandteil reflektierten<br />

Wissens ist, kann sie auch in professionelles Handeln überführt werden.<br />

Literatur<br />

Becker-Schmidt, Regina/Knapp, Gudrun-Axeli 1989 2 : Geschlechtertrennung<br />

– Geschlechterdifferenz. Suchbewegungen sozialen Lernens, Bonn<br />

Besser, Ralf 2002 2 : Transfer: Damit Seminare Früchte tragen, Weinheim und<br />

Basel<br />

Kaschuba, Gerrit 2004: Qualitätskriterien von <strong>Gender</strong> Trainings. In: Netzwerk<br />

<strong>Gender</strong> Training (Hrsg.) 2004: Geschlechterverhältnisse bewegen. Erfahrungen<br />

mit <strong>Gender</strong> Trainings. Königstein<br />

Rabenstein, Reinhold/ Reichel, René/ Thannhoffer, Michael 1985: Das Methoden-Set,<br />

4. Reflektieren, Münster<br />

1 Doch bietet es sich auch bei nicht-expliziten <strong>Gender</strong>-Fortbildungen an, den <strong>Gender</strong>-<br />

Aspekt im Sinne einer Querschnittsperspektive bei Auswertungen – zumindest punktuell<br />

– zu integrieren.


- 162 -<br />

4. <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Bildungspraxis<br />

Victoria Schnier<br />

4.1 Die Praxisprojekte innerhalb des GeQuaB-Projektes<br />

Victoria Schnier<br />

Zu den Voraussetzungen des erfolgreichen Abschlusses der <strong>Qualifizierung</strong><br />

mit einem GeQuaB-Zertifikat gehörte <strong>für</strong> <strong>die</strong> Teilnehmenden <strong>die</strong> Anwendung<br />

des Gelernten in der eigenen Praxis durch <strong>die</strong> Entwicklung und Erprobung<br />

von Praxisprojekten 1 .<br />

Die Praxisprojekte hatten das Ziel, gender-kompetente <strong>Bildungsarbeit</strong> zu<br />

erproben und umzusetzen und somit <strong>die</strong> Lehrgangsinhalte der <strong>Gender</strong>-<br />

<strong>Qualifizierung</strong> auf <strong>die</strong> eigene <strong>Bildungsarbeit</strong> zu übertragen. Neben der didaktisch-methodischen<br />

Reflexion und Evaluation sollte auch eine geschlechtertheoretische<br />

Verortung vorgenommen werden, um <strong>die</strong> Planung<br />

und Durchführung der eigenen Bildungsangebote basierend auf geschlechtertheoretischen<br />

Ansätzen sicherzustellen.<br />

Umfang der Praxisprojekte und inhaltliche Vorgaben 2<br />

Bezüglich des Umfangs und des Inhalts der Projekte gab es kaum Einschränkungen.<br />

Eine Ausdifferenzierung der Praxisprojekte in verschiedene<br />

Formen war möglich. Zum einen konnten neue Seminarkonzeptionen entwickelt<br />

und bei deren Planung und Durchführung Geschlechteraspekte berücksichtigt<br />

werden. Zum anderen konnten auch bereits bestehende Konzepte<br />

unter der <strong>Gender</strong>-Perspektive überarbeitet werden. Es war den Teilnehmenden<br />

ebenfalls freigestellt, <strong>Gender</strong> als inhaltliches Thema zu behandeln<br />

oder als Querschnittsthema in andere Inhalte mit einzubeziehen. Die<br />

eher makrodidaktisch - also planend und disponierend - Tätigen, wie beispielsweise<br />

hauptamtlich pädagogische Mitarbeitende an Volkshochschulen,<br />

konnten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Planung, Organisation oder Evaluation von <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

geschlechtergerechte Konzepte entwickeln und erproben.<br />

1 Siehe Zur Erlangung eines GeQuaB-Zertifikats, S. 252ff.<br />

2 Die Ausführungen basieren auf der Evaluation der Projektberichte der Teilnehmenden.


<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Bildungspraxis - 163 -<br />

Zu den Bestandteilen der Praxisprojekte gehörte zunächst <strong>die</strong> Erarbeitung<br />

eines Konzepts <strong>für</strong> <strong>die</strong> Umsetzung von geschlechtergerechter Programmqualität<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> eigene Bildungspraxis. Dieses Konzept wurde dann in der<br />

eigenen <strong>Bildungsarbeit</strong> erprobt. Anschließend fand durch <strong>die</strong> Teilnehmenden<br />

eine Reflexion der Erfahrungen bei der Umsetzung und <strong>die</strong> Evaluation<br />

der Arbeit in Form eines Praxisprojektberichts statt. In <strong>die</strong>sem wurden <strong>die</strong><br />

Planung, <strong>die</strong> Durchführung, der Verlauf, <strong>die</strong> Analyse und <strong>die</strong> Bewertung<br />

des Projekts beschrieben und dargestellt.<br />

Die Durchführung der Praxisprojekte in Tandems oder einzeln war ebenfalls<br />

optional. Demzufolge ist <strong>die</strong> Anzahl der Teilnehmenden und der durchgeführten<br />

Praxisprojekte nicht identisch. Insgesamt schlossen 45 GeQuaB-<br />

Teilnehmende <strong>die</strong> <strong>Qualifizierung</strong> erfolgreich ab und es wurden 35 Praxisprojekte<br />

durchgeführt.<br />

Die Projekte wurden zwischen dem zweiten und vierten Modul der <strong>Qualifizierung</strong><br />

realisiert und evaluiert. Inhaltlicher Bestandteil des zweiten Moduls<br />

war <strong>die</strong> Präsentation der Planungen der Projekte, im Verlauf des vierten<br />

Moduls wurden <strong>die</strong> Projektthemen und <strong>die</strong> Erfahrungen mit der Durchführung<br />

vorgestellt und im Rahmen kollegialer Beratung reflektiert.<br />

Struktur der Projekte: Verbände und regionale Verteilung<br />

Von den kooperierenden Verbänden wurden keine Auflagen zur Form und<br />

Gestaltung der Praxisprojekte vorgegeben. Die unterschiedliche Anzahl der<br />

Projekte bei den Verbänden und Organisationen lässt sich vor allem durch<br />

<strong>die</strong> Arbeit im Tandem, <strong>die</strong> den Teilnehmenden freigestellt war, erklären. In<br />

einigen Verbänden ist mit Kolleginnen oder Kollegen ein Projekt erarbeitet<br />

worden, <strong>die</strong> selbst nicht an der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> teilgenommen haben.<br />

So waren mehr Personen an der Durchführung geschlechtergerechter<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> beteiligt, als Teilnehmende in der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>.<br />

Insgesamt sind von Teilnehmenden des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten<br />

(AdB) 8 Projekte durchgeführt worden, von ARBEIT UND LEBEN<br />

(AUL) 10, vom Deutschen Volkshochschulverband (DVV) 7 und von der<br />

Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) 10 Projekte.<br />

Es waren alle Bundesländer mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt mit mindestens einem Projekt<br />

vertreten. Eine deutliche Häufung der Projekte ergab sich in Westdeutschland<br />

(Nordrhein-Westfalen, Saarland, Hessen, Rheinland-Pfalz) mit 14 Pro-


- 164 -<br />

Victoria Schnier<br />

jekten, davon fanden 9 in Nordrhein-Westfalen statt. In Ostdeutschland<br />

(Sachsen, Thüringen, Berlin, Brandenburg) wurden 9 Praxisprojekte durchgeführt,<br />

davon 5 in Berlin. In Norddeutschland (Hamburg, Schleswig-Holstein,<br />

Niedersachsen, Bremen) wurden 8 Projekte realisiert und in Süddeutschland<br />

(Bayern) 4 Projekte 3 .<br />

Struktur der Projekte: Bereiche und Zielgruppen<br />

Ein Großteil der AdressatInnen der Praxisprojekte waren MultiplikatorInnen<br />

der Jugend- und Erwachsenenbildung (11 Praxisprojekte). In <strong>die</strong>sem Themenbereich<br />

wurden z.B. Seminare angeboten, <strong>die</strong> <strong>Gender</strong> Mainstreaming in<br />

der Seminararbeit an Kursleitende bzw. Teamerinnen und Teamer oder<br />

hauptamtlich pädagogische Mitarbeitende vermittelten. Stellvertretend <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong>sen Bereich beschreibt Martin Karolczak sein Seminar „Jungen sind anders,<br />

Lehrerinnen auch“ in <strong>die</strong>sem Kapitel. Ebenfalls an MultiplikatorInnen<br />

gerichtet ist das von Monika Engel und Manfred Nousch hier dargestellte<br />

Seminar „Grundqualifizierung <strong>für</strong> Kursleitende an Volkshochschulen“. Als<br />

drittes der Projekte aus <strong>die</strong>sem Bereich stellt Volker Kurzweg seine Teamendenfortbildung<br />

„<strong>Gender</strong> in Seminaren – Eine Werkstatt zur Annäherung“<br />

vor.<br />

Zu gleichen Teilen wurden betriebliche AkteurInnen (7 Projekte) angesprochen<br />

und Organisations- und Teamentwicklungsprozesse initiiert (7 Projekte).<br />

In den Seminaren <strong>für</strong> betriebliche AkteurInnen wurden Geschlechter-Aspekte<br />

in der betriebsbezogenen <strong>Bildungsarbeit</strong> thematisiert. Im Rahmen<br />

der Organisations- und Teamentwicklungsprojekte sind <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Prozesse<br />

innerhalb der Organisationsstrukturen oder der Teamentwicklung<br />

konzipiert oder angestoßen worden. Die Zielgruppe der betrieblichen<br />

AkteurInnen wurde von Monika Rietze und Eva Meyer angesprochen,<br />

<strong>die</strong> ihre Betriebsräte-Grundqualifizierung „Aller Anfang ist … gar<br />

nicht so schwer“ darstellen. Elke Wilhelm beschreibt <strong>für</strong> den Bereich Orga-<br />

3 Es werden lediglich <strong>die</strong>jenigen Bundesländer genannt, in denen tatsächlich Praxisprojekte<br />

durchgeführt wurden. Die Bundesländer Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und<br />

Mecklenburg-Vorpommern waren nicht durch Teilnehmende vertreten. Das kann darin<br />

begründet liegen, dass <strong>die</strong> Auswahl der Teilnehmenden zur <strong>Qualifizierung</strong> den Verbänden<br />

oblag, <strong>die</strong> unterschiedliche Kriterien bei der Auswahl festgelegt haben. Die<br />

regionale Verteilung war zwar eines der Kriterien, <strong>die</strong> Auswahl erfolgte jedoch auch<br />

über <strong>die</strong> freiwillige Bewerbung der Mitarbeitenden aus den Verbänden und nicht aus<br />

allen Bundesländern gingen Bewerbungen <strong>für</strong> das Modellprojekt ein.


<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Bildungspraxis - 165 -<br />

nisations- und Teamentwicklungsprozesse ihr Projekt „<strong>Gender</strong> und kontinuierliche<br />

Teamentwicklung im Tätigkeitsfeld politische Jugendbildung“.<br />

Bereiche / Zielgruppen der Praxisprojekte<br />

Spezielle<br />

Zielgruppen<br />

Organisations- und<br />

Teamentwicklung<br />

Jugendliche<br />

MultiplikatorInnen<br />

Betriebliche<br />

AkteurInnen<br />

5<br />

5<br />

7<br />

7<br />

Mit jeweils 5 Praxisprojekten wurden <strong>Gender</strong>-Aspekte in der Jugendarbeit<br />

und in der <strong>Bildungsarbeit</strong> mit speziellen Zielgruppen eingebracht. Darunter<br />

kann zum Beispiel <strong>die</strong> Thematisierung von Geschlechtergerechtigkeit in der<br />

Jugendbildungsarbeit oder <strong>die</strong> Arbeit mit Frauen und Männern mit Migrationshintergrund<br />

gefasst werden. Der Bereich Jugendarbeit wird mit der Beschreibung<br />

des Projekts „City-Bound: Mission impossible?“ von Christian<br />

Reichert vertreten, <strong>für</strong> spezielle Zielgruppen steht das Väterseminar von<br />

Jörg Bewersdorf „Sowohl als auch – Familien- und Erwerbsarbeit: ein Männerthema“<br />

in <strong>die</strong>sem Kapitel.<br />

Es kann insgesamt davon ausgegangen werden, dass <strong>die</strong> inten<strong>die</strong>rten Multiplikationseffekte<br />

der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> durch <strong>die</strong> Realisierung der<br />

Praxisprojekte in Form von MultiplikatorInnenschulungen eingetreten sind.<br />

Ein weiterer Verbreitungseffekt ist durch <strong>die</strong> Arbeit der Teilnehmenden in<br />

Arbeitskreisen oder Gremien und teilweise durch ihre Tätigkeit als <strong>Gender</strong>-<br />

BeraterInnen in den kooperierenden Verbänden und Organisationen abzusehen.<br />

11


- 166 -<br />

Rahmenbedingungen<br />

Victoria Schnier<br />

Die Rahmenbedingungen haben auf <strong>die</strong> erfolgreiche Implementierung von<br />

<strong>Gender</strong> Mainstreaming in der <strong>Bildungsarbeit</strong> einen erheblichen Einfluss.<br />

Von den Teilnehmenden wird geschildert, dass in Bildungseinrichtungen alle<br />

Tätigkeitsfelder mit einem geschlechtersensiblen Blick betrachtet und<br />

analysiert werden sollten. Insofern bildete das Praxisprojekt immer nur einen<br />

Teil der <strong>Bildungsarbeit</strong> ab, der nicht unabhängig von anderen Bereichen<br />

stattfindet. Die Rahmenbedingungen und im Rahmen des Praxisprojekts<br />

nicht beeinflussbare Faktoren tragen zum Ge- oder Misslingen einer<br />

geschlechtergerechten Programmqualität bei. Im Folgenden werden <strong>die</strong><br />

Rahmenbedingungen beschrieben, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Teilnehmenden bei der Durchführung<br />

ihrer Projekte als besonders wirkmächtig empfanden.<br />

Als deutlichste Einschränkung wurde von sehr vielen Teilnehmenden der<br />

Faktor Zeit benannt. Um eine reflexive Herangehensweise an eigene Geschlechterkonstruktionen<br />

und den eigenen Anteil an einem „doing gender“,<br />

dem Prozess der Zuschreibung von geschlechtsbezogenen Eigenschaften,<br />

zu ermöglichen, reichte <strong>die</strong> Zeit oft kaum aus. Gerade <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entwicklung<br />

neuer oder kreativer Ideen im Umgang mit alltäglichen Geschlechterstereotypen<br />

fehlte oftmals <strong>die</strong> Zeit. Einige Teilnehmende sahen darin <strong>die</strong> Gefahr<br />

des alleinigen Aufzeigens von Konstruktionen, ohne dann anhand <strong>die</strong>ser<br />

Sensibilisierung im geschützten Raum einer Seminarsituation jenseits<br />

der herkömmlichen Stereotype alternative Denk- und Verhaltensweisen erproben<br />

oder umsetzen zu können.<br />

Darüber hinaus konnte vielfach aufgrund des Zeitrahmens innovativen<br />

Methoden und kreativen Ansätzen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Praxis nicht intensiv nachgegangen<br />

werden. Einige interessante Informationen und Anregungen, aber auch<br />

Fragen der Teilnehmenden konnten nicht ausreichend thematisiert werden.<br />

Bei Praxisprojekten, in denen <strong>Gender</strong> als inhaltlicher Aspekt integriert war,<br />

führte der enge zeitliche Rahmen oftmals dazu, dass nur begrenzt Wissen<br />

zu <strong>Gender</strong>-Aspekten im jeweiligen Projekt vermittelt werden konnte. Die<br />

vertiefende Bearbeitung der Fragen zur Umsetzung des Wissens in das jeweilige<br />

Handlungsfeld und das Entwickeln konkreter Vorschläge und damit<br />

ein praktischer Teil oder Transfer konnten aus Zeitgründen z.T. nicht stattfinden.<br />

Auf der anderen Seite schilderten einige GeQuaB-Teilnehmende <strong>die</strong> starke<br />

zeitliche Begrenztheit der Seminare auch als Vorteil. So habe sich <strong>für</strong> eine


<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Bildungspraxis - 167 -<br />

größere Zielgruppe <strong>die</strong> Möglichkeit der Auseinandersetzung mit <strong>Gender</strong>-<br />

Aspekten ergeben, da auch zeitlich stark eingebundene Interessierte an<br />

einer Tagesveranstaltung teilnahmen, während bei mehrtägigen Seminaren<br />

erfahrungsgemäß eine geringere Beteiligung <strong>die</strong>ser Zielgruppe zu verzeichnen<br />

ist. Diese beiden Betrachtungsweisen verdeutlichen <strong>die</strong> mögliche Diskrepanz<br />

zwischen den Ansprüchen der Teilnehmenden der Seminare und<br />

den Ansprüchen an <strong>die</strong> Inhalte und Wirkungen der Seminare durch <strong>die</strong><br />

Durchführenden.<br />

Dennoch standen <strong>die</strong> Einschränkungen eines kurzzeitpädagogischen Bildungsprozesses<br />

im Hinblick auf <strong>die</strong> Wirksamkeit, <strong>die</strong> Reflexion, <strong>die</strong> Nachhaltigkeit<br />

und den Transfer des erlangten Wissens auf <strong>die</strong> eigene Arbeit<br />

und das eigenen Handeln bei der Bewertung im Vordergrund.<br />

Das Anleiten der Seminare im Team 4 wurde von den Teilnehmenden als<br />

besonders positiv erlebt. Bei einigen der kooperierenden Verbände und<br />

Organisationen ist <strong>die</strong> Tandemleitung ohnehin Bestandteil der pädagogischen<br />

Prinzipien, bei anderen ist <strong>die</strong> alleinige Begleitung von Seminaren <strong>die</strong><br />

Norm. Gerade <strong>die</strong>jenigen GeQuaB-Teilnehmenden, <strong>die</strong> in ihrem Arbeitsalltag<br />

aus verschiedensten Gründen nicht oder selten im Team arbeiten, hoben<br />

<strong>die</strong> positiven Aspekte hervor. In den Projekten, in denen das Seminar<br />

alleine durchgeführt wurde, wurde <strong>die</strong>s zum Teil als negativ erlebt und beschrieben.<br />

Die Vorteile eines Leitungsteams bestanden in der Möglichkeit<br />

der detaillierten, individuellen und intensiven Begleitung und Gestaltung<br />

des Bildungsprozess in seinen unterschiedlichen Facetten.<br />

Zum Teil wurde auch <strong>die</strong> Bedeutung einer externen Beobachtung hervorgehoben,<br />

um Wahrnehmungen des Leitungsteams rückkoppeln zu können.<br />

Außerdem ist durch eine externe Beobachterin oder einen externen Beobachter<br />

<strong>die</strong> Durchführung einer umfassenden Evaluation gegeben. Eine<br />

dritte Person, <strong>die</strong> nicht inhaltlich und verantwortlich in den Bildungsprozess<br />

involviert ist, kann <strong>die</strong> Aufmerksamkeit auf andere Facetten richten und<br />

<strong>die</strong>se einer Auswertung zugänglich machen.<br />

Für andere Seminare der Einrichtungen wird <strong>die</strong> Notwendigkeit der Sensibilisierung<br />

und <strong>Qualifizierung</strong> weiterer haupt- und nebenamtlich Tätiger zu<br />

<strong>Gender</strong>-Aspekten und geschlechtergerechter Programmqualität gesehen.<br />

4 Es gab <strong>die</strong>sbezüglich keine Vorgaben zu geschlechterhomogener oder –heterogener Zusammensetzung<br />

der Tandems und <strong>für</strong> den von den Teilnehmenden geschilderten und<br />

hier beschriebenen Eindruck war <strong>die</strong>ser Aspekt auch irrelevant.


- 168 -<br />

Geschlechterkonstruktionen der Teilnehmenden<br />

Victoria Schnier<br />

Aus einigen Praxisprojekten wurde berichtet, dass <strong>die</strong> Zielgruppe zum Teil<br />

keine Vorstellung von vielfältigen, komplexen und egalitären Geschlechterrollen<br />

hatte oder äußern konnte. Die Analyse der eigenen Konstruktionen<br />

von Geschlecht konnte entweder aus Zeitmangel oder aufgrund fehlender<br />

Sensibilisierung nicht diskutiert werden. Bei einer Orientierung an<br />

dem didaktischen Prinzip der Subjektorientierung und damit an einer Anknüpfung<br />

an den Wahrnehmungen, Erfahrungen und Lebenswirklichkeiten<br />

der Seminarteilnehmenden, ergab sich z.T. eine unausgewogene Situation.<br />

Durch <strong>die</strong> Erschütterung der alltäglichen Geschlechterkonstruktionen bestünde<br />

<strong>die</strong> Gefahr des Widerstands der Teilnehmenden, bei der Würdigung<br />

aller Einzelwahrnehmungen hingegen könne der Eindruck der Willkür entstehen,<br />

wodurch ein Festhalten an gewohnten Zuschreibungen befördert<br />

werden könne. Hier eine Ausgewogenheit herzustellen, erschien als zentrale<br />

Herausforderung in <strong>die</strong>sen Seminaren.<br />

Von einigen GeQuaB-Teilnehmenden wurde auch beschrieben, dass Geschlechterstereotype<br />

von den Teilnehmenden ihrer Seminare nicht als beschränkend<br />

oder unzutreffend wahrgenommen wurden. Sowohl auf sprachlicher<br />

Ebene, als auch auf der Wahrnehmungsebene wurden geschlechterdifferenzierende<br />

und geschlechterhierarchisierende Sprache und Haltung<br />

identifiziert. Dieses Ungleichgewicht dahingehend aufzulösen, dass <strong>die</strong><br />

Konstruktion von Geschlecht deutlich und zumindest alternative Geschlechterkonstrukte<br />

denkbar werden, wurde von den GeQuaB-Teilnehmenden als<br />

schwer zu realisieren bewertet.<br />

Ausblick und Verstetigung<br />

Durch <strong>die</strong> Projekte der Teilnehmenden wurden Möglichkeiten aufgezeigt,<br />

<strong>die</strong> Frage nach der Bedeutung von <strong>Gender</strong> in der außerschulischen Jugend-<br />

und Erwachsenenbildung zu berücksichtigen. Hinsichtlich der ausgewählten<br />

Themen, Methoden und Didaktik ergeben sich in den kooperierenden Verbänden<br />

good-practice-Beispiele, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Umsetzung der Strategie <strong>Gender</strong><br />

Mainstreaming in der <strong>Bildungsarbeit</strong> konkreter werden lassen. Z.T. konnte<br />

durch das Praxisprojekt das Thema <strong>Gender</strong> erstmals an einen Personenkreis<br />

herangetragen und dort bekannt gemacht werden. Das hat in einigen<br />

Fällen dazu geführt, dass Teilnehmende der Praxisprojekte selbst Interesse<br />

an einem <strong>Gender</strong>-Training entwickelt und einige auch teilgenommen haben.


<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Bildungspraxis - 169 -<br />

Es waren sich alle Teilnehmenden einig, dass <strong>die</strong> Berücksichtigung von<br />

<strong>Gender</strong>-Aspekten Vorteile gebracht habe und dass <strong>Gender</strong>-Aspekte auch<br />

künftig bei der Durchführung des Seminars berücksichtigt werden sollen.<br />

Von den meisten Teilnehmenden wurde konstatiert, dass eine Weiterentwicklung<br />

der eigenen <strong>Bildungsarbeit</strong> insgesamt stattgefunden hat. In den<br />

Veranstaltungen wurde beispielhaft verdeutlicht, wie <strong>die</strong> Berücksichtigung<br />

von <strong>Gender</strong>-Aspekten in der <strong>Bildungsarbeit</strong> einen Beitrag zur Qualität der<br />

Arbeit leisten kann. Bei der alltäglichen Arbeit (zum Teil mit MultiplikatorInnen<br />

oder in Gremien und Arbeitskreisen) wird der Bereich <strong>Gender</strong> einen<br />

größeren Stellenwert bekommen. Dadurch wird <strong>die</strong> Erkenntnis gestützt,<br />

dass teilnehmendenorientierte Seminargestaltung nicht ohne Einbezug der<br />

Kategorie Geschlecht möglich ist. Dennoch wurde auch auf <strong>die</strong> strukturelle<br />

Bedingtheit von Ungleichheitsfaktoren aufmerksam gemacht, <strong>die</strong> mit einzelnen<br />

Angeboten nicht aufgelöst werden kann.<br />

Im Rahmen <strong>die</strong>ser Veröffentlichung können nicht alle 35 Praxisprojekte<br />

dargestellt werden. Im Folgenden berichten Martin Karolczak, Monika Engel<br />

und Manfred Nousch, Volker Kurzweg, Eva Meyer und Monika Rietze, Elke<br />

Wilhelm, Christian Reichert sowie Jörg Bewersdorf über ihre sieben Praxisprojekte,<br />

<strong>die</strong> sie als Teilnehmende an dem Modellprojekt GeQuaB durchgeführt<br />

haben. Sie stellen jeweils <strong>die</strong> Planung, Durchführung und den Verlauf<br />

der Projekte vor, um anschließend ihr Fazit zu ziehen. Andere Praxisprojekte<br />

wurden bei zwei Workshops des GeQuaB-Projektes vorgestellt und<br />

dokumentiert (vgl. Derichs-Kunstmann 2007 und 2008).<br />

Die Darstellungen der Erfahrungen aus den sieben Praxisprojekten sollen<br />

einen Eindruck von der Vielfalt der Umsetzungsmöglichkeiten von <strong>Gender</strong>-<br />

<strong>Kompetenz</strong> in der Bildungspraxis geben und gleichzeitig zur Nachahmung<br />

anregen.


- 170 -<br />

4.2 Jungen sind anders, Lehrerinnen auch<br />

Martin Karolczak<br />

Das Konzept der Veranstaltung<br />

Martin Karolczak<br />

Das Interesse an Jungen und damit auch an pädagogischen Konzepten<br />

zum Umgang mit ihnen, hatte im Fahrwasser der bundesdeutschen Analyse<br />

der PISA Stu<strong>die</strong> zumindest als mediales Thema einen gehörigen Aufschwung<br />

erfahren. Die Begeisterung <strong>für</strong> <strong>die</strong>se, an sich positive, Entwicklung<br />

verflüchtigte sich jedoch schnell, da Jungen abermals mehrheitlich defizitorientiert<br />

wahrgenommen wurden. Die Schlussfolgerungen aus der<br />

PISA-Analyse sahen Jungen nach den Mädchen als „neue“ Verlierer in einer<br />

weiblich geprägten, koedukativen Schulpraxis scheitern (vgl. Beuster 2006).<br />

Es folgte <strong>die</strong> seit Ende der achtziger Jahre bekannte und an sich richtige<br />

Forderung nach mehr Männern in der Erziehung (vgl. Winter/ Willems<br />

1991). Allerdings berücksichtigt <strong>die</strong>se Forderung nicht <strong>die</strong> Tatsache, dass<br />

bis heute nur wenige Männer bereit sind, sich gerade in der frühkindlichen<br />

Erziehungspraxis zu qualifizieren bzw. dort zu arbeiten. Der öffentlichen<br />

Forderung nach mehr Männern, insbesondere in <strong>die</strong>sem Bereich der Erziehungspraxis,<br />

kann aufgrund des allgemeinen Mangels von Männern in der<br />

Pädagogik nicht entsprochen werden. Zurück bleiben Pädagoginnen, <strong>die</strong><br />

sich mit Jungen konfrontiert sehen, denen der Analyse nach vor allem<br />

männliche Vorbilder fehlen.<br />

Im Rahmen der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> entstand <strong>die</strong> Idee, eine Fortbildung<br />

zum Thema „Jungenarbeit <strong>für</strong> Frauen“ zu entwickeln und anzubieten. In<br />

der Auseinandersetzung um eine an Jungen gerichtete Pädagogik wird zwischen<br />

Jungenarbeit, Jungenpädagogik und Jungenerziehung unterschieden.<br />

Diese Differenzierung ist <strong>für</strong> <strong>die</strong> pädagogische Praxis von Bedeutung,<br />

um z.B. geschlechtshomogene Jungenarbeit, eine von Männern an Jungen<br />

gerichtete Pädagogik, von der allgemeinen Jungenerziehung zu unterscheiden,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Gesamtheit der beeinflussenden Faktoren in der Sozialisation<br />

von Jungen beschreibt.


Jungen sind anders, Lehrerinnen auch<br />

Ziele und Zielgruppe<br />

- 171 -<br />

Die Veranstaltung „Jungen sind anders, Lehrerinnen auch“ ist dem Bereich<br />

der Jungenpädagogik zuzuordnen, einer speziell an Jungen gerichteten Pädagogik,<br />

<strong>die</strong> nicht auf geschlechtshomogener Arbeit basiert. Eine solche<br />

Pädagogik benötigt selbstverständlich eigene Konzepte und stellt besondere<br />

Anforderungen an <strong>die</strong> in ihnen wirkenden Akteure und Akteurinnen.<br />

In dem Projekt, dass sich an Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen<br />

richtete, <strong>die</strong> mit Jungen arbeiten, sollte der Versuch unternommen werden,<br />

<strong>die</strong> Pädagoginnen dahingehend zu unterstützen, <strong>die</strong> eigene praktische Arbeit<br />

<strong>für</strong> sie und <strong>die</strong> Jungen zufriedenstellender, im Sinne einer Deeskalation<br />

vorhandener Konflikte mit Jungen, durchzuführen und Qualitätsverbesserungen<br />

im Bezug auf <strong>die</strong> geschlechterbezogenen, pädagogischen Praktiken<br />

einzuleiten. Es war das Hauptziel der Veranstaltung, <strong>die</strong> Pädagoginnen in<br />

ihrer täglichen Praxis zu unterstützen, indem durch Information und angeleitete<br />

Reflexion der eigenen Praxis mit Jungen der pädagogische Alltag<br />

erleichtert und verbessert werden sollte.<br />

Weitere Ziele der Veranstaltungen waren dementsprechend:<br />

1. <strong>die</strong> Pädagoginnen <strong>für</strong> ihre eigene Geschlechterwahrnehmung zu sensibilisieren,<br />

2. über Sozialisationsbedingungen von Jungen zu informieren,<br />

3. zu Zielen einer geschlechtergerechten Pädagogik fernab biologischer<br />

Funktionszuweisungen zu arbeiten, sowie<br />

4. Mut zu machen, den pädagogischen Alltag mit Jungen leichter zu meistern.<br />

Zielgruppe waren Pädagoginnen, <strong>die</strong> insbesondere in der frühkindlichen<br />

Entwicklung arbeiten, weil der Mangel von Männern in <strong>die</strong>sem Berufsfeld<br />

besonders deutlich ist und – so <strong>die</strong> Annahme des Leitungsteams – dementsprechend<br />

auch der Bedarf nach Information und Fortbildung besonders<br />

hoch. Die Zielgruppe wurde bewusst geschlechtshomogen ausgewählt, weil<br />

<strong>die</strong> pädagogische Interaktion zwischen Frauen und Jungen anders verläuft<br />

als <strong>die</strong> Interaktion zwischen Männern und Jungen.<br />

Zusätzlich gibt es <strong>die</strong> Erfahrung, dass es viel schwieriger ist, Männer <strong>für</strong><br />

geschlechtsbezogene Ansätze zu begeistern, als <strong>die</strong>s bei Frauen der Fall ist.<br />

Folgerichtig lag der inhaltliche Schwerpunkt nicht darin, Männer <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Praxis der geschlechtssensiblen Arbeit zu gewinnen. Es ging vielmehr da-


- 172 -<br />

Martin Karolczak<br />

rum, mit der Weitergabe von Erfahrungen aus der praktischen Arbeit mit<br />

Jungen, der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Reflexion<br />

der pädagogischen Praxis <strong>die</strong> Qualität der Arbeit der Teilnehmerinnen zu<br />

verbessern.<br />

Es sollte geworben werden <strong>für</strong> einen wertschätzenden, jungenpädagogischen<br />

Blick, der zum Beispiel Raufen unter Jungen nicht nur verurteilt und<br />

als Störung empfindet, sondern auch als Form der Körperorientiertheit unter<br />

Jungen deuten kann. Den Teilnehmerinnen sollte <strong>die</strong> Möglichkeit gegeben<br />

werden, sich besser auf <strong>die</strong> Jungen einstellen zu können, um so einen<br />

entspannteren Zugang zu ihnen und sogar zu sich selbst zu finden, in dem<br />

Sinne, dass sie zufriedener mit ihrer Arbeit sind und eigene männlich konnotierte<br />

Anteile verstärkt zulassen können.<br />

Das Fehlen von Männern in der Entwicklung der Jungen hat dabei sowohl<br />

psychologische, wie es Winter beschreibt (vgl. Böhnisch/Winter 1993), als<br />

auch gesellschaftliche Einflüsse, wie sie bei Connell (vgl. Connell 1999) und<br />

Glücks/Ottemeier-Glücks (vgl. Glücks/Ottemeier-Glücks 1994) beschrieben<br />

werden. Die fehlenden männlichen Orientierungsfiguren in der Entwicklung<br />

von Jungen führen demnach zu einer auf Abgrenzung und Abwertung von<br />

Frauen basierenden Identitätsbildung. Die Folge ist, wie auch bei Hagemann-White<br />

(vgl. Hageman-White 1984) beschrieben, <strong>die</strong> Negation des<br />

Weiblichen und besondere Herauskehrung alles Männlichen. Jungen zu<br />

unterstützen, <strong>die</strong>se vermeintlich weiblichen Anteile zu leben und sich zu<br />

probieren, wäre eine pädagogische Konsequenz, <strong>die</strong> auch Frauen im Umgang<br />

mit Jungen praktizieren können.<br />

Geschlechtertheoretische Perspektive<br />

Der Einsatz von Methoden und <strong>die</strong> didaktische Herangehensweise wurden<br />

ebenfalls durch eine geschlechtertheoretische Perspektive bestimmt. Wenn<br />

davon auszugehen ist, dass <strong>Gender</strong> keine feste Größe ist, sondern eine Kategorie,<br />

<strong>die</strong> veränderbar ist und <strong>die</strong> wiederum durch verschiedene Größen<br />

wie Alter, biologisches Geschlecht, kultureller und religiöser Hintergrund,<br />

Herkunft (ländlich, städtisch, Migration) beeinflusst wird, gibt es auch nicht<br />

das eine kulturelle Verständnis eines gelebten geschlechtlichen Seins, sondern<br />

eine Vielzahl von Varianten. Daraus resultierend ergibt sich eine pädagogische<br />

Haltung, <strong>die</strong> offen und interessiert an der Lebensweltorientierung<br />

der Teilnehmenden und ihres Klientels sein muss. Nur wenn bekannt ist,<br />

wie sich <strong>die</strong> Teilnehmenden selbst und <strong>die</strong> ihnen anvertrauten Jungen ge-


Jungen sind anders, Lehrerinnen auch<br />

- 173 -<br />

schlechterbezogen verorten, kann darauf didaktisch und methodisch eingegangen<br />

und aufgebaut werden. In der Praxis bedeutete das, dass <strong>die</strong><br />

wichtigsten didaktischen Prinzipien <strong>die</strong> Teilnehmerinnen- und <strong>die</strong> Prozessorientierung<br />

waren. Die Teilnehmerinnen erhielten daher zu Beginn der<br />

Veranstaltungen <strong>die</strong> Möglichkeit, ihre eigenen Wahrnehmungen darzustellen,<br />

von eigenen Erfahrungen zu berichten, hier insbesondere den Schwierigkeiten<br />

im Umgang mit Jungen, um sie anschließend zu reflektieren.<br />

Bei der Methodenauswahl ist zudem darauf geachtet worden, dass <strong>die</strong> Methoden<br />

zur Gruppe der Teilnehmerinnen und zur Seminarsituation passten.<br />

Das bedeutet, dass <strong>die</strong> Methodenwahl flexibel und von Gruppe zu Gruppe<br />

unterschiedlich gehandhabt wurde. Während mit der Gruppe der Erzieherinnen<br />

beispielsweise eine gender-bezogene Raumanalyse durchgeführt<br />

wurde, fand mit der Gruppe der Lehrerinnen eine Analyse der Unterrichtsmaterialien<br />

statt.<br />

Tatsächlich gelang es im Rahmen der Veranstaltungen, <strong>die</strong> Frauen nach<br />

ihren männlich konnotierten, ihren „Jungenanteilen“ suchen zu lassen. Damit<br />

sind Fähigkeiten gemeint, <strong>die</strong> verstärkt an den Interessen von Jungen<br />

orientiert sind und <strong>die</strong>se im Sinne einer Teilnehmerorientierung be<strong>die</strong>nen<br />

können. Damit war das Ziel verbunden, <strong>die</strong> den Erzieherinnen zur Verfügung<br />

stehenden Möglichkeiten im Kontakt mit den Jungen zu erhöhen. Das<br />

Interesse an dem neuen Angebot der Bildungsstätte war so groß, dass -<br />

obwohl nicht mehr geworben wurde als es bei anderen Veranstaltungen<br />

der Bildungsstätte üblich war - drei Nachmittage statt eines geplanten<br />

Nachmittags durchgeführt werden konnten. Die Fortbildungen begannen<br />

jeweils um 14.00 Uhr und endeten in der Regel um 19.00 Uhr.<br />

Aufgrund einer Anweisung des Bildungsministeriums in Schleswig-Holstein<br />

dürfen Lehrkräfte <strong>für</strong> Fortbildungen keinen Unterricht mehr ausfallen lassen.<br />

Das bedeutet, dass Veranstaltungen nur noch an Nachmittagen oder<br />

an Wochenenden stattfinden dürfen. Aus <strong>die</strong>sem Grund ist <strong>die</strong> Fortbildung<br />

als nachmittägliche Veranstaltung konzipiert worden. Die erste Fortbildung<br />

fand im Februar 2006 statt, <strong>die</strong> weiteren Veranstaltungen im Herbst 2006.


- 174 -<br />

Durchführung und Ablauf der Veranstaltungen<br />

Martin Karolczak<br />

Bei der ersten Veranstaltung handelte es sich um eine allgemein an in<br />

Grundschulen und Kindertagesstätten tätige Pädagoginnen gerichtete Fortbildung.<br />

Dieses Vorgehen wurde bei den folgenden Veranstaltungen verändert,<br />

da im ersten Durchgang deutlich wurde, dass <strong>die</strong> Berufsfelder offensichtlich<br />

zu verschieden sind, um sie gemeinsam zu bearbeiten. Außerdem<br />

war das Verhältnis ungleich verteilt. An der ersten Veranstaltung nahmen<br />

nur 2 Lehrerinnen und 18 Erzieherinnen teil. Die beiden Lehrkräfte verließen<br />

<strong>die</strong> Fortbildung leider ohne Angaben von Gründen nach circa der Hälfte<br />

der Zeit. Daraufhin sind der zweite und der dritte Durchgang anders konzipiert<br />

worden.<br />

Für beide Zielgruppen wurden getrennte Fortbildungen entwickelt. Auch<br />

inhaltlich wurde unterschieden. Während <strong>die</strong> Erzieherinnen eine Raumanalyse<br />

unternahmen, um in Kleingruppen zu erkunden, wo und was Jungen<br />

und Mädchen und mit welchen Gerätschaften spielen, sind in der Veranstaltung<br />

mit den Lehrkräften schwerpunktmäßig Schulbücher auf ihre Konstruktion<br />

von Geschlechterbildern hin analysiert worden. Mit den Erzieherinnen<br />

sind so genannte Spielecken auf <strong>die</strong> Frequentierung von Jungen und<br />

Mädchen hin untersucht worden. Gemeinsam war allen Veranstaltungen:<br />

�� der thematische Einstieg durch eine Assoziationsübung mit Jungenmotiven<br />

auf Postkarten und anschließender gemeinsamer Themenfindung,<br />

�� der theoretische Input zu den Sozialisationsbedingungen von Jungen<br />

sowie<br />

�� <strong>die</strong> Einführung in das Sex- und <strong>Gender</strong>-Modell und<br />

�� <strong>die</strong> gemeinsame abschließende Feedbackrunde.<br />

Bewertung und Einschätzung im Hinblick auf <strong>die</strong> geschlechterbezogene<br />

Zielsetzung<br />

Im Anschluss an den Kurzvortrag und <strong>die</strong> Analyse des eigenen Arbeitsfeldes<br />

tauschten <strong>die</strong> Teilnehmerinnen sich zu den folgenden Fragen in Kleingruppen<br />

aus:<br />

1. Was brauchen meine Jungs (<strong>die</strong> „Wilden“ und <strong>die</strong> „Leisen“)?<br />

2. Was kann ich Ihnen bieten (meine Jungentalente, meine besonderen<br />

<strong>Kompetenz</strong>en)?


Jungen sind anders, Lehrerinnen auch<br />

- 175 -<br />

3. Wie kann ich <strong>die</strong> Jungen locken zu anderem, nicht rollenkonformen<br />

Verhalten?<br />

Die zweite Frage war bei der Vorstellung der Arbeit aus den Kleingruppen<br />

besonders interessant, weil viele Frauen ihre Fähigkeiten nicht als Jungentalente<br />

bezeichneten bzw. <strong>die</strong>se eher bedeckt hielten. Eine Frau konnte<br />

zum Beispiel gut werken. Die Werkbank im Kindergarten war aber verwahrlost,<br />

seit in der Einrichtung kein Zivil<strong>die</strong>nstleistender mehr arbeitete.<br />

Selbst etwas aus dem Bereich technisches Werken anzubieten, kam ihr bis<br />

dato nicht in den Sinn.<br />

Viele Vorschläge und Ideen wie <strong>die</strong>se wurden im Rahmen der Veranstaltungen<br />

entwickelt. Sie basierten alle auf der pädagogischen Idee, <strong>die</strong> Jungen<br />

dort abzuholen, wo sie stehen, also <strong>für</strong> Jungen attraktive Angebote zu<br />

schaffen, <strong>die</strong> ihren Interessen entsprechen. Sollten <strong>die</strong> Überlegungen hier<br />

allerdings enden, entstünden neue Probleme, da Jungen allenfalls in ihrem<br />

geschlechtsbezogenen Sein unterstützt würden. Und wenn <strong>die</strong>ses Rollenselbstverständnis<br />

auf Abwertung anderer basiert, verwoben ist mit der Idee<br />

Konflikte mit Gewalt zu lösen, also problematische Männerbilder zur<br />

Grundlage hat, würden schlimmstenfalls Klischees reproduziert bzw. unterstützt<br />

und gefördert.<br />

Lediglich eine Teilnehmerin äußerte sich dahingehend, dass in ihrer Einrichtung<br />

explizit darauf geachtet wird, dass auch Jungen mit der Verkleidungskiste<br />

spielen. Sie berichtete, dass Jungen, <strong>die</strong> gerne mal Kleider anprobieren<br />

möchten und deshalb von den anderen Kindern, Jungen wie Mädchen,<br />

verlacht werden, seit geraumer Zeit Unterstützung <strong>für</strong> ihr Vorgehen erhalten.<br />

Mittlerweile sei es so, dass Jungen, <strong>die</strong> sich nicht den gängigen Rollennormen<br />

entsprechend verkleideten, nicht mehr ausgelacht würden.<br />

Vielen Lehrerinnen und Erzieherinnen fehlt <strong>die</strong> Vorstellung eines anderen,<br />

alternativen Bildes davon, wie ein Mann zu sein bzw. ein Junge zu werden<br />

hat. Die Analyse der eigenen Konstruktionen von Männlichkeit und „Junge<br />

sein“ unter den Teilnehmerinnen ist nicht thematisiert worden. Hier liegt<br />

aber ein wichtiger Aspekt verborgen, da <strong>die</strong> Frauen in ihrer Berufstätigkeit,<br />

in ihrem Kontakt zu den Jungen, ihr eigenes Verständnis von Männlichkeit<br />

auf <strong>die</strong> Jungen projizieren und daher gewisse Handlungen fördern bzw.<br />

sanktionieren. Dieser Aspekt ist leider überhaupt nicht behandelt worden.<br />

Falsche Schlussfolgerungen daraus waren Äußerungen der Teilnehmerinnen<br />

dahingehend, dass das Abbilden einer Baustelle in einem Lesebuch<br />

bereits ein Anreiz <strong>für</strong> Jungen sei zu lernen. Wie auf <strong>die</strong>ser Baustelle jedoch


- 176 -<br />

Martin Karolczak<br />

Männlichkeit und Weiblichkeit dargestellt und konstruiert wird, wurde nicht<br />

problematisiert. Auch hier ist natürlich <strong>die</strong> Gefahr gegeben, dass Klischees<br />

und damit zusammenhängende Probleme verstärkt werden.<br />

In den Abschlussrunden wurde immer wieder rückgemeldet, dass der<br />

praktische Teil zu kurz kam. Die vertiefende Bearbeitung der oben dargestellten<br />

Fragen, das Entwickeln konkreter Vorschläge aus den Ideen der<br />

Kleingruppenarbeit konnte aus Zeitgründen nicht stattfinden. Hier muss<br />

man vielleicht selbstkritisch anmerken, dass <strong>die</strong> Ausschreibung etwas verhieß,<br />

was eine kurze Fortbildung am Nachmittag nicht umzusetzen vermag:<br />

praktische Ansätze zur Jungenförderung kennen zu lernen. Erschwerend<br />

kam hinzu, dass viele Teilnehmerinnen, im Besonderen <strong>die</strong> Lehrerinnen,<br />

mit der Erwartung kamen, fertige pädagogische Rezepte zu erhalten. Aus<br />

oben genannten Gründen ist das aber natürlich nicht möglich.<br />

Da zu dem Kreis der Teilnehmerinnen aber auch Frauen gehörten, <strong>die</strong> sich<br />

wider Erwarten noch nie mit <strong>die</strong>ser Geschlechterthematik auseinander gesetzt<br />

hatten, reichte <strong>für</strong> sie <strong>die</strong> Zeit nicht aus, <strong>die</strong> Gänze der angebotenen<br />

Themen zu erfassen. Sich selbst als Person in den Geschlechtertheorien zu<br />

verorten und zusätzlich <strong>die</strong> Wechselwirkung der eigenen geschlechtlichen<br />

Konstruktion mit dem geschlechtlichen Werden der zu betreuenden Kinder<br />

zu verbinden, gelang nicht allen Teilnehmerinnen.<br />

Eine Schwierigkeit aller drei Veranstaltungen war auch der extrem unterschiedliche<br />

Wissensstand der Teilnehmerinnen. Einige von ihnen hatten


Jungen sind anders, Lehrerinnen auch<br />

- 177 -<br />

sich noch nie mit dem Thema auseinander gesetzt, bei anderen lag es<br />

lange zurück und wieder andere waren selbst über aktuelle Entwicklungen<br />

der Geschlechterforschung informiert. Letztere hatten in der Folge eher an<br />

praxisorientierten Einheiten Interesse. Trotz der Kürze der Zeit sind aus<br />

<strong>die</strong>sem Grund soziographische Übungen durchgeführt worden, bei denen<br />

sich <strong>die</strong> Teilnehmerinnen entsprechend ihres Wissenstandes im Raum verteilten.<br />

Anhand der Aufstellungen konnte <strong>die</strong> Leitung sehen, wo <strong>die</strong> Teilnehmerinnen<br />

in der Auseinandersetzung mit dem Thema stehen und konnte<br />

dann <strong>die</strong> Vorerfahrungen bei der Durchführung inhaltlich berücksichtigen.<br />

Je nach Wissensstand ergaben sich viele Veränderungen im Ablauf<br />

ausgesprochen kurzfristig.<br />

Um <strong>die</strong> Orientierung an den Interessen der Teilnehmerinnen umzusetzen,<br />

wurden Methoden verwendet, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Gruppe in <strong>die</strong> Planung und <strong>die</strong> Entwicklung<br />

des Verlaufs eingebunden haben. Zu Beginn wurden assoziative<br />

Methoden eingesetzt. Thema war <strong>die</strong> Wahrnehmung der Jungen im pädagogischen<br />

Arbeitsalltag. Die Assoziationen wurden auf Metaplanwänden<br />

festgehalten und nach Themenfeldern gegliedert. Am Ende der jeweiligen<br />

Veranstaltung sind <strong>die</strong> am Nachmittag behandelten Themen mit den im<br />

Vorfeld gegliederten abgeglichen worden, um zu sehen, ob <strong>die</strong> angesprochenen<br />

Themen zufrieden stellend behandelt worden sind. Die Sozialformen<br />

sind häufiger gewechselt worden. Es ist in Einzelarbeit, Kleingruppen<br />

und häufig im Plenum gearbeitet worden.<br />

Die Rahmenbedingungen erwiesen sich im Nachhinein als ungünstig, da<br />

das Thema zu umfangreich war, um es gänzlich zu durchdringen. Generell<br />

lässt sich sagen, dass <strong>die</strong> drei Veranstaltungen alle an der wenigen Zeit<br />

krankten, <strong>die</strong> zur Verfügung stand. An allen drei Nachmittagen wurde<br />

deutlich, dass <strong>die</strong> Zeit nicht reicht, um parallel eigenes Verhalten zu reflektieren,<br />

zu lernen Geschlechterstereotype zu erkennen und praktische Ideen<br />

zu entwickeln, <strong>die</strong> den Arbeitsalltag mit Jungen verbessern helfen. Die Ziele<br />

konnten zwar erreicht werden, aber eben nicht mit allen Teilnehmenden<br />

und nicht im gewünschten Maße ausdifferenziert.<br />

Ausblick<br />

Keine in <strong>die</strong>sem Jahr geplante und an Männer gerichtete Veranstaltung der<br />

Bildungsstätte aus dem Themenbereich „Geschlechtsbezogene Pädagogik“<br />

konnte durchgeführt werden. Alle Veranstaltungen mussten wegen mangelnder<br />

Anmeldezahlen abgesagt werden. Es ist also auch aus wirtschaftli-


- 178 -<br />

Martin Karolczak<br />

chen Gründen eine Veranstaltungsform gewählt worden, <strong>die</strong> <strong>die</strong> hohen<br />

Vorbereitungskosten durch intensive Vorarbeit rechtfertigte, weil <strong>die</strong> Aussicht<br />

auf Durchführung hoch war.<br />

Die in der Jungenarbeit Aktiven sollten jedoch - besonders vor dem Hintergrund<br />

der ungleichen Geschlechterverhältnisse in der frühkindlichen Erziehung<br />

- beginnen, anders zu denken und das eigene Selbstverständnis der<br />

Arbeit zu Gunsten einer Erweiterung des Ansatzes kritisch zu überprüfen.<br />

Das bedeutet auch, den Dialog mit den pädagogisch tätigen Frauen zu suchen.<br />

Jungenarbeit bzw. <strong>die</strong> an Jungen gerichtete Pädagogik sollte als gemeinsame<br />

Sache verstanden werden und nicht mehr länger Aufgabe eines<br />

Geschlechts sein.<br />

Literatur<br />

Beuster, Frank: Die Jungenkatastrophe. Das überforderte Geschlecht. Reinbek<br />

bei Hamburg 2006<br />

Böhnisch, Lothar/ Winter, Reinhard: Männliche Sozialisation. Bewältigungsprobleme<br />

männlicher Geschlechtsidentität im Lebenslauf. Weinheim 1993.<br />

Connell, Robert W.: Der gemachte Mann, Konstruktion und Krise von Männlichkeiten.<br />

Opladen 1999<br />

Glücks, Elisabeth/ Ottemeier-Glücks, Franz Gerd (Hrsg.): Geschlechtsbezogene<br />

Pädagogik. Ein Bildungskonzept zur <strong>Qualifizierung</strong> koedukativer Praxis<br />

durch parteiliche Mädchenarbeit und antisexistische Jungenarbeit. Münster<br />

1994<br />

Hagemann-White, Carol: Sozialisation: weiblich-männlich? Opladen 1984<br />

Winter, Reinhard/ Willems, Horst (Hrsg.): Was fehlt sind Männer! Ansätze<br />

praktischer Jungen- und Männerarbeit. In: Reihe Männermaterial, Band 2.<br />

Tübingen 1991


Grundqualifizierung <strong>für</strong> Kursleitende an Volkshochschulen - 179 -<br />

4.3 Grundqualifizierung <strong>für</strong> Kursleitende<br />

an Volkshochschulen<br />

Monika Engel, Manfred Nousch<br />

Das Projektvorhaben<br />

Beim Landesverband der Volkshochschulen Nordrhein-Westfalen wird seit<br />

einigen Jahren das Konzept der Erwachsenenpädagogischen Grundqualifikation<br />

<strong>für</strong> Kursleitende an Volkshochschulen erfolgreich durchgeführt. In<br />

sechs Modulen werden insbesondere neue Kursleitende aller Fachbereiche<br />

methodisch und didaktisch <strong>für</strong> <strong>die</strong> Weiterbildung mit Erwachsenen qualifiziert.<br />

Im bisherigen Konzept wurden geschlechtergerechte Grundsätze<br />

nicht explizit angesprochen.<br />

Für das Modul 1 „Volkshochschule als Lernort und Aufgabenfeld“ sollte im<br />

Rahmen des Praxisprojektes der <strong>Gender</strong>-Ansatz verankert werden. Geplant<br />

wurde ein eintägiges Seminar, das sich an neue und bereits im VHS-Bereich<br />

tätige Kursleitende richtete. Veranstaltungsort war <strong>die</strong> Volkshochschule<br />

Herten, da dort Module der Grundqualifikation <strong>für</strong> Kursleitende seit<br />

längerer Zeit mit Erfolg durchgeführt wurden.<br />

Seminarkonzept<br />

Für das geplante Seminar wurde bewusst keine neue Konzeption gewählt.<br />

Vielmehr war das Ziel, <strong>die</strong> bereits bestehende Seminarkonzeption des ersten<br />

Moduls zu „gendern“, d.h. <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkte in allen Phasen der<br />

bestehenden Materialien zu thematisieren.<br />

Das Modul „Volkshochschule als Lernort und Aufgabenfeld“ umfasst insgesamt<br />

fünf Phasen:<br />

Phase 1: Motive und Selbstverständnis der Kursleitenden im Kontext der<br />

Erwartungen und Anforderungen<br />

Phase 2: Strukturmerkmale, AkteurInnen und Aufgaben der VHS<br />

Phase 3: Lernerfahrungen und erfolgreiches Lernen von Erwachsenen<br />

Phase 4: Die Veranstaltungsankündigung als Orientierungsinstrument<br />

Phase 5: Seminarrückmeldung und Ausblick


- 180 -<br />

Monika Engel, Manfred Nousch<br />

Die vorgenannten Phasen wurden durch eine eigenständige Einheit „Was<br />

ist <strong>Gender</strong> Mainstreaming“ ergänzt.<br />

Im Rahmen der Grundqualifikation <strong>für</strong> Kursleitende an Volkshochschulen ist<br />

es das Ziel des ersten Moduls, zum Einen kurz und prägnant über <strong>die</strong> institutionellen,<br />

organisatorischen und inhaltlichen Rahmenbedingungen der<br />

Weiterbildungseinrichtung VHS zu informieren. Zum Anderen geht es um<br />

<strong>die</strong> Klärung von Motiven und Zielsetzungen der Kursleitenden sowie um <strong>die</strong><br />

Reflexion des eigenen Selbstverständnisses im Kontext teilweise unterschiedlicher<br />

Erwartungshaltungen zwischen Kursleitung und Volkshochschule.<br />

Über <strong>die</strong>se Zielformulierungen hinaus, war es <strong>für</strong> das Praxisprojekt<br />

wichtig, Selbstverständnis von Kursleitung und Einrichtung unter dem Gesichtspunkt<br />

des <strong>Gender</strong> Mainstreaming zu reflektieren.<br />

Als Vorbereitung zu dem Praxisprojekt wurden daher alle Arbeitsanleitungen<br />

und Informationsblätter unter dem Blickwinkel der erweiterten Zielstellung<br />

<strong>Gender</strong> Mainstreaming analysiert und teilweise ergänzt bzw. überarbeitet.<br />

Die geplante Seminarveranstaltung wurde unter dem Titel „Kurs auf <strong>Gender</strong>kompetenz<br />

– Erwachsenenpädagogische Grundqualifikation und <strong>Gender</strong><br />

Mainstreaming“ ausgeschrieben. Zielgruppe <strong>für</strong> das Seminar waren, wie bei<br />

der Grundqualifikation selbst, Kursleitende der Volkshochschule Herten, <strong>die</strong><br />

noch keine <strong>die</strong>ser Fortbildungen wahrgenommen hatten oder <strong>die</strong>ses Modul<br />

als Ergänzung zur Grundqualifikation besuchen konnten (siehe Ausschreibungstext/<br />

Zielgruppenansprache).<br />

Der inhaltliche Schwerpunkt des bestehenden Seminarkonzeptes liegt in<br />

der Selbstreflexion der Kursleitenden und der Überprüfung von Motivation<br />

und Erwartungshaltung. Zusätzlich in den Focus genommen wurde das<br />

Verhältnis von Mann/Frau als soziale Kategorie in Bezug auf Themenauswahl,<br />

Ansprache von Teilnehmenden und eigene biografische Lernerfahrungen.<br />

Rahmenbedingungen<br />

Im Sinne des gewählten Ansatzes zur Reflexion des Geschlechterverhältnisses<br />

wurde das Seminar von einem gemischtgeschlechtlichen Team geleitet.<br />

Die ganztägige Veranstaltung fand an einem Samstag von 10.00 bis 17.00<br />

Uhr statt. Insgesamt bot <strong>die</strong> Einrichtung eine ruhige Arbeitsatmosphäre mit<br />

guten Möglichkeiten zur Entspannung zwischendurch.


Grundqualifizierung <strong>für</strong> Kursleitende an Volkshochschulen - 181 -<br />

Geschlechtertheoretische Verortung<br />

Ausgangspunkt <strong>für</strong> <strong>die</strong> Überarbeitung des Moduls 1 der Erwachsenenpädagogischen<br />

Grundqualifikation waren <strong>die</strong> Ansätze zu einer geschlechtergerechten<br />

Didaktik (Derichs-Kunstmann 1999; Baur/Marti 2000).<br />

„Was sich zwischen den Geschlechtern abspielt und woran wir alle mittun,<br />

Männer wie Frauen, sind hochkomplexe Wechselwirkungen, ist doing gender.<br />

Wenn wir <strong>die</strong> hartnäckig wirkungsmächtigen Rollenmuster erkennen<br />

und verändern wollen, <strong>die</strong> beide Geschlechter in je unterschiedlicher Weise<br />

daran hindern, ihr volles Potenzial zu entfalten, dann müssen wir den Blick<br />

auf <strong>die</strong>se Wechselwirkungen richten, auf Frauen und Männer gleichermaßen.(...)<br />

In Kursen kommen <strong>die</strong>selben Verhaltens- und Kommunikationsmuster<br />

zum Ausdruck wie im gewöhnlichen Alltag.“ (Baur/Marti 2000, S. 4).<br />

In den Angeboten der Erwachsenenbildung und damit natürlich der Volkshochschulen<br />

geht es um eine doppelte Betrachtung des Geschlechterverhältnisses.<br />

Zum Einen ist <strong>die</strong> Rolle der Kursleitung (männlich/weiblich) zu<br />

betrachten und zum Anderen <strong>die</strong> der Teilnehmenden (männlich/weiblich).<br />

Die genannten Stu<strong>die</strong>n zeigen <strong>die</strong> unterschiedlichen Strukturen sowohl in<br />

der Kursleitung als auch im Lernverhalten von Kursteilnehmenden auf.<br />

Aufgrund sozialer Rollenerwartungen lassen sich nach den vorliegenden Erkenntnissen<br />

unterschiedliche Lernstrategien bei Männern und Frauen beobachten,<br />

<strong>die</strong> mit männlichen und weiblichen Orientierungsmustern korrespon<strong>die</strong>ren.<br />

Dies wird insbesondere an den unterschiedlichen Kommunikationsstilen<br />

von Männern und Frauen verdeutlicht (vgl. Baur/Marti 2000, S. 26).<br />

Die soziale Konstruktion von Geschlecht bestimmt sowohl <strong>die</strong> Wahrnehmung<br />

als auch <strong>die</strong> Handlung der Kursleitenden und Teilnehmenden. In der<br />

Planung und Konzeption von Bildungsangeboten geht es daher darum, eine<br />

geschlechtergerechte Durchführung zu sichern und gleichzeitig <strong>die</strong> Prinzipien<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Gestaltung einer Bildungssituation mit Erwachsenen zu berücksichtigen.<br />

Methodisch-didaktische Aspekte<br />

Es geht bei <strong>die</strong>sem Praxisprojekt um <strong>die</strong> Thematisierung von geschlechtergerechtem<br />

Lernen in Kursangeboten der Weiterbildung an Volkshochschulen.<br />

Hierzu zählt auch <strong>die</strong> Reflexion von Methoden und Me<strong>die</strong>n in den Kursen<br />

und Seminaren unter <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten.


- 182 -<br />

Monika Engel, Manfred Nousch<br />

„Kurs auf <strong>Gender</strong>kompetenz –<br />

Erwachsenenpädagogische Grundqualifikation<br />

und <strong>Gender</strong> Mainstreaming“<br />

2. September 2006, Herten, 10.00 h Seminarbeginn<br />

Begrüßung und Vorstellung des Programms<br />

Vorstellung der Teilnehmenden:<br />

Was ist meine typisch „männliche“ bzw. „weibliche“ Eigenschaft?<br />

Erwartungen und Be<strong>für</strong>chtungen<br />

Was ist <strong>Gender</strong> Mainstreaming?<br />

�� eine kurze Definition<br />

�� Herkunft und Entwicklung des GM im politischen Kontext<br />

�� Umsetzungsmöglichkeiten:<br />

Checklisten <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong>, <strong>die</strong> 3R-Methode<br />

�� Schwierigkeiten bei der Umsetzung<br />

Erwartungen an <strong>die</strong> Kursleitenden und Rolle der Kursleitenden<br />

�� der „Vier-Ecken-Austausch“<br />

Eigene Lernerfahrungen<br />

�� meine Lerngeschichte<br />

Merkmale erfolgreichen Lernens <strong>für</strong> Männer und Frauen<br />

�� ein Input<br />

13.00 h - 13.45 h Mittagspause<br />

Strukturmerkmale und Konfliktfelder der Bildungseinrichtung VHS<br />

�� Was bedeutet <strong>die</strong>s <strong>für</strong> männliche und weibliche Kursteilnehmende?<br />

Klärung offener Fragen<br />

Auswertung des Seminartages<br />

�� das Seminar als Mahlzeit<br />

17.00 Uhr Seminarende


Grundqualifizierung <strong>für</strong> Kursleitende an Volkshochschulen - 183 -<br />

Die bereits bestehenden Materialien basieren auf dem Grundprinzip der<br />

Teilnehmendenorientierung. Dies bedeutet, dass bei der Grundkonzeption<br />

des Moduls bereits davon ausgegangen wurde, dass <strong>die</strong> Bedürfnisse und<br />

Interessen der Teilnehmenden einbezogen werden. Zusätzlich ist in der Gestaltung<br />

des Seminarangebotes <strong>die</strong> Geschlechterperspektive zu berücksichtigen.<br />

Ebenfalls beachtet wurde ein „ganzheitlicher“ Lernansatz, in dem<br />

kognitive und emotionale Lern-Elemente einander abwechselten.<br />

Bei der Auswahl der Methoden wurde auf den Wechsel von aktivierenden<br />

Arbeiten, Input und Me<strong>die</strong>neinsatz geachtet. Aufbau und Struktur des Seminars<br />

beinhalteten sowohl Einzel- als auch Gruppenarbeitsphasen, Plenumsdiskussionen<br />

und Kurzvorträge. Einzelne Aspekte zum <strong>Gender</strong> Mainstreaming<br />

wurden anhand von Folien erläutert (siehe hierzu auch Ablauf<br />

des Seminartages).<br />

Teilnehmende<br />

Das Seminarangebot richtete sich an Kursleitende aller Fachbereiche, da<br />

der Ansatz des <strong>Gender</strong> Mainstreaming perspektivisch in das gesamte Kursangebot<br />

der Volkshochschule Eingang finden soll. Aufgrund der Ausschreibung<br />

haben sich 11 Kursleitende angemeldet, davon 7 Frauen und vier<br />

Männer. Die Verteilung von Männern und Frauen im Seminar entspricht<br />

auch in etwa dem Verhältnis innerhalb der Kursleitenden der VHS. Erfreulich<br />

war aus der Sicht der Seminarleitung ebenfalls <strong>die</strong> gute Repräsentanz<br />

der unterschiedlichen Fachbereiche (Deutsch als Fremdsprache, Integrationskurse,<br />

Persönlichkeitsbildung, EDV, Sprachen, Gesundheit).<br />

Ablauf des Seminartages<br />

Phase 1:<br />

Ankommen/Einstieg in das Thema (50 Minuten)<br />

Zu Beginn des Seminars erfolgte zunächst eine Vorstellung der Seminarleitung<br />

sowie der teilnehmenden Evaluatorin. Die Vorstellungsrunde <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Teilnehmenden wurde mit einem thematischen Bezug verbunden. Neben<br />

den Erwartungen/Be<strong>für</strong>chtungen wurden alle Teilnehmenden gebeten, eine<br />

aus ihrer Sicht charakteristische weiblich/männliche Eigenschaft zu nennen.<br />

Diese Eigenzuschreibungen wurden gesammelt und auf Flipcharts visualisiert.<br />

Die genannten Eigenschaften bildeten gleichzeitig den Einstieg in <strong>die</strong><br />

Vorstellung des Konzepts „<strong>Gender</strong> Mainstreaming“. In einem Kurzvortrag


- 184 -<br />

Monika Engel, Manfred Nousch<br />

wurde <strong>die</strong> soziale Konstruktion von Geschlecht und dessen Konsequenzen<br />

erläutert. Die eingesetzten Folien sowie ein Grundlagentext wurden Teilnehmenden<br />

als Material <strong>für</strong> <strong>die</strong> eigenen Unterlagen ausgehändigt.<br />

Phase 2:<br />

Persönliche Hintergründe klären (60 Minuten)<br />

In der anschließenden Arbeitseinheit ging es um <strong>die</strong> Reflexion der eigenen<br />

Lernbiografie. Entsprechend den Lernzielen des ersten Moduls der erwachsenenpädagogischen<br />

Grundqualifikation werden hierbei vor allem positive<br />

persönliche Lernerfahrungen reflektiert.<br />

Instruktion zur Aufgabe:<br />

Meine eigene Lerngeschichte (Auszug)<br />

Meine Lerngeschichte – Einzelarbeit<br />

(ca. 5 Minuten)<br />

Aufgabe 1:<br />

Denken Sie bitte einen Moment über Ihr bisheriges Lernen in Schule,<br />

Hochschule und Weiterbildung nach. Was fällt Ihnen dabei spontan ein?<br />

Erinnern Sie sich an erfolgreiches Lernen oder eher an Misserfolge, z.B.<br />

beim Lernen von englischen Vokabeln oder mathematischen Formeln<br />

oder beim Be<strong>die</strong>nen des Computers oder beim Einprägen von Prüfungsstoff?<br />

Oder denken Sie lieber an gemeinsame Lernerfahrungen mit Schulkameraden,<br />

Kollegen/Kolleginnen, Freunden/Freundinnen oder wie Sie<br />

sich selbst etwas beigebracht haben?<br />

Gab es Unterschiede in der Wahrnehmung als Mann/Junge bzw. Frau/<br />

Mädchen?<br />

Nehmen Sie sich 5 Minuten Zeit zum Nachdenken und machen Sie sich<br />

bitte dazu ein paar Notizen.<br />

Die im Reader zur Grundqualifikation vorhandene Arbeitsanweisung war<br />

vorher von der Seminarleitung im Hinblick auf geschlechterbezogene Fragestellungen<br />

überarbeitet worden. So wurde z.B. <strong>die</strong> Frage nach dem Einfluss<br />

von Persönlichkeiten auf das Lernverhalten um <strong>die</strong> Frage nach männlichen<br />

bzw. weiblichen Vorbildern ergänzt.


Grundqualifizierung <strong>für</strong> Kursleitende an Volkshochschulen - 185 -<br />

Wie ich erfolgreich gelernt habe -<br />

Einzelarbeit mit Aufgabenblatt<br />

(ca. 30 Minuten)<br />

Aufgabe 2:<br />

Gehen Sie jetzt bitte in Gedanken noch einmal Ihre Lerngeschichte<br />

durch und versuchen Sie Beispiele <strong>für</strong> <strong>die</strong> folgenden 6 Fragenkomplexe<br />

zu finden:<br />

5. (Beispielsfrage)<br />

Welchen Einfluss hatten <strong>die</strong> Persönlichkeiten von Lehrenden auf Ihr<br />

Lernen und Ihren Lernerfolg?<br />

Wie haben Sie mit anderen kommuniziert, wenn Sie Ihr Lernen als<br />

erfolgreich und freudig erlebt haben?<br />

Und wie sind sie mit anderen umgegangen, wenn Sie blockiert und<br />

wenig erfolgreich waren?<br />

Gab es männliche/weibliche Vorbilder?<br />

Die im Rahmen der Auswertung der Einzelarbeit gesammelten Merkmale<br />

zum erfolgreichen Lernen bildeten <strong>die</strong> Einleitung zur nächsten Seminareinheit.<br />

Phase 3:<br />

Erfolgreiches Lernen von Erwachsenen (45 Minuten)<br />

Im nächsten Arbeitsschritt wurden <strong>die</strong> bereits vorgetragenen Merkmale anhand<br />

der erwachsenenpädagogischen Formen erfolgreichen Lernens gegliederte<br />

und im Plenum durch <strong>die</strong> Seminarleitung um zusätzliche Merkmale<br />

ergänzt. Das entsprechende – vorher überarbeitete – Kursmaterial wurde<br />

den Teilnehmenden ausgehändigt. In einer gemeinsamen Reflexionsrunde<br />

erfolgte <strong>die</strong> Bewertung aller Merkmale unter dem Aspekt, wie und ob Männer<br />

und Frauen unterschiedlich lernen.<br />

Phase 4:<br />

Strukturmerkmale und Konfliktfelder der Bildungseinrichtung VHS<br />

(60 Minuten)<br />

Nach den persönlichen und allgemeinen Lernbedingungen von Erwachsenen<br />

wird im nächsten Schritt <strong>die</strong> Einrichtung Volkshochschule als Lernort<br />

thematisiert. Hierzu wurde <strong>die</strong> Frage nach den gegenseitigen Erwartungs-


- 186 -<br />

Monika Engel, Manfred Nousch<br />

haltungen von Einrichtung, Kursleitung und Teilnehmenden als „Vier-Ecken-<br />

Aktivität“ bearbeitet. Was erwarte ich als Kursleitung von der Volkshochschule,<br />

von den Teilnehmenden und jeweils umgekehrt. Auch <strong>die</strong>se Fragen<br />

wurden ergänzt um den männlichen bzw. weiblichen Blick.<br />

Unter Bezug auf <strong>die</strong> geäußerten Erwartungshaltungen schloss sich ein visualisierter<br />

Input über <strong>die</strong> Arbeit und Struktur der Einrichtung Volkshochschule<br />

an. Wichtig erschien der Seminarleitung, hierbei auch auf <strong>die</strong> unterschiedliche<br />

Teilnehmendenstruktur (Männer/Frauen) einzugehen. Mit knapp<br />

80% Frauen als Teilnehmenden ist es nicht nur eine quantitative Frage, ob<br />

zukünftig mehr Männer erreicht werden sollen. Vielmehr geht es auch um<br />

<strong>die</strong> Frage, ob Frauen vielleicht zu anderen Weiterbildungsangeboten der<br />

Gesellschaft weniger Zugang haben und es deshalb berechtigt ist, das sie<br />

<strong>die</strong> größte Gruppe der Lernenden stellen.<br />

Phase 5:<br />

Angebotsplanung unter <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten (90 Minuten)<br />

Im Rahmen der Erwachsenenpädagogischen Grundqualifikation folgt nach<br />

der Reflexion über Lernverhalten und Lernort ein Kurztraining <strong>für</strong> <strong>die</strong> Veranstaltungsankündigung<br />

unter Berücksichtigung der thematisierten Strukturmerkmale.<br />

Die Materialien und Arbeitsanleitungen wurden um <strong>die</strong> Kriterien<br />

zum <strong>Gender</strong> Mainstreaming erweitert. Hierzu wurde <strong>die</strong> vom Bildungszentrum<br />

der Stadt Nürnberg entwickelte Checkliste verwendet.<br />

In Kleingruppen formulierten <strong>die</strong> Teilnehmenden einen Entwurf <strong>für</strong> den Ankündigungstext<br />

eines künftigen Seminars. Bei der Vorstellung der Texte im<br />

Plenum wurde eine wechselseitige Überprüfung aus männlicher/weiblicher<br />

Sicht vorgenommen: Fühle ich mich eher als Mann/Frau adressiert oder<br />

sind beide Geschlechter gleichzeitig angesprochen?<br />

Phase 6:<br />

Auswertung/Klärung offener Fragen (30 Minuten)<br />

Die Auswertung des Seminartages ergab, dass alle Teilnehmenden sich in<br />

Bezug auf geschlechtergerechte Seminarplanung „sensibilisiert“ fühlten,<br />

aber noch viele offene Fragen hatten. Die Seminardauer wurde als zu kurz<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Fülle der Informationen angesehen. Insgesamt war <strong>die</strong> Rückmeldung<br />

zu Inhalt und Durchführung positiv, da <strong>die</strong> Veranstaltung als anregend<br />

und informativ wahrgenommen wurde.


Grundqualifizierung <strong>für</strong> Kursleitende an Volkshochschulen - 187 -<br />

Resümee<br />

Eine Seminarteilnehmerin bei der Auswertung des Seminars<br />

Zu den gelungenen Aspekten des Praxisprojektes gehört aus unserer Sicht<br />

<strong>die</strong> Überarbeitung des bereits vorhandenen Konzeptes sowie der entsprechenden<br />

Materialien des ersten Moduls der Erwachsenenpädagogischen<br />

Grundqualifizierung <strong>für</strong> Kursleitende. Sowohl bei dem Bereich Lernbiografien<br />

als auch bei der Angebotsplanung/dem Angebotstext konnte der Ansatz<br />

geschlechtergerechter <strong>Bildungsarbeit</strong> gut einbezogen werden. Es gelang,<br />

alle Teilnehmenden <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Fragestellung zu sensibilisieren.<br />

Ebenfalls erfolgreich war <strong>die</strong> Ansprache von Kursleitenden aus allen Fachbereichen,<br />

was einen intensiven und konstruktiven Austausch aus unterschiedlichen<br />

Fachgesichtspunkten ermöglichte. Männer und Frauen wurden<br />

entsprechend ihrem Anteil an den Kursleitenden erreicht.<br />

Bei der Formulierung von Angebotstexten könnte eventuell auf vorhandene<br />

Beispiele zurückgegriffen werden, um <strong>die</strong>se dann zu analysieren und neu<br />

zu formulieren. Das Leitungsteam sollte nicht unbedingt „Zeitblöcke“ im<br />

Wechsel leiten, sondern eher insgesamt gemeinsam teamen.


- 188 -<br />

Ausblick und Transfer<br />

Monika Engel, Manfred Nousch<br />

Das Modellseminar wurde 2008 in modifizierter Form (Kürzung um den<br />

theoretischen Einstieg) bereits zum zweiten Mal erfolgreich durchgeführt.<br />

Durch <strong>die</strong>se Kürzung ergab sich mehr Zeit <strong>für</strong> <strong>die</strong> praktischen Einheiten.<br />

Es ist weiterhin beabsichtigt, <strong>die</strong> geplante neue Erwachsenenpädagogische<br />

Grundqualifikation unter <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten zu überarbeiten. Gleichzeitig<br />

wird ein eigenständiges Zusatzmodul „geschlechtergerechte <strong>Bildungsarbeit</strong>“<br />

<strong>für</strong> bereits langjährige Kursleitende entwickelt. Auf der Ebene des<br />

Landesverbandes der Volkshochschulen werden zusätzlich Informationsworkshops<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> hauptamtlich Beschäftigten der NRW-Volkshochschulen<br />

durchgeführt.<br />

Literatur<br />

Baur, Esther/ Marti, Madeleine: Kurs auf <strong>Gender</strong>kompetenz. Leitfaden <strong>für</strong> eine<br />

geschlechtergerechte Didaktik in der Erwachsenenbildung. Hrsg. Vom Gleichstellungsbüro<br />

Basel-Stadt. Basel 2000<br />

Derichs-Kunstmann, Karin/ Auszra, Susanne/ Müthing, Brigitte: Von der<br />

Inszenierung des Geschlechterverhältnisses zur geschlechtsgerechten Didaktik.<br />

Konstitution und Reproduktion des Geschlechterverhältnisses in der Erwachsenbildung.<br />

Bielefeld 1999<br />

Derichs-Kunstmann, Karin: <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Implementierung als Beitrag<br />

zur Qualitätsentwicklung in Weiterbildungseinrichtungen. Jahrbuch Arbeit,<br />

Bildung, Kultur, Bd. 23/24, 2005/2006, S. 103-117


<strong>Gender</strong> in Seminaren – Eine Werkstatt zur Annäherung - 189 -<br />

4.4 <strong>Gender</strong> in Seminaren –<br />

Eine Werkstatt zur Annäherung<br />

Volker Kurzweg<br />

Ich stelle hier ein Seminar vor, das ich im Rahmen der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong><br />

entwickelt habe und von dem ich vorher wirklich nicht geglaubt hätte,<br />

es mir einmal ausdenken und dann auch noch leiten zu können. Aber Geschichten,<br />

Geschichte und letztlich wohl auch Berichte werden vom Ende<br />

her geschrieben. Inzwischen habe ich das Seminar bereits viermal ausprobieren<br />

und um einen zweiten Teil erweitern können. Auch insofern erwies<br />

sich der gewählte Seminartitel „Eine Werkstatt zur Annäherung“ als treffend.<br />

Konzept des Seminars<br />

Mein Praxisprojekt war von Anfang an als ein Baustein zur <strong>Qualifizierung</strong><br />

von Teamenden in der ver.di-<strong>Bildungsarbeit</strong> gedacht. Das begründet<br />

sich insbesondere daraus, dass ich während der letzten Jahre nebenberuflich<br />

vor allem in der Aus- und Fortbildung von Teamenden und mit<br />

der Entwicklung von Seminarkonzepten beschäftigt war. Deshalb waren mir<br />

sowohl <strong>die</strong> Zielgruppe und ihr <strong>Qualifizierung</strong>sbedarf als auch <strong>die</strong> methodisch-didaktischen<br />

Standards der Teamendenqualifizierung vertraut.<br />

Ziele<br />

Das Anliegen war <strong>die</strong> Gestaltung einer Wochenendveranstaltung <strong>für</strong> Teamende<br />

bzw. Teamenden-Arbeitskreise (TAKs) in der Gewerkschaft ver.di,<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> ich folgende Ziele im Blick hatte:<br />

�� Teamende über das <strong>Gender</strong>-Thema und <strong>Gender</strong> Mainstreaming zu informieren<br />

und <strong>für</strong> <strong>die</strong> Begriffe und entsprechenden Prozesse Verständnis<br />

zu entwickeln,<br />

�� zu verdeutlichen, wie dicht Geschlechterverhältnisse mit unserem Alltag<br />

und der Seminararbeit verbunden sind,<br />

�� durch Übungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Fragestellung zu sensibilisieren,


- 190 -<br />

Volker Kurzweg<br />

�� zur Erkenntnis zu führen, dass und wie das soziale Geschlecht im Alltag<br />

und speziell in Seminaren ständig rekonstruiert wird, welchen eigenen<br />

Anteil wir daran haben und was wir zur Dekonstruktion tun<br />

können,<br />

�� Betroffenheit und Anspruch an <strong>die</strong> eigene Professionalität zu erzeugen,<br />

�� Neugier und Bereitschaft zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema zu<br />

wecken.<br />

Methodisch-didaktischer Ansatz<br />

Der methodisch-didaktische Ansatz wird bereits mit dem Seminartitel<br />

„<strong>Gender</strong> in Seminaren – Eine Werkstatt zur Annäherung“ umrissen. Neben<br />

der Betonung einer gemeinsamen Annäherung an das Thema war es mir<br />

wichtig, möglichst jeden Input aus der eigenen Erfahrung der Teilnehmenden<br />

heraus vorzubereiten und anschließend in Lehrgespräch, Übung oder<br />

Reflexion so zu bearbeiten, dass <strong>die</strong> Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihn<br />

sich auf <strong>die</strong>se Weise wirklich zu eigen machen können.<br />

Mir ging es dabei auch darum, das Seminar in seiner Gesamtheit unter<br />

<strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten zu gestalten. Da<strong>für</strong> waren z.B. auch solche Seminarbestandteile<br />

wie Vorstellungsrunde, Namensspiel, Anwärmübungen und<br />

Einteilung von Arbeitsgruppen wichtig. Es waren eine möglichst große Methodenvielfalt<br />

und sowohl geschlechterhomogene als auch geschlechterheterogene<br />

Kleingruppenarbeit geplant.<br />

Ein weiterer methodisch-didaktischer Ansatz war das Bemühen, dass sich<br />

<strong>die</strong> Lehrenden – im konkreten Fall ich selbst – glaubwürdig persönlich einbringen.<br />

Schon bei der Annäherung an das <strong>Gender</strong>-Thema war es <strong>für</strong> mich<br />

selbst wichtig zu erfahren, was <strong>für</strong> mich daran besonders interessant war,<br />

welche Fragen und Zweifel mich bewegt haben und welche Erkenntnisse<br />

und Texte dann <strong>für</strong> mich selbst besonders erhellend waren. Diesen (biografischen)<br />

Weg mit ins Seminar einzubringen war mein Anliegen.<br />

Theoretischer Hintergrund<br />

Die theoretischen Kerngedanken, <strong>die</strong> ich meinem Seminarkonzept zu<br />

Grunde lege und <strong>die</strong> ich mit den Teilnehmenden bedenken und auch praktisch<br />

überprüfen wollte, sind folgende:


<strong>Gender</strong> in Seminaren – Eine Werkstatt zur Annäherung - 191 -<br />

�� Der Begriff Geschlecht ist im Deutschen mit mehrfacher Bedeutung<br />

belegt. Es ist sinnvoll, zwischen dem natürlichen Geschlecht (Sex) und<br />

dem sozialen Geschlecht (<strong>Gender</strong>) zu unterscheiden.<br />

�� Dabei beschreibt <strong>Gender</strong> das Geschlecht der unterschiedlichen Individuen<br />

als eine im Lauf der gesellschaftlichen und individuellen Geschichte<br />

erworbene soziale und kulturelle Konstruktion, als Rollenzuschreibung.<br />

�� <strong>Gender</strong> wird individuell in den sozialen Beziehungen erworben und gelebt,<br />

wird in der Beziehung zwischen den Geschlechtern einseitig und<br />

gegenseitig konstruiert und schlägt sich letztlich auch in gesellschaftlichen<br />

Strukturen und Institutionen und deren sozialer Wirkung nieder.<br />

�� <strong>Gender</strong> ist deshalb geeignet zur Beschreibung gesellschaftlicher<br />

Verhältnisse, zur Analyse der Stellung der Geschlechter und ihrer Beziehungen<br />

zueinander, z.B. unter dem Gesichtspunkt von Gleichberechtigung<br />

und Gleichbehandlung, und zur Ableitung von praktischen<br />

Handlungslinien und konkreten Vorhaben.<br />

�� Mit <strong>die</strong>sen Ressourcen und Prämissen lässt sich <strong>Gender</strong> auch in der Erwachsenenbildung<br />

berücksichtigen. Auch in Bildungsprogrammen und<br />

Seminaren werden alltäglich Geschlechterverhältnisse konstruiert und<br />

rekonstruiert. Das bedeutet aber zugleich, dass sie mit entsprechender<br />

analytischer und methodischer <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> auch dekonstruiert<br />

werden können.<br />

�� Feld solcher Tätigkeit ist eine geschlechtergerechte Didaktik. Sie zielt<br />

darauf, Frauen und Männer gleichermaßen zum Thema und zu den<br />

Handelnden eines produktiven gemeinsamen Lernens zu machen. Sie<br />

bezieht sich deshalb auf <strong>die</strong> Geschlechterperspektive in den Lerngegenständen<br />

des Seminars, auf das Verhalten der Seminarleitung, <strong>die</strong><br />

methodische Gestaltung des Seminars, auf <strong>die</strong> Gestaltung der Rahmenbedingungen<br />

des Lernens und schließlich auch auf <strong>die</strong> Ansprache,<br />

Auswahl und das Verhalten der Teilnehmenden selbst (vgl. Kaschuba<br />

2005).<br />

�� Praktische geschlechtergerechte Didaktik ist letztlich eine Leistung der<br />

Programmverantwortlichen und Lehrenden. Diese Arbeit verlangt <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong>,<br />

zu der wesentlich ein Grundwissen über <strong>Gender</strong>, das<br />

Erkennen der eigenen Geschlechterrolle und <strong>die</strong> Auseinandersetzung<br />

mit ihr, <strong>Gender</strong>-Sensibilität und entsprechendes Handeln gehören.<br />

�� Und: <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> ist erlernbar.


- 192 -<br />

Ablauf des Seminars<br />

Volker Kurzweg<br />

Mit Kolleginnen und Kollegen des Teamenden-Arbeitskreises von ver.di<br />

Rheinland-Pfalz habe ich das Seminar im Mai 2006 erstmals in Form einer<br />

Wochenend-Werkstatt durchgeführt. Es hat dort anschließend, nun schon<br />

außerhalb des GeQuaB-Projekts, noch dreimal stattgefunden, so dass insgesamt<br />

35 Personen, davon 23 Männer und 12 Frauen teilgenommen haben.<br />

Stark verkürzt sind wir - mit jeweils geringen Abweichungen, <strong>die</strong> dem<br />

Prozess und der Gruppe geschuldet waren - folgende Seminarschritte gegangen.<br />

Einstieg<br />

Für den Einstieg in das Seminar ist es mir wichtig, meine persönliche Beziehung<br />

zum Thema deutlich und nachvollziehbar zu machen, und das<br />

nicht nur theoretisch sondern durchaus sinnlich, emotional. Da<strong>für</strong> liegt mir<br />

ein Text von Michael Scott Kimmel (vgl. Kimmel 2004) sehr am Herzen,<br />

weil er bei meiner eigenen Annäherung an das <strong>Gender</strong>-Thema eine Art Initialzündung<br />

ausgelöst hatte. Zu <strong>die</strong>sem Text gehört auch ein Wandspruch<br />

in meinem Seminarsetting: „Der Fisch entdeckt das Meer als Letzter.“<br />

(ebd.).<br />

Außerdem lege ich bei der Einführung Wert auf <strong>die</strong> Betonung des Werkstattcharakters,<br />

weil das gemeinsame Ausprobieren, Versuchen, Üben im


<strong>Gender</strong> in Seminaren – Eine Werkstatt zur Annäherung - 193 -<br />

Vordergrund stehen soll. Hierzu gehören <strong>für</strong> mich durchaus auch das Fragen,<br />

Reflektieren und Erinnern (z.B. im Sinne des biografischen Arbeitens).<br />

Sensibilisierungsübung<br />

Darauf folgen dann Übungen zu alltäglichen Erfahrungen und zur<br />

Sensibilisierung <strong>für</strong> Geschlechterverhältnisse. Dazu habe ich <strong>die</strong><br />

Übungen „Szenen aus dem Alltag“ (im pantomimischen Rollenspiel) und<br />

„Frauenbilder-Männerbilder“ (als Kartensammlung) gewählt. In beiden<br />

werden gängige Geschlechterstereotype anschaulich gemacht und über<br />

ihre Auswertung stoßen wir auf <strong>die</strong> Frage, woher solche fest gefügten, verbreiteten<br />

Bilder über Geschlechter kommen.<br />

Ein erster Erklärungsansatz da<strong>für</strong> ist, dass wir Rollen leben,<br />

�� <strong>die</strong> nicht nur biologisch bedingt sind,<br />

�� <strong>die</strong> im historischen Zusammenleben entstanden sind,<br />

�� <strong>die</strong> sozial und kulturell geprägt werden,<br />

�� denen wir entsprechen und <strong>die</strong> wir selbst prägen,<br />

�� <strong>die</strong> uns Orientierung und Sicherheit geben und<br />

�� <strong>die</strong> uns zugleich einschränken, unsere reale Verschiedenheit stark<br />

vereinfachen.<br />

Das ist an <strong>die</strong>ser Stelle zunächst eine These, der jetzt <strong>die</strong> Klärung wichtiger<br />

Arbeitsbegriffe wie sex, gender, sexuality, Geschlechterverhältnisse<br />

und <strong>Gender</strong> Mainstreaming folgt.<br />

<strong>Gender</strong> in Seminaren<br />

Nach der Erklärung der und der Verständigung über unsere wichtigsten Arbeitsbegriffe<br />

gingen wir zum Thema <strong>Gender</strong> in Seminaren über.<br />

Zu Beginn stellte ich einige ausgewählte Ergebnisse aus den Untersuchungen<br />

von Karin Derichs-Kunstmann (vgl. Derichs-Kunstmann u.a. 1999) über<br />

<strong>die</strong> Inszenierung von Geschlechterverhältnissen in Seminaren vor. Ich beziehe<br />

eigene Erfahrungen und <strong>die</strong> der Teilnehmenden in das Lehrgespräch<br />

mit ein und führe es zu der Frage: Warum verhalten sich Frauen und<br />

Männer (in manchen Situationen und übrigens auch im Team) so unterschiedlich?


- 194 -<br />

Volker Kurzweg<br />

Bei der Vorstellung der Geschlechterdimensionen von Lernsituationen kam<br />

es mir darauf an, neben der Darstellung von Unterschieden auch immer auf<br />

Gemeinsamkeiten hinzuweisen, vor allem aber <strong>die</strong> eigene praktische Erfahrung<br />

und <strong>die</strong> Rolle der Teamenden in <strong>die</strong>se Diskussion hereinzuholen.<br />

In <strong>die</strong>ser Seminarsequenz liegt <strong>für</strong> mich ein entscheidender Kernpunkt <strong>für</strong><br />

das Verständnis meines Anliegens. Es geht einmal darum, einen Blick und<br />

ein Gefühl <strong>für</strong> das eigene „doing gender“ im Seminar zu bekommen und<br />

zum anderen, daraus <strong>die</strong> Möglichkeit <strong>für</strong> ein „undoing gender“ abzuleiten.<br />

Insofern ist der folgende Satz eine Hauptthese des Seminarkonzepts: Wenn<br />

wir selbst an der Konstruktion, Inszenierung von <strong>Gender</strong> beteiligt sind,<br />

dann ist doch auch das Gegenteil möglich: Wir können der Reproduktion,<br />

der Immer-wieder-neu-Inszenierung der Geschlechterrollen auch entgegen<br />

wirken, also ‚undoing gender’ betreiben!<br />

Daraus leiten wir gemeinsam folgerichtig <strong>die</strong> Frage ab, was wir als Teamende<br />

<strong>für</strong> das undoing gender tun können, wie wir uns als Teamerinnen<br />

und Teamer dazu verhalten sollen - wenn wir es denn wollen.<br />

Wege zur geschlechtergerechten Didaktik<br />

Und daraus ergibt sich <strong>die</strong> Arbeitseinheit „Wege zur geschlechtergerechten<br />

Didaktik“, <strong>die</strong> Einstiegsfrage dazu heißt: Auf welchen Seminarfeldern können<br />

wir <strong>Gender</strong> dekonstruieren? Dazu werden (ggf. mit Hilfe des Teams)<br />

folgende Felder abgesteckt, zu denen in der Folge in Arbeitsgruppen weiter<br />

gearbeitet werden kann:<br />

�� Sprache,<br />

�� Lernstoff,<br />

�� Methoden,<br />

�� Team,<br />

�� Rahmenbedingungen.<br />

Dieser Schritt ist in den bisher durchgeführten Seminaren aus Zeitgründen<br />

in unterschiedlicher Intensität durchgeführt worden. Er stellt auch genau<br />

jenen Drehpunkt dar, der <strong>für</strong> mich über <strong>die</strong> Anwendung einer geschlechtergerechten<br />

Didaktik, damit über Neugier, Bereitschaft und<br />

Interesse an der Fortsetzung der Arbeit entscheidet. Auch der wünschenswerte<br />

Werkstatt-Charakter einer solchen Fortsetzung scheint mir hier angelegt.


<strong>Gender</strong> in Seminaren – Eine Werkstatt zur Annäherung - 195 -<br />

Transfer und Rückmeldung<br />

Das Seminar endet mit Runden zu Transfer und Rückmeldung. Hierzu füge<br />

ich beispielhaft Überlegungen der Teilnehmenden aus dem ersten Seminar<br />

<strong>für</strong> weitere Vorhaben bei:<br />

�� <strong>Gender</strong> stärker zum Thema in Seminaren machen,<br />

�� sich selber hinterfragen, sensibel machen, Dinge anders angehen,<br />

�� <strong>die</strong> Arbeit mit Fällen und Fallbeispielen auf Lebenssituationen von<br />

Frauen und Männern hin überprüfen,<br />

�� mich als Teamerin/ Teamer beobachten lassen, Feedback einholen,<br />

�� ein neues eigenes Seminarkonzept stärker auf Methoden ansehen,<br />

�� stille Teilnehmende (Frauen wie Männer) zum Sprechen, Mitmachen<br />

auffordern.<br />

Einschätzung im Hinblick auf <strong>die</strong> geschlechterbezogene Zielsetzung<br />

Nach der viermaligen Durchführung des Seminarkonzepts zähle ich folgende<br />

Aspekte zu den ausbaufähigen Stärken des Projektes:<br />

Das Seminar knüpft mit seiner Frage nach einem konkreten Beitrag der<br />

Teamerinnen und Teamer zu <strong>Gender</strong> Mainstreaming unmittelbar an <strong>die</strong> Erfahrungen,<br />

<strong>die</strong> Möglichkeiten und ggf. den Anspruch der Teamenden an. Es<br />

be<strong>die</strong>nt zudem den wachsenden Anspruch der <strong>Bildungsarbeit</strong> von ver.di<br />

und ver.di Bildung + Beratung nach gender-gerechter Umsetzung der Seminarkonzepte.<br />

Der Bezug auf <strong>die</strong> Subjektivität der Teilnehmenden zieht sich, zumindest<br />

nach meiner Absicht, durch das ganze Seminar. Sie zeigt sich in der<br />

Auswahl der Texte, in der angestrebten Mannigfaltigkeit der Methoden, in<br />

der Vielzahl von Übungs- und Reflexionsmöglichkeiten und nicht zuletzt in<br />

der durch mich als Seminarleitung eingebrachten eigenen Subjektivität.<br />

Das Seminar ist dadurch auch nicht abstrakt oder theorielastig, es ist<br />

konkret und praxisnah. Es enthält <strong>die</strong> notwendigen theoretischen Hintergründe<br />

und ist auf ihre Anwendung/Umsetzung in den Seminaren der Teilnehmenden<br />

bezogen.<br />

Für mich selbst war ein wichtiges Ergebnis, dass ich durch <strong>die</strong> Erarbeitung<br />

und Durchführung des Seminars meine eigene Haltung zum Thema


- 196 -<br />

Volker Kurzweg<br />

weiter klären konnte. Ich bin davon überzeugt, dass darauf ein großer Teil<br />

der Wirkung von Teamenden beruht, auch wenn dabei vielleicht nicht immer<br />

eine hundertprozentige Übereinstimmung mit der Theorie erreicht<br />

wird.<br />

Schwächen und damit Möglichkeiten <strong>für</strong> <strong>die</strong> weitere Verbesserung des<br />

Seminarkonzepts sehe ich in folgenden Punkten:<br />

Es erscheint dringend notwendig, das Konzept mit einem gemischten<br />

Team zu erproben. Das würde sowohl <strong>die</strong> Sicht des Teams auf Konzept<br />

und Seminarprozess als auch <strong>die</strong> Sicht der Teilnehmenden auf <strong>die</strong> Seminarleitung<br />

modifizieren. Bei den bisherigen Seminaren konnte wegen der<br />

jeweils zu geringen Teilnehmendenzahl aus Kostengründen ein Zwei-Personen-Team<br />

nicht eingesetzt werden.<br />

Eine stärkere Aktivierung der Teilnehmenden ist an zwei Punkten noch<br />

wünschenswert: zum einen bei der Abfrage und Hereinnahme eigener Seminarerfahrungen<br />

und zum anderen beim Finden, Ausprobieren und Erfahren<br />

von Aktivitäten geschlechtergerechten Vorgehens.<br />

Letztlich werden auch inhaltliche Ergänzungen möglich bzw. vonnöten<br />

sein. So hatte ich z.B. Material <strong>für</strong> eventuelle Textanalysen vorbereitet. Das<br />

ist eine Arbeit, <strong>die</strong> m. E. notwendig zur <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> von Teamenden<br />

gehört und sich sowohl auf den Umgang mit vorgelegten Texten als auch<br />

auf das Verfassen neuer Texte/Konzepte beziehen muss.


<strong>Gender</strong> in Seminaren – Eine Werkstatt zur Annäherung - 197 -<br />

Evaluation<br />

In einer eigenen kleinen Evaluation unter den 22 Teilnehmenden der zuletzt<br />

durchgeführten drei Seminare schätzten 9 Teilnehmende ihr Interesse<br />

am Thema <strong>Gender</strong> vor dem Seminar als eher schwach ein, nach dem Seminar<br />

ist das noch 1 Teilnehmender. Die Zahl der interessierten Personen<br />

ist von 13 auf 19 gestiegen. Haben 11 Teilnehmende ihre Kenntnisse schon<br />

vor dem Seminar als eher stark bezeichnet, sind es am Schluss insgesamt<br />

21, <strong>die</strong> ihr Wissen als stark einschätzen. Alle 22 Teilnehmenden bestätigen,<br />

Anregungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> eigene Arbeit bekommen zu haben, 16 halten <strong>die</strong> Möglichkeiten,<br />

<strong>die</strong>se Anregungen umzusetzen, <strong>für</strong> eher stark, 5 <strong>für</strong> sehr stark.<br />

Ausblick<br />

Das Seminar wurde in den Jahren 2006 und 2007 insgesamt viermal<br />

durchgeführt, daran haben 35 Personen, davon 23 Männer und 12 Frauen,<br />

teilgenommen. Im Hinblick auf <strong>die</strong> Verstetigung der Arbeit am Thema <strong>Gender</strong><br />

in Seminaren konnte inzwischen mit dem Teamenden-Arbeitskreis im<br />

ver.di-Landesbezirk Rheinland-Pfalz ein zweiter Schritt gegangen werden.<br />

Mit elf Teilnehmenden fand ein erstes Fortsetzungs-Seminar statt, in dem<br />

der Anspruch einer Werkstatt stärker eingelöst werden konnte. Nach der<br />

Annäherung an den Gegenstand im ersten Seminar konnte hier weitaus<br />

konkreter mit Texten, Methoden und Seminarsequenzen im Sinne von „undoing<br />

gender“ gearbeitet werden. Im Übrigen war hier auch <strong>die</strong> Arbeit in<br />

einem „gemischten“ Team möglich.<br />

Das hier vorgestellte Wochenendseminar ist in das zentrale Programm <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Aus- und Fortbildung der ver.di-Teamenden aufgenommen worden und<br />

wurde im Januar 2009 zum ersten Mal durchgeführt.<br />

Literatur<br />

Derichs-Kunstmann, Karin/ Auszra, Susanne/ Müthing, Brigitte: Von der<br />

Inszenierung des Geschlechterverhältnisses zur geschlechtsgerechten Didaktik,<br />

Bielefeld 1999<br />

Kaschuba, Gerrit: Theoretische Grundlagen einer geschlechtergerechten Didaktik<br />

– Begründungen und Konsequenzen, GeQuaB-Arbeitsmaterial Nr. 2,<br />

Recklinghausen, Januar 2005<br />

Kimmel, Michael: Frauenforschung, Männerforschung, Geschlechterforschung:<br />

Einige persönliche Überlegungen. In: Meuser, Michael/ Neusüß, Claudia<br />

(Hrsg.): <strong>Gender</strong> Mainstreaming, Konzepte, Handlungsfelder, Instrumente.<br />

Bonn 2004, S. 337-355


- 198 -<br />

Eva Meyer und Monika Rietze<br />

4.5 Aller Anfang ist … gar nicht so schwer.<br />

Betriebsverfassung: Einführung und Überblick<br />

Eva Meyer, Monika Rietze<br />

Rahmenbedingungen<br />

Die Aufgabe <strong>die</strong>ses Projektes war <strong>die</strong> Implementierung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Elementen<br />

in ein bestehendes Seminarkonzept. Hierbei handelte<br />

es sich um das Wochen-Seminar <strong>für</strong> Betriebsräte und Betriebsrätinnen:<br />

„Aller Anfang ist … gar nicht so schwer – Einführung und Überblick in das<br />

Betriebsverfassungsgesetz“.<br />

Das Seminar wurde <strong>für</strong> ver.di Bildung und Beratung 1 durchgeführt. Der<br />

ver.di-Bereich Gewerkschaftliche Bildung und ver.di b+b stellten da<strong>für</strong> ein<br />

bundeseinheitliches Konzept zur Verfügung, das als Angebot an <strong>die</strong> Teamenden<br />

zu verstehen ist und von <strong>die</strong>sen modifiziert werden kann. Dabei ist<br />

den vorgesehenen Inhalten zu folgen, um <strong>die</strong> Anschlussfähigkeit der weiteren<br />

Grundqualifizierungen zu gewährleisten. Ein „<strong>Gender</strong>n“ des Konzeptes<br />

ist somit nur im eingeschränkten Rahmen möglich gewesen. Zudem<br />

wurden von der gesamten fünftägigen Veranstaltung 2 nur <strong>die</strong> ersten drei<br />

Tage des Seminarkonzeptes einer <strong>Gender</strong>-Prüfung unterzogen und entsprechend<br />

verändert. Es handelte sich um das erste Seminar - in einer<br />

Reihe von vier Grundqualifizierungen - <strong>für</strong> neu gewählte Betriebsratsmitglieder.<br />

Ziele und inhaltliche Schwerpunkte<br />

Ziel des veränderten Konzeptes war es, <strong>Gender</strong> Mainstreaming als Querschnittsaufgabe<br />

im Seminar umzusetzen. Die Teilnehmenden sollten in <strong>die</strong><br />

1 ver.di Bildung und Beratung (b+b gGmbH) ist ein Bildungswerk in Trägerschaft der Vereinten<br />

Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, das in erster Linie Seminare <strong>für</strong> Mitglieder<br />

betrieblicher Interessenvertretungen durchführt.<br />

2 Das Seminar wurde von Montag bis Freitag in einer gewerkschaftlichen Bildungsstätte<br />

durchgeführt; es schloss Vollverpflegung und Übernachtung ein.


Aller Anfang ist … gar nicht so schwer.<br />

- 199 -<br />

Lage versetzt werden, <strong>Gender</strong> Mainstreaming als Strategie zu begreifen<br />

und in ersten Schritten auf ihr Arbeitsfeld anzuwenden.<br />

Die inhaltlichen Schwerpunkte ergaben sich aus dem bestehenden Konzept.<br />

Für <strong>die</strong> ersten, überarbeiteten Tage waren das:<br />

�� Rolle und Selbstverständnis als Betriebsrat (BR) und BR-Mitglied,<br />

�� Einführung in das Arbeitsrecht und<br />

�� Allgemeine Aufgaben des BR (§ 80 BetrVG).<br />

Das Seminar wurde nach dem Team-Prinzip durchgeführt. Wir beide hatten<br />

als Team <strong>die</strong> Leitung gemeinsam und gleichberechtigt inne. Die Absprachen<br />

zur Arbeitsteilung im Vorfeld sowie im Seminargeschehen erfolgten<br />

reibungslos. Die Zusammenarbeit verlief in einer vertrauensvollen und gelösten<br />

Atmosphäre.<br />

Methodische Gestaltung des Seminars<br />

Da es keine explizit geschlechtergerechten Methoden gibt, kommt es bei<br />

geschlechtergerechter Methodik und Didaktik auf den subjektorientierten<br />

Einsatz von Methoden an. Leitfragen dabei sind:<br />

�� Welcher Methodenmix wird gewählt?<br />

�� Gibt es Spielraum <strong>für</strong> flexiblen Einsatz und Veränderung?<br />

�� Nimmt <strong>die</strong> eingesetzte Methode <strong>die</strong> Lebens- und Arbeitswelt aller Beteiligten<br />

in den Blick und berücksichtigt <strong>die</strong>se?<br />

�� Bieten <strong>die</strong> gewählten Methoden ausreichend Räume zur Beteiligung<br />

<strong>für</strong> beide Geschlechter?<br />

�� Sprechen <strong>die</strong> Methoden alle Sinne an und fördern sie ein ganzheitliches<br />

Lernen?<br />

Da <strong>die</strong> Makrodidaktik im vorliegenden Projekt feststand, gab es lediglich <strong>die</strong><br />

Möglichkeit, <strong>die</strong> Mikrodidaktik innerhalb <strong>die</strong>ses vorgegebenen Rahmens zu<br />

verändern.<br />

Unter <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten veränderte Module<br />

Die geplanten Module konnten wie vorgesehen umgesetzt werden, lediglich<br />

der Zeitbedarf stellte sich als etwas größer dar. Nachfolgend werden einige<br />

der gegenüber dem herkömmlichen Konzept veränderten Module beschrieben.


- 200 -<br />

Eva Meyer und Monika Rietze<br />

Besonderes Augenmerk wurde auf <strong>die</strong> Einstiegs- und Orientierungsphase<br />

gelegt. Um eine wertschätzende und entspannte Atmosphäre bereits<br />

zu Beginn des Seminars zu schaffen und um Lust am Lernen zu befördern,<br />

wurde <strong>die</strong> Begrüßungs- und Vorstellungsphase bewusst stressfrei<br />

gestaltet. So konnten eventuell vorhandene Ängste zu Beginn der Orientierungsphase<br />

reduziert werden. Es wurde ein spielerischer Einstieg gewählt,<br />

da <strong>die</strong>ser eine wesentlich niedrigere Hemmschwelle darstellt und es<br />

zu keiner Überforderung durch erste schriftliche Stellungnahmen oder Präsentieren-Müssen<br />

vor einer neuen Gruppe kommen kann.<br />

Die Autorinnen bei der Vorstellung ihres Konzeptes<br />

In der vertiefenden Kennenlernphase wurden veränderte Fragestellungen<br />

eingeführt. So wurde bspw. nach den persönlichen Lebensumständen<br />

gefragt, ohne Klischees zu beschreiben und Ausgrenzungen vorzunehmen;<br />

schlicht durch <strong>die</strong> Frage „Wie lebe ich – mit wie vielen Personen?“ in einer<br />

soziometrischen Aufstellung und mit der Nachfass-Frage „Konnte ich einfach<br />

so gehen oder sorge ich mich jetzt noch um Daheimgebliebene?“ Mit<br />

dem „Packen von Päckchen“ wurde ein Loslassen des mitgebrachten persönlichen<br />

„Ballasts“ angeboten.<br />

Eine weitere wesentliche Veränderung wurde beim ersten Thema „Rolle<br />

und Selbstverständnis als Betriebsrat und BR-Mitglied (Interessensgegensatz)“<br />

vorgenommen. Anstelle von Lehrgesprächen oder theoretischer<br />

Kleingruppenarbeit wurde ein Modul mit psychodramatischer Aufstellungs-


Aller Anfang ist … gar nicht so schwer.<br />

- 201 -<br />

arbeit eingebaut. Bei der Reflexionsarbeit wurden geschlechtshomogene<br />

Arbeitsgruppen gebildet mit der Fragestellung, wer welche Anforderungen<br />

an <strong>die</strong> einzelnen Menschen als Mitglied im Betriebsrat stellt.<br />

Im weiteren Verlauf des Seminars wurden <strong>die</strong> KollegInnen nicht nur in<br />

ihrer Funktion wahrgenommen, sondern sie wurden als ganzheitliche<br />

menschliche Wesen im Seminargeschehen bestätigt. Fragestellungen in<br />

<strong>die</strong>sem Zusammenhang lauteten bspw. „Welche Schätze bringst du <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

BR-Arbeit mit? Was glaubst du, warum haben dich <strong>die</strong> Kolleginnen und<br />

Kollegen gewählt?“<br />

Im Rahmen der Seminareinheit „Allgemeine Aufgaben des Betriebsrats“<br />

bei der Fragestellung „Was haben Betriebsratsgremien und Betriebe<br />

davon, wenn BetriebsrätInnen ihre Aufgabe nach BetrVG § 80 (1) 2a+b<br />

ernst nehmen? “ kam es zu einer angeregten Diskussion unter den Teilnehmenden<br />

beiderlei Geschlechts um Zuschreibungen von Männlichkeit<br />

und Weiblichkeit in Bezug auf Berufswahl, Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten<br />

und vor allem darum, wie <strong>die</strong>se aufgebrochen werden können. Zudem<br />

wurde diskutiert, dass beide Geschlechter von einer Veränderung der<br />

Arbeitsbedingungen profitieren. Eine derartige fruchtbare Diskussion wäre<br />

ohne <strong>die</strong> veränderte Fragestellung nicht bzw. sehr schwer zu erreichen gewesen.<br />

Einige Gesichtspunkte zur Auswertung<br />

Das Thema Geschlechtergerechtigkeit wurde von Anbeginn an offensiv vom<br />

Team vertreten. Dies wurde unter anderem durch <strong>die</strong> selbstverständliche<br />

Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache geleistet. Die Teilnehmenden<br />

haben <strong>die</strong>se jedoch nur zu einem äußerst geringen Teil übernommen,<br />

haben jedoch <strong>die</strong>smal – wie sonst häufig erlebt – von „dummen<br />

Sprüchen“ Abstand genommen 3 .<br />

Der Einsatz geschlechtshomogener Arbeitsgruppen wurde vom Team nach<br />

früheren ersten Anwendungen erneut unter veränderten Bedingungen ausprobiert.<br />

Nach wie vor stellte es u.E. keine glückliche Methode dar. Die<br />

Frage blieb offen, inwieweit sich dadurch auch Zuschreibungen verfestigen<br />

können, <strong>die</strong> doch im Seminar hinterfragt werden sollten.<br />

3<br />

Fraglich ist, ob <strong>die</strong>s nicht auch durch <strong>die</strong> teilnehmende Beobachtung durch eine Wissenschaftlerin<br />

beeinflusst wurde.


- 202 -<br />

Die Seminarkonzeption als Mindmap<br />

Eva Meyer und Monika Rietze


Aller Anfang ist … gar nicht so schwer.<br />

- 203 -<br />

War es Ziel des veränderten Konzeptes, <strong>Gender</strong> Mainstreaming als Querschnittsaufgabe<br />

im Seminar zu leben, so ist das zu einem gewissen Teil<br />

auch gelungen, jedoch bleibt <strong>die</strong> Frage, ob das bisher Veränderte ausreichend<br />

ist. So ging es bisher z.B. bei der Erhebung der Betriebsdaten lediglich<br />

um das reine Zählen von weiblichen und männlichen Köpfen, d.h. es<br />

blieb bei einem quantitativen Ansatz, qualitative Analysen und Ziele wurden<br />

nicht formuliert. Hier ist noch viel Arbeit zu leisten, allerdings ist dazu auch<br />

eine veränderte Konzeptvorgabe von Seiten der veranstaltenden Organisation<br />

erforderlich.<br />

Ausblick<br />

Das Projektteam ist Teil einer <strong>Gender</strong>-Arbeitsgruppe innerhalb des Teamenden-Arbeitskreises<br />

bei ver.di b+b Hamburg <strong>für</strong> arbeitgeberfinanzierte<br />

Seminare, <strong>die</strong> sich an Betriebsratsmitglieder richten. In <strong>die</strong>ser Arbeitsgruppe<br />

findet ein ständiger Austausch über verschiedene Möglichkeiten einer<br />

Implementierung geschlechtergerechter Methodik und Didaktik statt. Die<br />

einzelnen Mitglieder teamen jeweils mit unterschiedlichen Kolleginnen und<br />

Kollegen in Tandem-Teams. Dadurch ist eine Verbreitung der inhaltlichen<br />

und methodisch-didaktischen Änderungen möglich. Zudem hat <strong>die</strong><br />

Arbeitsgruppe <strong>für</strong> den Teamenden-Arbeitskreis in Hamburg mehrere <strong>Qualifizierung</strong>s-Wochenenden<br />

durchgeführt.<br />

Angeregt und angeboten hat <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Arbeitsgruppe darüber hinaus ein<br />

“<strong>Gender</strong>n“ der vorgegebenen Konzepte, <strong>die</strong> Erstellung eines entsprechenden<br />

Handbuchs <strong>für</strong> Teamende sowie Schulungsmaßnahmen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Teamenden.<br />

Dieses Vorhaben konnte leider so nicht umgesetzt werden.<br />

Jedoch ist es satzungsgemäße Pflicht der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft<br />

ver.di, <strong>Gender</strong> Mainstreaming in allen Politikbereichen der Gewerkschaft<br />

und somit auch in ihrer <strong>Bildungsarbeit</strong> zu verwirklichen. Daher wird<br />

sich langfristig an den vorhandenen Konzepten etwas im Sinne von Geschlechtergerechtigkeit<br />

ändern. Dabei wird es sich wahrscheinlich um einen<br />

längerfristigen Prozess handeln.


- 204 -<br />

4.6 <strong>Gender</strong> und kontinuierliche Teamentwicklung<br />

im Tätigkeitsfeld politische Jugendbildung<br />

Elke Wilhelm<br />

Elke Wilhelm<br />

Zu den Arbeitsfeldern der Landesarbeitsgemeinschaft Arbeit und Leben<br />

Hessen, einer Einrichtung der politischen Bildung 1 , gehörte von Anbeginn<br />

auch <strong>die</strong> politische Jugendbildung. Erstmals wurden 1960 Kurse <strong>für</strong> Mädchen<br />

mit dem Titel "Das Mädchen in Familie, Beruf und Gesellschaft" initiiert.<br />

Seit Beginn der 1990er Jahre fanden Jugendseminare zu geschlechterbezogenen<br />

Themen statt, <strong>die</strong> gegen Ende der 1990er Jahre jedoch<br />

kaum noch angenommen wurden. Mit dem im nachfolgenden dargestellten<br />

Projekt war <strong>die</strong> Absicht verbunden, <strong>die</strong> aktuelle Debatte im Jugendteam mit<br />

der besonderen Herausforderung der Integration geschlechterbezogener<br />

Fragestellungen zu verbinden.<br />

Im Jugendteam von Arbeit und Leben Hessen arbeiten regelmäßig ca.<br />

sechs Frauen und sechs Männer mit. Das Team wird von der hauptamtlichen<br />

pädagogischen Mitarbeiterin betreut. Das in <strong>die</strong>sem Beitrag dargestellte<br />

Projekt wurde von der zuständigen Bildungsreferentin <strong>für</strong> <strong>die</strong>ses Jugendteam<br />

im Sinne eines Entwicklungsprozesses konzipiert.<br />

Konzeption und Ziele des Projektes<br />

Die Grundannahme des Projektes mit dem Titel „<strong>Gender</strong> und kontinuierliche<br />

Teamentwicklung im Tätigkeitsfeld politische Jugendbildung“ war, dass<br />

Sensibilisierung <strong>für</strong> und Berücksichtigung von geschlechterrelevanten Fragestellungen<br />

bei der Entwicklung, Umsetzung und Evaluation von Bildungsmaßnahmen<br />

nicht ein <strong>für</strong> allemal erlernbar ist, sondern einer kontinuierlichen<br />

Berücksichtigung im Sinne einer Querschnittsaufgabe bedarf.<br />

Das Projekt war insofern Auftakt eines Prozesses, der der Tatsache Rechnung<br />

tragen sollte, dass sich heute <strong>für</strong> junge TeamerInnen geschlechter-<br />

1<br />

Arbeit und Leben Hessen wurde vor über 50 Jahren vom DGB Hessen und den Hessischen<br />

Volkshochschulen gegründet.


<strong>Gender</strong> und kontinuierliche Teamentwicklung<br />

- 205 -<br />

relevante Fragestellungen anders stellen als <strong>für</strong> frühere Jahrgänge, aber<br />

auch anders als <strong>für</strong> <strong>die</strong> jugendlichen Zielgruppen der Bildungseinrichtung.<br />

Angestrebte Ziele des Projektes waren Sensibilisierung, inhaltliche <strong>Qualifizierung</strong>,<br />

Selbstreflexion der Teamenden, <strong>die</strong> Erprobung und Implementierung<br />

der Erkenntnisse und <strong>die</strong> Entwicklung von Kriterien <strong>für</strong> gender-relevante<br />

Aspekte eines Teamprofils. <strong>Gender</strong>themen mündeten so in kontinuierliche<br />

Teamentwicklung und in eine veränderte Seminarpraxis.<br />

Die Initiierung setzte voraus, zum einen aktuelle Bedarfe bei den Teamenden<br />

zu eruieren und zum anderen an ihrem Wissens- und Interessensstand<br />

anzusetzen. Folglich bewegte sich der Projektprozess in Teilschritten vorwärts,<br />

ohne dass im Einzelnen bereits zu Beginn alles vorgeplant wurde.<br />

Dieses Vorgehen wurde von den Teamenden als partizipationsförderlich<br />

gewürdigt.<br />

Erste Arbeitsphase: Selbstevaluierung als erster Zugang<br />

In der ersten Arbeitsphase setzten einige TeamerInnen den in der <strong>Gender</strong>-<br />

<strong>Qualifizierung</strong> entwickelten Leitfaden zur Selbstevaluierung in Seminaren<br />

ein. Die Auswertung der Ergebnisse ergab, dass <strong>die</strong> Teamenden in der Regel<br />

keinen geschlechtsbezogenen Umgang mit den Teilnehmenden praktizierten,<br />

bei den Teilnehmenden aber sehr wohl ‚geschlechtstypisches’ Verhalten<br />

festzustellen ist. Wie in einem Seminarbericht dargestellt wurde,<br />

vertrat z.B. der einzige männliche Teilnehmende eines Seminars „sehr engagiert<br />

das männliche Geschlecht in den Diskussionen“ und erfuhr als<br />

Mann „schon allein deshalb besondere Aufmerksamkeit“. Über<strong>die</strong>s sind geschlechtshomogene<br />

Gruppen, <strong>die</strong> bspw. eine Ausbildung absolvieren, in der<br />

klassischerweise immer noch (fast ausschließlich) Frauen oder Männer zu<br />

finden sind (z. B. technische, hauswirtschaftliche oder pflegerisch-helfende<br />

Berufe) in der <strong>Bildungsarbeit</strong> von Arbeit und Leben Hessen an der Tagesordnung.<br />

Ein Teamer stellte als Beispiel gezielter <strong>Gender</strong>-Evaluation eine Übung<br />

(„Tierprojektion“) vor, <strong>die</strong> mit den Teilnehmenden eines Seminars zum<br />

Übergang Schule-Beruf durchgeführt wurde. Die Jugendlichen wurden in<br />

<strong>die</strong>ser Übung gefragt, welches Tier sie gerne wären, <strong>die</strong> Methode wurde<br />

jedoch nicht inhaltlich ins Seminar einbezogen. Die Auswertung ergab, dass<br />

sehr wohl im Kontext „Übergang Schule-Beruf“ möglich gewesen wäre, <strong>die</strong>


- 206 -<br />

Elke Wilhelm<br />

den Tieren zugeordneten Eigenschaften als Auslöser <strong>für</strong> eine Diskussion<br />

über personale Voraussetzungen der eigenen Berufswahl zu nutzen.<br />

Die Seminarbeobachtungen bestätigten <strong>die</strong> Notwendigkeit, über den eigenen<br />

Umgang mit Geschlechterkategorien und das Verständnis über Geschlechterrollen<br />

in der Gesellschaft intensiver zu diskutieren.<br />

Zweite Arbeitsphase: Vertiefung und Unterstützung<br />

Die zweite Phase war geprägt durch eine vertiefende inhaltliche Auseinandersetzung<br />

mit dem <strong>Gender</strong>-Begriff und <strong>die</strong> Entwicklung konkreter Unterstützungselemente<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Teamenden. Die Beteiligten thematisierten im<br />

Zuge einer Diskussion um ihr Selbstverständnis, dass <strong>die</strong> Auseinandersetzung<br />

mit dem <strong>Gender</strong>-Begriff <strong>die</strong> kritische Betrachtung von Geschlechterkonstruktionen<br />

sowie geschlechtsbezogenen Zuschreibungen notwendig<br />

mache. Das Team stellte Einigkeit über <strong>die</strong> Bedeutung der <strong>Gender</strong>-Thematik<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> politische <strong>Bildungsarbeit</strong> her. Dabei wurde auf das Problem der<br />

fließenden Integration von <strong>Gender</strong>-Themen in Seminaren hingewiesen und<br />

<strong>die</strong> Zielsetzung formuliert, ein Bewusstsein <strong>für</strong> <strong>die</strong> Thematik bei den Teilnehmenden<br />

schaffen zu wollen.<br />

Ein wesentliches Problem <strong>für</strong> <strong>die</strong> Teamenden stellte <strong>die</strong> geschlechtergerechte<br />

Sprache dar: so sei der Unterschied zwischen männlicher und weiblicher<br />

Form in der Sprache den Teilnehmenden zwar oft bewusst, schlage<br />

sich jedoch nicht im Sprachgebrauch nieder. Schwierig sei es, ohne belehrend<br />

zu wirken, zu vermitteln, dass <strong>die</strong> Sprachwahl tatsächlich einen Unterschied<br />

mache.<br />

In einer nächsten Arbeitseinheit wurden Überlegungen des Teams zu einem<br />

‚<strong>Gender</strong>-Selbstcheck’ angestellt. Die Ergebnisse einer Mind-Map zeigten,<br />

dass zur differenzierten Selbsteinschätzung der Teamenden Selbst-<br />

und Fremdwahrnehmung, aber auch Supervision und intensive Reflexion<br />

des Seminargeschehens und der Zusammenarbeit im Team notwendig<br />

sind. Im Weiteren entwickelte das Team eine Reihe von Beobachtungsfragen<br />

<strong>für</strong> ein <strong>Gender</strong>-Feedback. Diese sollten ermöglichen, Situationen in Jugendseminaren<br />

zu protokollieren, <strong>die</strong> ‚gender-relevant’ sind.


<strong>Gender</strong> und kontinuierliche Teamentwicklung<br />

Dritte Arbeitsphase: Umsetzung in <strong>die</strong> Bildungspraxis<br />

- 207 -<br />

In der dritten Projektphase wurde <strong>die</strong>ser Beobachtungsleitfaden in einem<br />

dreitägigen Seminar zum Übergang Schule – Beruf probeweise eingesetzt.<br />

An dem Seminar nahmen 23 Jugendliche (13 junge Frauen und 10 junge<br />

Männer) im Alter von 15 bis 19 Jahren teil. Eine Teamerin und ein Teamer<br />

leiteten das Seminar, das von der verantwortlichen Bildungsreferentin beobachtet<br />

wurde. Im Vorfeld überarbeitete das Team <strong>die</strong> Seminarkonzeption,<br />

so wurde zeitweise in geschlechterhomogenen Gruppen gearbeitet.<br />

Die Fragen des Leitfadens <strong>die</strong>nten dazu, gewonnene Erkenntnisse und<br />

Wahrnehmungen nach dem Seminar im Team zu diskutieren. Deutlich<br />

wurde, dass der Fragebogen nicht „sklavisch“ abgearbeitet werden kann,<br />

sondern ein offener Blick auf gender-relevante Vorkommnisse hilfreich ist.<br />

Auffällig im Seminar war, dass <strong>die</strong> Teilnehmenden sich extrem geschlechterzentriert<br />

positionierten. In fast allen Arbeitseinheiten bildeten jeweils <strong>die</strong><br />

jungen Frauen und Männer eine Sitzreihe, nur in Einzelfällen wurde <strong>die</strong>ses<br />

Verhalten aufgrund äußerer Zwänge durchbrochen. Von Beginn an gab es<br />

von den jungen Frauen und Männern verbale „Angriffe“ auf das andere Geschlecht.<br />

Bei der Beobachterin entstand der Eindruck, dass in der Aufgabenverteilung<br />

im Team <strong>die</strong> Frau stärker <strong>für</strong> <strong>die</strong> „Versorgung“ der Gruppe zuständig<br />

war. Außerdem sprach sie mit leiserer Stimme. In einer Situation begann<br />

<strong>die</strong> Teamerin zu reden, kurz darauf stand der Teamer auf, ging zum Fenster,<br />

um es zu schließen. In der Auswertung wurde <strong>die</strong>ses zweideutige Signal<br />

thematisiert, da es zum einen als <strong>Kompetenz</strong>verlust <strong>für</strong> <strong>die</strong> Teamerin<br />

hat wirken können (da der Teamer den Ausführungen seiner Kollegin nicht<br />

<strong>die</strong> notwendige Aufmerksamkeit entgegenbrachte), zum anderen als Unterstützung,<br />

damit <strong>die</strong> Teamerin nicht durch Straßenlärm übertönt wurde.<br />

An anderer Stelle im Seminar gelang es, <strong>die</strong> Teilnehmenden mit geschlechtergerechter<br />

Sprache in Kontakt zu bringen. So schrieb der Teamer<br />

beim Sammeln von Gruppenregeln auf eine Wandzeitung „jede/r ist pünktlich“<br />

und fragte, ob denn alle wüssten, was damit gemeint sei. Sofort antwortet<br />

ein junger Mann: „ja, halt Frauen und Männer“ und eine Teilnehmerin<br />

sagte: „da haben wir wieder was gelernt“. Durch <strong>die</strong> Spontaneität<br />

und Authentizität des Hinweises wurde geschlechtergerechte Sprache zum<br />

Thema, ohne moralisch daher zu kommen.


- 208 -<br />

Elke Wilhelm<br />

Während des Seminars führte geschlechtsbezogenes Verhalten der Jugendlichen<br />

vielfach zu Auseinandersetzungen zwischen den jungen Frauen<br />

und Männern. Beispielhaft steht hier<strong>für</strong> <strong>die</strong> folgende Situation: Ausgehend<br />

von der biografischen Methode des Zeitstrahls „Meine nächsten zehn Jahre“<br />

waren Diskussionen zur Lebensplanung in geschlechtergetrennten<br />

Gruppen geplant. Dazu wurde der Seminarraum mit einer Trennwand geteilt.<br />

An einer Tür befand sich ein Frauenzeichen, an der anderen Tür ein<br />

Männerzeichen. Kommentare einer jungen Frau dazu: „Was ist das denn,<br />

machen wir jetzt Frauen und Männer getrennt?“. Die Teamerin schränkte<br />

ein: „Ja, nicht <strong>für</strong> immer, aber jetzt“, <strong>die</strong> Teilnehmerin antwortete zustimmend<br />

„umso besser“. Interessanterweise kamen nach der Pause erst einmal<br />

auch alle Männer in den Raum der Frauen, während keine einzige Frau<br />

sich <strong>für</strong> den anderen Raum interessierte.<br />

Wandzeitung mit der Darstellung des Teamentwicklungsprojektes<br />

In der Frauengruppe zeigte sich, dass <strong>für</strong> alle Frauen <strong>die</strong> Berufswahl und<br />

Berufsausübung höchste Priorität hatte. Bei fast allen bedeutete das: fortbilden,<br />

weiterbilden, einen höheren Schulabschluss bekommen. Kinder<br />

spielten in der Planung keine oder nur eine geringe Rolle. Eine Teilnehmerin<br />

brachte es <strong>für</strong> sich auf den Punkt: „Wichtiger ist Karriere. Ich will, dass<br />

mein Kind denkt, dass seine Mutter etwas erreicht hat. (... )Vorbild sein als<br />

Mutter, nur dann kann ich von meinem Kind was fordern.“


<strong>Gender</strong> und kontinuierliche Teamentwicklung<br />

- 209 -<br />

Anschließend tauschten sich beide Gruppen im Plenum aus. Diskussionen<br />

über <strong>die</strong> Arbeitsteilung von Männern und Frauen verliefen immer wieder im<br />

Sande (z.B. als es um <strong>die</strong> Verantwortung von Männern <strong>für</strong> <strong>die</strong> Kinder ging<br />

und ein junger Mann formulierte: „Und wenn es fremde Kinder sind?“).<br />

Verärgert über einige Beiträge der jungen Männer äußerten einige junge<br />

Frauen u.a., dass „Männer erst ab 30 Jahren Kinder bekommen (sollten),<br />

vorher sind sie zu jung“.<br />

Zu den geschlechtshomogenen Gruppen äußerten sich <strong>die</strong> jungen Frauen<br />

durchweg positiv: „Das war gut alleine, als <strong>die</strong> Jungs kamen, war’s blöd.“,<br />

„Wir sind konzentrierter, wenn Männer und Frauen getrennt sind.“. Die<br />

jungen Männer äußerten, <strong>die</strong> Mädchen seien blöd und Zicken und einer<br />

kommentierte patzig: „Bleiben wir halt getrennt.“.<br />

Die Beispiele aus dem Seminar machten in der Auswertung deutlich, dass<br />

<strong>die</strong> Berücksichtigung von <strong>Gender</strong>-Aspekten in der Jugendbildung hohe Priorität<br />

hatte. Dazu gehörte, dass bei den Teamenden <strong>Kompetenz</strong>en zu entwickeln<br />

sind, auf vorhandene Konflikte der jungen Männer und Frauen einzugehen.<br />

Bestätigt hatte sich auch, dass viele Jugendliche über andere Geschlechtervorstellungen<br />

verfügen als <strong>die</strong> Teamenden. Einerseits erlebten<br />

wir äußerst kompetente und selbstbewusste junge Frauen, <strong>die</strong> bereit waren,<br />

<strong>die</strong> Familiengründung hintan zu stellen. Andererseits gab es zahlreiche<br />

junge Männer, <strong>die</strong> den an sie gestellten aktuellen Anforderungen (gerade<br />

auch von den jungen Frauen) wenig gewachsen waren und deshalb teilweise<br />

in alten Männerrollen Halt suchten.<br />

Auswertung des Teamentwicklungsprozesses<br />

Im zeitlichen Abstand zu den drei beschriebenen Projektphasen wurden <strong>die</strong><br />

Teamenden zum Fortbildungsprozess befragt 2 . Dies ermöglichte Erkenntnisse,<br />

welche Fortbildungsteile den Teamenden besonders bedeutend erschienen<br />

und welche Schlussfolgerungen sie daraus zogen. Zum anderen<br />

konnten weiterführende Interessen als auch Informationen zur Gesamtwirkung<br />

des Projektes ermittelt werden.<br />

Die folgenden inhaltlichen Bestandteile des Fortbildungsprojektes waren<br />

den Teamenden besonders wichtig:<br />

2 Die nachfolgenden Zitate entstammen <strong>die</strong>ser Befragung.


- 210 -<br />

�� „Grundlagen zu <strong>Gender</strong> Mainstreaming“,<br />

�� „Seminarkonzepte zu <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten überarbeiten“,<br />

�� „Teamdiskussionen zum <strong>Gender</strong>-Begriff“,<br />

�� „Entwicklung der Fragen zur <strong>Gender</strong>-Beobachtung in Seminaren“,<br />

�� „Seminarbeobachtung und Team-Feedback“.<br />

Elke Wilhelm<br />

Erkenntnisreich war <strong>für</strong> <strong>die</strong> Mitglieder des Jugendteams:<br />

�� „wie Konzepte entwickelt werden“,<br />

�� „dass es mir um eine „Geschlechtersensibilisierung“ von Teilnehmenden<br />

geht und nicht um eine Erklärung aller möglichen gesellschaftlichen<br />

Zusammenhänge an Hand von geschlechtsspezifischen Aspekten“,<br />

�� „dass ich zunächst <strong>für</strong> mich definieren muss, was ich unter „Geschlechtersensibilisierung“<br />

verstehe (Worauf will ich im Seminar aufmerksam<br />

machen? Welche Aha-Erlebnisse <strong>für</strong> welche Handlungsoptionen?)<br />

– und das ist extrem schwierig (Ich will über „Mann ist so“ –<br />

„Frau ist so“ hinaus.)“,<br />

�� „Reflexion der unterschiedlichen Geschlechterrollen im Seminar“,<br />

�� „Überlegungen, wie man <strong>Gender</strong> elegant in das Seminargeschehen<br />

einbinden kann“.<br />

Für <strong>die</strong> Zukunft von Arbeit und Leben und des Jugendteams wünschten<br />

sich <strong>die</strong> Teamenden:<br />

�� „systematisch Seminarkonzepte zu <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten zu überarbeiten“,<br />

�� „Weiterentwicklung der Fragen zur <strong>Gender</strong>-Beobachtung in Seminaren“,<br />

�� „zukünftig mehr Seminarbeobachtungen und Team-Feedback“,<br />

�� „praktische Übungsbeispiele zum Thema zu entwickeln und zusammen<br />

zu stellen“,<br />

�� „<strong>die</strong> besondere Lage von jungen Männern mehr in den Blick zu nehmen“.<br />

Des Weiteren formulierte eine Teamerin, „mich würde ein Input zu den gesellschaftlichen<br />

Voraussetzungen (Lebenslagen u. ä.), unter denen <strong>die</strong> Jugendlichen<br />

ihre Geschlechterrollen konstituieren, interessieren“. Als konkrete<br />

Konsequenzen wurden genannt:


<strong>Gender</strong> und kontinuierliche Teamentwicklung<br />

- 211 -<br />

�� „dass ich vor einem Seminar versuchen werde, mir ein paar „geschlechtsspezifische“<br />

Fragestellungen (z. B. Sprache, Berufswahl oder<br />

Umgang mit Handlungsoptionen – was tun, wenn ...?) ausdenken<br />

werde, um einen persönlichen Bezug zwischen den Teilnehmenden<br />

und dem Thema herzustellen“,<br />

�� „zukünftig sensibler mit der eigenen Geschlechterrolle im Umgang mit<br />

den Teilnehmenden und in der Team-Zusammenarbeit umgehen“,<br />

�� „Anregungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Praxis“.<br />

In vielen Antworten zeigte sich, dass das Thema <strong>Gender</strong> weiterhin das Jugendteam<br />

begleiten wird. In den Blick geraten dabei <strong>die</strong> persönliche <strong>Qualifizierung</strong>,<br />

<strong>die</strong> Weiterentwicklung der <strong>Bildungsarbeit</strong> und ein besseres Verständnis<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Zielgruppe.<br />

Ausblick<br />

Perspektivisch ergaben sich aus dem Projekt weiterführende Anforderungen<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Entwicklung der politischen Jugendbildungsarbeit und <strong>die</strong><br />

Team-<strong>Qualifizierung</strong>, z. B.<br />

1. <strong>die</strong> Realisierung von <strong>Gender</strong>-Beobachtungen in Seminaren (Instrumente,<br />

Formen),<br />

2. <strong>die</strong> Umsetzung von Seminarkonzepten im Hinblick auf gender-relevante<br />

Methoden und Grundsätze,<br />

3. <strong>die</strong> Entwicklung eines Teamprofils <strong>für</strong> nebenamtliche MitarbeiterInnen<br />

und<br />

4. <strong>die</strong> Entwicklung von Kriterien <strong>für</strong> eine „Kollegiale <strong>Gender</strong>-Beratung“.<br />

Dass junge Teamerinnen und Teamer das Thema <strong>Gender</strong> oftmals <strong>für</strong> sperrig<br />

und „veraltet“ halten, stellt eine besondere Herausforderung in der<br />

Teambegleitung dar. Diese Einstellung bedeutet zwar ein Korrektiv <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Tendenz, Zuschreibungen zu treffen, es besteht aber auch <strong>die</strong> Gefahr, dass<br />

durch Negieren des Themas der Blick auf spezifische Lebenslagen der Zielgruppe<br />

versperrt bleibt.<br />

Eine weitere Herausforderung ist, geschlechtersensible Konzepte <strong>für</strong> junge<br />

Männer zu entwickeln, um zu deren Identitätsentwicklung und der Entwicklung<br />

personalen Selbstbewusstseins beizutragen, so dass den Kategorien<br />

Geschlecht und Kultur als Orientierungsgrundlagen <strong>für</strong> ihre Lebens-<br />

und Berufsplanung weniger Gewicht zukommt.


- 212 -<br />

4.7 City-Bound: Mission Impossible?<br />

Christian Reichert<br />

Christian Reichert<br />

„City-Bound: Mission Impossible?“ So lautete der Titel eines Seminars, das<br />

im Rahmen einer Projektwoche einer Gesamtschule in Hamburg-Winterhude<br />

im Oktober 2006 stattfand. Das Seminar mit den thematischen<br />

Schwerpunkten „Geschlechterverhältnisse“ und „Geschlechteridentitäten“<br />

umfasste 26 Teilnehmende der Klassenstufe 9 und wurde in einem Zeitraum<br />

von fünf Tagen (jeweils 9 bis 14 Uhr) in den Räumlichkeiten des<br />

Hauses der Jugend im Hamburger Stadtteil St. Pauli durchgeführt.<br />

Der grundlegende Seminaraufbau folgte dabei einer Konzeption des Bildungsträgers<br />

ARBEIT UND LEBEN Hamburg 1 , der auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> Organisation des<br />

Seminars zuständig war. Die konkrete Ausgestaltung der Projektwoche orientierte<br />

sich an den Erfordernissen des Seminarverlaufs und den Wünschen<br />

der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler. Der Begriff „City Bound“ im<br />

Titel verweist auf methodische Schwerpunktsetzungen aus dem Bereich der<br />

Erlebnispädagogik, <strong>die</strong> Durchführung des Seminars war jedoch methodisch<br />

vielfältig und nicht auf erlebnispädagogische Methoden beschränkt. Die<br />

methodische Ausrichtung und der Einbezug des metropolenspezifischen<br />

Alltagshintergrundes der Teilnehmenden sorgten da<strong>für</strong>, dass <strong>die</strong> Durchführung<br />

der Projektwoche <strong>für</strong> <strong>die</strong> beiden TeamerInnen Christian Reichert und<br />

Claudia Zampolin nicht zu einer „Mission Impossible“ wurde.<br />

Das Konzept City-Bound:<br />

Seminargestaltung im städtischen Raum<br />

City Bound ist ein erlebnispädagogisches Konzept, welches den metropolenspezifischen<br />

Kontext der Alltags- und Erfahrungswelt der Teilnehmenden<br />

berücksichtigt und <strong>die</strong> Stadt als Medium, Lernort und Erlebnisraum nutzt.<br />

Das Konzept unternimmt den Versuch, <strong>die</strong> überwiegend durchstrukturierten<br />

und gestaltungsarmen städtischen Räume mit Leben zu füllen und<br />

1<br />

Das Seminarkonzept wurde von Jens Schmidt und Susanne Offen <strong>für</strong> ARBEIT UND LEBEN<br />

Hamburg entwickelt.


City-Bound: Mission Impossible?<br />

- 213 -<br />

dadurch den Schülerinnen und Schülern neue Blickwinkel auf ihre alltäglichen<br />

Räume zu eröffnen. Mit der Methode des "Lernen durch Erleben" sollen<br />

<strong>die</strong> Teilnehmenden ihre Kommunikationsfähigkeiten sowie ihre Alltags-<br />

und Sozialkompetenz schulen, auf einer gesellschaftlichen Ebene politische<br />

Zusammenhänge erkennen und eigene Handlungsansätze entwickeln.<br />

Die Strukturierung städtischer Räume enthält auch eine <strong>Gender</strong>-Dimension.<br />

Architektonische und ökonomische Funktionszuweisungen (z.B. "sichere"<br />

bzw. "unsichere" Straßen, Arbeitsorte) erzeugen und verstärken geschlechtsdifferenzierte<br />

Verhaltensweisen. Diese verborgenen Skripts städtischer<br />

Räume sollen im Seminar durch <strong>die</strong> gezielte Interaktion der Teilnehmenden<br />

mit den räumlichen, sozialen und infrastrukturellen Gegebenheiten<br />

der Stadt sichtbar, erfahrbar und nachvollziehbar gemacht werden. Dabei<br />

liegt der Schwerpunkt nicht auf der Aktion an sich, sondern auf der Verknüpfung<br />

der Aktion mit der dazu notwendigen Reflexion. Über <strong>die</strong> Auswertung<br />

und Verarbeitung der Erlebnisse und der Diskussion über <strong>die</strong> gesellschaftlichen<br />

Zusammenhänge werden <strong>die</strong> Lernerfahrungen in das Alltagsgeschehen<br />

transferiert.<br />

Lernziele<br />

Die Schülerinnen und Schüler sollten sich im Seminar mit Geschlechterverhältnissen<br />

auf persönlicher und gesellschaftlicher Ebene auseinandersetzen.<br />

Konkret sollten sie:<br />

�� verschiedene Ausformungen von Männlichkeit und Weiblichkeit kennen<br />

lernen,<br />

�� verstehen, dass und wie ihre Geschlechtsidentität sozial konstruiert<br />

wird,<br />

�� <strong>die</strong> Rolle des Körpers <strong>für</strong> eine Geschlechtsidentität erkennen,<br />

�� <strong>für</strong> Ausgrenzungs- und Unterdrückungsmechanismen zwischen und innerhalb<br />

der Geschlechter sensibilisiert werden,<br />

�� strukturelle Machtungleichheit im Geschlechterverhältnis anhand der geschlechtsbezogenen<br />

Arbeitsteilung kennen lernen,<br />

�� geschlechtsbezogene Rollenzuschreibungen erkennen und hinterfragen,<br />

�� vermeintlich geschlechtstypische Verhaltensweisen hinterfragen und<br />

Handlungsalternativen entwickeln.


- 214 -<br />

Umsetzung und Durchführung<br />

Der Seminarort<br />

Christian Reichert<br />

Das Seminar wurde vom 9. bis 13. Oktober 2006 in den Räumen des Hauses<br />

der Jugend im Hamburger Stadtteil St. Pauli durchgeführt. Gerade der<br />

Stadtteil St. Pauli bietet aufgrund seiner „unterschiedlichen Gesichter“<br />

(Elbe, Kiez, Stadtteil- und Kulturzentren, Kleingewerbe etc.) gute Bedingungen<br />

<strong>für</strong> das Arbeiten im städtischen Raum. Gleichzeitig bot <strong>die</strong> Entfernung<br />

zum Herkunftsstadtteil Winterhude einen sicheren Abstand insbesondere<br />

<strong>für</strong> Mädchen mit traditionellerem migrantischen Familienhintergrund,<br />

so dass sich <strong>die</strong>se relativ ungezwungen im städtischen Raum bewegen<br />

konnten. Das Haus der Jugend verfügt über einen sehr großen Tagungsraum<br />

mit einer Bühne sowie einen kleinen Arbeitsraum, der sowohl <strong>für</strong><br />

Kleingruppenarbeit als auch <strong>für</strong> Halbgruppenarbeit ausreichend Platz bietet.<br />

Die Seminarstruktur<br />

Der Seminarablauf sah <strong>für</strong> jeden der fünf Projekttage ein bis zwei inhaltliche<br />

Themenschwerpunkte vor.<br />

�� Thematischer Einstieg in <strong>die</strong> Seminarwoche am Montag war das Thema<br />

Geschlechterrollen bzw. verschiedene Bilder und Ausformungen<br />

von Männlichkeit und Weiblichkeit.<br />

�� Schwerpunkt am Dienstag waren Lebensgestaltung und Lebens- bzw.<br />

Familienformen.<br />

�� Am dritten Tag beschäftigten sich <strong>die</strong> Jugendlichen mit den politischen<br />

Rahmenbedingungen, insbesondere im Hinblick auf vermeintlich geschlechtstypische<br />

Arbeitsverhältnisse.<br />

�� Donnerstag ging es um unterschiedliche Bewegungsräume von Männern<br />

und Frauen.<br />

�� Inhaltlicher Schwerpunkt am Freitag war neben einer thematischen<br />

Zusammenführung der letzten vier Tage <strong>die</strong> eigene Geschlechtsidentität.<br />

Montag<br />

Nach einem klassischen Seminarbeginn mit Begrüßung, gegenseitigem<br />

Kennen lernen, einem Überblick über <strong>die</strong> Seminarwoche und einem Abfragen<br />

der Wünsche der Teilnehmenden folgte ein thematischer Einstieg ins


City-Bound: Mission Impossible?<br />

- 215 -<br />

Thema Geschlechterrollen. Die Jugendlichen sammelten in geschlechterhomogenen<br />

Halbgruppen „Eigenschaften“, <strong>die</strong> sie mit „Weiblichkeit“ bzw.<br />

mit „Männlichkeit“ assoziieren. Dabei ging es insbesondere darum, <strong>die</strong><br />

gesammelten „Eigenschaften“ als Zuschreibungen zu erkennen und zu<br />

prüfen, ob <strong>die</strong>se nicht teilweise auch auf das andere Geschlecht zutreffen<br />

könnten.<br />

Derart sensibilisiert und ausgestattet mit Polaroid-Kameras machten sich<br />

<strong>die</strong> Jugendlichen in geschlechterhomogenen Kleingruppen auf <strong>die</strong> erste<br />

"Expedition" in den Stadtteil.<br />

Hauptarbeitsauftrag <strong>für</strong> <strong>die</strong> geschlechterhomogenen Gruppen war, jeweils<br />

sieben Personen des eigenen Geschlechts zu einem Gruppenbild zusammen<br />

zu stellen und auf einem Polaroid-Foto festzuhalten. Dabei sollten <strong>die</strong> einzelnen<br />

Personen unterschiedliche vorgegebene Attribute aufweisen (eine<br />

Frau mit Kind, eine mit Arbeitskleidung etc.). Für den zweiten Arbeitsauftrag<br />

sollten <strong>die</strong> einzelnen Gruppen je zwei Personen des gleichen Geschlechts<br />

ansprechen und bitten, jeweils zwei Eigenschaften auf ein Blatt<br />

Papier zu schreiben, <strong>die</strong> sie <strong>für</strong> typisch männlich und typisch weiblich halten<br />

und <strong>die</strong>se Personen mit ihrem Blatt Papier fotografieren.<br />

Die Umsetzung der Aufgaben gingen <strong>die</strong> Jugendlichen mit großem Eifer an.<br />

Allen Gruppen gelang es, zumindest einzelne Personen von ihrem Anliegen<br />

zu überzeugen und zum Mitmachen zu motivieren. Beide Mädchengruppen<br />

schafften es, ein Gruppenbild zusammenzustellen und alle Aufgaben zu lösen.<br />

Die Jungengruppen haben <strong>die</strong> Gruppenbilder nicht realisieren können,<br />

jedoch <strong>die</strong> restlichen Aufgaben kreativ gelöst. Die Jungengruppen klagten<br />

insbesondere über <strong>die</strong> Unfreundlichkeit der Männer, <strong>die</strong> sie <strong>für</strong> ihre Gruppenbilder<br />

gewinnen wollten. Die Schwierigkeit von Jungen, mit Männern<br />

auf der Straße in Kommunikation zu treten, war den Teamenden allerdings<br />

aus vorangegangen Seminaren bekannt.<br />

Im Anschluss an <strong>die</strong> Exkursion präsentierten <strong>die</strong> Kleingruppen ihre Ergebnisse<br />

auf großen Plakaten im gemischten Plenum. Durch Impulse der Seminarleitung<br />

konnte erreicht werden, dass sowohl <strong>die</strong> gesammelten „typischen“<br />

Verhaltensweisen als auch <strong>die</strong> berichteten Schwierigkeiten nicht als<br />

persönliche Eigenschaften verstanden, sondern in ihrer Verwobenheit mit<br />

gesellschaftlichen Strukturen diskutiert wurden.


- 216 -<br />

Dienstag<br />

Christian Reichert<br />

Eine kurze Aufwärmübung in der Gesamtgruppe leitete den Tag ein. Anknüpfend<br />

an <strong>die</strong> Auseinandersetzung mit den Männern und Frauen zugeordneten<br />

Eigenschaften vom Vortag wurden <strong>die</strong> Werte und Attribute auf<br />

Karteikarten festgehalten und konnten in einer Werteversteigerung mit<br />

Spielgeld erworben werden. Alle Teilnehmenden versuchten, <strong>die</strong> <strong>für</strong> sie erstrebenswertesten<br />

Attribute <strong>für</strong> sich zu ersteigern. In einer Runde im Anschluss<br />

stellten <strong>die</strong> Einzelnen ihre ersteigerten Werte vor. Nach einem kurzen<br />

Austausch gab es <strong>die</strong> Möglichkeit zum Tausch. Besondere Auffälligkeiten<br />

zwischen Jungen und Mädchen gab es in der Verteilung der Werte<br />

nicht. In der Mädchengruppe waren <strong>die</strong> Themenkomplexe Romantik und<br />

Liebe nur geringfügig höher eingeschätzt worden als Durchsetzungsvermögen<br />

und Stärke. Auch in der Jungengruppe wurde beiden Bereichen<br />

ähnliche Bedeutung zugemessen.<br />

Nach einem kurzen Spiel beschäftigten sich <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler in<br />

Einzelarbeit mit ihrer Lebensgestaltung und den Wünschen an ihr zukünftiges<br />

Leben. In einem „Zeitkuchen“ sollten sie Freizeit, Familie/Beziehung/<br />

Freunde und Arbeit gewichten und ihre Wünsche und Bedürfnisse in<br />

Dreier-Gruppen austauschen.<br />

Intensive Vorbereitungsarbeit<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Durchführung<br />

der Interviews<br />

Anschließend gingen <strong>die</strong> Teilnehmenden nach einer kurzen Einführung in<br />

<strong>die</strong> Technik der Aufnahmegeräte in geschlechterheterogenen Kleingruppen<br />

auf Interviewexkursion. Die InterviewpartnerInnen wurden insbesondere


City-Bound: Mission Impossible?<br />

- 217 -<br />

nach ihrer Lebensgestaltung und Zeiteinteilung im Alltag befragt, also der<br />

Verteilung von Freizeit, Familie und Beruf. Auffällig bei der Präsentation der<br />

Ergebnisse im Plenum war eine Ernüchterung hinsichtlich des Freizeit-Anteils<br />

der Befragten und der geschilderten Arbeitszwänge bei gleichzeitiger<br />

Euphorie, sein Arbeitsleben auch spannend und erfüllend gestalten zu können.<br />

Mittwoch<br />

Der Mittwoch hatte durch <strong>die</strong> Anwesenheit eines Filmteams, das <strong>die</strong> Jugendlichen<br />

in verschiedenen Arbeitseinheiten begleitete und Aufnahmen<br />

<strong>für</strong> eine Fernseh-Reportage machte, <strong>für</strong> <strong>die</strong> Teilnehmenden einen besonderen<br />

Reiz. Im <strong>Gender</strong>-Quiz, der ersten Arbeitseinheit des Tages, ging es<br />

um Fragen aus den Bereichen Familie, Freundschaft, Sexualität und Arbeit.<br />

Die vier Teams (zwei Mädchen- und zwei Jungen-Teams) traten mit großer<br />

Begeisterung gegeneinander an und lösten verschiedenste Aufgaben, <strong>die</strong><br />

methodisch breit gestreut waren (Wissensabfrage, Rollenspiel etc.). Das<br />

Filmteam sorgte beim Quiz noch <strong>für</strong> zusätzliche Motivation.<br />

Die letzte Arbeitseinheit des Tages beschäftigte sich mit dem Thema geschlechtstypische<br />

Arbeit. Vier geschlechterheterogene Kleingruppen befragten<br />

mit Aufnahmegeräten einen Referenten der DGB-Jugend, eine Dozentin<br />

an der Universität, einen Mitarbeiter eines Stadtteilzentrums in St.<br />

Pauli und PassantInnen vor einem Supermarkt. Inhaltlich standen Fragen<br />

nach männlich bzw. weiblich dominierten Arbeitsbereichen, Geschlechterdifferenzen<br />

in der Entlohnung, Reproduktion in der Familie und Familienformen<br />

im Vordergrund. Eine Jungengruppe, <strong>die</strong> PassantInnen vor einem<br />

Supermarkt befragte, wurde vom Filmteam begleitet. Insbesondere <strong>die</strong><br />

Ausführungen über <strong>die</strong> Frauenquote von ProfessorInnen an der Universität<br />

sowie über <strong>die</strong> politischen Rahmenbedingungen, <strong>die</strong> <strong>für</strong> eine geschlechterdifferenzierte<br />

Entlohnung von Arbeit verantwortlich sind, sorgte bei der abschließenden<br />

Präsentation der Ergebnisse im Plenum <strong>für</strong> eine lebhafte Debatte.<br />

Donnerstag<br />

Nach einer Reflexion des Vortags und dem Zusammentragen der offen gebliebenen<br />

Ergebnisse stand das Thema weibliche und männliche Bewegungsräume<br />

im Vordergrund. Auch das Thema Zuschreibungen spielte<br />

wieder eine Rolle.


- 218 -<br />

Christian Reichert<br />

Nach einer kurzen inhaltlichen Einführung mit anschließender Diskussion im<br />

Plenum ging <strong>die</strong> Gesamtgruppe in ein nahegelegenes Hapkido-Zentrum. Im<br />

Unterschied zu Sportarten wie Boxen oder Ballett sind <strong>die</strong> geschlechterbezogenen<br />

Zuschreibungen bei der Bewegungs- und Kampfkunst Shinson<br />

Habkido relativ gering und der Umgang der Geschlechter im gemischten<br />

Training weitgehend egalitär und von gegenseitigem Respekt geprägt. Der<br />

konkrete Umgang miteinander in der Trainingsstunde sowie <strong>die</strong> Untermauerung<br />

der Verhaltensweisen durch <strong>die</strong> Idee und Philosophie des Shinson<br />

Habkido durch den Trainer hinterließ nachhaltige Spuren bei den Teilnehmenden<br />

und führte in der anschließenden Auswertung im Seminarrahmen<br />

zu einer lebhaften Diskussion.<br />

Der zweite inhaltliche Schwerpunkt des Tages war <strong>die</strong> Vertiefung des Themenkomplexes<br />

Lebens- bzw. Zukunftsplanung. In Einzelarbeit sollten <strong>die</strong><br />

Jugendlichen sich in ihre Zukunft hineindenken und in einem Brief an ihren<br />

besten Schulfreund oder ihre beste Schulfreundin, <strong>die</strong> sie zehn Jahre nicht<br />

gesehen haben, darstellen, wie sie leben, was sie arbeiten u.a. Anschließend<br />

sollten sie sich in Zweierteams ihre Ausführungen gegenseitig vorstellen<br />

und darüber austauschen.<br />

Auffällig waren in <strong>die</strong>ser Einheit <strong>die</strong> Umsetzungsschwierigkeiten bei den<br />

Jungs, wogegen <strong>die</strong> Mädchen ihr zukünftiges Leben mit viel Phantasie ausschmückten<br />

und entwarfen. Mit zahlreichen Rollenspielen wurde das<br />

Thema abgerundet und der Tag mit viel Spaß und Gelächter abgeschlossen.<br />

Freitag<br />

Nach kurzem Aufwärmen und Nachbereiten des Vortages wurde das<br />

Thema Geschlechtsidentität bearbeitet und vertieft, indem <strong>die</strong> Jugendlichen<br />

in geschlechterhomogenen Halbgruppen Fragen und Wünsche an das andere<br />

Geschlecht entwickelten. Methodisch wurden <strong>die</strong>se dann mit der Anordnung<br />

einer Fish-Bowl 2 nach fest vereinbarten Regeln in einer<br />

vertrauensvollen Atmosphäre zusammengeführt.<br />

In <strong>die</strong> Fragen wie auch in <strong>die</strong> Debatten flossen zahlreiche Aspekte aus der<br />

gesamten Seminarwoche ein, so dass <strong>die</strong> Überleitung zu einer Rückschau<br />

und Reflexion der Woche nach einer kürzeren Pause leicht fiel. Die Rück-<br />

2 Beide Gruppen sitzen im Innen- bzw. Außenkreis Rücken an Rücken, der Außenkreis<br />

stellt <strong>die</strong> vorbereiteten Fragen, der Innenkreis diskutiert.


City-Bound: Mission Impossible?<br />

- 219 -<br />

schau anhand der erarbeiteten Plakate und Materialien sollte nicht nur <strong>die</strong><br />

inhaltlichen Themenkomplexe, sondern auch <strong>die</strong> angewandten Methoden<br />

ins Gedächtnis rufen, um Inhalte und Methoden von den Jugendlichen zu<br />

Evaluationszwecken bewerten zu lassen.<br />

Kritische Reflexion des Konzepts<br />

Durch <strong>die</strong> Nutzung der Räume des Hauses der Jugend im Stadtteil St. Pauli<br />

fand nicht nur ein Herauslösen der Arbeit aus dem schulischen Alltag statt,<br />

<strong>die</strong> räumliche Entfernung und der unbekannte Stadtteil sorgten zusätzlich<br />

<strong>für</strong> Motivation und Offenheit gegenüber der Seminararbeit. In weiten Teilen<br />

konnten <strong>die</strong> im Konzept formulierten Ziele erreicht werden. Die Jugendlichen<br />

haben sich methodenreich mit unterschiedlichen Ausformungen und<br />

Bildern von Männlichkeit und Weiblichkeit auseinandergesetzt und erkannt,<br />

dass Geschlecht auf Zuschreibungen und nicht auf biologischen Gegebenheiten<br />

basiert. Dabei schienen <strong>die</strong> Jungen deutlich stärker in traditionellen<br />

Denkmustern verhaftet zu sein als <strong>die</strong> Mädchen, wobei <strong>die</strong> Gruppe der<br />

Jungen auch wesentlich größere Schwierigkeiten als <strong>die</strong> der Mädchen<br />

hatte, miteinander zu kommunizieren und sich aufeinander zu beziehen.<br />

Auch <strong>die</strong> Themenkomplexe der eigenen Geschlechtsidentität und der politischen<br />

und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wurden angemessen<br />

und lebhaft bearbeitet. In der Gruppe der Jungen spielte sowohl bei den<br />

Zuschreibungen als auch bei der eigenen Geschlechtsidentität Homophobie<br />

eine deutlich größere Rolle als bei den Mädchen, wenngleich <strong>die</strong> thematischen<br />

Berührungsängste im Vergleich zu Erfahrungen mit anderen Gruppen<br />

relativ gering waren.<br />

Insgesamt hat sich <strong>die</strong> Konzeption des Seminars mit einer Kombination aus<br />

geschütztem Rahmen im Haus und großen erlebnispädagogischen Anteilen<br />

in der Arbeit im städtischen Raum bewährt. Durch <strong>die</strong> inhaltlichen Auseinandersetzungen<br />

in den (Klein)Gruppen und im Plenum und <strong>die</strong> häufigen<br />

Kontaktaufnahmen mit fremden Menschen auf der Straße gelang es, alternative<br />

Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, das Handlungsrepertoire der<br />

Jugendlichen zu erweitern und sie zum Ausloten der Handlungsspielräume<br />

in Bezug auf <strong>die</strong> eigene Geschlechtsidentität zu ermutigen.


- 220 -<br />

Jörg Bewersdorf<br />

4.8 Sowohl als auch –<br />

Familien- und Erwerbsarbeit: ein Männerthema<br />

Jörg Bewersdorf<br />

In Deutschland gewinnt das Thema der Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit<br />

aus der Sicht von Vätern einen immer größeren Stellenwert.<br />

Regierungen und Unternehmen haben ebenso wie Nicht-Regierungsorganisationen<br />

(NGO’s) erkannt, dass Familien- und Vereinbarkeitspolitik kein<br />

Frauenthema mehr ist, sondern Mütter und Väter gleichermaßen ansprechen<br />

muss.<br />

Die Geschichte des „Väterseminars“<br />

Als <strong>die</strong> Gewerkschaft Ötv 1996 das erste Mal zu einem bundesweit ausgeschriebenen<br />

Seminar <strong>für</strong> Väter und ihre Kinder unter dem Titel „Sowohl als<br />

auch – Familien- und Erwerbsarbeit: ein Männerthema“ einlud, sah es mit<br />

der Popularität von Väterpolitik in der Öffentlichkeit weitaus schlechter aus.<br />

Die Väter, <strong>die</strong> mit ihren Kindern das erste Wochenseminar <strong>die</strong>ser Art im<br />

hochsauerländischen Niedersfeld besuchten, fühlten sich eher als Exoten<br />

und sie wurden häufig auch so angesehen. Bestenfalls kritische Distanz<br />

wurde denjenigen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> gewohnte Arbeitsatmosphäre in einer Gewerkschaftsschule<br />

„störten“, entgegengebracht.<br />

Vieles hat sich seither geändert. Das Seminar ist im Jahre 2000 von Niedersfeld<br />

nach Berlin-Wannsee in das verdi-Bildungs- und Begegnungszentrum<br />

Clara Sahlberg gezogen. 2001 vereinigten sich ÖTV, DAG, DPG,<br />

HBV und IG Me<strong>die</strong>n zur Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Und<br />

seit 2002 hat <strong>die</strong> Familienpolitik in Deutschland unter den Familienministerinnen<br />

Renate Schmidt und Ursula von der Leyen einen gesellschaftlichen<br />

Aufschwung genommen.<br />

Das Seminar „Sowohl als auch – Familien- und Erwerbsarbeit: ein Männerthema“<br />

wurde bis zum Jahr 2008 während einer Woche innerhalb der Sommerferien<br />

durchgeführt, inzwischen von ver.di. Es war nach den<br />

Bildungsurlaubsgesetzen verschiedener Bundesländer als förderungsfähig


Sowohl als auch – Familien- und Erwerbsarbeit: ein Männerthema - 221 -<br />

anerkannt. Zwar war es inzwischen fast selbstverständlich geworden, dass<br />

sich auch Väter um Erziehungsaufgaben kümmerten und aus kritischer<br />

Distanz war Interesse, Zustimmung und Bestärkung geworden. Gleichwohl<br />

suchte <strong>die</strong>ses Seminar in Deutschland bisher seinesgleichen.<br />

Konzeption und Ergebnisse des „Väterseminars“<br />

Das Seminar richtete sich an Väter mit gruppenerfahrenen Kindern zwischen<br />

vier und vierzehn Jahren. Es wurde als Teilzeitseminar durchgeführt,<br />

d. h. <strong>die</strong> Hälfte der Zeit arbeiteten <strong>die</strong> Väter mit zwei bis drei ausschließlich<br />

männlichen Teamern, während <strong>die</strong> Kinder von drei bis vier erfahrenen und<br />

ausgebildeten männlichen Kinderbetreuern betreut wurden. Den weiteren<br />

Seminartag verbrachten <strong>die</strong> Väter gemeinsam mit den Kindern in der<br />

Gruppe. Sie wurden angeregt, <strong>die</strong> Zeit zusammen mit den Kindern und den<br />

anderen Vätern eigenständig zu planen und aktiv zu gestalten und erprobten<br />

so bereits <strong>die</strong> Vereinbarkeit in der praktischen Tagesgestaltung.<br />

Am Abend erfolgte eine angeleitete Tagesreflexion, in der den Vätern Gelegenheit<br />

geboten wurde, sich mit den Kinderbetreuern und untereinander<br />

austauschen und ggf. nach Lösungen <strong>für</strong> auftretende Schwierigkeiten zu<br />

suchen. Außerdem bestand <strong>die</strong> Möglichkeit, Planungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> nächsten<br />

Tage durchzuführen und abzusprechen.<br />

Im Mittelpunkt des Seminars stand anfänglich <strong>die</strong> Untersuchung individueller<br />

Vereinbarkeitsstrategien der Väter. Dabei wurden auch <strong>die</strong> persönlichen<br />

und gesellschaftlichen Hindernisse <strong>für</strong> <strong>die</strong> Gestaltung von Vereinbarkeit<br />

im Sinne der Väter untersucht. Im Laufe der Seminarentwicklung<br />

wurde der Focus der Betrachtung erweitert. Mehr und mehr gelangten<br />

neben der Vereinbarkeit von Familienarbeit und Erwerbsarbeit auch <strong>die</strong><br />

Auswirkungen einer aktiven Vaterschaft auf <strong>die</strong> individuellen Bedürfnisse<br />

der teilnehmenden Männer und ihre Partnerschaft in den Blick.<br />

Während des Seminars wurden vielfältige Methoden eingesetzt. Neben den<br />

klassischen Seminarmethoden gehörten dazu beispielsweise <strong>die</strong> persönliche<br />

Vorstellung aus Sicht des Kindes oder mit einem Bild bzw. Gegenstand aus<br />

der eigenen Jugend, <strong>die</strong> Reflexion und Visualisierung des eigenen Tagesablaufes<br />

oder des bisherigen Lebensverlaufes mit seinen beruflichen und<br />

privaten Höhen und Tiefen oder <strong>die</strong> Selbstvergewisserung in der Väterrolle<br />

mit der eigens zu <strong>die</strong>sem Zwecke überarbeiteten Methode der kreativen<br />

Selbstaufschreibung (vgl. Meueler 2001, S. 208).


- 222 -<br />

Jörg Bewersdorf<br />

Die bis zum Jahre 2004 durchgeführten Väterseminare hatten mithin vorwiegend<br />

<strong>die</strong> Auseinandersetzung der Väter mit ihren konkreten individuellen<br />

Lebenswirklichkeiten zum Inhalt. Es wurde den Männern <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

geboten, ihre Väterrolle sensibel zu betrachten, zu untersuchen, zu vergleichen<br />

und zu reflektieren. Die individuellen und gesellschaftlichen Hindernisse,<br />

<strong>die</strong> dem Wunsch entgegenstehen, aktive „neue“ Väter zu sein, wurden<br />

erkannt, benannt und damit bearbeitbar.<br />

Wesentliche Ergebnisse der Seminare waren stets <strong>die</strong> Erkenntnisse und der<br />

Austausch über andere Lebensgestaltungen durch intensiven Erfahrungsaustausch<br />

und der Vergleich der eigenen Lebenssituation und -gestaltung<br />

mit den Lebenswirklichkeiten der anderen Väter.<br />

Die neue Seminarkonzeption 2005<br />

Ohne auf <strong>die</strong> bisherigen Themen zu verzichten, sollten im Väterseminar<br />

2005 zusätzlich erstmals <strong>Gender</strong>-Aspekte integriert und <strong>die</strong> Strategie des<br />

<strong>Gender</strong> Mainstreaming vermittelt und bearbeitet werden. Dazu wurde das<br />

Seminarprogramm überarbeitet und weiterentwickelt. Die nachfolgende<br />

Darstellung bezieht sich auf das Seminar im Sommer 2005.<br />

Seminarablauf (Väterrunde)<br />

So: Anreise, erstes Kennenlernen<br />

Mo: Wup, Soziometrische Aufstelllungen<br />

Vorstellungsrunde Väter<br />

Was bedeutet <strong>für</strong> mich Vereinbarkeit?<br />

Di: Wup, Reste von gestern<br />

Väter/Söhne, Väter/Töchter (doing gender)<br />

abends: Filmangebot „Mein Leben in Rosarot“<br />

Mi: Wup, Auch Männer haben ein Vereinbarkeitsproblem<br />

Referent: Jo Klett, ver.di Bereich <strong>Gender</strong>politik<br />

Welche Angebote gibt es bereits bei ver.di (und DGB...)<br />

Do: Film, Vortrag, Diskussion von und mit Peter Thiel,<br />

Leiter der Männerberatung Berlin,<br />

Thema: Männer als Opfer häuslicher Gewalt<br />

Fr: Reflexion, Feedback, Abreise


Sowohl als auch – Familien- und Erwerbsarbeit: ein Männerthema - 223 -<br />

Sonntag:<br />

Begrüßung durch das Team im Foyer<br />

Im Jahre 2005 nahmen 13 Väter, drei Teamer (ebenfalls Väter), 22 Kinder<br />

und drei Kinderbetreuer am Seminar teil. Bereits vor der Anreise der Väter<br />

mit Ihren Kindern versammelte sich das gesamte Team im Foyer der Bildungsstätte.<br />

Die anreisenden Väter und ihre Kinder wurden persönlich begrüßt<br />

und von jeder „Familie“ wurde ein Polaroid-Foto aufgenommen. Aus<br />

den Fotos, ergänzt um geschriebene und gemalte Informationen (Namen,<br />

Hobbys und Wohnorte), wurde eine gemeinsame Fotowand gestaltet und<br />

so eine erste Möglichkeit zum gegenseitigen Kennenlernen und Ins-Gespräch-Kommen<br />

geschaffen. Den Vätern wurde durch das „Abholen“ beim<br />

Betreten des Hauses und <strong>die</strong> Art der Begrüßung eine Wertschätzung entgegen<br />

gebracht, <strong>die</strong> von ihrer männlichen, häufig beruflich/geschäftlich<br />

geprägten Erfahrungswelt aber auch von der sonst bei Seminaren üblichen<br />

Anreiseprozedur erheblich abgewichen ist. Dadurch wurde eine Irritation<br />

ausgelöst, <strong>die</strong> überwiegend als angenehm, obwohl <strong>für</strong> Männer unüblich beschrieben<br />

wurde.<br />

Montag:<br />

Vorstellungsrunde, „Protzen“, Assoziationen zu Vereinbarkeit<br />

Am nächsten Tag erhielten <strong>die</strong> Väter <strong>die</strong> Aufgabe, sich gegenseitig mit ihren<br />

drei größten Erfolgen als Vater noch einmal vorzustellen. Durch <strong>die</strong><br />

Methode des „Protzens“ richteten <strong>die</strong> Teilnehmer den Blick auf sich und<br />

ihre persönlichen Leistungen als Vater, setzten sich positiv damit auseinander<br />

und verließen den gewohnten defizitären Blick auf <strong>die</strong> eigene Rolle und<br />

auf vermeintliche Misserfolge. Die Möglichkeit, sich <strong>die</strong> eigenen Stärken<br />

bewusst zu machen und eine Vielzahl unterschiedlicher Erfolge auszusprechen<br />

und im Kreise der Väter zu veröffentlichen führte zu Lob und Anerkennung<br />

durch <strong>die</strong> anderen Teilnehmer. Außerdem wurde <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

des Transfers der positiven Gefühle und Erfahrungen der anderen Väter<br />

genutzt. So stellten <strong>die</strong> Väter häufig fest, dass sie den einen oder anderen<br />

vorgestellten Erfolg genauso oder ähnlich auch vorweisen konnten.<br />

Im Anschluss an <strong>die</strong> Vorstellungsrunde wurde entgegen früherer Seminare<br />

keine Erwartungsabfrage im herkömmlichen Sinne durchgeführt. Vielmehr<br />

erfolgte zunächst eine Klärung, welche Assoziationen <strong>die</strong> Väter zu dem<br />

Begriff „Vereinbarkeit“ haben. Das methodische Verfahren wurde zuvor<br />

ausführlich erläutert und <strong>die</strong> Wichtigkeit der schrittweisen Bearbeitung der


- 224 -<br />

Jörg Bewersdorf<br />

Aufgabe deutlich gemacht. Sodann wurden drei Kleingruppen von vier bis<br />

fünf Vätern nach dem Zufallsprinzip gebildet. Jede Gruppe erhielt einen<br />

Flipchartbogen und nur einen Filzstift. Im Zentrum des Bogens stand bereits<br />

der Begriff „Vereinbarkeit“. Aufgabe war es, schriftlich zum Begriff<br />

Vereinbarkeit zu assoziieren, ohne währenddessen miteinander zu reden<br />

oder Assoziationen anderer Gruppenmitglieder zu kommentieren. Es war zu<br />

beobachten, dass das Verfahren sehr genau eingehalten wurde.<br />

Väter, Kinder und Teamer des Seminars im Sommer 2005<br />

Im Anschluss an <strong>die</strong> 10-minütige Assoziationsphase diskutierten <strong>die</strong> Gruppenmitglieder<br />

ihre Ergebnisse und erläuterten sie sich gegenseitig. Da<strong>für</strong><br />

standen etwa 20 Minuten zur Verfügung. In einer weiteren 10-minütigen<br />

Phase sollte sich jede Gruppe auf <strong>die</strong> wichtigsten drei Begriffe einigen. Dies<br />

bereitete erkennbar Schwierigkeiten. So wählten <strong>die</strong> Gruppen teilweise Begriffspaare<br />

aus, setzen Begriffe und Ideen in Relation oder erfanden neue<br />

Überschriften. Eine sehr intensive Diskussion war in den Kleingruppen zu<br />

beobachten, und <strong>die</strong> Einhaltung der zeitlichen Vorgaben war insbesondere<br />

in der Phase der Konsenssuche schwierig. Gleichzeitig war auch zu beobachten,<br />

dass erst <strong>die</strong> engen Zeitvorgaben <strong>die</strong> Konsensfindung beförderten<br />

und ermöglichten.<br />

Nach der Gruppenphase erfolgte <strong>die</strong> Vorstellung der Ergebnisse im Plenum.<br />

Auch hier wurde ein bisher in <strong>die</strong>sem Rahmen nicht erprobtes Verfahren gewählt,<br />

indem eine Gruppe das visualisierte Ergebnis einer anderen Gruppe<br />

vorstellte und dabei mutmaßte und spekulierte, welche Inhalte sich hinter


Sowohl als auch – Familien- und Erwerbsarbeit: ein Männerthema - 225 -<br />

den aufgeschriebenen Stichworten verbergen könnten und warum welche<br />

Begriffe hervorgehoben wurden. Dadurch erfuhr <strong>die</strong> Gruppe, deren Ergebnis<br />

vorgestellt wurde, noch einmal eine andere Sicht auf ihre eigenen Ergebnisse<br />

und <strong>die</strong> Erkenntnisse zum eigenen Arbeitsergebnis wurden noch einmal erweitert.<br />

Die Gruppe, deren Ergebnis vorgestellt wurde, erhielt im Anschluss<br />

<strong>die</strong> Gelegenheit, <strong>die</strong> vorstellende Gruppe zu bestätigen bzw. zu berichtigen.<br />

Während alle drei Gruppen <strong>die</strong> Gruppenergebnisse in <strong>die</strong>ser Weise vorstellten,<br />

schrieben <strong>die</strong> Teamenden <strong>die</strong> wichtigsten, herausgehobenen drei<br />

Begriffe mit und präsentierten den teilnehmenden Vätern anschließend ihre<br />

„Definition“ von Vereinbarkeit. Die Väter waren übereinstimmend von der<br />

„Richtigkeit“ ihrer Definition überzeugt. Unter Vereinbarkeit verstanden <strong>die</strong><br />

Teilnehmer des Väterseminars 2005 Folgendes:<br />

�� organisieren<br />

�� Freizeit-Hobby, wo bleibe ich<br />

�� Anerkennung � Gesellschaft<br />

�� Partnerschaft<br />

�� Konkurrenz<br />

�� Balance<br />

�� Erwerbsarbeit ist Teil von Familienarbeit<br />

�� Interessenkonflikt/ -ausgleich<br />

�� Verantwortung übernehmen<br />

Hervorzuheben ist eine intensive Diskussion zum Begriff „Erwerbsarbeit ist<br />

Teil von Familienarbeit“. An <strong>die</strong>ser Stelle wurde <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Dimension <strong>die</strong>ser<br />

Arbeitsphase besonders deutlich. Die teilnehmenden Väter waren übereinstimmend<br />

der Auffassung, dass Erwerbsarbeit <strong>die</strong> wirtschaftliche Existenz<br />

von Familie erst sichert und damit zum Bestehen der Familie erheblich<br />

beiträgt. Sie beklagten, dass im aktuellen gesellschaftlichen Diskurs durch<br />

Aufwertung der Familienarbeit unter „neuen“ Vätern Erwerbsarbeit abgewertet<br />

wird. Nach ihrer Auffassung funktioniere Familie aber erst, wenn sie<br />

wirtschaftlich gesichert sei. Konstruktionen von Familie, in denen der Vater<br />

<strong>die</strong> Ernährerrolle im Aushandlungsprozess mit der Partnerin (weiterhin)<br />

übernimmt und so nur begrenzt Familien- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt,<br />

würden nach ihrer Erfahrung als tra<strong>die</strong>rt, unmodern und klischeehaft<br />

diffamiert. Aus ihrer Sicht gebühre <strong>die</strong>sen Lebensentwürfen aber eine<br />

gleichberechtigte Existenzberechtigung vorausgesetzt, sie sind frei gewählt<br />

bzw. ausgehandelt.


- 226 -<br />

Jörg Bewersdorf<br />

Dienstag:<br />

„doing gender“ oder Dekonstruktion von Rollenzuschreibungen<br />

In der Väterrunde am Dienstag wurde gemeinsam untersucht, was <strong>die</strong> Väter<br />

ihren Töchtern bzw. Söhnen weitergegeben haben und was sie ihnen<br />

weitergeben möchten. Der Blick wurde also auf das eigene „doing gender“<br />

gerichtet. In <strong>die</strong>sem Rahmen wurde auch diskutiert, welchen Einfluss andere<br />

Personen und Organisationen auf <strong>die</strong> Entwicklung und das Verhalten<br />

der eigenen Kinder nehmen.<br />

Die Bildung der Kleingruppen erfolgte nach dem Geschlecht der Kinder, sodass<br />

Väter von Töchtern gemeinsam miteinander diskutieren und getrennt<br />

davon <strong>die</strong> Väter von Söhnen. Väter mit verschiedengeschlechtlichen Kindern<br />

wurden gebeten, sich <strong>für</strong> eine Sichtweise zu entscheiden und nur<br />

<strong>die</strong>se zu bearbeiten. Im Anschluss wurden <strong>die</strong> Gruppenergebnisse im Plenum<br />

vorgestellt und verglichen, ob Mädchen und Jungen <strong>die</strong> gleichen Werte<br />

und Verhaltensweisen vermittelt werden und welche Unterschiede es<br />

gibt. Die beiden Gruppen stellten fest, dass insbesondere <strong>die</strong> Weitergabe<br />

von Grundwerten wie Toleranz, Gerechtigkeit, gegenseitige Wertschätzung,<br />

Verständnis etc. bei beiden Gruppen gleichermaßen auftrat. Auffällig war,<br />

dass vereinzelt Eigenschaften weitergegeben werden sollten, <strong>die</strong> ausdrücklich<br />

eher dem anderen Geschlecht zugeschrieben werden (zum Beispiel bei<br />

Mädchen <strong>die</strong> Begriffe „Handwerk“, „Mut“, bei Jungen <strong>die</strong> Begriffe „soziale<br />

<strong>Kompetenz</strong>, „Gefühlsbewusstsein“).<br />

Hier wurde eine Bereitschaft der anwesenden Väter festgestellt, gerade <strong>die</strong><br />

dem anderen Geschlecht unterstellten <strong>Kompetenz</strong>en zu fördern und so<br />

Rollenzuschreibungen aktiv in Frage zu stellen. Als entscheidende und<br />

allumfassende Einflussmöglichkeit der Väter auf das Verhalten und <strong>die</strong> Einstellung<br />

ihres Kindes wurde übereinstimmend <strong>die</strong> Vorbildfunktion des eigenen<br />

Handelns als Vater und Partner genannt.<br />

Am Abend wurde den Vätern angeboten, gemeinsam mit ihren Kindern den<br />

Film „Mein Leben in Rosarot“ von Alain Berliner anzusehen. Der Film handelt<br />

von einem siebenjährigen Jungen, Ludovic, der viel lieber ein Mädchen wäre.<br />

Schlicht ein Fehler führte dazu, dass sich statt der beiden „Mädchen-Xse“ ein<br />

„Ypsilon-Chromosom“ bei ihm eingeschlichen hat. Ludovic weiß deshalb: Er<br />

ist ein „Mädchenjunge“. So kämpft er um das Verständnis seiner Umgebung.<br />

Der Film wurde von 22 Vätern und Kindern gesehen. Vor allem <strong>die</strong> Kinder<br />

waren sehr gefesselt und gefangen vom Film. Das äußerte sich in sponta-


Sowohl als auch – Familien- und Erwerbsarbeit: ein Männerthema - 227 -<br />

nen Zwischenrufen, <strong>die</strong> stets von einer starken Solidarität mit Ludovic geprägt<br />

waren. Die Väter bestätigten, dass der Film mit den Kindern weiter<br />

Gesprächsthema war und individuell weiterbearbeitet wurde. Der Film hat<br />

<strong>die</strong> Bedeutung von Rollenzuschreibungen und Rollenerwartungen herausgearbeitet<br />

und besonders verdeutlicht, dass als männlich beschriebene<br />

Verhaltensweisen bei Mädchen gesellschaftlich eine weit größere Akzeptanz<br />

und Wertschätzung erfahren als weibliche Verhaltensweisen bei Jungen<br />

oder Männern. Dies kommt beispielhaft in der Akzeptanz von typischer<br />

Männerkleidung bei Frauen zum Ausdruck während das Tragen von Frauenkleidung<br />

durch Männer nahezu undenkbar ist. Aber auch Verhaltensweisen<br />

werden sehr unterschiedlich bewertet. Mutige Mädchen werden als<br />

„halbe“ Jungen gelobt, sensible Jungen als Weicheier und Heulsusen diffamiert.<br />

Hier wurden von den Vätern nicht nur <strong>die</strong> spezifischen Schwierigkeiten<br />

von Männern und Jungen erkannt und diskutiert, sondern ebenso<br />

<strong>die</strong> auch heute noch nahezu unverändert vorhandene Höherbewertung<br />

männlicher Eigenschaften kritisch hinterfragt.<br />

Mittwoch:<br />

Haben auch Männer ein Vereinbarkeitsproblem?<br />

Zur Durchführung der Seminarsequenz am Mittwoch zum Thema „Auch Väter<br />

haben ein Vereinbarkeitsproblem“ wurde Joachim Klett eingeladen, der damalige<br />

Leiter des Bereichs <strong>Gender</strong>politik in der ver.di-Bundesverwaltung.<br />

Zunächst wurde das Thema „Das brauche ich, um ein guter Vater zu sein“<br />

bearbeitet und <strong>die</strong> Ergebnisse unter <strong>die</strong> Begriffe „Familienumfeld“, „Berufsumfeld“<br />

und „Ich“ geclustert. Als herausragende Bedingungen wurden neben<br />

dem Vorhandensein ausreichender zeitlicher und finanzieller Ressourcen vor<br />

allem persönliche und gesellschaftliche Anerkennung, Wertschätzung und<br />

eigenes Selbstbewusstsein genannt. Anschließend stellte Joachim Klett <strong>die</strong><br />

ersten Ergebnisse der ver.di-Pilotstu<strong>die</strong> „Auch Männer haben ein Vereinbarkeitsproblem“<br />

zur Diskussion. Diese wurden eingehend unter dem Vereinbarkeitsaspekt<br />

diskutiert und Erfahrungen ausgetauscht.<br />

Von ihm wurde auch <strong>die</strong> Strategie des <strong>Gender</strong> Mainstreaming, <strong>die</strong> den teilnehmenden<br />

Vätern bisher kaum oder gar nicht bekannt war, theoretisch<br />

erläutert und <strong>die</strong> bisherigen und geplanten Aktivitäten des ver.di-Bereiches<br />

<strong>Gender</strong>politik vorgestellt. Das Väterthema in <strong>die</strong> politische Debatte einzubringen,<br />

Männer und Väter zu beraten und zu unterstützen, geeignete Bildungsangebote<br />

<strong>für</strong> Männer und Väter zu erhalten und auszubauen und <strong>die</strong> Förderung


- 228 -<br />

Jörg Bewersdorf<br />

von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> wurden als herausragende Aufgaben von ver.di beschrieben.<br />

Die Väter stellten fest, dass <strong>die</strong> Durchsetzung ihrer Interessen<br />

denen von Frauen und Müttern nicht entgegensteht, sondern <strong>die</strong>se ergänzt<br />

oder sogar unterstützt. Die vermeintliche Konkurrenzsituation zwischen<br />

Männern und Frauen konnte so zumindest teilweise aufgelöst werden.<br />

Donnerstag:<br />

Diskussion über Gewalt gegen Männer<br />

Der Donnerstag wurde von Peter Thiel, dem Leiter der Männerberatungsstelle<br />

in Berlin gestaltet. Themen <strong>die</strong>ses Vormittags waren <strong>die</strong> Arbeit der<br />

Männerberatungsstelle und Männer als Opfer von Gewalt.<br />

Freitag:<br />

Ausklang, Feedback und Abschied<br />

Der Seminarabschluss am Freitagvormittag erfolgte in zwei Phasen. Zunächst<br />

fand ein mündliches Feedback in der Väterrunde statt, anschließend der gemeinsame<br />

Abschied von Vätern und Kindern. Die Väter wurden gebeten,<br />

Themen zu benennen, <strong>die</strong> aus ihrer Sicht bei nächsten Väterseminaren<br />

behandelt werden sollten. Die genannten Themen „Auch Väter werden älter“,<br />

„Männer und Gesundheit“ und „Erwachsen werden – Väter mit Kindern in der<br />

Pubertät“ konnten in den Seminaren 2006 und 2007 z.T. bearbeitet werden.<br />

Resümee<br />

Das Seminar ist hinsichtlich der ausgewählten Themen, Methoden und der<br />

Mischung zwischen der Möglichkeit zur Selbsterkenntnis und der Vermittlung<br />

gesellschafts- und gewerkschaftspolitischer Inhalte als sehr gelungen<br />

zu bezeichnen. Die Väter zeigten sich an den angebotenen Themen und<br />

Methoden sehr interessiert. Das <strong>Gender</strong>-Thema konnte mit <strong>die</strong>sem Seminar<br />

erstmals in <strong>die</strong>sem Personenkreis überhaupt bekannt gemacht werden. Die<br />

ersten Schritte zu einer stärkeren <strong>Gender</strong>-Sensibilisierung der teilnehmenden<br />

Väter konnten gemeinsam gegangen werden. Das Thema „<strong>Gender</strong><br />

Mainstreaming“ erfuhr eine Wertschätzung, <strong>die</strong> dazu führte, dass es auch<br />

in Zukunft im Programm und Ablauf des Seminars einen hohen Stellenwert<br />

erhalten hat und als Querschnittsaufgabe begriffen wird.<br />

Literatur<br />

Meueler, Erhard: Lob des Scheiterns, Hohengehren 2001


Victoria Schnier - 229 -<br />

5. <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Organisationspraxis<br />

Victoria Schnier<br />

Im Folgenden werden <strong>die</strong> Entwicklungen zur Umsetzung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming,<br />

<strong>die</strong> in Zusammenhang mit dem GeQuaB-Projekt in den vier kooperierenden<br />

Verbänden stattgefunden haben, dargestellt 1 . Zunächst erfolgt<br />

<strong>für</strong> jeden Verband eine kurze Darstellung des Profils, um <strong>die</strong> Arbeit<br />

der Verbände nachvollziehen zu können. Der erste Teil des Textes beschreibt<br />

<strong>die</strong> jeweiligen Erwartungen an <strong>die</strong> <strong>Qualifizierung</strong> innerhalb der<br />

Verbände und nimmt eine Einschätzung der Ergebnisse vor, <strong>die</strong> sich daraus<br />

ergeben haben. Darauf folgend werden der Nutzen und <strong>die</strong> Verwertung der<br />

Ergebnisse der <strong>Qualifizierung</strong> geschildert. In einem dritten Teil wird auf <strong>die</strong><br />

Rückbindung und Kooperation der Verbände mit den Teilnehmenden, <strong>die</strong><br />

sie entsandt haben, eingegangen, woraufhin <strong>die</strong> Schlussbetrachtung den<br />

vierten und letzten Teil der Darstellung bildet 2 .<br />

5.1 Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten<br />

Der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten 3 (AdB) ist ein Zusammenschluss<br />

von Einrichtungen, <strong>die</strong> in der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung<br />

mit unterschiedlichen Profilen tätig sind 4 . Dazu gehören z.B. Jugendbildungsstätten<br />

und Heimvolkshochschulen, aber auch internationale Begegnungsstätten.<br />

Die Förderung der politischen Bildung als ein Teil der Allgemeinbildung<br />

steht im Mittelpunkt der Arbeit des Arbeitskreises, wobei<br />

1<br />

Der Text basiert auf der Auswertung von leitfadengestützten Interviews mit Vertreterinnen<br />

der vier beteiligten Organisationen.<br />

2<br />

Innerhalb der vier beteiligten Verbände sind zahlreiche Veröffentlichungen erschienen,<br />

<strong>die</strong> aus dem GeQuaB-Projekt entstanden sind. Siehe Literaturliste im Anhang.<br />

3<br />

Die nachfolgende Darstellung erfolgt auf der Basis eines Interviews mit Jutta Richter,<br />

Vorstandsmitglied des AdB.<br />

4<br />

Die folgenden Ausführungen zum Profil beziehen sich auf <strong>die</strong> Website des Arbeitskreises,<br />

vgl. http://www.adb.de/, zuletzt geprüft am 14.09.2009


- 230 -<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Organisationspraxis<br />

der AdB weder parteipolitisch noch konfessionell gebunden ist. Der Arbeitskreis<br />

deutscher Bildungsstätten versteht sich als Forum zum fachbezogenen<br />

Erfahrungsaustausch und wird durch das Bundesministerium <strong>für</strong> Familie,<br />

Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Die Bildungsträger bleiben als<br />

Mitglieder des Arbeitskreises selbstständig und behalten ihre vielfältigen<br />

Profile. Es handelt sich um einen partnerschaftlichen Zusammenschluss mit<br />

dem Ziel der Weiterentwicklung der Demokratie und Stärkung von Demokratiekompetenz<br />

durch politische Bildung.<br />

Seit 2001 hat <strong>die</strong> Mitgliederversammlung des AdB den Grundsatzbeschluss<br />

gefasst, <strong>die</strong> Geschlechterperspektive in der Entwicklung, Organisation und<br />

Überprüfung von Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen zu berücksichtigen.<br />

Dem folgte 2002 eine Ergänzung der Satzung durch <strong>die</strong> Zusätze:<br />

„[Der Verein] verpflichtet sich dem Prinzip des <strong>Gender</strong> Mainstreaming und<br />

setzt es im Verband und in seinen Aktivitäten um.“ und „Die Mitglieder des<br />

AdB berücksichtigen in ihrer Arbeit <strong>die</strong> Prinzipien des <strong>Gender</strong> Mainstreaming<br />

und der Qualitätssicherung“ 5 . Ebenso wurde <strong>die</strong> Wahlordnung<br />

dahingehend geändert, dass <strong>die</strong> Funktionen der Vorsitzenden und der Vorstandsmitglieder<br />

mit jeweils der gleichen Anzahl an Personen beider Geschlechter<br />

zu besetzen sind.<br />

Erwartungen an <strong>die</strong> <strong>Qualifizierung</strong> und Einschätzung<br />

der Ergebnisse<br />

Die Erwartung an <strong>die</strong> <strong>Qualifizierung</strong> seitens des AdB war <strong>die</strong> Verbreitung<br />

der Strategie <strong>Gender</strong> Mainstreaming im Verband. Die Auswahl der Teilnehmenden<br />

an der <strong>Qualifizierung</strong> hat durch den Verband so stattgefunden,<br />

dass Personen ausgewählt wurden, <strong>die</strong> noch absehbar längere Zeit <strong>für</strong> den<br />

Verband bzw. Mitgliedsorganisationen tätig sein würden. Somit war <strong>die</strong><br />

Aussicht sehr wahrscheinlich, dass <strong>die</strong> qualifizierten Teilnehmerinnen und<br />

Teilnehmer auch an der Umsetzung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming im Verband<br />

mitwirken würden. Der AdB hatte vor Beginn des Projektes bereits mit der<br />

Implementierung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming begonnen, jedoch waren <strong>die</strong><br />

200 Mitgliedseinrichtungen unterschiedlich motiviert, <strong>die</strong> Umsetzung zu unterstützen.<br />

Durch <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> sollte sich ein Motivationsschub<br />

<strong>für</strong> den Verband ergeben, <strong>die</strong> Umsetzung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming weiter<br />

voranzutreiben.<br />

5 Satzung des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten § 3 und § 7


Victoria Schnier - 231 -<br />

Innerhalb des AdB gibt es eine <strong>Gender</strong>-Steuerungsgruppe. Diese arbeitet<br />

seit 2002, ist paritätisch besetzt aus zwei Vorstandsmitgliedern, Mitgliedern<br />

aus jeder Fachkommission des AdB, zwei externen ExpertInnen und Mitgliedern<br />

des Redaktionsbeirats der Verbandszeitung „Außerschulische Bildung“.<br />

2007 hat eine verbandsinterne Präsentation der Ergebnisse der Praxisprojekte<br />

der Teilnehmenden in der <strong>Gender</strong>-Steuerungsgruppe stattgefunden.<br />

Es wurden nicht nur <strong>die</strong> Praxisprojekte und deren Ergebnisse vorgestellt,<br />

sondern auch Überlegungen zur weiteren Nutzbarmachung der<br />

erworbenen Qualifikationen und der erarbeiteten Produkte <strong>für</strong> <strong>die</strong> Arbeit im<br />

Verband und in den Mitgliedsorganisationen angestellt. Die präsentierten<br />

Praxisprojekte stachen besonders durch ihre hohe Qualität hervor und<br />

wurden seitens der Steuerungsgruppe sehr positiv aufgenommen.<br />

Diese sichtbaren Ergebnisse der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> in Form der Projekte<br />

der Teilnehmenden zeigen auch Ansätze <strong>für</strong> Umsetzungsmöglichkeiten <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> einzelnen Mitgliedsorganisationen zur Implementierung von <strong>Gender</strong><br />

Mainstreaming. Die Form und mögliche Strategie der Implementierung in<br />

den Einrichtungen hat dadurch an Konturen gewonnen und soll weiterhin<br />

verfolgt werden. So wurde beispielsweise in Nordrhein-Westfalen eine regionale<br />

<strong>Gender</strong>-Gruppe von einer Kollegin des AdB initiiert, <strong>die</strong> trägerübergreifend<br />

agiert und regelmäßige Treffen mit dem Ziel des Erfahrungsaustausches<br />

durchführt. Diese trägerübergreifende Kooperation kann als positives<br />

Ergebnis festgehalten werden. Die Zufriedenheit des AdB speist sich<br />

zusätzlich aus der Kontinuität, <strong>die</strong> sich bei der praktischen Umsetzung abzeichnet.<br />

Nutzen der <strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> den AdB<br />

Der Nutzen wird vor allem darin gesehen, dass sich eine breitere Gruppe<br />

von Personen im AdB <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Implementierung verantwortlich<br />

fühlt. War <strong>die</strong> Verantwortung zuvor vor allem beim Vorstand<br />

verortet, existiert nun eine größere Anzahl von AdB-Einrichtungen, <strong>die</strong> versuchen,<br />

<strong>die</strong> Bedeutung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming in ihrem Wirkungsfeld<br />

zu verbreiten. Darüber hinaus ergab sich eine positive Wirkung auf Einrichtungen,<br />

<strong>die</strong> vorher eher skeptisch gegenüber der Strategie des <strong>Gender</strong><br />

Mainstreaming eingestellt waren. Vor allem durch <strong>die</strong> Ausstellung eines<br />

Zertifikats wurde eine Signalwirkung erzeugt und das Interesse an der Beteiligung<br />

erhöht.


- 232 -<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Organisationspraxis<br />

Ein Teil der Auswirkungen ergab sich daraus, dass eigene Veranstaltungen<br />

geplant wurden, <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> impulsgebend war. Zum<br />

einen wird <strong>die</strong> inhaltliche Ausgestaltung der künftigen Seminare so eingeschätzt,<br />

dass <strong>Gender</strong> Mainstreaming thematisch vermittelt werden soll,<br />

aber auch auf der Ebene der Einbindung von <strong>Gender</strong> als Querschnittsthema<br />

in thematisch unterschiedliche Veranstaltungen wird ein Effekt identifiziert.<br />

Veranstaltungen zum Thema <strong>Gender</strong> Mainstreaming werden nicht nur in<br />

den eigenen Einrichtungen, sondern zunehmend auch in kooperierenden<br />

Einrichtungen durchgeführt, damit vertritt und verbreitet der AdB das Prinzip<br />

der Geschlechtergerechtigkeit in anderen Strukturen und Einrichtungen.<br />

Nach wie vor ist <strong>Gender</strong> als Querschnittsaufgabe jedoch beim AdB selbst<br />

und in den Mitgliedseinrichtungen im Focus. Hier gilt es noch genauer in<br />

den Blick zu nehmen, ob <strong>die</strong>ses Prinzip in Planung und Umsetzung der Arbeit<br />

Berücksichtigung gefunden hat. Mittlerweile ist <strong>die</strong> Berücksichtigung<br />

von <strong>Gender</strong> zunehmend als ein integraler Bestandteil der Arbeit zu verzeichnen,<br />

das Bewusstsein <strong>für</strong> dessen Bedeutung � auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zukunftsfähigkeit<br />

von Einrichtungen � ist gewachsen.<br />

Weitere Aktivitäten bzw. Projekte als Effekte des GeQuaB-Projektes werden<br />

im Anschluss an <strong>die</strong> Auswertung der Ergebnisse der <strong>Qualifizierung</strong> durch<br />

<strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Steuerungsgruppe des AdB anvisiert. Zur Einschätzung von<br />

Veränderungspotentialen ist auch der Vergleich mit den anderen kooperierenden<br />

Bundesverbänden 6 entscheidend.<br />

Rückbindung und Kooperation<br />

Eine weitere Aufgabe der Steuerungsgruppe wird <strong>die</strong> langfristige Rückbindung<br />

der Teilnehmenden der <strong>Qualifizierung</strong> an den Verband darstellen.<br />

Erste Schritte sind durch <strong>die</strong> Präsentationen der Projekte durch <strong>die</strong> Teilnehmenden<br />

erfolgt. Darüber hinaus sind Berichte in der Mitgliederversammlung<br />

geplant, so dass Informationen über den aktuellen Stand der<br />

Durchführung und Diskussion transparent gemacht werden. Des Weiteren<br />

gibt es Überlegungen im AdB, dass <strong>die</strong> KollegInnen, <strong>die</strong> an der <strong>Gender</strong>-<br />

<strong>Qualifizierung</strong> teilgenommen haben, als Expertinnen und Experten <strong>für</strong> <strong>Gender</strong><br />

in der <strong>Bildungsarbeit</strong> von anderen Einrichtungen angefordert werden.<br />

6<br />

Arbeit und Leben, Deutscher Volkshochschul-Verband und Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft<br />

ver.di


Victoria Schnier - 233 -<br />

Perspektive der <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Implementierung<br />

beim AdB vor und nach der <strong>Qualifizierung</strong><br />

Da bereits im Vorfeld der <strong>Qualifizierung</strong> <strong>die</strong> Satzung des AdB im Hinblick<br />

auf eine verpflichtende paritätische Besetzung geändert wurde, sind bereits<br />

Anfänge der Implementierung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming festzuhalten. Die<br />

bereits installierte <strong>Gender</strong>-Steuerungsgruppe, <strong>die</strong> sich aus den Kommissionen<br />

zusammensetzt, forderte <strong>die</strong> Festlegung von Geschlechtergerechtigkeit<br />

als eine Querschnittsaufgabe und legte einen Berichtspunkt zum Fortschritt<br />

und Fortgang der <strong>Gender</strong>-Aktivitäten in der Kommission fest.<br />

Darüber hinaus bewirkte das Projekt <strong>die</strong> Unterstreichung der Bedeutung<br />

von <strong>Gender</strong> Mainstreaming <strong>für</strong> <strong>die</strong> Einrichtungen und war impulsgebend<br />

und motivierend <strong>für</strong> <strong>die</strong> Betrachtung und Veränderung der eigenen Arbeit<br />

unter einem <strong>Gender</strong>-Blickwinkel. Die Schwierigkeit der Top-Down-Umsetzung<br />

bleibt beim AdB allerdings bestehen, weil <strong>die</strong> Mitgliedseinrichtungen<br />

nicht zur <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Implementierung verpflichtet werden können.<br />

Die Mitglieder des Arbeitskreises bleiben selbstständig und entscheiden<br />

demnach selbst, inwieweit sie sich zur Strategie <strong>Gender</strong> Mainstreaming<br />

verpflichten oder nicht. Die Praxisprojekte haben jedoch einen Einblick gegeben,<br />

wie konkrete Umsetzungsmöglichkeiten denkbar sind.<br />

5.2 Bundesarbeitskreis ARBEIT UND LEBEN<br />

Der Bundesarbeitskreis (BAK) ARBEIT UND LEBEN (AL) ist der Dachverband<br />

7 der Landesorganisationen von ARBEIT UND LEBEN in den Bundesländern<br />

und der ca. 150 lokalen und regionalen Einrichtungen. AL ist eine<br />

Einrichtung der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung, <strong>die</strong> vom<br />

Deutschen Gewerkschaftsbund und den Volkshochschulen getragen wird 8 .<br />

AL wendet sich mit seinen Bildungsangeboten insbesondere an <strong>die</strong> große<br />

Gruppe der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, mit dem Ziel der Partizipation<br />

in Beruf und Gesellschaft. Der Bundesarbeitskreis (BAK) vertritt<br />

weiterbildungspolitische Interessen auf der Bundesebene, initiiert den Erfahrungsaustausch<br />

und führt in verschiedenen inhaltlichen Bereichen in<br />

7<br />

Die Darstellung erfolgt auf der Basis eines Interviews mit Barbara Menke, pädagogische Mitarbeiterin<br />

des BAK.<br />

8<br />

Die folgenden Ausführungen zum Profil beziehen sich auf <strong>die</strong> Website von Arbeit und<br />

Leben; vgl. http://www.arbeitundleben.de/, zuletzt geprüft am 14.09.2009


- 234 -<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Organisationspraxis<br />

Kooperation mit den Landesorganisationen nationale und internationale<br />

Projekte durch. Das Ziel ist <strong>die</strong> Entwicklung einer demokratischen Kultur<br />

der Partizipation, <strong>die</strong> Grundsätze hier<strong>für</strong> sind soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit<br />

und Solidarität. Durch Bildungsangebote beispielsweise <strong>für</strong><br />

ArbeitnehmerInnen, Auszubildende, Arbeitslose, MigrantInnen und Betriebsratsmitglieder<br />

soll Wissensvermittlung und Urteilsbildung gefördert<br />

sowie Partizipation ermöglicht werden. Die Bildungsangebote finden beispielsweise<br />

in den Themenbereichen Arbeit, Ökonomie, soziale Entwicklung,<br />

Politik, Mitbestimmung, Globalisierung oder Kommunikation und Me<strong>die</strong>n<br />

statt. <strong>Gender</strong> Mainstreaming ist explizit als Aufgabe <strong>für</strong> Planung,<br />

Durchführung und Evaluation von Seminaren sowie <strong>für</strong> <strong>die</strong> Organisations-<br />

und Personalentwicklung formuliert.<br />

Etwa zeitgleich mit dem Beginn des Projektes GeQuaB im Jahr 2004 wurde bei<br />

ARBEIT UND LEBEN ein bundesweiter Arbeitskreis <strong>Gender</strong> Mainstreaming<br />

etabliert. Zuvor bestand bereits ein Arbeitskreis Frauen und aufgrund der<br />

gesellschaftspolitischen Relevanz hat <strong>die</strong> Geschäftsstelle des Bundesarbeitskreises<br />

den Arbeitskreis <strong>Gender</strong> Mainstreaming neben dem bestehenden<br />

Arbeitskreis Frauen installiert. Dieser bleibt weiterhin bestehen, um den<br />

spezifischen Bedarf an Frauen- und Mädchenförderung decken zu können, der<br />

nicht durch das Thema <strong>Gender</strong> Mainstreaming aufgefangen werden kann.<br />

Erwartungen an <strong>die</strong> <strong>Qualifizierung</strong> und Einschätzung<br />

der Ergebnisse<br />

Die Erwartung des Bundesarbeitskreises an das Projekt war – sehr konkret<br />

– <strong>die</strong> <strong>Qualifizierung</strong> von zwölf haupt- und nebenamtlichen Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern zum Themenbereich <strong>Gender</strong> Mainstreaming <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong>.<br />

Die <strong>Qualifizierung</strong> stand dabei im Kontext verschiedener Maßnahmen<br />

zur Verbreitung und Implementierung <strong>die</strong>ser Strategie. Der BAK<br />

hat sich <strong>für</strong> <strong>die</strong> Teilnahme entschieden, weil ein entsprechender Handlungsbedarf<br />

zur intensiven Auseinandersetzung in <strong>die</strong>sem Bereich verzeichnet<br />

wurde. Im Vorfeld zur <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> wurden bereits durch<br />

ARBEIT UND LEBEN selbst Fortbildungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> gleiche Zielgruppe angeboten.<br />

Auch wenn <strong>die</strong>se Fortbildungen als zufriedenstellend angesehen<br />

wurden, bestand Interesse an einer zielgerichteten und zertifikatsorientierten<br />

<strong>Qualifizierung</strong>. Diese <strong>Qualifizierung</strong> sollte einen weiteren Impuls <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Entwicklung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming innerhalb des Verbandes und<br />

auch in der Bildungspraxis geben.


Victoria Schnier - 235 -<br />

Diese Erwartungen wurden erfüllt. Ein Impuls nach innen bestand darin,<br />

dass <strong>die</strong> AL-MitarbeiterInnen, <strong>die</strong> Teilnehmende der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong><br />

waren, zu aktiven Mitgliedern des Arbeitskreises <strong>Gender</strong> Mainstreaming<br />

wurden. Dieses offizielle Gremium der Organisation tagt zweimal im Jahr<br />

und hat durch <strong>die</strong> Fachkompetenz der im Rahmen des Projekts qualifizierten<br />

Kolleginnen und Kollegen einen deutlichen Impuls erfahren.<br />

Bezogen auf <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> haben sich positive Effekte gezeigt, insbesondere<br />

in der didaktisch-methodischen Umsetzung. Explizite Bildungsangebote,<br />

in deren thematischer Ausrichtung <strong>Gender</strong> Mainstreaming im Mittelpunkt<br />

steht, konnten nicht zusätzlich angeboten werden. Dies ist u.a.<br />

darauf zurückzuführen, dass in der politischen Bildung <strong>Gender</strong> Mainstreaming<br />

vorwiegend als Querschnittsaufgabe eingebracht wird.<br />

Ein konkretes Ergebnis der <strong>Qualifizierung</strong> lässt sich mit der ‚Institutionellen<br />

<strong>Gender</strong>-Analyse’ von ARBEIT UND LEBEN identifizieren, <strong>die</strong> zwei Teilnehmende<br />

im Kontext des Projektes erarbeitet haben 9 . Diese Analyse wurde im<br />

Arbeitskreis <strong>Gender</strong> Mainstreaming diskutiert und im Hinblick auf <strong>die</strong> Nutzung<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> eigene Organisation analysiert. Es erfolgte <strong>die</strong> Aufforderung an<br />

<strong>die</strong> Mitgliedseinrichtungen von ARBEIT UND LEBEN, <strong>die</strong> Analyse in den jeweiligen<br />

Einrichtungen durchzuführen. Die Auswertung der Ergebnisse fand<br />

im ersten Halbjahr 2008 statt. Mit <strong>die</strong>sem Instrument werden erstmals<br />

Daten und Einschätzungen darüber vorliegen, wie in den Mitgliedseinrichtungen<br />

das Thema <strong>Gender</strong> Mainstreaming bearbeitet wird. Die Ergebnisse<br />

der institutionellen <strong>Gender</strong> Analyse werden im Herbst 2009 unter dem Titel<br />

„Fortschritt und Ungleichzeitigkeit“ publiziert 10 .<br />

Ein weiteres Ergebnis der <strong>Qualifizierung</strong> besteht in der Präsentation der im<br />

Rahmen des GeQuaB-Projektes qualifizierten und zertifizierten MitarbeiterInnen<br />

mit ihren jeweiligen <strong>Kompetenz</strong>en und Wirkungsmöglichkeiten auf<br />

der Website von ARBEIT UND LEBEN. Vorgestellt werden <strong>die</strong> im Rahmen<br />

von GeQuaB qualifizierten Personen mit ihren spezifischen Angeboten im<br />

Bereich von Bildung, Beratung und Durchführung von <strong>Qualifizierung</strong>sprozessen<br />

im Kontext von <strong>Gender</strong> Mainstreaming. Damit ist eine Sichtbarma-<br />

9 Bundesarbeitskreis ARBEIT UND LEBEN (Hrsg.): Institutionelle <strong>Gender</strong>-Analyse. Arbeitshilfe<br />

zur Organisationsentwicklung von Bildungseinrichtungen im Kontext von <strong>Gender</strong><br />

Mainstreaming. http://www.arbeitundleben.de/genderanalyse/download/institutionelle-gender-analyse.pdf,<br />

zuletzt geprüft am 14.09.2009<br />

10 Bundesarbeitskreis ARBEIT UND LEBEN (Hrsg.): Fortschritt und Ungleichzeitigkeit - Die<br />

Umsetzung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming bei ARBEIT UND LEBEN. Wuppertal 2009


- 236 -<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Organisationspraxis<br />

chung der im Modellprojekt erworbenen vielfältigen <strong>Kompetenz</strong>en möglich.<br />

<strong>Gender</strong> Mainstreaming kann so als Teil des Profils und der Angebote von<br />

ARBEIT UND LEBEN verdeutlicht werden.<br />

Ein weiterer Effekt, der durch <strong>die</strong> <strong>Qualifizierung</strong> angestoßen wurde und in<br />

Zusammenhang mit der daraus resultierenden zunehmenden Beschäftigung<br />

mit dem Thema <strong>Gender</strong> Mainstreaming steht, ist eine Satzungsänderung.<br />

Der Bundesarbeitskreis ARBEIT UND LEBEN hat in <strong>die</strong> Satzung<br />

aufgenommen, dass er „<strong>Gender</strong> Mainstreaming und Cultural Mainstreaming<br />

als seinen Auftrag [ansieht]“ 11 .<br />

Nutzen der <strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> ARBEIT UND LEBEN<br />

Ein Nutzen wird in der passgenaueren und kompetenteren Berücksichtigung<br />

der <strong>Gender</strong>-Perspektive in Anträgen <strong>für</strong> Förderprogramme und in der<br />

Dokumentation der Arbeit unter der <strong>Gender</strong>-Perspektive gesehen. In <strong>die</strong>sem<br />

Bereich kann eine hohe <strong>Kompetenz</strong> im Verband festgestellt werden,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Abwicklung von Förderprogrammen und -projekten inhaltlich positiv<br />

bereichert und erleichtert. Fachkompetenz und kontinuierliche Einbeziehung<br />

von <strong>Gender</strong> Mainstreaming sind demnach zum Standard der Arbeit<br />

von ARBEIT UND LEBEN geworden.<br />

Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> sind zudem<br />

in <strong>die</strong> Weiterentwicklung und Dokumentation des europäischen AL-<br />

Projekts „<strong>Gender</strong>Check – eine Aktion zur Förderung der Balance von Beruf<br />

und Privatleben <strong>für</strong> Frauen und Männer in Europa“ 12 eingeflossen. Insgesamt<br />

hat <strong>die</strong> Beteiligung am GeQuaB-Projekt eine breitere inhaltliche und<br />

personelle Basis <strong>für</strong> <strong>die</strong> Implementierung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming in der<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> und der Organisation geschaffen. Die <strong>Qualifizierung</strong> hatte<br />

dabei impulsgebenden Charakter und hat u.a. auch zur Überarbeitung von<br />

Konzepten, Selbstdarstellungen und Programmen geführt. Anregungen aus<br />

dem bundesweiten und trägerübergreifenden Diskussionszusammenhängen<br />

haben darüber hinaus auch zu weiteren Schritten der Implementierung von<br />

<strong>Gender</strong> Mainstreaming in den AL-Einrichtungen auf Landes- und örtlicher<br />

Ebene geführt.<br />

11 Satzung des Bundesarbeitskreises ARBEIT UND LEBEN § 3<br />

12 http://www.gendercheck.net/de/ zuletzt geprüft am 14.09.2009


Victoria Schnier - 237 -<br />

Rückbindung und Kooperation<br />

Im Bereich der Förderung durch den Kinder- und Jugendplan des Bundes<br />

wurden innerhalb von ARBEIT UND LEBEN bundesweite Fachgruppen zu<br />

sechs verschiedenen Themenschwerpunkten (bspw. Fachgruppe Arbeit und<br />

Bildung) eingerichtet. In <strong>die</strong>sen Fachgruppen wird zu ausgewählten Themen<br />

inhaltlich konzeptionell gearbeitet. In jeder <strong>die</strong>ser Fachgruppen gibt es<br />

eine Person, <strong>die</strong> den Auftrag hat, <strong>die</strong> Berücksichtigung der <strong>Gender</strong>-Perspektive<br />

konsequent zu beachten. Darin kann ein weiterer Beitrag zur Entwicklung<br />

der <strong>Gender</strong>-Perspektive zu einer Standardperspektive in der Arbeit<br />

identifiziert werden.<br />

Perspektive der <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Implementierung<br />

bei ARBEIT UND LEBEN vor und nach der <strong>Qualifizierung</strong><br />

Die Implementierung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming ist durch das GeQuaB-<br />

Projekt in Bewegung geraten und selbstverständlicher bzw. ‚leichter’ geworden.<br />

Eine größere Anzahl an Personen kann in den verschiedenen Gremien<br />

<strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-Perspektive einbringen und ist hochgradig sensibilisiert<br />

und qualifiziert, so dass <strong>für</strong> ARBEIT UND LEBEN in den verschiedenen<br />

Gremien, vom Vorstand bis hin zu den Arbeitsgruppen mehr ‚Men-and-<br />

Women-Power’ zur Verfügung steht. Darüber hinaus ist <strong>die</strong> Frage der<br />

Implementierung in weiten Teilen der Bildungspraxis erneut angestoßen<br />

worden. Es existieren zwar nach wie vor Segmente, zu denen das Thema<br />

noch nicht durchgedrungen ist, aber <strong>für</strong> viele Bereiche entwickelt sich <strong>die</strong><br />

Berücksichtigung von <strong>Gender</strong>-Aspekten zu einem Standard.<br />

Ein weiterer Schritt der Implementierung wird in der Entscheidung <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Qualifizierung</strong> der Hauptamtlichen gesehen, <strong>die</strong> als Multiplikatorinnen und<br />

Multiplikatoren <strong>die</strong> Lerninhalte, Kenntnisse und Erfahrungen des GeQuaB-<br />

Projekts in <strong>die</strong> TeamerInnen-Arbeitskreise der Landesorganisationen einbringen.<br />

Damit kann eine Multiplikation der Kenntnisse auf den Kreis der<br />

Nebenamtlichen stattfinden. Dies wurde als wichtiger, durch <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-<br />

<strong>Qualifizierung</strong> angeregter Bestandteil der praktischen Umsetzung eingeschätzt,<br />

da <strong>die</strong> konkrete <strong>Bildungsarbeit</strong> vor Ort in der Regel von nebenamtlichen<br />

Mitarbeitenden geleistet wird.


- 238 -<br />

5.3 Deutscher Volkshochschul-Verband<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Organisationspraxis<br />

Der Deutsche Volkshochschul-Verband e.V. (DVV) 13 vertritt <strong>die</strong> Interessen<br />

der Landesverbände der Volkshochschulen und der ca. 1.000 Volkshochschulen<br />

auf Bundesebene, europäischer und internationaler Ebene 14 . Die<br />

Förderung des Erfahrungsaustausches und <strong>die</strong> Zusammenarbeit der Mitglieder<br />

gehören ebenso zu den Aufgaben des DVV wie <strong>die</strong> Entwicklung von<br />

Leitlinien und Qualitätsmanagement <strong>für</strong> <strong>die</strong> erwachsenenpädagogische Arbeit.<br />

Lobbyarbeit <strong>für</strong> <strong>die</strong> Weiterbildung zu betreiben, das Leistungsprofil der<br />

Volkshochschulen und ihrer Verbände zu präsentieren und ihren Stellenwert<br />

im Konzept des Lebenslangen Lernens auszubauen, bilden den<br />

Arbeitsschwerpunkt des DVV. Zum Deutschen Volkshochschul-Verband gehört<br />

das Institut <strong>für</strong> Internationale Zusammenarbeit „dvv international“ und<br />

<strong>die</strong> Tochtergesellschaft „telc GmbH“, Anbieterin von Sprachenzertifikaten<br />

und Testsystemen. Darüber hinaus ist der DVV Gesellschafter des Adolf<br />

Grimme Instituts, das u.a. jährlich den Adolf Grimme Preis verleiht.<br />

Erwartungen an <strong>die</strong> <strong>Qualifizierung</strong> und Einschätzung<br />

der Ergebnisse<br />

Mit der Beteiligung am Projekt „<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong>“<br />

verband der DVV <strong>die</strong> konkrete Erwartung eines durchgreifenden Multiplikationseffektes.<br />

Über <strong>die</strong> zweijährige Ausbildung von Tandems aus den<br />

Landesverbänden sollte <strong>Gender</strong> Mainstreaming als Faktor <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entwicklung<br />

von Programmqualität Einzug halten in <strong>die</strong> grundlegende <strong>Qualifizierung</strong><br />

von Kursleitenden. Die Auswahl der LehrgangsteilnehmerInnen wurde<br />

dementsprechend über eine Ausschreibung an <strong>die</strong> Landesverbände der<br />

Volkshochschulen vorgenommen. Die Bereitschaft der teilnehmenden Tandems,<br />

über ihre Landesgrenzen hinweg ihre erworbenen <strong>Kompetenz</strong>en<br />

weiterzugeben, wurde vorausgesetzt.<br />

Diese Erwartung hat sich mit einer maßgeblichen Einschränkung erfüllt: <strong>die</strong><br />

Möglichkeiten hauptamtlich beschäftigter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,<br />

<strong>die</strong> in der Regel <strong>für</strong> mehrere Programmbereiche in den Landesgeschäfts-<br />

13 Die nachfolgende Darstellung erfolgt auf der Basis eines Interviews mit Gundula Frieling,<br />

stellvertretende Verbandsdirektorin des DVV.<br />

14 Die folgenden Ausführungen zum Profil beziehen sich auf <strong>die</strong> Website des DVV; vgl.<br />

http://dvv.vhs-bildungsnetz.de/, zuletzt geprüft am 14.09.2009


Victoria Schnier - 239 -<br />

stellen zuständig sind, über <strong>die</strong> Landesgrenzen hinaus <strong>für</strong> <strong>die</strong> Durchführung<br />

von <strong>Qualifizierung</strong>smaßnahmen zur Verfügung zu stehen und damit den<br />

gewünschten Multiplikationseffekt herzustellen, ist eher gering einzuschätzen.<br />

Eine besondere Beschränkung ist bei denjenigen festzustellen, <strong>die</strong><br />

hauptberuflich in einer Volkshochschule beschäftigt sind, d.h. eine strukturelle<br />

Verbreitung ist bislang noch wenig gelungen.<br />

Die Durchführung von Fortbildungen stellt jedoch nur eine Dimension der<br />

Verbreitungsmöglichkeiten dar. Im DVV ist mit dem weiteren Weg, <strong>Gender</strong><br />

Mainstreaming in <strong>die</strong> Fortbildungskonzepte zu implementieren, ein größerer<br />

Erfolg erzielt worden. Auf der Grundlage der Praxisarbeiten der Lehrgangsteilnehmerinnen<br />

und -teilnehmer wurde und wird eine Anpassung der<br />

so genannten erwachsenenpädagogischen Grundqualifizierung von Kursleitenden<br />

vorgenommen, <strong>die</strong> in allen Landesverbänden eingesetzt wird.<br />

Konkret wurden <strong>die</strong> einzelnen Module der Grundqualifizierung unter <strong>Gender</strong>-Gesichtspunkten<br />

überarbeitet. Das ist ein sehr sichtbares und nachhaltiges<br />

Ergebnis, das zur Verbesserung der Programmqualität beiträgt.<br />

Ein weiterer Anstoß hat sich ebenfalls aus einem durchgeführten Praxisprojekt<br />

ergeben. Hier wurde ein vielseitig einsetzbares Modul zum Thema<br />

<strong>Gender</strong> Mainstreaming entwickelt, das auch in kürzeren Veranstaltungen<br />

und <strong>für</strong> bereits tätige Kursleitungen eingesetzt werden kann.<br />

Nutzen der <strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> den DVV<br />

Zum einen besteht durch <strong>die</strong> Überarbeitung von Fortbildungskonzepten ein<br />

deutlicher Nutzen des Projektes <strong>für</strong> den DVV. Eine indirekte Wirkung kann<br />

auf der verbandsstrukturellen Ebene in der zunehmenden Präsenz des<br />

Themas Geschlechtergerechtigkeit festgestellt werden. Die Aktivitäten im<br />

Projekt <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> haben Auswirkungen auf <strong>die</strong> Agenda des<br />

DVV gezeigt.<br />

Im Aufwind des Projektes wurden Forderungen nach Berücksichtigung von<br />

<strong>Gender</strong> Mainstreaming nachdrücklicher geäußert. Der Frauenausschuss,<br />

der das Projekt intensiv begleitete, hat zum Beispiel wiederholt seine Zielsetzungen<br />

und sein Selbstverständnis diskutiert, bis hin zu der Frage, ob<br />

<strong>die</strong> Schaffung eines <strong>Gender</strong>-Rates nicht <strong>die</strong> adäquatere Form anstelle eines<br />

Frauenausschusses wäre. Auf der Ebene einiger Landesverbände sind inzwischen<br />

<strong>Gender</strong>-Räte an <strong>die</strong> Stelle der ehemaligen Frauenarbeitskreise<br />

getreten.


- 240 -<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Organisationspraxis<br />

Eine stärkere Ausrichtung des <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Diskurses auf Organisationsstrukturen<br />

und Qualitätsverbesserung ist inzwischen in <strong>die</strong> Wege geleitet<br />

worden. Der Qualitätsmanagementprozess innerhalb des Verbandes<br />

wird unter der Berücksichtigung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming durchgeführt.<br />

Hieran wird deutlich, dass <strong>Gender</strong> Mainstreaming inzwischen innerhalb des<br />

Verbandes als Qualitätskriterium verstanden wird und entsprechende Berücksichtigung<br />

auf unterschiedlichen Handlungsebenen erfährt. Gundula<br />

Frieling betonte im Interview, dass „im Wind des Projektes <strong>die</strong> Diskussionen<br />

[um <strong>Gender</strong> Mainstreaming] wieder beflügelt worden sind“.<br />

Dennoch bleibt als besondere Schwierigkeit bestehen, das Thema in das<br />

alltägliche Handeln zu integrieren und es als relevant <strong>für</strong> alltägliches Handeln<br />

zu identifizieren. Vergleichbar mit der Durchsetzung eines Leitbildes,<br />

das Ergebnis von Qualitätsentwicklung ist, sollte <strong>Gender</strong> Mainstreaming als<br />

ein Aspekt immer präsent sein.<br />

Rückbindung und Kooperation<br />

Zur Frage der Rückbindung der Projektergebnisse und der Kooperation<br />

zwischen Lehrgangsteilnehmenden und DVV sind unterschiedliche Erfahrungen<br />

zu beschreiben. Mit den Teilnehmerinnen an der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong><br />

ist vor allem deshalb ein kontinuierlicher Austausch gelungen, weil<br />

sie zugleich als Vertreterinnen der Landesverbände im Frauenausschuss<br />

organisiert waren. Viele männliche Teilnehmer hingegen konnten nur mittelbar<br />

in <strong>die</strong> Rückbindung involviert werden. Aus der geschilderten Erfahrung<br />

resultiert, dass eindeutigere Kommunikationswege und <strong>die</strong> Benennung<br />

von verantwortlichen Ansprechpartnerinnen und -partnern positiv<br />

gewesen wären.<br />

Perspektive der <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Implementierung<br />

im DVV vor und nach der <strong>Qualifizierung</strong><br />

Die Implementierung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming im Verband hat durch <strong>die</strong><br />

Teilnahme an dem Projekt einen großen Schritt nach vorn gemacht. Eine<br />

bundesweite Verbreitung in allen inhaltlichen, programmatischen und<br />

strukturellen Bereichen und <strong>die</strong> konsequente Anwendung von <strong>Gender</strong><br />

Mainstreaming als selbstverständliches Kriterium sind zwar noch nicht erreicht,<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Entwicklung der Programmqualität in den Volkshochschulen<br />

ist aber <strong>die</strong> Aus- und Fortbildung der Kursleitenden ein entscheidendes


Victoria Schnier - 241 -<br />

Kriterium. Durch <strong>die</strong> Anpassung bzw. Weiterentwicklung von Modulen <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Grundqualifizierung und <strong>die</strong> Fortbildung können sehr viele Lehrende in<br />

ihrem Handeln sensibilisiert werden und damit zu einem geschlechtergerechteren<br />

Unterricht in den Volkshochschulkursen beitragen.<br />

5.4 Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft<br />

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di 15 ist mit ca. 2,3 Millionen<br />

Mitgliedern eine der größten freien Gewerkschaften 16 . Die Gewerkschaft<br />

ver.di setzt sich <strong>für</strong> soziale Gerechtigkeit, Gleichstellung, Mitbestimmung<br />

und Demokratie ein und ist unabhängig von Parteien. Seit ihrer Gründung<br />

im Jahr 2001 gibt es mit den §§ 5 und 59 der Satzung gute Voraussetzungen<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Implementierung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming innerhalb der Organisation.<br />

Ver.di ist demokratisch aufgebaut und in vier Ebenen (Bund,<br />

Landesbezirke, Bezirke und Betriebe) und 13 Fachbereichen organisiert.<br />

Darüber hinaus verfügen Frauen und andere Gruppen � wie Jungendliche,<br />

Arbeiterinnen und Arbeit sowie Beamte � über eigene Strukturen und Arbeitsmöglichkeiten.<br />

Ver.di unterhält zentrale Bildungsstätten, <strong>die</strong> ein breites<br />

Spektrum von Schulungen und Seminaren <strong>für</strong> Gewerkschaftsmitglieder,<br />

Mitglieder von betrieblichen Interessenvertretungen (Betriebs- und Personalräten<br />

sowie Mitarbeitervertretungen und Gleichstellungsbeauftragte),<br />

aber auch <strong>für</strong> andere Interessierte aus den Themengebieten berufliche und<br />

politische Bildung anbieten. In der <strong>Bildungsarbeit</strong> auf Bundesebene wurden<br />

bspw. Seminare und Fortbildungen zu geschlechtergerechter Didaktik und<br />

<strong>Gender</strong> Mainstreaming durchgeführt. Innerhalb der Organisationsstrukturen<br />

von ver.di gibt es auf Bundesebene einen Bereich <strong>Gender</strong>-Politik, der<br />

mit vielfältigen Aktivitäten – beispielsweise Newslettern, Veröffentlichungen,<br />

Seminaren und Tagungen – das Thema Geschlechtergerechtigkeit<br />

voranbringt.<br />

15 Die nachfolgende Darstellung erfolgt auf der Basis eines Interviews mit Ilona Schulz-<br />

Müller, Bis Ende 2007 Referatsleiterin <strong>Gender</strong>politik beim Hauptvorstand von ver.di.<br />

16 Die folgenden Ausführungen zum Profil beziehen sich auf <strong>die</strong> Website von ver.di; vgl.<br />

http://www.verdi.de/, zuletzt geprüft am 14.09.2009


- 242 -<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Organisationspraxis<br />

Erwartungen an <strong>die</strong> <strong>Qualifizierung</strong> und Einschätzung<br />

der Ergebnisse<br />

Als Erwartung an <strong>die</strong> <strong>Qualifizierung</strong> wurde formuliert, dass das Projekt<br />

ver.di in <strong>die</strong> Lage versetzen sollte, <strong>die</strong> Themen geschlechtergerechte Didaktik<br />

und <strong>Gender</strong> Mainstreaming explizit im Bildungsbereich zu verankern<br />

und darüber hinaus in <strong>die</strong> anderen Wirkungsfelder der Organisation hineintragen<br />

zu können. Die qualifizierten Personen sollten als Multiplikatorinnen<br />

und Multiplikatoren fungieren, um das Geschlechterthema stärker in<br />

der Organisation zu positionieren und zu verbreiten. Teilweise haben sich<br />

<strong>die</strong>se Erwartungen erfüllt. Innerhalb der Organisation ist das Projekt beworben<br />

worden, es wurde auf der ver.di-Website verlinkt, in Publikationen<br />

wurde auf das Projekt und seine Aktivitäten verwiesen. Bei einer vielschichtigen<br />

Organisation wie ver.di, mit zahlreichen Beteiligten und unterschiedlichen<br />

Fachbereichen, müssen Veränderungen langfristig angelegt<br />

sein. Insgesamt sind in der Organisation, obwohl das Thema <strong>Gender</strong> sich<br />

im Bildungsbereich schon verbreitet hat, noch viele Bemühungen notwendig,<br />

um Geschlechterfragen tatsächlich zu verankern.<br />

Einige der qualifizierten Teilnehmenden von ver.di übernehmen engagiert <strong>die</strong><br />

MultiplikatorInnenfunktion und verbreiten <strong>die</strong> Ergebnisse des Projektes weiter<br />

in <strong>die</strong> Organisation und ihre Arbeitszusammenhänge hinein. Darin wird<br />

ein wichtiger Aspekt identifiziert, der das Thema Geschlechtergerechtigkeit<br />

und das Bewusstsein <strong>für</strong> dessen Bedeutung verstärkt und auch andere Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter zu einer Teilnahme an einem weiteren Lehrgang<br />

motiviert. Die Diskussion über <strong>die</strong> Bearbeitung des zentralen Bildungsprogramms<br />

nach <strong>Gender</strong>-Kriterien ist in Zusammenhang mit der <strong>Gender</strong>-<br />

<strong>Qualifizierung</strong> geführt worden. Ganz konkret wurde, angestoßen durch ein<br />

Projekt der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> von zwei ver.di-Teamerinnen, bereits der<br />

erste Teil der <strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> Betriebsratsmitglieder (BR I) überarbeitet. Es<br />

handelt sich hierbei <strong>für</strong> <strong>die</strong> ver.di-<strong>Bildungsarbeit</strong> um einen bedeutsamen Seminarblock.<br />

Das Programm, der Ablauf, <strong>die</strong> Inhalte, <strong>die</strong> Materialien und Methoden<br />

sind geprüft und verbessert worden unter der Fragestellung, ob und<br />

wie beide Geschlechter angesprochen werden. So wurde beispielsweise das<br />

gesamte Bildmaterial, wie Karikaturen o. ä., gender-sensibel geprüft und gegebenenfalls<br />

verändert. An <strong>die</strong>sem Prozess waren verschiedene Personen<br />

beteiligt, <strong>die</strong> sich intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt haben. Der<br />

gesamte Prozess hat ca. eineinhalb Jahre gedauert und ist abgeschlossen.<br />

Für alle folgenden BR I-Schulungen wird das überarbeitete geschlechterge-


Victoria Schnier - 243 -<br />

rechte Konzept zugrunde gelegt. Die Schulungskonzepte <strong>für</strong> <strong>die</strong> Grundlagenseminare<br />

BR II bis IV sind in der Bearbeitung.<br />

Als ein weiterer Effekt der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> wurde <strong>die</strong> zunehmend<br />

selbstverständlichere Beachtung von <strong>Gender</strong>-Aspekten und des Umgangs<br />

mit der Thematik genannt. An vielen verschiedenen Stellen in der Organisation<br />

findet gender-sensible Arbeit und Diskussion statt.<br />

Nutzen der <strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> ver.di<br />

Nicht nur im Bereich Bildungspolitik, sondern auch in anderen wichtigen<br />

politischen Feldern konnte <strong>die</strong> stärkere Verankerung des Themas Geschlechtergerechtigkeit,<br />

<strong>die</strong> letztlich auch zielgruppengerechte Ansprache<br />

bedeutet, zu einer erfolgreicheren Arbeit führen. Insofern ist der Nutzen<br />

der <strong>Qualifizierung</strong> und damit auch der Beachtung von Geschlechter-Aspekten<br />

darin zu sehen, dass in der Bildungspolitik, der Wirtschaftspolitik und<br />

allen anderen Bereichen das Thema Einzug gehalten hat und weitere<br />

Personen angesprochen werden konnten.<br />

Innerhalb der gewerkschaftlichen <strong>Bildungsarbeit</strong> von ver.di gibt es verschiedene<br />

<strong>Kompetenz</strong>teams, eines <strong>die</strong>ser Teams hat den Auftrag, sich mit<br />

der <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Umsetzung innerhalb der ver.di-<strong>Bildungsarbeit</strong><br />

zu beschäftigen. Dieses <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong>team hat eng mit dem Projekt<br />

GeQuaB zusammengearbeitet, u.a. dadurch, dass Dr. Karin Derichs-Kunstmann<br />

Mitglied ist und regelmäßig über den Fortgang des Projektes berichtet<br />

hat. Ein wichtiges Thema – nicht nur <strong>die</strong>ses <strong>Kompetenz</strong>teams – ist <strong>die</strong><br />

Frage nach der Fortführung des Prozesses der <strong>Gender</strong> Mainstreaming-<br />

Implementierung in der ver.di-<strong>Bildungsarbeit</strong>.<br />

Darüber hinaus fand in den letzten Jahren im Bildungs- und Begegnungszentrum<br />

Clara Sahlberg in Berlin ein rege besuchtes Väterseminar 17 statt,<br />

das mittlerweile in der Organisation so virulent ist, dass als ein Nutzen beispielsweise<br />

auch <strong>die</strong> zunehmende Ansprache und Bindung weiterer Personengruppen,<br />

wie junge Väter, verzeichnet werden kann. Ilona Schulz-Müller<br />

äußerte im Interview <strong>die</strong> Auffassung, dass Themen, <strong>die</strong> im Zusammenhang<br />

der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> bearbeitet worden sind darüber hinaus beginnen,<br />

eine stärkere Wirkung zu entfalten. So werden <strong>Gender</strong>-Aspekte<br />

ebenso bei Themen wie Arbeitszeit oder Verteilungsgerechtigkeit berücksichtigt.<br />

17 vgl. den Beitrag darüber von Jörg Bewersdorf S. 220 in <strong>die</strong>sem Buch


- 244 -<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Organisationspraxis<br />

Weitere Aktivitäten, <strong>die</strong> sich aus der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> heraus ergeben<br />

haben, lassen sich unter anderem im Bereich Öffentlichkeitsarbeit verorten.<br />

In <strong>die</strong>sem Zusammenhang ist eine CD-ROM produziert worden, auf der <strong>die</strong><br />

Projekte der ver.di-Teilnehmenden der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> präsentiert<br />

werden 18 . Auf <strong>die</strong>ser CD-ROM findet sich außerdem eine Darstellung und<br />

Einschätzung der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> und ihrer Ergebnisse.<br />

In einem Ressort der Gewerkschaft ver.di wurde eine Umfrage bezüglich<br />

des Interesses an <strong>Gender</strong> Mainstreaming durchgeführt. Das Ergebnis verdeutlichte:<br />

eine große Anzahl der Hauptamtlichen ist an der Auseinandersetzung<br />

mit und Berücksichtigung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming interessiert,<br />

konkrete Ideen zur Umsetzung fehlen ihnen jedoch. Auf <strong>die</strong>sen Punkt wird<br />

ver.di in Zukunft bei der <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Implementierung verstärkt<br />

achten und <strong>die</strong> Anwendungsorientierung deutlicher in den Focus nehmen.<br />

Darüber hinaus ist der Bereich Personalentwicklung, der <strong>die</strong> Weiterbildung<br />

<strong>für</strong> Hauptamtliche verantwortet, darauf aufmerksam gemacht worden, dass<br />

eine <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> externe Teamende sinnvoll und wichtig wäre.<br />

Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen, sondern wird erst initiiert.<br />

Aufbauend auf der oben genannten Befragung entwickelte ver.di das „3 x 3<br />

des <strong>Gender</strong>ns“, einen Leitfaden zur geschlechtergerechten Teamendenarbeit.<br />

Das Ziel <strong>die</strong>ses Handouts war <strong>die</strong> Erhöhung der Motivation zur weitergehenden<br />

und vertiefenden Beschäftigung mit dem Thema <strong>Gender</strong><br />

Mainstreaming. Enthalten sind dort Ansatzpunkte zum Thema Veranstaltungen,<br />

Bildungsgeschichten, Seminare etc. Prinzipiell und grundlegend soll<br />

Aufmerksamkeit da<strong>für</strong> geschaffen werden, dass bei der <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Implementierung<br />

<strong>die</strong> Frage nach den Zielen und <strong>die</strong> Überlegung, wie<br />

<strong>die</strong>se Ziele unter <strong>Gender</strong>-Aspekten formuliert werden müssten, zentral ist.<br />

Eine wichtige Voraussetzung <strong>für</strong> eine kontinuierliche, konsequente und<br />

weitgreifende Umsetzung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming bestünde in der Unterstützung<br />

durch <strong>die</strong> Integration von <strong>Gender</strong>-Dimensionen in das interne<br />

Controlling. Die Zusammenarbeit mit dem Bereich Controlling bei ver.di<br />

wurde angeregt, konnte aber noch nicht umgesetzt werden.<br />

Eine Konsequenz aus dem Anspruch der Integration von <strong>Gender</strong>-Dimensionen<br />

in <strong>die</strong> gesamte Arbeit der Organisation wäre <strong>die</strong> Integration entspre-<br />

18 Schwirn Carola/ Schulz-Müller Ilona/ Kurzweg Volker: <strong>Gender</strong> in der <strong>Bildungsarbeit</strong>.<br />

Hrsg. ver.di-BuV Bereich Gewerkschaftliche Bildung, Mallmann Hartwig, und Bereich<br />

<strong>Gender</strong>politik, Lindner Matthias, Werner Heike. CD-ROM 1. Aufl. September 2007


Victoria Schnier - 245 -<br />

chender Fragen in Personalauswahlverfahren. Damit würde <strong>die</strong> Bedeutung<br />

einer geschlechtersensiblen Arbeitsweise bei ver.di von Beginn der Tätigkeit<br />

an unterstrichen. Das wäre ein weiterer Beitrag zur verbindlichen Integration<br />

von <strong>Gender</strong> in <strong>die</strong> gewerkschaftliche (Bildungs-)Arbeit.<br />

Rückbindung und Kooperation<br />

Die Teilnehmenden der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> wurden in das ver.di-Informationsnetz<br />

der <strong>Gender</strong>-Beauftragten und -Interessierten aufgenommen<br />

und erhalten regelmäßig Einladungen zu Veranstaltungen und weitergehende<br />

Informationen. Ein verbreitetes Interesse an der Bildung eines<br />

Netzwerks, das dem Erfahrungsaustausch und der gegenseitigen Beratung<br />

<strong>die</strong>nt, kann derzeit nicht festgestellt werden.<br />

Perspektive der <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Implementierung<br />

bei ver.di vor und nach der <strong>Qualifizierung</strong><br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich <strong>die</strong> Erwartungen<br />

erfüllt haben. Es gibt in der Organisation im Anschluss an <strong>die</strong> <strong>Qualifizierung</strong><br />

einen größeren Kreis von Personen, <strong>die</strong> geschlechtersensible Aspekte in<br />

ihrer Arbeit berücksichtigen.<br />

Es fehlt bislang noch <strong>die</strong> strategische Umsetzung, <strong>die</strong> Betrachtung, wie genau<br />

das Ziel formuliert und ausdifferenziert werden kann und wie es erreichbar<br />

ist. Das kann zum einen dadurch geschehen, dass <strong>die</strong> Rückkoppelung<br />

an ver.di organisiert wird. Das Projekt GeQuaB stellte einen wichtigen<br />

Schritt zur Implementierung von <strong>Gender</strong> Mainstreaming in der ver.di-<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> dar. Im Nachgang zu <strong>die</strong>ser impulsgebenden und motivierenden<br />

<strong>Qualifizierung</strong> müssen Überlegungen in Zusammenarbeit mit dem<br />

Bereich Bildungspolitik stattfinden, wie das Interesse und <strong>die</strong> Weiterarbeit<br />

an dem Thema Geschlechtergerechtigkeit erhalten werden können. Zunächst<br />

ist jedoch der Schritt gelungen, dass <strong>für</strong> einen wichtigen politischen<br />

Bereich innerhalb der Organisation ein größerer Kreis von Multiplikatoren<br />

und Multiplikatorinnen zur Verfügung steht. Diese tragen das Thema Geschlechtergerechtigkeit<br />

in ihre Arbeit und damit in <strong>die</strong> Organisation hinein<br />

und bringen es damit auch den Mitgliedern und Ehrenamtlichen näher.


- 246 -<br />

Literatur<br />

6. Literatur aus dem Kontext des GeQuaB-Projektes<br />

In den nachfolgenden Übersichten werden Veröffentlichungen aufgeführt,<br />

<strong>die</strong> im Zusammenhang mit der Arbeit am Modellprojekt „<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>“<br />

entstanden sind. Eine ausführliche – fortlaufend aktualisierte Literaturliste<br />

rund um das Thema „<strong>Gender</strong>“ befindet sich auf der Website des<br />

Projektes www.gender-qualifizierung.de.<br />

Veröffentlichungen der Projektmitarbeiterinnen und<br />

-mitarbeiter<br />

Derichs-Kunstmann, Karin 2005: Didaktische und methodische Überlegungen<br />

zur Gestaltung von <strong>Gender</strong> Trainings bzw. <strong>Gender</strong> Workshops. In: GEcel-Projektgruppe<br />

(Hrsg.): GEcel - Politische Bildung und Lernen <strong>für</strong> <strong>Gender</strong><br />

Mainstreaming. Beispiele guter Trainings-Praxis - Höhepunkte und Hindernisse.<br />

Bundeszentrale <strong>für</strong> politische Bildung. Roskilde/Bonn 2005, S. 41-45<br />

Derichs-Kunstmann, Karin 2006: <strong>Gender</strong>kompetenz als Schlüsselkompetenz<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> politische Bildung. In: Praxis Politische Bildung. 10. Jhg., S. 172-177<br />

Derichs-Kunstmann, Karin 2006: <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Implementierung<br />

als Beitrag zur Qualitätsentwicklung in Weiterbildungseinrichtungen. In:<br />

Jahrbuch Arbeit, Bildung, Kultur, Bd. 23/24, Recklinghausen, S. 103-117<br />

Derichs-Kunstmann, Karin 2007 (Hrsg.): <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

- Transfer und Vernetzung. Dokumentation des Workshops vom<br />

23. bis 25. Februar 2007 im ver.di Bildungs- und Begegnungszentrum Clara<br />

Sahlberg in Berlin. Forschungsinstitut Arbeit, Bildung, Partizipation. Materialien<br />

aus der Frauen- und Geschlechterforschung, Bd. 9. Recklinghausen<br />

Derichs-Kunstmann, Karin 2008 (Hrsg.): <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in Bildungsforschung<br />

und –praxis. Dokumentation der Fachtagung am 20. November<br />

2007 in Recklinghausen. Forschungsinstitut Arbeit, Bildung, Partizipation.<br />

Materialien aus der Frauen- und Geschlechterforschung, Bd. 10. Recklinghausen<br />

Derichs-Kunstmann, Karin/ Auszra, Susanne/ Müthing, Brigitte 1999: Von<br />

der Inszenierung des Geschlechterverhältnisses zur geschlechtsgerechten<br />

Didaktik. Konstitution und Reproduktion des Geschlechterverhältnisses in<br />

der Erwachsenenbildung, Bielefeld<br />

Derichs-Kunstmann, Karin/ Kaschuba, Gerrit/ Schnier, Victoria 2008: Wie<br />

kann man <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> vermitteln? Vortrag auf der Tagung „<strong>Gender</strong>-<br />

<strong>Kompetenz</strong> in Forschung, Lehre und Verwaltung in der Universität Luxemburg<br />

am 24.06.2008; Online-Publikation:<br />

http://www.gender-qualifizierung.de/GeQuaB_Luxemburg-deutsch.pdf


Literatur - 247 -<br />

Kaschuba, Gerrit 2004: Von der Wundertüte zum kontrollierten Einsatz? Anregungen<br />

zur prozessorientierten Entwicklung von Qualitätskriterien <strong>für</strong> <strong>Gender</strong><br />

Trainings. In: Netzwerk <strong>Gender</strong> Training (Hrsg.): Geschlechterverhältnisse<br />

bewegen – Erfahrungen mit <strong>Gender</strong> Trainings. Königstein/Ts. 2004<br />

Kaschuba, Gerrit 2005: Theoretische Grundlagen einer geschlechtergerechten<br />

Didaktik. Begründungen Konsequenzen. In: Literatur- und Forschungsreport<br />

Weiterbildung 1/2005, S. 67-74<br />

Kaschuba, Gerrit 2006: Geschlechtergerechte Didaktik in der Fortbildung. In:<br />

Weinmann, Ute / Senatsverwaltung <strong>für</strong> Wirtschaft, Technologie und Frauen<br />

(Hrsg.): Verwaltung gendern - im Mainstream? Dokumentation des Ersten<br />

Fachkongresses über <strong>Gender</strong> Mainstreaming/<strong>Gender</strong> Budgeting in der Berliner<br />

Verwaltung vom 19. Juni 2006, S. 179-188<br />

Kaschuba, Gerrit 2007: <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Praxis der Erwachsenenbildung.<br />

In: Hessische Blätter <strong>für</strong> Volksbildung 3/2007, S. 263-271<br />

Kaschuba, Gerrit/ Derichs-Kunstmann, Karin 2009: Fortbildung – gleichstellungsorientiert!<br />

Arbeitshilfen zur Integration von <strong>Gender</strong>-Aspekten in Fortbildungen.<br />

Hrsg. vom Bundesministerium <strong>für</strong> Familien, Senioren, Frauen<br />

und Jugend, Berlin<br />

Kaschuba, Gerrit/ Lächele, Carlos 2004: <strong>Gender</strong> Training – Konzepte – Erfahrungen.<br />

In AdB Außerschulische Bildung Heft 2/2004, S. 157-165<br />

Lange, Ralf 1998: Geschlechterverhältnisse im Management von Organisationen.<br />

München<br />

Lange, Ralf 2004: <strong>Gender</strong> Mainstreaming – Ein neuer Ansatz zur Veränderung<br />

von Männlichkeitsdiskursen in Organisationen? In: Sozialwissenschaften und<br />

Berufspraxis. Hrsg.: Berufsverband Deutscher SoziologInnen, Nr. 4/04, S.<br />

409-418<br />

Lange, Ralf 2006: <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> <strong>für</strong> das Change Management – <strong>Gender</strong><br />

& Diversity als Erfolgsfaktoren <strong>für</strong> organisationales Lernen. Bern/Stuttgart/<br />

Wien<br />

Schnier, Victoria 2007: <strong>Gender</strong> Mainstreaming und Diversity Management in<br />

der Organisationsentwicklung: Theoretische Hintergründe und praktische<br />

Ansätze <strong>für</strong> Institutionen der Weiterbildung. Frankfurt a.M.<br />

Veröffentlichungen zu den GeQuaB-Praxisprojekten<br />

Bewersdorf, Jörg 2007: <strong>Gender</strong> Mainstreaming im Väterseminar 2005. In:<br />

Derichs-Kunstmann, Karin 2007 (Hrsg.): <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> - Transfer und Vernetzung. Forschungsinstitut Arbeit, Bildung,<br />

Partizipation. Materialien aus der Frauen- und Geschlechterforschung,<br />

Bd. 9. Recklinghausen, S. 34-36<br />

Büchter, Marion 2008: Geschlechtergerechtes Handeln im Stadtteil. In:<br />

Derichs-Kunstmann, Karin 2008 (Hrsg.): <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in Bildungsfor-


- 248 -<br />

Literatur<br />

schung und –praxis. Forschungsinstitut Arbeit, Bildung, Partizipation. Materialien<br />

aus der Frauen- und Geschlechterforschung, Bd. 10. Recklinghausen,<br />

S. 41-43<br />

Engel, Monika/ Nousch, Manfred 2008: Kurs auf <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong>.<br />

Erwachsenenpädagogische Grundqualifikation und <strong>Gender</strong> Mainstreaming.<br />

In: Derichs-Kunstmann 2008, S. 20-23<br />

Jostmeier, Friedhelm 2007: <strong>Gender</strong> und Migration als Thema der politischen<br />

Jugendbildung. In: Derichs-Kunstmann 2007, S. 23-25<br />

Kurzweg, Volker 2007: <strong>Gender</strong> in Seminaren – Eine Werkstatt zur<br />

Annäherung. In: Derichs-Kunstmann 2007, S. 16-19<br />

Kurzweg, Volker 2008: Wie kommt <strong>Gender</strong> ins Seminar – Eine Annäherung.<br />

In: Derichs-Kunstmann 2008, S. 24-27<br />

Nötzold, Wolfgang 2008: <strong>Gender</strong> und Qualitätsmanagement. In: Derichs-<br />

Kunstmann 2008, S. 31-32<br />

Nousch, Manfred 2007: Workshop: <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong>.<br />

In: DVV-Planungstagung „Politik – Gesellschaft – Umwelt in der<br />

Volkshochschule“, Bonn 26./27.09.2007.<br />

http://dvv.vhs-bildungsnetz.de/servlet/is/41281/Workshopprotokoll.pdf?<br />

command=downloadContent&filename=Workshopprotokoll.pdf<br />

Nousch, Manfred 2007: Kurs auf <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong>. <strong>Gender</strong> Mainstreaming<br />

am Beispiel der VHS Herten. Präsentation am 15. Nov. 2007. http://www.<br />

gender-in-bildung.de/Texte/PDFs/GesamtvortragSchloss16112007.pdf<br />

Pye, Bruce 2007: Männer lernen anders – Frauen auch! In: Derichs-Kunstmann<br />

2007, S. 26-29<br />

Reichert, Christian 2008: City Bound – Mission impossible!? In: Derichs-<br />

Kunstmann 2008, S. 33-40<br />

Rothe, Ulla 2007: Außerschulische Jugendbildung in der Jugendbildungsstätte<br />

Welper – Querschnittsaufgabe „<strong>Gender</strong> Mainstreaming im Schulalltag“. In:<br />

Derichs-Kunstmann 2007, S. 20-22<br />

Schabirosky, Eva und Rietze, Monika 2007: “Aller Anfang ist ... gar nicht so<br />

schwer“ Betriebsverfassung: Einführung und Überblick. In: Derichs-Kunstmann<br />

2007, S. 30-33<br />

Schmidt, Jens 2008: Institutionelle <strong>Gender</strong>-Analyse. In: Derichs-Kunstmann<br />

2008, S. 28-30<br />

Schwirn, Carola/ Schulz-Müller, Ilona/ Kurzweg, Volker 2007: <strong>Gender</strong> in<br />

der <strong>Bildungsarbeit</strong>. Hrsg. vom ver.di-Bundesvorstand, Bereich Gewerkschaftliche<br />

Bildung, Mallmann, Hartwig, und Bereich <strong>Gender</strong>politik, Lindner,<br />

Matthias, Werner, Heike. CD-ROM 1. Aufl. September 2007<br />

Wilhelm, Elke 2007: <strong>Gender</strong> und kontinuierliche Teamentwicklung im Tätigkeitsfeld<br />

politische Jugendbildung. In: Derichs-Kunstmann 2007, S. 37-41


Literatur - 249 -<br />

Veröffentlichungen aus den am Projekt beteiligten Verbänden<br />

Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten 2005 (Hrsg.): <strong>Gender</strong> Mainstreaming<br />

im Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten. Berlin<br />

Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben 2007 (Hrsg.): Institutionelle <strong>Gender</strong>-<br />

Analyse. Arbeitshilfe zur Organisationsentwicklung von Bildungseinrichtungen<br />

im Kontext von <strong>Gender</strong> Mainstreaming. Wuppertal o.J.<br />

European Training Network c/o Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben 2007<br />

(Hrsg.): <strong>Gender</strong> Check. Eine Aktion zur Förderung der Balance von Beruf<br />

und Privatleben <strong>für</strong> Frauen und Männer in Europa. Projektdokumente. Wuppertal<br />

Maier, Ulrike 2005: Männer und Frauen lernen gemeinsam. Auf dem Weg zu<br />

mehr Geschlechtergerechtigkeit. In: dis.kurs. Das Magazin des Deutschen<br />

Volkshochschul-Verbandes, 12. Jg., H. 4, 2005, S. 13<br />

Rex, Sascha 2005: Mit Feingefühl. Fachtagung der politischen Jugendbildung<br />

zu interkultureller <strong>Kompetenz</strong> und <strong>Gender</strong> Mainstreaming. In: dis.kurs. Das<br />

Magazin des Deutschen Volkshochschul-Verbandes, 12. Jg., H. 4, S. 12<br />

ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft 2004 (Hrsg.): <strong>Gender</strong> Mainstreaming<br />

– was ist das? Zweite Auflage, Berlin<br />

ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft 2005 (Hrsg.): <strong>Gender</strong>politischer<br />

Datenwegweiser. Handbuch und Hilfestellung zum Umgang mit<br />

genderrelevanten Fragen und Daten. Berlin<br />

ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft 2006 (Hrsg.): Zwischen Meeting<br />

und Masern. Vereinbarkeit von Beruf und Familie – ein Thema auch <strong>für</strong><br />

Männer. Berlin o.J.<br />

ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft 2006 (Hrsg.): Zwischen Meeting<br />

und Masern. Bildungsmaterialien <strong>für</strong> betriebliche Interessenvertretungen zur<br />

Verbesserung der Vereinbarkeitssituation von Männern. Berlin<br />

ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft 2007 (Hrsg.): Mehr Gerechtigkeit<br />

im Betrieb. <strong>Gender</strong> Mainstreaming als Gestaltungselement <strong>für</strong> <strong>die</strong> Arbeit der<br />

betrieblichen Interessenvertretungen. Fachtagung <strong>für</strong> Betriebs- und PersonalrätInnen<br />

30.-31. Oktober 2006 in Berlin. Berlin<br />

ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Hrsg.): Das 3 x 3 des <strong>Gender</strong>ns.<br />

Leitfaden zur geschlechtergerechten Teamendenarbeit.<br />

http://www.verdi.de/gender/projekte/themen/genderberatung/data/ausstell<br />

era4_finkor.pdf<br />

Voigt, Ulla; Friedrich-Wussow, Monika 2005: Gemischte Gefühle. Ein<br />

Rückblick auf 15 Jahre Frauen-Ausschuss im Deutschen Volkshochschul-<br />

Verband. In: dis.kurs. Das Magazin des Deutschen Volkshochschul-Verbandes,<br />

12. Jg., H. 3, S. 11-13


- 250 -<br />

Projekt <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

7. Qualitätskriterien <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en<br />

Qualitätskriterien <strong>für</strong> GeQuaB-Lehrgänge<br />

Die Lenkungsgruppe einigte sich auf <strong>die</strong> nachfolgend dargestellten Qualitätskriterien<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> GeQuaB-Lehrgänge (vgl. FIAB 2005b, S. 1-2) und auf Anforderungen,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Teilnehmenden erfüllen mussten, um das GeQuaB-Zertifikat<br />

zu erhalten. Um anschlussfähig zu sein, orientierten sich <strong>die</strong> Qualitätsstandards<br />

<strong>für</strong> das GeQuaB-Zertifikat an denjenigen Qualitätskriterien, wie sie <strong>für</strong> Fortbildungen<br />

von pädagogischen MitarbeiterInnen im Rahmen der in der Weiterbildung<br />

gebräuchlichen Qualitätssicherungsverfahren (wie z.B. LQW; QVB und<br />

verschiedene Gütesiegel <strong>für</strong> <strong>die</strong> Weiterbildung) entwickelt wurden.<br />

Lehrgangsumfang<br />

Der Lehrgangsumfang beträgt 220 Stunden Gesamtmindestarbeitszeit, <strong>die</strong>se setzen sich<br />

zusammen aus:<br />

�� zweimal fünf Seminartagen und zweimal vier Seminartagen (144 Seminarstunden),<br />

�� Eigenarbeit und Praxiserprobung der Teilnehmenden inkl. Dokumentation<br />

(50 Stunden) und<br />

�� kollegialer Beratung sowie regionaler Netzwerkarbeit (26 Stunden).<br />

Fachlicher und methodischer Standard<br />

Der fachliche und methodische Standard bezieht sich zum einen auf <strong>die</strong> Vermittlung<br />

von Fachwissen und didaktisch-methodischem Gestaltungswissen auf<br />

dem aktuellen Stand<br />

�� der Fachwissenschaften (Sozialwissenschaften, Erwachsenenbildung) und<br />

�� der pädagogischen wie sozialwissenschaftlichen Geschlechterforschung;<br />

zum anderen auf <strong>die</strong> Gestaltung der Module orientiert an den Kernprinzipien<br />

der Erwachsenenbildung/Weiterbildung wie<br />

�� Subjektorientierung,<br />

�� partizipative Methodik und<br />

�� der Verbindung von Theorie und Praxis.


Qualitätskriterien <strong>für</strong> GeQuaB-Lehrgänge - 251 -<br />

Qualifikationen der Mitglieder des Teams<br />

Die GeQuaB-Lehrgänge werden jeweils von einem Team geleitet, das in der<br />

Regel aus einer Frau und einem Mann besteht, und dessen Mitglieder<br />

�� über fun<strong>die</strong>rte Kenntnisse in der Geschlechterforschung verfügen,<br />

�� jahrelange Praxis in der Erwachsenenbildung haben,<br />

�� erfahrene <strong>Gender</strong> TrainerInnen sind und<br />

�� sich verpflichten, <strong>für</strong> <strong>die</strong> Durchführung eines vollständigen Lehrgangs zur<br />

Verfügung zu stehen.<br />

Kontinuierliche Evaluierung und Verbesserung<br />

Die Durchführung und Gestaltung der Lehrgänge wird kontinuierlich evaluiert und<br />

verbessert durch<br />

�� den Einsatz verschiedener Feed-back- und Reflexionsmethoden innerhalb<br />

jedes Moduls,<br />

�� <strong>die</strong> Verwendung von Selbstreflexions-Instrumenten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Teilnehmenden<br />

am Ende jedes Moduls,<br />

�� <strong>die</strong> Selbstreflexion der Dozentinnen und Dozenten und<br />

�� regelmäßigen systematischen Austausch zwischen den DozentInnen-<br />

Teams zur kontinuierlichen Verbesserung der Lehrgänge.<br />

Qualität der Seminarausstattung und der Unterrichtsräume<br />

Die GeQuaB-Lehrgänge werden unter folgenden Rahmenbedingungen durchgeführt:<br />

�� Räume <strong>für</strong> Plenumssitzungen und ausreichende Anzahl von Gruppenarbeitsräumen,<br />

�� moderne Ausstattung der Unterrichtsräume,<br />

�� notwendiges technisches Equipment (OHP, Beamer, Moderationskoffer),<br />

�� EDV-Ausstattung <strong>für</strong> Protokoll und Dokumentation sowie Kopiermöglichkeiten,<br />

�� Durchführung der Lehrgänge in einer Bildungsstätte mit Unterkunft und<br />

Verpflegung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Teilnehmenden,<br />

�� Möglichkeiten der Kinderbetreuung,<br />

�� Möglichkeiten vegetarischer Ernährung und anderer notwendiger Diäten<br />

sowie<br />

�� Erreichbarkeit der Bildungsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln.


- 252 -<br />

Projekt <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Mit dem durch <strong>die</strong> Verleihung des Zertifikats dokumentierten erfolgreichen Abschluss<br />

der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> konnten sich <strong>die</strong> Teilnehmenden „<strong>Gender</strong><br />

Trainerin / <strong>Gender</strong> Trainer <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> (GeQuaB�)“ nennen.<br />

Anforderungen zur Erlangung eines Zertifikats<br />

Folgende Voraussetzungen mussten <strong>die</strong> Teilnehmenden der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en<br />

erfüllen, um ein Zertifikat zu erhalten:<br />

Umfang der Teilnahme<br />

„Die Teilnehmenden müssen an 80% der Veranstaltungen teilgenommen haben<br />

und entsprechende Praxisaufgaben zwischen den Modulen erledigen. Wenn <strong>die</strong><br />

eigene Arbeit zur Umsetzung des Gelernten mit 20% angesetzt wird, dann ist es<br />

tolerierbar, wenn sich eine Teilnehmerin/ ein Teilnehmer aus vertretbaren Gründen<br />

an einem der vier Module nicht beteiligen kann. Dieses gilt jedoch nur <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Module 2 und 3.<br />

Wenn jemand am ersten Modul nicht teilnehmen kann, ist der Platz unter<br />

Rückgriff auf <strong>die</strong> Warteliste neu zu besetzen. Kann jemand am 4. Modul nicht<br />

teilnehmen, muss vom Team entschieden werden, in welcher Form <strong>die</strong> Präsentation<br />

der Umsetzungsergebnisse erfolgen soll, damit das Zertifikat erteilt<br />

werden kann.<br />

Anwendung des Gelernten in der Praxis<br />

Die Teilnehmenden müssen<br />

�� ein Konzept <strong>für</strong> <strong>die</strong> Umsetzung von geschlechtergerechter Programmqualität<br />

<strong>für</strong> ihre eigene Bildungspraxis erarbeiten,<br />

�� das Konzept in ihrer Bildungspraxis erproben und<br />

�� <strong>die</strong> Erfahrungen bei der Praxisumsetzung im Rahmen des Projektes in <strong>die</strong><br />

weitere Arbeit einbringen und evaluieren.<br />

Die Praxisprojekte können von Teilnehmenden gemeinsam (Tandems) entwickelt,<br />

erprobt und analysiert werden.<br />

Die Praxisprojekte <strong>die</strong>nen im Rahmen der <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong> der Umsetzung<br />

und Anwendung der erworbenen Kenntnisse. Aus dem Praxisprojekt soll hervorgehen,<br />

dass <strong>die</strong> Teilnehmenden in der Lage sind,<br />

�� sich mit ihrem fachlichen Handeln im <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Diskurs sowie<br />

innerhalb geschlechtertheoretischer Ansätze zu verorten,


Qualitätskriterien <strong>für</strong> GeQuaB-Lehrgänge - 253 -<br />

�� ihre fachliche Arbeit gender-kompetent zu gestalten,<br />

�� ihre methodisch-didaktischen Vorgehensweisen auf verschiedene Zielgruppen<br />

geschlechtergerecht anzuwenden,<br />

�� geschlechtergerechte Ansprachekonzepte zu entwickeln und<br />

�� den Transfer des Gelernten sicherzustellen.<br />

Es kann in <strong>die</strong>sem Praxisprojekt beispielsweise darum gehen<br />

�� in unterschiedlichen Veranstaltungen der entsendenden Organisation mit<br />

unterschiedlichen Zielgruppen Geschlechteraspekte einzubringen und bei<br />

der Planung und Durchführung zu berücksichtigen oder<br />

�� bestehende Konzepte unter der <strong>Gender</strong>perspektive zu überarbeiten oder<br />

neue Konzepte <strong>für</strong> Angebote zu entwickeln und zu erproben oder<br />

�� <strong>für</strong> <strong>die</strong> Planung, Organisation und Evaluation von <strong>Bildungsarbeit</strong> geschlechtergerechte<br />

Konzepte zu entwickeln und zu erproben.<br />

Bericht über das Praxisprojekt<br />

Der Bericht über das Praxisprojekt <strong>die</strong>nt der schriftlichen Reflexion des Praxisprojekts.<br />

In <strong>die</strong>ser Abschlussarbeit soll Planung, Durchführung, Verlauf, Analyse<br />

und Bewertung des Projektes dargestellt werden. Insbesondere wird auf <strong>die</strong><br />

Reflexion und Evaluation des Praxisprojektes innerhalb der Abschlussarbeit<br />

Wert gelegt. Der Praxisbericht sollte inkl. verwendeter Arbeitsmaterialien zwischen<br />

10 und 15 Seiten nicht überschreiten. Literatur sollte nur angegeben<br />

werden, wenn <strong>die</strong>se auch wirklich verwendet bzw. zitiert wurde.<br />

Gliederung des Praxisberichts<br />

Der Praxisbericht sollte sich an folgenden Punkten orientieren:<br />

�� Thema der Projekts (Veranstaltung / Seminar / Maßnahme u.a.)<br />

�� Konzept (Ziele, Zielgruppen, inhaltliche Schwerpunkte, Leitung, Rahmenbedingungen<br />

u.a.)<br />

�� Geschlechtertheoretische Verortung<br />

�� Methodisch-didaktische Aspekte (didaktische Prinzipien, Methodenwahl<br />

und -einsatz inkl. Me<strong>die</strong>neinsatz u.a.)<br />

�� Zielgruppenansprache (Marketing, Öffentlichkeitsarbeit)<br />

�� Evaluationskonzept<br />

�� Durchführung/ Umsetzung/ Ablauf


- 254 -<br />

Projekt <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>en <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

�� Bewertung von Stärken und Schwächen des durchgeführten Praxisprojektes<br />

�� Ausblick und Transfer/ Planungen im Hinblick auf Verstetigung, weitere<br />

Veranstaltungen<br />

�� Literatur<br />

Präsentation der Erfahrungen<br />

Jede Teilnehmerin / jeder Teilnehmer bzw. jedes Tandem erhält im 4. Modul<br />

des Lehrgangs Zeit und Gelegenheit, <strong>die</strong> Ergebnisse und Erfahrungen des Praxisprojekts<br />

zu präsentieren. Die Me<strong>die</strong>nwahl bleibt hierbei den Teilnehmenden<br />

selbst überlassen.<br />

Rückkoppelung in <strong>die</strong> entsendenden Organisationen<br />

Die Teilnehmenden der Lehrgänge innerhalb des GeQuaB-Modellprojektes<br />

wurden von vier Verbänden/Organisationen der <strong>Bildungsarbeit</strong>/Weiterbildung<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Teilnahme ausgewählt. Von <strong>die</strong>sen Organisationen besteht ein berechtigtes<br />

Interesse daran, dass <strong>die</strong> Erkenntnisse und Ergebnisse, <strong>die</strong> innerhalb der<br />

Lehrgänge erarbeitet werden, in <strong>die</strong> Arbeit innerhalb der Verbände/ Organisationen<br />

rückgekoppelt werden. Auf <strong>die</strong>sem Hintergrund sind <strong>die</strong> Teilnehmenden<br />

bereits im Laufe des Lehrgangs (und nicht erst nach dessen Abschluss) gefordert,<br />

sich aktiv um den Transfer der Erfahrungen und Ergebnisse aus dem<br />

Lehrgang in <strong>die</strong> entsendende Organisation bzw. den Verband (regional und<br />

überregional) zu bemühen“.<br />

Verpflichtung der Verbände<br />

Auf der Basis der <strong>für</strong> das Modellprojekt GeQuaB vorliegenden Kooperationszusagen<br />

der beteiligten Verbände wurde von <strong>die</strong>sen das GeQuaB-Zertifikat als<br />

Standard <strong>für</strong> den Erwerb von <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Weiterbildung anerkannt.<br />

Das bedeutet, dass sich <strong>die</strong> Verbände verpflichtet haben,<br />

�� <strong>die</strong> Teilnehmenden bei der Erprobung der Praxisprojekte zu unterstützen<br />

und ihnen da<strong>für</strong> Zeit und Raum zur Verfügung zu stellen,<br />

�� bei ihren Mitgliedsorganisationen bzw. Untergliederungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Anerkennung<br />

des Zertifikats Sorge zu tragen,<br />

�� auch über das Ende des Modellprojektes hinaus <strong>die</strong> Etablierung des Ge-<br />

QuaB-<strong>Qualifizierung</strong>sangebots innerhalb ihrer Organisationen zu unterstützen<br />

und <strong>für</strong> eine Nachhaltigkeit der <strong>Qualifizierung</strong> einzutreten.


Zu den Autorinnen und Autoren - 255 -<br />

8. Zu den Autorinnen und Autoren<br />

Jörg Bewersdorf<br />

Dipl.-Finanzwirt, <strong>Gender</strong> Trainer (GeQuaB), ehrenamtlicher ver.di-Bildungsmitarbeiter<br />

in den Themenfeldern <strong>Gender</strong> Mainstreaming, Familien- und<br />

Väterpolitik, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, betriebliche Gesundheitsförderung<br />

und Personalvertretungsrecht; Berlin.<br />

Monika Engel<br />

Historikerin, Referentin <strong>für</strong> politische Bildung beim Landesverband der<br />

Volkshochschulen von Nordrhein-Westfalen, Sprecherin des Bundesarbeitskreises<br />

politische Bildung im Deutschen Volkshochschul-Verband, <strong>Gender</strong><br />

Trainerin (GeQuaB) und Trainerin <strong>für</strong> interkulturelle <strong>Kompetenz</strong>; Bochum.<br />

Dr. Karin Derichs-Kunstmann M.A.<br />

Erziehungs- und Sozialwissenschaftlerin, Schwerpunkte: Frauen- und Geschlechterforschung<br />

in der Weiterbildung, <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>, <strong>Gender</strong><br />

Mainstreaming-Implementierung, Projektleiterin und Trainerin im Projekt<br />

<strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>; Recklinghausen/Marl.<br />

Sibylle Hahn<br />

Diplom Pädagogin, Mitarbeiterin beim Forschungsinstituts tifs e.V., Schwerpunkte:<br />

Evaluation geschlechterdifferenzierender Ansätze in der Bildung/<br />

Fortbildung; Prävention sexualisierter Gewalt in Schule und Jugendarbeit,<br />

Übergang Schule - Beruf, Globales Lernen, Evaluatorin im Projekt <strong>Gender</strong>-<br />

<strong>Qualifizierung</strong>; Reutlingen.<br />

Martin Karolczak<br />

Diplom Pädagoge, Master in Sozialmanagement, <strong>Gender</strong> Trainer (GeQuaB),<br />

ausgebildeter Jungenarbeiter (HVHS Frille), viele Jahre Tätigkeit in der politischen<br />

Jugendbildung und zur Gewaltprävention, seit Oktober 2008 wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter an der Universität Hamburg am Fachbereich Erziehungswissenschaft.<br />

Dr. Gerrit Kaschuba<br />

Diplom Pädagogin, Geschäftsführerin des Forschungsinstituts tifs e.V., Supervisorin,<br />

<strong>Gender</strong> Trainerin. Schwerpunkte: <strong>Gender</strong>-Forschung in der Weiterbildung,<br />

Begleitung und Evaluation von <strong>Gender</strong> Mainstreaming-Prozessen,<br />

Trainerin und Evaluatorin im Projekt <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>; Tübingen.


- 256 -<br />

Zu den Autorinnen und Autoren<br />

Dr. Volker Kurzweg<br />

freiberuflicher Mitarbeiter in der ver.di-<strong>Bildungsarbeit</strong>, <strong>Gender</strong> Trainer <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> (GeQuaB); Berlin.<br />

Ralf Lange M.A.<br />

Dipl.-Sozialwirt, Freiberuflicher Berater, Organisationsentwickler, <strong>Gender</strong><br />

Trainer und Mediator, Trainer im Projekt <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>; Hamburg.<br />

Eva Meyer (Schabirosky)<br />

freiberufliche Seminarleiterin <strong>für</strong> betriebliche Interessenvertretungen bei<br />

ver.di, <strong>Gender</strong> Trainerin (GeQuaB); Buchholz in der Nordheide.<br />

Manfred Nousch<br />

Stellvertretender Leiter der Volkshochschule Herten, Stu<strong>die</strong>nleiter <strong>für</strong> Politik<br />

& Gesellschaft und Bildung <strong>für</strong> den Beruf/EDV, <strong>Gender</strong> Trainer (GeQuaB).<br />

Christian Reichert<br />

Politikwissenschaftler, Historiker, langjährige Erfahrung in der politischen<br />

Erwachsenen- und Jugendbildung mit Schwerpunkt auf <strong>Gender</strong>-Themen<br />

sowie in der Fortbildung und Beratung in den Bereichen Gewaltprävention<br />

und Selbstbehauptung an Grund- und Förderschulen, <strong>Gender</strong> Trainer<br />

(GeQuaB); Hamburg.<br />

Monika Rietze<br />

Monika Rietze, Diplom-Sozialökonomin, Supervisorin und Coach (IACC),<br />

Trainerin in der Erwachsenen-Bildung & <strong>Gender</strong> Trainerin (GeQuaB),<br />

ARIADNE - Beratung & Bildung; Hannover.<br />

Victoria Schnier<br />

Diplom Pädagogin, freiberufliche Me<strong>die</strong>nexpertin, wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

im Projekt <strong>Gender</strong>-<strong>Qualifizierung</strong>, seit Mai 2008 Promotionsstipendiatin<br />

der Hans-Böckler-Stiftung zum Thema <strong>Gender</strong>-<strong>Kompetenz</strong> in der Erwachsenenbildung;<br />

Münster.<br />

Elke Wilhelm<br />

Diplom Pädagogin, Bildungsreferentin bei ARBEIT UND LEBEN Hessen, Fotopädagogin,<br />

<strong>Gender</strong> Trainerin (GeQuaB); Oberursel am Taunus.

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