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Synapse 50-neu.pmd - Breite Liste Gesundheit, Fachschaft Medizin ...

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6<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Von:<br />

Datum:<br />

Betreff:<br />

Holà!<br />

Musste letzte Woche mit Schrecken durch<br />

unseren Oberarzt erfahren, dass sowohl im<br />

Ärzteblatt als auch in großen namhaften<br />

Tageszeitungen (Süddeutsche...) Anfang des<br />

Jahres ein winziger Artikel über das<br />

Bereitschaftsdiensturteil (Europäischer<br />

Gerichtshof, zur Erinnerung: nicht mehr<br />

als 8 h Dienst am Stück) erschienen ist, in<br />

dem geschrieben wurde, dass dieses zum 1.1.04<br />

in Kraft getreten sei, aber in mindestens<br />

den nächsten zwei Jahren (in Deutschland)<br />

nicht umgesetzt wird (mangels Konzepten,<br />

Geld...) und außerdem eine Gegenklage läuft,<br />

die hohe Aussicht auf Erfolg hat, so dass<br />

das Gesetz vermutlich nie in Kraft treten<br />

wird. Weiß da jemand mehr darüber?<br />

Ich fand es besonders erschreckend, dass<br />

das überhaupt nicht durchgedrungen ist -<br />

mal abgesehen davon, dass wir endlich ein<br />

Urteil hatten, dass zu einer Verbesserung<br />

der katastrophalen Arbeitsbedingungen hätte<br />

führen sollen, und dass das jetzt einfach<br />

mal nicht umgesetzt wird, und zwar nicht<br />

unter dem Aspekt "wir sind noch nicht soweit<br />

mit der Planung" (ist ja auch kein gutes<br />

Argument, da das Urteil ja nun auch schon<br />

ein halbes Jahr alt ist und die Klage vor<br />

zwei Jahren über zwei Jahren gestellt wurde),<br />

sondern einfach "wir klagen mal dagegen,<br />

das wird dann schon wieder abgeschmettert,<br />

da müssen wir uns keine Sorgen machen",<br />

sprich: wir versuchen es gar nicht erst.<br />

Schlimm finde ich außerdem, dass der<br />

Allgemeinbevölkerung vorgegaukelt wird, die<br />

Zustände im Krankenhaus werden endlich<br />

besser, die Ärzte werden alle glückliche<br />

unterbeschäftigte Menschen - was nicht der<br />

Wahrheit zu entsprechen scheint...<br />

Sieht da noch jemand anders Klärungs-/<br />

Engagementsbedarf?<br />

LG aus dem Norden,<br />

Valeska<br />

Skandalkette, Teil 2<br />

Valeska<br />

20.01.2004 23:27<br />

Bereitschaftsdiensturteil<br />

Am 3. Oktober 2000 wurde nach Klage von spanischen Ärzten<br />

das so genannte SIMAP-Urteil (Az.: Rs C 303/98) publik, in dem<br />

der Europäische Gerichtshof feststellt, was die Erfahrung und<br />

der normale Menschenverstand ohnehin vermuten lassen:<br />

Bereitschaftsdienst ist in vollem Umfang Arbeitszeit.<br />

Die Entscheidung des Gerichtes im Jahr 2000 wäre eine (späte)<br />

Möglichkeit gewesen, für vernünftige Arbeitsbedingungen in<br />

deutschen Krankenhäusern zu sorgen und den Schutz der<br />

Mitarbeiter und somit auch der Patienten vor Übermüdung<br />

sicherzustellen. Die Gesetze der Physiologie gelten immer –<br />

unabhängig davon, was Bundestag, Gerichte oder Kostenträger<br />

beschließen.<br />

Aber die Bundesregierung entschied sich zu juristischen Schikanen<br />

und behauptete, das Urteil gelte nur für Spanien. Der Kieler<br />

Klinik-Assistenzarzt Dr. med. Norbert Jäger klagte gegen diese<br />

Auslegung des SIMAP-Urteils: Die Arbeitsbedingungen seien in<br />

Deutschland und in Spanien vergleichbar. Zudem stehe<br />

europäisches Recht über nationalem Recht. Der EuGH sah dies<br />

genauso und bestätigte am 9. September 2003 er<strong>neu</strong>t, dass<br />

Bereitschaftsdienst, der vor Ort geleistet wird, in vollem Umfang<br />

als Arbeitszeit zu werten ist (Az.:RsC 151/02).Weitere<br />

bestätigende Urteile waren zuvor von der Politik ebenfalls<br />

ignoriert worden: am 3. Juli 2001 die zweite EuGH-Entscheidung<br />

„Sergas“ (Az.: RsC 241/99, Italien betreffend), am 18. Februar<br />

ein erstes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Az.: 1 ABR 2/02)<br />

und am 5. Juni 2003 ein zweites Urteil aus Erfurt (Az.: 6 AZR<br />

114/02).<br />

Skandalkette, Teil 3<br />

Nach jahrelangem Taktieren, Ignorieren, Bagatellisieren und<br />

andauernden juristischen Spitzfindigkeiten hat die<br />

Bundesregierung dann am 10. September 2003 eine Neufassung<br />

des Arbeitszeitgesetzes vorgelegt, die – vom<br />

Vermittlungsausschuss bearbeitet – zum 1. Januar 2004 in Kraft<br />

getreten ist.<br />

Die Möglichkeit, das verwirrende, in sich widersprüchliche und<br />

unschlüssige alte Arbeitszeitgesetz komplett zu entrümpeln, wurde<br />

dabei konsequent nicht genutzt – Tradition verpflichtet – und<br />

stattdessen ein <strong>neu</strong>es Arbeitszeitgesetz geschaffen, dass weiterhin<br />

für Unklarheiten und Irritationen sorgt, erweitert noch um<br />

praxisuntaugliche Regelungen (Widerspruchsrecht). In Kenntnis<br />

der Vorgeschichte fällt es schwer, darin keine Absicht zu sehen.<br />

Schon ist er<strong>neu</strong>t Streit entbrannt, für wen die zweijährige<br />

Übergangsfrist für bestehende Tarifverträge gilt. Von einer klaren<br />

Regelung, das heißt immer und ausnahmslos einzuhaltende<br />

Ruhezeit von elf Stunden und wöchentliche Höchstarbeitszeit<br />

von 48 Stunden (auch eine wöchentliche Arbeitszeit von <strong>50</strong> oder<br />

55 Stunden wäre vertretbar), ist nichts zu erkennen – stattdessen<br />

Ausnahmen, Sonderregeln, „Wenn und Aber“. Sicher, ein<br />

Bereitschaftsdienst in einer Rheumatologischen Rehaklinik,<br />

Dermatologischen Klinik oder bei der Feuerwehr ist etwas<br />

anderes als ein Bereitschaftsdienst in einer Kreiskrankenhaus-<br />

Chirurgie mit großem Einzugsgebiet. Der Gesetzgeber wird aber<br />

nicht den Unterschieden gerecht, wie er vorgibt, sondern lässt<br />

Arbeitsschutz und Arbeitszeit weiter im Unbestimmten.<br />

Skandalkette, Teil 4<br />

Das Taktieren geht weiter. Noch immer diskutieren Personen, die<br />

selbst nie einen einzigen Bereitschaftsdienst geleistet haben,<br />

darüber, ob dies denn wirklich Arbeitszeit sei und die Gerichte<br />

nicht irren. Es wäre wohl zu einfach, selbst für eine Woche an<br />

Bereitschaftsdiensten teilzunehmen, um sich eine Meinung zu<br />

bilden. Es soll der Eindruck erweckt werden, es hätten<br />

arbeitsscheue unersättliche Ärzte geklagt, um mit wenig Arbeit<br />

viel Geld – im Schlaf – zu verdienen. Auch fehlten Ärzte – in den<br />

Vorjahren sehr hochmütig aus den Kliniken vertrieben – zur<br />

Umsetzung.<br />

Ein klares Bekenntnis für oder gegen das SIMAP-Urteil, zuletzt<br />

bestätigt im Fall „Jäger“, gibt es auch nach mehr als drei Jahren<br />

nicht. Verantwortung wird hin- und hergeschoben, vom Bund zu<br />

den Ländern, von dort zu den Arbeitgebern, von denen zurück<br />

zu Ländern, Bund oder EU.<br />

Enttäuschend ist besonders, dass sich die Ärzteschaft gegenseitig<br />

attackiert, anstatt geschlossen zu handeln. Warum kam und<br />

kommt von den Chefärzten keine Unterstützung? Gerade die<br />

Chefärzte müssten ein großes Interesse daran haben, dass die<br />

Arbeit – auf mehr ausgeschlafene Köpfe verteilt – viel gründlicher,<br />

entspannter, patientenzugewandter und mit Luft für etwas Lehre<br />

gemacht werden kann. Es wäre Aufgabe der Chefärzte und der<br />

Verwaltung, mithin gerade auch der Deutschen<br />

Krankenhausgesellschaft (DKG), Öffentlichkeit und Politik zu<br />

verdeutlichen, dass gute und innovative <strong>Medizin</strong> Geld kostet und<br />

bezahlt werden muss, wenn man sie will. Qualität steigern,<br />

Bürokratie maximieren, Zuwendung und Zeit für den Patienten<br />

und zugleich das Personal minimieren – das kann sich nicht

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