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Synapse 50-neu.pmd - Breite Liste Gesundheit, Fachschaft Medizin ...

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From a Land Down Under<br />

Tim Sattler<br />

48<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

„That’s Dr. Onn, your supervisor for the next four weeks“ waren<br />

die ersten und vorerst letzten Worte von Prof. Freeman,<br />

Consultant der Coronary Care Unit im Concord Hospital. „He is<br />

registrar and head of your team“, fügte er noch hinzu ehe er<br />

mit einem wohlwollenden Nicken wieder in seinem Büro<br />

verschwand. Genauso schnell wie die Vorstellungsrunde<br />

abgelaufen war, ging’s dann auch los. Kaum hatten ich und meine<br />

genauso erstaunt dreinblickende australische Kommilitonin uns<br />

mit unserem <strong>neu</strong>en Ärzteteam vertraut gemacht (Toni, der<br />

Resident mit vietnamesischer Abstammung, und Marylin, Intern<br />

und <strong>neu</strong>estes Mitglied der Kardiologie), rannten wir schon aus<br />

dem Ward raus in Richtung Treppenhaus, um nach einem kurzen<br />

Sprint die Unfallambulanz zu erreichen.<br />

Eine bisschen überfordert und müde war ich schon,<br />

da ich selbst nach fünf Tagen immer noch auf<br />

meinen mitteleuropäischen Rhythmus gepolt war.<br />

Jetzt ging alles so schnell - und noch dazu auf<br />

Englisch. Im Flugzeug hatte ich mich bereits ein<br />

wenig mit dem Buch „Medical English“<br />

auseinandergesetzt, um wenigstens die<br />

gebräuchlichsten Fachausdrücke zu kennen, bevor<br />

mich die Flut von anglo-amerikanischen<br />

Abkürzungen und Medical Terms niederstrecken<br />

sollte. Wenigstens die raren Fachkenntnisse, die ich<br />

aus dem KVK mitgenommen hatte, konnte ich nun<br />

fachgemäß an den Mann bringen.<br />

Endlich in der Ambulanz angekommen, mussten<br />

wir auch gleich hinter einem vorgezogenen<br />

Vorhang warten. Dahinter verbarg sich ein Patient,<br />

der im Sterben lag. Etwas enttäuscht nutzte ich den<br />

Moment um mich mit der fremden Umgebung<br />

vertraut zu machen. Theresa, meine australischen<br />

Kommilitonin, fütterte mich derweil mit essenziellen<br />

Infos.<br />

Kurz darauf nahm uns Marylin mit zu den anderen<br />

Herzpatienten in der Notambulanz, an denen wir<br />

dann Anamnese und Untersuchung durchführen<br />

sollten. Zusammen mit Theresa, die mir immer wieder diverse<br />

durch Dialekte oder Akzente bedingte Abweichungen in der<br />

Englischen Sprache übersetzen musste, ging es dann doch recht<br />

flüssig durch die Patientenhistorie. Bei den Herzgeräuschen<br />

mussten wir aber dann doch noch mal nachfragen, ob es sich<br />

nun um eine Aortenstenose oder Mitralinsuffizienz handelte.<br />

Dazu benötigt man dann doch etwas mehr Erfahrung als ein<br />

Semester-Untersuchungskurs zulässt.<br />

Zurück auf unserer Station angekommen, fing dann die<br />

eigentliche Visite an. Kreuz und quer wanderten wir umher und<br />

ein Ende schien nicht absehbar. Wir hetzten von Infarktpatienten<br />

zu Klappenfehlerpatienten, während Resident und Intern immer<br />

eifrig Dr. Onns Diagnosen mitschrieben. Ich hingegen lauschte<br />

dieser fremden Sprache und versuchte mitzukommen. Das<br />

Problem hatte aber nicht nur ich, denn Dr. Onn ist Inder. Und<br />

wer schon mal einen Inder Englisch hat sprechen hören, weiß<br />

was das bedeutet. Selbst nach mehrmaligem Nachfragen, bekam<br />

ich nicht mehr mit, als eine Aneinanderreihung nasaler Laute in<br />

einem singsangartigen Redefluss. Hinterher musste ich meist bei<br />

den anderen im Team nachfragen. Bei der vorherrschenden<br />

Hektik war das allerdings recht mühselig.<br />

Die Systematik, nach der wir unsere Patienten besucht haben,<br />

verstehe ich bis heute nicht. Wahrscheinlich aber lief es nach<br />

dem Chaosprinzip 1 . Das erschwerte es ungemein, sich einen<br />

Überblick zu verschaffen.<br />

Eins ist jedenfalls sicher: Meine Station, Ward 6, wurde von drei<br />

Ärzteteams versorgt, die jeweils einem Consultant unterstehen,<br />

dem die Patienten zugeordnet sind.<br />

Unser Consultant, Dr. Pawsey, besuchte uns dreimal pro Woche.<br />

Sehr erfreulich für uns Studenten, da nach jedem Patienten eine<br />

ausführliche Erklärung folgte mit anschließendem<br />

pathophysiologischen und pharmakologischem Quiz. Das waren<br />

dann aber eher die seltenen Momente, in denen ich in meiner<br />

Famulatur gefordert wurde, da Dr. Onn meistens zu beschäftigt<br />

war, um uns Studenten Aufmerksamkeit zu schenken. Sehr<br />

schnell wurde mir klar, dass nur Hinterherlaufen und Zuschauen,<br />

so wie das die australischen Studenten tagtäglich praktizieren,<br />

mich medizinisch wenig weiterbringen würde. Anamnesen und<br />

Untersuchungen mussten auf Eigeninitiative erfolgen. Auch das<br />

für Famulanten in Deutschland so übliche Blutabnehmen und<br />

Nadellegen fällt in Australien leider weg, da dafür ausgebildete<br />

Schwestern diese Aufgabe übernehmen. Dadurch kommt man<br />

sich gleich noch ein Stück unnützer vor. So hab ich nachmittags<br />

dann meistens Zeit gehabt, um mich im Katheterlabor und im<br />

Herzecho umzusehen.<br />

Da ich offiziell Student der University of Sydney war, hatte ich<br />

natürlich auch die Möglichkeit an diversen<br />

Lehrveranstaltungen teilzunehmen, die mehrmals in der<br />

Woche in Form von Tutorials à la Harvard-Kurs oder<br />

freiwilligen POL-Gruppen stattfanden. Einmal in der Woche<br />

gab es noch die Grandround. Das ist ein Zusammentreffen<br />

aller Studenten und in der Ausbildung stehenden Ärzten, bei<br />

der zu einem ausgewählten Gebiet Patientenfälle vorgestellt<br />

und diskutiert werden. Der gesellschaftliche und kulinarische<br />

Faktor stand hierbei allerdings im Vordergrund: Von leckeren<br />

Sandwichhäppchen wurde man nur allzu leicht vom<br />

eigentlichen Thema abgelenkt.<br />

1<br />

siehe auch:<br />

Chaostherie, Stichwort: Lorenzscher Schmetterling; von dem wird<br />

gerne berichtet: „Wenn ein Schmetterling in Australien seine Flügel<br />

schlägt, kann er damit einen Sturm in New York auslösen.“

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