Synapse 50-neu.pmd - Breite Liste Gesundheit, Fachschaft Medizin ...
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Arbeitszeiten im Krankenhaus<br />
Staatlich geduldeter Rechtsbruch<br />
Hans-Peter Doepner<br />
Missliebige Urteile werden weiterhin ignoriert. Der übermüdete Arzt<br />
bleibt. Als betroffener Arzt berichtet der Autor aus dem<br />
Krankenhausalltag und kritisiert die Verantwortlichen.<br />
Die EU-Kommission hat wegen der Verletzung des<br />
Stabilitätspaktes gegen Deutschland und Frankreich eine Klage<br />
beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingeleitet. Das ist richtig<br />
und korrekt: Pacta sunt servanda. Eine andere Frage ist es, wie<br />
innerhalb der Europäischen Union (EU) mit Gesetzen und<br />
Gerichtsurteilen umgegangen wird, und ob den Richtern des<br />
EuGH ausreichend Respekt entgegengebracht wird. Es geht um<br />
die Arbeitszeiten und Bereitschaftsdienste in Krankenhäusern,<br />
bei Feuerwehren und Rettungsdiensten. Eine diffuse Hetze gegen<br />
Ärzte und das „marode <strong>Gesundheit</strong>ssystem“ stehen derzeit hoch<br />
im Kurs. Latente Antipathie findet man in der Berichterstattung<br />
vieler Medien. Hier geht es aber keinesfalls um „überzogene<br />
Forderungen einer verwöhnten Ärztelobby“, sondern um staatlich<br />
geduldeten Rechtsbruch. Gerichtsurteile, die der Politik passen,<br />
werden umgesetzt, missliebige Entscheidungen ignoriert.<br />
Dass in den Krankenhäusern, insbesondere für Ärzte, unwürdige<br />
und gefährliche Arbeitsbedingungen herrschen, ist längst<br />
bekannt. Dies ist Folge von immer mehr (meist sinnloser)<br />
Bürokratie, immer kürzeren Liegezeiten und einem seit<br />
Jahrzehnten nicht angepassten Personalplan. Überstunden von<br />
Ärzten sind die Regel, werden auf Druck der Verwaltungen aber<br />
nicht dokumentiert. Extreme Arbeitszeiten (teils am Stück im<br />
„normalen Arbeitsleben“ einer 4-Tage-Woche entsprechend),<br />
enormer Zeitdruck und ein raues Klima sind die Regel. Oft wird<br />
versucht, das Problem zu individualisieren: „Wenn Sie 30<br />
Patienten und sechs Zugänge nicht in Ihrer normalen Arbeitszeit<br />
versorgen können, dann sind Sie nicht belastbar und arbeiten<br />
nicht effektiv.“ Die Zahl der Ärztinnen und Ärzte, die – unter vier<br />
Augen – Überlastung, Überforderung und Übermüdung beklagen,<br />
ist aber inzwischen so groß, dass die Verschiebung zum<br />
individuellen Problem nicht der Realität entsprechen kann.<br />
Skandalkette, Teil 1<br />
Am 23. November 1993 wurde die EU-Richtlinie 93/104 zu<br />
bestimmten Aspekten der Arbeitszeitgestaltung erlassen, die die<br />
gröbsten Missstände in den Mitgliedsstaaten beseitigen sollte. Der<br />
deutsche Gesetzgeber änderte daraufhin zum 1. Juli 1994 das<br />
Arbeitszeitgesetz, wobei für die Krankenhäuser eine längere<br />
Umsetzungsfrist (bis zum 1. Januar 1996) vereinbart wurde. Die<br />
4<br />
Nachdruck<br />
abgedruckt<br />
erschienen in:<br />
Deutsches Ärzteblatt,<br />
Ausgabe 07/2004 (vom 13.02.2004)<br />
„Europäisches Recht -<br />
deutsche Praxis“<br />
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Unser besonderer Dank gilt<br />
Herrn JACHERTZ (Chefredakteur) & Frau HESS