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Synapse 50-neu.pmd - Breite Liste Gesundheit, Fachschaft Medizin ...

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20<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Gibt oder gab es in deinem Umfeld Leute, die dieser Kämpferwille<br />

verlassen hat?<br />

Ja, es gibt schon ein paar. Die meisten haben Depressionen oder<br />

Krisen, wo man nicht mehr aufstehen will oder einfach nur<br />

Zuhause rumhängt und keinen Sinn mehr im Leben sieht. Das<br />

hat eigentlich fast jeder.<br />

Gehen viele so weit und geben auf?<br />

Nein, da ist dann doch der Lebenswille zu groß. Wir reden auch<br />

generell offen darüber. Wenn es einem schlecht geht, dann geht’s<br />

halt schlecht. Es kann einem nicht immer gut gehen. Man muss<br />

das akzeptieren und darüber reden können, dann übersteht man<br />

das auch.<br />

Was wäre gewesen, wenn du niemanden zum reden gehabt hättest?<br />

Dann hätte ich mich längst aufgegeben. Das habe ich auch<br />

gemerkt, als ich meinen Job verloren habe und erstmal keine<br />

Aussicht mehr gesehen habe. Ich weiß nicht, wo ich gelandet<br />

wäre. Da war nur noch der Gedanke an Drogen, Alkohol,<br />

Abhauen, Wegmachen.<br />

Wie schwierig ist es mit HIV einen Job zu finden?<br />

Es ist sehr schwierig. Gerade in meinem Fall. Ich habe eben nur<br />

einen Krankenpflegehelfer und Verletzungspfleger. Das ist schon<br />

ein Problem. Man darf zwar nicht gekündigt werden und es darf<br />

dadurch auch kein Hinderungsgrund entstehen, nicht eingestellt<br />

zu werden, aber in der Praxis ist es eben doch so.<br />

Auch beim Arbeitsamt habe ich versucht eine Umschulung zu<br />

bekommen, die ist aber zweimal abgelehnt worden. Ich habe<br />

zwar jedes Mal einen Widerspruch geschrieben, aber mit HIV<br />

wird man stigmatisiert und abgestempelt. Dann habe ich einen<br />

Schwerbehindertenausweis beantragt. Dann war ich so ehrlich<br />

und habe das beim Arbeitsamt angegeben – und dann war<br />

komplett alles aus. Dann war ich plötzlich schwerstvermittelbar.<br />

Daraufhin habe ich versucht eine berufliche Reha zu beantragen.<br />

Die wurde mir dann verwehrt. Dann habe ich es bei der BfA<br />

(Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) versucht. Da war<br />

es eben so, dass es bestimmte Voraussetzungen gab darüber,<br />

wie viel ich gearbeitet haben müsste – und dann ging das eben<br />

auch nicht. Da blieb mir nix anderes übrig, als mich<br />

krankschreiben zu lassen. Dann wollte ich medizinische Reha<br />

beantragen, aber auch das ging nicht. Also habe ich die dreijährige<br />

Rente in Anspruch genommen und will mal sehen, wie ich damit<br />

klar komme. Man kämpft dann schon noch, aber es ist sehr<br />

schwierig. Egal ob man nun Hepatitis oder HIV hat.<br />

Wie hat sich dein Alltag mittlerweile geändert?<br />

Als ich 1999 nach München gezogen bin, habe ich zunächst für<br />

Premiere gearbeitet und dann 2001 meinen Job verloren. Seitdem<br />

bin ich auch arbeitslos. Da ist eine Welt für mich<br />

zusammengebrochen: Ich hatte versucht mir eine <strong>neu</strong>e Existenz<br />

aufzubauen, hatte eine Wohnung in München, aber keinen Job<br />

mehr und sah auch keine Chance, noch einen zu kriegen. Ich<br />

wusste einfach nicht, wie mein Leben weitergehen sollte. Damals<br />

habe ich mich schon unter der Brücke schlafen sehen. Da habe<br />

ich von der Münchner AIDS-Hilfe erfahren, dass es eine<br />

therapeutisch betreute Wohngemeinschaft geht. Zu dem<br />

Zeitpunkt habe ich bemerkt, dass ich einfach Probleme hatte<br />

mit dem Leben klarzukommen, weil ich noch nie Verantwortung<br />

für irgendwas hab übernehmen müssen oder auch nur<br />

erwachsen zu reagieren. Dann habe ich beschlossen in die WG<br />

einzuziehen und habe mich hier auch stabilisieren können. Ich<br />

habe auch so eine Art Tagesstruktur gekriegt durch ehrenamtliche<br />

Aufgaben, die ich übernommen habe. Ich engagiere mich etwa<br />

bei JES (Junkies, Ehemalige und Substituierte), einer Vereinigung,<br />

die sich um die Probleme der Drogenabhängigen kümmert.<br />

Dadurch habe ich auch eine Struktur in meinem Leben langsam<br />

wieder aufgebaut. Langfristig will ich auch einfach wieder<br />

selbständiger werden.<br />

Wie planst du das?<br />

Ich mache derzeit eine ambulante Therapie, zweimal die Woche.<br />

Ich erhalte jetzt eine Rente für drei Jahre. Nebenbei versuche<br />

ich auch einen Job anzufangen, wieder etwas bodenständiger zu<br />

werden. Eine Festanstellung wäre schön – denn seit fast vier<br />

Jahren habe ich ja nicht mehr gearbeitet. Es ist zwar schwierig<br />

Vollzeit zu arbeiten, weil ich schon merke, dass nach fünf<br />

Stunden die Luft raus ist. Dann habe ich<br />

Konzentrationsstörungen und die Arbeit läuft dann auch nicht<br />

mehr so richtig. Aber daran möchte ich auch arbeiten.<br />

Wie wirst du therapiert?<br />

Ganz früher bin ich noch mit Videx, diesen ekelhaften<br />

Schaumtabletten, behandelt worden. Da hat man dann eine<br />

Viertelstunde darauf rumgekaut und es war sehr eklig. Dann<br />

habe ich auch eine Menge anderer Medikamente gekriegt, wobei<br />

die Behandlung wegen Resistenzbildung immer wieder geändert<br />

wurde. Außerdem war ich immer ein schwieriger Patient, weil<br />

ich verdrängt habe und mich nicht an die Dosierung oder<br />

Einnahme hielt. Dementsprechend ging es mit mir dann<br />

gesundheitlich abwärts. Seit letztem Jahr August kriege ich<br />

Kaletra (Handelsname von Lopinavir, einem Protease-Inhibitor)<br />

und Trizivir (Kombipräparat aus dem ältesten AIDS-Medikament<br />

AZT, dem Cytidin-Analogon 3TC und dem Guanosin-Analogon<br />

Abacavir). Seitdem habe ich auch keine Viruslast mehr und ein<br />

sehr gutes Immunsystem. Ich gehe da auch ganz anders ran. Ich<br />

nehme die Medikamente regelmäßig und achte mehr auf meinen<br />

Körper.<br />

Wenn die Psyche nicht funktioniert, dann kann man auch sehr<br />

krank werden. Man muss schon eine gesunde Einstellung haben<br />

und sich nicht ständig nur mit den bedrückenden Tatsachen<br />

auseinandersetzen.<br />

Wie ist die Krankheit verlaufen?<br />

Nun ja, es zeigten sich ständig Durchfälle, Fieberattacken,<br />

Lymphknotenschwellungen überall. Dann habe ich noch zwei<br />

Lungenentzündungen gehabt, eine Bronchitis, eine Gürtelrose<br />

– kaum war man vom einen gesundet, war schon das nächste da.<br />

Je nach Therapieerfolg schwankend.<br />

Wie war das dann, als du dann angefangen hast, die Therapie ernst zu<br />

nehmen?<br />

Es wurde besser. Ich habe gemerkt, dass es trotz der<br />

Nebenwirkungen erheblich besser wurde. Und das gab dann<br />

auch wieder den Trieb, das kontinuierlich zu machen. Man fängt<br />

dann auch an, sich gesund zu ernähren und gibt mehr Acht auf<br />

seinen Körper.<br />

Ich merke so richtig, dass es mir jedes Mal einen Aufschub gibt,<br />

wenn ich vom Arzt höre, die Viruslast sei unter der<br />

Nachweisgrenze.<br />

Würdest du sagen, heute frei von Beschwerden zu sein?<br />

Also ich bin jetzt nicht 100%-ig frei von Beschwerden. Ich habe<br />

immer noch Nachtschweiß, immer wieder Lymphschwellungen,<br />

morgendliche Übelkeit – aber dann lässt sich nie feststellen, ob<br />

es nun Nebenwirkungen sind oder das Virus. Das lässt sich aber<br />

alles aushalten. Ich leb damit.<br />

Verfolgst du auch die aktuelle Forschung?<br />

Ich bin schon daran interessiert, aber ich bin nicht jemand, der<br />

jeden Artikel liest oder jede Sendung schaut, im Internet nachhakt<br />

und quasi jede Etappe verfolgt. Ich würde dann auch irgendwie<br />

verrückt merken, weil ich dann wieder gedanklich zu sehr da<br />

drin wäre und zu sehr an die Krankheit erinnert würde.

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