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Synapse 50-neu.pmd - Breite Liste Gesundheit, Fachschaft Medizin ...

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Leben mit dem Virus<br />

Sylvère Störmann<br />

Plötzlich war es da. Unvermutet und unberechenbar schlug es zu. Das war 1981, als das HI-Virus durch AIDS auf<br />

sich aufmerksam machte. Das war auch 1998, als es Tobias heimsuchte...<br />

Tobias ist eigentlich ein ganz normaler Junge gewesen. Aufgewachsen in einem kleinen Ort in der Provinz, fehlte es<br />

ihm eigentlich an nichts. Tobias wuchs auf in einem ruhigen Ort; einem dieser Orte, wo nichts los. Viel kann man<br />

da als Jugendlicher nicht machen. In der ohnehin schon schweren Zeit der Pubertät hat man es da nicht leicht,<br />

nicht abzudriften. Tobias geriet in falsche Bahnen und schnell ging es abwärts. Er infizierte sich.<br />

Heute kann er offen darüber reden. Sein Leben hat er in geordnete Bahnen gerichtet. Wir sprachen über sein Leben<br />

und seine Krankheit.<br />

18<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Du hast ein ganz schön bewegtes Leben hinter dir. Wie alt bist du jetzt?<br />

Ich bin derzeit noch 28. Aber mit meinem 29. Geburtstag dieses<br />

Jahr gehe ich zielstrebig auf die 30 zu. O graus!<br />

Wie war deine Jugend?<br />

Die Jugendzeit war so richtig typisch mit Alkohol und natürlich<br />

Exzessen.<br />

Blieb es beim Alkohol?<br />

Ich bekam ein Alkoholproblem. So mit 16 habe ich mit dem<br />

Alkohol als Einstieg angefangen. Das ist eigentlich für mich die<br />

Einstiegsdroge schlechthin. Dann kommt eins zum<br />

andern: Man trifft dann Leute, die kiffen. Dann<br />

fängt man damit an. Plötzlich kommt man an<br />

was anderes und geht dann dazu über. Und so<br />

ging das dann auch bei mir. Über drei Jahre<br />

wurde ich schwer drogenabhängig.<br />

Was hast du in der Zeit getan?<br />

Zunächst habe ich ein Freiwilliges Soziales<br />

Jahr gemacht und danach eine<br />

Ausbildung<br />

zum<br />

Krankenpflegehelfer. Abitur habe<br />

ich keines. Zu diesem Zeitpunkt<br />

war ich schon<br />

medikamentenabhängig. Ich<br />

habe die Ausbildung<br />

trotzdem durchgezogen.<br />

Ich war halt ein Narr. Und<br />

so hat’s erst richtig<br />

angefangen.<br />

Irgendwie kann ich<br />

zwar stolz darauf sein,<br />

die Ausbildung<br />

trotzdem geschafft zu<br />

haben. Aber es war<br />

verantwortungslos und<br />

manchmal frage ich mich<br />

selbst: „Wie wär’s<br />

eigentlich gewesen, wenn<br />

ich nicht drauf gewesen<br />

wäre?“ Ich<br />

habe damals nämlich auch mit Heroin angefangen. Es gab<br />

eigentlich keinen Arbeitstag, wo ich clean gewesen wäre. Ich bin<br />

dann irgendwie so weit abgerutscht, dass ich nicht mehr wusste,<br />

worum es wirklich ging und der Beruf völlig falsch für mich war.<br />

So betäubte ich den Frust immer weiter.<br />

Hat denn keiner den Drogenmissbrauch bemerkt?<br />

Meine Mutter hat mich natürlich schon mehrmals angesprochen<br />

und gesagt: „Du veränderst dich so komisch. Deine Augen<br />

schauen so komisch aus. Deine Pupillen sind immer so klein.“<br />

Darauf entgegnete ich immer: „Hach, das ist nix.“ – „Nimmst du<br />

Drogen?“ – „Nein, nein.“<br />

Im Sommer bin ich dann immer mit Pullis rumgelaufen, weil die<br />

Arme entsprechend aussahen. Da haben mich die Leute auch<br />

schon mal drauf angesprochen und dann meinte ich einfach<br />

nur: „Ich hab ne Sonnenallergie zurzeit.“ Ich konnte mich immer<br />

rausreden und wenden.<br />

Ich bin ja auch in der Provinz aufgewachsen, wo jeder jeden<br />

kennt, wo das Schwulsein ein Problem ist und allein das<br />

ganze Leben irgendwie in der Öffentlichkeit<br />

stattfindet. Das war immer ein Versteckspiel.<br />

Wie ging das weiter?<br />

Ich war damals mit einem Mann zusammen, der<br />

positiv war. Wir waren leichtsinnig in unserem<br />

Rausch. Wir tauschten Spritzbesteck, wir hatten<br />

ungeschützten Verkehr – wir verloren uns<br />

in unseren Drogen. Als er mir dann vom<br />

Virus erzählte, war klar, dass er mich<br />

angesteckt haben musste. Würde ich<br />

heute nicht mehr machen. Ich bin viel<br />

vorsichtiger geworden. Ich würde<br />

auch nie ungeschützten Verkehr<br />

machen, egal ob derjenige das<br />

möchte oder nicht. Das ist<br />

irgendwas, wo ich vielleicht sehr<br />

nachlässig war, es aber heute nicht<br />

mehr bin.<br />

Wie bist du mit dem Test-Ergebnis<br />

„HIV-positiv“ umgegangen?<br />

Mit der Krankheit selbst komme<br />

ich eigentlich erst seit einem Jahr<br />

‚klar’. Ich habe 1998 mein<br />

Ergebnis gekriegt und das erstmal ewig<br />

verdrängt; Schublade auf und da rein. Es fiel mir anfangs<br />

schwer, die Krankheit zu akzeptieren. Ich versuchte es auch<br />

nicht erst. Stattdessen Abzutauchen, sich betäuben, das fand<br />

ich in den Drogen. So ging ich damit um.<br />

Nach sechs Jahren habe ich endlich Einsicht erlangt und lebe<br />

damit. Ich brauche die Drogen jetzt nicht mehr.<br />

Wie bist du dem Drogensumpf entkommen?<br />

Ich habe mich selber aus dem Drogensumpf ziehen können. Ich<br />

habe meinen ^damaligen Job von heute auf morgen einfach<br />

hingeschmissen, weil ich einerseits mein Ergebnis hatte und dann

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