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Zeitschrift der <strong>Fachschaft</strong> <strong>Medizin</strong> an der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />

Nr. <strong>50</strong> · Juni 2004


Inhalt<br />

Arbeiten als Arzt<br />

Als Student hat man es eigentlich ganz leicht. Auch wenn im Moment viele wegen der Schwulitäten, die im Rahmen der <strong>neu</strong>en<br />

Approbationsordnung auftreten, es schwer haben, geht es ihnen vergleichsweise gut. Arbeiten als Arzt - was das bedeutet und wieso<br />

es auch Studenten interessieren sollte, könnt ihr in dieser Ausgabe nachlesen.<br />

„Es stimmt, daß Arbeit noch nie irgendjemanden umgebracht hat. Aber warum das<br />

Risiko eingehen?“<br />

[ Ronald Reagan ]<br />

Arbeiten als Arzt<br />

Better Doctor Training, Worse Patient Care - Ein Vorwort von Samuel Shem ....................................................................... 3<br />

Staatlich geduldeter Rechtsbruch - Eine Übersicht zu EU-Recht und Arbeitszeit ............................................................ 4 - 9<br />

Arbeitsbedingungen für Ärzte weltweit - Eine Übersicht ........................................................................................... 10/11<br />

Zwischen Studium und Arbeitsleben - Ein Grenzerfahrungsbericht aus dem PJ ................................................................. 1 3<br />

Ein Einblick in unser <strong>Gesundheit</strong>ssystem - Eine Übersicht ....................................................................................... 14 - 16<br />

Arbeitszufriedenheit von Ärzten im Krankenhaus - Eine Studie ...................................................................................... 1 7<br />

Bereitschaftsdiensturteil - Ein Mailaustausch deutscher Studenten ............................................................................ 6 - 12<br />

Leben mit dem Virus<br />

Leben mit dem Virus - Ein Interview mit einem „Positiven“ .................................................................................... 18 - 21<br />

HIV-Therapie - Ein Referatshandout ............................................................................................................................ 2 2<br />

Lehramt <strong>Medizin</strong> und Sexualkunde - Ein MSV-Artikel ..................................................................................................... 2 3<br />

Der Weg hierher... und noch vor mir - Ein Artikel über HIV-Impfstoffforschung ............................................................. 24/25<br />

MeCuM<br />

Wahlen<br />

MeCuM „underground“ - Ein Einblick in die MeCuM-Organisation .............................................................................. 26 - 29<br />

Das PJ-Programm der LMU München - Ein Konzeptpapier ....................................................................................... 30 - 32<br />

Versuchsreihe MeCuM - Ein Erfahrungsbericht ............................................................................................................... 3 3<br />

MeCuM-Online meets Medi-Board - Eine kleine Diskussion mit Prof. Lackner ............................................................... 34/35<br />

Rettet die Wa(h)le(n)! - Aus dem <strong>Synapse</strong>-Archiv ......................................................................................................... 38<br />

Die <strong>Breite</strong> <strong>Liste</strong> <strong>Gesundheit</strong> - Ein persönlicher Bericht (mit Bildern aus 25 Jahren BLG) ............................................. 39 - 45<br />

Kandidatenvorstellung - Die Vier für den Fachbereichsrat ......................................................................................... 46/47<br />

Der Weg hierher... und noch vor mir - Ein Artikel über HIV-Impfstoffforschung ............................................................. 24/25<br />

Hilf deiner <strong>Fachschaft</strong> helfen! - Eine Aufmunterung ..................................................................................................... 5 6<br />

2<br />

Sonstiges<br />

Wer ist eigentlich Samuel Shem? - Ein Überblick ................................................................................................... 18 - 21<br />

From a Land Down Under - Ein Famulaturbericht aus dem DRG-Land .......................................................................... 48/49<br />

Famulissime! - Ein weiterer Famulaturbericht aus GH (auch sehr weit) ............................................................................ 5 0<br />

Blau machen - in der Anatomie! - Über das blaue Licht ................................................................................................. 5 1<br />

<strong>Medizin</strong>er und ihr Sport: Segeln - Ein Artikel mit Logbuch ........................................................................................ 52/53<br />

Militärstützpunkt Poliklinik - Ein Enthüllungsbericht aus der Innenstadt ................................................................... 54/55<br />

Können Männer kurze Hosen tragen? - Eine Glosse ....................................................................................................... 5 5<br />

Rezensionen<br />

Das <strong>Gesundheit</strong>swesen in Deutschland ....................................................................................................................... 15<br />

Arbeitsbedingungen und Arbeitszufriedenheit von Ärzten im Krankenhaus .................................................................... 17<br />

Das <strong>neu</strong>e <strong>Medizin</strong>studium .......................................................................................................................................... 28<br />

Reformen im <strong>Gesundheit</strong>swesen ................................................................................................................................. 29<br />

Mount Misery ........................................................................................................................................................... 36<br />

House of God .......................................................................................................................................................... 37<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

<strong>Breite</strong> <strong>Liste</strong> <strong>Gesundheit</strong> (BLG)<br />

<strong>Fachschaft</strong> <strong>Medizin</strong><br />

der Ludwig-Maximilians-Universität, München<br />

Pettenkoferstraße 11<br />

80336 München<br />

Telefon (089) 51 60 – 89 20 / - 75 79<br />

Telefax (089) 51 60 – 89 20<br />

E-Mail info@fachschaft-medizin.de<br />

www.fachschaft-medizin.de/synapse<br />

Redaktion:<br />

Tobias BENTHAUS, Sylvère STÖRMANN<br />

Auflage: 2.<strong>50</strong>0 Exemplare<br />

Druck:<br />

Werbe-Druck-Verlag Hammerand GmbH,<br />

Fürstenfeldbruck<br />

werbedruckverlag@t-online.de


Better Doctor Training, Worse Patient Care<br />

Samuel Shem<br />

Twenty-five years ago I published The House of God, a novel of<br />

my medical internship. It described a brutal, authoritarian system<br />

of training that dehumanized doctors and patients alike. Since<br />

then I have spoken with medical students and doctors at almost<br />

every medical school in America, and several in Germany, and<br />

have observed the historical movement of the training process.<br />

The irony is that in America as medical training has gotten better,<br />

patient care has gotten worse.<br />

Medical students now are better prepared. Many schools require<br />

'externships', where the student functions as a first year resident.<br />

Some schools, like North Dakota, require that much of the<br />

student's final year is spent in a clinical practice with a senior<br />

doctor. Students now are more worldly-they might have worked<br />

in a Cambodian refugee camp, an AIDs clinic in South Africa, or<br />

done rural health in Haiti. Given the fall in doctors' income and<br />

status, they are not going into medicine for the money or the<br />

prestige. The training system is becoming more human.<br />

Traditionally it was run with all the subtlety and humanism of the<br />

military-a 'power-over' system where your rank gives you power<br />

over the next doctor down. This led to cruelty and frank abuse,<br />

where the lower-downs got isolated from each other and from<br />

their authentic experience of the system itself. You start to think<br />

"I'm crazy for thinking it's crazy." Now the system is somewhat<br />

more 'power-with,' emphasizing dialogue and mutual decisionmaking.<br />

The recent cap on on-call hours is a great improvement.<br />

In the past, your doctor was so sleep-deprived that he might be<br />

seeing double and mistaking a heart murmur for a bowel rumble.<br />

The recent limit of hours to 80 a week is progress.<br />

There have been other humanizing forces. Now <strong>50</strong>% of residents<br />

are women, who, as carriers of relationship in our culture, try to<br />

bring these priorities into medicine. Residents now get instruction<br />

in ethics, especially around the terminally ill. Emphasis is shifting<br />

from knowledge to understanding-with Palm pilots in our pockets,<br />

there is an opportunity to shift from the clutter of information to<br />

the crux of understanding. Residents may now have time to thinkor,<br />

better, connect with patients and with each other. Isn't that<br />

what we want? A doctor with the data at his or her fingertips, and<br />

an ability to understand, to "be with us" empathically? Our new<br />

doctors are of that breed.<br />

Why have these improvements in doctors' training not significantly<br />

impacted the overall care of patients? Three recent examples:<br />

A pregnant woman goes into premature labor and<br />

is bounced around from one emergency room to<br />

another until she starts hemorrhaging and is<br />

admitted, comatose.<br />

A young woman faints in the heat and is brought<br />

to a large city hospital where the resident does<br />

enough bloodtests to exsanguinate a puppy and<br />

gets a CAT scan-all because of the hospital policy<br />

to practice 'defensive medicine' and avoid lawsuit.<br />

An alcoholic, at the end of his three days of<br />

insurance coverage in Boston, tells the claims<br />

person-a teenager in Topeka-that he's afraid to<br />

leave, and asks "What am I gonna do?" "Go out<br />

and get drunk," she says, "and we'll readmit you<br />

for another three."<br />

These three examples reflect the larger picture.<br />

None of these are cost-efficient, or examples of<br />

good care. Preventive care is not valued (outpatient<br />

doctors routinely spend about nine minutes per<br />

patient visit; things are routinely missed.) Hospitals<br />

are less available-in the past several years<br />

approximately 1000 hospitals (of a total of 6000)<br />

Better Doctor Training, Worse Patient Care<br />

closed their doors. The ones still in business are overwhelmed,<br />

cutting costs. Because of cost cutting and insurance industry<br />

pressure, the time a resident can spend per visit with any one<br />

patient is severely limited. The hospital stay is dangerously<br />

foreshortened, so that the resident never really gets to know the<br />

patient well, never gets to use these new humanistic skills.<br />

Paperwork and defensive tests consume the resident-about 25%<br />

of the $1.66 trillion dollar per year health budget goes to<br />

administrative costs-$399.4 billion dollars a year for pushing paper<br />

instead of patient care. Because of all this, mistakes are rising:<br />

your chance of being a victim of a mistake during your hospital<br />

stay is over <strong>50</strong>%.<br />

The reason that doctors can't provide patients good health care is<br />

that the American health care system prevents it. It gets between<br />

the doctor and the patient like a wrong pair of glasses. Doctors<br />

can't give the care they aspire to; patients feel the limited care.<br />

Health care in America is a national disgrace. Many doctors my<br />

age are leaving medicine; many patients are appropriately irate.<br />

A national disgrace demands a national solution. Change will not<br />

come from the private sector. Insurance executives, after all, are<br />

the oil men of medicine. Only when things got really bad in medical<br />

training did we doctors act. The cap on on-call hours came from<br />

the combined pressure brought by patients (the Libby Zion case)<br />

and doctors (the residents forming unions). We doctors need to<br />

organize and resist-perhaps announce an intent to strike, a year<br />

from today, unless there is a plan for a national system in place-to<br />

revolutionize health care as we have tried to humanize our<br />

profession. America can afford it. It's a matter of priorities (start<br />

by taking a nibble out of the annual $401.3 billion military budget),<br />

efficiency (nationalizing could reclaim about $325 billion annually<br />

of the $399.4 billion spent on 'paperwork'), and finding a leader<br />

who understands that "compassionate" health care is more than<br />

just a sound bite. The administration's war on Medicare ("we had<br />

to destroy it to save it") is a cynical election year ploy, a slip down<br />

the slope to privatization and profiteeering. Ironically, one of the<br />

few issues that Bush/Cheney has not misled the American people<br />

about is an overall health care plan-it has none.<br />

Germany has had an effective national health system. Yet the<br />

recent changes show that whatever is done to it, it's not the good<br />

intention that counts but the outcome for the patients. They are<br />

the ones whom it is dedicated to.<br />

Samuel Shem Shem<br />

(Pseudonym von Steve Bergman, M.D., Ph. D.) ist Autor der<br />

Bestseller „House of God“, das dieses Jahr seinen 25. Geburtstag<br />

feiert und noch immer ein Klassiker unter <strong>Medizin</strong>studenten ist,<br />

und „Mount Misery“. Zu<br />

seinem Oeuvre gehören<br />

außerdem<br />

„Doctor<br />

Fine“ und „Orvilles<br />

Heimkehr“.<br />

mehr auf den<br />

Seiten 32 und 33<br />

3<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


Arbeitszeiten im Krankenhaus<br />

Staatlich geduldeter Rechtsbruch<br />

Hans-Peter Doepner<br />

Missliebige Urteile werden weiterhin ignoriert. Der übermüdete Arzt<br />

bleibt. Als betroffener Arzt berichtet der Autor aus dem<br />

Krankenhausalltag und kritisiert die Verantwortlichen.<br />

Die EU-Kommission hat wegen der Verletzung des<br />

Stabilitätspaktes gegen Deutschland und Frankreich eine Klage<br />

beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingeleitet. Das ist richtig<br />

und korrekt: Pacta sunt servanda. Eine andere Frage ist es, wie<br />

innerhalb der Europäischen Union (EU) mit Gesetzen und<br />

Gerichtsurteilen umgegangen wird, und ob den Richtern des<br />

EuGH ausreichend Respekt entgegengebracht wird. Es geht um<br />

die Arbeitszeiten und Bereitschaftsdienste in Krankenhäusern,<br />

bei Feuerwehren und Rettungsdiensten. Eine diffuse Hetze gegen<br />

Ärzte und das „marode <strong>Gesundheit</strong>ssystem“ stehen derzeit hoch<br />

im Kurs. Latente Antipathie findet man in der Berichterstattung<br />

vieler Medien. Hier geht es aber keinesfalls um „überzogene<br />

Forderungen einer verwöhnten Ärztelobby“, sondern um staatlich<br />

geduldeten Rechtsbruch. Gerichtsurteile, die der Politik passen,<br />

werden umgesetzt, missliebige Entscheidungen ignoriert.<br />

Dass in den Krankenhäusern, insbesondere für Ärzte, unwürdige<br />

und gefährliche Arbeitsbedingungen herrschen, ist längst<br />

bekannt. Dies ist Folge von immer mehr (meist sinnloser)<br />

Bürokratie, immer kürzeren Liegezeiten und einem seit<br />

Jahrzehnten nicht angepassten Personalplan. Überstunden von<br />

Ärzten sind die Regel, werden auf Druck der Verwaltungen aber<br />

nicht dokumentiert. Extreme Arbeitszeiten (teils am Stück im<br />

„normalen Arbeitsleben“ einer 4-Tage-Woche entsprechend),<br />

enormer Zeitdruck und ein raues Klima sind die Regel. Oft wird<br />

versucht, das Problem zu individualisieren: „Wenn Sie 30<br />

Patienten und sechs Zugänge nicht in Ihrer normalen Arbeitszeit<br />

versorgen können, dann sind Sie nicht belastbar und arbeiten<br />

nicht effektiv.“ Die Zahl der Ärztinnen und Ärzte, die – unter vier<br />

Augen – Überlastung, Überforderung und Übermüdung beklagen,<br />

ist aber inzwischen so groß, dass die Verschiebung zum<br />

individuellen Problem nicht der Realität entsprechen kann.<br />

Skandalkette, Teil 1<br />

Am 23. November 1993 wurde die EU-Richtlinie 93/104 zu<br />

bestimmten Aspekten der Arbeitszeitgestaltung erlassen, die die<br />

gröbsten Missstände in den Mitgliedsstaaten beseitigen sollte. Der<br />

deutsche Gesetzgeber änderte daraufhin zum 1. Juli 1994 das<br />

Arbeitszeitgesetz, wobei für die Krankenhäuser eine längere<br />

Umsetzungsfrist (bis zum 1. Januar 1996) vereinbart wurde. Die<br />

4<br />

Nachdruck<br />

abgedruckt<br />

erschienen in:<br />

Deutsches Ärzteblatt,<br />

Ausgabe 07/2004 (vom 13.02.2004)<br />

„Europäisches Recht -<br />

deutsche Praxis“<br />

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Unser besonderer Dank gilt<br />

Herrn JACHERTZ (Chefredakteur) & Frau HESS


Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie war jedoch wirr, unschlüssig<br />

und falsch. Obgleich damals sehr viele Ärzte verfügbar waren,<br />

hat man die Arbeitsbedingungen im Krankenhaus nicht<br />

verbessert, sondern stattdessen eine realitätsferne<br />

Formulierung eingefügt.<br />

Bei den Bereitschaftsdiensten wurde nur die Zeit der<br />

tatsächlichen Heranziehung zur Arbeit als<br />

Arbeitszeit gewertet, der Rest als Ruhezeit.<br />

Eine Farce: Es ist keine Ruhezeit, wenn<br />

ein Arbeitnehmer sich an einem<br />

vorgegebenen Ort aufhalten und<br />

jederzeit sofort (!) arbeitsbereit sein<br />

muss. Die Situation gleicht weniger<br />

einer Ruhezeit als vielmehr einem<br />

Gefängnis. Die Möglichkeiten, diese<br />

„Ruhezeit“ zum Ruhen zu nutzen, sind<br />

extrem limitiert. Jeder, der<br />

Bereitschaftsdienste leistet, weiß das.<br />

Bestenfalls ist es möglich zu lesen, zu essen<br />

oder fernzusehen. Auch ist das Umfeld in der<br />

Regel weder gastlich noch gemütlich und oft<br />

auch sehr laut.<br />

Die Diskussion wird denn auch ausschließlich von<br />

solchen Interessenten forciert, die selbst noch nie<br />

einen einzigen Bereitschaftsdienst gemacht haben.<br />

Wenn ein Jurist schreibt, dass „(. . .) eine Zeit ohne<br />

Inanspruchnahme im Bereitschaftsdienst,<br />

während der geschlafen werden kann,<br />

unzweifelhaft genauso gesundheitsförderlich wie<br />

der Schlaf an einem frei gewählten Aufenthaltsort<br />

(. . .)“ sei (Andreas Breezmann in der NZA – Neue<br />

Zeitschrift für Arbeitsrecht, Heft 17/2002), zeigt<br />

allein schon die Gleichsetzung mit dem<br />

häuslichen Umfeld eine erschreckende<br />

Unkenntnis der Realität.<br />

Charakteristisch für den Bereitschaftsdienst ist<br />

auch, dass nur der Zufall die Lage und Dauer<br />

des Schlafes bestimmt. Einmal sechs Stunden<br />

Schlaf haben einen anderen Erholungswert als<br />

sechsmal eine Stunde Schlaf. Nach solchen<br />

Nächten, in denen man stündlich aus dem<br />

Schlaf gerissen wird, wäre der Autor dieses<br />

Beitrages wegen Übermüdung inzwischen<br />

dreimal fast mit dem Auto tödlich<br />

verunglückt.<br />

Durch die realitätsferne Bewertung der<br />

Bereitschaftsdienste als Ruhezeit ergeben sich<br />

Marathoneinsätze von 24 bis 36 Stunden am<br />

Stück. Dauer und Umstände des Schlafes sind<br />

dem Zufall überlassen. Dies gefährdet<br />

erheblich die <strong>Gesundheit</strong> von Arzt und Patient.<br />

Es sollte jedem klar sein, dass nach zwölf bis<br />

14 Stunden sowohl die Konzentration und als auch<br />

die Leistungsfähigkeit erheblich nachlassen. Wer dennoch<br />

behauptet, er würde seine Patienten danach noch optimal<br />

versorgen, ist nicht ehrlich oder aber ein Übermensch.<br />

Durch die realitätsferne Bewertung von Bereitschaftsdienst als<br />

Ruhezeit ergeben sich darüber hinaus Wochenarbeitszeiten von<br />

60 bis 100 Stunden. Dies belastet die Familien der Betroffenen.<br />

Für Fortbildung oder gar Freizeitaktivitäten bleibt kaum Zeit.<br />

Aber nur ein ausgeruhter Arzt kann ein guter und motivierter<br />

Arzt sein, und nur ein Arzt, der Zeit für Fortbildung hat, kann<br />

eine gute <strong>Medizin</strong> machen. Dies gilt in gleicher Weise für<br />

Pflegekräfte, Sanitäter und Feuerwehrmitarbeiter.<br />

Ein weiteres Problem: Der Begriff „Bereitschaftsdienst“ wurde<br />

und wird gerne missbraucht.Auch wenn klar ist, dass Arbeit<br />

durchgehend anfällt und man vor Mitternacht (also nach<br />

frühestens 16 Stunden Arbeit) nicht zur Ruhe kommt, wird in<br />

der Regel munter Bereitschaftsdienst angeordnet. Würde der<br />

Bereitschaftsdienst mit Anstand und Augenmaß angeordnet, hätte<br />

man vielleicht sogar mit dem alten Arbeitszeitgesetz leben können.<br />

5<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


6<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Von:<br />

Datum:<br />

Betreff:<br />

Holà!<br />

Musste letzte Woche mit Schrecken durch<br />

unseren Oberarzt erfahren, dass sowohl im<br />

Ärzteblatt als auch in großen namhaften<br />

Tageszeitungen (Süddeutsche...) Anfang des<br />

Jahres ein winziger Artikel über das<br />

Bereitschaftsdiensturteil (Europäischer<br />

Gerichtshof, zur Erinnerung: nicht mehr<br />

als 8 h Dienst am Stück) erschienen ist, in<br />

dem geschrieben wurde, dass dieses zum 1.1.04<br />

in Kraft getreten sei, aber in mindestens<br />

den nächsten zwei Jahren (in Deutschland)<br />

nicht umgesetzt wird (mangels Konzepten,<br />

Geld...) und außerdem eine Gegenklage läuft,<br />

die hohe Aussicht auf Erfolg hat, so dass<br />

das Gesetz vermutlich nie in Kraft treten<br />

wird. Weiß da jemand mehr darüber?<br />

Ich fand es besonders erschreckend, dass<br />

das überhaupt nicht durchgedrungen ist -<br />

mal abgesehen davon, dass wir endlich ein<br />

Urteil hatten, dass zu einer Verbesserung<br />

der katastrophalen Arbeitsbedingungen hätte<br />

führen sollen, und dass das jetzt einfach<br />

mal nicht umgesetzt wird, und zwar nicht<br />

unter dem Aspekt "wir sind noch nicht soweit<br />

mit der Planung" (ist ja auch kein gutes<br />

Argument, da das Urteil ja nun auch schon<br />

ein halbes Jahr alt ist und die Klage vor<br />

zwei Jahren über zwei Jahren gestellt wurde),<br />

sondern einfach "wir klagen mal dagegen,<br />

das wird dann schon wieder abgeschmettert,<br />

da müssen wir uns keine Sorgen machen",<br />

sprich: wir versuchen es gar nicht erst.<br />

Schlimm finde ich außerdem, dass der<br />

Allgemeinbevölkerung vorgegaukelt wird, die<br />

Zustände im Krankenhaus werden endlich<br />

besser, die Ärzte werden alle glückliche<br />

unterbeschäftigte Menschen - was nicht der<br />

Wahrheit zu entsprechen scheint...<br />

Sieht da noch jemand anders Klärungs-/<br />

Engagementsbedarf?<br />

LG aus dem Norden,<br />

Valeska<br />

Skandalkette, Teil 2<br />

Valeska<br />

20.01.2004 23:27<br />

Bereitschaftsdiensturteil<br />

Am 3. Oktober 2000 wurde nach Klage von spanischen Ärzten<br />

das so genannte SIMAP-Urteil (Az.: Rs C 303/98) publik, in dem<br />

der Europäische Gerichtshof feststellt, was die Erfahrung und<br />

der normale Menschenverstand ohnehin vermuten lassen:<br />

Bereitschaftsdienst ist in vollem Umfang Arbeitszeit.<br />

Die Entscheidung des Gerichtes im Jahr 2000 wäre eine (späte)<br />

Möglichkeit gewesen, für vernünftige Arbeitsbedingungen in<br />

deutschen Krankenhäusern zu sorgen und den Schutz der<br />

Mitarbeiter und somit auch der Patienten vor Übermüdung<br />

sicherzustellen. Die Gesetze der Physiologie gelten immer –<br />

unabhängig davon, was Bundestag, Gerichte oder Kostenträger<br />

beschließen.<br />

Aber die Bundesregierung entschied sich zu juristischen Schikanen<br />

und behauptete, das Urteil gelte nur für Spanien. Der Kieler<br />

Klinik-Assistenzarzt Dr. med. Norbert Jäger klagte gegen diese<br />

Auslegung des SIMAP-Urteils: Die Arbeitsbedingungen seien in<br />

Deutschland und in Spanien vergleichbar. Zudem stehe<br />

europäisches Recht über nationalem Recht. Der EuGH sah dies<br />

genauso und bestätigte am 9. September 2003 er<strong>neu</strong>t, dass<br />

Bereitschaftsdienst, der vor Ort geleistet wird, in vollem Umfang<br />

als Arbeitszeit zu werten ist (Az.:RsC 151/02).Weitere<br />

bestätigende Urteile waren zuvor von der Politik ebenfalls<br />

ignoriert worden: am 3. Juli 2001 die zweite EuGH-Entscheidung<br />

„Sergas“ (Az.: RsC 241/99, Italien betreffend), am 18. Februar<br />

ein erstes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Az.: 1 ABR 2/02)<br />

und am 5. Juni 2003 ein zweites Urteil aus Erfurt (Az.: 6 AZR<br />

114/02).<br />

Skandalkette, Teil 3<br />

Nach jahrelangem Taktieren, Ignorieren, Bagatellisieren und<br />

andauernden juristischen Spitzfindigkeiten hat die<br />

Bundesregierung dann am 10. September 2003 eine Neufassung<br />

des Arbeitszeitgesetzes vorgelegt, die – vom<br />

Vermittlungsausschuss bearbeitet – zum 1. Januar 2004 in Kraft<br />

getreten ist.<br />

Die Möglichkeit, das verwirrende, in sich widersprüchliche und<br />

unschlüssige alte Arbeitszeitgesetz komplett zu entrümpeln, wurde<br />

dabei konsequent nicht genutzt – Tradition verpflichtet – und<br />

stattdessen ein <strong>neu</strong>es Arbeitszeitgesetz geschaffen, dass weiterhin<br />

für Unklarheiten und Irritationen sorgt, erweitert noch um<br />

praxisuntaugliche Regelungen (Widerspruchsrecht). In Kenntnis<br />

der Vorgeschichte fällt es schwer, darin keine Absicht zu sehen.<br />

Schon ist er<strong>neu</strong>t Streit entbrannt, für wen die zweijährige<br />

Übergangsfrist für bestehende Tarifverträge gilt. Von einer klaren<br />

Regelung, das heißt immer und ausnahmslos einzuhaltende<br />

Ruhezeit von elf Stunden und wöchentliche Höchstarbeitszeit<br />

von 48 Stunden (auch eine wöchentliche Arbeitszeit von <strong>50</strong> oder<br />

55 Stunden wäre vertretbar), ist nichts zu erkennen – stattdessen<br />

Ausnahmen, Sonderregeln, „Wenn und Aber“. Sicher, ein<br />

Bereitschaftsdienst in einer Rheumatologischen Rehaklinik,<br />

Dermatologischen Klinik oder bei der Feuerwehr ist etwas<br />

anderes als ein Bereitschaftsdienst in einer Kreiskrankenhaus-<br />

Chirurgie mit großem Einzugsgebiet. Der Gesetzgeber wird aber<br />

nicht den Unterschieden gerecht, wie er vorgibt, sondern lässt<br />

Arbeitsschutz und Arbeitszeit weiter im Unbestimmten.<br />

Skandalkette, Teil 4<br />

Das Taktieren geht weiter. Noch immer diskutieren Personen, die<br />

selbst nie einen einzigen Bereitschaftsdienst geleistet haben,<br />

darüber, ob dies denn wirklich Arbeitszeit sei und die Gerichte<br />

nicht irren. Es wäre wohl zu einfach, selbst für eine Woche an<br />

Bereitschaftsdiensten teilzunehmen, um sich eine Meinung zu<br />

bilden. Es soll der Eindruck erweckt werden, es hätten<br />

arbeitsscheue unersättliche Ärzte geklagt, um mit wenig Arbeit<br />

viel Geld – im Schlaf – zu verdienen. Auch fehlten Ärzte – in den<br />

Vorjahren sehr hochmütig aus den Kliniken vertrieben – zur<br />

Umsetzung.<br />

Ein klares Bekenntnis für oder gegen das SIMAP-Urteil, zuletzt<br />

bestätigt im Fall „Jäger“, gibt es auch nach mehr als drei Jahren<br />

nicht. Verantwortung wird hin- und hergeschoben, vom Bund zu<br />

den Ländern, von dort zu den Arbeitgebern, von denen zurück<br />

zu Ländern, Bund oder EU.<br />

Enttäuschend ist besonders, dass sich die Ärzteschaft gegenseitig<br />

attackiert, anstatt geschlossen zu handeln. Warum kam und<br />

kommt von den Chefärzten keine Unterstützung? Gerade die<br />

Chefärzte müssten ein großes Interesse daran haben, dass die<br />

Arbeit – auf mehr ausgeschlafene Köpfe verteilt – viel gründlicher,<br />

entspannter, patientenzugewandter und mit Luft für etwas Lehre<br />

gemacht werden kann. Es wäre Aufgabe der Chefärzte und der<br />

Verwaltung, mithin gerade auch der Deutschen<br />

Krankenhausgesellschaft (DKG), Öffentlichkeit und Politik zu<br />

verdeutlichen, dass gute und innovative <strong>Medizin</strong> Geld kostet und<br />

bezahlt werden muss, wenn man sie will. Qualität steigern,<br />

Bürokratie maximieren, Zuwendung und Zeit für den Patienten<br />

und zugleich das Personal minimieren – das kann sich nicht


vereinen lassen. Wenn aber bereits<br />

innerhalb der Ärzteschaft Uneinigkeit<br />

herrscht und beispielsweise die<br />

Beschlüsse des Deutschen Ärztetages<br />

2001 keinerlei Bedeutung für leitende<br />

Ärzte haben, darf man sich nicht wundern,<br />

wenn Politiker und Kostenträger dies<br />

auch ausnutzen.<br />

„Vor Ort“ tut sich weiterhin überwiegend<br />

nichts, geplante Verbesserungen sind<br />

nicht erkennbar. Die Erprobung <strong>neu</strong>er<br />

Arbeitszeitmodelle, von der Ulla Schmidt<br />

und die DKG gerne reden, existiert nur<br />

auf dem Papier. Weder altes noch <strong>neu</strong>es<br />

Arbeitszeitgesetz (ArbZG) werden<br />

eingehalten. Die Krankenhausgesellschaft<br />

empfiehlt bereits zwischen den Zeilen in<br />

der Verbandszeitschrift „das<br />

Krankenhaus“ (Heft 1/2004), zunächst<br />

weiter nichts zu tun und auf eine<br />

Änderung der EU-Arbeitszeitrichtlinie<br />

93/104 zu warten. Wenn es darum geht,<br />

missliebige Gerichtsurteile und Gesetze<br />

zu ignorieren, können die Betreiber von<br />

Krankenhäusern, Rettungsdiensten und<br />

Feuerwehren auf starke Partner bauen,<br />

die Gerichtsurteile ebenfalls missachten<br />

und Rechtsbruch in bestimmten<br />

Bereichen des Rechts wohlwollend<br />

tolerieren: Bundesregierung,<br />

Landesregierungen und die EU-<br />

Kommission.<br />

Die Übergangsklausel: Auslegungssache<br />

Davon, dass am 1. Januar ein revidiertes Arbeitszeitgesetz in Kraft getreten ist, hat bislang kaum<br />

ein Arzt etwas gemerkt. In den meisten Krankenhäusern wird der ärztliche Bereitschaftsdienst<br />

immer noch größtenteils zur Ruhezeit gezählt. Die Zahl der Ärzte, deren wöchentliche Arbeitszeit<br />

die 48-Stunden-Grenze nicht überschreitet, kann an einer Hand abgezählt werden.<br />

Das Problem: Die Klinikarbeitgeber werten die in § 25 Arbeitszeitgesetz verankerte<br />

Übergangsregelung für bestehende Tarifverträge dahingehend, bis Ende 2005 alles beim Alten<br />

lassen zu können. „Die Katastrophe ist noch einmal ausgeblieben“, betonte denn auch Sebastian<br />

Hofmann von der Deutschen Krankenhausgesellschaft gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt.<br />

Erfreulicherweise habe der Gesetzgeber den Krankenhäusern zwei Jahre mehr Zeit für die<br />

teure Umstellung der ärztlichen Arbeitszeiten gegeben.<br />

Das sieht der Marburger Bund anders: Zwar könnten bestimmte Vorschriften bestehender<br />

Tarifverträge bis Ende 2005 weiter angewandt werden. Diese gelte aber nur für jene Regelungen,<br />

die eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit mit Ausgleich vorsehen. Die durchschnittliche<br />

wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden dürfe keineswegs überschritten werden. Und:<br />

„Unabhängig davon entfaltet das Arbeitszeitgesetz im öffentlichen Dienst nach Urteil des<br />

Bundesarbeitsgerichts vom 18. Februar 2003 (Az.: 1 ABR 2/02) keine Wirkung, sofern es hinter<br />

den Vorgaben der EU-Arbeitszeitrichtlinie 93/104 zurückbleibt“, schreibt die<br />

Klinikärztegewerkschaft in einem Leitfaden für ihre Mitglieder.<br />

Der Marburger Bund benennt die Möglichkeiten der Ärztinnen und Ärzte, sich gegen eine<br />

Arbeitszeit zu wehren, die gegen das Arbeitszeitgesetz verstößt. Dazu zählen das abteilungsinterne<br />

Gespräch, die Einbeziehung der Personal- und Betriebsräte, die Kontaktaufnahme mit der<br />

Mitarbeitervertretung und gegebenenfalls die Klage. Wichtig: Der Betroffene kann einen Verstoß<br />

gegen das Arbeitszeitgesetz überprüfen lassen. Zuständig sind die Gewerbeaufsicht<br />

beziehungsweise die Ämter für Arbeitsschutz auf Landesebene. Über den Personal- oder<br />

Betriebsrat haben Beschäftigte die Möglichkeit, sich an die zuständige Behörde zu wenden und<br />

die Gestaltung der Arbeitszeit überprüfen zu lassen.<br />

Jens Flintrop<br />

Von:<br />

Datum:<br />

Betreff:<br />

Thorsten<br />

21.01.2004 01:01<br />

Re: Bereitschaftsdiensturteil<br />

Hallo Valeska, hallo Alle,<br />

ich habe diesen "winzigen" Artikel im<br />

Deutschen Ärzteblatt gerade mal rausgesucht:<br />

http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/<br />

artikel.asp?id=40097<br />

Zum einen sieht das <strong>neu</strong>e Gesetz vor, dass<br />

auch weiterhin länger als 10 Stunden OHNE<br />

Zeitausgleich gearbeitet werden darf, wenn<br />

es sich um Bereitschaft (etc.) handelt und<br />

wenn der Arbeitnehmer dem schriftlich<br />

zustimmt und diese Zustimmung nicht<br />

innerhalb von sechs Monaten widerruft. -<br />

Aus einer Weigerung zur Zustimmung darf<br />

dem Arbeitnehmer kein Nachteil entstehen.<br />

Kern des Streits ist der § 25 des <strong>neu</strong>en<br />

Arbeitszeitgesetzes. Dort ist als<br />

Übergangsregelung festgelegt worden, dass<br />

bestehende Tarifverträge für die ersten 2<br />

Jahre auch andere Regelungen als das <strong>neu</strong>e<br />

Arbeitszeitgesetz festlegen können.<br />

Der Marburger Bund vertritt in dem Artikel<br />

die Auffassung, dass der Tarifvertrag nicht<br />

gegen die Arbeitszeitrichtlinie der EU-<br />

Verstoßen kann und damit bei 48 Stunden<br />

Arbeit in der Woche Schicht ist. Die DKG<br />

ist aber der Meinung, dass der Tarifvertrag<br />

sehr wohl gilt und erst in zwei Jahren das<br />

Urteil umgesetzt werden muß. - Laut Deutschem<br />

Ärzte Blatt gibt es für Betroffene für den,<br />

sehr wahrscheinlichen Fall das man sich<br />

nicht einigt nur den Weg Ihren Arbeitgeber<br />

wegen Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz<br />

bei der Gewerbeaufsicht zu melden, oder<br />

direkt zu klagen.<br />

Wo wir gerade bei europäisch sind: Anna<br />

Diamantopoulo, EU-Komissarin möchte am<br />

liebsten noch dieses Jahr die europäische<br />

Arbeitszeit Richtlinie ändern und es den<br />

Mitgliedsstaaten freistellen, ob sie<br />

Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit oder<br />

kostengünstiger Weise vielleicht doch lieber<br />

nicht werten wollen - Anscheinend<br />

argumentiert sie ziemlich pekuniär...<br />

Ich hoffe das hat etwas Licht ins Dunkel<br />

gebracht.<br />

LG aus Bonn,<br />

Thorsten<br />

P.S.: Als Bonus gibt es über Verweise beim<br />

Artikel auch noch eine Mitteilung der EU-<br />

Komission "hinsichtlich der Überprüfung der<br />

Richtlinie 93/104/EG über bestimmte Aspekte<br />

der Arbeitszeitgestaltung" Das Ding hat 26<br />

Seiten, falls jemand Lust auf primär Quellen<br />

hat:<br />

http://www.aerzteblatt.de/v4/plus/<br />

down.asp?typ=PDF&id=1239<br />

7<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


Das SIMAP-Urteil ist ein differenziertes und kluges Urteil, das<br />

der heutigen Arbeitswelt gerecht wird. Es ist keine Entgleisung<br />

eines verwirrten Richters, die man korrigieren müsste. Es schützt<br />

Mitarbeiter vor Übermüdung und Überlastung und schützt damit<br />

auch Patienten – es ist für alle Europäer ein gutes Urteil. Wer aber<br />

hoffte, Bundesregierung und EU-Kommission würden, angeregt<br />

durch die Luxemburger Richter, Visionen für die Menschen in<br />

Europa entwickeln, die zudem mehr Beschäftigung garantieren,<br />

wurde er<strong>neu</strong>t enttäuscht.<br />

Aber schlimmer noch: Die Bundesregierung drängt neben anderen<br />

Nationalstaaten die EU-Kommission, die Regelungen der<br />

Arbeitszeit wieder den Nationalstaaten zu überlassen. Was<br />

zunächst positiv nach „Liberalismus statt Zentralismus“ klingt,<br />

Von:<br />

Datum:<br />

Betreff:<br />

Hi,<br />

Oliver<br />

21.01.2004 11:06<br />

Re: Bereitschaftsdiensturteil<br />

vielen Dank, Thorsten, für diese gute<br />

Übersicht über die (leider etwas desolate)<br />

Lage. Ich glaube, man muss sich gar nicht<br />

wundern, dass doch noch ein Übergangsparagraf<br />

eingeschoben wurde: innerhalb von knapp 10<br />

Tagen hätte man sicherlich nicht <strong>neu</strong>e<br />

Tarifverträge etc. verhandeln können. Nur<br />

die Frist von 2 Jahren macht nachdenklich<br />

(warum nicht 6 Monate) und man wundert sich<br />

schon auch über die EU-Kommissarin, die<br />

plötzlich merkt, dass das (lange erwartete)<br />

EU-Urteil schwer finanzierbar ist ("in<br />

Deutschland würden allein 15.000 <strong>neu</strong>e Ärzte<br />

benötigt"). [1]<br />

Ich möchte eine Formulierung von dir noch<br />

etwas präzisieren - nur damit keine<br />

Mißverständnisse entstehen:<br />

hat nur einen einzigen Zweck: den Nationalstaaten die<br />

Möglichkeit zu eröffnen, das EuGH-Urteil zu umgehen. Nach<br />

vorne von <strong>Gesundheit</strong>sschutz, Innovation und besseren<br />

Arbeitsbedingungen reden, im Hintergrund Druck auf die EU-<br />

Kommission ausüben, die Arbeitszeitrichtlinie 93/104<br />

aufzuweichen – das ist hinterhältig.<br />

Die zuständige EU-Kommissarin Anna Diamantopoulou hat<br />

bereits angekündigt, dem Richterspruch auch weiterhin nicht<br />

folgen zu wollen, sondern die maßgebliche EU-<br />

Arbeitszeitrichtlinie 93/104 zu ändern: Die Mitgliedsstaaten sollen<br />

demnächst selbst entscheiden können, ob sie Bereitschaftsdienste<br />

als Arbeitszeit werten. Das Gerichtsurteil habe große Probleme<br />

ausgelöst. Wenn es akzeptiert würde, würden allein in<br />

Deutschland zusätzlich 15 000 <strong>neu</strong>e Ärzte benötigt, meint die<br />

für Arbeit und Soziales zuständige Kommissarin. Das Urteil drohe<br />

somit, die <strong>Gesundheit</strong>ssicherungssysteme der Mitgliedsstaaten zu<br />

untergraben. Daneben sei die Umsetzung zu teuer.<br />

Aber stellt das SIMAP-Urteil die EU-Mitgliedsstaaten wirklich<br />

vor große Probleme? Sind es nicht vielmehr einzelne Regierungen<br />

und die EU-Kommission, die unwillig scheinen, <strong>neu</strong>e Ideen zu<br />

entwickeln und <strong>neu</strong>e Prioritäten zu setzen?<br />

In Deutschland wurden jahrelang Arbeitszeiten von 24 bis 36<br />

Stunden „am Stück“ von der Bundesregierung und den<br />

Aufsichtsbehörden bagatellisiert oder ignoriert. Erst nach dem<br />

Jäger-Urteil wurde unter Zwang und mit einer mysteriösen<br />

zweijährigen Übergangsfrist für Tarifverträge reagiert – in der<br />

Hoffnung, dass in zwei Jahren die zugrunde liegende europäische<br />

Arbeitszeitrichtlinie geändert sein wird. Die EU-Kommission hat<br />

auf eine 2001 eingereichte Klage bis heute nicht mehr als die<br />

Vergabe eines Aktenzeichens zustande gebracht, kritische<br />

Anfragen werden nichts sagend beantwortet. Den gleichen Stil<br />

pflegen das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit sowie<br />

das Bundesministerium für <strong>Gesundheit</strong> und Soziale Sicherung.<br />

Bundestagsabgeordnete zeigen sich desinteressiert oder<br />

überfordert. Der Ausschuss für <strong>Gesundheit</strong> des Bundestages fühlt<br />

sich nicht zuständig. Der Petitionsausschuss schafft es nicht, mehr<br />

als Eingangsbestätigungen zu verschicken. Zuständig oder gar<br />

verantwortlich sind immer andere.<br />

Recht nach Kassenlage, der Rechtsstaat als Einbahnstraße. Ein<br />

Staat, der peinlich genau die Einhaltung von Bauordnungen,<br />

Vorschriften und Gesetzen verlangt, fühlt sich selbst daran nicht<br />

gebunden – eine beunruhigende Entwicklung.<br />

8<br />

>> Der Marburger Bund vertritt in dem Artikel<br />

>> die Auffassung, dass der Tarifvertrag<br />

>> nicht gegen die Arbeitszeitrichtlinie<br />

>> der EU-Verstoßen kann und damit bei 48<br />

>> Stunden Arbeit in der Woche Schicht ist.<br />

EuGH-Urteil<br />

Kein Anspruch auf mehr Geld<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

"Kann" hätte ich besser mit "darf"<br />

ausgedrückt, in dem Sinne, dass die<br />

Übergangsfrist in der Sichtweise des MB<br />

nach §25 nur dann auf Tarifverträge<br />

angewandt werden kann, wenn sie auch jetzt<br />

schon der EU-Arbeitszeitrichtlinie genügen.<br />

Insgesamt sieht es ja bei pessimistischer<br />

Perspektive so aus: es ändert sich nichts,<br />

die EU-Kommissarin modifiziert innerhalb<br />

der 2 Jahre die Arbeitszeitrichtlinie (ihre<br />

Vorstellung ist, die Länder selbst<br />

entscheiden zu lassen, ob sie<br />

Bereitschftszeit als Arbeitszeit werten,<br />

oder nicht [1] -- im Prinzip entwertet sie<br />

damit das EUGH-Urteil vollständig) und die<br />

Länder können die Verantwortung dann prima<br />

abschieben - so verlieren sie auch nicht<br />

ihr Gesicht im Zuge jetzt gemachter Zusagen.<br />

Gruss,<br />

Oliver<br />

[1] http://www.ftd.de/pw/eu/<br />

1070545778788.html?nv=se<br />

Die ärztlichen Bereitschaftsdienste gelten zwar jetzt voll als<br />

Arbeitszeit, dürfen aber nach einem Urteil des<br />

Bundesarbeitsgerichts (BAG) geringer bezahlt werden als reguläre<br />

Arbeit. Wie die Erfurter Richter am 28. Januar verkündeten (Az.:<br />

5 AZR 530/02 und 5 AZR <strong>50</strong>3/02), können Ärzte und<br />

Rettungssanitäter aus der Rechtsprechung des Europäischen<br />

Gerichtshofs (EuGH) zur Einstufung von Bereitschaftsdiensten<br />

als Arbeitszeit keinen Anspruch auf höhere Vergütung ableiten.<br />

Bei der maßgeblichen EU-Arbeitszeitrichtlinie 93/104 gehe es<br />

ausschließlich um <strong>Gesundheit</strong>sschutz und nicht um Bezahlung.<br />

Damit wies das Gericht die Klagen eines Krankenhausarztes und<br />

eines Rettungsfahrers ab. Nach den im <strong>Gesundheit</strong>swesen<br />

üblichen Vertragsklauseln sei der Bereitschaftsdienst ausreichend<br />

bezahlt. Der Assistenzarzt hatte in seinem Arbeitsvertrag mit einer<br />

badischen Privatklinik Nachtund Wochenend-Bereitschaften<br />

vereinbart. Als Basis für die Bezahlung eines Bereitschaftsdienstes<br />

von 24 Stunden wurden 13,2 Stunden zugrunde gelegt. Die<br />

Regelung ist mit dem Bundesangestelltentarif vereinbar. Sie<br />

bedeutet nicht, dass etwa bei dem Arzt 10,8 von 24 Stunden<br />

nicht bezahlt würden, betonte das BAG. Vielmehr werde der<br />

Bereitschaftsdienst in voller Länge bezahlt, allerdings zu einem<br />

verringerten Stundensatz. Das sei zulässig, weil auch die<br />

Inanspruchnahme der Arbeitnehmer geringer als im regulären


Von:<br />

Datum:<br />

Betreff:<br />

Clemens<br />

21.01.2004 19:14<br />

Re: Bereitschaftsdiensturteil<br />

Hallo Ihr Lieben,<br />

nunja, das wundert nicht wirklich.<br />

Spätestens seitdem das Urteil draußen ist,<br />

wahrscheinlicher sogar noch früher, sitzen<br />

die verschiedenen Interessenvertretungen,<br />

angefangen bei der Bundesregierung, über<br />

Chefärzte, Krankenhausverwaltungen und<br />

Fakultätsräten bis hin zu deren Anwälte<br />

zusammen und versuchen, dieses Urteil für<br />

Deutschland umzubiegen, wegzubrechen,<br />

ungeschehen zu machen. Die haben echte Panik,<br />

weil sie eben konzept-, plan- und geldlos<br />

sind (nebenbei bemerkt: wer sagt denn, daß<br />

das bislang für die Finanzierung des Wegfalls<br />

des AiP bereitgestellte Geld ausreicht,<br />

alle Noch-AiPler den künftigen jüngeren<br />

Berufsanfängern wirklich finanziell<br />

gleichzustellen? Zumindest mein Chef als<br />

ÄD denkt daß Nein - ein Einzelfall?). Es<br />

erscheint mir logisch, daß die entsprechende<br />

Lobby an der Grundfeste rüttelt und entweder<br />

versucht:<br />

1. mittels Gegenklage dieses Urteil zu<br />

stürzen<br />

oder<br />

2. eine Verwässerung des Urteils durch eine<br />

<strong>neu</strong> geschaffene Länderhoheit zu bewirken<br />

und damit alles beim alten zu belassen.<br />

Gemäß dem Motto: Klar, das EuGH Urteil gilt<br />

.... außer in den Ländern, die sich anders<br />

entscheiden Ich finde das Vorgehen clever<br />

- bei 2. kommts drauf an, wer die bessere<br />

Lobby hat, die bessere Connection, das<br />

stärkere Gewicht. 1. ist aus unserer Hand.<br />

Ich weiß ich nicht ob das gerade Realität<br />

ist.<br />

Für den Fall, daß weder 1. noch 2. von<br />

Erfolg gekrönt sind, gibt es auch schon<br />

erste realistische Graustufen in der "max.<br />

8 Stunden Dienstzeit" - diese kann nach<br />

bereits bestehenden deutschen Arbeitsgesetz<br />

auf 13,5 Stunden ausgedehnt werden, indem<br />

an der Auslegung gearbeitet wird. Grob<br />

gesagt: Weil kein Arbeitnehmer wirklich<br />

acht Sunden voll durcharbeitet, zuzüglich<br />

seiner Pausenzeiten versteht sich, sondern<br />

sich während der Arbeitszeit immer wieder<br />

"arbeitsfreie" Zeiten ergeben, z.B. durch<br />

nicht arbeitsbezogenen Gespräche mit<br />

Kollegen, auf Dienstwegen, die man zum Kauf<br />

einer Cola unterbricht und ähnliche nicht<br />

arbeitsbezogene Tätigkeiten. Auf die Art<br />

läßt sich ganz legal die Dienstzeit auf<br />

eben 13,5 Stunden Anwesenheitspflicht<br />

ausdehnen - nach derzeit bestehenden Gesetz.<br />

Aber wie heißt es so schön: Nichts ist so<br />

beständig wie die Veränderung! ICH denke<br />

wir können da mitwirken.<br />

Liebe Grüße<br />

Clemens<br />

Dienst sei. So bekomme der Arzt für eine Inanspruchnahme von<br />

55 Prozent 68 Prozent des regulären Gehalts. Dies sei auch der<br />

Höhe nach nicht unangemessen, urteilte das BAG. Auf die Frage,<br />

ob die Bereitschaftsdienste nach den deutschen oder<br />

europäischen Arbeitszeit- Begrenzungen überhaupt zulässig<br />

waren, komme es für die Berechnung der Vergütung nicht an.<br />

Das „Ingolstädter Modell“<br />

Kürzer arbeiten, weniger verdienen<br />

In Zeiten des Ärztemangels liegt die Vermutung nahe, dass jene<br />

Krankenhäuser, die den Ärzten bereits jetzt humane Arbeitszeiten<br />

bieten, keine Probleme haben, ihre ärztlichen Stellen adäquat zu<br />

besetzen. Weit gefehlt: Er habe im Gegenteil das Problem, dass<br />

sich die Ärzte teilweise andere Arbeitgeber suchten, sagte Heribert<br />

Fastenmeier, Geschäftsleiter des Krankenhauszweckverbandes<br />

Ingolstadt, am 19. Januar beim Euroforum-Krankenhaus-<br />

Kongress in München.<br />

Das oft lobend erwähnte „Ingolstädter Modell“ basiert auf der<br />

Idee, die täglichen Regelarbeitszeiten der Ärzte zu verlängern,<br />

um die nächtlichen Bereitschaftsdienste verkürzen zu können.<br />

Damit einher geht eine Verlängerung der Service- und<br />

Betriebszeiten auf den Stationen (jetzt: werktags von 7 Uhr bis<br />

18 Uhr). Dies sei auch aus wirtschaftlichen Gründen notwendig,<br />

betont Fastenmeier: Um die unter DRG-Bedingungen<br />

notwendigen Verweildauerkürzungen erzielen zu können, müsse<br />

die Arbeitszeit am Patienten verlängert werden. Der<br />

Bereitschaftsdienst dauert von 22 Uhr bis 7 Uhr und zählt in<br />

vollem Umfang zur Arbeitszeit. Um die ärztliche Arbeitskraft nicht<br />

in den weniger arbeitsintensiven Nächten zu „vergeuden“, gibt es<br />

in Ingolstadt fächerübergreifende Bereitschaftsdienste, sodass<br />

nachts weniger Ärzte im Krankenhaus sind als früher. So ist<br />

beispielsweise ein Arzt allein für die orthopädische und die<br />

unfallchirurgische Abteilung zuständig. Dies sei haftungsrechtlich<br />

durchaus nicht ungefährlich, räumt der Geschäftsleiter ein.<br />

Obwohl die Bereitschaftsdienste voll auf die Arbeitszeit<br />

angerechnet werden, ist die Vergütung deutlich geringer als zur<br />

Regelarbeitszeit.<br />

Da der einzelne Arzt im „Ingolstädter Modell“ wesentlich weniger<br />

und zudem kürzere Bereitschaftsdienste ableistet als in anderen<br />

Krankenhäusern, verdient er auch erheblich weniger. Ärzte, die<br />

früher 12 000 bis 14 000 Euro brutto im Jahr mit ihren Diensten<br />

verdient hätten, kämen jetzt auf etwa 6 000 bis 8 000 Euro,<br />

rechnet Fastenmeier vor. Mit den so eingesparten Finanzmitteln<br />

könne man die zusätzlichen Ärzte bezahlen, die notwendig sind,<br />

um das Modell umzusetzen. Allerdings sind nicht alle Ärzte bereit,<br />

diese Gehaltseinbußen hinzunehmen. Sie suchen sich einen<br />

anderen Arbeitgeber. Fastenmeier hofft, die Abgänge langfristig<br />

mit Ärztinnen und Ärzten kompensieren zu können, denen<br />

humane Arbeitsbedingungen und mehr Freizeit wichtiger sind<br />

als der höhere Verdienst.<br />

Jens Flintrop<br />

9<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


Arbeitsbedingungen für Ärzte weltweit<br />

Sandro Krieg<br />

10<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Seien wir ehrlich: wer sich vor Beginn seines <strong>Medizin</strong>studium<br />

gründlich mit seiner Berufswahl befasst hat, der benötigte schon<br />

ein ganze Menge Idealismus, um über die grauenhaften<br />

Arbeitsbedingungen hinwegzusehen, die einem da in Aussicht<br />

gestellt wurden. Doch spätestens nachdem die EU die<br />

Arbeitszeiten für Ärzte <strong>neu</strong> geregelt haben will, sieht es schon<br />

sehr viel besser aus.<br />

Zwar ist die Lage von jungen Klinikmedizinern in Deutschland<br />

immer noch oft gekennzeichnet von unzumutbaren<br />

Arbeitsbedingungen, unbezahlten Überstunden, steigendem<br />

Verwaltungsaufwand und hoher Dienstbelastung, aber gerade<br />

dies führte zu extremen Nachwuchsproblemen bei Klinikärzten<br />

und zu einer Überalterung der deutschen Ärzteschaft. Die<br />

Wirklichkeit sieht also anders aus, als es einem oft mit dem Begriff<br />

"Ärzteschwemme" nahe gebracht wird.<br />

Ein in Deutschland niedergelassener Arzt arbeitet in der Regel<br />

weit mehr als 55 Stunden die Woche, insbesondere in den <strong>neu</strong>en<br />

Bundesländern erreichen viele sogar durchschnittlich 65 Stunden.<br />

Die strikte Budgetierung führt zu geringerem Einkommen und<br />

oft zu dem Dilemma, Patienten entweder fachgerecht oder<br />

ökonomisch behandeln zu müssen.<br />

Nach einer aktuellen Umfrage sind mehr als die Hälfte der Ärzte<br />

in Deutschland mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrieden, 65<br />

Prozent würden sich aber trotzdem noch einmal für den Arztberuf<br />

entscheiden.<br />

In den vergangenen Jahren sind immer mehr Ärzte direkt nach<br />

der Ausbildung ins Ausland verschwunden, da auch dort Ärzte<br />

meist rar, die Arbeitsbedingungen aber um einiges besser sind als<br />

hierzulande.<br />

Von:<br />

Datum:<br />

Betreff:<br />

Hallo zusammen,<br />

ich gebe Clemens recht: man sollte wirklich<br />

versuchen, sich in die Diskussion<br />

miteinzuklinken. Nur dazu ist es sicherlich<br />

notwendig, mal sich ein bisschen schlau zu<br />

machen, wie die Gesetzeslage so ist, wie<br />

die Umsetzung geplant ist etc.<br />

Dies wäre halt unbedingt notwendig, um sich<br />

eine Position zu erarbeiten.<br />

Da will ich noch hinzufügen: man muss dieses<br />

EuGH-Urteil mitsamt den drohenden<br />

Konsequenzen einfach differenziert sehen!<br />

Ich hab mich auch über dieses Urteil gefreut,<br />

weil ich auch glaube, die Arbeitsbedingungen<br />

sind (zumindest teilweise) katastrophal!<br />

Aber birngt das Urteil wie erhofft den<br />

Segen?<br />

Ich habe mir sagen lassen, dass wirklich<br />

nicht alle mit dem Urteil zufrieden sind.<br />

Drohende Folge wie Schichtdienste, aber<br />

auch das Erschweren, Überstunden machen zu<br />

können (klar, gibt auch Fälle, wo Überstunden<br />

nicht bezahlt werden...), finden viele nicht<br />

so prickelnd. Ich bin mir nicht sicher, ob<br />

ich einen Schichtdienst ein paar<br />

Mammutdiensten im Monat generell (!)<br />

vorziehen würde.<br />

Liebe Grüsse<br />

Nico<br />

Nicolas<br />

22.01.2004 23:24<br />

Re: Bereitschaftsdiensturteil<br />

Will man allein die Lücken der aus Altergründen ausscheidenden<br />

Hausärzte zeitnah schließen, so ergibt sich bis 2008 ein<br />

Ersatzbedarf von 2.200, ab 2009 ein Bedarf von 2.600 Ärzten<br />

eben dieses Fachgebietes pro Jahr. In den <strong>neu</strong>en Bundesländern<br />

geht etwa ein Drittel der Ärzte in den Ruhestand. Um den Mangel<br />

auszugleichen werden für die <strong>neu</strong>en Länder schon Ärzte in Polen<br />

und der Tschechischen Republik angeworben, für West- und<br />

Süddeutschland werden österreichische Ärzte sogar in<br />

Workshops der Bundesanstalt für Arbeit ausgebildet.<br />

Denn in der Alpenrepublik gibt es entgegen dem allgemeinen<br />

"Trend" einen starken Ärzteüberschuss, so dass die<br />

österreichischen Studienabgänger oft längere Zeit warten müssen,<br />

um ihren Turnus ableisten zu können. Auf 600 Stellen kommen<br />

jährlich 1.600 Ärzte, für einen Weiterbildungsplatz muss man<br />

mittlerweile zwei bis drei Jahre warten. Der Verdienst kann sich<br />

zwar sehen lassen, doch 60 Wochenstunden sind<br />

selbstverständlich, 80 bis 90 Stunden eher die Regel. In den<br />

meisten anderen Ländern sieht es nicht so rosig aus. Mittlerweile<br />

ist ein Art Wettstreit unter den rekrutierenden Ländern entbrannt,<br />

denn nicht nur Deutschland kam man auf die Idee gezielt Ärzte<br />

aus dem Ausland "anzuheuern".<br />

Die Träger dänischer Krankenhäuser unterstützen das Projekt<br />

"Ärzte nach Dänemark", in dem Ärzten<br />

durch einen vorbereitenden Sprach- und<br />

Kulturkurs einen problemlosen Einstieg<br />

in das Berufs- und Privatleben in<br />

Dänemark ermöglicht werden soll.<br />

Kosten für den Kurs entstehen selbst<br />

dann nicht, wenn keine Anstellung in<br />

einem dänischen Krankenhaus erreicht<br />

wurde.<br />

Der ehemalige Geheimtipp Norwegen hat sich mittlerweile doch<br />

verbreitet. Arbeitszeiten sind geregelter, die Bezahlung ist gut<br />

und das Arbeitsklima wird meist als sehr angenehm empfunden.<br />

Die Arbeit ist fairer verteilt und man arbeitet schon als junger<br />

<strong>Medizin</strong>er wirklich als Arzt, nicht als<br />

Hilfsarbeiter. Von den Oberärzten wird<br />

man als Auszubildender aufgefasst und<br />

entsprechend gefördert. Natürlich darf<br />

man an dieser Stelle den Freizeitwert<br />

Norwegens nicht unterschlagen. Auch die<br />

Erlangung der Berufsgenehmigung ist<br />

unproblematisch. Besonderer Mangel<br />

herrscht dort vor allem an so genannten<br />

Gemeindeärzten (Commune Leger). Dies sind meist junge Ärzte<br />

mit ein bis zwei Jahren Berufserfahrung. Meist ist es nur auf diesem<br />

Wege möglich, eine Weiterbildungsstelle in einem Krankenhaus<br />

zu bekommen. Neben Norwegen und Dänemark suchen auch<br />

die anderen skandinavischen Länder deutsche Ärzte, um ihren<br />

Ärztemangel zu füllen. Dabei gibt es auch hier Sprachkurse und<br />

Kooperationsangebote mit deutschen<br />

Organisationen. In Schweden hat man<br />

im Schnitt eine 40-Stunden-Woche,<br />

Überstunden werden großzügig<br />

ausgeglichen, was im internationalen<br />

Vergleich nicht selbstverständlich ist.<br />

In der Schweiz sind<br />

Arbeitsbedingungen und Verdienst in<br />

den einzelnen Kantonen ziemlich unterschiedlich.<br />

Bereitschaftsdienst im Krankenhaus gilt als Arbeitszeit. Durch<br />

die 2004 in Kraft getretene Reduzierung der wöchentlichen<br />

Arbeitszeit für Assistenzärzte auf fünfzig Stunden, werden<br />

Assistenzarztstellen zunehmen. Meist wird von ruhigeren<br />

Arbeitsabläufen als in Deutschland berichtet, jedoch auch von<br />

zum Teil sehr langen Arbeitszeiten und weniger Urlaubstagen.<br />

Überstunden werden häufig erst am Ende eines Vertrages durch


Freizeit ausgeglichen.<br />

In der Schweiz gibt es keine<br />

Ausbildungsphase, die dem AiP ähnelt.<br />

Deutsche AiPs können sich als<br />

Assistenzärzte bewerben und erhalten<br />

dadurch auch ein Gehalt von 4.000 bis<br />

5.000 Euro. Die Weiterbildung wird von<br />

der Verbindung der Schweizer Ärztinnen<br />

und Ärzte (FMH) im Auftrag des Bundes<br />

geregelt und ausgeführt. Für jede Weiterbildung gibt es ein<br />

detailliertes Programm, das an einer anerkannten<br />

Weiterbildungsstätte absolviert wird. Viele freie Stellen gibt es in<br />

der Anästhesie, Pädiatrie, Psychiatrie und Radiologie. Als<br />

Deutscher sollte man allerdings die schweizer Sprachgrenzen<br />

beachten. Im italienischsprachigen Teil sind Sprachkenntnisse<br />

gegenüber dem französischsprachigen Teil nicht zwingend. Den<br />

schweizerdeutschen Dialekt sollte man hingegen nicht<br />

unterschätzen.<br />

In den U.S.A. sind von ca. 24.000 Weiterbildungsstellen etwa<br />

8.000 für Ausländer frei, die jedoch hart erkämpft werden müssen.<br />

Weder die deutsche Approbation noch ein deutscher Facharzttitel<br />

werden anerkannt. Für die<br />

Weiterbildung, nämlich die so<br />

genannte "Residency", müssen die<br />

USMLE-Prüfungen, der TOEFL und<br />

der Clinical Skills Assessment Test<br />

absolviert werden. Diese Prüfungen<br />

kosten allesamt Zeit, Geld und<br />

Nerven. Die Arbeitsbedingungen in<br />

den USA sind noch dazu denkbar<br />

schlecht. Wochenarbeitszeiten zwischen 95 und 136 Stunden<br />

sind für amerikanische Assistenzärzte die Norm. Und das bei<br />

einem Verdienst von 30 000 Dollar jährlich (also etwa knapp<br />

über • 2.000 monatlich). Amerikanische Ärzte in der<br />

Weiterbildung - interns und residents - arbeiten mehr Stunden<br />

pro Woche als ihre Kolleginnen und Kollegen in Kanada,<br />

Australien, Großbritannien oder den Ländern der Europäischen<br />

Union. Seit dem Tod einer jungen Frau in der Notaufnahme vor<br />

zehn Jahren - angeblich verschuldet von interns - hat der<br />

Bundesstaat New York die ärztliche Arbeitszeit gesetzlich auf 80<br />

Stunden pro Woche begrenzt. Überstunden müssen innerhalb<br />

von vier Wochen ausgeglichen werden. Damit erlaubt das Gesetz<br />

immer noch genügend Spielraum, den insbesondere Chirurgen<br />

weidlich ausnutzen. Bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz<br />

wurden anfänglich Geldbußen von 2.000 Dollar gegen die<br />

Krankenhäuser verhängt - ein verschwindend geringer Betrag<br />

für solch eine Institution. Über solche Arbeitszeitverstöße<br />

beschwert sich niemand. Die amerikanische Ärzteschaft ist von<br />

strenger Hierarchie geprägt, eine Beschwerde kann schnell zu<br />

einer schlechten Beurteilung führen, was in den U.S.A.<br />

entscheidend für die weitere Laufbahn sein kann. Das zentrale<br />

elektronische Verteilungsregister (NRMP), das Ärzte nach<br />

vierjährigem Studium an fachärztliche Weiterbildungsstellen in<br />

Universitätskliniken vermittelt, trägt ebenfalls zu den schlechten<br />

Arbeitsbedingungen bei. Residents müssen die ihnen angebotene<br />

Stelle akzeptieren. Der Mangel an Wettbewerb durch das NRMP<br />

trägt zu langen Arbeitszeiten und niedrigen Löhnen bei. In den<br />

U.S.A. sind das mittlerweile zehn Euro die Stunde. Bis vor wenigen<br />

Jahren galten Ärzte in der Weiterbildung sogar noch als Studenten,<br />

obwohl sie alle Arbeitnehmer-Pflichten erfüllten und approbiert<br />

waren.<br />

Die Chancen, in Großbritannien<br />

hingegen tätig zu sein, sind immer noch<br />

sehr gut. Krankenhausstellen gibt es<br />

sowohl für AiPs als auch für Assistenzund<br />

Oberärzte. Der Bedarf an Ärzten<br />

kann auch dort seit einigen Jahren nicht<br />

mehr mit den eigenen Absolventen<br />

gedeckt werden, sodass derzeit mit einer internationalen<br />

Rekrutierungskampagne versucht wird, Ärztinnen und Ärzte aus<br />

Europa und dem Commonwealth zu gewinnen. Die massive<br />

Umstrukturierung des staatlichen <strong>Gesundheit</strong>sdienstes (NHS),<br />

Von:<br />

Datum:<br />

Betreff:<br />

Holà!<br />

Weitere Schwachpunkte bei der Umsetzung<br />

des <strong>neu</strong>en Gesetzes sind: a)<br />

Arbeitszeitmodelle: noch viel schlimmer als<br />

Schichtdienst (über den ich auch durchaus<br />

shcon Gutes gehört habe) wäre geteilter<br />

Dienst (sprich: morgens von 8 bis 12, dann<br />

wieder von 16-20 h oder so!!!), gabs übrignes<br />

früher in Deutschland schon b) Verdienst:<br />

durch Wegfall der Bereitschaftsdienste geht<br />

eine Menge Kohle verloren (mein Stationsarzt<br />

meinte, er habe im Schichtdienst etwa brutto<br />

1000 Euro weniger verdient)<br />

Aber, hej Leute: Einbußen gibt es immer!!<br />

Man muss sich eben darüber klar sein, ob<br />

man weniger arbeiten oder viel Geld verdienen<br />

will. Ich denke, um Kohle zu machen, ist<br />

<strong>Medizin</strong> das falsche Fach. Zur Not kann man<br />

immer noch in die Wirtschaft gehen. Oder<br />

Rufbereitschaft als Notarzt machen.<br />

Wär vielleicht wirklich gut, wenn sich einer<br />

genauer einarbeiten würde. Dann könnten<br />

wir vielleicht bei der Erstellung von<br />

Arbeitszeitmodellen mitwirken. Ich habe das<br />

Urteil irgendwo bei meinen Eltern in<br />

Papierform liegen (etwa <strong>50</strong> Seiten, mein<br />

Papa druckt immer alles aus...). Falls<br />

jemand Interesse hat, wendet Euch an mich!<br />

Ich schau mir am WE auch noch mal die<br />

Quelle an und schick sie dann über den<br />

Verteiler...<br />

LG, Valeska<br />

Valeska<br />

23.01.2004 07:07<br />

Re: Bereitschaftsdiensturteil<br />

der jedem in England lebenden Bürger kostenlose medizinische<br />

Versorgung gewährt, führt durch erhöhte finanzielle<br />

Zuwendungen zu einer Modernisierung der medizinischen<br />

Einrichtungen und zur Einstellung von 9.<strong>50</strong>0 <strong>neu</strong>en Ärzten. Der<br />

NHS ist ein guter Arbeitgeber, der sehr attraktive<br />

Arbeitsbedingungen bietet. Unbefristete Arbeitsverträge gehören<br />

genauso dazu wie jährlich sechs Wochen Urlaub. Fachärzte<br />

fangen mit einem Jahresgehalt von 80.000 Euro (knapp • 6.700<br />

im Monat) an und können Privatbehandlungen durchzuführen,<br />

ohne das NHS-Gehalt zu verlieren.<br />

Frankreichs Ärzte haben es auch nicht<br />

leicht. Vor einiger Zeit streikten dort vor<br />

allem die frei praktizierenden Ärzte.<br />

Während die Krankenhausärzte schon seit<br />

längerem geregelte Arbeitszeiten haben,<br />

arbeiten frei praktizierende Ärzte weiterhin<br />

70 Stunden oder mehr pro Woche.<br />

Nachdem der Staat die 35-Stunden-Woche<br />

eingeführt hat, jedoch nicht genug Geld in den Kassen ist, um<br />

<strong>neu</strong>e Ärzte einzustellen, haben hier die Ärzte in den<br />

Krankenhäusern ernsthafte Sorgen, ihre Patienten noch<br />

fachgerecht behandeln zu können.<br />

Wer an eine Tätigkeit im Ausland nach dem Studium denkt, sollte<br />

allerdings nicht vergessen, dass es in vielen Ländern Sprachtests<br />

und fachliche Prüfungen zu absolvieren gilt, während Länder wie<br />

Südafrika die deutsche Approbation überhaupt nicht anerkennen.<br />

Innerhalb der EU ist die Sache einfacher. Eine Richtlinie eröffnet<br />

die Möglichkeit der Berufsausübung in jedem Mitgliedsland der<br />

Europäischen Union.<br />

11<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


Von:<br />

Datum:<br />

Betreff:<br />

Oliver<br />

23.01.2004 12:39<br />

Re: Bereitschaftsdiensturteil<br />

12<br />

>> Arbeitszeitmodellen mitwirken. Ich habe<br />

>> das Urteil irgendwo bei meinen Eltern in<br />

>> Papierform liegen (etwa <strong>50</strong> Seiten, mein<br />

Auf die Schnelle ein paar Quellen:<br />

- EUGH-Urteil<br />

http://curia.eu.int/jurisp/cgi-bin/<br />

form.pl?lang=de&Submit=Suchen&docrequire=alldocs&<br />

numaff=&datefs=&datefe=&nomusuel=jaeger&domaine=&<br />

mots=&resmax=100<br />

- Arbeitszeitrichtlinie der EU (93/104/EG)<br />

http://www.aekktn.at/schwerpunkte/<br />

arbeitszeit/arbeitszeitrichtlinie-eu.pdf<br />

- Erweiterung/Neufassung von 93/104/EG =<br />

2000/34/EG (Anwendung auch auf<br />

Tätigkeitsfelder, die von 93/104/EG<br />

ausgeschlossen waren, interessanterweise<br />

auch "Ärzte in Ausbildung". Muss bis zum<br />

1.August 2004 auch für diese Gruppe angewandt<br />

werden. Siehe nächstes Dokument.)<br />

http://europa.eu.int/cgi-bin/eur-lex/<br />

udl.pl?REQUEST=Seek-Deliver&COLLECTION=oj&<br />

SERVICE=all&LANGUAGE=de&DOCID=2000l195p0041<br />

- Mitteilung der Kommission an den Rat, das<br />

Europäische Parlament, den Europäischen<br />

Wirtschafts- und Sozialausschuss und den<br />

Ausschuss der Regionen hinsichlich der<br />

Überprüfung der Richtlinie 93/104/EG über<br />

bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung<br />

(09.01.2004!)<br />

http://register.consilium.eu.int/pdf/de/04/<br />

st05/st05188.de04.pdf<br />

Zitat:<br />

(...)<br />

Also hat die Rechtsprechung des Gerichtshofs<br />

tief greifende Auswirkungen auf die<br />

Mitgliedstaaten, die den Bereitschaftsdienst<br />

in Form persönlicher Anwesenheit am<br />

Arbeitsplatz nicht in vollem Umfang als<br />

Arbeitszeit einstufen. Auch wenn sich diese<br />

Auswirkungen nicht auf den <strong>Gesundheit</strong>ssektor<br />

begrenzen können, so sind sie hier doch am<br />

größten, da in diesem Sektor die<br />

Arbeitsorganisation (vor allem der Ärzte)<br />

im Allgemeinen regelmäßige Bereitschaften<br />

vorsieht.<br />

Diese Auswirkungen werden noch an Bedeutung<br />

gewinnen, wenn die Richtlinie 2000/34/EG<br />

für die "Ärzte in der Ausbildung" anzuwenden<br />

ist, also ab 1. August 2004, und vor allem<br />

nach Ablauf der Übergangszeit24 (5 Jahre,<br />

verlängerbar auf maximal 8 Jahre). In vielen<br />

Ländern leisten nämlich die Ärzte in der<br />

Ausbildung den größten Teil der<br />

Bereitschaften in Form persönlicher<br />

Anwesenheit am Arbeitsplatz. Im Weißbuch<br />

zu den Sektoren und Tätigkeitsbereichen,<br />

die von der Arbeitszeitrichtlinie<br />

ausgeschlossen sind, heißt es unter Hinweis<br />

auf eine von der Kommission in Auftrag<br />

gegebene Studie, "dass ... die wöchentliche<br />

Arbeitszeit von Ärzten in der Ausbildung<br />

... in vielen Ländern häufig 55 Stunden<br />

übersteigt". (...)<br />

Alle Mitgliedstaaten sind sich einig, dass<br />

es, selbst wenn es finanziell möglich wäre,<br />

das erforderliche Personal einzustellen,<br />

um das gleiche Pflegeniveau zu halten, in<br />

der Praxis doch unmöglich wäre, weil nicht<br />

genügend Bewerber mit der erforderlichen<br />

Ausbildung für die zu besetzenden Stellen<br />

zur Verfügung stehen. (...)<br />

Es steht zu befürchten, dass einige<br />

Mitgliedstaaten, um die Auswirkungen zu<br />

begrenzen, vor allem solange die <strong>neu</strong>en<br />

Organisationsmodelle noch nicht eingeführt<br />

sind oder die Zahl der Einstellungen den<br />

Bedarf noch nicht deckt, auf Abweichungen<br />

oder Ausnahmeregelungen zurückgreifen, im<br />

wesentlichen auf die von Artikel 18 Absatz<br />

1 Buchstabe b Ziffer i gebotene Möglichkeit,<br />

Artikel 6 nicht anzuwenden, wenn sich der<br />

einzelne Arbeitnehmer dazu bereit erklärt.<br />

(...)<br />

- Arbeitszeitmodell des MB<br />

(Diskussionsgrundlage):<br />

http://www.marburger-bund.de/bundesverband/<br />

aktuelles/unser-modell/index.htm<br />

- 10 Antworten zum <strong>neu</strong>en Arbeitszeitgesetz<br />

des MB:<br />

http://www.marburger-bund.de/bundesverband/<br />

aktuelles/tarifpolitik/texte/frage-antwort-<br />

01-04.pdf<br />

- Stellungnahme der DKG (Deutschen<br />

Krankenhausgesellschaft):<br />

http://www.dkgev.de/1_org/RS378-<br />

03_Aenderung_ArbZG.htm<br />

Viele Grüße,<br />

Oliver<br />

Rheinischer Merkur: Für die nächste Hiobsbotschaft sorgte bereits der Europäische Gerichtshof, der<br />

den Bereitschaftsdienst in Krankenhäusern als Dienstzeit wertete. Wie wollen Sie das Geld dafür aufbringen?<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Ulla Schmidt: Das haben wir mit eingerechnet, weil wir schon vor dem Urteil die Arbeitszeitbedingungen<br />

verbessern wollten. In diesem und in den nächsten Jahren stellen die Krankenkassen jeweils 100 Millionen<br />

Euro zur Verfügung, insgesamt 700 Millionen Euro bis zum Jahr 2009.<br />

aus einem Interview vom 25. September 2003<br />

Gesagt ist schließlich gesagt...


Zwischen Studium und Arbeitsleben<br />

Ein Grenzerfahrungsbericht<br />

Benedikt Bader<br />

Ich bin gerne Student. Das gebe ich gerne zu. Student zu sein hat<br />

sehr viele Vorteile. Kurz gefasst ist es eine Selbstfindungsphase<br />

mit voller gesellschaftlicher Akzeptanz. Der schönste Teil dieser<br />

Phase beginnt mit dem Eintritt in die Klinik. Man promoviert,<br />

feiert und verwirklicht so vor sich hin, lernt hie und da auf<br />

Klausuren und freut sich einfach, studieren zu können. Ein<br />

Semester folgt dem nächsten und wir beginnen uns im warmen<br />

Schaumbad des Studiums so richtig unterzutauchen und fühlen<br />

uns pudelwohl. Irgendwann, meist so im siebten oder achten<br />

Semester haben dann vermutlich fast alle wenigstens einmal daran<br />

gedacht, was nach dem Studium kommt. Oft sind das gruselige<br />

Gedanken. Ungefähr so gruselig, wie aus dem warmen Schaumbad<br />

aufzustehen, weil es geklingelt hat und pudelnass im Bademantel<br />

zur Tür zu gehen um rauszufinden wer denn da so hartnäckig<br />

schellt. Sehr gruselige Vorstellung nicht? Die Antwort auf die<br />

Frage, was denn nach dem Studium kommt, verschiebt man lieber<br />

noch ein bisschen. Fragt man rum, bekommt man Antworten wie<br />

"Na ja, Chirurg halt!" oder "Alles, bloß kein Chirurg halt!". Aber<br />

sind wir ehrlich. Die wenigsten unter uns haben eine konkrete<br />

Vorstellung davon, was auf uns nach dem Studium wartet. Wer<br />

oder was da vor der Tür steht und uns aus der Wanne klingelt.<br />

Es gibt Regelmäßigkeiten, die gerne wiederkehren. Ganz populär<br />

ist es, nach einer Famulatur später auch einmal Facharzt im<br />

jeweiligen Fach zu werden. Während der Famulatur in der Inneren<br />

ist es klar, dass man natürlich Internist werden möchte. Nach der<br />

Chirurgie-Famulatur ist dann Chirurgie das Nonplusultra. Im<br />

Laufe des Studiums möchten viele von uns irgendwann auch mal<br />

Gynäkologen, Kinderärzte oder Anästhesisten werden. Obwohl<br />

es nicht mehr wie vor einigen Jahren noch zum Tagesgespräch<br />

gehört, haben sicher nicht wenige von uns schon mal die Webseiten<br />

der Consulter wie McKinsey & Co aufgerufen. Die Doktorarbeit<br />

ist die perfekte Möglichkeit um auszuprobieren, ob man zum<br />

Forscher geboren ist. Wenn dann sicher ist, dass man doch lieber<br />

wieder "richtiger" <strong>Medizin</strong>er werden will, ist das zweite<br />

Staatsexamen schon kurz vor der Tür und schwupp findet man<br />

sich im PJ wieder. Irgendwie haben dann doch fast alle<br />

Kommilitonen wieder Lust auf <strong>Medizin</strong> bekommen und kehren<br />

den alternativen Berufsfeldern den Rücken. Jetzt sind es mehr<br />

Fragen wie "Praxis - Ja oder nein?", "Mag ich im Krankenhaus<br />

bleiben?" oder "Geh ich vielleicht ins Ausland um dort zu<br />

arbeiten?"<br />

Diese Fragen und noch einige andere stelle ich mir gerade. Was<br />

wird die Zukunft bringen? Im Frühjahr habe ich mein zweites<br />

Staatsexamen bestanden. Alles ging ziemlich plötzlich. Gegen<br />

Ende des <strong>neu</strong>nten Semesters wünscht man allen schöne Ferien<br />

und verabredet sich für danach. Doch man ahnt insgeheim, dass<br />

mit dem Ende des <strong>neu</strong>nten Semesters das Studium dem Ende<br />

zugeht. Im zehnten Semester ist Lernen angesagt und man trifft<br />

allenfalls die Leute wieder, die zufällig die gleiche Bibliothek zum<br />

Klicken ausgesucht haben. Dann kommt das Examen und ist auch<br />

gleich wieder vorbei. Jetzt bin ich mitten in meinem ersten Tertial<br />

des praktischen Jahres. In den ersten drei Wochen haben mich<br />

allein schon drei verschiedene Vertreter von Versicherungen und<br />

Wirtschaftsberatungen auf Station besucht und sich um meine<br />

Zukunft und die meines zukünftigen Gehaltes gesorgt. Sie wollen<br />

mich gegen jegliche Risiken meines zukünftigen Lebens absichern.<br />

Auf jeden Fall kann ich an einigen Bewerbungsworkshops<br />

umsonst teilnehmen und bekomme EKG-Lineale und<br />

Augenleuchten geschenkt. Auch nicht schlecht. Im PJ merke ich<br />

deutlich den Unterschied zu meinen Famulaturen. Die Aufgaben<br />

steigen und werden anspruchsvoller. Patienten und Pflegedienst<br />

stellen mir viele Fragen, die ich nicht beantworten kann. Ich glaube,<br />

man sieht mir meine IMPP-gestählte Unsicherheit an. Ich fühle<br />

mich, als hätte ich durch das ständige Lernen von Details und<br />

Marginalien den Überblick über das Ganze verloren. Zum Glück<br />

nimmt es mir niemand übel, wenn ich viele Fragen stelle.<br />

Schließlich bin ich da, um zu lernen. Am 11. Juni wird wohl das<br />

AiP abgeschafft. Der Gedanke, in gut einem Jahr Stationsarzt zu<br />

sein ist unheimlich und spannend zugleich. Ich habe mich<br />

entschieden, mich auf die Zukunft zu freuen. Schließlich habe<br />

ich <strong>Medizin</strong> studiert, um Menschen zu helfen. Das mag<br />

abgedroschen klingen, doch ich bin froh, dass ich gegen Ende<br />

meines Studiums wieder an das Ideal erinnert werde, das viele<br />

von uns bei der Einschreibung vor Studienbeginn hatten. Täglich<br />

wird mir bewusst, wie wundervoll das <strong>Medizin</strong>studium eigentlich<br />

ist. Es gibt uns die Fähigkeit, egal an welchem Ort auf dieser Welt,<br />

etwas für unsere Mitmenschen zu tun.<br />

Mein Studium war eine wunderbare Zeit. Jetzt freue ich mich auf<br />

die Zeit danach und bin sehr gespannt, in welchem Fachgebiet<br />

und an welchen Ort dieser Welt ich mich in zehn Jahren von jetzt<br />

ab wiederfinde. Also am 18. April 2014 so gegen 23 Uhr. Spannend<br />

nicht? Grund genug, das Schaumbad zu verlassen und zu<br />

schauen, wer an der Tür klingelt. Und wenn es doch nicht so<br />

spannend war, steige noch mal kurz in die Wanne zurück und<br />

studiere "Public Health" im Aufbaustudiengang und arbeite bei<br />

den Vereinten Nationen.<br />

Von:<br />

Datum:<br />

Betreff:<br />

Hallo auch von mir!<br />

Zurück vom Delegationswochenende und auf<br />

kurzen Zwischenstop in Köln will ich nur<br />

ganz kurz eine Sache in Erinnerung rufen:<br />

Wahrschinlich verdienen<br />

Ärzte im Schichtdienst weniger Geld als<br />

bei 24h Diensten. Und sicher kostet das<br />

Modell dennoch viel mehr für die Kliniken.<br />

Was aber bei all den Diskussionen ums liebe<br />

Geld leider immer unter die Räder kommt ist<br />

der eigentliche Auslöser für die ganze<br />

Sache. Oder zumindest in meinen Augen der<br />

wichtigste Grund.<br />

Es geht hier um die Patienten. Und die<br />

behandelt ein erschöpfter Arzt, dem ständig<br />

die Augen zufallen und der sich womöglich<br />

mit Aufputschmittelchen über Wasser hält<br />

schlechter. Auch wenn er vielliecht reicher<br />

ist.....<br />

Schönen Gruss und gute Nacht. Schlaft gut<br />

(solange ihr es noch könnt ;))<br />

Jan<br />

Jan<br />

25.01.2004 22:52<br />

Re: Bereitschaftsdiensturteil<br />

13<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


Ein Einblick in unser <strong>Gesundheit</strong>ssystem<br />

Sylvère Störmann<br />

14<br />

Grundstruktur<br />

Zur medizinischen Versorgung der rund 83 Millionen Menschen,<br />

die in Deutschland leben, arbeiten über 300.000 Ärzte und knapp<br />

3,8 Millionen weitere Menschen im <strong>Gesundheit</strong>swesen. Dieses<br />

wird gegliedert in einem 3-Säulen-System:<br />

Primär-Versorgung durch niedergelassene Ärzte<br />

Die niedergelassenen Ärzte stellen die ambulante Versorgung der<br />

Patienten sicher. Dabei werden sowohl durch Allgemein-<br />

<strong>Medizin</strong>er als auch durch niedergelassene Fachärzte die<br />

Grundversorgung sowie hohe Standards sichergestellt. Wenn die<br />

Behandlung eines Patienten an die Grenzen der Primärversorgung<br />

stößt, kann der niedergelassene Arzt die Einweisung ins<br />

Krankenhaus veranlassen.<br />

Akut-Versorgung in Krankenhäusern<br />

Mit über 5<strong>50</strong>.000 Betten in knapp 2.200 Krankenhäusern gibt es<br />

im deutschen <strong>Gesundheit</strong>swesen eine gute Abdeckung der<br />

Bevölkerung mit Krankenhausplätzen. Dabei unterscheidet man<br />

zwischen „allgemeinen Krankenhäusern“ der Grundversorgung<br />

(ca. 1.600) und Krankenhäusern der Maximalversorgung, die hoch<br />

spezialisierte Fachabteilungen bieten.<br />

Nachsorge/Rehabilitation<br />

Da die Prävention zur obersten Maxime gesundheitspolitischer<br />

Entscheidungen geworden ist, nimmt auch die Nachsorge einen<br />

hohen Stellenwert ein (hinsichtlich tertiärer Prävention). Es gibt<br />

in Deutschland etwa 1.400 Einrichtungen zur Vorsorge sowie<br />

vor allem Nachsorge (Reha-Kliniken) mit einer Gesamtkapazität<br />

von 190.000 Betten.<br />

Versicherung<br />

Da die medizinische Versorgung unter Umständen teuer werden<br />

kann, aber jeder sich seine <strong>Gesundheit</strong> leisten können soll, gibt es<br />

in Deutschland ein Pflichtversicherungssystem, das nach dem<br />

Solidarprinzip funktioniert. Bis auf einige Ausnahmen sind alle<br />

Menschen in Deutschland versicherungspflichtig. Das bedeutet,<br />

sie müssen bei einer der zahlreichen Krankenkassen im Rahmen<br />

der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert sein.<br />

Diese Versicherung gewährleistet Leistungen zur Förderung der<br />

<strong>Gesundheit</strong>, Verhütung und Früherkennung von Krankheiten,<br />

zur Behandlung bei Krankheit, Schwangerschaft und<br />

Mutterschaft sowie Anspruch auf Krankengeld und sonstige<br />

Hilfen. Zur Finanzierung dieser Leistungen zahlt jeder Versicherte<br />

gemäß dem Solidarprinzip entsprechend seiner wirtschaftlichen<br />

Leistungsfähigkeit in die Krankenkasse und gewährleistet so, dass<br />

auch finanziell schwächer gestellte Menschen in Deutschland<br />

medizinisch versorgt werden können nach den geltenden<br />

Standards. Arbeitgeber zahlen für ihre Angestellten die Hälfte<br />

des gebotenen Betrags. Im Falle einer Inanspruchnahme der<br />

Leistungen zahlen die Betroffenen bei Arzneimittel und<br />

Krankenhausaufenthalten geringe Beträge dazu, um das System<br />

insgesamt etwas zu entlasten.<br />

Darüber hinaus gibt es die Private Krankenversicherung (PKV),<br />

die über den Leistungsumfang der GKV hinaus weitere<br />

Leistungen anbietet. Dies wird jedoch für jede Versicherung in<br />

den so genannten Tarifbedingungen geregelt. Privat versichern<br />

darf sich jeder; die Privatversicherung richtet sich aber vor allem<br />

an Leute, die nicht versicherungspflichtig sind (Arbeitgeber,<br />

Freiberufler, …). Derzeit sind etwa 10% der Bevölkerung privat<br />

versichert. Für die Privatversicherung gibt es verschiedene Pakete<br />

mit verschiedenem Leistungsumfang. Die Beiträge sind nach dem<br />

Wert des Versicherungsschutzes bemessen und damit unabhängig<br />

vom Einkommen; sie richten sich vor allem nach Faktoren wie<br />

dem Erkrankungsrisiko.<br />

Abrechnung<br />

Jeder Beitragszahler in den Krankenversicherungen zahlt eine<br />

Kopfpauschale, die an die Krankenkasse geht. Diese wiederum<br />

zahlt die Pauschale an eine der bundesweit 23 Kassenärztlichen<br />

Vereinigungen (KV), in denen die Ärzteschaft organisiert ist. Die<br />

Summe aller Zahlungen der Krankenkassen an eine KV nennt<br />

Schema<br />

ambulante Versorgung<br />

Krankenkasse<br />

Gesamtvergütung s<br />

a Vertritt ärztliche Interessen<br />

Kassenärztliche<br />

Vereinigung<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

zahlt Beiträge s<br />

Versichertenkarte s<br />

Kassenpatient<br />

Weg des Geldes<br />

(gestrichelte Linie)<br />

Versichertenkarte s<br />

a Leistung<br />

s<br />

übermittelt Punkte s<br />

Vergütung nach<br />

Punkten s<br />

Vertragsarzt


man Gesamtvergütung. Die KV ist als Körperschaft öffentlichen<br />

Rechts ein Teil der öffentlichen Verwaltung und kümmert sich<br />

um die Abrechnung der Behandlungskosten.<br />

Jeder Arzt berechnet die Leistungen, die er erbringt, nach einem<br />

gewissen Punkteschlüssel (Einheitlicher Bewertungsmaßstab,<br />

EBM). So ist z.B. eine Langzeit-EKG-Aufzeichnung 400, eine<br />

UV- Erythemschwellenwertbestimmung 90 und eine<br />

Rekonstruktive Operation an der Aorta abdominalis 4.800 Punkte<br />

wert. Die Punktezahlen werden an die KV übermittelt. Die<br />

Punktezahlen werden nach Fachgruppen (etwa Chirurgie,<br />

Augenheilkunde, …) aufgeschlüsselt. Jeder Fachgruppe steht aus<br />

der Gesamtvergütung der KV ein bestimmter Anteil zu. Der<br />

Vergütungsanteil der Fachgruppe wird dann durch deren<br />

Punktezahl geteilt; so erhält man den Punktwert. Die einzelnen<br />

Ärzte der Fachgruppe erhalten dann das ihnen zustehende Geld,<br />

errechnet aus Punktwert mal Um dabei Betrug auszuschließen,<br />

kontrolliert die KV die Abrechnungen. Dabei wird überprüft, ob<br />

jeder Arzt einer Fachgruppe bei vergleichbaren Patienten die<br />

gleichen Leistungen abrechnet oder sich eventuell nicht-getätigte<br />

Leistungen aufschreibt. In einem solchen Fall wird das Honorar<br />

gekürzt; jeder Arzt, der besonders schwere Fälle mit<br />

Mehrleistungen behandelt, muss das erstmal beweisen. Bei<br />

illegitimen Abrechnungen sind die Leidtragenden die anderen<br />

Ärzte, da die Gesamtvergütung stets gleich bleibt und die Punkte<br />

lediglich deren Aufteilung beeinflusst.<br />

Um aber einer Punktinflation entgegenzuwirken, wurde das<br />

Praxisbudget eingeführt. Dadurch hat jede Fachgruppe in jeder<br />

KV einen definierten Rahmen, wie viele Punkte pro Patient pro<br />

Quartal abgerechnet werden dürfen. Alles, was über diese<br />

Punktezahl an Leistungen hinausgeht, wird nicht vergütet.<br />

Hautärzte, beispielsweise, haben ein Budget von 366 (Berlin),<br />

425 (Schleswig-Holstein) bzw. 195 (Bayern gemäß<br />

Kassenärztlicher Bundesvereinigung) Punkten je Quartal je<br />

Patient. Damit ist schon die Chemo-chirurgische Behandlung eines<br />

Basalioms (380 Punkte wert) für die meisten Dermatologen keine<br />

„lohnende“ Erkrankung, da alle Leistungen wie etwa Ärztliches<br />

Gespräch, Nachsorgeuntersuchung und ähnliche ohne Vergütung<br />

erfolgen müssen. Die Folge ist, dass viele Ärzte ihre<br />

Patientenzahlen auf Kosten einer anständigen Versorgung zu<br />

erhöhen versuchen.<br />

Weitere Regelungen bezüglich Arzneimittelverschreibung legen<br />

fest, dass jedem Patient nur eine bestimmte Menge an<br />

Medikamenten verschrieben werden darf. Bei Überschreitungen<br />

und in einigen Sonderfällen müssen Ärzte damit rechnen,<br />

Strafzahlungen an die KV ableisten zu müssen. Da dies alles in<br />

der Diskussion steht und weitere Neuregelungen der<br />

Verschreibungspflicht kommen sollen, werden hier weitere<br />

Details ausgelassen.<br />

Krankenhäuser<br />

Ärzte, die im Krankenhaus arbeiten, werden nach dem<br />

Bundesangestelltentarif bezahlt. Zunächst wird nach BAT IIa,<br />

nach fünf Jahren nach BAT Ib vergütet. Der Tarif wird jedes Jahr<br />

<strong>neu</strong> bestimmt und die Höhe der Vergütung ist abhängig vom Alter.<br />

Ein 29-jähriger Assistenzarzt erhält so nach BAT IIa EUR<br />

2.523,62, nach BAT Ib erhielte er EUR 2.833,80. Das Gehalt der<br />

Krankenhaus-Ärzte ist also reguliert; die Bezahlung ist Teil der<br />

laufenden Kosten des Krankenhauses.<br />

Jeder Patient im Krankenhaus zahlt pro Tag seines Aufenthalts<br />

EUR 10 und finanziert so die an ihm erbrachten Leistungen mit.<br />

Neues Buch – gutes Buch?<br />

F. BESKE & J. F. HALLAUER<br />

Das Kompendium des <strong>Gesundheit</strong>swesens<br />

Das <strong>Gesundheit</strong>swesen in<br />

Deutschland<br />

Struktur - Leistung - Weiterentwicklung<br />

3. Auflage 1998<br />

280 Seiten, 56 Abb., 53 Tab.<br />

Deutscher Ärzteverlag<br />

(www.aerzteverlag.de)<br />

ISBN: 3-7691-0343-2<br />

EUR 39,95<br />

15<br />

Wenn man in der Approbationsordnung für Ärzte nachschlägt, findet<br />

man gleich im ersten Paragraphen unter einem der erklärten Ziele<br />

der ärztlichen Ausbildung die Organisation des <strong>Gesundheit</strong>swesens.<br />

Dies ist in der <strong>neu</strong>en ÄAppO auch gleich im Querschnitt-<br />

Leistungsnachweis 3 (nach §27) verankert worden:<br />

<strong>Gesundheit</strong>sökonomie, <strong>Gesundheit</strong>ssystem, Öffentliche<br />

<strong>Gesundheit</strong>spflege. In der <strong>neu</strong>en Studienordnung wurde das auch<br />

gleich im ambu-Kurs (Modul II bis V) in Seminaren, Praktika und<br />

Vorlesungen verankert.<br />

Dadurch wird es für jeden Studenten zwingend notwendig, sich mit<br />

der Materie auseinander zu setzen - und nicht, wie bisher, früher<br />

oder später darüber zu stolpern.<br />

Das Buch vom <strong>Gesundheit</strong>swesen-Guru Fritz Beske und Johannes F.<br />

Hallauer fasst kurz und prägnant auf fast 300 Seiten alle Aspekte<br />

des <strong>Gesundheit</strong>swesens zusammen. Ein Abschnitt über die<br />

demographische Situation den <strong>Gesundheit</strong>szustand in Deutschland<br />

liefert wertvolle Hinweise über die Struktur der Bevölkerung, etwa<br />

Todesursachen und Inzidenzen.<br />

Alle Rezensionen online:<br />

www.fachschaft-medizin.de/rezensionen<br />

In den Folgeabschnitten werden öffentliches <strong>Gesundheit</strong>swesen,<br />

soziale Sicherung, Versicherungen, medizinische Versorgung,<br />

Umweltschutz, Arbeitsschutz, Rehabilitation, Rettungswesen,<br />

<strong>Gesundheit</strong>sberufe und Forschung mit zahlreichen Zahlen und Fakten<br />

unterfüttert vorgestellt und erläutert.<br />

Teilweise handelt es sich dabei aber um schwer verdauliche Lektüre,<br />

die zu manchen Teilen auch ein gewisses Grundverständnis bzw.<br />

Vorwissen erfordert. Obwohl recht viele Details enthalten sind, fehlen<br />

manchmal grundlegende Erläuterungen oder auch weiterführende<br />

Hinweise. Das mindert den Lesefluss und den Nutzen für<br />

<strong>Medizin</strong>studenten, die grundsätzliche Informationen suchen.<br />

Letztlich bleibt es aber ein Standardwerk, das bereits vielen<br />

<strong>Medizin</strong>ern im Dschungel der Verordnungen und wirren Strukturen<br />

geholfen hat, den Überblick zu finden. Wer sich ernsthaft mit der<br />

Materie auseinander setzen möchte, wird keinen Weg am „Beske/<br />

Hallauer“ vorbei finden.<br />

Sylvère Störmann<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


Ab dem 29. Kalendertag entfällt diese<br />

Gebühr, so dass maximal EUR 280<br />

anfallen. Bisher finanzierte sich das<br />

Krankenhaus über Pflegesätze, womit<br />

jeder Tag, die ein Patient im Krankenhaus<br />

verweilte, beglichen wurde. Patienten, die<br />

mit gleicher Erkrankung ins Krankenhaus<br />

kommen, bleiben schließlich nicht<br />

unbedingt gleich lange stationär. So kann<br />

eine schnelle Rekonvaleszenz die schnelle<br />

Entlassung nach sich ziehen, während bei<br />

einem anderen schwerwiegende<br />

Komplikationen auftreten können, die<br />

einen längeren Aufenthalt nötig machen.<br />

Um das ganze etwas zu differenzieren,<br />

existieren seit einigen Jahren auch<br />

Fallpauschalen und Sonderentgelte; daher wird das seit 1996<br />

bestehende System auch als „Mischsystem“ bezeichnet. Im<br />

internationalen Vergleich fallen allerdings lange Liegezeiten der<br />

Patienten (als Verweildauer bezeichnet) auf.<br />

Daher soll dieses System bis spätestens 2007 komplett durch ein<br />

fallgruppen-orientiertes System abgelöst werden. Die sogenannten<br />

DRGs (diagnosis-related groups) wurden vor knapp 30 Jahren<br />

an der Universität Yale entwickelt und haben mittlerweile in einigen<br />

Ländern Verwendung gefunden, so auch Australien. Als in<br />

Deutschland diskutiert wurde, ein solches System zu<br />

übernehmen, entschied man sich für das australische Derivat als<br />

Modell. So entstand G-DRG (German DRG), das derzeit vielen<br />

Krankenhäusern und den ohnehin mit bürokratischen Aufgaben<br />

überfrachteten Ärzten großes Kopfzerbrechen.<br />

Ziel dieses Systems ist es, die Leistung im Krankenhaus statt der<br />

Verweildauer zu vergüten. Damit will man die langen Liegezeiten<br />

eindämmen. Daher müssen sämtliche Leistungen dokumentiert<br />

werden, um daraus die Abrechnung gestalten zu können. Dabei<br />

werden recht komplizierte Schlüssel angewandt. Da hier noch<br />

vieles in Diskussion ist und noch einige Änderungen zu erwarten<br />

sind, werden auch hier weitere Details ausgelassen. Einen guten<br />

Überblick und tiefgründige Informationen liefert der Artikel<br />

„DRG-Einführung im Krankenhaus Systemkonstruktion und<br />

Links Internet<br />

Die riesige Gemeinheit - DRG - Das Spiel<br />

http://www.aerztelauf.de/drg.pdf<br />

„DRG-Einführung im Krankenhaus Systemkonstruktion und Fallpauschalengesetz“ von M. Wilke<br />

<strong>Medizin</strong> im Dialog, Ausgabe 01/2002<br />

http://www.medizinimdialog.com/mid1_02/DRGid.htm<br />

Ein Jahr unter Ulla Schmidt, <strong>Synapse</strong>, Ausgabe 44<br />

http://fachschaft.web.med.uni-muenchen.de/home/synapse/syn-44/schmidt.html<br />

Fallpauschalengesetz“ von Dr. Michael Wilke in der Ausgabe 01/<br />

2002 von „<strong>Medizin</strong> im Dialog“.<br />

Zukunft<br />

Gerade in jüngster Zeit hat das <strong>Gesundheit</strong>swesen einen<br />

Reformschub erhalten. Missstände und Probleme wurden<br />

erkannt, da das <strong>Gesundheit</strong>swesen in eine große Finanzkrise<br />

taumelte. Die Medien haben das Ressort <strong>Gesundheit</strong>spolitik <strong>neu</strong><br />

entdeckt und das Ministerium angefangen, einmal richtig<br />

umzukrempeln. Wie die <strong>Synapse</strong> bereits berichtete, wurden dabei<br />

viele Projekte in Angriff genommen und mehr oder minder im<br />

Schnelldurchlauf erledigt. So gab es oft unausgegorene<br />

Reformkonzepte, die <strong>neu</strong>e und teilweise gravierende Missstände<br />

erzeugten. Daher wird es wohl auch in den nächsten Jahren großen<br />

Handlungsbedarf geben, um das kränkliche <strong>Gesundheit</strong>swesen<br />

auf die Beine zu helfen. Bis dahin werden die meisten von uns ihr<br />

Studium abgeschlossen haben und mittendrin stehen. Es kann<br />

daher nur empfohlen werden, sich jetzt schon ein grundlegendes<br />

Verständnis des <strong>Gesundheit</strong>swesens anzueignen, um dann<br />

vielleicht auch mitreden zu können.<br />

16<br />

spielend lernenNach-Monaten-Karte „Upgrading“ -300<br />

Das DRG-Spiel<br />

http://www.aerztelauf.de/drg.pdf<br />

Der Neurologe Dr. Jürgen Junghänel hat die <strong>neu</strong>en<br />

Richtlinien zur Umsetzung der Fallpauschalen -DRGs- zu<br />

einem Spiel verpackt, das nicht nur das Verstehen des<br />

Systems fördern soll, sondern wohl auch den Irrsinn,<br />

der dahinter steckt, offenbaren.<br />

Dazu zitieren wir hier exemplarisch ein Beispiel aus der<br />

Spielanleitung - und vielleicht trifft man ja demnächst<br />

in der Lesehalle ein paar PJler in spe, die statt fürs 2.<br />

StEx zu kreuzen etwas DRG spielen...<br />

1. Beispiel: Schlaganfall<br />

bei PCCL von 3, normale VD 1400<br />

s Erlös 1100<br />

Kosten: Verweildauerkarte 10 Tage 1000<br />

s Gewinn 100<br />

Das ist schon recht gut!<br />

2. Beispiel: Parkinson<br />

bei PCCL 1, normale VD; Erlös wäre 1400<br />

Aber da spielt einer: „Tod am 2. Tag“<br />

Erlös nach Tabelle für 2 Tage 800<br />

Kosten für 2 Tage -200<br />

s Gewinn 600<br />

Das ist ein sehr gutes Ergebnis! Besser, als wenn Patient<br />

nach 20 Tagen aus dem Krankenhaus marschiert wäre.<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Spielidee:<br />

Dieses Spiel wird in Tausenden von deutschen<br />

Arztzimmern schon gespielt: allerdings in der Solitär-<br />

Variante - einsam, allein, nachts – das ist nicht<br />

unterhaltsam.<br />

[...]<br />

Er setzt dieses System in spannende Mehrpersonenspiele<br />

um. Dazu sind massive Vereinfachungen nötig – das<br />

Grundprinzip entspricht aber genau der Wirklichkeit.<br />

3. Beispiel: Trigeminus<strong>neu</strong>ralgie<br />

Bei PCCL 2 und VD-Karte 15Tage (Norm: 3 – 19d) 900<br />

durch Sonderkarte wird die VD verdoppelt – er bleibt mit<br />

30 Tagen 11 Tage länger als obere VD<br />

Dafür gibt es Zuschlag pro Tag 100 +1100<br />

s Erlös also 2000<br />

Kosten bei 30 Tagen -3000<br />

s Verlust -1000<br />

Es könnte schlimmer sein!


Arbeitszufriedenheit von Ärzten im Krankenhaus<br />

Sylvère Störmann<br />

„Ich kann nicht mehr.“ Wer nachts um halb drei auf einer<br />

[intensivmedizinischen] Station miterlebt, was -vor allem junge-<br />

Ärzte in Deutschland mitmachen müssen, wird sicherlich auch<br />

diesen Satz hören. Bereitschaftsdienste und unbezahlte<br />

Überstunden plagen seit Jahren die Ärzteschaft und haben zu<br />

viel Unmut geführt. Und aus der Misere führt zunächst kein Weg<br />

hinaus. 70% der Ärzte geben an, dass Überstunden<br />

selbstverständlich erwartet werden. Während die Gesetzeslage<br />

dies ändern kann, herrschen noch grobe strukturelle Missstände,<br />

die sich wiederfinden in der Aussage von knapp 75% der Ärzte,<br />

dass ohne die unbezahlten Überstunden, die Patienten nicht<br />

ausreichend versorgt würden. <strong>50</strong>% der Ärzte gaben auch an, ihre<br />

Arbeit sonst nicht zu schaffen, was unter anderem durch den in<br />

den letzten Jahren gestiegenen Verwaltungsaufwand, der an die<br />

Ärzteschaft delegiert wurde, verursacht wurde. Eine Besserung<br />

ist mit der Einführung der DRGs auch nicht in Sicht.<br />

Als vorsichtige Kalkulation ist davon auszugehen, dass 15% der<br />

Arbeitszeit (ausgenommen Bereitschaftsdienstzeit), die in<br />

deutschen Krankenhäusern tatsächlich geleistet wird, nicht<br />

dokumentiert und damit auch nicht vergütet wird.Dabei werden<br />

vor allem auch während Bereitschaftsdiensten, die für Ärzte viel<br />

Arbeit und schlechten Schlaf (wenn überhaupt) bedeuten, die<br />

Ärzte zu Arbeit herangezogen, die in Schichtdienstmodellen<br />

wesentlich sinnvoller untergebracht wären. Da dies aber Gelder<br />

erfordert, die nicht da sind, gibt es nur eine insignifkante Datenlage<br />

zu Schichtdienstmodellen.<br />

Die gesetzlich vorgeschriebene Maximalbelastung existiert dabei<br />

in vielen Fällen auch nur auf dem Papier. Ruhezeiten, die<br />

gewährleisten sollen, dass Ärzte ausreichend Zeit finden, sich<br />

auszuruhen, sind zu einem großen Teil zu kurz für eine<br />

ausreichende Erholung. Dadurch müssen viele Ärzte bereits<br />

übermüdet so manchen Dienst antreten, der möglicherweise<br />

etliche Stunden beträgt.<br />

Über 60% der Ärzte fühlen sich daher häufig gestresst und<br />

überlastet; 40% geben an, häufig übermüdet zu sein. Als das größte<br />

Defizit des bestehenden <strong>Gesundheit</strong>ssystem geben über 70% der<br />

Ärzte die Verwaltungsarbeit an, die in vielen Fällen fast <strong>50</strong>% der<br />

gesamten Arbeitszeit verschlingt. Dies geschieht oft auf Kosten<br />

der Zeit, die für die Patientenversorgung vorgesehen ist. Daher<br />

bemängeln die Ärzte auch, zu wenig Zeit für ihre Patienten zu<br />

finden.<br />

Sehr zufrieden mit ihrer Situation sind eigentlich eher leitende<br />

Ärzte, während das Gros sich schlichtweg zufrieden gibt. Der<br />

Anteil unzufriedener Ärzte stellt immerhin etwa 30% des<br />

Kollektivs dar. Ein Zusammenhang zwischen Größe des<br />

Krankenhaus und Zufriedenheit besteht allerdings nicht. Frauen<br />

hingegen sind häufiger zufrieden mit ihrer Situation als ihre<br />

männlichen Kollegen, was sich auch darin wiederspiegelt, dass<br />

mehr Frauen den Arztberuf wiederwählen würden. Knapp 40%<br />

würden sich aber sicher bzw. eher nicht er<strong>neu</strong>t dem Wagnis<br />

<strong>Medizin</strong> hingeben.<br />

Neues Buch – gutes Buch?<br />

R. H. KAISER<br />

Arbeitsbedingungen und<br />

Arbeitszufriedenheit von Ärzten im<br />

Krankenhaus<br />

Eine empirische Untersuchung<br />

Eine sehr interessante Studie und die ausführlichen Daten dazu<br />

Erstauflage 2002<br />

68 Seiten, 18 Abb., 3 Tab.<br />

Deutscher Ärzteverlag<br />

(www.aerzteverlag.de)<br />

ISBN: 3-7691-3183-5<br />

EUR 19,95<br />

17<br />

Immer wieder hört man von überarbeiteten Ärzten, untragbaren<br />

Arbeitszeiten und einem generellen Missstand im <strong>Gesundheit</strong>ssystem.<br />

Während Ärzte nach wie vor ein hohes Ansehen genießen, würde<br />

jeder dritte Arzt den Beruf nicht wieder wählen.<br />

In einer großangelegten Studie in Hessen, Rheinland-Pfalz und im<br />

Saarland untersuchte man daher die Arbeitssituation und die<br />

Zufriedenheit mit der Arbeit von Ärzten in Krankenhäusern. Von den<br />

5.973 angeschriebenen Ärzten schickten insgesamt 3.068 auswertbare<br />

Antwortbögen zurück, was einem Rücklauf von stolzen 51,4%<br />

entspricht. Daher kann man die in dem Buch präsentierten Daten<br />

durchaus mit einer gewissen Repräsentativität betrachten.<br />

In dem recht dünnen und gut lesbaren Buch wird zunächst die<br />

Methodik der Studie vorgestellt, wobei auch explizite Hinweise zu<br />

den einzelnen Ländern erwähnt werden. Gemäß des Aufbaus des<br />

Fragebogens, der an die Ärzte verschickt wurde, folgt die Gliederung<br />

der Datenvorstellung den Studien-Items: Strukturelle Merkmale der<br />

Ärzte, Arbeitszeit, Bereitschaftsdienste, Schichtdienstmodelle,<br />

Alle Rezensionen online:<br />

www.fachschaft-medizin.de/rezensionen<br />

Arbeitszufriedenheit, Teilzeitarbeit und ein gesonderter Abschnitt<br />

zur Verteilung der Ärzte in leitenden Positionen auf unterschiedliche<br />

Krankenhaustypen. Dabei werden die gewonnen Daten teils in Tabellen<br />

teils in Diagrammen dargestellt, wobei in den begleitenden Texten<br />

stets weiterführende Informationen zu Merkmalsausprägungen und<br />

nicht aufbereiteten Daten zu finden sind.<br />

Außerdem werden im Text die Ergebnisse der Umfrage in kausale<br />

Zusammenhänge gestellt, um Aussagen über die Situation im<br />

Krankenhaus treffen zu können. Wo die Daten nichts hergaben, ist<br />

dies auch explizit erwähnt.<br />

Um die Datenlage zu überblicken finden sich im Anhang sowohl der<br />

komplette Fragebogen, wie er an die beteiligten Ärzte geschickt<br />

wurde, als auch sämtliche Daten in Tabellenform (teils auch nach<br />

anderen Items aufgelöst).<br />

Das Buch bietet interessante Einblicke und beliefert den Leser mit<br />

harten Fakten, die Spekulationen endgültig aus dem Weg räumen.<br />

Sylvère Störmann<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


Leben mit dem Virus<br />

Sylvère Störmann<br />

Plötzlich war es da. Unvermutet und unberechenbar schlug es zu. Das war 1981, als das HI-Virus durch AIDS auf<br />

sich aufmerksam machte. Das war auch 1998, als es Tobias heimsuchte...<br />

Tobias ist eigentlich ein ganz normaler Junge gewesen. Aufgewachsen in einem kleinen Ort in der Provinz, fehlte es<br />

ihm eigentlich an nichts. Tobias wuchs auf in einem ruhigen Ort; einem dieser Orte, wo nichts los. Viel kann man<br />

da als Jugendlicher nicht machen. In der ohnehin schon schweren Zeit der Pubertät hat man es da nicht leicht,<br />

nicht abzudriften. Tobias geriet in falsche Bahnen und schnell ging es abwärts. Er infizierte sich.<br />

Heute kann er offen darüber reden. Sein Leben hat er in geordnete Bahnen gerichtet. Wir sprachen über sein Leben<br />

und seine Krankheit.<br />

18<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Du hast ein ganz schön bewegtes Leben hinter dir. Wie alt bist du jetzt?<br />

Ich bin derzeit noch 28. Aber mit meinem 29. Geburtstag dieses<br />

Jahr gehe ich zielstrebig auf die 30 zu. O graus!<br />

Wie war deine Jugend?<br />

Die Jugendzeit war so richtig typisch mit Alkohol und natürlich<br />

Exzessen.<br />

Blieb es beim Alkohol?<br />

Ich bekam ein Alkoholproblem. So mit 16 habe ich mit dem<br />

Alkohol als Einstieg angefangen. Das ist eigentlich für mich die<br />

Einstiegsdroge schlechthin. Dann kommt eins zum<br />

andern: Man trifft dann Leute, die kiffen. Dann<br />

fängt man damit an. Plötzlich kommt man an<br />

was anderes und geht dann dazu über. Und so<br />

ging das dann auch bei mir. Über drei Jahre<br />

wurde ich schwer drogenabhängig.<br />

Was hast du in der Zeit getan?<br />

Zunächst habe ich ein Freiwilliges Soziales<br />

Jahr gemacht und danach eine<br />

Ausbildung<br />

zum<br />

Krankenpflegehelfer. Abitur habe<br />

ich keines. Zu diesem Zeitpunkt<br />

war ich schon<br />

medikamentenabhängig. Ich<br />

habe die Ausbildung<br />

trotzdem durchgezogen.<br />

Ich war halt ein Narr. Und<br />

so hat’s erst richtig<br />

angefangen.<br />

Irgendwie kann ich<br />

zwar stolz darauf sein,<br />

die Ausbildung<br />

trotzdem geschafft zu<br />

haben. Aber es war<br />

verantwortungslos und<br />

manchmal frage ich mich<br />

selbst: „Wie wär’s<br />

eigentlich gewesen, wenn<br />

ich nicht drauf gewesen<br />

wäre?“ Ich<br />

habe damals nämlich auch mit Heroin angefangen. Es gab<br />

eigentlich keinen Arbeitstag, wo ich clean gewesen wäre. Ich bin<br />

dann irgendwie so weit abgerutscht, dass ich nicht mehr wusste,<br />

worum es wirklich ging und der Beruf völlig falsch für mich war.<br />

So betäubte ich den Frust immer weiter.<br />

Hat denn keiner den Drogenmissbrauch bemerkt?<br />

Meine Mutter hat mich natürlich schon mehrmals angesprochen<br />

und gesagt: „Du veränderst dich so komisch. Deine Augen<br />

schauen so komisch aus. Deine Pupillen sind immer so klein.“<br />

Darauf entgegnete ich immer: „Hach, das ist nix.“ – „Nimmst du<br />

Drogen?“ – „Nein, nein.“<br />

Im Sommer bin ich dann immer mit Pullis rumgelaufen, weil die<br />

Arme entsprechend aussahen. Da haben mich die Leute auch<br />

schon mal drauf angesprochen und dann meinte ich einfach<br />

nur: „Ich hab ne Sonnenallergie zurzeit.“ Ich konnte mich immer<br />

rausreden und wenden.<br />

Ich bin ja auch in der Provinz aufgewachsen, wo jeder jeden<br />

kennt, wo das Schwulsein ein Problem ist und allein das<br />

ganze Leben irgendwie in der Öffentlichkeit<br />

stattfindet. Das war immer ein Versteckspiel.<br />

Wie ging das weiter?<br />

Ich war damals mit einem Mann zusammen, der<br />

positiv war. Wir waren leichtsinnig in unserem<br />

Rausch. Wir tauschten Spritzbesteck, wir hatten<br />

ungeschützten Verkehr – wir verloren uns<br />

in unseren Drogen. Als er mir dann vom<br />

Virus erzählte, war klar, dass er mich<br />

angesteckt haben musste. Würde ich<br />

heute nicht mehr machen. Ich bin viel<br />

vorsichtiger geworden. Ich würde<br />

auch nie ungeschützten Verkehr<br />

machen, egal ob derjenige das<br />

möchte oder nicht. Das ist<br />

irgendwas, wo ich vielleicht sehr<br />

nachlässig war, es aber heute nicht<br />

mehr bin.<br />

Wie bist du mit dem Test-Ergebnis<br />

„HIV-positiv“ umgegangen?<br />

Mit der Krankheit selbst komme<br />

ich eigentlich erst seit einem Jahr<br />

‚klar’. Ich habe 1998 mein<br />

Ergebnis gekriegt und das erstmal ewig<br />

verdrängt; Schublade auf und da rein. Es fiel mir anfangs<br />

schwer, die Krankheit zu akzeptieren. Ich versuchte es auch<br />

nicht erst. Stattdessen Abzutauchen, sich betäuben, das fand<br />

ich in den Drogen. So ging ich damit um.<br />

Nach sechs Jahren habe ich endlich Einsicht erlangt und lebe<br />

damit. Ich brauche die Drogen jetzt nicht mehr.<br />

Wie bist du dem Drogensumpf entkommen?<br />

Ich habe mich selber aus dem Drogensumpf ziehen können. Ich<br />

habe meinen ^damaligen Job von heute auf morgen einfach<br />

hingeschmissen, weil ich einerseits mein Ergebnis hatte und dann


auch noch meinen Partner verloren hatte, der gestorben ist, weil<br />

er sich komplett aufgegeben hat. Das habe ich alles irgendwie<br />

nicht richtig verkraftet. Ich habe den Boden unter mir einfach<br />

nicht mehr gespürt und dann war irgendwie alles plötzlich weg.<br />

Dann habe ich gemerkt, so kann’s nicht weiter gehen. Da habe<br />

ich mich zur Entgiftung entschlossen und bin gleich auf Therapie<br />

gefahren für drei Monate in einer psychosomatischen Suchtklinik.<br />

Da kam dann auch die vorläufige Wende. Richtig besser wurde<br />

es aber dann erst vor vier Jahren. Seitdem bin ich clean.<br />

Hast du deine Eltern auch stärker mit einbezogen, als das dann<br />

herauskam?<br />

Was heißt hier stärker einbezogen? Ich habe meinen Eltern das<br />

erst vor zwei Jahren gesagt. Alles. Das mit den Drogen haben sie<br />

schon 1999 erfahren, als ich mit meinen Eltern eine Woche<br />

Familientherapie in der Klinik gemacht habe. Aber über HIV<br />

haben wir erst vor zwei Jahren gesprochen, nachdem ich lange<br />

im Krankenhaus lag. Da konnte ich dann einfach nicht anders,<br />

da musste ich es sagen. Ich hätte wohl bis heute noch<br />

geschwiegen, wenn das damals nicht so gelaufen wäre.<br />

Es ist immer noch so, dass ich in mir das Bedürfnis in mir spüre,<br />

niemanden anderen damit in irgendeiner Weise zu belasten. Das<br />

ist das, was mich an der Gesellschaft noch stört. Man spricht<br />

nicht mehr oder ungern darüber und wenn, dann auch nur an<br />

bestimmten Tagen, wie dem Welt-AIDS-Tag oder sonst einem<br />

Tag, wo es gerade hineinpasst. Und dann wird meist auch nur ein<br />

bestimmtes Klischee angesprochen. Daher rede ich auch in der<br />

Öffentlichkeit nicht unbedingt gerne drüber, aber ich merke<br />

andererseits auch, dass man darüber reden muss. Das Thema<br />

gehört einfach dazu.<br />

Heute redet man in den Medien kaum noch über HIV und AIDS.<br />

Was mich wahnsinnig traurig macht, ist, dass man in den<br />

Nachrichten über Erdbeben, Irak, Iran und andere Dinge<br />

berichtet, während in Afrika ein großer Teil eines Kontinents an<br />

einer Krankheit verstirbt und es kaum jemanden zu kümmern<br />

scheint.<br />

Es ist einfach ein Thema, das einfach dazugehört. Wie die Themen<br />

Krebs und Schwangerschaft. Es ist einfach nicht mehr so ein<br />

Tabuthema, etwas<br />

das aufschreckt<br />

und interessiert. Es<br />

heißt zwar<br />

heutzutage, man sei<br />

offen und<br />

ausreichend<br />

informiert, aber<br />

letzten Endes<br />

wollen die<br />

wenigsten, etwas<br />

mit einem HIVpositiven<br />

oder<br />

AIDS-Kranken zu<br />

tun haben. Da spürt<br />

man als Betroffener<br />

die Intoleranz, die<br />

vorherrscht.<br />

Ich hab’s auch so<br />

gemerkt, als einige<br />

Freunde von mir<br />

von heute auf<br />

morgen weg waren,<br />

als sie erfahren<br />

haben, dass sich<br />

positiv bin. Plötzlich<br />

wollten die nix mehr<br />

mit mir zu tun<br />

haben. Und als ich<br />

im Krankenhaus lag<br />

habe ich auch gemerkt, wer meine wahren Freunde sind, die<br />

mich dann auch besuchen kamen und mich nicht abgeschrieben<br />

haben. Mit einem Gesunden kann man anscheinend doch ein<br />

bisschen anders umgehen, als wenn man mit diesem Thema<br />

konfrontiert wird.<br />

War das damals bei dir so, dass nach der Infektion dein Umfeld<br />

zusammengebrochen ist?<br />

Ja. Da hat es auch angefangen, dass ich versucht habe, das Thema<br />

zu verdrängen. Ich habe versucht das Thema nicht zu bearbeiten<br />

und auch nicht nach außen zu tragen und somit das in meinem<br />

Umfeld nicht akut zu machen. Irgendwo habe ich nämlich<br />

gemerkt, dass dadurch sehr viel kaputt geht, gerade auch<br />

Beziehungen. Sobald dieses Thema auf den Tisch kommt ist<br />

plötzlich diese Unbefangenheit weg, weil man anscheinend nur<br />

mit dem HIV-Negativen reden kann.<br />

Ein stabiles Umfeld ist einfach sehr wichtig, denn die Krankheit<br />

macht auch einsam.<br />

Hast du jetzt ein <strong>neu</strong>es Umfeld gefunden, mit dem du auch darüber<br />

reden kannst?<br />

Ja, das habe ich. Man kann darüber reden und es interessiert die<br />

Leute nicht mehr, welche Krankheit man hat. Man versteht sich<br />

einfach.<br />

Handelt es sich dabei vorwiegend um HIV-Positive?<br />

Sowohl als auch. Es ist sehr ausgewogen. Ich kann nicht leugnen,<br />

dass es Leute gibt, die im ersten Moment oder generell ein<br />

Problem damit haben, aber versuchen mit einem umzugehen.<br />

Ich kann auch damit umgehen, wenn die Leute generell ein<br />

Problem damit haben. Da lege ich mittlerweile nicht mehr so<br />

großen Wert drauf.<br />

Was passiert, wenn dieses Umfeld nicht da ist?<br />

Dann verlässt einen der Mut. Dann kommt die Sehnsucht: „Jetzt<br />

hol ich mir was, Überdosis und weg. Keinen Bock mehr.“ Aber<br />

der Kämpferwille ist dann doch manchmal größer.<br />

19<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


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<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Gibt oder gab es in deinem Umfeld Leute, die dieser Kämpferwille<br />

verlassen hat?<br />

Ja, es gibt schon ein paar. Die meisten haben Depressionen oder<br />

Krisen, wo man nicht mehr aufstehen will oder einfach nur<br />

Zuhause rumhängt und keinen Sinn mehr im Leben sieht. Das<br />

hat eigentlich fast jeder.<br />

Gehen viele so weit und geben auf?<br />

Nein, da ist dann doch der Lebenswille zu groß. Wir reden auch<br />

generell offen darüber. Wenn es einem schlecht geht, dann geht’s<br />

halt schlecht. Es kann einem nicht immer gut gehen. Man muss<br />

das akzeptieren und darüber reden können, dann übersteht man<br />

das auch.<br />

Was wäre gewesen, wenn du niemanden zum reden gehabt hättest?<br />

Dann hätte ich mich längst aufgegeben. Das habe ich auch<br />

gemerkt, als ich meinen Job verloren habe und erstmal keine<br />

Aussicht mehr gesehen habe. Ich weiß nicht, wo ich gelandet<br />

wäre. Da war nur noch der Gedanke an Drogen, Alkohol,<br />

Abhauen, Wegmachen.<br />

Wie schwierig ist es mit HIV einen Job zu finden?<br />

Es ist sehr schwierig. Gerade in meinem Fall. Ich habe eben nur<br />

einen Krankenpflegehelfer und Verletzungspfleger. Das ist schon<br />

ein Problem. Man darf zwar nicht gekündigt werden und es darf<br />

dadurch auch kein Hinderungsgrund entstehen, nicht eingestellt<br />

zu werden, aber in der Praxis ist es eben doch so.<br />

Auch beim Arbeitsamt habe ich versucht eine Umschulung zu<br />

bekommen, die ist aber zweimal abgelehnt worden. Ich habe<br />

zwar jedes Mal einen Widerspruch geschrieben, aber mit HIV<br />

wird man stigmatisiert und abgestempelt. Dann habe ich einen<br />

Schwerbehindertenausweis beantragt. Dann war ich so ehrlich<br />

und habe das beim Arbeitsamt angegeben – und dann war<br />

komplett alles aus. Dann war ich plötzlich schwerstvermittelbar.<br />

Daraufhin habe ich versucht eine berufliche Reha zu beantragen.<br />

Die wurde mir dann verwehrt. Dann habe ich es bei der BfA<br />

(Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) versucht. Da war<br />

es eben so, dass es bestimmte Voraussetzungen gab darüber,<br />

wie viel ich gearbeitet haben müsste – und dann ging das eben<br />

auch nicht. Da blieb mir nix anderes übrig, als mich<br />

krankschreiben zu lassen. Dann wollte ich medizinische Reha<br />

beantragen, aber auch das ging nicht. Also habe ich die dreijährige<br />

Rente in Anspruch genommen und will mal sehen, wie ich damit<br />

klar komme. Man kämpft dann schon noch, aber es ist sehr<br />

schwierig. Egal ob man nun Hepatitis oder HIV hat.<br />

Wie hat sich dein Alltag mittlerweile geändert?<br />

Als ich 1999 nach München gezogen bin, habe ich zunächst für<br />

Premiere gearbeitet und dann 2001 meinen Job verloren. Seitdem<br />

bin ich auch arbeitslos. Da ist eine Welt für mich<br />

zusammengebrochen: Ich hatte versucht mir eine <strong>neu</strong>e Existenz<br />

aufzubauen, hatte eine Wohnung in München, aber keinen Job<br />

mehr und sah auch keine Chance, noch einen zu kriegen. Ich<br />

wusste einfach nicht, wie mein Leben weitergehen sollte. Damals<br />

habe ich mich schon unter der Brücke schlafen sehen. Da habe<br />

ich von der Münchner AIDS-Hilfe erfahren, dass es eine<br />

therapeutisch betreute Wohngemeinschaft geht. Zu dem<br />

Zeitpunkt habe ich bemerkt, dass ich einfach Probleme hatte<br />

mit dem Leben klarzukommen, weil ich noch nie Verantwortung<br />

für irgendwas hab übernehmen müssen oder auch nur<br />

erwachsen zu reagieren. Dann habe ich beschlossen in die WG<br />

einzuziehen und habe mich hier auch stabilisieren können. Ich<br />

habe auch so eine Art Tagesstruktur gekriegt durch ehrenamtliche<br />

Aufgaben, die ich übernommen habe. Ich engagiere mich etwa<br />

bei JES (Junkies, Ehemalige und Substituierte), einer Vereinigung,<br />

die sich um die Probleme der Drogenabhängigen kümmert.<br />

Dadurch habe ich auch eine Struktur in meinem Leben langsam<br />

wieder aufgebaut. Langfristig will ich auch einfach wieder<br />

selbständiger werden.<br />

Wie planst du das?<br />

Ich mache derzeit eine ambulante Therapie, zweimal die Woche.<br />

Ich erhalte jetzt eine Rente für drei Jahre. Nebenbei versuche<br />

ich auch einen Job anzufangen, wieder etwas bodenständiger zu<br />

werden. Eine Festanstellung wäre schön – denn seit fast vier<br />

Jahren habe ich ja nicht mehr gearbeitet. Es ist zwar schwierig<br />

Vollzeit zu arbeiten, weil ich schon merke, dass nach fünf<br />

Stunden die Luft raus ist. Dann habe ich<br />

Konzentrationsstörungen und die Arbeit läuft dann auch nicht<br />

mehr so richtig. Aber daran möchte ich auch arbeiten.<br />

Wie wirst du therapiert?<br />

Ganz früher bin ich noch mit Videx, diesen ekelhaften<br />

Schaumtabletten, behandelt worden. Da hat man dann eine<br />

Viertelstunde darauf rumgekaut und es war sehr eklig. Dann<br />

habe ich auch eine Menge anderer Medikamente gekriegt, wobei<br />

die Behandlung wegen Resistenzbildung immer wieder geändert<br />

wurde. Außerdem war ich immer ein schwieriger Patient, weil<br />

ich verdrängt habe und mich nicht an die Dosierung oder<br />

Einnahme hielt. Dementsprechend ging es mit mir dann<br />

gesundheitlich abwärts. Seit letztem Jahr August kriege ich<br />

Kaletra (Handelsname von Lopinavir, einem Protease-Inhibitor)<br />

und Trizivir (Kombipräparat aus dem ältesten AIDS-Medikament<br />

AZT, dem Cytidin-Analogon 3TC und dem Guanosin-Analogon<br />

Abacavir). Seitdem habe ich auch keine Viruslast mehr und ein<br />

sehr gutes Immunsystem. Ich gehe da auch ganz anders ran. Ich<br />

nehme die Medikamente regelmäßig und achte mehr auf meinen<br />

Körper.<br />

Wenn die Psyche nicht funktioniert, dann kann man auch sehr<br />

krank werden. Man muss schon eine gesunde Einstellung haben<br />

und sich nicht ständig nur mit den bedrückenden Tatsachen<br />

auseinandersetzen.<br />

Wie ist die Krankheit verlaufen?<br />

Nun ja, es zeigten sich ständig Durchfälle, Fieberattacken,<br />

Lymphknotenschwellungen überall. Dann habe ich noch zwei<br />

Lungenentzündungen gehabt, eine Bronchitis, eine Gürtelrose<br />

– kaum war man vom einen gesundet, war schon das nächste da.<br />

Je nach Therapieerfolg schwankend.<br />

Wie war das dann, als du dann angefangen hast, die Therapie ernst zu<br />

nehmen?<br />

Es wurde besser. Ich habe gemerkt, dass es trotz der<br />

Nebenwirkungen erheblich besser wurde. Und das gab dann<br />

auch wieder den Trieb, das kontinuierlich zu machen. Man fängt<br />

dann auch an, sich gesund zu ernähren und gibt mehr Acht auf<br />

seinen Körper.<br />

Ich merke so richtig, dass es mir jedes Mal einen Aufschub gibt,<br />

wenn ich vom Arzt höre, die Viruslast sei unter der<br />

Nachweisgrenze.<br />

Würdest du sagen, heute frei von Beschwerden zu sein?<br />

Also ich bin jetzt nicht 100%-ig frei von Beschwerden. Ich habe<br />

immer noch Nachtschweiß, immer wieder Lymphschwellungen,<br />

morgendliche Übelkeit – aber dann lässt sich nie feststellen, ob<br />

es nun Nebenwirkungen sind oder das Virus. Das lässt sich aber<br />

alles aushalten. Ich leb damit.<br />

Verfolgst du auch die aktuelle Forschung?<br />

Ich bin schon daran interessiert, aber ich bin nicht jemand, der<br />

jeden Artikel liest oder jede Sendung schaut, im Internet nachhakt<br />

und quasi jede Etappe verfolgt. Ich würde dann auch irgendwie<br />

verrückt merken, weil ich dann wieder gedanklich zu sehr da<br />

drin wäre und zu sehr an die Krankheit erinnert würde.


Was hast du gedacht, als in den Nachrichten<br />

von der Impfstoffstudie in Hamburg<br />

berichtet wurde?<br />

Ja, schon wieder ein Impfstoff!?<br />

[lacht] Ja, das ist meine Meinung. Es<br />

gibt in Amerika mittlerweile<br />

Medikamente und Therapieformen,<br />

die wenig belastend sind, aber erst spät<br />

nach Europa kommen, weil ewig viel<br />

Zeit vergeht, ehe die klinischen Studien<br />

durch sind. Daher interessiert mich das<br />

fast schon gar nicht mehr. Solange es<br />

nicht druckreif ist und man sagen<br />

kann, es gibt da was Neues, was direkt<br />

verwendet werden kann, bleibe ich<br />

skeptisch und eher auf Abstand.<br />

Kennst du eigentlich das Projekt „Mit<br />

Sicherheit verliebt“?<br />

Ja, das kenne ich. Das finde ich gut,<br />

sehr gut. Das sollte viel mehr betrieben<br />

werden. Ich finde auch, dass solche<br />

Sachen auch als eine Art Workshop<br />

an jeder Schule stattfinden sollten.<br />

Oder auch an der Schule eine<br />

bestimmte Unterrichtsstunde<br />

einrichten, wo bestimmte Themen zur<br />

Sprache kommen: was die<br />

Jugendlichen belastet, was die<br />

Jugendlichen betrifft, was auf die<br />

Jugendlichen zukommt – was einfach<br />

die Themen des Lebens sind.<br />

Könntest du dir vorstellen, da auch mal<br />

mitzumachen?<br />

Ja. In der Münchner AIDS-Hilfe wird<br />

auch ein ähnliches Projekt angedacht,<br />

in dem man an Schulen geht und sie<br />

mit der Realität konfrontiert. Auf dem<br />

Schulhof prahlen die Schüler gerne,<br />

mit wie vielen Leuten sie schon<br />

geschlafen hätten. Aber sie leugnen<br />

oder kennen nicht einmal die Tatsachen im Hintergrund. Da<br />

muss was getan werden.<br />

Wenn man fragt: „Benutzt ihr Kondome?“ Dann hört man meist<br />

die Antwort: „Nö, brauchen wir nicht, die Frau nimmt die Pille.“<br />

Wenn man dann darüber redet, dass man sich dabei auch<br />

anstecken kann, hört man: „Die wird schon kein AIDS haben,<br />

das würde ich ja sehen.“ Aber dabei ignorieren die ja, was es<br />

sonst noch alles gibt. Es gibt Hepatitis, Syphilis, Gonorrhoe –<br />

hach!<br />

Wenn man heutzutage so was einem Jugendlichen erzählt, die<br />

stellen einen dann erstmal für blöd ab, aber wenn sie in der<br />

Situation wären, würden sie ganz anders drüber denken. Das ist<br />

eigentlich auch, was ich vermitteln möchte, dass es mal so weit<br />

kommen kann. Diese Leichtsinnigkeit, das Leben auf die leichte<br />

Schulter nehmen.<br />

Viele sind da auch so planlos und leben auch schon auf der<br />

Straße. Nehmen alles locker und sehen den Ernst des Lebens<br />

nicht wirklich. Mit dem Alkohol fängt es oft an – und das ist den<br />

wenigsten bewusst.<br />

Ist es vielleicht nicht zu „hart“, Schüler so zu konfrontieren?<br />

Überhaupt nicht. Es kann in meinen Augen heutzutage nicht<br />

hart genug sein. Auch bei Drogen gehört die Konfrontation dazu:<br />

Was bringt es, einem Jugendlichen zwei Diplom-Sozialpädagogen<br />

von der Drogenberatung vorbeizuschicken, die in ihrem Leben<br />

wahrscheinlich nicht einmal einen Joint in der Hand gehabt<br />

haben? Die reden da was über Drogen, Drogenfreuden und wie<br />

man da reinkommt und darin abstürzt, aber eigentlich keine<br />

wirkliche Ahnung haben. Ich finde, das kommt von einem AIDS-<br />

User ganz anders rüber. Der sagt dann, Drogen seien auf eine<br />

Art und Weise geil, aber zeigt auf der anderen Seite, was da<br />

passieren kann. Wenn ein Junkie wüsste, was er in zehn Jahren<br />

für Schäden davontragen kann, dann würde er das nicht mehr<br />

machen. Man kann sich sein Leben damit wirklich kaputt<br />

machen. Die Droge verändert auch die Persönlichkeit. Man<br />

verändert sich sehr. Und ich finde, das kann ein Sozialpädagoge,<br />

der da noch nie drin war, nicht so rüberbringen. Ob nun AIDS<br />

oder Drogen oder sonst was, am besten kann es immer der<br />

Betroffene rüberbringen.<br />

Würde es die Wirkung nicht mildern, wenn die Schüler dann merken,<br />

dass du „die Kurve gekriegt“ hast und ganz gut damit leben kannst?<br />

Nein. Kann ich mir nicht vorstellen. Wenn ich jetzt zurückdenke<br />

und mir vorstelle, wie es gewesen wäre, wenn ich als 16-Jähriger<br />

einen 28-Jährigen vor mir hätte, der mir von seinem Leben erzählt,<br />

dann würde mich das zum Nachdenken bringen. „Will ich so<br />

werden wie der? Will ich auch so abstürzen? Bin ich bereit die<br />

Konsequenzen zu tragen?“ Meine Antwort: Nein.<br />

Ich kann mir immer noch meine Kicks holen – nur sind es heute<br />

andere, natürliche Kicks. Ich kann zum Beispiel stundenlang<br />

laufen, was mir nicht nur gut tut, sondern auch irgendwo einen<br />

ganz eigenen berauschenden Reiz hat. Es ist mein Leben. Es<br />

gehört weder den Drogen noch dem Virus.<br />

21<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


HIV-Therapie<br />

Sylvère Störmann<br />

HIV, HI-Virus<br />

engl.: human immunodeficiency virus<br />

Retroviren vom Typ C; verursachen die HIV-Infektion u. deren Vollbild AIDS; seit 1986 international gültige Bez.<br />

Roche Lexikon, 4. Auflage (http://www.gesundheit.de/roche)<br />

22<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Ganz allgemein bestehen Viren aus Nukleinsäure und einer<br />

Proteinkapsel. Da sie keine Enzyme zur Energieerzeugung oder<br />

Proteinbiosynthese haben, sind sie auf Wirtszellen angewiesen,<br />

die sie dazu missbrauchen, ihr Genom und sich selbst zu<br />

vervielfältigen. Die Art des Genoms bestimmt maßgeblich, wie<br />

Viren klassifiziert werden. Das HI-Virus gehört zur Virusfamilie<br />

der Retroviren, genauer zum Genus der Lentiviren (vom Lat.<br />

lentus = langsam)<br />

Schätzungsweise 40 Millionen Menschen sind mit HIV infiziert,<br />

davon alleine 25 Millionen in Südafrika. Seit seiner Entdeckung<br />

im Jahre 1981 wurde viel über den Virus herausgefunden; heute<br />

ist es „das am besten<br />

erforschte Virus“<br />

Mit einem Durchmesser<br />

von 100 nm gehört es zu<br />

den Viren mittlerer<br />

Größe. Seine Hülle besteht<br />

aus einer Phospholipid-<br />

Doppelschicht, die einst<br />

beim Ausschleusen des<br />

Virus aus der Wirtszelle<br />

„mitgenommen“ wurde. Er<br />

besteht aus den<br />

Glykoproteinen gp120<br />

(mit<br />

einem<br />

Molekulargewicht von<br />

120 Da) und gp41. Das<br />

Genom besteht aus zwei<br />

Kopien einzelsträngiger<br />

RNA-Moleküle (diploides<br />

Genom)<br />

Über das gp120 bindet der<br />

HI-Virus an die<br />

aminoterminale Domäne<br />

des CD4-Rezeptorproteins (über zusätzliche Interaktion mit<br />

Chemokinrezeptoren entweder dockt der Virus an T-<br />

Lymphocyten oder Makrophagen), während er mit gp41 die<br />

Fusion der Hülle mit der Wirtszellenmembran einleitet. Ist das<br />

Capsid erst in der Wirtszelle angelangt, wird die virale RNA<br />

freigesetzt (uncoating) und mit dem vom Virus mitgebrachten<br />

Enzym Reverse Transcriptase zu einem doppelsträngigen DNA-<br />

Strang umgeschrieben. Mittels der viralen Integrase wird diese<br />

DNA an willkürliche Stellen in das Genom der Wirtszelle<br />

integriert (Provirus). Diese DNA produziert dann tatkräftig<br />

durch die viralen Proteine tat (transactivator of transcription)<br />

und rev (regulator of expression of virion proteins) unterstützt<br />

Virus-RNA, Capsid-Proteine und Membranproteine, die<br />

anschließend <strong>neu</strong>e Viren hergeben (Knospung). Von den <strong>neu</strong>n<br />

Genen des Virus sind drei Strukturgene (pol – „Polymerase“,<br />

env – envelope = „Hülle“, gag – gruppenspezifisches Antigen),<br />

die übrigen sechs Gene codieren für regulierende Proteine. Nach<br />

der Abschnürung des Virus von der Wirtszelle wird das dritte<br />

Virusenzym aktiv: die Protease. Sie baut den Virus vollständig<br />

zusammen – meist fehlerhaft, aber oft genug richtig. Die Folgen<br />

einer Virus-Infektion sind zunächst eine heftige Immunantwort,<br />

woraufhin eine lange Latenzphase beginnt. Nach einigen Jahren<br />

dann bricht AIDS aus und die Zahl der HI-Viren steigt analog<br />

zum Abfall der CD4-Zellen. Das Immunsystem wird stark<br />

geschwächt, der Patient stirbt an opportunistischen Infektionen<br />

Mittlerweile hat man Mittel und Wege gefunden, die HIV-<br />

Infektion relativ gut zu kontrollieren. Mit einer sogenannten<br />

Dreifachkombination wird dem HI-Virus entgegengewirkt. Die<br />

drei Enzyme, die der Virus mitbringt, sind dabei primäre<br />

Angriffspunkte, da sie in<br />

humanen Zellen nicht<br />

vorkommen<br />

Blockt man sie ab, kann<br />

die Vermehrung des HI-<br />

Virus gestoppt werden.<br />

Seit 1987 existiert das<br />

Nukleosidanalogon<br />

Azidothymidin (AZT), die<br />

die Reverse Transcriptase<br />

inhibiert, indem sie die<br />

DNAKettensynthese<br />

abbricht. Wegen der<br />

Nebenwirkungen wurden<br />

auch noch Nicht-<br />

Nukleosidale-<br />

RTInhibitoren (NNRTI)<br />

entwickelt<br />

Mehr Erfolg versprechen<br />

allerdings Protease-<br />

Inhibitoren, die durch<br />

Bindung im aktiven<br />

Zentrum des Enzyms zu<br />

dessen Hemmung führen. Als erstes Medikament dieser Gruppe<br />

ist Saquinavir im Dezember 1995 in den U.S.A. zugelassen<br />

worden. Allerdings zeigen diese Medikamente, wie etwa Ritonavir<br />

und Indinavir (sprich: Protease-Inihibitoren), bei zahlreichen<br />

Medikamenten Wechselwirkungen<br />

Monotherapien haben sich als recht wirkungslos erwiesen,<br />

weswegen Kombinationstherapien den richtigen Weg zu weisen<br />

scheinen<br />

Ein Heilmittel gibt es nach wie vor nicht, da der Virus eine hohe<br />

Variabilität besitzt, was die Herstellung und Findung von<br />

Gegenmitteln erschwert. Daran sind die Reverse Transcriptase<br />

und die RNA-Polymerase II schuld: beide arbeiten nicht sehr<br />

präzise und sind für die hohe ‚Mutationsrate’ des Virus<br />

verantwortlich


Lehramt <strong>Medizin</strong> und Sexualkunde<br />

Annelie Opelt<br />

Ist Sexualität ein Tabuthema? Natürlich! Im Freundeskreis<br />

vielleicht nicht, gut. Über diese Grenzen hinaus geht aber die<br />

eigene Intimsphäre nicht, schließlich geht das niemanden etwas<br />

an. Warum also darüber reden? In den wenigsten Familien<br />

werden Fragen an die eigenen Kinder oder umgekehrt, an die<br />

eigenen Eltern gerichtet. Das Gespräch in der Familie ist den<br />

meisten peinlich, egal ob von der einen oder der anderen Seite.<br />

Über den Trend in Deutschland mag man wenig sagen, allerdings<br />

ist auffällig, dass sich erschreckend wenig potenziell sexuell aktive<br />

Jugendliche sich mit Verhütung auseinandersetzen. „Eine<br />

Schwangerschaft ist unwahrscheinlich, die tritt schon gewollt<br />

schwer ein. Und Aids kommt unter offenbar 25 nicht vor.“ Die<br />

Gedankengänge sind so vielfältig wie irrgeleitet. Es besteht ein<br />

enormer Aufklärungsbedarf unter deutschen Jugendlichen, der<br />

weder durch das Elternhaus noch durch die Schule (und ihrem<br />

Bildungsauftrag) gedeckt wird.<br />

Erschreckend fanden das vor vielen Jahren schon Studenten in<br />

den nordischen Ländern Europas wie Norwegen und Schweden.<br />

Sie machten es sich zur Aufgabe, dieser Entwicklung in ihrem<br />

eigenen Land effektiv entgegen zu wirken und suchten selbst<br />

das Gespräch mit den Schülern. Die Idee fiel kürzlich auch in<br />

Deutschland, Österreich und der Schweiz auf fruchtbaren<br />

Boden. Was dabei herauskam ist das Projekt „Mit Sicherheit<br />

Verliebt“. <strong>Medizin</strong>studenten stellen sich an Schulen den Fragen,<br />

über deren Antwort sich manche von ihnen sogar bisher selbst<br />

im Unklaren waren.<br />

So oft es möglich ist, werden an den interessierten Schulen<br />

Projektstunden für Schüler eingerichtet, in denen Studenten in<br />

Abwesenheit des Lehrers intensiv Aufklärung leisten und Fragen<br />

beantworten. Streng vertraulich, selbstverständlich! Das Motto<br />

des Ganzen lautet „Jung unterrichtet Jung“. Dadurch wird die<br />

Hemmschwelle herabgesetzt über vielleicht auch peinliche<br />

Themen offen zu reden. Die Studenten sehen sich dabei nicht in<br />

einer Lehrerfunktion, Frontalunterricht wird vermieden.<br />

Vielmehr wird auf eine entspannte Atmosphäre in kleinen<br />

Arbeitsgruppen geachtet, in denen, Jungen und Mädchen<br />

getrennt, auf verschiedene Schwerpunkte eingegangen wird.<br />

Nun ist das ja sicher nicht so einfach. Muss ich denn nun einem<br />

14 jährigen erzählen, wie er seine Freundin am effektivsten zum<br />

Orgasmus bringt? Und wie fange ich an: „Hallo, ich bin der Max<br />

und erzähle Euch heute etwas zum Thema Sexualität… Fragen?“<br />

Es ergeben sich einige Schwierigkeiten, nicht nur beim Thema<br />

Kommunikation. Hat man auf alle Fragen eine Antwort, nehmen<br />

einen die Kids dann überhaupt ernst oder haben die teilweise<br />

mehr Erfahrung als man selbst?<br />

Das verlangt nach einer Schulung – und die gibt es in Form von<br />

verschiedenen Workshops, durchgeführt von Ärzten,<br />

Sexualtherapeuten, Psychologen und wer immer sich auch<br />

auskennt. Immerhin scheinen diese die Qualität des Projekts<br />

überaus positiv zu beeinflussen, immerhin werden die<br />

Ortsgruppen durch Initiativen und Verbände wie Pro Familia<br />

und der AIDS-Hilfe unterstützt.<br />

In München gibt es „Mit Sicherheit verliebt“ seit fast 2 Jahren,<br />

wir haben regelmäßig Veranstaltungen in Schulen und<br />

Jugendgruppen. Wer Interesse hat, mitzumachen, kann jederzeit<br />

vorbeikommen oder sich per Mail melden.<br />

nächster Workshop<br />

25. - 27. Juni 2004<br />

Infos bei:<br />

rebecca@sicher-verliebt.de<br />

www.sicher-verliebt.de<br />

23<br />

Diese zwei Personen sind Mit Sicherheit nicht ineinander verliebt...<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Der Weg hierher... und noch vor mir<br />

Mohit Singla & Dilraj Grewal<br />

24<br />

Dies ist die Geschichte vom AIDS-Impfstoff als er sich das letzte<br />

Mal zum Tee mit den Göttern traf. Während sie also durch den<br />

himmlischen Garten strollten, sahen sie sich umgeben von einer<br />

Menge Frauen und ihren auch himmlischen Reizen. Doch dann<br />

kam ein UNAIDS-Repräsentant vorbei und drückte ihnen ein<br />

Kondom in die Hand. „Einen AIDS-Impfstoff gibt es nicht; der<br />

ist immer noch in der Erprobung“, sagte er und ging. Dies ist die<br />

Wahrheit mit der nicht nur Menschen und auch Affen (Stichwort:<br />

SIV) leben, sondern auch die Götter sich abfinden müssen.<br />

Traurig blickte der Impfstoff drein und erzählte von seiner<br />

Geschichte, von dem Weg hierher… und noch vor ihm.<br />

Rückblick<br />

Die erste AIDS-Epidemie wurde vor bereits über 20 Jahren,<br />

genauer 1981, in den U.S.A. beobachtet. Der Verursacher des<br />

Immunschwäche-Syndroms selbst wurde erst 1983 entdeckt und<br />

später HIV benannt.. 1987 schon wurden erste klinische<br />

Impfstoffstudien durchgeführt und seither wurden über 40<br />

verschiedene Impfstoffe untersucht. Bisher hat nur eines davon<br />

die Phase III bei klinischen Pharma-Studien erreicht: AIDSVAX.<br />

Warum ein Impfstoff notwendig ist<br />

Wie das alte Sprichwort schon sagt, ist Vorsicht besser denn<br />

Nachsicht. Oder auf den Klinikalltag übertragen: Vorsorge ist<br />

besser denn Behandlung.- Einen Impfstoff zu entwickeln und<br />

verteilen ist außerdem wesentlich günstiger als anti-retrovirale<br />

Medikamente. Darüber hinaus hat ein Impfstoff eine wesentlich<br />

größere Zielgruppe. Bedenkt man auch, dass gewisse Gruppen<br />

sich leichtsinnig Risiken aussetzen, gibt es keinen Weg am<br />

Impfstoff vorbei. Dadurch würden letztlich auch diejenigen<br />

geschützt, die diesem Risiko [mehr oder weniger] unfreiwillig<br />

ausgesetzt werden.<br />

Ist es wirklich möglich?<br />

Eine einzelne Krankheit wird es nicht vermögen, die gesamte<br />

menschliche Rasse auszulöschen. Man weiß auch von einigen<br />

Frauen, die es geschafft haben, den Virus zu zähmen. So tragen<br />

sie ihn in sich, ohne erkrankt zu sein. Deren Gene können<br />

verwendet werden, um die Prozesse bei der Immunantwort<br />

besser verstehen zu lernen. Forscher entwickeln und testen<br />

Stoffe, die Killer- und andere Immunzellen stimulieren sollen,<br />

wovon man die Wirkung der immunen Frauen vermutet.<br />

Motivationsstifter<br />

Bereits in der Vergangenheit konnten Impfungen ohne genaueres<br />

Wissen der Immunantwort erzeugt werden (siehe Keuchhusten).<br />

Auch ohne ideales Tiermodell konnten verschiedene Impfungen<br />

entwickelt werden (Masern, Mumps, Röteln, sprich MMR). Das<br />

Affenmodell (SIV) hat immerhin wertvolle Informationen über<br />

HIV geliefert.<br />

Ferner können Impfungen kombiniert werden (MMR), was bei<br />

der komplexen Immunantwort des HI-Virus sehr wichtig sein<br />

könnte. Den verschiedenen Übertragungswegen von HIV kann<br />

man sicherlich ebenfalls begegnen, so wie schon beim Hepatitis-<br />

B-Impfstoff. Genausowenig sollte die langsame Entfaltung des<br />

Virus entmutigen. Auch „rückwirkende“ Impfstoffe sind bereits<br />

Realität. So können Masern auch Jahre nach der Infektion noch<br />

bezwungen werden.<br />

Die Probleme<br />

Wie bereits angesprochen, existiert kein ideales Tiermodell, um<br />

die Forschung der Immunantwort voranzubringen. Denn die<br />

komplexen Sachverhalte bei der Übertragung und<br />

Funktionsweise müssen verstanden werden, um eine sichere und<br />

effektive Impfung zu schaffen. Die hohe Mutationsrate und die<br />

vielen Subtypen zusammen mit der oft Jahre währenden<br />

Inkubationszeit des Virus erschweren die Erforschung<br />

erheblich.<br />

Sollte eines Tages tatsächlich ein Impfstoff entwickelt sein, werden<br />

weitere Probleme und Fragestellungen auftreten. Wird es ethisch<br />

vertretbar sein, Frauen impfen zu lassen? Und wird es auch für<br />

arme Leute, vor allem in Entwicklungsländern, erschwinglich<br />

sein oder nur medizinische Versorgung bei wohlhabenden<br />

Menschen ermöglichen?


<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Phase-I-Studien<br />

Wird ein Impfstoff entwickelt, so gelangt er eventuell in eine<br />

Phase-I-Studie, wenn er reif genug ist (nach erfolgreichen Tests<br />

am Tiermodell). Darin wird an einem kleinen Kollektiv von 10 -<br />

30 gesunden, erwachsenen Probanden, die nicht zur<br />

Erkrankungsrisikogruppe gehören, der Impfstoff erprobt. Diese<br />

Phase dient der Evaluation der Anwendungsmöglichkeit und<br />

dauert etwa 8 - 12 Monate.<br />

Phase-II-Studien<br />

Hier wird an einem größeren Kollektiv – einer Mischung aus<br />

Niedrig- und Hochrisikoprobanden – die Sicherheit wie auch<br />

die Dosierung eines Impfstoffs erprobt. Allerdings liefert eine<br />

solche Studie keine Aussage über die Effektivität eines solchen<br />

Stoffes. Die Dauer einer Phase-II-Studie beträgt etwa 18 - 24<br />

Monate.<br />

Phase-III-Studien<br />

In dieser Phase wird getestet, ob der entwickelte Impfstoff die<br />

beabsichtigte Wirkung zeigt und wie effektiv diese ist. Das<br />

Kollektiv besteht aus Tausenden freiwilliger Probanden, die zur<br />

Hochrisikogruppe gehören. Bei HIV würde man also eien<br />

Untersuchungsgruppe impfen und das Auftreten von HIV in<br />

dieser Gruppe der einer Kontrollgruppe (Plazebogabe)<br />

gegenüber stellen. Ein signifikanter Unterschied könnte als<br />

Hinweis für die Effektivität gedeutet werden und würde einen<br />

Zulassungsantrag nach sich ziehen. Eine solche Studie läuft<br />

mindestens drei Jahre.<br />

AIDS-Impfstoffe basteln<br />

Verschiedene Elemente des HI-Virus können benutzt werden,<br />

um eine antigene Wirkung zu erzeugen. Entnimmt man dem<br />

Virus DANN oder Gene, kann man damit vom Immunsystem<br />

Antikörper bilden lassen. Diese Immunantwort kann man dann<br />

auch im Labor „vervielfältigen“: das Antigen wird isoliert und<br />

gezüchtet. Die so erzeugten Antigene sind dann zwar nicht das<br />

Virus selbst, führen aber zur Bildung vo0n Antikörpern, die das<br />

Virus erkennen können.<br />

Man weiß mittlerweile auch recht gut, welche Gene das Virus<br />

für welche Proteine kodieren und wo diese vwerwendet werden<br />

(z.B. das gag-Gen kodiert für p24, das den inneren Kern bildet;<br />

env kodiert für gp120, das die Außenoberfläche bestückt).<br />

AIDSVAX wird also mittlerweile in zwei Phase-II-Studien<br />

ge4testet. Eine Studie seit 1998 in den U.S.A., Kanada und den<br />

Niederlanden, eine weitere Studie seit 1999 in Thailand. Bisher<br />

wurden zwei Effektivitätsdurchläufe gestartet, bei denen der<br />

Impfansatz beim gp120 liegt. Die Studie zeigte allerdings keine<br />

signifikante Reduzierung von HIV-Infektionen im<br />

Studienkollektiv. Trotzdem konnte man in bestimmten<br />

Untergruppen innerhalb dieses Kollektivs signifikante<br />

Unterschiede feststellen. Die Schutzwirkung, so der Hersteller<br />

Vaxgen, schien mit dem höheren Spiegel impfinduzierter<br />

<strong>neu</strong>tralisierender Antikörper zu korrelieren.<br />

Ein dritter Testdurchlauf mit einem Kanarienpocken-HIV-<br />

Vektor (ein anderer Ansatz, der aber auch auf gp120 zielt)<br />

startete vor Kurzem in Thailand an einem Kollektiv<br />

heterosexueller Probanden. Weitere interessante Ansätze<br />

werden ebenfalls am Menschen erprobt. Dabei erscheinen<br />

rekombinante Adenoviren einen sehr viel versprechenden<br />

Ansatz zu liefern, wie erste Ergebnisse aus Phase-I-Studien<br />

vermuten lassen.<br />

Das Letzte<br />

Einen großen Rückschlag erfuhren die Forscher als erste<br />

Ergebnisse aus dem Hauptdurchlauf in Thailand zeigten, dass<br />

der Impfstoff nicht wirkt, wie der Hersteller bekannt gab.<br />

Doch die Forschung geht weiter. Weltweit wird weiter angestrengt<br />

nach einem erfolgreichen Impfstoff gesucht. Aber bis diese Suche<br />

von Erfolg gekrönt ist, können noch viele Jahre vergehen. Bis<br />

dahin heißt es, weiter Kondome zu benutzen.<br />

Mohit Singla ist Präsident der<br />

Indian Medical Students’<br />

Organization (IMSO). Er ist Intern<br />

(1. Jahr nach dem Studium) am<br />

Christian Medical College in<br />

Ludhiana, Indien.<br />

Dilraj Grewal ist Student am Armed Forces Medical<br />

College in Pune, Indien, im 9. Semester.<br />

25


MeCuM „underground“<br />

Sylvère Störmann<br />

Das MeCuM ist da und schon jetzt studieren knapp 1.<strong>50</strong>0 Studenten danach. Das bedeutet in erster Linie viel<br />

organisatorischer Aufwand. Aber wie funktioniert MeCuM eigentlich? Was muss getan werden, damit der Unterricht<br />

für diese Studenten organisiert werden kann? Und warum sind jetzt manche Dinge, so wie sie sind? Es gibt viele<br />

Fragen und noch mehr Unklarheiten oder gar Missverständnisse. Grund genug, dem einmal nachzugehen und<br />

Fragen zu klären, die derzeit durch die betroffenen Semester geistern – MeCuM underground.<br />

So ein mehr oder weniger gut geschmierter Fakultäts-Betrieb ist<br />

eine schöne Sache. Am Anfang gibt es die Erstsemester-<br />

Einführung und man erfährt von erfahrenen höhersemestrigen<br />

Kommilitonen, wie man sich zurechtfindet. Mit der Zeit findet<br />

man sich dann auch immer besser zurecht, weiß wo welche<br />

Informationen zu finden sind - und im Zweifel fragt man eben<br />

wieder einen höhersemestrigen Studenten. Schließlich ist alles<br />

irgendwie Routine, für Leitung, Professoren und eben auch<br />

Studenten gleichermaßen.<br />

Wenn dann aber plötzlich eine <strong>neu</strong>e Approbationsordnung eine<br />

<strong>neu</strong>e Studienordnung nach sich zieht und plötzlich vieles anders<br />

werden soll, wird es schwierig. Die Leitung ist dann gefordert<br />

und muss zusehen, dass Stundenpläne entworfen, abgeglichen,<br />

mit Instituten abgesprochen, mit Raummöglichkeiten koordiniert<br />

und auf Sonderfälle abgestimmt werden. Die Dozenten ihrerseits<br />

müssen sich auf die geänderten Modalitäten einstellen und<br />

gegebenenfalls auch ihre Lerninhalte überarbeiten. Und dann<br />

steht man als Student da, überwältigt von einem <strong>neu</strong>en System,<br />

und möchte doch eigentlich nur in Ruhe weiterstudieren.<br />

Wie fängt man an?<br />

Im Januar 2003 fand eine Sitzung mit allen Beteiligten der <strong>neu</strong>en<br />

Studienordnung statt und man setzte sich daran, die Umsetzung<br />

des taufrischen Konzepts zu beginnen. Die Approbationsordnung<br />

hat dabei sehr klare Vorgaben, was die zulässige Gruppengröße<br />

Who‘s who im MeCuM?<br />

who<br />

Dekan<br />

Prof. Klaus Peter<br />

(Direktor Anästhesiologie, GH)<br />

26<br />

Studiendekan<br />

Prof. Bernd Sutor<br />

Bernd.Sutor@med.uni-muenchen.de<br />

(Neurophysiologie, Innenstadt)<br />

bearbeitet Anfragen aus dem Ministerium bzw. von<br />

anderen Universitäten und kümmert sich um<br />

Übergangsregelungs-Härtefälle<br />

Leitung der Abteilung Studium und Lehre<br />

Karen Sansom Karen.Sansom@med.uni-muenchen.de Å 5160 - 8916<br />

(ehemals Harvard-Büro; seit April 2004 im MeCuM)<br />

koordiniert die Organisationsarbeit im MeCuM<br />

MeCuM-Management<br />

Jarmila Musialová Jarmila.Musialova@med.uni-muenchen.de Å 5160 - 8915<br />

ist mit der Organisation betraut (Wahlfach, Fragen<br />

der Studierenden zur Organisation, ...)<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

MeCuM-Büro<br />

Ildiko Néder Ildiko.Neder@med.uni-muenchen.de Å 5160 - 8911<br />

Alexander Otto Alexander.Otto@med.uni-muenchen.de Å 5160 - 8912<br />

primäre Ansprechpartner für studentische Anfragen


in verschiedenen Unterrichtsformen angeht. Allen voran stellte<br />

eine für Studenten erfreuliche Änderung der Projektgruppe große<br />

Probleme: 476 Stunden Unterricht am Patienten (§2, Abs. 3, Satz<br />

11 ÄAppO) bei Gruppengrößen von maximal drei bzw. sechs<br />

Studenten (3 beim Direktunterricht, 6 bei Demonstrationen am<br />

Krankenbett durch einen Arzt). Im Vergleich dazu stand der<br />

bisherige Unterricht am Patientenbett im klinischen<br />

Studienabschnitt, der quantitativ gar nicht bestimmt war (es<br />

handelte sich aber um 70 bis 80 Stunden). Schwierig wurde es<br />

vor allem deshalb, weil man dabei nicht auf einzelne Klinik<br />

zurückgreifen kann, da keine Klinik ausreichende<br />

Lehrkapazitäten hat, um allen Studenten die erforderliche<br />

Stundenzahl am Krankenbett zu ermöglichen. Es müssen also<br />

mehrere Kliniken eingebunden werden, um das zu<br />

bewerkstelligen. Da die Organisation solcher Kurse bisher<br />

Aufgabe der jeweiligen Kliniken selbst war, wurde beschlossen,<br />

die Organisation nun zentral über das Dekanat laufen zu lassen.<br />

Denn so kann die Einteilung in Kurse koordiniert werden.<br />

Schließlich muss ja auch noch auf die Überschneidungsfreiheit<br />

geachtet werden. Jeder Student ist in seine verschiedenen kleinen<br />

Unterrichtsveranstaltungen eingeteilt, wodurch viele zeitliche<br />

Abhängigkeiten entstehen. Nur durch die zentrale Verwaltung<br />

kann dabei der Überblick bewahrt werden und eine<br />

überschneidungsfreie Einteilung gewährleistet werden.<br />

Internet<br />

nützliche Texte:<br />

http://www.mecum-online.de/pdf/studienordnung_medizin_011203.pdf<br />

Studienordnung (besonders wichtig: die Anhänge!)<br />

am besten durchlesen und zum Nachschlagen ausdrucken<br />

http://www.mecum-online.de/pdf/<strong>neu</strong>e_appo.pdf<br />

Neue Ärztliche Approbationsordnung<br />

http://recht.verwaltung.uni-muenchen.de/satzung/gro/gro-rr.htm<br />

Grundordnung der Universität München<br />

Aufgaben des Studiendekan laut §21:<br />

Gesamtverantwortung für die Aufgaben „Lehre und Studium“<br />

Aufgabe ist es auf folgendes hinzuwirken:<br />

s Lehrangebot entspricht Studien- und Prüfungsordnung<br />

(er hat aber keine Kompetenzen dies einzufordern)<br />

s Einhaltung der Regelstudienzeit<br />

s angemessene Betreuung der Studenten<br />

s Fachstudienberatung<br />

s Durchführung und Auswertung von Lehr-Evaluationen<br />

Erste Probleme<br />

Damit aber nun Studenten in ihre Kurse eingeteilt werden<br />

konnten, brauchte das Dekanat viele Daten. Zum Einen waren<br />

das Studentendaten (Welche Studenten studieren überhaupt?)<br />

und zum Anderen benötigte man auch Dozentendaten (Wer hat<br />

überhaupt einen Lehrauftrag an unserer Fakultät?). Schließlich<br />

musste man ja wissen, welche Studenten in welche<br />

Unterrichtsveranstaltungen eingeteilt werden sollten, und wer<br />

diese halten würde. Obwohl man meinen sollte, dass diese Daten<br />

vorlägen, fing genau da der organisatorische Stress an.<br />

Studentendaten<br />

Welche Studenten an der Fakultät immatrikuliert sind und in<br />

welchem Semester, weiß nur die Universität. Sie hortet die Daten.<br />

Jedes Semester werden kurz vor Beginn des selbigen die Daten<br />

übermittelt, woraufhin sich bisher die Institute an ihre Einteilung<br />

machten. Wegen der teilweise sehr knappen Rückmeldungen,<br />

findet das meist unmittelbar vor Beginn der Vorlesungszeit statt.<br />

Das liegt vor allem auch daran, dass Ergebnisse über das Bestehen<br />

oder nicht einer Staatsprüfung vom IMPP zum LPA gehen. Die<br />

Uni-Leitung muss dann dementsprechend die Studentendaten<br />

aktualisieren und gibt das dann an die Fakultät weiter. Ein Problem<br />

stellte sich aber dann auch als plötzlich das Dekanat größtenteils<br />

fehlerhafte Studentendaten bekam, wo über 100-jährige<br />

Studenten auftauchten und manch ein Student plötzlich in einem<br />

ganz anderen Semester eingeteilt war. Das Problem wird auch<br />

weiterhin bestehen, gerade auch in der Übergangszeit, denn wenn<br />

auch nur ein Student etwa das 1. Staatsexamen schreibt, muss die<br />

Uni-Leitung mit der Übermittlung der Daten warten bis sie weiß,<br />

ob der Student bestanden hat oder nicht. Selbst dann, wenn das<br />

keine Auswirkung auf seinen Stundenplan hat. Und so müssen<br />

dann alle warten. Das ist zwar sehr ärgerlich und für Studenten<br />

wie auch Fakultät frustrierend, aber auch schon wieder nicht<br />

sonderlich verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Bürokratie<br />

seltsame Blüten treiben kann (Physikums-Anmeldung? Nicht<br />

ohne Geburtsurkunde und Abi-Zeugnis).<br />

Dozentendaten<br />

So irrsinnig das auch klingen mag, liegen dem Dekanat nur Daten<br />

über die Dozenten der Vorklinik vor (also welcher Dozent wie<br />

viel Unterricht zu leisten hat). Die Daten für die Kliniken liegen<br />

auch nur diesen vor. Die Herausgabe der Daten sollte durch das<br />

MIT (Dienstleistungeinrichtung für <strong>Medizin</strong>isch-Administrative<br />

Informationstechnologie, früher OIT, geändert September 2003)<br />

erfolgen. Auch hier begann ein wirres Spiel um ein allzu<br />

bürokratisches Procedere, bei dem Datenschutzbeauftragte,<br />

Betriebsleiter und allerlei Gremien involviert sind. Trauriger Stand<br />

der Dinge ist, dass das Dekanat noch immer nicht weiß, welche<br />

Dozenten in den Kliniken welches Lehrdeputat haben.<br />

Und nun?<br />

Man hat die Studenten eingeteilt und Rücksprache mit den<br />

Instituten und Lehrstühlen gehalten, um die ordnungsgemäße<br />

Durchführung der Einteilung zu bewerkstelligen. Dabei gab es<br />

für die Vorklinik und die einzelnen Module je einen Sprecher, der<br />

sich um diese Koordinationsaufgaben kümmerte. Dabei benannte<br />

jedes Institut und jede Klinik einen Ansprechpartner, der<br />

zusammen mit dem zuständigen Sprecher arbeiten sollte, um die<br />

Organisation der Kurse auf die Beine zu stellen (vor allem<br />

inhaltlich, aber auch bezüglich der Mobilisierung von<br />

Kapazitäten). Die Sprecher wiederum hielten das Dekanat auf<br />

dem Laufenden. In dieser hierarchischen Gliederung wurde es<br />

möglich, trotz fehlender Daten die Einteilung doch noch zu<br />

vollziehen.<br />

Es ist unter solchen Umständen schwierig, so eine aufwändige<br />

Einteilung reibungslos durchzuführen. Daher kam es vor allem<br />

in den ersten Wochen zu Problemen und Bemängelungen der<br />

Studenten.<br />

Warum stimmt die Einteilung im MyMeCuM nicht?<br />

„Zuständig für die Organisation, die Durchführung des<br />

Anmeldeverfahrens und die Einteilung der Studenten in die<br />

scheinpflichtigen Lehrveranstaltungen des Ersten und des Zweiten<br />

Studienabschnittes sowie die Beratung hierüber ist das<br />

Studiendekanat der <strong>Medizin</strong>ischen Fakultät der Ludwig-<br />

Maximilians-Universität München.“ So sagt der §10 der<br />

Studienordnung (Fassung vom 01.12.2003). Und diese ist<br />

bindend. Wenn es also Diskrepanzen zwischen der Einteilung<br />

online und der „tatsächlichen“ Einteilung gibt, so liegt es entweder<br />

an den Instituten, die von der Einteilung abweichen, oder an<br />

§43-Härtefall-Studenten, die noch in Kurse untergebracht<br />

27<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


werden, wodurch sich Verschiebungen in der Einteilung der<br />

anderen Studenten ergeben können.<br />

Warum ist mein Kurs/Seminar/… ausgefallen?<br />

Die Abhaltung der Unterrichtsveranstaltungen ist nicht Aufgabe<br />

des Dekanats, sondern die des Lehrstuhls. Fällt allerdings etwas<br />

aus, so kann man es dem Dekanat melden (z.B. per Mail).<br />

Daraufhin wird dem nachgegangen.<br />

Ich möchte tauschen.<br />

Prinzipiell möchte das Dekanat den Studenten die Möglichkeit<br />

zum Tausch anbieten. Dieses Semester hat man diese Möglichkeit<br />

jedoch eingeschränkt aufgrund der vielen Probleme, die es bei<br />

der Einteilung gab, und der nicht absehbaren Probleme, die ein<br />

Tausch nach sich ziehen könnte. Bevor man also<br />

Tauschmöglichkeiten bewilligt, möchte man, dass erstmal alles<br />

richtig läuft. Fürs nächste Semester ist die Möglichkeit zum Tausch<br />

eingeplant.<br />

Warum sind alle Klausuren am Ende des Semesters statt nach den jeweiligen<br />

Blocks?<br />

Nach der <strong>neu</strong>en ÄAppO werden teilweise einige<br />

fächerübergreifende Scheine gefordert, die auch<br />

fächerübergreifende Prüfungen am Abschluss des Semesters<br />

erforderlich machen, wobei dies von den Modulsprechern mit<br />

den Ordinarien koordiniert wird. Der andere Punkt ist aber, dass<br />

die Klausurtermine von den Lehrstühlen selbst bestimmt werden.<br />

Wenn eine Klausur zum Ende eines Blockes angeboten wird, der<br />

mehrfach stattfindet, bedeutet das auch einen deutlichen<br />

Mehraufwand für den Lehrstuhl. Ob dieser Aufwand betrieben<br />

wird oder nicht, ist Entscheidung des Lehrstuhls selbst.<br />

Wer ist eigentlich für die Lerninhalte zuständig?<br />

Studien- und Approbationsordnung definieren den Rahmen der<br />

Fächer und deren Unterrichtsformen, die im Studium bewältigt<br />

werden müssen. Die Inhalte selbst werden von den Lehrstühlen<br />

festgelegt. Ihnen obliegt die Verantwortung, den Unterricht zu<br />

halten. Das MeCuM-Büro kümmert sich um Einteilung,<br />

Stundenplanung und Koordination, nicht aber, was gelehrt wird.<br />

Warum muss ich jetzt so viel lernen?<br />

Da die Inhalte vom Dekanat nicht vorgegeben werden können,<br />

erlaubt die Lehrfreiheit der Dozenten es ihnen auch, die Studenten<br />

zu fordern, wie es ihnen angemessen erscheint. Probleme gibt es<br />

dabei besonders, wenn beteiligte Institute sich nicht absprechen<br />

und ihre Lerninhalte aufeinander abstimmen, so dass es dazu<br />

kommen kann, dass die Studenten teilweise überfordert werden.<br />

Eine bessere Absprechung wäre wünschenswert, kann aber nicht<br />

gefordert werden.<br />

Wie werden die Lehrpraxen/Stationen zugewiesen?<br />

Sowohl die Lehrpraxen als auch die Stationen werden zufällig<br />

auf die Studenten aufgeteilt. Bei der Auswahl der Lehrpraxen<br />

selbst hat man sich daran gehalten, nur solche Praxen zu<br />

akquirieren, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln (vor allem U-<br />

Bahn) vernünftig erreichbar sind. Lehrpraxen von weiter<br />

außerhalb werden nicht für die ambu-Kurse verwendet, sondern<br />

nur für das Wahlfach und den PJ.<br />

Allerdings soll es Gerüchten zufolge auch Studenten geben, die<br />

in Lehrpraxen eingeteilt wurden, auf die das nicht zutrifft<br />

(„Augsburg“). Das muss nicht sein. Da wir dazu aber keine<br />

gesicherten Informationen haben, konnten wir dem nicht<br />

nachgehen. Daher bitten wir die Betroffenen sich bei uns zu<br />

melden, damit wir uns darum kümmern können:<br />

infos@fachschaft-medizin.de.<br />

Übrigens: von den insgesamt 2<strong>50</strong> Lehrpraxen, die benötigt<br />

werden, gibt es immerhin schon 1<strong>50</strong>. Die Praxen erhalten für den<br />

Lehrauftrag auch kein Geld, sondern den Titel „Lehrpraxis der<br />

LMU München“, Zugriff zu den Journals, die die Fakultät<br />

abonniert hat, und Qualifizierungspunkte.<br />

28<br />

Neues Buch – gutes Buch?<br />

HEINZ HAAGE<br />

<strong>Medizin</strong>isches Ausbildungsrecht<br />

Das <strong>neu</strong>e <strong>Medizin</strong>studium<br />

mit Bundesärzteordnung und Approbationsordnung<br />

Erstauflage 2003<br />

320 Seiten<br />

Shaker Verlag (www.shaker.de)<br />

ISBN: 3-8322-1161-6<br />

EUR 45,80<br />

Warum die Approbationsordnung so ist, wie sie ist...<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Die <strong>neu</strong>e Approbationsordnung hat vieles verändert. Und oft fragt<br />

man sich als Student, was man sich wohl dabei gedacht hat. Das<br />

Buch „Das <strong>neu</strong>e <strong>Medizin</strong>studium“ von Heinz Haage -im<br />

Bundesministerium für <strong>Gesundheit</strong> tätig und Mitverfasser der<br />

Approbationsordnung- erläutert Schritt für Schritt und sehr<br />

umfassend, was es mit den einzelnen Paragrafen auf sich hat.<br />

Trotz des juristischen Backgrounds liest sich der Text recht flüssig<br />

und bringt ob der vielleicht drögen Materie etwas Spannung mit<br />

sich. Schließlich kann man bei der Lektüre so manche Debatte und<br />

Diskussion herauslesen, die bei der Erstellung des <strong>neu</strong>en<br />

Gesetzestextes angefallen ist; und letztlich auch ihren Verlauf. Gerade<br />

Alle Rezensionen online:<br />

www.fachschaft-medizin.de/rezensionen<br />

dadurch bietet das Buch unschätzbares Hintergrundwissen, das eine<br />

sachlich fundierte Diskussion [erst] ermöglicht. Wie oft ärgert man<br />

sich schließlich über gewisse Paragrafen, ohne sie wirklich zu<br />

verstehen - und schon gar nicht, welche Daseinsberechtigung sie<br />

haben.<br />

Aber das Buch ist auch keine Verteigungsschrift. Es liefert einfach<br />

Fakten und hält sich in Bewertungen zurück.<br />

Wer also gerne mitreden möchte oder sich einfach nur mehr<br />

Information zur <strong>neu</strong>en Approbationsordnung wünscht, wird mit dem<br />

Buch bestens bedient.<br />

Sylvère Störmann


Wieso kriege ich keine Antwort, wenn ich dem Dekanat/MeCuM-Büro maile?<br />

Es gab eine Zeit, da war etwas faul und Mails kamen tatsächlich<br />

nicht an; das wurde aber behoben. Es werden aber alle Mails<br />

gelesen (Anm. d. Autors: Eine Mail mit dem Betreff „MeCuM-<br />

Underground“ jedoch wurde wegen des Titels noch vor dem Lesen<br />

gelöscht) und es geht auch keine Mail verloren (Anm. d. Autors:<br />

Die Mail wurde dann doch noch gelesen). Damit Studenten aber<br />

unbesorgt sein können ob des Erhalts ihrer Mail, ist von der<br />

<strong>Fachschaft</strong> angeregt worden, eine allgemeine Antwort im Sinne<br />

einer nicht automatisch erzeugten Empfangsbestätigung zu<br />

schicken (denn diese geben nicht das Gefühl, dass die Mail zur<br />

Kenntnis genommen wurde). Einmal in der Woche gibt es auch<br />

einen Mail-Beantworte-Tag, an dem Prof. Sutor und Frau<br />

Musialová alle Mails lesen und ggf. beantworten.<br />

Warum stehen meine Prüfungsergebnisse nicht im MyMeCuM?<br />

Zurzeit ist die datenschutzrechtliche Implikation noch nicht<br />

überprüft. Und wie alle solche Entscheidungen geht es nicht ohne<br />

den Segen eines Datenschutzbeauftragten, immerhin handelt es<br />

sich um sensible Informationen, die später auch mal auf dem<br />

Ärztlichen Zeugnis stehen. Es ist aber für die Zukunft angedacht<br />

(siehe unten).<br />

Wo werden die MeCuM-Scheine abgeholt?<br />

Im Dekanat, denn dadurch erhalten die Studenten nicht nur eine<br />

Ausgabestelle, die sie kennen, statt in vielen verschiedenen<br />

Instituten suchen zu müssen, sondern es bleibt auch die einzig<br />

vernünftige Möglichkeit, fächerübergreifende Scheine zu<br />

vergeben, da hier das Dekanat die Aufgabe übernimmt, die<br />

Teilleistungen, die an einzelnen Instituten erbracht wurden, zum<br />

fächerübergreifenden Schein zu koordinieren.<br />

Was ist mit den Harvard-Kursen passiert?<br />

Das Harvard-Projekt läuft nun aus, es wurde aber in die <strong>neu</strong>e<br />

Studienordnung inkorporiert. Tutorien, die ein fester Bestandteil<br />

des MeCuM sind, stellen die einzige Lehrveranstaltung in der<br />

<strong>neu</strong>en Studienordnung dar, die nicht von der<br />

Neues Buch – gutes Buch?<br />

Approbationsordnung so gefordert wird. Sie sind ein Bonus, der<br />

als Überrest der Harvard-Kurse in die <strong>neu</strong>e Studienordnung<br />

eingeflossen ist. Eine Übersicht der fest angesetzten Tutorien findet<br />

sich in den Anhängen der Studienordnung; es steht aber den<br />

Lehrstühlen frei, Tutorien mit in ihrem Unterricht zu integrieren<br />

(so tat es etwa der Lehrstuhl Anatomie I).<br />

Wird das Studium jetzt so bleiben wie es ist?<br />

Im Großen und Ganzen schon. Dennoch sind im „Testlauf“ einige<br />

Probleme und Schwierigkeiten aufgefallen, die man durch leichte<br />

Umstrukturierungen in Zukunft vermeiden möchte. Dies trifft<br />

vor allem auf die Vorklinik zu, wo mittlerweile die MeCuM-<br />

Studenten schon ihr zweites Studienhalbjahr bestreiten. So gibt<br />

es jetzt schon Ideen und Pläne, die Anatomie zu entzerren und<br />

anders als jetzt umgesetzt im Stundenplan zu verankern. Solche<br />

„Lernerfahrungen“ seitens der Organisation wird es auch in<br />

anderen Bereichen geben und sich mit der Zeit eine <strong>neu</strong>e Routine<br />

einpendeln. Wenn die Studenten auch mithelfen (z.B. über<br />

Evaluationen und sonstigem Feedback), dann wird eines Tages<br />

das MeCuM-Studium auch wirklich gut.<br />

Was bringt die MeCuM-online-Zukunft?<br />

Es hängt zunächst davon ab, wie viel Geld das Ministerium<br />

bewilligt, welche Erweiterungen noch finanziert werden können.<br />

Es gibt zahlreiche Pläne für die Erweiterung des Online-Angebots,<br />

allen voran die Möglichkeit zum Platztausch und der Online-<br />

Stellung von Prüfungsergebnissen. Aber dazu müssen noch<br />

zahlreiche Eingriffe an der Datenbank und auch an den Scripten<br />

vorgenommen werden, was wiederum Geld kostet<br />

(Programmierer sind nicht billig). Neben verbesserten<br />

Übersichtsplänen für den MyMeCuM-Bereich möchte man aber<br />

auch gerne Lernmaterialien online stellen. Das reicht von<br />

Vorlesungsfolien über Seminarinhalte, hin zu Fällen und Skripten.<br />

Schlichtweg alles, was dem Studenten im Studium begegnet soll<br />

er auch downloaden können. Ferner sollen alle Netzaktivitäten<br />

der Universität (Online-Fälle und dergleichen) gebündelt werden<br />

auf MeCuM online, damit Studenten eine zentrale Anlaufstelle<br />

auch im Internet haben, über die sie alles erreichen. Das sind<br />

große, utopisch anmutende Ideen, doch wenn es möglich sein<br />

sollte, wird man sich daran machen; vorausgesetzt die Dozenten<br />

spielen mit…<br />

29<br />

FRITZ BESKE<br />

Kieler Synopse<br />

Reformen im <strong>Gesundheit</strong>swesen<br />

Aktuelle Vorschläge aus Politik,<br />

Wissenschaft und Gesellschaft<br />

Reformkonzepte im <strong>Gesundheit</strong>ssystem für Hartgesottene<br />

Erstauflage 2002<br />

220 Seiten<br />

Deutscher Ärzte-Verlag<br />

(www.aerzteverlag.de)<br />

ISBN: 3-7691-3167-3<br />

EUR 44,95<br />

Prof. Fritz Beske, Direktor des Instituts für <strong>Gesundheit</strong>s-System-<br />

Forschung (Kiel), gehört zu den Koryphäen in punkto Analyse des<br />

<strong>Gesundheit</strong>swesen. Als unabhängiger Beobachter kennt er nur zu<br />

gut die Geschehnisse um das <strong>Gesundheit</strong>ssystem in Deutschland. Da<br />

in den letzten Jahren eben dieses heiß diskutiert wurde, fasst er in<br />

seinem <strong>neu</strong>en Buch zusammen.<br />

Doch die Lektüre gestaltet sich äußerst schwierig. Da Reformkonzepte<br />

von zahlreichen Parteien, Organisationen, Versicherungen und<br />

derweiteren vorgestellt werden, findet man im Buch nur<br />

stichpunktartige Zusammenfassungen, die eine bessere Kenntnis der<br />

Alle Rezensionen online:<br />

www.fachschaft-medizin.de/rezensionen<br />

Materie voraussetzen. So hilft das Buch vielleicht dem versierten<br />

Kenner einen besseren Überblick zu gewinnen, doch für den<br />

Durchschnittsstudenten bleibt es eher uninteressant. Zumal auf<br />

Reformen in der Ausbildung im <strong>Gesundheit</strong>swesen nicht eingegangen<br />

wird.<br />

Das Buch kann allen empfohlen werden, die gerne etwas mehr<br />

Hintergrundwissen suchen und sich mit aktuellen Reformvorschlägen<br />

befassen möchten. Wer derzeit noch damit beschäftigt ist, erstmal<br />

sein Studium zu schaffen, wird an diesem Buch keine Freude finden.<br />

Sylvère Störmann<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


Das PJ-Programm der LMU München<br />

Bernd Sutor<br />

Nach zehn Semestern <strong>Medizin</strong>studium kommt das Praktische Jahr (PJ). Damit endet die Zeit des „Hörsaalbank-<br />

Drückens“ und die Tore zur Welt des Klinikalltags öffnen sich. Mit Beginn des PJs ist das Ende des Studiums und<br />

damit auch die Approbation nicht mehr weit. Auch wenn man im PJ die ganze Zeit auf Station verbringt, so ist<br />

man doch immer noch Student. Und wo es Studenten gibt, sind auch Lehraufträge nicht weit. Die Studenten des<br />

vergangenen Harvard-PJ-Programms haben sich zu einer Projektgruppe zusammen geschlossen, um in Zusammenarbeit<br />

mit dem Dekanat ein Programm für das Praktische Jahr zu entwickeln, in dem klinischer Alltag und Lehre näher<br />

beschrieben werden. Es ist nicht nur ein Leitfaden für die Lehrenden, sondern insbesondere auch ein Anhaltspunkt<br />

für die Studenten, was sie im PJ erwartet und worauf sie auch ein Recht haben.<br />

Wochenplan<br />

Ein Wochenplan strukturiert die Arbeitszeit der Studierenden<br />

und gibt den Verantwortlichen der Stationen Planungssicherheit.<br />

Im Wochenplan soll festgelegt werden, zu welchen Zeiten die<br />

Studierenden zur Stationsarbeit anwesend sind, wann die<br />

Seminare und sonstigen Fortbildungsveranstaltungen statt finden<br />

und wann den Studierenden Zeit für das Eigenstudium gegeben<br />

wird. Ein Standard-Wochenplan könnte wie folgt aussehen:<br />

Orientierungstag<br />

Zu Beginn eines Tertials sollte ein Orientierungstag statt finden.<br />

Die Studierenden sollen während dieses Tages mit den allgemeinen<br />

und klinikspezifischen Gegebenheiten vertraut gemacht werden.<br />

Zudem sollte man die Erwartungen verdeutlichen, die während<br />

des kommenden Tertials an die Studenten gestellt werden. Zudem<br />

sollen die Studierenden ihren Ansprechspartner kennen lernen.<br />

Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag<br />

Studentenvisite<br />

Morgenbesprechung<br />

30<br />

Blutentnahme<br />

Stationsarbeit<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Seminar,<br />

Praxiskurs, etc.<br />

Kurvenvisite<br />

Studentenvisite<br />

Stationsarbeit<br />

Seminar,<br />

Praxiskurs, etc. Stationsarbeit Eigenstudium


Stationsarbeit<br />

Das Hauptelement der Stationsarbeit während eines Tertials ist<br />

die kontinuierliche tägliche Betreuung eines oder mehrer<br />

Patienten durch einen Studenten.<br />

Der Stationsarzt wählt einen <strong>neu</strong>en Patienten der Station aus<br />

und übergibt diesen zunächst an den Studenten.<br />

Der Student<br />

Notfall- und Akutversorgung<br />

Sofern die Voraussetzungen und Möglichkeiten in der jeweiligen<br />

Lehreinrichtung gegeben sind, sollten die Studierenden im<br />

Rahmen der Ausbildungsabschnitte Innere <strong>Medizin</strong>, Chirurgie<br />

und Wahlfach während 4 zusammenhängender Wochen in der<br />

Krankenhaus-Notaufnahme („Nothilfe“) ausgebildet werden, um<br />

fachspezifische und fächerübergreifende Notfallsituationen sicher<br />

zu erkennen und zu therapieren. Diese Maßgabe entfällt im<br />

Wahlfach Allgemeinmedizin.<br />

s<br />

s<br />

s<br />

s<br />

s<br />

erhebt eine vollständige Anamnese,<br />

führt eine komplette körperliche Untersuchung durch,<br />

dokumentiert schriftlich die hierbei gewonnenen<br />

Informationen,<br />

dokumentiert schriftlich eigene differentialdiagnostische<br />

Überlegungen,<br />

und stellt anschließend den Patienten dem Stationsarzt vor.<br />

Fortbildungsveranstaltungen und<br />

Seminarunterricht<br />

In den Lehreinrichtungen sollten nachfolgende Unterrichts- und<br />

Fortbildungsveranstaltungen im entsprechenden Umfang<br />

stattfinden:<br />

Im weiteren Verlauf<br />

s<br />

s<br />

s<br />

besucht der Student „seinen“ Patienten an jedem Morgen<br />

vor Beginn des Routine-betriebes auf Station<br />

(Studentenvisite). Der Studierende soll sich über das<br />

ak¬tuelle Befinden und die Ereignisse der Nacht informieren.<br />

Dieser Besuch beinhaltet auch eine fokussierte körperliche<br />

Untersuchung. Ein weiterer Besuch erfolgt am Abend;<br />

stellt der Student den Patienten bei der Visite vor. Der<br />

Studierende soll, soweit mög¬lich, für Oberärzte,<br />

Konsiliarärzte, Pflegekräfte und andere Assistenzberufe der<br />

pri¬märe Ansprechpartner sein;<br />

ist der Student für die vollständige und ordnungsgemäße<br />

Dokumentation des Verlau¬fes der stationären Behandlung<br />

mitverantwortlich (inkl. Laborbefunde, Pharmakothe¬rapie,<br />

andere Therapieformen, etc.);<br />

Lehrvisiten<br />

1x pro Woche<br />

Röntgen-Besprechung<br />

1x pro Woche<br />

s<br />

s<br />

s<br />

soll der Studierende in Entscheidungen bezüglich Diagnostik<br />

und Therapie eng einge¬bunden werden, wobei er<br />

angehalten ist, jeweils eigene Vorschläge zu machen.<br />

soll der Student, falls „sein“ Patient einer Operation<br />

unterzogen werden muß, bei die¬ser zumindest als<br />

Beobachter anwesend sein. Zudem soll der Student in die<br />

präopera¬tive Vorbereitung (inkl. Prämedikation), die<br />

postoperative Versorgung und in die Er¬stellung des OP-<br />

Berichtes eingebunden werden;<br />

soll der Studierende bei Entlassung des Patienten den<br />

Entwurf eines „Arztbriefes“ für den weiterbehandelnden<br />

Arzt erstellen und diesen mit dem Stationsarzt besprechen.<br />

Seminare<br />

Eigenstudium<br />

90 min pro Woche<br />

90 min pro Woche<br />

31<br />

Die Anzahl der auf diese Weise von einem Studenten betreuten<br />

Patienten ist natürlich vom Ausbildungsstand des Studierenden<br />

abhängig. Der Stationsarzt muss entscheiden, wieviele Patienten<br />

durch einen bestimmten Patienten betreut werden können.<br />

Sektionen<br />

Weitere Tätigkeiten auf Station<br />

Prinzipiell sollten den Studierenden während der Zeit, die für die<br />

Stationsarbeit vorgesehen ist, möglichst viele ärztliche Tätigkeiten<br />

demonstriert werden. Zudem sollten sie die Möglichkeit erhalten,<br />

diese Tätigkeiten praktisch zu erlernen und unter Aufsicht selbst<br />

durchzuführen, auch wenn diese Tätigkeiten nicht im<br />

Zusammenhang mit dem von Studenten betreuten Patienten<br />

stehen.<br />

In Kliniken und Krankenhäusern ist<br />

die Teilnahme an Sektionen und<br />

klinisch-pathologischen Konferenzen<br />

vorzusehen.<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


Während der Seminare erfolgt eine systematische Darstellung<br />

fachrelevanter Themen. In Lehrkrankenhäusern mit geringer<br />

Anzahl an Studierenden können die Seminare für die<br />

Studierenden aller Fachgebiete gemeinsam abgehalten werden.<br />

In ärztlichen Praxen und Einrichtungen der ambulanten ärztlichen<br />

Krankenversorgung werden keine Seminare angeboten. Die<br />

Studierenden sollen hier die Möglichkeit erhalten, Seminare an<br />

den Universitätskliniken oder in einem Lehrkrankenhaus der<br />

LMU besuchen zu können.<br />

Universitätskliniken und Lehrkrankenhäuser ermöglichen allen<br />

Studierenden des Praktischen Jahres die Nutzung der<br />

Fachbibliothek sowie des Internets. Das Eigentstudium soll Fallorientiert<br />

sein und dem Studierenden ermöglichen, das<br />

Krankheitsbild des von ihm täglich mitbetreuten Patienten<br />

systematisch zu erfassen. Studierende in ärztlichen Praxen und<br />

Einrichtungen der ambulanten ärztlichen Krankenversorgung<br />

erhalten die Möglichkeit, die Bibliotheken der Universitätskliniken<br />

oder der Lehrkrankenhäuser zu nutzen.<br />

Logbuch<br />

Jeder Studierende ist verpflichtet, während des Praktischen Jahres<br />

ein Logbuch zu führen. In dieses werden – anonymisiert –<br />

Anamnese und Befund der körperlichen Eingangsuntersuchung<br />

des von Studenten betreuten Patienten eingetragen. Über die<br />

morgendliche Kurzvisite bzw. über weitere Praxisbesuche sowie<br />

über die weitere Entwicklung des Patienten sollen Notizen verfasst<br />

werden (bei stationären Patienten täglich), die subjektives<br />

Befinden des Patienten, objektiv erhobene Befunde (z.B. „Labor“),<br />

eventuell Operationsberichte, eine Wertung all dessen und das<br />

geplante weitere Vorgehen beinhalten sollen. Das Logbuch kann<br />

als Leistungskriterium herangezogen werden.<br />

Zudem sollen die Studierenden dazu angehalten werden, aktuelle<br />

Fachliteratur, die im Bezug zu der Erkrankung des mitbetreuten<br />

Patienten steht, zu lesen und kurz darüber zu referieren.<br />

32<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Hintergrund - Die ÄAppO<br />

Hintergrund<br />

§3 Praktisches Jahr<br />

(1) Das Praktische Jahr nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 findet im letzten<br />

Jahr des <strong>Medizin</strong>studiums statt. Die Studierenden können das<br />

Praktische Jahr erst beginnen, wenn sie die Voraussetzungen nach<br />

§ 27 erfüllt haben. Es beginnt jeweils in der zweiten Hälfte der<br />

Monate April und Oktober. Die Ausbildung gliedert sich in<br />

Ausbildungsabschnitte von je 16 Wochen<br />

1. in Innerer <strong>Medizin</strong>,<br />

2. in Chirurgie und<br />

3. in der Allgemeinmedizin oder in einem der übrigen, nicht in<br />

den Nummern 1 und 2 genannten, klinischpraktischen<br />

Fachgebiete.<br />

(2) Die Ausbildung nach Absatz 1 wird in den Krankenhäusern der<br />

Universität oder in anderen von der Universität im Einvernehmen<br />

mit der nach Landesrecht zuständigen Stelle bestimmten<br />

Krankenhäusern oder, soweit es sich um das Wahlfach<br />

Allgemeinmedizin handelt, aufgrund einer Vereinbarung, in<br />

geeigneten allgemeinmedizinischen Praxen, ohne die zeitliche<br />

Begrenzung nach Satz 2, durchgeführt. Die Universitäten können<br />

je Ausbildungsabschnitt in die Ausbildung, aufgrund einer<br />

Vereinbarung, geeignete ärztliche Praxen und andere geeignete<br />

Einrichtungen der ambulanten ärztlichen Krankenversorgung in<br />

der Regel für die Dauer von höchstens acht Wochen einbeziehen.<br />

(3) Auf die Ausbildung nach Absatz 1 werden Fehlzeiten bis zu<br />

insgesamt 20 Ausbildungstagen angerechnet. Bei einer darüber<br />

hinausgehenden Unterbrechung aus wichtigem Grund sind bereits<br />

abgeleistete Teile des Praktischen Jahres anzurechnen, soweit sie<br />

nicht länger als zwei Jahre zurückliegen.<br />

(4) Während der Ausbildung nach Absatz 1, in deren Mittelpunkt<br />

die Ausbildung am Patienten steht, sollen die Studierenden die<br />

während des vorhergehenden Studiums erworbenen ärztlichen<br />

Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vertiefen und erweitern.<br />

Sie sollen lernen, sie auf den einzelnen Krankheitsfall anzuwenden.<br />

Zu diesem Zweck sollen sie entsprechend ihrem Ausbildungsstand<br />

unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden<br />

Arztes ihnen zugewiesene ärztliche Verrichtungen durchführen.<br />

Sie sollen in der Regel ganztägig an allen Wochenarbeitstagen im<br />

Krankenhaus anwesend sein. Zur Ausbildung gehört die Teilnahme<br />

der Studierenden an klinischen Konferenzen, einschließlich der<br />

pharmakotherapeutischen und klinisch-pathologischen<br />

Besprechungen. Um eine ordnungsgemäße Ausbildung zu sichern,<br />

soll die Zahl der Studierenden zu der Zahl der zur Verfügung<br />

stehenden Krankenbetten mit unterrichtsgeeigneten Patienten in<br />

einem angemessenen Verhältnis stehen. Die Studierenden dürfen<br />

nicht zu Tätigkeiten herangezogen werden, die ihre Ausbildung<br />

nicht fördern.<br />

(5) Die regelmäßige und ordnungsgemäße Teilnahme an der Ausbildung<br />

nach Absatz 1 ist bei der Meldung zum Zweiten Abschnitt der<br />

Ärztlichen Prüfung durch Bescheinigungen nach dem Muster der<br />

Anlage 4 zu dieser Verordnung nachzuweisen.<br />

(6) Wird in der Bescheinigung eine regelmäßige oder ordnungsgemäße<br />

Ableistung des Praktischen Jahres (Absatz 5) nicht bestätigt, so<br />

entscheidet die zuständige Stelle des Landes, ob der<br />

Ausbildungsabschnitt ganz oder teilweise zu wiederholen ist.<br />

§4 Durchführung des Praktischen Jahres<br />

in außeruniversitären Einrichtungen<br />

(1) Sofern das Praktische Jahr nach § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs.<br />

2 Satz 1 in Krankenhäusern, die nicht Krankenhäuser der Universität<br />

sind, durchgeführt wird, muss in der Abteilung, in der die Ausbildung<br />

erfolgen soll, eine ausreichende Anzahl von Ärzten sowohl für die<br />

ärztliche Versorgung als auch für die Ausbildungsaufgaben zur<br />

Verfügung stehen. Ferner müssen regelmäßige<br />

pathologisch-anatomische Demonstrationen durch einen Facharzt<br />

für Pathologie und klinische Konferenzen gewährleistet sein. Zur<br />

Ausbildung auf den Fachgebieten der Inneren <strong>Medizin</strong> und der<br />

Chirurgie sind nur Abteilungen oder Einheiten geeignet, die über<br />

mindestens 60 Behandlungsplätze mit unterrichtsgeeigneten Patienten<br />

verfügen. Auf diesen Abteilungen muss außerdem eine konsiliarische<br />

Betreuung durch nicht vertretene Fachärzte, insbesondere für<br />

Augenheilkunde, für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, für Neurologie<br />

und für diagnostische Radiologie oder Strahlentherapie sichergestellt<br />

sein.<br />

(2) Die Durchführung der praktischen Ausbildung setzt außerdem voraus,<br />

dass dem Krankenhaus den Ausbildungsanforderungen entsprechende<br />

Einrichtungen zur Verfügung stehen; insbesondere eine leistungsfähige<br />

Röntgenabteilung, ein leistungsfähiges medizinisches Laboratorium,<br />

eine medizinische Bibliothek, ein Sektionsraum und ausreichende<br />

Räumlichkeiten für Aufenthalt und Unterrichtung der Studierenden.<br />

(3) Für die Durchführung der praktischen Ausbildung in ärztlichen Praxen<br />

und anderen Einrichtungen der ambulanten ärztlichen<br />

Krankenversorgung nach § 3 Abs. 2 legen die Universitäten die<br />

Anforderungen im Einvernehmen mit der nach Landesrecht<br />

zuständigen Stelle fest.<br />

Eine kommentierte Übersicht im Vergleich zur alten ÄAppO findet man unter folgendem URL:<br />

http://www.approbationsordnung.de/AO/kommentare.html#3


Versuchsreihe MeCuM<br />

Sebastian Schmid<br />

"Was, ihr habt schon im ersten Semester Präpkurs?" fragt mich<br />

ein Zweitsemester. "Ja, wir haben doch eine <strong>neu</strong>e Studienordnung,<br />

das Mecum und so..." - "Und? Wie ist das so?"<br />

Gute Frage. Wir Erstsemester sind die Versuchskaninchen der<br />

<strong>neu</strong>en Approbationsordnung, die mit einigen alten Gewohnheiten<br />

aufräumt. Auf der reformierten Approbationsordnung (abgekürzt<br />

ÄAppO oder einfach nur AO) basiert hier in München das MeCuM<br />

(<strong>Medizin</strong>isches Curriculum München), das geschaffen wurde, um<br />

uns angehende Ärzte praxisnäher und problemorientiert zu<br />

unterrichten. Dabei sollen auch -natürlich- die ethischen und<br />

sozialen Kompetenzen ausgebildet werden. Sofern so etwas<br />

überhaupt geht. Zugleich wurde das Studienjahr eingeführt, so<br />

dass zum Wintersemester etwa 7<strong>50</strong> Leute auf einmal mit ihrem<br />

Studium der Humanmedizin anfingen. Das ist die<br />

"Versuchsanordnung" und wir sind die Versuchsobjekte. Nun<br />

dürfen wir einige süße und einige bittere Pillen schlucken, auf<br />

dass wir später einmal nicht die berühmten und berüchtigten,<br />

engstirnigen Fachidioten werden.<br />

Der erste "Versuch" und das wahrscheinlich auffälligste Merkmal<br />

des MeCuM ist der Blockunterricht: Das erste Semester bestand<br />

fast ausschließlich aus Anatomie (von kleinen Ausnahmen<br />

abgesehen). Der Tag begann mit funktioneller Morphologie, es<br />

folgte einmal die Woche der Histokurs samt Vorlesung, danach<br />

präpkursbegleitende Vorlesung und schließlich auch der Präpkurs<br />

selbst. So hallte "Ursprung! Ansatz! Innervation!" bis in die Träume<br />

hinein nach. Die Überlegung dahinter ist einfach zu verstehen:<br />

Wer sich den ganzen Tag mit ein und derselben Sache beschäftigt,<br />

wird zwangsläufig oder eher hoffentlich einen Grundstock an<br />

Wissen erwerben. Dass Kurs und Vorlesung parallel zueinander<br />

abliefen, sollte ein zusätzlicher Anreiz sein, die Vorlesungen zu<br />

besuchen, denn, wie unser hoch verehrter Prof. Putz gerne sagt,<br />

gilt: "Man sieht nur, was man weiß!" Das Konzept ging auch auf,<br />

der Anatomiesaal war immer gut gefüllt.<br />

Aufgrund der vielen Studenten reichte aber ein Vorlesungssaal<br />

nicht aus. Daher wurden die Vorlesungen meist im Anatomischen<br />

Hörsaal gehalten und konnten per Videoübertragung auch im<br />

Pharma-Hörsaal miterlebt werden. Allerdings gehörte dies zu den<br />

misslungenen Versuchen dieses Reformstudiums. Mal fehlte der<br />

Ton, mal das Bild, mal beides, oder die Folien der Vortragenden<br />

konnten nur dunkel und ohne Kontraste übertragen werden. Bei<br />

komplexeren Schaubildern konnte kein Mensch mehr als die<br />

Überschriften entziffern und so erübrigte sich das Thema<br />

"Vorlesung per Videoübertragung" recht schnell. Es gab zwar<br />

Esis, die weiterhin gerne in den Pharmasaal gingen, allerdings<br />

vermutlich mehr aus Gründen des Socialising. Man kann dort<br />

sehr gemütlich frühstücken und plaudern…<br />

Wenn man von den technischen Mängeln zu den Segnungen des<br />

MeCuM übergeht, dann sticht einem der Longitudinalkurs ins<br />

Auge, einer Ringvorlesung, die den Blick von Muskeln und<br />

Knochen in höhere Sphären lenken soll. Im ersten Semester<br />

wurden dem Arztberuf in weitesten Sinn assoziierte Themen<br />

angesprochen, beispielsweise Ethik und Philosophie in der <strong>Medizin</strong><br />

oder gar Molekularbiologie. Die Vortragenden kommen aus ihren<br />

jeweiligen Fachgebieten, die Vorträge sind oft interessant und<br />

eine kleine, aber konstante Zuhörerschaft (etwa 90 Leute) lauschte<br />

im vergangenen Semester mehr oder weniger gebannt. Ganz harte<br />

Kommilitonen schrieben sogar noch bei "<strong>Medizin</strong> und Religion"<br />

mit. Später sollen im Rahmen des L-Kurses Anamnesetechniken<br />

erlernt werden und erste Kontakte mit der Klinik geknüpft werden,<br />

um die strikte Trennung von Klinik und Vorklinik etwas<br />

abzumildern.<br />

Trotz der vielen und teilweise auch berechtigten Kritik, die am<br />

MeCuM geübt wird, hat man in den meisten Fällen den<br />

angenehmen Eindruck, dass der Unterricht etwas mit dem<br />

Arztberuf zu tun hat und nicht reiner Selbstzweck ist. Hin und<br />

wieder gab es zur Abrundung des Ganzen klinische Showeinlagen,<br />

nach dem Motto "Wozu muss ich das Wissen?" Da wurde dann<br />

erläutert, in welchem klinischen Zusammenhang gerade Gelerntes<br />

steht.<br />

Trotzdem herrschte bei manchen Themen und Vortragenden<br />

gähnende Lehre im Vorlesungssaal. Der hoffnungsvoll<br />

ausharrende Esi fragte sich dann, wie er ohne vorheriges<br />

Biostudium auch nur ein einziges Wort verstehen sollte und<br />

schickte Stoßgebete gen Himmel, auf dass die dargestellten Inhalte<br />

bloß nicht im nächsten Testat drankomme.<br />

Die bitterste Pille des <strong>neu</strong>en Studiums gemäß AO bleibt jedoch<br />

die Verlängerung des Pflegepraktikums. Statt der bisherigen zwei<br />

darf mittlerweile der <strong>Medizin</strong>student von heute gleich drei Monate<br />

im Krankenhaus tätig werden, als billige Aushilfskraft. Da jeweils<br />

mindestens ein Monat am Stück abgeleistet werden muss,<br />

bedeutet das noch weniger Semesterferien und noch mehr<br />

Planungsstress. Denn irgendwie muss man ja das Pflegepraktikum<br />

zwischen die anderen Praktika gequetscht bekommen. Es bleibt<br />

dabei fraglich, ob man nach drei Monaten Pflege und<br />

Bettpfannenwaschen größere Erkenntnisse gewonnen hat als<br />

nach zwei Monaten. Irgendwer hat sich zwar sicherlich etwas<br />

dabei gedacht; den engen Zeitplan der Studenten hat er aber<br />

vermutlich vergessen.<br />

Schließlich fanden am Ende des Semesters während der<br />

vorlesungsfreien Zeit sowohl Chemie- als auch Biopraktikum statt.<br />

Der "vorlesungsfreie Zeit" wurde jedoch ihrem Namen nicht<br />

wirklich gerecht. Obwohl<br />

sich die Dozenten der<br />

Chemie redliche Mühe<br />

gaben und einen<br />

d i d a k t i s c h<br />

hervorzuhebenden<br />

Unterricht boten, fand die<br />

Vorlesung eben in der<br />

Zeit statt, die von solchen<br />

eigentlich frei sein sollte.<br />

Was das Biopraktikum<br />

angeht, hatten diejenigen,<br />

die zu spät erfuhren, dass<br />

man sich nur im Internet<br />

für die Praktika<br />

anmelden konnte, das<br />

Nachsehen. So<br />

verbrachte so manch<br />

einer noch ein paar Tage<br />

mehr im Labor, während<br />

die anderen sich schon<br />

darauf freuen dürfen, im<br />

Hochsommer in einem<br />

Labor sitzen zu dürfen,<br />

wo<br />

aus<br />

Sicherheitsgründen die<br />

Fenster nicht geöffnet und wider der Sicherheit Bunsenbrenner<br />

gerne mal angelassen werden (wie man so hört). Doch wie so<br />

berichtet wird, wurde versucht, in kürzester Zeit so ziemlich den<br />

gesamten Stoffumfang der Biologie näher zu bringen. Nun ja, mal<br />

schauen. Ich bin im Sommer dabei.<br />

Alles in allem jedoch scheint der Versuch "MeCuM" gut gelungen<br />

zu sein. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, wie man so<br />

schön sagt. Das honorierte auch schon die Wochenzeitung "Die<br />

Zeit" mit einer lobenden Erwähnung von München als eine der<br />

Vorreiter-Unis bei der Umsetzung der AO. Nun stellt sich nur<br />

noch die bange Frage, ob die Uni das Mecum in finanzieller<br />

Hinsicht durchhalten kann. Angesichts der pechschwarzen<br />

Wolken und dem politischem Regenwetter ist das ungewiss; man<br />

kann nur hoffen, dass der Nutzen gut ausgebildeter Ärzte bald<br />

erkannt wird…<br />

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<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

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MeCuM-Online meets Medi-Board<br />

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<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

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Titel: MeCuM FLOP!!!! Ganz tolle Sache *Ironie*<br />

Beitrag von: xyz am 23. April 2004, 18:25:47<br />

Ich bin sauer! Richtig sauer! Und ich hoffe Prof. Sutor liest das<br />

hier!<br />

Ene Woche Mecum Modul II ist vorbei und noch immer nichts<br />

funktioniert richtig! Die Kursleiter haben keine Kurslisten, man<br />

sitzt aufm Gang und wartet ewig weil keiner der Docs für uns<br />

Studenten Zeit hat und vom L-Kurs mal ganz zu schweigen...<br />

Was mich aber am meisten nervt: Prof. Sutor hält sich NICHT an<br />

seine Versprechen! Auf der Infoveranstaltung hat er angekündigt<br />

man könne zwischen Innenstadt und Großhadern tauschen.<br />

Okay, so wollte ich und mein Tauschpartner es machen. Und was<br />

ist? NIX GEHT! Angeblich kann man das in der Datenbank nicht<br />

ändern. HAHAHAHA! Also soviel Ahnung hab ich nun auch um<br />

zu wissen dass sowas ohne Problme geht. VORAUSGESETZT<br />

MAN WILL!!!! Ich unterstelle jetzt einfach mal dem<br />

Dekanat,stellvertretend Prof. Sutor als Programmleiter MeCuM,<br />

dass die einfach keinen Bock haben, warum auch immer!<br />

Entweder müssten wir wählen können ob Innenstadt oder Großhadern,<br />

oder eben tauschen dürfen wenn die erste Lösung im<br />

Vorfeld zu viel Aufwand ist. Aber eine willkürliche Einteilung<br />

und dann auch noch so eine Verhaltensweise uns gegenüber an<br />

den Tag bringen, man kommt sich vor wie ein Stück Vieh das nix<br />

zu meden hat sondern schön brav ja und amen zu allem sagen<br />

muss. Hallo, geht's noch???<br />

Ich sehe ja ein dass die Einführung von MeCuM Probleme bereitet<br />

hat, muss aber auch sagen dass schon lange bekannt war dass<br />

es MeCuM geben wird. Wenn man dann bis zum letzten Tag wartet,<br />

dann frage ich mich echt was da mit der Planung schief lief.<br />

Man kann eine Datenbank auch erstellen ohne die Namenslisten<br />

der Studenten zu haben. Sowas kann man dann kurzfristig nachtragen...<br />

Ach was reg ich mich auf! Ich bin ja selber Schuld. Ich hätte zum<br />

SoSe nach Düsseldorf in meine Heimat zurückwechseln können,<br />

habe es aber nicht gemacht weil ich mich auf MeCuM gefreut<br />

hatte und mir echt viel darunter versprochen habe. Leider wurde<br />

ich von dem Dekanat, der med. Fakultät und Prof. Sutor enttäuscht...<br />

Titel: Re:MeCuM FLOP!!!! Ganz tolle Sache *Ironie*<br />

Beitrag von: Prof. Lackner am 29. April 2004, 16:45:25<br />

Sehr geehrter XYZ,<br />

ich weiß nicht ob Herr Kollege Sutor Ihren thread gelesen hat,<br />

aber ich habe es. Ich bedauere es, dass Sie MECUM als "Flop"<br />

beurteilen und sich über den Online-Dienst geärgert haben.<br />

Als Verantwortlicher dieser Datenbank der Fakultät bin ich gerne<br />

bereit in einem persönlichen Gespräch Ihnen den Gesamtkomplex<br />

der hier zum Tragen kommt zu erläutern.<br />

Bei dieser Gelegenheit können Sie gerne allen unseren DB-Informatiker<br />

und Sicherheitsspezialisten Ihr ORACLE-DB-Wissen und<br />

LINUX-Know-How anbieten und mit diesen Kollegen über den<br />

gerügten relationalen DB-Entwurf diskutieren (wer die Lippen<br />

stülpt sollte dann auch pfeifen).<br />

Am besten Sie bringen schon mal ein draft Ihres Entwurfes mit.<br />

Wir werden eine Rechnerumgebung bereit halten und Sie zeigen<br />

uns dann einfach wie Sie es besser machen würden.<br />

Würde mich sehr freuen bald von Ihnen nicht anonym zu hören.<br />

mfg :-)<br />

CK Lackner<br />

Titel: Re:MeCuM FLOP!!!! Ganz tolle Sache *Ironie*<br />

Beitrag von: lmustudent1980 am 29. April 2004, 18:03:55<br />

Sehr geehrter Herr Prof. Lackner,<br />

wahrscheinlich ist keinem damit geholfen, über <strong>neu</strong>e<br />

Implementationsmöglichkeiten in Linux und Oracle zu diskutieren.<br />

Es liegt in der Natur der Sache, dass große Datenbanken<br />

(wenn auch Oracle basiert) mit Web-Frontend zu Schwierigkeiten<br />

in der Initiationsphase führen. Aber genau dafür gibt es doch<br />

computerbasierte alpha- und anschließend an Experimentalgruppen<br />

durchgeführte beta-Tests. Erst dann ist das „Produkt“<br />

marktreif. Hat dieser Ablauf bei Mecum stattgefunden?<br />

Desweiteren stellen sich bei mir alle Nackenhaare auf, wenn ich<br />

daran denke, dass in naher Zukunft auch Klausurergebnisse über<br />

Mecum-Online abrufbar sein werden:<br />

Komplett unverschlüsselt (ohne SSL) und für jeden Netzwerk-<br />

Sniffer in Plain-Text lesbar.<br />

So wie bereits jetzt all meine persönlichen Daten (inkl. Matrikelnr.)<br />

als auch meine Studiensemesterzahl bei jedem Login munter durch<br />

das Internet wandern.<br />

(Man verschickt ja seine Post auch in verschlossenen Umschlägen!)<br />

Dies grenzt für mich an Unwissenheit, Blauäugigkeit bzw. schlampige<br />

Planung.<br />

Linux-Oracle-Profis hin oder her!<br />

Das geht auch anders!<br />

Aber leider bin ich nur unwissender <strong>Medizin</strong>student (mit etwas<br />

Datenbank-Erfahrung) und werde weiterhin das, zumindest optisch<br />

gelungene, Web-Frontend "Mecum-Online" als meinen persönlichen<br />

Infopoint nutzen............müssen.<br />

mfg<br />

LMU-Student<br />

Titel: Re:MeCuM FLOP!!!! Ganz tolle Sache *Ironie*<br />

Beitrag von: lmustudent1980 am 29. April 2004, 18:10:59<br />

Ach ja, sie wollen ja konkrete Verbesserungsvorschläge:<br />

Für eine sicherere Datenübertragung eignen sich folgende Protokolle:<br />

„Short for Secure Sockets Layer, a protocol developed by<br />

Netscape for transmitting private documents via the Internet.<br />

SSL works by using a private key to encrypt data that's transferred<br />

over the SSL connection. Both Netscape Navigator and<br />

Internet Explorer support SSL, and many Web sites use the<br />

protocol to obtain confidential user information, such as credit<br />

card numbers. By convention, URLs that require an SSL<br />

connection start with https: instead of http:.<br />

Another protocol for transmitting data securely over the World<br />

Wide Web is Secure HTTP (S-HTTP). Whereas SSL creates a<br />

secure connection between a client and a server, over which any<br />

amount of data can be sent securely, S-HTTP is designed to transmit<br />

individual messages securely. SSL and S-HTTP, therefore, can<br />

be seen as complementary rather than competing technologies.<br />

Both protocols have been approved by the Internet Engineering<br />

Task Force (IETF) as a standard.“<br />

Titel: Re:MeCuM FLOP!!!! Ganz tolle Sache *Ironie*<br />

Beitrag von: zitat am 29. April 2004, 20:01:20<br />

"Jedoch der schrecklichste der Schrecken,<br />

das ist der Mensch in seinem Wahn."<br />

Friedrich von Schiller


<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Titel: Re:MeCuM FLOP!!!! Ganz tolle Sache *Ironie*<br />

Beitrag von: xyz am 29. April 2004, 21:18:31<br />

Sehr geehrter Hr. Prof. Lackner,<br />

erstmal müsste Ihre Anrede "sehr geehrte xyz" heissen, ich besitze<br />

definitiv zwei X-Chromosomen! Aber egal, Scherz beiseite.<br />

Ich habe mich nicht über den Online Dienst geärgert, da anzufangen<br />

hätte mir ein Magengeschwür eingebracht. Gibt ja auch<br />

wichtigeres und andere Wege seine Kurse ausfindig zu machen.<br />

Ich habe mich geärgert, dass uns von Prof. Sutor MEHRMALS<br />

Versprechungen gemacht wurden die Prof. Sutor nun nicht halten<br />

will bzw. sich „nicht erinnern kann“.<br />

Gut, wenn es mit MeCuM administrative Probleme gibt, dann ist<br />

das eben so. Aber sich hinzustellen und zu sagen es interessieren<br />

einen nicht was Studenten wollen und es wäre einem scheissegal<br />

was man für Gründe für welche Wünsche auch immer anbringt,<br />

das ärgert mich!!! Prof. Sutor wird wohl seine Gründe haben,<br />

aber dann soll er sie nennen, vielleicht kapieren ja auch die dummen<br />

Studenten die Hintergründe. Wir sind nämlich keine Schaafe<br />

im MeCuM-Stall! Ein gewisses Maß an Würde und Respekt wäre<br />

angebracht, was leider nicht zu verzeichnen ist.<br />

Von Datenbanken und dem Computer-Fachchinesisch habe ich<br />

echt keine Ahnung (Doppel-X), aber es leuchtet mir nicht ein,<br />

warum man nicht einen Namen löschen kann und mit einem anderen<br />

ersetzen kann, dazu brauchts Buchstabentasten (und zwar<br />

auch nicht alle, sondern nur die, die in den beiden Namen vorkommen)<br />

und die beiden tasten "Entf" und "Enter", und schon<br />

sind alle zufrieden! Man verlangte ja nicht eine Umstellung der<br />

Kurse, die sind ja bei A und B gleich!<br />

Gut. Mittlerweile bleibt mir nichts anderes übrig als die Tatsache<br />

schwer enttäuscht hinzunehmen. Den Anlass weswegen ich tauschen<br />

wollte kann ich nun definitiv vergessen, viel Zeit, Geld und<br />

Mühe ist dahin. MeCuM sein dank...<br />

Und dann erwarten Sie dass ich MeCuM nicht als Flopp bezeichne<br />

und laden mich ein mit Ihnen persönlich zu sprechen? Was<br />

soll das bringen?<br />

Titel: Re:MeCuM FLOP!!!! Ganz tolle Sache *Ironie*<br />

Beitrag von: Doc am 02. Mai 2004, 19:17:17<br />

Sehr geehrter Herr Lackner,<br />

schade, dass Sie Ihre DB-Probleme (noch) nicht in den Griff bekommen<br />

haben. Wenn Sie allerdings schon die Hilfe von <strong>Medizin</strong>studenten<br />

einfordern, kann ich daraus nur schließen, dass Sie<br />

offenbar mit der Aufgabe überfordert zu sein scheinen. Suchen<br />

Sie sie doch bitte kompetente Berater auf diesem Gebiet. Das<br />

ehemalige Refat "Internet und virtuelle Hochschule" der LMU<br />

sollte Ihnen zumindest einen ersten Kontakt für die Möglichkeiten<br />

einer funktionierenden Realisierung bieten können.<br />

Wir Studenten sind schließlich nicht dafür verantwortlich, dass<br />

verwaltungstechnische Bereiche entsprechend funktionieren.<br />

Desweiteren möchte ich Sie bitten bei Ihrem Implementation<br />

auch die Anforderungen des Bundesdatenschutzgesetzes zu beachten.<br />

Ein Portal, dass sensible Nutzerdaten in plaintext überträgt<br />

ist bei weitem nicht mehr zeitgemäß und rechtlich mehr als<br />

fraglich.<br />

Nichts des do trotz kann ich Ihren Frust verstehen. Sie sind wahrscheinlich<br />

eben so wie wir Studenten von der <strong>neu</strong>en Studienordnung<br />

in den Auswirkungen überrascht worden und mußten<br />

in zu kurzer Zeit eine Lösung anbieten. Ich hoffe, dass Sie zu<br />

unser aller Vorteil die aktuellen Probleme schnell in den Griff<br />

bekommen.<br />

Titel: Re:MeCuM FLOP!!!! Ganz tolle Sache *Ironie*<br />

Beitrag von: HIHI am 03. Mai 2004, 01:43:21<br />

Tja, da hats wohl den guten Prof. „POLYTRAUMA“ Lackner<br />

zerlegt...<br />

Ich glaub dem sein Problem besteht einfach darin dass er nicht<br />

genug „Schwachmaten“ (Danke an Prof. Putz fuer dieses Wort)<br />

angestellt hat um DATEN einzutippen...<br />

Wie soll ein MEDIZINSTUDENT dem seine DATENBANK Probleme<br />

loesen... (Haetten SIE mal am ANFANG der Semesterferien<br />

gepostet haett ich IHNEN ja geholfen... ;) )<br />

Zugegeben die Seite sieht ganz niedlich aus, aber ein FUNKTIO-<br />

NIEREN nen Tag VOR Semesterbeginn ist einfach zu wenig...<br />

(Wenn ueberhaupt, was man so hoert...)<br />

Ich persoehnlich stoere mich an der depperten Menue fuehrung...<br />

und der fehlenden Moeglichkeit Daten in andere<br />

Programme (MS Outlook, Palm OS) zu importieren...<br />

HIHI<br />

Wuensch Euch noch viel Spass bei diesem Schwachsinn...<br />

Titel: Re:MeCuM FLOP!!!! Ganz tolle Sache *Ironie*<br />

Beitrag von: Prof. Tśhober am 05. Mai 2004, 22:17:15<br />

Sehr geehrter HIHI,<br />

ich weiß, dass Herr Kollege Lackner Ihren thread gelesen hat,<br />

aber ich habe es nicht. Ich bedauere es, dass Sie MECUM als<br />

„Top“ beurteilen und sich über den Online-Dienst gefreut haben.<br />

Als Verantwortlicher dieses Fließgleichgewichtes der Fakultät bin<br />

ich gerne bereit in einem persönlichen Gespräch Ihnen den gesamten<br />

Komplex des hier zum Erliegen gekommenen Stromes zu<br />

erläutern.<br />

Bei dieser Gelegenheit können Sie gerne allen unseren FGG-<br />

Paddlern und Ruderern Ihr Nimbus 2000-Wissen und SEHNIX-<br />

Know-How anbieten und mit diesen Kollegen über den gerügten<br />

irrationalen FGG-Entwurf diskutieren (wer die Lippen wölbt, sollte<br />

dann auch blasen).<br />

Am besten Sie bringen schon mal einen Mast Ihres Entwurfes<br />

mit. Wir werden ein Floß bereit halten und Sie zeigen uns dann<br />

einfach wie Sie besser paddeln würden.<br />

Würde mich sehr freuen bald von Ihnen nichts mehr zu hören.<br />

Mfg<br />

B. TŚhober<br />

35


Wer ist eigentlich...?<br />

Samuel Shem<br />

Tobias Benthaus<br />

Er ist verheiratet mit Janet Surrey, die als Psychologin arbeitet.<br />

Zusammen haben sie eine Tochter und leben an der Ostküste<br />

der USA. Surrey and Bergman arbeiten und publizieren auf<br />

dem Gebiet der zwischenmenschlichen Beziehungen, vor allem<br />

der Konflikte zwischen Mann und Frau (Aktueller Buchtitel:<br />

Alphabet der Liebe – Warum Mann und Frau doch<br />

zusammenpassen).<br />

Das Buch House of God hat bei seinem Erscheinen 1978 zu<br />

sehr großer Verstimmung geführt, weil es die Probleme im<br />

Umgang mit Patienten, gerade älteren und dementen,<br />

schonungslos thematisiert. Gerade der Bezug zum <strong>Medizin</strong>alltag<br />

ist es, der dem Buch seine Brisanz verlieh und immer noch verleiht<br />

– mit zunehmender Überalterung der Bevölkerung sind die<br />

angesprochenen Probleme in der Geriatrie (Altersheilkunde)<br />

aktueller denn je.<br />

Erstaunlich lange dauerte es, bis das Buch in Deutschland verlegt<br />

wurde. Seit 1995 gibt es auch eine deutsche Ausgabe, die sich<br />

ebenso gut verkauft, wie die Originalausgabe. Insgesamt wurden<br />

von House of God bislang eineinhalb Millionen Exemplare<br />

verkauft.<br />

Der Autor des Vorworts dieser Ausgabe, Samuel Shem, ist der<br />

Autor des Buches House of God höchstpersönlich.<br />

Sein richtiger Name ist Stephen Bergman und im richtigen Leben<br />

ist er Professor für Psychiatrie an der Harvard Medical School.<br />

Neben House of God sind von Samuel Shem erschienen: Mount<br />

Misery (erschienen 2000), Doctor Fine (erschienen 2000) und<br />

Orvilles Heimkehr (2001). In allen Büchern dreht es sich um<br />

die Zustände im <strong>Medizin</strong>betrieb und auch deren Auswirkungen<br />

auf das Leben der Ärzte.<br />

Aus dem <strong>Synapse</strong>-Archiv<br />

36<br />

Samuel Shem<br />

Mount Misery<br />

686 Seiten<br />

ISBN 3-426-61460-X<br />

Droemer Knaur (www.droemer-knaur.de)<br />

EUR 9,90<br />

.<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Nachfolger und Fortsetzung von House of God. Schauplatz ist<br />

diesmal die Psychiatrie in den USA. Wie der Vorgänger<br />

schockierend,allerdings kommt er qualitativ nicht an diesen<br />

heran, dafür ist er manchmal einfach zu übertrieben (hoffentlich).<br />

Wer House of God gelesen hat (was zur Pflichtlektüre für<br />

<strong>Medizin</strong>studierende gehören sollte) ahnt, was ihn im Folgeroman<br />

erwartet: Diesmal ist eine psychiatrische Klinik das Schlachtfeld<br />

für überforderte Assistenzärzte, zynische Chefs und hilflose<br />

Patienten. Dr. Roy Basch, die Hauptfigur aus House of God, hat<br />

den Absprung in die Psychiatrie geschafft, in der Hoffnung, hier<br />

wirklich Menschen helfen zu können. Was er erlebt, ist allerdings<br />

mindestens so deprimierend wie in der Inneren <strong>Medizin</strong>, wo er<br />

vorher war: Chefärzte, die nur am Beweis ihrer Theorien<br />

interessiert sind und dabei mindestens genauso krank wie ihre<br />

Patienten erscheinen; Patienten, die mit Psychopharmaka<br />

vollgestopft werden und oft nur aus einem Grund in der Klinik<br />

sind: weil ihre Versicherung hoch genug ist; und die Assistenten,<br />

die eigentlich nur alles falsch machen können, völlig überfordert<br />

Weitere Ausgaben online:<br />

www.fachschaft-medizin.de/synapse<br />

sind und sich dabei noch mit diversen privaten Problemen<br />

herumschlagen müssen.<br />

Im Stil genauso geschrieben, kommt das Buch meiner Meinung<br />

nach dennoch nicht an den Vorgänger heran. Erschien dieser<br />

noch schokkierend, aber doch realistisch bzw. die Realität im<br />

Krankenhaus überspitzt schildernd, wird die Psychiatrie hier als<br />

völlig perverse Welt dargestellt.<br />

Eine Unglaublichkeit reiht sich an die nächste, aufgelockert nur<br />

von privaten, sprich sexuellen Abenteuern der Protagonisten, und<br />

der Autor scheint bemüht, alle Gerüchte über die Psychiatrie<br />

nicht nur zu bestätigen, sondern noch zu übertreffen.<br />

Auch hierin steckt sicherlich eine Menge Wahrheit über die Arbeit<br />

in einer psychiatrischen Klinik, dennoch kann ich nur hoffen,<br />

dass sie völlig überzogen dargestellt ist.<br />

Trotz dieser Kritik ist es aber für <strong>Medizin</strong>er oder solche, die es<br />

werden wollen, interessant zu lesen, und vielleicht überlegt sich<br />

der eine oder andere ja nochmal, ob die Psychiatrie wirklich das<br />

richtige Fach ist... Daniel Walz, <strong>Synapse</strong> 39, Juni 1999


Das House of God<br />

Elisabeth Englram<br />

Braucht es dafür eine Rezension? Muss man dazu noch etwas<br />

sagen? Wirklich? Wahrscheinlich nicht. Denn seit seinem<br />

Erscheinen im Jahre 1978 ist das "House of God" von Samuel<br />

Shem zum Kultbuch unter angehenden <strong>Medizin</strong>ern avanciert.<br />

Allerspätestens bis zum Physikum haben es wohl die meisten<br />

gelesen und der Rest weiß zumindest vom Hörensagen, was ihm<br />

da entgeht. Dies ist keine Rezension, um ein gutes, aber<br />

unbekanntes Buch vorzustellen. Für die allermeisten wird dies<br />

eine liebevolle Erinnerung an ihre eigene Lektüre sein - und falls<br />

jemand, der es noch nicht gelesen hat, <strong>neu</strong>gierig werden sollte,<br />

umso besser!<br />

Psychiatrie. Nein, nicht als Patienten, so schlimm steht es mit den<br />

Jungs dann doch wieder nicht und zwar dank eines<br />

bemerkenswerten Arztes, der nur mit "Der Dicke" angeredet<br />

wird. Dieser Dicke gehört zum Stammpersonal des "House of<br />

God" und ist sozusagen die heimliche Sozialstation des Hauses.<br />

Auf den ersten Blick rettungslos zynisch und abgebrüht, lernen<br />

ihn die jungen <strong>Medizin</strong>er bald lieben. Denn er schafft es, sich<br />

nicht kaputtkriegen zu lassen vom System, er hat den Durchblick<br />

und vor allem: er bewahrt Menschlichkeit. Sich, den Interns und<br />

auch den Patienten gegenüber. Und das ist eine Rarität im "House<br />

of God". Leider.<br />

Schockierend, zwischenzeitlich indiziert, verstörend, sarkastisch,<br />

gnadenlos ehrlich und ziemlich derb: das ist das "House of God".<br />

So derb, dass John Updike in seinem Vorwort 1995 meinte,<br />

heutzutage könne ein Buch in dieser Form wahrscheinlich gar<br />

nicht mehr erscheinen, denn es würde sofort mit den Attributen<br />

"sexistisch", "rassistisch" & "altenfeindlich" zensiert werden.<br />

Dabei hört sich der Inhalt dieses Schockers aus den U.S.A. eher<br />

unspektakulär an: sechs junge <strong>Medizin</strong>er, allen voran Protagonist<br />

Roy Basch, stürmen frisch von der Uni das "House of God", um<br />

dort ihr Internship abzuleisten. Naja, was heißt hier stürmen?<br />

Genau genommen haben sie alle im Vorfeld schon die Hosen<br />

gestrichen voll und wissen nicht, wie sie das vermutlich schlimmste<br />

Jahr ihres Lebens überstehen sollen. Und schlimm ist hier einfach<br />

alles: unfähige Vorgesetzte, schreckliche Patienten, unmenschliche<br />

Arbeitszeiten - kurzum, ein System, das scheinbar nur dazu da<br />

ist, um jungen <strong>Medizin</strong>ern ihren Enthusiasmus zu nehmen, genau<br />

jenes System eben, gegen das Samuel Shem mit seinem Roman<br />

protestieren wollte. Visiten<br />

ohne<br />

Patienten,<br />

Laborergebnisse ohne<br />

vorangegangene<br />

Untersuchungen - das ist der<br />

irrwitzige Alltag im "House of<br />

God". Die Quintessenz für die<br />

angehenden Ärzte lautet vor<br />

allem: "Vergesst, was ihr an der<br />

Uni gelernt habt. Werft eure<br />

hehren Ansprüche, was ein Arzt<br />

zu sein hat, über den Haufen<br />

und lernt vor allem eins -<br />

nämlich wie ihr eure Arbeit<br />

machen könnt ohne selbst in die<br />

Mühlen dieses Systems zu<br />

geraten." Und dieses System tut<br />

sein Zerstörungswerk<br />

zuverlässig und mit tödlicher<br />

Präzision unter den jungen<br />

<strong>Medizin</strong>ern: einer nimmt<br />

exzessiv zu und lässt sich gehen,<br />

der nächste stürzt sich in ein<br />

hemmungsloses Sexualleben<br />

mit den Schwestern des<br />

Hauses, wieder ein anderer<br />

widmet sich mit Hingabe dem<br />

Wettbewerb der "Schwarzen<br />

Krähe": wer hat am Ende die<br />

meisten Obduktionen<br />

vorzuweisen? Roy Basch<br />

zerbricht fast seine Beziehung<br />

und einer von ihnen begeht<br />

Selbstmord, indem er sich vom<br />

Klinikdach stürzt. Sie allesamt<br />

machen eine große Lebenskrise<br />

durch, aus der ihnen nur noch<br />

ein Ausweg möglich scheint: die<br />

Links: Internet<br />

Das "House of God" ist ein, sagen wir mal, mitteldickes Buch,<br />

aber keine Angst, es liest sich flüssig. Hoffnungslos überzogen,<br />

auf die Spitze getrieben und triefend vor Sarkasmus denkt man<br />

sich im stillen Kämmerlein aber doch manchmal: eigentlich hat er<br />

Recht. Völlig verblüfft stellt man fest, dass manche Dinge<br />

tatsächlich so sind, auch wenn man das nicht gerne wahrhaben<br />

will. Das <strong>Medizin</strong>geschäft ist korrupt, strotzt vor Heuchelei, ist<br />

manchmal menschenverachtend, oft stinkend, ekelhaft und<br />

entwürdigend... und yes, genau dafür studieren wir!<br />

Die Lektüre lässt einen mit einem lachenden und einen weinenden<br />

Auge zurück. Wer Lust bekommen hat auf diese sehr spezielle<br />

Art des Erzählens kann gleich nahtlos weiterlesen in: "Mount<br />

Misery" (siehe nebenstehende Rezension). Roy Basch beginnt seine<br />

Weiterbildung in der Psychiatrie, wobei die Hauptschwierigkeit<br />

darin besteht, Patienten & Personal zu unterscheiden... Typisch<br />

Shem, eben.<br />

http://www.nensch.de/story/2004/5/1/14751/88482<br />

http://endeavor.med.nyu.edu/lit-med/lit-med-db/webdocs/webdescrips/shem11930-<br />

des-.html<br />

Samuel Shem<br />

House of God<br />

488 Seiten<br />

ISBN: 3-4266-0906-1<br />

Droemer Knaur (www.droemer-knaur.de)<br />

EUR 9,90<br />

(auch als Hörspiel)<br />

37<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


Aus dem <strong>Synapse</strong>-Archiv<br />

Ausgabe 48, Juni 2003<br />

Rettet die Wa(h)le(n)!<br />

Mit Sylvère Störmann<br />

38<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Wale sind schon arme Viecher: sie werden von irren Japanern<br />

gejagt, fristen ein trübes Dasein, müssen ihr ganzes Leben lang<br />

durch lanweilige Ozeane dümpeln und können nicht mal Englisch!<br />

Aber mal ehrlich, wen interessiert’s (außer Greenpeace)? Ja, Wale<br />

haben es wirklich nicht leicht in unserer modernen Gesellschaft.<br />

Genauso (oder zumindest ähnlich) ergeht es den nahen (Wort-<br />

)Verwandten, den Wahlen. Sie ziehen regelmäßig an uns vorbei<br />

ohne jemals richtig wahrgenommen zu werden. Sie werden kaum<br />

beachtet und von den meisten Menschen ignoriert. Dabei scheint<br />

den Tierversuch erprobten <strong>Medizin</strong>studenten das Schicksal der<br />

Wahlen besonders kalt zu lassen. Im vergangenen Jahr haben<br />

gerade mal 704 von 5562 Münchner stud. med. ihr zeitweiliges<br />

Augenmerk diesen nach Zuneigung lechzenden Kreaturen<br />

gewidmet.<br />

Nachfolgend sollen Gründe, nicht wählen zu gehen, systematisch<br />

widerlegt werden, damit dieses Jahr die sensiblen Geschöpfe das<br />

erhalten, was sie verdienen: eine hohe Aufmerksamkeit<br />

(Beteiligung).<br />

Wahlen bewirken doch eh nix!<br />

Sicher, das denken sie alle, diese Frevler, aber das stimmt nicht.<br />

Tatsächlich können Studenten durch ihr Engagement eine ganze<br />

Menge bewirken. Beispiele? Klar: die Lehrevaluationen, die von<br />

Studentenseite aus durchgesetzt wurden, das MeCuM LMU , das<br />

von zwei <strong>Fachschaft</strong>svertretern mitgestaltet wurde, die Berufungskommissionen,<br />

bei denen Einfluss auf Habilitationen genommen<br />

wird. Nur wenn alle fleißig wählen gehen, wird damit ein deutliches<br />

Signal gesetzt, dass uns diese Mitbestimmungsmöglich-keiten auch<br />

wichtig sind… denn sonst würden sie uns genommen.<br />

Wen wähle ich da überhaupt?<br />

Und wofür?<br />

Die <strong>Fachschaft</strong>svertretung wird von den Studenten gewählt. Seit<br />

einigen Jahren werden die <strong>Fachschaft</strong>svertreter von der <strong>Breite</strong>n<br />

<strong>Liste</strong> <strong>Gesundheit</strong> gewählt, die die meisten von Euch schlichtweg<br />

als „<strong>Fachschaft</strong>“ kennen. Auch wenn das nach einer reinen<br />

Formsache aussieht, die Eurer Interaktion nicht bedarf, ist es<br />

doch von entscheidender Bedeutung, dass Ihr mit Eurer Wahl<br />

die <strong>Fachschaft</strong>swahl bestätigt. Dadurch werden automatisch auch<br />

die Vertreter für den Fachbereichsrat bestimmt. Und der ist wichtig<br />

(siehe Seite 4). Unsere Leute im Fachbereichsrat setzen sich<br />

ständig für Eure Belange ein. Und die BLG, das wisst Ihr<br />

hoffentlich, setzt sich sowieso seit eh und je für Euch ein.<br />

Die Leute, die da zur Wahl stehen, mag ich gar nicht wählen.<br />

Das klingt irgendwie plausibel, aber andererseits bietet die<br />

derzeitige <strong>Fachschaft</strong>, bestehend aus BLG-Mitgliedern, doch ein<br />

sehr angenehmes Programm an Studenten-Service. Es gibt den<br />

Bürodienst, der verbilligt Material verkauft (Stethoskope,<br />

Skalpelle, …) und mit der Ausgabe von Altklausuren und<br />

Protokolle aufwartet. Die Homepage bietet eine Fülle von<br />

Informationen, genauso wie die Infohefte, die jeder Erstsemester<br />

kriegt, und was dort nicht steht, kann man per Mail erfragen und<br />

binnen kürzester Zeit kommt eine Antwort. Und für die<br />

lauschigeren Momente des Studiums organisiert die <strong>Fachschaft</strong><br />

tolle Partys, etwa die „Klinik unter Wasser“ (man darf sich von<br />

den zahlreichen vermeintlichen <strong>Medizin</strong>er-partys, die nicht von<br />

der <strong>Fachschaft</strong> organisiert werden, nicht täuschen lassen). Ferner<br />

werden zahlreiche Arbeitskreise unterstützt, die Euer<br />

<strong>Medizin</strong>studentenleben bereichern können (AK Medikino, AK<br />

Traditionelle Chinesische <strong>Medizin</strong>, …). Und was nicht ist, kann ja<br />

noch werden. Kann es also so falsch sein, auch dieses Jahr die<br />

<strong>Breite</strong> <strong>Liste</strong> <strong>Gesundheit</strong> zu wählen?<br />

Ich habe keinen Bock.<br />

Das ist in der Tat ein schwer zu widerlegendes Argument. Bedenkt<br />

man aber, dass mehr als die Hälfte der Studenten der Fakultät 07<br />

sich eigentlich regelmäßig im Bereich des Altstadtklinikums<br />

rumtummeln, ver-wundert es doch sehr, wie wenig den Weg in die<br />

Anatomie finden. Keinen Bock gilt also eigentlich nicht.<br />

Schließlich würde jeder die Strecke Physiologie-Landesprüfungsamt<br />

in Rekordzeit zurücklegen, um sich fürs blöde Physikum<br />

anzumelden, aber<br />

fürs Wohl der<br />

Studentenschaft<br />

hat mal wieder<br />

keiner Zeit.<br />

Deswegen: auch<br />

wenn Ihr keinen<br />

Bock habt, gebt<br />

Euch einen Ruck.<br />

Wir profitieren alle<br />

davon.<br />

Also, fasst Euch<br />

ans Herz und tragt<br />

dieses Jahr zur<br />

Rettung der<br />

Wa(h)le(n) bei!


Die <strong>Breite</strong> <strong>Liste</strong> <strong>Gesundheit</strong><br />

Katharina Ehehalt<br />

Mein Bürodienst<br />

8h15 Neuroanatomievorlesung, 9h15 Histovorlesung, 10h15<br />

Vorlesung funktionelle Neuroanatomie, danach 11h15 Histokurs<br />

und schließlich von 14h bis 16h Präppen – das war dienstags<br />

mein Stundenplan. Eine Stunde Pause also. Eine Stunde, in der<br />

man sich gemütlich in der Mensa den Bauch vollhauen könnte,<br />

um sich danach in die Sonne zu setzen und für einige Minuten<br />

völlig abzuschalten, den Stress hinter sich zu lassen und sich um<br />

nichts und wieder nicht kümmern zu müssen.<br />

Stattdessen habe ich diese Stunde anders verbracht als meine<br />

Kommilitonen. Ich habe mich ins <strong>Fachschaft</strong>sbüro gestellt, um<br />

zusammen mit anderen aus der <strong>Fachschaft</strong> Skalpellklingen und<br />

Stethoskope zu verkaufen, Protokolle und Altklausuren<br />

auszudrucken und um meinen Kommilitonen die eine oder andere<br />

Frage zu beantworten.<br />

Alles in allem möchte die <strong>Fachschaft</strong>svertretung das Studium<br />

menschlicher gestalten, den Studenten im Studium helfen, wo es<br />

nur geht. Die Leute in der <strong>Fachschaft</strong> nehmen sich ein Stück<br />

ihrer Freizeit, um etwas zu tun, von dem alle Studenten profitieren<br />

können.<br />

So gibt es zum Beispiel den Protokolldienst, der<br />

Prüfungsprotokolle von vorhergegangenen Examina gegen Pfand<br />

stellt, auf dass die betroffenen Studenten nach Ablegen der<br />

Prüfung selbst ein Protokoll schreiben, das den Kommilitonen in<br />

den nachfolgenden Semestern beim lernen helfen soll. Genauso<br />

werden die Klausuren, die während eines Semesters geschrieben<br />

werden, eingescannt und der Altklausurensammlungen<br />

hinzugefügt, ohne die das Überleben des <strong>Medizin</strong>studenten, wie<br />

Fortsetzung auf Seite 45<br />

Wenn draußen all zu schönes Wetter<br />

doch zum gemütlichen Die-Seelebaumeln-zu-lassen<br />

einlud, machte das<br />

den Weg zurück in die Anatomie nicht<br />

unbedingt immer leicht, denn auch ich<br />

wäre manchmal gerne draußen in der<br />

Sonne geblieben. Auf etwaige<br />

Unmutsseufzer bekam ich oft nur ein<br />

„Du bist ja selbst schuld, wenn du so<br />

was machst“ oder ein „Cool, du<br />

arbeitest in der Anatomie – wie viel<br />

bekommst du denn da in der Stunde?“<br />

zurück. Unverständnis auf der ganzen<br />

Linie also. Manchmal auch<br />

Unwissenheit: „Was macht ihr da<br />

eigentlich so alles bei dieser<br />

<strong>Fachschaft</strong>?“<br />

Warum gibt es Leute, die sich für andere<br />

engagieren? Diese Frage ist trivial. Ich<br />

werde nicht anfangen, Begriffe wie<br />

Altruismus, Teamarbeit oder soziales<br />

Engagement zu erklären. Vielmehr<br />

möchte ich versuchen zu erklären, was<br />

hinter diesem Begriff „<strong>Fachschaft</strong>“, der<br />

eigentlich nur eine Art Abkürzung für<br />

„<strong>Fachschaft</strong>svertretung“ ist, steht und<br />

warum es durchaus Sinn macht, dafür<br />

auf eine Stunde Pause zu verzichten.<br />

39<br />

<strong>Breite</strong> <strong>Liste</strong> <strong>Gesundheit</strong><br />

Seit 25 Jahren gibt es die BLG, die<br />

[offiziell] „Partei“, die die Mitglieder der<br />

<strong>Fachschaft</strong>svertretung an der LMU<br />

stellt. Seit 25 Jahren engagieren sich<br />

Leute aus beinahe allen Semestern für<br />

ihre Kommilitonen. Von dieser Arbeit<br />

bekommt der Normalstudent mit<br />

Ausnahme des Bürodienstes<br />

wahrscheinlich nicht viel mit, worauf<br />

die fragenden Gesichter und das<br />

Unverständnis gegenüber dem Begriff<br />

„<strong>Fachschaft</strong>“ schließen lassen. Und<br />

doch machen wir mehr, als nur Klingen<br />

und Altklausuren verkaufen.<br />

Unser Erstsemester-Info aus dem Wintersemester 1997/1998<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

links: Eine Ausgabe der <strong>Synapse</strong>; damals 2.000<br />

Exemplare stark (erst seit Ausgabe 49 haben<br />

wir erstmals wieder eine Auflage über<br />

2.000); wie man sieht, fanden auch schon<br />

damals die <strong>Fachschaft</strong>s-Sitzungen jeden<br />

Donnerstag um 19h statt<br />

unten:<br />

rechts:<br />

Zwei Ausgaben der <strong>Synapse</strong> aus den 80er-<br />

Jahren mit den Dauerbrenner-Themen<br />

Wahlen und Approbationsordnung (damals<br />

noch 4. Novelle; heute 8. Novelle);<br />

Katastrophe mit ph und Friedensmedizin<br />

zeigt deutliche Spuren der Ursprünge der<br />

BLG in Sponti-Kreisen<br />

Die <strong>Breite</strong> <strong>Liste</strong> <strong>Gesundheit</strong> ruft 1986 zum<br />

bundesweiten Streik gegen die 5.<br />

Approbationsordnungsnovelle auf und<br />

untermauert den Aufruf durch ergebnisse<br />

einer Umfrage mit unglaublichen 2.090<br />

Stimmen; die BLG nennt hier die LMU AStAkonform<br />

noch Geschwister-Scholl-<br />

Universität (bis heute konnte sich die<br />

Forderung einer Umbenennung der<br />

Universität nicht durchsetzen); die<br />

Verhinderung des AiP kann zwar nicht<br />

aufgehalten werden, aber heute -nach 18<br />

Jahren- wird er auch „schon“ wieder<br />

abgeschafft<br />

40


41<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


42<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


links: Das Auslands-Info<br />

versorgt Studenten noch<br />

mit Informationen zum<br />

Studium im Ausland.<br />

oben: Alles wird teurer. 1980<br />

kostet die BLG-Zeitung<br />

noch 200 DM, heute<br />

schon knapp EUR 1.000.<br />

Man gibt Geld für<br />

Militärbroschüren aus<br />

und bezahlt Referenten.<br />

43<br />

rechts:<br />

Mit einem Flugblatt<br />

fordert man die<br />

Studenten dazu auf, bei<br />

den Hochschulwahlen<br />

1980 die<br />

<strong>Fachschaft</strong>svertretung -<br />

bis dahin gestellt durch<br />

den RCDS- mit der BLG zu<br />

besetzen. Einige<br />

Argumente werden mit<br />

angeführt. Die BLG wird<br />

gewählt und bekommt<br />

auch in den Folgejahren<br />

das Vertrauen der<br />

Wähler. Heute, viele<br />

Jahre später, bietet die<br />

BLG noch immer einen<br />

Service für ihre<br />

Studenten und möchte<br />

gerne auch weiterhin<br />

hohe Standards halten.<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


oben links,<br />

links:<br />

Wieder einmal 4. Approbationsordnungsnovelle<br />

und man sieht, wie die <strong>Fachschaft</strong><br />

sich intensiv mit dem Thema auseinander<br />

setzt.<br />

44<br />

oben:<br />

Die <strong>Liste</strong> der Unorganisierten <strong>Medizin</strong>er,<br />

einer Vorstufe der BLG, kandidiert bei den<br />

Hochschulwahlen.<br />

oben rechts:<br />

Das PJ-Info aus dem Jahre 1997 bietet den<br />

Studenten, die ihren letzten Teil ihres<br />

Studiums beschreiten, umfangreiche<br />

Informationen zum letzten Jahr als Student.<br />

rechts:<br />

Fotos von zwei <strong>Fachschaft</strong>ssitzungen.<br />

Das linke Bild zeigt die Sitzung vom<br />

18. Oktober 2001. Heute sind viele von ihnen<br />

woanders. Etwa in der Neurochirurgie GH als<br />

AiP oder in den U.S.A. - oder im AStA.<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Das rechte Bild zeigt die Sitzung vom<br />

13. Mai 2004 während der internen<br />

Abstimmung über die Reihenfolge der<br />

Kandidaten auf der Wahlliste.


<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

allgemein bekannt, völlig undenkbar ist. Und diese Klausuren<br />

kann man sich dann im Internet downloaden oder zum<br />

Selbstkostenpreis als Ausdruck im Büro kaufen.<br />

Auf den <strong>Fachschaft</strong>ssitzungen wird jeden Donnerstag ab 19h<br />

diskutiert, organisiert, geplant, manchmal gestritten, viel<br />

herumgealbert - die Ergebnisse können sich sehen lassen. Letztes<br />

Semester haben wir ausgiebig bewiesen, was man mit einer Hand<br />

voll Leuten alles auf die Beine stellen kann: Man denke nur an die<br />

Demo gegen die Haushaltskürzungen im Herbst oder an die<br />

Klinik-im-Dschungel-Party. Die wäre nicht halb so gut gewesen,<br />

hätten sich nicht regelmäßig fleißige Helfer getroffen, um für ein<br />

paar Stunden das Dauerlernen zu unterbrechen und<br />

Elefantenköpfe zu kleistern oder Affen auszuschneiden.<br />

Einen wesentlichen Teil der <strong>Fachschaft</strong> stellt der AK-Ausland dar,<br />

der für Fragen rund um Famulaturen, PJ und alles andere, was<br />

den <strong>Medizin</strong>er jenseits der Grenzen dieses Landes noch so<br />

interessiert, verantwortlich ist. Denn zeitweise im Ausland<br />

studieren will doch fast jeder, sei es um fremde Kulturen kennen<br />

zu lernen oder nur um seinem Lebenslauf einen exotischen Touch<br />

zu geben. Und da ist es gut, wenn man mit all seinen Fragen eine<br />

Anlaufstelle geboten bekommt.<br />

Praktisch auch, dass alle erdenklichen Fragen rund ums Studium<br />

zu beinahe jeder Tages- und Nachtzeit per eMail beantwortet<br />

werden und die wichtigsten Informationen auf diesem Weg frei<br />

Haus geliefert werden. Gerade auch die Semesterverteiler, die<br />

demnächst wieder regelmäßig Infos liefern werden, sind ein<br />

nützlicher Service für alle Studenten.<br />

Wahlen<br />

Die Vertreter hochoffizieller Aufgaben werden jetzt bei den<br />

Hochschulwahlen von euch persönlich gewählt, damit sie in<br />

Versammlungen der Universität für die Belange der Studenten<br />

gerade stehen können. Wahrscheinlich ist den meisten Studenten<br />

völlig unbewusst, dass sie damit ihre eigenen Vertreter stellen, die<br />

sich für alle durch Papierkram und Paragraphen wühlen, um den<br />

Professoren Paroli bieten zu können und auch den Studenten<br />

wichtige Änderungen erläutern zu können. Aber bei der Wahl<br />

geht es nicht nur um hochoffizielle Aufgaben, denn eine<br />

<strong>Fachschaft</strong>svertretung gibt es nur, wenn sie gewählt wird. Seit<br />

Jahren genießt die BLG dieses Vertrauen ihrer Studenten. Aber<br />

jedes Jahr muss es er<strong>neu</strong>ert werden.<br />

Die Quintessenz<br />

Dass hinter der ganzen Arbeit eine ganze Menge Spaß steht, muss<br />

ich wohl kaum erwähnen. Was kann es kurzweiligeres geben, als<br />

sich mit einem Haufen interessierter, kreativer und motivierter<br />

Menschen auszutauschen und gemeinsame Projekte auf die Beine<br />

zu stellen?<br />

Gerade in diesem Studium wo man nur allzu schnell geneigt ist,<br />

zum Einzelkämpfer zu werden und sich an seinem Schreibtisch<br />

hinter stapelweise Büchern zu verkriechen, ist es enorm wichtig,<br />

zu zeigen, dass man sein Studium auch gut über die Runden bringt,<br />

wenn man sich ein bisschen weniger für sich selbst, sondern auch<br />

für die anderen einsetzt.<br />

Dafür auf ein Stündchen Pause zu verzichten ist das Mindeste,<br />

was man tun kann, um einen der menschlichsten Studiengänge<br />

noch etwas menschlicher zu machen.<br />

In der nächsten Ausgabe:<br />

Eine Chronik der <strong>Breite</strong>n <strong>Liste</strong> <strong>Gesundheit</strong><br />

45


Sylvère Störmann<br />

46<br />

Francis Bacon soll einmal gesagt haben: „Man wird<br />

geboren und man stirbt. Es ist besser, wenn man<br />

zwischendrin etwas getan hat.“ Da ist es wohl auch<br />

ganz gut, dass ich mir die Zeit bis zum Tod mit allerlei<br />

Dingen vertreibe, nicht zuletzt auch zusammen mit geschätzten<br />

Kommilitonen in der <strong>Fachschaft</strong>. Schließlich<br />

gibt es an unserer Fakultät immer etwas zu tun. Dabei<br />

sind unsere Sitze im Fachbereichsrat, die <strong>neu</strong>e<br />

Handlungsspielräume<br />

eröffnen, recht hilfreich.<br />

Solange der Tod also<br />

noch nicht eintritt, bitte<br />

ich darum, uns mit euren<br />

Stimmen die Chance<br />

zu geben, weiterhin<br />

sinnvolle Verrichtungen<br />

zu bewerkstelligen.<br />

Alle Jahre wieder finden<br />

im Sommersemester<br />

die Hochschulwahlen<br />

statt. Dieses Mal möchte<br />

ich für Euch in den<br />

Ring steigen. Ach ja, ich<br />

bin übrigens Maria, jetzt<br />

im 6. Semester und seit<br />

4 Semestern in der<br />

<strong>Fachschaft</strong> aktiv.<br />

Beispielsweise als `Coproducer´ bei der letzten Erstsemester-<br />

Einführung, beim Dekobasteln für Klinik unter<br />

Wasser / im Dschungel oder im Büro- und Protokolldienst,<br />

den ich seit 3 Semestern mache. Die Erfahrungen,<br />

die ich in dieser Zeit sammeln konnte, möchte<br />

ich jetzt nutzen, um gemeinsam mit den anderen Mitgliedern<br />

der BLG die Interessen der Studenten im Studium<br />

und anderen Bereichen durchzusetzen.<br />

Jeder sollte wählen gehen, weil...<br />

Jeder sollte wäh<br />

es doch mal ein ganz interessantes Zeichen wäre, wenn die Wahlbeteiligung<br />

mal über 10% läge. Vielleicht treffen sich eines Tages<br />

die Bundeswahlbeteiligung und die Hochschulwahlbeteiligung<br />

irgendwo, sagen wir mal so bei 26,83%, reden kurz übers Wetter<br />

(„Dieses Dauertief macht mich noch ganz fertig.“ – „Ach komm<br />

schon, wird schon wieder aufwärts gehen!“), smalltalken noch<br />

etwas („Du, ich habe gestern geträumt, ich sei eine Pizza. Alle<br />

Menschen lieben Pizza.“) und gehen dann weiter ihrer Wege. In<br />

der Schule haben uns immer verschrobene Lehrer erzählt, der<br />

Wahlgang sei die oberste Bürgerpflicht. Das ist spießig und klingt<br />

irgendwie nach Diktatur. So ein bisschen weht das auch im Studium<br />

noch nach. Als <strong>Medizin</strong>er steht man dann auch noch mehr<br />

auf der menschlichen denn auf der technokratischen Seite des<br />

Lebens. Politik und Recht ist eh alles nur Quatsch, wie der §919<br />

BGB demonstriert: „Der Eigentümer eines Grundstücks kann<br />

von dem Eigentümer eines Nachbargrundstücks verlangen, daß<br />

dieser zur Errichtung fester Grenzzeichen und, wenn ein Grenzzeichen<br />

verrückt oder unkenntlich geworden ist, zur Wiederherstellung<br />

mitwirkt.“ Warum sollte man sich also diesem Bürokratenbrimborium<br />

hingeben? Nun ja, jeder sollte wählen gehen, weil er<br />

eigentlich weiß, dass es das Richtige ist.<br />

... jeder wählen gehen sollte. So einfach ist das. Viel mehr gibt es<br />

dazu eigentlich auch nicht zu sagen, da ich aber 160 Wörter<br />

schreiben soll werde ich mich noch den Top 3 der Nicht-zur-<br />

Wahl-geh-Gründe widmen:<br />

1) Ich hab meine Wahlunterlagen daheim vergessen. Macht<br />

nichts, die braucht Ihr nicht, ein Ausweis genügt.<br />

2) Ich würde ja gerne, aber ich habe keine Zeit. Gilt auf<br />

keinen Fall für Vorkliniker, die sind an einem Dienstag oder Mittwoch<br />

zwischen 9 und 16 Uhr bestimmt mal in Anatomienähe.<br />

Und auch für die meisten Kliniker ist es nur ein kleiner Umweg der<br />

sich doch aber lohnt!<br />

3) Das bringt ja sowieso nichts. Natürlich bringt es was.<br />

Und je mehr Stimmen abgegeben werden umso mehr können wir<br />

uns auf den Rückhalt der gesammten <strong>Medizin</strong>studenten berufen<br />

und dementsprechend mehr erreichen.<br />

Daher gebt Euch einen Ruck, geht zur Wahl, macht Eure<br />

Kreuzchen und helft uns die Welt in einen besseren... ok, ich<br />

schweife ab...<br />

Also bis zum 22. oder 23. Juni!<br />

gehen, weil...<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Maria Treusch


Christian Hinske<br />

len gehen, weil...<br />

Ich glaube wenn man schreiben würde „Jeder sollte sich waschen<br />

gehen, weil....“ würden viele gar nicht mal lange überlegen warum.<br />

Waschen betrifft einen schließlich persönlich und wenn man<br />

stinkt ist das weder in mündlichen Prüfungen noch für die intersexuellen<br />

Beziehungen gut. Zugegeben, wer nicht wählen geht fängt<br />

bestimmt nicht an zu stinken, aber persönlich kann es einen schon<br />

betreffen und zwar genau dann, wenn die meisten nicht wählen.<br />

Häufig werden fehlende Prüfungsprotokolle oder Altklausuren<br />

als der gewichtigste Punkt angeführt, falls die BLG nicht mehr<br />

gewählt wird. Dies ist aber lediglich ein kleines Spektrum dessen,<br />

was sich ändern würde. Die Tragweite der Konsequenzen aber<br />

reicht vom studentischen Alltag (z.B. Mitorganisation von Kursen,<br />

Lösung von Problemen mit Professoren, Beratung bei Famulaturen,<br />

Erstellen von Stundenplänen) über studentische Freizeit<br />

(z.B. Klinik-Parties wie Klinik im Dschungel, Medikino) bis hin<br />

zu studentischer Politik (z.B. Fachbereichsrat, Fachtagung).<br />

Deshalb mein Appell an alle: Geht wählen bevor die Uni zu<br />

stinken anfängt!<br />

Jeder sollte wählen gehen weil… tja warum eigentlich, fragen sich<br />

wahrscheinlich viele von euch. Es gibt keine Werbegeschenke und<br />

niemand verspricht euch, dass alles besser wird. Was also tut die<br />

<strong>Fachschaft</strong> eigentlich für euch, um eure Stimme zu verdienen?<br />

Wir vertreten eure Interessen nicht nur gegenüber den Professoren,<br />

im Fachbereichsrat und bei der Gestaltung von Studien- und<br />

Prüfungsordnungen, sondern vor allem in vielen kleinen Bereichen<br />

des Uni-Lebens - und glaubt mir, Büro- und Protokolldienst,<br />

ebenso wie die geilsten Partys der Stadt, sind nur ein<br />

Bruchteil unserer Arbeit.<br />

Wir machen das gern und erwarten dafür keine Lorbeeren, aber<br />

ohne die Unterstützung derer, für die wir eigentlich da sein wollen,<br />

sinkt natürlich auch die Motivation, sich zu engagieren.<br />

Deshalb schenkt uns zehn Minuten eurer Zeit, geht wählen und<br />

zeigt uns dadurch, dass unsere Arbeit nicht umsonst ist.<br />

Jeder sollte wählen<br />

Jeder sollte wählen gehen, weil...<br />

Ich bin der Beppe. Schon seit 24 Jahren. Seit 3 Jahren<br />

in der <strong>Fachschaft</strong> aktiv in verschiedenen Bereichen<br />

und Projekten. Gelegentlich bastele ich an Filmen über<br />

nicht nachzuahmende Innovationen im Bereich der<br />

Notenverbesserung mit (Medikino, Für Claire),<br />

manchmal sitz ich halbnackt im Käfig und spiele<br />

Didgeridoo während andere feiern (Klinik im Dschungel),<br />

oft versuche ich die Sache unserer Studenten auf<br />

Fachtagungen zu vertreten.<br />

Zwischendurch<br />

studier ich oder schlafe.<br />

Ich würd gern in den<br />

Fachbereichsrat gewählt<br />

werden, weil ich<br />

glaube dort einiges meiner<br />

bisher gesammelten<br />

Erfahrung einbringen zu<br />

können.<br />

Am Anfang meines Studiums<br />

habe ich die<br />

<strong>Fachschaft</strong> und ihre Arbeit<br />

recht kritisch betrachtet,<br />

mich später jedoch<br />

mit stetig steigendem<br />

Enthusiasmus im<br />

Bürodienst, als<br />

Finanzerin und als helfende<br />

Hand, wann<br />

immer sie benötigt wurde,<br />

selbst eingebracht. Nun möchte ich gerne mit den<br />

Erfahrungen, die ich gesammelt habe, uns <strong>Medizin</strong>studenten<br />

im Fachbereichsrat vertreten. Meine besonderen<br />

Stärken sehe ich vor allem darin, Probleme direkt<br />

anzusprechen, wenn ich sie sehe, und in der Fähigkeit,<br />

konstruktive Diskussionen führen zu können.<br />

Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir dazu euer<br />

Vertrauen entgegenbringt.<br />

47<br />

Juliane Leißner<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


From a Land Down Under<br />

Tim Sattler<br />

48<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

„That’s Dr. Onn, your supervisor for the next four weeks“ waren<br />

die ersten und vorerst letzten Worte von Prof. Freeman,<br />

Consultant der Coronary Care Unit im Concord Hospital. „He is<br />

registrar and head of your team“, fügte er noch hinzu ehe er<br />

mit einem wohlwollenden Nicken wieder in seinem Büro<br />

verschwand. Genauso schnell wie die Vorstellungsrunde<br />

abgelaufen war, ging’s dann auch los. Kaum hatten ich und meine<br />

genauso erstaunt dreinblickende australische Kommilitonin uns<br />

mit unserem <strong>neu</strong>en Ärzteteam vertraut gemacht (Toni, der<br />

Resident mit vietnamesischer Abstammung, und Marylin, Intern<br />

und <strong>neu</strong>estes Mitglied der Kardiologie), rannten wir schon aus<br />

dem Ward raus in Richtung Treppenhaus, um nach einem kurzen<br />

Sprint die Unfallambulanz zu erreichen.<br />

Eine bisschen überfordert und müde war ich schon,<br />

da ich selbst nach fünf Tagen immer noch auf<br />

meinen mitteleuropäischen Rhythmus gepolt war.<br />

Jetzt ging alles so schnell - und noch dazu auf<br />

Englisch. Im Flugzeug hatte ich mich bereits ein<br />

wenig mit dem Buch „Medical English“<br />

auseinandergesetzt, um wenigstens die<br />

gebräuchlichsten Fachausdrücke zu kennen, bevor<br />

mich die Flut von anglo-amerikanischen<br />

Abkürzungen und Medical Terms niederstrecken<br />

sollte. Wenigstens die raren Fachkenntnisse, die ich<br />

aus dem KVK mitgenommen hatte, konnte ich nun<br />

fachgemäß an den Mann bringen.<br />

Endlich in der Ambulanz angekommen, mussten<br />

wir auch gleich hinter einem vorgezogenen<br />

Vorhang warten. Dahinter verbarg sich ein Patient,<br />

der im Sterben lag. Etwas enttäuscht nutzte ich den<br />

Moment um mich mit der fremden Umgebung<br />

vertraut zu machen. Theresa, meine australischen<br />

Kommilitonin, fütterte mich derweil mit essenziellen<br />

Infos.<br />

Kurz darauf nahm uns Marylin mit zu den anderen<br />

Herzpatienten in der Notambulanz, an denen wir<br />

dann Anamnese und Untersuchung durchführen<br />

sollten. Zusammen mit Theresa, die mir immer wieder diverse<br />

durch Dialekte oder Akzente bedingte Abweichungen in der<br />

Englischen Sprache übersetzen musste, ging es dann doch recht<br />

flüssig durch die Patientenhistorie. Bei den Herzgeräuschen<br />

mussten wir aber dann doch noch mal nachfragen, ob es sich<br />

nun um eine Aortenstenose oder Mitralinsuffizienz handelte.<br />

Dazu benötigt man dann doch etwas mehr Erfahrung als ein<br />

Semester-Untersuchungskurs zulässt.<br />

Zurück auf unserer Station angekommen, fing dann die<br />

eigentliche Visite an. Kreuz und quer wanderten wir umher und<br />

ein Ende schien nicht absehbar. Wir hetzten von Infarktpatienten<br />

zu Klappenfehlerpatienten, während Resident und Intern immer<br />

eifrig Dr. Onns Diagnosen mitschrieben. Ich hingegen lauschte<br />

dieser fremden Sprache und versuchte mitzukommen. Das<br />

Problem hatte aber nicht nur ich, denn Dr. Onn ist Inder. Und<br />

wer schon mal einen Inder Englisch hat sprechen hören, weiß<br />

was das bedeutet. Selbst nach mehrmaligem Nachfragen, bekam<br />

ich nicht mehr mit, als eine Aneinanderreihung nasaler Laute in<br />

einem singsangartigen Redefluss. Hinterher musste ich meist bei<br />

den anderen im Team nachfragen. Bei der vorherrschenden<br />

Hektik war das allerdings recht mühselig.<br />

Die Systematik, nach der wir unsere Patienten besucht haben,<br />

verstehe ich bis heute nicht. Wahrscheinlich aber lief es nach<br />

dem Chaosprinzip 1 . Das erschwerte es ungemein, sich einen<br />

Überblick zu verschaffen.<br />

Eins ist jedenfalls sicher: Meine Station, Ward 6, wurde von drei<br />

Ärzteteams versorgt, die jeweils einem Consultant unterstehen,<br />

dem die Patienten zugeordnet sind.<br />

Unser Consultant, Dr. Pawsey, besuchte uns dreimal pro Woche.<br />

Sehr erfreulich für uns Studenten, da nach jedem Patienten eine<br />

ausführliche Erklärung folgte mit anschließendem<br />

pathophysiologischen und pharmakologischem Quiz. Das waren<br />

dann aber eher die seltenen Momente, in denen ich in meiner<br />

Famulatur gefordert wurde, da Dr. Onn meistens zu beschäftigt<br />

war, um uns Studenten Aufmerksamkeit zu schenken. Sehr<br />

schnell wurde mir klar, dass nur Hinterherlaufen und Zuschauen,<br />

so wie das die australischen Studenten tagtäglich praktizieren,<br />

mich medizinisch wenig weiterbringen würde. Anamnesen und<br />

Untersuchungen mussten auf Eigeninitiative erfolgen. Auch das<br />

für Famulanten in Deutschland so übliche Blutabnehmen und<br />

Nadellegen fällt in Australien leider weg, da dafür ausgebildete<br />

Schwestern diese Aufgabe übernehmen. Dadurch kommt man<br />

sich gleich noch ein Stück unnützer vor. So hab ich nachmittags<br />

dann meistens Zeit gehabt, um mich im Katheterlabor und im<br />

Herzecho umzusehen.<br />

Da ich offiziell Student der University of Sydney war, hatte ich<br />

natürlich auch die Möglichkeit an diversen<br />

Lehrveranstaltungen teilzunehmen, die mehrmals in der<br />

Woche in Form von Tutorials à la Harvard-Kurs oder<br />

freiwilligen POL-Gruppen stattfanden. Einmal in der Woche<br />

gab es noch die Grandround. Das ist ein Zusammentreffen<br />

aller Studenten und in der Ausbildung stehenden Ärzten, bei<br />

der zu einem ausgewählten Gebiet Patientenfälle vorgestellt<br />

und diskutiert werden. Der gesellschaftliche und kulinarische<br />

Faktor stand hierbei allerdings im Vordergrund: Von leckeren<br />

Sandwichhäppchen wurde man nur allzu leicht vom<br />

eigentlichen Thema abgelenkt.<br />

1<br />

siehe auch:<br />

Chaostherie, Stichwort: Lorenzscher Schmetterling; von dem wird<br />

gerne berichtet: „Wenn ein Schmetterling in Australien seine Flügel<br />

schlägt, kann er damit einen Sturm in New York auslösen.“


Alles in allem war es aber doch eine groß- und auch<br />

einzigartige Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Allerdings<br />

kann ich keinem empfehlen erste Auslandserfahrungen in<br />

Famulatur oder PJ-Tertial in einem internistisches Fachgebiet<br />

zu wählen. Dazu bekommt man, zumindest in Australien, zu<br />

wenig Verantwortung übertragen und wird mit vielen sehr<br />

theoretischen Fachkenntnissen konfrontiert. Eine indischenglische<br />

Erklärung einer „Torsade de pointes“ kann sehr<br />

verwirrend sein.<br />

Ganz anders war es in so manchen chirurgischen Fächern, wo<br />

man während den OPs so einiges gezeigt und erklärt bekam.<br />

Das wiederum war sehr leicht zu verstehen, da die<br />

anatomische Namensgebung nun mal hauptsächlich auf Latein<br />

beruht.<br />

Prinzipiell muss man aber sagen, dass es im Concord Hospital,<br />

Lehrkrankenhaus der University of Sydney, sehr viel Personal<br />

und Lernende gibt. Als Student gab es deshalb nicht sehr viel<br />

zu tun und Eigeninitiative war gefragt (Anamnese, POL-Kurse,<br />

etc.). Als ausländischer Student muss man ebenfalls, wie es<br />

generell in Australien üblich ist, für das Studium und somit<br />

auch für Famulatur und PJ, zahlen (ca. EUR 2<strong>50</strong> für vier<br />

Wochen). Man wird dort dann auch als Student geführt:<br />

Benutzung von Computern, Bibliothek, Zimmer im<br />

Schwesternwohnheim auf dem Campus (ist zwar etwas alt und<br />

karg, zum Teil auch recht speckig, dafür aber mit EUR 25 pro<br />

Woche sehr günstig und ein super Erlebnis mit all den anderen<br />

internationalen Studenten, Pflegekräften und jungen Ärzten<br />

abends zusammenzusitzen oder in Sydney wegzugehen).<br />

In Australien gibt es auch die Möglichkeit an einem kleineren<br />

Krankenhaus zu famulieren, ohne sich den ganzen<br />

Formalitäten der Universität hingeben zu müssen, was damit<br />

sicherlich auch kostengünstiger ist, wenn man einen<br />

entsprechenden Ansprechpartner vor Ort hat.<br />

Wir mussten allerdings den offiziellen Weg wählen und<br />

wurden dafür aber was Bewerbung, Unterbringung,<br />

Infomaterialien und Bescheinigung angeht sehr gut betreut, da<br />

es in jedem Uni-Lehrkrankenhaus Ansprechpartner für<br />

Studenten gibt.<br />

Was das „sozio-kulturelle Rahmenprogramm“ angeht, so kann<br />

ich Sydney nur wärmstens empfehlen, da es eine gigantische,<br />

facettenreiche und dazu auch noch vergleichsweise günstige<br />

Metropole ist. Wir haben es sogar geschafft, Clubs mit<br />

kostenlosem Eintritt aufzutun, wo die Getränkepreise<br />

trotzdem nicht so wucherten wie beim einen oder anderen<br />

Münchner Partyveranstalter. Obwohl Concord Hospital etwa<br />

25km Luftlinie vom Stadtkern entfernt ist (in australischen<br />

Verhältnissen ein Katzensprung), ist man trotzdem sehr gut<br />

mit öffentlichen Verkehrsmitteln angebunden.<br />

Die Schattenseite dieser faszinierenden Stadt mit ihrem schier<br />

grenzenlosen Freizeitangebot:<br />

Es erfordert eine gehörige Portion Selbstdisziplin, jeden<br />

Morgen um Punkt 8 auf der Matte zu stehen und mit noch<br />

halbtauben Ohren Herztöne zu interpretieren...<br />

Weitere Informationen bezüglich Famulatur oder PJ erhält<br />

man bei Jenny Moore (jenmoore@med.usyd.edu.au),<br />

die sich verantwortlich für die Platzvergabe in Concord<br />

Hospital zeichnet.<br />

Lust auf Ausland?<br />

49<br />

Auf zur Auslandssprechstunde!<br />

Jeden Donnerstag,<br />

12 00 bis 13 00<br />

im <strong>Fachschaft</strong>s-Büro<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


Famulissime!<br />

Sylvère Störmann<br />

<strong>50</strong><br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

„So, da bin ich.“ Ein verwirrtes, ja fast schon entsetztes<br />

Oberarzt-Gesicht blickt mir entgegen. „Wie?!“ Kurzes<br />

Schweigen. „Ach ja, der PJler!“ Nun selbst verwirrt,<br />

berichtige ich das Missverständnis. Der hektische<br />

Stationsdienst kann so was schon mal vergessen<br />

machen. „Dann kommen Sie mal schnell mit mir mit.<br />

Dann können wir ja direkt zur Besprechung gehen.“ Im<br />

Eilschritt kämpfen wir uns durch die Station, der Blick<br />

des Arztes schweift auf die Armbanduhr. „Ne, das geht<br />

ja jetzt doch nicht, weil ich auf eine andere Besprechung<br />

muss. Aber Sie gehen mal dahin, OK?“ Ich bin<br />

einverstanden und versuche, dies auch mitzuteilen, doch<br />

noch ehe sich mir die Möglichkeit dazu bietet, fährt die<br />

Hektik fort: „Am besten stellen Sie sich direkt mal beim<br />

Geräte-Arzt vor. Wissen Sie, wer heute Geräte-Arzt ist?“<br />

In der einen Minute, die ich mittlerweile auf Station bin,<br />

habe ich es leider nicht in Erfahrung bringen können.<br />

Nicht einmal, was ein Geräte-Arzt überhaupt sein soll.<br />

Ich verneine also. „Gut. Dann suchen wir den mal.“<br />

Wie immer funktioniert mal gar nichts, so wie man es<br />

sich vorgestellt hat. Ein wunderschöner Morgen, die<br />

Schwestern strahlen, die Ärzte begegnen ihnen mit<br />

Respekt und inmitten dieser imaginären Idylle hockt man<br />

selbst, der frische Famulus. Natürlich wird man erst mal<br />

allen vorgestellt, man steht im Mittelpunkt, man ist das<br />

<strong>neu</strong>e Kind in einer großen Familie. Das Kindchen-<br />

Schema provoziert, dass sich alle um den „Kleinen“<br />

ringen. Er ist ja so putzig. Und man muss ihm die Welt<br />

zeigen. Das ist Verantwortung. Eine, die sie gerne tragen.<br />

Denn sie wollen gerne diejenigen sein, zu denen das<br />

putzigen kleinen Neufamilienmitglied aufschaut.<br />

Nach einer gewissen Weile ist auch mir klar, was ein<br />

Geräte-Arzt sein soll. Irgendwie. Was er tut, verstehe<br />

ich noch immer nicht. Mir fällt es überhaupt schwer,<br />

herauszufinden, was die hier alle tun. Klar, befunden tun<br />

sie alle brav. Und sonst? Und was bleibt dann für mich<br />

zu tun? Und wo kann ich was tun? Und überhaupt?<br />

‚Nadeln’, das ist es. Die vielfältigen Tätigkeiten, die man<br />

hier verrichten kann (Kaffe kochen, Kaffee trinken,<br />

surfen, kalten Kaffee wegkippen, Kaffee nachkochen),<br />

werden immer wieder durch Patienten, denen man bunte<br />

Verweilkanülen in die Arme rammen darf, unterbrochen.<br />

Das bietet Abwechslung und lenkt vom Kaffee ab.<br />

Dieses feine Zusammenspiel verschiedener<br />

Beschäftigungen bietet ihr übriges. Denn Koffein-<br />

Intoxikation und Nadelquote wollen genauestens<br />

koordiniert sein. Je größer der Kaffeekonsum und je<br />

kleiner die Venen, desto geringer die Wahrscheinlichkeit,<br />

den Patienten mit dem Gefühl des Gut-Aufgehoben-Seins<br />

in die Untersuchung zu entlassen.<br />

Damit die Motivation bestehen bleibt, die Ambition, es<br />

wirklich gut zu machen, steigt und der Ehrgeiz greift,<br />

erklärt einer der Ärzte gleich das Geheimnis des Nadelns,<br />

dessen immanente Bedeutung in punkto sozialer Stellung<br />

desjenigen, der sie meistert. „Je besser du nadeln kannst,<br />

desto mehr wirst du bewundert. Das ist doch wie bei<br />

den Frauen: Wenn du ein richtig geiler Stecher bist, dann<br />

bist du einfach der King. Das ist beim Nadeln auch nicht<br />

anders. Da stichst du ja auch!“ Obwohl das sehr griffig<br />

und logisch klingt, bezweifle ich, aus diesem Wissen einen<br />

Nutzen ziehen zu können. Aber die Einstellung, die sie<br />

bewirkt ist gut: cool bleiben und rein damit. Immer locker<br />

bleiben. Das klappt ganz gut.<br />

Ob nun privatversicherte Patientinnen zu keifen<br />

beginnen und vor Wut beinahe schon der Geifer aus den<br />

Mundwinkeln trieft oder einfach nur eine Blutfontäne<br />

aus dem Arm des harmlos wirkenden Patienten die<br />

Einrichtung <strong>neu</strong> dekoriert, die Misserfolge, die man hier<br />

erlebt, sind eher harmlos – und bereiten dennoch gut<br />

darauf vor, sich mit Rückschlägen, wie sie in den<br />

Folgejahren auftreten werden, klar zu kommen. Das gilt<br />

sowohl im Umgang mit Patienten als auch mit dem Team<br />

um einen herum.<br />

So ereignet es sich etwa, dass ein Arzt sich plötzlich<br />

gestört fühlt, wenn sich ein Famulus neben ihn hockt. Er<br />

schickt ihn fort. Am Folgetag ereignet sich wieder das<br />

Gleiche. Und auch ein drittes Mal spielt sich diese Szene<br />

ab. Doch bei diesem dritten Mal setzt unterbricht der<br />

für die Befundung eingeteilte Arzt seine Tätigkeit und<br />

setzt sich zu seinem Kollegen: „Lass uns das mal<br />

gemeinsam durchgehen.“ Da winkt er den Famulus<br />

herüber und deutet ihm, Platz zu nehmen. Zu jedem Tief<br />

gehört auch irgendwann ein Hoch. So ist das Leben.<br />

Ganz besonders im Krankenhaus.<br />

Daher weiß es schon zu ermuntern, wenn plötzlich ein<br />

anderer Arzt, so eine Art „Kumpel-Typ“, philosophiert,<br />

dass sich die Dinge immer ändern und man sie nehmen<br />

soll, wie sie kommen. „Ach ja, der Stress im Studium!<br />

Ich habe während des Präp-Kurses gekifft wie ein<br />

Weltmeister. Aber egal was ist, das legt sich auch<br />

wieder.“<br />

Das Leben im Krankenhaus kann hart sein. So wie auch<br />

das Studium. Eines Tages werden wir so weit sein und<br />

die hütenden Arme der Universität verlassen. Dann sind<br />

wir auf uns alleine gestellt, den Klinikalltag mit all seinen<br />

Höhen und Tiefen erfahren. Es wird manchmal hart, aber<br />

es wird auch seine lichten Momente haben. Es wird gut<br />

sein. Und dann kann man auch mit dem Oberarzt lachen,<br />

wenn er etwas entspannter bei der Befundung sein<br />

diagnostisches Vorgehen kommentiert: „Soso, die hat also<br />

Hepatitis D. Am Alter sehe ich doch, dass die Studentin<br />

ist. Hat was von Russland erzählt. Die Geschichten kenne<br />

ich... ‘Commandant Vladimir hieß er. Aber es war Liebe<br />

- er hat geschworen.’“


Blau machen – in der Anatomie!<br />

Tobias Benthaus<br />

Was steckt dahinter, dass in den Toiletten in der Anatomie und<br />

den Innenstadtkliniken blaues Licht brennt?<br />

Vorweg sei bemerkt, dass nicht etwa ein Farbberater oder Feng-<br />

Shui-Beauftragter dafür verantwortlich ist, sondern die<br />

Hausverwaltung. Es scheint also einen tieferen Sinn zu haben,<br />

dass uns der Aufenthalt im Sanitärbereich durch derart fiese<br />

Strahlung vergrault wird (oder irre ich mich, da anderen Quellen<br />

nach, blaues Licht beruhigen und „die Stimmung des Tages<br />

weitertragen“ soll. Ob das bei der Installation in der Anatomie<br />

eine Rolle gespielt haben mag?<br />

Nun, blaues Licht in öffentlich zugänglichen sanitären<br />

Einrichtungen gab es schon früher, in Bahnhöfen zum Beispiel.<br />

Auf dem Weg, Licht ins Dunkel(blaue) zu bringen, taten sich<br />

überraschende Lösungsvorschläge auf. Und, wie so oft, weiß<br />

man oft nicht, für welche Antwort man sich entscheiden soll:<br />

51<br />

Richtig (bzw. nicht falsch) ist nur die Antwort C. Nicht nur in<br />

München, auch an vielen anderen Orten auf der Welt wird<br />

versucht, Menschen, die intravenös Drogen konsumieren, von,<br />

zumeist öffentlich zugänglichen und doch nur schwer<br />

beobachtbaren Plätzen („stille Örtchen“) zu vertreiben.<br />

Das blaue Licht soll dabei dem Drogenabhängigen das Auffinden<br />

der Venen verunmöglichen. Jeder kann diese Theorie einmal an<br />

sich selbst ausprobieren. Die Drogensüchtigen kennen ihre<br />

Gefäßverhältnisse in aller Regel sehr gut und verfügen über<br />

erstaunliche Injektionsvarianten, wenn die großen, üblicherweise<br />

benutzten Venen nicht mehr zur Verfügung stehen, zum Beispiel<br />

durch Vernarbung bei langdauerndem Drogenkonsum.<br />

Die Beleuchtung wurde angebracht, weil es Alltag der<br />

Reinigungskräfte und Haustechniker ist, Spritzen zu finden und<br />

entsorgen zu müssen. Es besteht also Bedarf an einer<br />

Verlagerung des Drogenkonsums, nicht zuletzt, weil im Schatten<br />

des Konsums das Problem der Beschaffungskriminalität<br />

auftauchen könnte (wenn es nicht schon da ist).<br />

Dabei wechselt die Lichtfarbe in öffentlichen Toiletten, wie ein<br />

Modetrend. Dies liegt meist am Betreiber (die Bahn hat aus<br />

Gründen der „Servicefreundlichkeit“ wieder weißes Licht<br />

installieren lassen und die Bahnpolizei kontrolliert häufiger) oder<br />

an der Resignation der Verantwortlichen, weil der<br />

Drogenkonsum nicht deutlich zurückgegangen ist.<br />

Warum aber braucht es gerade in den Instituten und Kliniken in<br />

der Innenstadt diese besondere Beleuchtung?<br />

Da wäre einmal die unmittelbare Nähe zu einem Brennpunkt<br />

der Drogenszene, dem Sendlinger Tor-Platz, und da vor allem<br />

die Grünanlage zwischen Lindwurm- und Nußbaumstraße. Zum<br />

Anderen könnten sich Drogenabhängige in einem Klinikgebäude<br />

sicherer fühlen, da im Falle von Komplikationen rasche Hilfe zu<br />

erwarten ist. Dies setzt jedoch die Bereitschaft voraus, dass Erste<br />

Hilfe geleistet wird, wenn von einem erhöhten Infektionsrisiko<br />

ausgegangen werden muss. Mehr dazu in der nächsten Ausgabe.<br />

Ohne Zweifel für das blaue Licht spricht die Tatsache, dass das<br />

Schminken beinahe unmöglich sein soll. Ob damit allerdings die<br />

Konzentrationsfähigkeit der Studenten gehoben werden kann,<br />

eine entsprechende Absicht vorausgesetzt, bleibt abzuwarten.<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


<strong>Medizin</strong>er und ihr Sport: Segeln<br />

Philip Hepp<br />

Segeln in München<br />

Rund um München gibt es Unmengen von Segelclubs<br />

und Vereinen, die meistens auch eine mehr<br />

oder weniger gut ausgestattete Jugendabteilung<br />

haben.<br />

Empfehlenswert ist sicher das Angebot des ZHS<br />

(siehe ZHS-Info) oder auch des Akademische Segler<br />

Vereins (www.asvim.de). Bei letzterem könnt<br />

ihr auch gerne mal einfach so mitsegeln (Am besten<br />

bei fm@asvim.de melden).<br />

Bei schönem Wetter zieht es regelmäßig viele Studenten an die<br />

Seen im Münchner Umland. Die meisten jedoch begnügen sich<br />

mit Chillen an Land und allenfalls ein paar Runden Schwimmen<br />

zum Abkühlen. Doch entgegen bösen Gerüchten eignen sich die<br />

Bedingungen meist auch hervorragend zum Surfen und Segeln.<br />

Letzteres gilt im Allgemeinen als teurer Sport, den sich Studenten<br />

kaum leisten können. Das muss nicht so sein! Es gibt diverse<br />

Angebote speziell für uns Studenten, um auch uns das Segeln zu<br />

ermöglichen.<br />

Die meisten Vorteile dieser Sportart liegen auf der Hand. Vor<br />

allem die Möglichkeit, diesen Sport mit völlig individuellem zeitlichen<br />

und körperlichen Engagement zu betreiben, hat mich von<br />

Anfang an begeistert. Vom Badesegeln mit Freunden bis zum<br />

abenteuerlichen Gewitterritt über die Wellen ist - freilich abhängig<br />

von Boot, Wetter und Können - so ziemlich alles möglich.<br />

Angenehm ist auch, dass diese Sportart unheimlich schnell zu<br />

erlernen ist und sich schon bald erste Erfolge einstellen. Dennoch<br />

wird es aber kaum langweilig, da die Möglichkeiten, das<br />

Boot zu beeinflussen, schier unerschöpflich<br />

sind und selbst ein ganzes<br />

Seglerleben nicht reicht, um alles<br />

perfekt zu können.<br />

52<br />

Entgegen der weitverbreiteten Meinung<br />

ist Segeln auch - beziehungsweise<br />

vor allem - ein Mannschaftssport.<br />

Jedem, der mal auf einem<br />

mittleren bis großen Schiff bei einer<br />

Regatta dabei war, wird dies<br />

schlagartig klar. Wie bei jeder klassischen<br />

Mannschaftssportart<br />

kommt es auch und gerade beim<br />

Segeln auf eine funktionierende<br />

Kommunikation innerhalb des<br />

Teams an. Wenn die Leute auf dem<br />

Vorschiff bei der Wende schlafen,<br />

kann der Skipper machen was er<br />

will, das Manöver kann nicht gelingen.<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Aber das meiner Meinung nach Allerbeste<br />

an der Segelei ist die Möglichkeit<br />

zum Entspannen - und das<br />

ist ja bekanntlich gerade bei uns<br />

<strong>Medizin</strong>ern verdammt wichtig. Es<br />

ist wirklich genial, wenn man nach<br />

einem heißen Sommertag in der<br />

Lesehalle mit unzähligen Koffeintabletten<br />

und noch viel mehr<br />

Kreuzelchen einfach an den See<br />

fahren kann, um sich zusammen<br />

mit Freundin oder Freunden ein<br />

Boot zu schnappen und dann mitsamt<br />

Weißbier/ Spezi in den Sonnenuntergang<br />

zu schippern und<br />

das Aussehen der Gelben Reihe so<br />

gründlich zu vergessen, dass man<br />

zumindest nicht von A, B, C, D oder<br />

E träumt...


Ein Segel-Logbuch<br />

Philip Hepp & Sylvère Störmann<br />

Segeln ist schön. Die Krönung für alle Münchner Segler ist aber natürlich die Reise zur<br />

(wirklichen) See. So geschah es denn auch, dass eine Hand voll Segler eine andere Hand<br />

voll Nicht-Segler mit auf eine Reise in die türkische Ägäis nahm. Drei <strong>Medizin</strong>er waren mit<br />

an Bord. Für sie war es ein Selbstbelohnungstrip anlässlich ihres soeben bestandenen<br />

Physikums. Wir stellen hier in einer Art Logbuch vor, was so alles passieren kann, wenn ein<br />

etwas chaotischer, aber vielleicht auch liebenswerter Haufen auf Segel-Reise geht<br />

Endlich ward es geschafft, diese eine und scheinbar alles<br />

entscheidende Hürde zu nehmen. Nun durften auch wir den<br />

Titel cand. med. tragen und uns rühmen, Überlebende des<br />

Physikum zu sein. Was also lag näher, als erst einmal das zu tun,<br />

was man als angehender Arzt können muss? So begaben wir<br />

uns in den lang ersehnten Urlaub, gönnten uns etwas Luxus.<br />

Zwei Wochen Türkei, Sonne, Wind – und eine schnittige<br />

Segelyacht.<br />

Tag 1<br />

Das Wetter ist gut, ja herrlich<br />

gar. Allerdings fehlt der Wind.<br />

Wir müssen auf den Motor<br />

zurückgreifen. Erste<br />

Seeunverträglichkeit<br />

beobachtet. Der Erste muss<br />

sich übergeben.<br />

Tag 2<br />

Immer noch Flaute. Weiter<br />

Motorfahrt. Egal, wir haben<br />

Bier und Zigaretten.<br />

Tag 3<br />

Unter der Bayrischen Flagge<br />

vereint, fließt an Bord nicht<br />

nur bayrisches, sondern auch<br />

deutsches, österreichisches,<br />

russisches, italienisches,<br />

französisches und türkisches<br />

Blut (letzteres nur aus einer<br />

riesigen, hässlichen<br />

Tigermuräne, die wir gefangen<br />

haben). Die ausgewiesenen<br />

Fischereiexperten verbringen<br />

den Tag damit, unsere<br />

Nahrungsmittel als Köder zu<br />

verwenden und damit die Fische zu füttern. An der Anlegestelle<br />

gibt es eine Bar. Dort kriegt man zwar nix zu essen, aber<br />

wenigstens Raki. Auch gut.<br />

Tag 9<br />

Gemütliches Sonnenbad an Deck, zwischendurch kurz<br />

schwimmen. Wir ankern in einer gemütlichen, kleinen Bucht.<br />

Alles ist sehr angenehm und ruhig. Wir haben zwar Hunger,<br />

aber wir haben ja immer noch Bier und Zigaretten. Überhaupt<br />

scheint die Truppe bei jedem<br />

Landgang nur Bier zu kaufen. Wo<br />

sind die Lebensmittel?<br />

Inmitten der Idylle fährt plötzlich<br />

ein Urschrei quer durch die<br />

Berglandschaft. Quell des Getöses<br />

ist der Kampfrusse. Diesen hatte<br />

man Ewigkeiten nicht mehr<br />

gesehen, da er im Felsgestein<br />

tauchend einem Tintenfisch<br />

hinterher jagte. Wie He-Man hält<br />

er sein Jagdmesser in die Luft und<br />

brüllt weiter. Statt einer blitzenden<br />

Klinge leuchtet lediglich ein<br />

armseliges Tierchen. Es wird an<br />

Bord gebracht. In einer biologisch<br />

angehauchten Diskussion<br />

entscheidet man dann, wie es von<br />

seinen Qualen erlöst werden soll.<br />

Abends dann gebratener<br />

Tintenfisch.<br />

Tag 11<br />

Mal wieder Landgang. Wollen uns<br />

in einem Restaurant mal richtig<br />

den Bauch voll hauen. Einige von<br />

uns halten seit Beginn der Reise<br />

eine besondere Diät. Nennen wir<br />

sie mal „Romanische-<br />

Essgewohnheits-Diät“. Sie besteht<br />

darin, dass die Betroffenen zu<br />

später Uhrzeit zu essen gewohnt sind. Zu einer Uhrzeit eben, da<br />

die anderen schon längst die Kombüse leer gefressen haben.<br />

Das Leben auf hoher See ist unerbittlich.<br />

53<br />

Tag 5<br />

Nahrungsbeschaffung durch Kampfrussen. In einem<br />

Naturschutzgebiet bezwingt er Krebse. Ein Kampf, den die Tiere<br />

schon verloren hatten, bevor er überhaupt angefangen hatte.<br />

Mittlerweile ist unser wichtigstes Nahrungsmittel der Knoblauch.<br />

Jeder reißt sich um den Posten des Knoblauch-Schälers.<br />

Werden an jedem Hafenrestaurant von kuriosen Gestalten<br />

angesprochen: „Mein Freund, ich machen dir gute Preis für Bier.<br />

Komm rein.“ Hatten anfangs Schwierigkeiten, sie abzuwimmeln.<br />

Guter Trick: laut „Hellas!“ rufen und mit freundlicher Gestik auf<br />

den Restaurantmenschen zugehen. So hat man dann seine Ruhe.<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


Militärstützpunkt Poliklinik<br />

54<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Heilfroh, noch zu leben, möchte ich an dieser Stelle von meinem<br />

Aufenthalt am Militärstützpunkt Poliklinik berichten. Vor einigen<br />

Wochen beschied mir mein Arzt eine Erkrankung, die einer<br />

Operation bedurfte. Ein kleiner Eingriff, Routine - eigentlich. Nun<br />

hatte ich die Wahl, ob ich mich in der Innenstadt oder in<br />

Großhadern operieren lassen sollte. Ich hatte mich bewusst für<br />

das gemütliche, kleine, harmlose, ja fast schon familiär<br />

angehauchte Haus mit schönem Garten in der Pettenkoferstraße<br />

entschieden, als das wir unsere Poliklinik alle kennen. Durch die<br />

Untersuchungskurse, die ich hier besucht habe, kannte ich mich<br />

schon etwas aus. Und ich war froh nicht in den klotzigen Koloss<br />

vor den Toren Münchens zu müssen, der mir schon von Weitem<br />

Angst bereitet.<br />

Zuversichtlich betrat ich also eines frühen Morgens das nach<br />

außen Ruhe ausstrahlende Gebäude in der Innenstadt, um die<br />

Aufnahmeuntersuchung für meine OP durchführen zu lassen.<br />

Zu diesem Zeitpunkt war noch alles in Ordnung und ich ahnte<br />

nichts Böses...<br />

Nach langem, langem Warten kam das Aufnahmegespräch mit<br />

einer zerstreuten Sekretärin in Blümchenkleid und Brille tief auf<br />

der Nasenspitze. Meine wenigen Daten (Adresse und Geburtsort)<br />

gab sie im Adlerauge-Suchsystem mit ihrem einen Tippfinger in<br />

ihren Computer ein. Nach dieser Schikane erst durfte ich in eine<br />

der drei Kabinen des Untersuchungsraumes, in dem sich eine<br />

sehr sympathische Ärztin um mich bemühte.<br />

Die fernsehserienreife Harmonie sollte allerdings nicht lange<br />

währen, denn als die Lämpchen der Untersuchungseinheit<br />

ausfielen, brauste auch schone eine dralle Schwester<br />

mit zorniger Miene heran und fauchte die Ärztin<br />

an: " Immer macht ihr das hier alles kaputt! Jetzt<br />

kann ich die Birnen wieder austauschen! Das liegt<br />

daran, dass Ihr die Geräte immer die ganze Nacht<br />

anlasst!" Während sie noch mehrmals "15 Euro<br />

kosten die Birnen " leise vor sich hinschnaubte,<br />

nahm die Ärztin ruhig und gelassen ihre Arbeit<br />

wieder auf. Ich hingegen musste mich schwer<br />

zusammenreißen, um nach der dargebotenen<br />

Szene nicht auszurasten. Wie konnte sich diese<br />

Schwester nur vor den Patienten derart aufführen?<br />

"Gewöhn dich schon mal dran", beschied mir die<br />

Ärztin. Das klang nach einem gut gemeinten Rat<br />

für meine Zukunft als Ärztin in einer albernen<br />

Krankenhaushierarchie. Aber war es nicht vielleicht<br />

auch eine Warnung an mich als Patientin?<br />

Dabei hatte ich mir den Krankenhausaufenthalt so<br />

schön ausgemalt. Viel schlafen, ausruhen, -<br />

schlichtweg einfach mal nichts tun. Vor allem weder<br />

lernen noch kreuzen. Dass dies aber eine recht naive<br />

Vorstellung war, merkte ich leider rasch. Genauer<br />

gesagt morgens um 7h30 vor meiner OP. "Was macht<br />

der Koffer hier auf dem Boden, ist der noch nicht<br />

ausgeräumt???", schallte es mir unfreundlich<br />

entgegen, nachdem eine Schwester mein Zimmer<br />

betreten hatte. Kurz zuvor hatte ich erst selbiges<br />

getan, denn zu meinem Glück durfte ich Daheim<br />

übernachten und war samt meiner Koffer zu guter<br />

Morgenstund erschienen. Wurde man hier so<br />

geweckt? Scheinbar handelte es sich aber um eine<br />

rhetorische Frage, und überhaupt schien das<br />

Interesse der Schwester an Dialog minimal wenn<br />

denn überhaupt vorhanden gewesen zu sein:<br />

"Ziehen Sie sich das Nachthemd an und schlucken<br />

sie die Pille!" Prägnant, barsch, fordernd. Wie beim<br />

Militär. Ich wunderte mich, ob ich vielleicht auch<br />

still stehen müsste. Füße zusammen und Gewehr<br />

gerade halten? Eigentlich freute ich mich da schon<br />

fast auf meine Vollnarkose...<br />

Die OP verlief ohne Komplikationen und den Rest des Tages habe<br />

ich mit einem tiefgrauen Schleier vor Augen von einer anderen<br />

Sphäre aus erlebt. Das Schlimmste war, dass sich meine Augenlider<br />

wie Blei anfühlten und ich so unendlich müde war, ich aber einfach<br />

nicht einschlafen konnte. Ich blutete die ganze Nacht lang und<br />

konnte nur noch durch den Mund atmen, der sich schon nach<br />

einer Viertelstunde anfühlte wie eine ausgedorrte<br />

Wüstenlandschaft. Schlafen ging also nicht. Aber irgendwie<br />

vertrieb ich mir schon die Zeit. Ob Hörspiele, Magazine, Bücher<br />

oder Fernsehen, irgendwie ging das schon. Irgendwann ging<br />

schließlich die Sonne auf. Ich fühlte mich wie zermatscht als gegen<br />

6h30 eine mir unbekannte Schwester meine Zimmertür aufriss<br />

und zum Fenster hastete, um dann mit Karacho die Rollläden<br />

hoch zu ziehen. Scheinbar wurde man hier so geweckt. Ich hätte<br />

schon gehofft, dass darauf zumindest noch ein "Guten Morgen",<br />

"Wie fühlen Sie sich?" oder "Haben Sie gut geschlafen?" gefolgt<br />

wäre, stattdessen befahl man mir nur: "Räumen Sie den Koffer<br />

vom Tisch! Da muss das Frühstück hin!" Zunächst verstand ich<br />

nicht, aber dann fiel mir ein, dass mein Freund mir den Koffer<br />

offen auf den Tisch gelegt hat, damit ich besser rankäme. Aber es<br />

half alles nichts. Als junger Rekrut im Militärstützpunkt Poliklinik<br />

musste ich mich aufrappeln und durch.<br />

Schwindelig torkelte ich denn aus dem Bett und machte mich<br />

daran, den schweren Koffer auf den Boden zu hieven. Danach<br />

schob ich ihn unter den Tisch, um mir nicht noch Vorwürfe<br />

anhören zu müssen, man könne drüberstolpern oder so. Ich


wankte zurück zu meinem Bett, legte mich hin und schloss die<br />

Augen. Die Ruhe hatte ich mir ja nun auch verdient. "Was macht<br />

denn der Koffer hier unter dem Tisch? Der muss da weg! Der<br />

gehört oben auf den Schrank. Sonst können ja die Putzfrauen<br />

hier nicht wischen." Putzfrauen? Wischen? Ich öffnete widerwillig<br />

die Augen und erkannte die Schwester, die schon am Tag zuvor<br />

ein Problem mit meinem Gepäckstück hatte. Müde und ausgelaugt<br />

erklärte ich ihr, dass ich den Koffer gerade erst vom Tisch auf den<br />

Boden gelegt hatte und - doch da fiel sie mir schon ins Wort: "Ja,<br />

wer legt denn auch schon einen Koffer auf den Tisch?! Räumen<br />

Sie den leer, dann stell ich ihn für Sie auf den Schrank." Eigentlich<br />

ging es mir ziemlich dreckig und noch lieber als Kofferauspacken<br />

wollte ich einfach nur ausruhen. Stille. Und schon war sie<br />

verschwunden.<br />

Die Stunden vergingen. Irgendwann kam der Arzt. Er kümmerte<br />

sich kurz um mich, verließ alsbald das Zimmer und ich dämmerte<br />

etwas vor mich hin. Dann drückte ich den Knopf um eine der<br />

Friedenspreis verdächtigen Schwestern zu rufen. Schon erschien<br />

eine im Türrahmen: muffig, muskulös, männlich. Sahen die alle<br />

gleich aus? Leise fragte ich höflich: "Entschuldigung, der Arzt<br />

war gerade bei mir. Könnten Sie mir vielleicht die Eiskrause,<br />

Antibiotika und Nasensalbe bringen?" - "Wir gehen gleich von<br />

Zimmer zu Zimmer! Wenn Sie das Eis und die Salbe JETZT wollen,<br />

dann gehen Sie ins Schwesternzimmer!" - "Ja, ich fühle mich halt<br />

noch ziemlich wackelig auf den Beinen..." Schon war sie weg. Ich<br />

wartete anderthalb Stunden und machte mich dann doch selbst<br />

auf den Weg.<br />

Die Tage vergingen und ich hatte mich fast schon an die ruppige<br />

Art der Militäreinheit hier am Poliklinik-Stützpunkt gewöhnt.<br />

Doch dann kam der Punkt, an dem ich einfach nur froh war, dass<br />

ich <strong>Medizin</strong> studiere. Anstelle einer harmlosen NaCl-Spülung,<br />

die einer der Ärzte mir bei der morgendlichen Visite für die<br />

nächsten Wochen verschrieben hatte, bekam ich ein Nasenspray<br />

auf dem ganz klein der Wirkstoff "Mometason" stand. Wie ein<br />

Blitz schoss es mir durch den Kopf: "Das kann doch nicht wahr<br />

sein, das war doch ein hochkonzentriertes Cortison-Präparat!"<br />

In dem Moment hat es sich dann doch ausgezahlt, in Pharma gut<br />

aufgepasst zu haben. Ich ging zu dem Arzt und fragte nach. Dieser<br />

rastete fast aus und sagte, ich solle es weg schmeißen, es handelte<br />

sich nämlich nicht nur um das falsche Medikament, sondern auch<br />

noch um das Präparat einer bestimmten Marke, die er seinen<br />

Patienten schon seit Jahren nicht mehr verschreibt. "Die<br />

Schwestern hören mir überhaupt nicht zu, trinken den ganzen<br />

Tag nur Kaffee und graben dann noch die Medikamente aus, die<br />

sie schon längst wegwerfen sollten!"<br />

Dank vieler Besuche, Blumen und Schokolade bin ich letztlich<br />

doch noch zu Kräften gekommen und durfte nach ein paar Tagen<br />

das "gemütliche, kleine, harmlose, fast schon familiär angehauchte<br />

Haus mit schönem Garten in der Pettenkoferstraße" verlassen.<br />

Ich atmete erleichtert auf. Doch eine Frage quälte mich den Rest<br />

des Tages: "Wie schütze ich mich in Zukunft bei möglichen<br />

Rezidiven vor der Poliklinik-Horde?"<br />

Krampfhaft suchte ich nach Lösungen. Sollte ich mir einen Pit<br />

Bull Terrier anschaffen, der mich am Krankenbett bewacht? Oder<br />

einen sehnigen Bodyguard? Nee... ich brauche einfach meine<br />

eigene, persönlich aus reichlichen Castings sorgfältig ausgesuchte<br />

Privatkrankenschwester! Hhmm. Das hörte sich nach viel Arbeit<br />

an. Ich grübelte. Und endlich hatte ich DIE glorreiche Idee...<br />

Gleich am nächsten Morgen habe ich meinen Freund bei der<br />

Krankenpflegerschule angemeldet. Demnächst hat er seinen<br />

ersten Schultag. Eine Schultüte hab ich ihm auch schon besorgt...<br />

Können Männer kurze Hosen tragen?<br />

Benedikt Bader<br />

Es wird Sommer es wird heiss. Frauen tragen kurze Röcke.<br />

Männer tragen kurze Hosen. Moment! Männer tragen kurze<br />

Hosen? Können Männer kurze Hosen tragen? Ich meine ja, aber<br />

sicher nicht um jeden Preis.<br />

Solange wir Männer noch klein sind, gibt es fürwahr keine<br />

Diskussion. Wer als sechsjähriger Mann im Sandkasten keine<br />

kurze Hose trug, war schnell sozial isoliert. Das eigentliche<br />

Dilemma beginnt erst mit dem Eintritt ins Berufsleben. Plötzlich<br />

ändert sich für den Mann alles. Es ist, als ob mit einem Mal die<br />

unbeschwerte, kurzbehoste Kindheit völlig vergessen ist. Wer je<br />

als Auszubildender in der Sparkasse zum weissen Hemd<br />

farbenfrohe Bermudashorts trug, wird wissen, wovon ich schreibe.<br />

Behaarte Männerbeine - weiß vom langen Winter - schwitzen in<br />

der S-Bahn und alle schauen zu. Vor allem den Leserinnen wird<br />

es bei dieser Vorstellung eiskalt den Rücken runterlaufen.<br />

Urlaub eine Stadt in der Toskana an. Zufällig haben sie sich<br />

morgens für die abgeschnittene Jeans entschieden. Dieser kapitale<br />

Fehler begleitet sie nun den ganzen Tag. Ob Toskana, Côte d'Azur<br />

oder Alicante, einen männlichen Touristen erkennt man stets<br />

daran, dass er kurze Hosen trägt. Einheimische machen so etwas<br />

nicht. Da kann es noch so heiss sein.<br />

Das sieht nicht gut aus, für uns Männer. Doch es gibt einen<br />

Ausweg: Zuhause im Garten, hinter einer hohen Thuja-Hecke<br />

können wir Männer noch Kinder sein. Hier können wir ungestört<br />

alle kurzen Hosen dieser Welt tragen, ohne in peinliche Situationen<br />

zu geraten.<br />

Und weil es wichtig ist, das Kind im Manne von Zeit zu Zeit zu<br />

pflegen, sage ich überzeugt: "Ja, Männer können kurze Hosen<br />

tragen!"<br />

55<br />

Kurze Hosen in Büros - wir wollen am besten gar nicht daran<br />

denken. Wie wäre der Mannesmannprozess ausgegangen, hätte<br />

Josef Ackermann in den Verhandlungen statt eines Brioni-<br />

Anzuges eine flotte kurze Sporthose von Adidas getragen?<br />

Vermutlich hätte es den Prozess gar nicht gegeben, da Herr<br />

Ackermann für seine Leistungen sicher keine Millionen Prämie<br />

bekommen hätte. Wer also kein Rettungsschwimmer in Malibu<br />

ist, trägt besser auch keine kurzen Hosen während der Arbeit.<br />

Doch der Trend gegen kurze Hosen macht keinen Halt im Beruf.<br />

Nein, nein! Auch im Urlaub sehen wir sie: Männer... in ihren besten<br />

Jahren... vom guten Essen geformt sehen sich im wohlverdienten<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de


Wahlen...<br />

Sylvère Störmann<br />

...kann man scheinbar nicht helfen. In der vorletzten Ausgabe<br />

der <strong>Synapse</strong> versuchten wir zu deren Rettung zu animieren. Doch<br />

die Zahlen sind niederschmetternd: statt 12,65% (704 von 5.562<br />

wahlberechtigten <strong>Medizin</strong>studenten) im Jahre 2002, gingen zur<br />

Wahl 2003 nur 542 von 5.573 Studenten zur Wahl, also 9,73%.<br />

Das ist ganz schön wenig.<br />

Aber dieses Jahr wird das alles anders, denn dieses Jahr werden<br />

ganz schön viele Studenten zur Wahl gehen. Und zwar, weil das<br />

eine gute Sache ist, das Wählen. Schließlich nimmt man so sein<br />

Privileg zur Partizipation wahr. Und ganz ohne Wähler, gäbe es<br />

plötzlich keine <strong>Fachschaft</strong>svertretung mehr. Und das wäre<br />

irgendwie ganz schön doof. Nicht nur, weil die <strong>Fachschaft</strong>svertretung<br />

gerne <strong>Fachschaft</strong>svertretung ist, sondern weil die<br />

<strong>Fachschaft</strong>svertretung sich bemüht, den Studenten -also in gewisser<br />

Form auch ihren Wählern- das Studium zu erleichtern.<br />

Das fängt mit der Erstsemestereinführung an, geht über zu Altklausuren<br />

und günstigen Materialien im Büro (etwa Klingen für<br />

den Präpkurs oder Stethoskope) bis hin zu stundenlangen Sitzungen<br />

in Gremien der Fakultät, wo dann auch studentische Interessen<br />

vertreten werden.<br />

Um der <strong>Fachschaft</strong>svertretung also zu helfen, ihrer <strong>Fachschaft</strong><br />

(also den Studenten) zu helfen, reicht es, am 22. oder 23. Juni<br />

2004 zwischen 9h und 16h mit dem Studentenausweis in der<br />

Anatomie einzulaufen und der „<strong>Breite</strong>n <strong>Liste</strong> <strong>Gesundheit</strong>“ ein<br />

Kreuz schenken. Denn das kostet nur ein paar Minuten - ein<br />

Leben ohne <strong>Fachschaft</strong>svertretung kostet hingegen sehr viel Zeit...<br />

Hilf deiner<br />

<strong>Fachschaft</strong> helfen!<br />

56<br />

Wahlen am 22./23. Juni 2004<br />

9h 00 - 16h 00 in der Anatomie<br />

(Studentenausweis reicht!)<br />

<strong>Fachschaft</strong>, das sind die da!<br />

Nein, <strong>Fachschaft</strong> sind alle. Und jeder der sich im Interesse der Studenten unserer Fakultät engagieren möchte,<br />

ist herzlich eingeladen, mitzumachen.<br />

Die <strong>Fachschaft</strong>s-Sitzung findet jeden Donnerstag ab 19h in der <strong>Fachschaft</strong>s-Wohnung (Pettenkoferstr. 10a,<br />

Rückgebäude) statt. Und wer uns eine Mail schicken mag:<br />

infos@fachschaft-medizin.de<br />

<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Auch die <strong>Synapse</strong> freut sich immer über engagierte Redakteure, die gerne mitmachen möchten. Da es weder<br />

regelmäßige Redaktionssitzungen noch eine regelmäßige Erscheinweise gibt, mögen sich Interessenten per<br />

Mail melden:<br />

synapse@fachschaft-medizin.de<br />

Hilf deiner <strong>Fachschaft</strong> helfen!

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