Synapse 50-neu.pmd - Breite Liste Gesundheit, Fachschaft Medizin ...
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Zeitschrift der <strong>Fachschaft</strong> <strong>Medizin</strong> an der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
Nr. <strong>50</strong> · Juni 2004
Inhalt<br />
Arbeiten als Arzt<br />
Als Student hat man es eigentlich ganz leicht. Auch wenn im Moment viele wegen der Schwulitäten, die im Rahmen der <strong>neu</strong>en<br />
Approbationsordnung auftreten, es schwer haben, geht es ihnen vergleichsweise gut. Arbeiten als Arzt - was das bedeutet und wieso<br />
es auch Studenten interessieren sollte, könnt ihr in dieser Ausgabe nachlesen.<br />
„Es stimmt, daß Arbeit noch nie irgendjemanden umgebracht hat. Aber warum das<br />
Risiko eingehen?“<br />
[ Ronald Reagan ]<br />
Arbeiten als Arzt<br />
Better Doctor Training, Worse Patient Care - Ein Vorwort von Samuel Shem ....................................................................... 3<br />
Staatlich geduldeter Rechtsbruch - Eine Übersicht zu EU-Recht und Arbeitszeit ............................................................ 4 - 9<br />
Arbeitsbedingungen für Ärzte weltweit - Eine Übersicht ........................................................................................... 10/11<br />
Zwischen Studium und Arbeitsleben - Ein Grenzerfahrungsbericht aus dem PJ ................................................................. 1 3<br />
Ein Einblick in unser <strong>Gesundheit</strong>ssystem - Eine Übersicht ....................................................................................... 14 - 16<br />
Arbeitszufriedenheit von Ärzten im Krankenhaus - Eine Studie ...................................................................................... 1 7<br />
Bereitschaftsdiensturteil - Ein Mailaustausch deutscher Studenten ............................................................................ 6 - 12<br />
Leben mit dem Virus<br />
Leben mit dem Virus - Ein Interview mit einem „Positiven“ .................................................................................... 18 - 21<br />
HIV-Therapie - Ein Referatshandout ............................................................................................................................ 2 2<br />
Lehramt <strong>Medizin</strong> und Sexualkunde - Ein MSV-Artikel ..................................................................................................... 2 3<br />
Der Weg hierher... und noch vor mir - Ein Artikel über HIV-Impfstoffforschung ............................................................. 24/25<br />
MeCuM<br />
Wahlen<br />
MeCuM „underground“ - Ein Einblick in die MeCuM-Organisation .............................................................................. 26 - 29<br />
Das PJ-Programm der LMU München - Ein Konzeptpapier ....................................................................................... 30 - 32<br />
Versuchsreihe MeCuM - Ein Erfahrungsbericht ............................................................................................................... 3 3<br />
MeCuM-Online meets Medi-Board - Eine kleine Diskussion mit Prof. Lackner ............................................................... 34/35<br />
Rettet die Wa(h)le(n)! - Aus dem <strong>Synapse</strong>-Archiv ......................................................................................................... 38<br />
Die <strong>Breite</strong> <strong>Liste</strong> <strong>Gesundheit</strong> - Ein persönlicher Bericht (mit Bildern aus 25 Jahren BLG) ............................................. 39 - 45<br />
Kandidatenvorstellung - Die Vier für den Fachbereichsrat ......................................................................................... 46/47<br />
Der Weg hierher... und noch vor mir - Ein Artikel über HIV-Impfstoffforschung ............................................................. 24/25<br />
Hilf deiner <strong>Fachschaft</strong> helfen! - Eine Aufmunterung ..................................................................................................... 5 6<br />
2<br />
Sonstiges<br />
Wer ist eigentlich Samuel Shem? - Ein Überblick ................................................................................................... 18 - 21<br />
From a Land Down Under - Ein Famulaturbericht aus dem DRG-Land .......................................................................... 48/49<br />
Famulissime! - Ein weiterer Famulaturbericht aus GH (auch sehr weit) ............................................................................ 5 0<br />
Blau machen - in der Anatomie! - Über das blaue Licht ................................................................................................. 5 1<br />
<strong>Medizin</strong>er und ihr Sport: Segeln - Ein Artikel mit Logbuch ........................................................................................ 52/53<br />
Militärstützpunkt Poliklinik - Ein Enthüllungsbericht aus der Innenstadt ................................................................... 54/55<br />
Können Männer kurze Hosen tragen? - Eine Glosse ....................................................................................................... 5 5<br />
Rezensionen<br />
Das <strong>Gesundheit</strong>swesen in Deutschland ....................................................................................................................... 15<br />
Arbeitsbedingungen und Arbeitszufriedenheit von Ärzten im Krankenhaus .................................................................... 17<br />
Das <strong>neu</strong>e <strong>Medizin</strong>studium .......................................................................................................................................... 28<br />
Reformen im <strong>Gesundheit</strong>swesen ................................................................................................................................. 29<br />
Mount Misery ........................................................................................................................................................... 36<br />
House of God .......................................................................................................................................................... 37<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Breite</strong> <strong>Liste</strong> <strong>Gesundheit</strong> (BLG)<br />
<strong>Fachschaft</strong> <strong>Medizin</strong><br />
der Ludwig-Maximilians-Universität, München<br />
Pettenkoferstraße 11<br />
80336 München<br />
Telefon (089) 51 60 – 89 20 / - 75 79<br />
Telefax (089) 51 60 – 89 20<br />
E-Mail info@fachschaft-medizin.de<br />
www.fachschaft-medizin.de/synapse<br />
Redaktion:<br />
Tobias BENTHAUS, Sylvère STÖRMANN<br />
Auflage: 2.<strong>50</strong>0 Exemplare<br />
Druck:<br />
Werbe-Druck-Verlag Hammerand GmbH,<br />
Fürstenfeldbruck<br />
werbedruckverlag@t-online.de
Better Doctor Training, Worse Patient Care<br />
Samuel Shem<br />
Twenty-five years ago I published The House of God, a novel of<br />
my medical internship. It described a brutal, authoritarian system<br />
of training that dehumanized doctors and patients alike. Since<br />
then I have spoken with medical students and doctors at almost<br />
every medical school in America, and several in Germany, and<br />
have observed the historical movement of the training process.<br />
The irony is that in America as medical training has gotten better,<br />
patient care has gotten worse.<br />
Medical students now are better prepared. Many schools require<br />
'externships', where the student functions as a first year resident.<br />
Some schools, like North Dakota, require that much of the<br />
student's final year is spent in a clinical practice with a senior<br />
doctor. Students now are more worldly-they might have worked<br />
in a Cambodian refugee camp, an AIDs clinic in South Africa, or<br />
done rural health in Haiti. Given the fall in doctors' income and<br />
status, they are not going into medicine for the money or the<br />
prestige. The training system is becoming more human.<br />
Traditionally it was run with all the subtlety and humanism of the<br />
military-a 'power-over' system where your rank gives you power<br />
over the next doctor down. This led to cruelty and frank abuse,<br />
where the lower-downs got isolated from each other and from<br />
their authentic experience of the system itself. You start to think<br />
"I'm crazy for thinking it's crazy." Now the system is somewhat<br />
more 'power-with,' emphasizing dialogue and mutual decisionmaking.<br />
The recent cap on on-call hours is a great improvement.<br />
In the past, your doctor was so sleep-deprived that he might be<br />
seeing double and mistaking a heart murmur for a bowel rumble.<br />
The recent limit of hours to 80 a week is progress.<br />
There have been other humanizing forces. Now <strong>50</strong>% of residents<br />
are women, who, as carriers of relationship in our culture, try to<br />
bring these priorities into medicine. Residents now get instruction<br />
in ethics, especially around the terminally ill. Emphasis is shifting<br />
from knowledge to understanding-with Palm pilots in our pockets,<br />
there is an opportunity to shift from the clutter of information to<br />
the crux of understanding. Residents may now have time to thinkor,<br />
better, connect with patients and with each other. Isn't that<br />
what we want? A doctor with the data at his or her fingertips, and<br />
an ability to understand, to "be with us" empathically? Our new<br />
doctors are of that breed.<br />
Why have these improvements in doctors' training not significantly<br />
impacted the overall care of patients? Three recent examples:<br />
A pregnant woman goes into premature labor and<br />
is bounced around from one emergency room to<br />
another until she starts hemorrhaging and is<br />
admitted, comatose.<br />
A young woman faints in the heat and is brought<br />
to a large city hospital where the resident does<br />
enough bloodtests to exsanguinate a puppy and<br />
gets a CAT scan-all because of the hospital policy<br />
to practice 'defensive medicine' and avoid lawsuit.<br />
An alcoholic, at the end of his three days of<br />
insurance coverage in Boston, tells the claims<br />
person-a teenager in Topeka-that he's afraid to<br />
leave, and asks "What am I gonna do?" "Go out<br />
and get drunk," she says, "and we'll readmit you<br />
for another three."<br />
These three examples reflect the larger picture.<br />
None of these are cost-efficient, or examples of<br />
good care. Preventive care is not valued (outpatient<br />
doctors routinely spend about nine minutes per<br />
patient visit; things are routinely missed.) Hospitals<br />
are less available-in the past several years<br />
approximately 1000 hospitals (of a total of 6000)<br />
Better Doctor Training, Worse Patient Care<br />
closed their doors. The ones still in business are overwhelmed,<br />
cutting costs. Because of cost cutting and insurance industry<br />
pressure, the time a resident can spend per visit with any one<br />
patient is severely limited. The hospital stay is dangerously<br />
foreshortened, so that the resident never really gets to know the<br />
patient well, never gets to use these new humanistic skills.<br />
Paperwork and defensive tests consume the resident-about 25%<br />
of the $1.66 trillion dollar per year health budget goes to<br />
administrative costs-$399.4 billion dollars a year for pushing paper<br />
instead of patient care. Because of all this, mistakes are rising:<br />
your chance of being a victim of a mistake during your hospital<br />
stay is over <strong>50</strong>%.<br />
The reason that doctors can't provide patients good health care is<br />
that the American health care system prevents it. It gets between<br />
the doctor and the patient like a wrong pair of glasses. Doctors<br />
can't give the care they aspire to; patients feel the limited care.<br />
Health care in America is a national disgrace. Many doctors my<br />
age are leaving medicine; many patients are appropriately irate.<br />
A national disgrace demands a national solution. Change will not<br />
come from the private sector. Insurance executives, after all, are<br />
the oil men of medicine. Only when things got really bad in medical<br />
training did we doctors act. The cap on on-call hours came from<br />
the combined pressure brought by patients (the Libby Zion case)<br />
and doctors (the residents forming unions). We doctors need to<br />
organize and resist-perhaps announce an intent to strike, a year<br />
from today, unless there is a plan for a national system in place-to<br />
revolutionize health care as we have tried to humanize our<br />
profession. America can afford it. It's a matter of priorities (start<br />
by taking a nibble out of the annual $401.3 billion military budget),<br />
efficiency (nationalizing could reclaim about $325 billion annually<br />
of the $399.4 billion spent on 'paperwork'), and finding a leader<br />
who understands that "compassionate" health care is more than<br />
just a sound bite. The administration's war on Medicare ("we had<br />
to destroy it to save it") is a cynical election year ploy, a slip down<br />
the slope to privatization and profiteeering. Ironically, one of the<br />
few issues that Bush/Cheney has not misled the American people<br />
about is an overall health care plan-it has none.<br />
Germany has had an effective national health system. Yet the<br />
recent changes show that whatever is done to it, it's not the good<br />
intention that counts but the outcome for the patients. They are<br />
the ones whom it is dedicated to.<br />
Samuel Shem Shem<br />
(Pseudonym von Steve Bergman, M.D., Ph. D.) ist Autor der<br />
Bestseller „House of God“, das dieses Jahr seinen 25. Geburtstag<br />
feiert und noch immer ein Klassiker unter <strong>Medizin</strong>studenten ist,<br />
und „Mount Misery“. Zu<br />
seinem Oeuvre gehören<br />
außerdem<br />
„Doctor<br />
Fine“ und „Orvilles<br />
Heimkehr“.<br />
mehr auf den<br />
Seiten 32 und 33<br />
3<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
Arbeitszeiten im Krankenhaus<br />
Staatlich geduldeter Rechtsbruch<br />
Hans-Peter Doepner<br />
Missliebige Urteile werden weiterhin ignoriert. Der übermüdete Arzt<br />
bleibt. Als betroffener Arzt berichtet der Autor aus dem<br />
Krankenhausalltag und kritisiert die Verantwortlichen.<br />
Die EU-Kommission hat wegen der Verletzung des<br />
Stabilitätspaktes gegen Deutschland und Frankreich eine Klage<br />
beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingeleitet. Das ist richtig<br />
und korrekt: Pacta sunt servanda. Eine andere Frage ist es, wie<br />
innerhalb der Europäischen Union (EU) mit Gesetzen und<br />
Gerichtsurteilen umgegangen wird, und ob den Richtern des<br />
EuGH ausreichend Respekt entgegengebracht wird. Es geht um<br />
die Arbeitszeiten und Bereitschaftsdienste in Krankenhäusern,<br />
bei Feuerwehren und Rettungsdiensten. Eine diffuse Hetze gegen<br />
Ärzte und das „marode <strong>Gesundheit</strong>ssystem“ stehen derzeit hoch<br />
im Kurs. Latente Antipathie findet man in der Berichterstattung<br />
vieler Medien. Hier geht es aber keinesfalls um „überzogene<br />
Forderungen einer verwöhnten Ärztelobby“, sondern um staatlich<br />
geduldeten Rechtsbruch. Gerichtsurteile, die der Politik passen,<br />
werden umgesetzt, missliebige Entscheidungen ignoriert.<br />
Dass in den Krankenhäusern, insbesondere für Ärzte, unwürdige<br />
und gefährliche Arbeitsbedingungen herrschen, ist längst<br />
bekannt. Dies ist Folge von immer mehr (meist sinnloser)<br />
Bürokratie, immer kürzeren Liegezeiten und einem seit<br />
Jahrzehnten nicht angepassten Personalplan. Überstunden von<br />
Ärzten sind die Regel, werden auf Druck der Verwaltungen aber<br />
nicht dokumentiert. Extreme Arbeitszeiten (teils am Stück im<br />
„normalen Arbeitsleben“ einer 4-Tage-Woche entsprechend),<br />
enormer Zeitdruck und ein raues Klima sind die Regel. Oft wird<br />
versucht, das Problem zu individualisieren: „Wenn Sie 30<br />
Patienten und sechs Zugänge nicht in Ihrer normalen Arbeitszeit<br />
versorgen können, dann sind Sie nicht belastbar und arbeiten<br />
nicht effektiv.“ Die Zahl der Ärztinnen und Ärzte, die – unter vier<br />
Augen – Überlastung, Überforderung und Übermüdung beklagen,<br />
ist aber inzwischen so groß, dass die Verschiebung zum<br />
individuellen Problem nicht der Realität entsprechen kann.<br />
Skandalkette, Teil 1<br />
Am 23. November 1993 wurde die EU-Richtlinie 93/104 zu<br />
bestimmten Aspekten der Arbeitszeitgestaltung erlassen, die die<br />
gröbsten Missstände in den Mitgliedsstaaten beseitigen sollte. Der<br />
deutsche Gesetzgeber änderte daraufhin zum 1. Juli 1994 das<br />
Arbeitszeitgesetz, wobei für die Krankenhäuser eine längere<br />
Umsetzungsfrist (bis zum 1. Januar 1996) vereinbart wurde. Die<br />
4<br />
Nachdruck<br />
abgedruckt<br />
erschienen in:<br />
Deutsches Ärzteblatt,<br />
Ausgabe 07/2004 (vom 13.02.2004)<br />
„Europäisches Recht -<br />
deutsche Praxis“<br />
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Unser besonderer Dank gilt<br />
Herrn JACHERTZ (Chefredakteur) & Frau HESS
Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie war jedoch wirr, unschlüssig<br />
und falsch. Obgleich damals sehr viele Ärzte verfügbar waren,<br />
hat man die Arbeitsbedingungen im Krankenhaus nicht<br />
verbessert, sondern stattdessen eine realitätsferne<br />
Formulierung eingefügt.<br />
Bei den Bereitschaftsdiensten wurde nur die Zeit der<br />
tatsächlichen Heranziehung zur Arbeit als<br />
Arbeitszeit gewertet, der Rest als Ruhezeit.<br />
Eine Farce: Es ist keine Ruhezeit, wenn<br />
ein Arbeitnehmer sich an einem<br />
vorgegebenen Ort aufhalten und<br />
jederzeit sofort (!) arbeitsbereit sein<br />
muss. Die Situation gleicht weniger<br />
einer Ruhezeit als vielmehr einem<br />
Gefängnis. Die Möglichkeiten, diese<br />
„Ruhezeit“ zum Ruhen zu nutzen, sind<br />
extrem limitiert. Jeder, der<br />
Bereitschaftsdienste leistet, weiß das.<br />
Bestenfalls ist es möglich zu lesen, zu essen<br />
oder fernzusehen. Auch ist das Umfeld in der<br />
Regel weder gastlich noch gemütlich und oft<br />
auch sehr laut.<br />
Die Diskussion wird denn auch ausschließlich von<br />
solchen Interessenten forciert, die selbst noch nie<br />
einen einzigen Bereitschaftsdienst gemacht haben.<br />
Wenn ein Jurist schreibt, dass „(. . .) eine Zeit ohne<br />
Inanspruchnahme im Bereitschaftsdienst,<br />
während der geschlafen werden kann,<br />
unzweifelhaft genauso gesundheitsförderlich wie<br />
der Schlaf an einem frei gewählten Aufenthaltsort<br />
(. . .)“ sei (Andreas Breezmann in der NZA – Neue<br />
Zeitschrift für Arbeitsrecht, Heft 17/2002), zeigt<br />
allein schon die Gleichsetzung mit dem<br />
häuslichen Umfeld eine erschreckende<br />
Unkenntnis der Realität.<br />
Charakteristisch für den Bereitschaftsdienst ist<br />
auch, dass nur der Zufall die Lage und Dauer<br />
des Schlafes bestimmt. Einmal sechs Stunden<br />
Schlaf haben einen anderen Erholungswert als<br />
sechsmal eine Stunde Schlaf. Nach solchen<br />
Nächten, in denen man stündlich aus dem<br />
Schlaf gerissen wird, wäre der Autor dieses<br />
Beitrages wegen Übermüdung inzwischen<br />
dreimal fast mit dem Auto tödlich<br />
verunglückt.<br />
Durch die realitätsferne Bewertung der<br />
Bereitschaftsdienste als Ruhezeit ergeben sich<br />
Marathoneinsätze von 24 bis 36 Stunden am<br />
Stück. Dauer und Umstände des Schlafes sind<br />
dem Zufall überlassen. Dies gefährdet<br />
erheblich die <strong>Gesundheit</strong> von Arzt und Patient.<br />
Es sollte jedem klar sein, dass nach zwölf bis<br />
14 Stunden sowohl die Konzentration und als auch<br />
die Leistungsfähigkeit erheblich nachlassen. Wer dennoch<br />
behauptet, er würde seine Patienten danach noch optimal<br />
versorgen, ist nicht ehrlich oder aber ein Übermensch.<br />
Durch die realitätsferne Bewertung von Bereitschaftsdienst als<br />
Ruhezeit ergeben sich darüber hinaus Wochenarbeitszeiten von<br />
60 bis 100 Stunden. Dies belastet die Familien der Betroffenen.<br />
Für Fortbildung oder gar Freizeitaktivitäten bleibt kaum Zeit.<br />
Aber nur ein ausgeruhter Arzt kann ein guter und motivierter<br />
Arzt sein, und nur ein Arzt, der Zeit für Fortbildung hat, kann<br />
eine gute <strong>Medizin</strong> machen. Dies gilt in gleicher Weise für<br />
Pflegekräfte, Sanitäter und Feuerwehrmitarbeiter.<br />
Ein weiteres Problem: Der Begriff „Bereitschaftsdienst“ wurde<br />
und wird gerne missbraucht.Auch wenn klar ist, dass Arbeit<br />
durchgehend anfällt und man vor Mitternacht (also nach<br />
frühestens 16 Stunden Arbeit) nicht zur Ruhe kommt, wird in<br />
der Regel munter Bereitschaftsdienst angeordnet. Würde der<br />
Bereitschaftsdienst mit Anstand und Augenmaß angeordnet, hätte<br />
man vielleicht sogar mit dem alten Arbeitszeitgesetz leben können.<br />
5<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
6<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Von:<br />
Datum:<br />
Betreff:<br />
Holà!<br />
Musste letzte Woche mit Schrecken durch<br />
unseren Oberarzt erfahren, dass sowohl im<br />
Ärzteblatt als auch in großen namhaften<br />
Tageszeitungen (Süddeutsche...) Anfang des<br />
Jahres ein winziger Artikel über das<br />
Bereitschaftsdiensturteil (Europäischer<br />
Gerichtshof, zur Erinnerung: nicht mehr<br />
als 8 h Dienst am Stück) erschienen ist, in<br />
dem geschrieben wurde, dass dieses zum 1.1.04<br />
in Kraft getreten sei, aber in mindestens<br />
den nächsten zwei Jahren (in Deutschland)<br />
nicht umgesetzt wird (mangels Konzepten,<br />
Geld...) und außerdem eine Gegenklage läuft,<br />
die hohe Aussicht auf Erfolg hat, so dass<br />
das Gesetz vermutlich nie in Kraft treten<br />
wird. Weiß da jemand mehr darüber?<br />
Ich fand es besonders erschreckend, dass<br />
das überhaupt nicht durchgedrungen ist -<br />
mal abgesehen davon, dass wir endlich ein<br />
Urteil hatten, dass zu einer Verbesserung<br />
der katastrophalen Arbeitsbedingungen hätte<br />
führen sollen, und dass das jetzt einfach<br />
mal nicht umgesetzt wird, und zwar nicht<br />
unter dem Aspekt "wir sind noch nicht soweit<br />
mit der Planung" (ist ja auch kein gutes<br />
Argument, da das Urteil ja nun auch schon<br />
ein halbes Jahr alt ist und die Klage vor<br />
zwei Jahren über zwei Jahren gestellt wurde),<br />
sondern einfach "wir klagen mal dagegen,<br />
das wird dann schon wieder abgeschmettert,<br />
da müssen wir uns keine Sorgen machen",<br />
sprich: wir versuchen es gar nicht erst.<br />
Schlimm finde ich außerdem, dass der<br />
Allgemeinbevölkerung vorgegaukelt wird, die<br />
Zustände im Krankenhaus werden endlich<br />
besser, die Ärzte werden alle glückliche<br />
unterbeschäftigte Menschen - was nicht der<br />
Wahrheit zu entsprechen scheint...<br />
Sieht da noch jemand anders Klärungs-/<br />
Engagementsbedarf?<br />
LG aus dem Norden,<br />
Valeska<br />
Skandalkette, Teil 2<br />
Valeska<br />
20.01.2004 23:27<br />
Bereitschaftsdiensturteil<br />
Am 3. Oktober 2000 wurde nach Klage von spanischen Ärzten<br />
das so genannte SIMAP-Urteil (Az.: Rs C 303/98) publik, in dem<br />
der Europäische Gerichtshof feststellt, was die Erfahrung und<br />
der normale Menschenverstand ohnehin vermuten lassen:<br />
Bereitschaftsdienst ist in vollem Umfang Arbeitszeit.<br />
Die Entscheidung des Gerichtes im Jahr 2000 wäre eine (späte)<br />
Möglichkeit gewesen, für vernünftige Arbeitsbedingungen in<br />
deutschen Krankenhäusern zu sorgen und den Schutz der<br />
Mitarbeiter und somit auch der Patienten vor Übermüdung<br />
sicherzustellen. Die Gesetze der Physiologie gelten immer –<br />
unabhängig davon, was Bundestag, Gerichte oder Kostenträger<br />
beschließen.<br />
Aber die Bundesregierung entschied sich zu juristischen Schikanen<br />
und behauptete, das Urteil gelte nur für Spanien. Der Kieler<br />
Klinik-Assistenzarzt Dr. med. Norbert Jäger klagte gegen diese<br />
Auslegung des SIMAP-Urteils: Die Arbeitsbedingungen seien in<br />
Deutschland und in Spanien vergleichbar. Zudem stehe<br />
europäisches Recht über nationalem Recht. Der EuGH sah dies<br />
genauso und bestätigte am 9. September 2003 er<strong>neu</strong>t, dass<br />
Bereitschaftsdienst, der vor Ort geleistet wird, in vollem Umfang<br />
als Arbeitszeit zu werten ist (Az.:RsC 151/02).Weitere<br />
bestätigende Urteile waren zuvor von der Politik ebenfalls<br />
ignoriert worden: am 3. Juli 2001 die zweite EuGH-Entscheidung<br />
„Sergas“ (Az.: RsC 241/99, Italien betreffend), am 18. Februar<br />
ein erstes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Az.: 1 ABR 2/02)<br />
und am 5. Juni 2003 ein zweites Urteil aus Erfurt (Az.: 6 AZR<br />
114/02).<br />
Skandalkette, Teil 3<br />
Nach jahrelangem Taktieren, Ignorieren, Bagatellisieren und<br />
andauernden juristischen Spitzfindigkeiten hat die<br />
Bundesregierung dann am 10. September 2003 eine Neufassung<br />
des Arbeitszeitgesetzes vorgelegt, die – vom<br />
Vermittlungsausschuss bearbeitet – zum 1. Januar 2004 in Kraft<br />
getreten ist.<br />
Die Möglichkeit, das verwirrende, in sich widersprüchliche und<br />
unschlüssige alte Arbeitszeitgesetz komplett zu entrümpeln, wurde<br />
dabei konsequent nicht genutzt – Tradition verpflichtet – und<br />
stattdessen ein <strong>neu</strong>es Arbeitszeitgesetz geschaffen, dass weiterhin<br />
für Unklarheiten und Irritationen sorgt, erweitert noch um<br />
praxisuntaugliche Regelungen (Widerspruchsrecht). In Kenntnis<br />
der Vorgeschichte fällt es schwer, darin keine Absicht zu sehen.<br />
Schon ist er<strong>neu</strong>t Streit entbrannt, für wen die zweijährige<br />
Übergangsfrist für bestehende Tarifverträge gilt. Von einer klaren<br />
Regelung, das heißt immer und ausnahmslos einzuhaltende<br />
Ruhezeit von elf Stunden und wöchentliche Höchstarbeitszeit<br />
von 48 Stunden (auch eine wöchentliche Arbeitszeit von <strong>50</strong> oder<br />
55 Stunden wäre vertretbar), ist nichts zu erkennen – stattdessen<br />
Ausnahmen, Sonderregeln, „Wenn und Aber“. Sicher, ein<br />
Bereitschaftsdienst in einer Rheumatologischen Rehaklinik,<br />
Dermatologischen Klinik oder bei der Feuerwehr ist etwas<br />
anderes als ein Bereitschaftsdienst in einer Kreiskrankenhaus-<br />
Chirurgie mit großem Einzugsgebiet. Der Gesetzgeber wird aber<br />
nicht den Unterschieden gerecht, wie er vorgibt, sondern lässt<br />
Arbeitsschutz und Arbeitszeit weiter im Unbestimmten.<br />
Skandalkette, Teil 4<br />
Das Taktieren geht weiter. Noch immer diskutieren Personen, die<br />
selbst nie einen einzigen Bereitschaftsdienst geleistet haben,<br />
darüber, ob dies denn wirklich Arbeitszeit sei und die Gerichte<br />
nicht irren. Es wäre wohl zu einfach, selbst für eine Woche an<br />
Bereitschaftsdiensten teilzunehmen, um sich eine Meinung zu<br />
bilden. Es soll der Eindruck erweckt werden, es hätten<br />
arbeitsscheue unersättliche Ärzte geklagt, um mit wenig Arbeit<br />
viel Geld – im Schlaf – zu verdienen. Auch fehlten Ärzte – in den<br />
Vorjahren sehr hochmütig aus den Kliniken vertrieben – zur<br />
Umsetzung.<br />
Ein klares Bekenntnis für oder gegen das SIMAP-Urteil, zuletzt<br />
bestätigt im Fall „Jäger“, gibt es auch nach mehr als drei Jahren<br />
nicht. Verantwortung wird hin- und hergeschoben, vom Bund zu<br />
den Ländern, von dort zu den Arbeitgebern, von denen zurück<br />
zu Ländern, Bund oder EU.<br />
Enttäuschend ist besonders, dass sich die Ärzteschaft gegenseitig<br />
attackiert, anstatt geschlossen zu handeln. Warum kam und<br />
kommt von den Chefärzten keine Unterstützung? Gerade die<br />
Chefärzte müssten ein großes Interesse daran haben, dass die<br />
Arbeit – auf mehr ausgeschlafene Köpfe verteilt – viel gründlicher,<br />
entspannter, patientenzugewandter und mit Luft für etwas Lehre<br />
gemacht werden kann. Es wäre Aufgabe der Chefärzte und der<br />
Verwaltung, mithin gerade auch der Deutschen<br />
Krankenhausgesellschaft (DKG), Öffentlichkeit und Politik zu<br />
verdeutlichen, dass gute und innovative <strong>Medizin</strong> Geld kostet und<br />
bezahlt werden muss, wenn man sie will. Qualität steigern,<br />
Bürokratie maximieren, Zuwendung und Zeit für den Patienten<br />
und zugleich das Personal minimieren – das kann sich nicht
vereinen lassen. Wenn aber bereits<br />
innerhalb der Ärzteschaft Uneinigkeit<br />
herrscht und beispielsweise die<br />
Beschlüsse des Deutschen Ärztetages<br />
2001 keinerlei Bedeutung für leitende<br />
Ärzte haben, darf man sich nicht wundern,<br />
wenn Politiker und Kostenträger dies<br />
auch ausnutzen.<br />
„Vor Ort“ tut sich weiterhin überwiegend<br />
nichts, geplante Verbesserungen sind<br />
nicht erkennbar. Die Erprobung <strong>neu</strong>er<br />
Arbeitszeitmodelle, von der Ulla Schmidt<br />
und die DKG gerne reden, existiert nur<br />
auf dem Papier. Weder altes noch <strong>neu</strong>es<br />
Arbeitszeitgesetz (ArbZG) werden<br />
eingehalten. Die Krankenhausgesellschaft<br />
empfiehlt bereits zwischen den Zeilen in<br />
der Verbandszeitschrift „das<br />
Krankenhaus“ (Heft 1/2004), zunächst<br />
weiter nichts zu tun und auf eine<br />
Änderung der EU-Arbeitszeitrichtlinie<br />
93/104 zu warten. Wenn es darum geht,<br />
missliebige Gerichtsurteile und Gesetze<br />
zu ignorieren, können die Betreiber von<br />
Krankenhäusern, Rettungsdiensten und<br />
Feuerwehren auf starke Partner bauen,<br />
die Gerichtsurteile ebenfalls missachten<br />
und Rechtsbruch in bestimmten<br />
Bereichen des Rechts wohlwollend<br />
tolerieren: Bundesregierung,<br />
Landesregierungen und die EU-<br />
Kommission.<br />
Die Übergangsklausel: Auslegungssache<br />
Davon, dass am 1. Januar ein revidiertes Arbeitszeitgesetz in Kraft getreten ist, hat bislang kaum<br />
ein Arzt etwas gemerkt. In den meisten Krankenhäusern wird der ärztliche Bereitschaftsdienst<br />
immer noch größtenteils zur Ruhezeit gezählt. Die Zahl der Ärzte, deren wöchentliche Arbeitszeit<br />
die 48-Stunden-Grenze nicht überschreitet, kann an einer Hand abgezählt werden.<br />
Das Problem: Die Klinikarbeitgeber werten die in § 25 Arbeitszeitgesetz verankerte<br />
Übergangsregelung für bestehende Tarifverträge dahingehend, bis Ende 2005 alles beim Alten<br />
lassen zu können. „Die Katastrophe ist noch einmal ausgeblieben“, betonte denn auch Sebastian<br />
Hofmann von der Deutschen Krankenhausgesellschaft gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt.<br />
Erfreulicherweise habe der Gesetzgeber den Krankenhäusern zwei Jahre mehr Zeit für die<br />
teure Umstellung der ärztlichen Arbeitszeiten gegeben.<br />
Das sieht der Marburger Bund anders: Zwar könnten bestimmte Vorschriften bestehender<br />
Tarifverträge bis Ende 2005 weiter angewandt werden. Diese gelte aber nur für jene Regelungen,<br />
die eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit mit Ausgleich vorsehen. Die durchschnittliche<br />
wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden dürfe keineswegs überschritten werden. Und:<br />
„Unabhängig davon entfaltet das Arbeitszeitgesetz im öffentlichen Dienst nach Urteil des<br />
Bundesarbeitsgerichts vom 18. Februar 2003 (Az.: 1 ABR 2/02) keine Wirkung, sofern es hinter<br />
den Vorgaben der EU-Arbeitszeitrichtlinie 93/104 zurückbleibt“, schreibt die<br />
Klinikärztegewerkschaft in einem Leitfaden für ihre Mitglieder.<br />
Der Marburger Bund benennt die Möglichkeiten der Ärztinnen und Ärzte, sich gegen eine<br />
Arbeitszeit zu wehren, die gegen das Arbeitszeitgesetz verstößt. Dazu zählen das abteilungsinterne<br />
Gespräch, die Einbeziehung der Personal- und Betriebsräte, die Kontaktaufnahme mit der<br />
Mitarbeitervertretung und gegebenenfalls die Klage. Wichtig: Der Betroffene kann einen Verstoß<br />
gegen das Arbeitszeitgesetz überprüfen lassen. Zuständig sind die Gewerbeaufsicht<br />
beziehungsweise die Ämter für Arbeitsschutz auf Landesebene. Über den Personal- oder<br />
Betriebsrat haben Beschäftigte die Möglichkeit, sich an die zuständige Behörde zu wenden und<br />
die Gestaltung der Arbeitszeit überprüfen zu lassen.<br />
Jens Flintrop<br />
Von:<br />
Datum:<br />
Betreff:<br />
Thorsten<br />
21.01.2004 01:01<br />
Re: Bereitschaftsdiensturteil<br />
Hallo Valeska, hallo Alle,<br />
ich habe diesen "winzigen" Artikel im<br />
Deutschen Ärzteblatt gerade mal rausgesucht:<br />
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/<br />
artikel.asp?id=40097<br />
Zum einen sieht das <strong>neu</strong>e Gesetz vor, dass<br />
auch weiterhin länger als 10 Stunden OHNE<br />
Zeitausgleich gearbeitet werden darf, wenn<br />
es sich um Bereitschaft (etc.) handelt und<br />
wenn der Arbeitnehmer dem schriftlich<br />
zustimmt und diese Zustimmung nicht<br />
innerhalb von sechs Monaten widerruft. -<br />
Aus einer Weigerung zur Zustimmung darf<br />
dem Arbeitnehmer kein Nachteil entstehen.<br />
Kern des Streits ist der § 25 des <strong>neu</strong>en<br />
Arbeitszeitgesetzes. Dort ist als<br />
Übergangsregelung festgelegt worden, dass<br />
bestehende Tarifverträge für die ersten 2<br />
Jahre auch andere Regelungen als das <strong>neu</strong>e<br />
Arbeitszeitgesetz festlegen können.<br />
Der Marburger Bund vertritt in dem Artikel<br />
die Auffassung, dass der Tarifvertrag nicht<br />
gegen die Arbeitszeitrichtlinie der EU-<br />
Verstoßen kann und damit bei 48 Stunden<br />
Arbeit in der Woche Schicht ist. Die DKG<br />
ist aber der Meinung, dass der Tarifvertrag<br />
sehr wohl gilt und erst in zwei Jahren das<br />
Urteil umgesetzt werden muß. - Laut Deutschem<br />
Ärzte Blatt gibt es für Betroffene für den,<br />
sehr wahrscheinlichen Fall das man sich<br />
nicht einigt nur den Weg Ihren Arbeitgeber<br />
wegen Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz<br />
bei der Gewerbeaufsicht zu melden, oder<br />
direkt zu klagen.<br />
Wo wir gerade bei europäisch sind: Anna<br />
Diamantopoulo, EU-Komissarin möchte am<br />
liebsten noch dieses Jahr die europäische<br />
Arbeitszeit Richtlinie ändern und es den<br />
Mitgliedsstaaten freistellen, ob sie<br />
Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit oder<br />
kostengünstiger Weise vielleicht doch lieber<br />
nicht werten wollen - Anscheinend<br />
argumentiert sie ziemlich pekuniär...<br />
Ich hoffe das hat etwas Licht ins Dunkel<br />
gebracht.<br />
LG aus Bonn,<br />
Thorsten<br />
P.S.: Als Bonus gibt es über Verweise beim<br />
Artikel auch noch eine Mitteilung der EU-<br />
Komission "hinsichtlich der Überprüfung der<br />
Richtlinie 93/104/EG über bestimmte Aspekte<br />
der Arbeitszeitgestaltung" Das Ding hat 26<br />
Seiten, falls jemand Lust auf primär Quellen<br />
hat:<br />
http://www.aerzteblatt.de/v4/plus/<br />
down.asp?typ=PDF&id=1239<br />
7<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
Das SIMAP-Urteil ist ein differenziertes und kluges Urteil, das<br />
der heutigen Arbeitswelt gerecht wird. Es ist keine Entgleisung<br />
eines verwirrten Richters, die man korrigieren müsste. Es schützt<br />
Mitarbeiter vor Übermüdung und Überlastung und schützt damit<br />
auch Patienten – es ist für alle Europäer ein gutes Urteil. Wer aber<br />
hoffte, Bundesregierung und EU-Kommission würden, angeregt<br />
durch die Luxemburger Richter, Visionen für die Menschen in<br />
Europa entwickeln, die zudem mehr Beschäftigung garantieren,<br />
wurde er<strong>neu</strong>t enttäuscht.<br />
Aber schlimmer noch: Die Bundesregierung drängt neben anderen<br />
Nationalstaaten die EU-Kommission, die Regelungen der<br />
Arbeitszeit wieder den Nationalstaaten zu überlassen. Was<br />
zunächst positiv nach „Liberalismus statt Zentralismus“ klingt,<br />
Von:<br />
Datum:<br />
Betreff:<br />
Hi,<br />
Oliver<br />
21.01.2004 11:06<br />
Re: Bereitschaftsdiensturteil<br />
vielen Dank, Thorsten, für diese gute<br />
Übersicht über die (leider etwas desolate)<br />
Lage. Ich glaube, man muss sich gar nicht<br />
wundern, dass doch noch ein Übergangsparagraf<br />
eingeschoben wurde: innerhalb von knapp 10<br />
Tagen hätte man sicherlich nicht <strong>neu</strong>e<br />
Tarifverträge etc. verhandeln können. Nur<br />
die Frist von 2 Jahren macht nachdenklich<br />
(warum nicht 6 Monate) und man wundert sich<br />
schon auch über die EU-Kommissarin, die<br />
plötzlich merkt, dass das (lange erwartete)<br />
EU-Urteil schwer finanzierbar ist ("in<br />
Deutschland würden allein 15.000 <strong>neu</strong>e Ärzte<br />
benötigt"). [1]<br />
Ich möchte eine Formulierung von dir noch<br />
etwas präzisieren - nur damit keine<br />
Mißverständnisse entstehen:<br />
hat nur einen einzigen Zweck: den Nationalstaaten die<br />
Möglichkeit zu eröffnen, das EuGH-Urteil zu umgehen. Nach<br />
vorne von <strong>Gesundheit</strong>sschutz, Innovation und besseren<br />
Arbeitsbedingungen reden, im Hintergrund Druck auf die EU-<br />
Kommission ausüben, die Arbeitszeitrichtlinie 93/104<br />
aufzuweichen – das ist hinterhältig.<br />
Die zuständige EU-Kommissarin Anna Diamantopoulou hat<br />
bereits angekündigt, dem Richterspruch auch weiterhin nicht<br />
folgen zu wollen, sondern die maßgebliche EU-<br />
Arbeitszeitrichtlinie 93/104 zu ändern: Die Mitgliedsstaaten sollen<br />
demnächst selbst entscheiden können, ob sie Bereitschaftsdienste<br />
als Arbeitszeit werten. Das Gerichtsurteil habe große Probleme<br />
ausgelöst. Wenn es akzeptiert würde, würden allein in<br />
Deutschland zusätzlich 15 000 <strong>neu</strong>e Ärzte benötigt, meint die<br />
für Arbeit und Soziales zuständige Kommissarin. Das Urteil drohe<br />
somit, die <strong>Gesundheit</strong>ssicherungssysteme der Mitgliedsstaaten zu<br />
untergraben. Daneben sei die Umsetzung zu teuer.<br />
Aber stellt das SIMAP-Urteil die EU-Mitgliedsstaaten wirklich<br />
vor große Probleme? Sind es nicht vielmehr einzelne Regierungen<br />
und die EU-Kommission, die unwillig scheinen, <strong>neu</strong>e Ideen zu<br />
entwickeln und <strong>neu</strong>e Prioritäten zu setzen?<br />
In Deutschland wurden jahrelang Arbeitszeiten von 24 bis 36<br />
Stunden „am Stück“ von der Bundesregierung und den<br />
Aufsichtsbehörden bagatellisiert oder ignoriert. Erst nach dem<br />
Jäger-Urteil wurde unter Zwang und mit einer mysteriösen<br />
zweijährigen Übergangsfrist für Tarifverträge reagiert – in der<br />
Hoffnung, dass in zwei Jahren die zugrunde liegende europäische<br />
Arbeitszeitrichtlinie geändert sein wird. Die EU-Kommission hat<br />
auf eine 2001 eingereichte Klage bis heute nicht mehr als die<br />
Vergabe eines Aktenzeichens zustande gebracht, kritische<br />
Anfragen werden nichts sagend beantwortet. Den gleichen Stil<br />
pflegen das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit sowie<br />
das Bundesministerium für <strong>Gesundheit</strong> und Soziale Sicherung.<br />
Bundestagsabgeordnete zeigen sich desinteressiert oder<br />
überfordert. Der Ausschuss für <strong>Gesundheit</strong> des Bundestages fühlt<br />
sich nicht zuständig. Der Petitionsausschuss schafft es nicht, mehr<br />
als Eingangsbestätigungen zu verschicken. Zuständig oder gar<br />
verantwortlich sind immer andere.<br />
Recht nach Kassenlage, der Rechtsstaat als Einbahnstraße. Ein<br />
Staat, der peinlich genau die Einhaltung von Bauordnungen,<br />
Vorschriften und Gesetzen verlangt, fühlt sich selbst daran nicht<br />
gebunden – eine beunruhigende Entwicklung.<br />
8<br />
>> Der Marburger Bund vertritt in dem Artikel<br />
>> die Auffassung, dass der Tarifvertrag<br />
>> nicht gegen die Arbeitszeitrichtlinie<br />
>> der EU-Verstoßen kann und damit bei 48<br />
>> Stunden Arbeit in der Woche Schicht ist.<br />
EuGH-Urteil<br />
Kein Anspruch auf mehr Geld<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
"Kann" hätte ich besser mit "darf"<br />
ausgedrückt, in dem Sinne, dass die<br />
Übergangsfrist in der Sichtweise des MB<br />
nach §25 nur dann auf Tarifverträge<br />
angewandt werden kann, wenn sie auch jetzt<br />
schon der EU-Arbeitszeitrichtlinie genügen.<br />
Insgesamt sieht es ja bei pessimistischer<br />
Perspektive so aus: es ändert sich nichts,<br />
die EU-Kommissarin modifiziert innerhalb<br />
der 2 Jahre die Arbeitszeitrichtlinie (ihre<br />
Vorstellung ist, die Länder selbst<br />
entscheiden zu lassen, ob sie<br />
Bereitschftszeit als Arbeitszeit werten,<br />
oder nicht [1] -- im Prinzip entwertet sie<br />
damit das EUGH-Urteil vollständig) und die<br />
Länder können die Verantwortung dann prima<br />
abschieben - so verlieren sie auch nicht<br />
ihr Gesicht im Zuge jetzt gemachter Zusagen.<br />
Gruss,<br />
Oliver<br />
[1] http://www.ftd.de/pw/eu/<br />
1070545778788.html?nv=se<br />
Die ärztlichen Bereitschaftsdienste gelten zwar jetzt voll als<br />
Arbeitszeit, dürfen aber nach einem Urteil des<br />
Bundesarbeitsgerichts (BAG) geringer bezahlt werden als reguläre<br />
Arbeit. Wie die Erfurter Richter am 28. Januar verkündeten (Az.:<br />
5 AZR 530/02 und 5 AZR <strong>50</strong>3/02), können Ärzte und<br />
Rettungssanitäter aus der Rechtsprechung des Europäischen<br />
Gerichtshofs (EuGH) zur Einstufung von Bereitschaftsdiensten<br />
als Arbeitszeit keinen Anspruch auf höhere Vergütung ableiten.<br />
Bei der maßgeblichen EU-Arbeitszeitrichtlinie 93/104 gehe es<br />
ausschließlich um <strong>Gesundheit</strong>sschutz und nicht um Bezahlung.<br />
Damit wies das Gericht die Klagen eines Krankenhausarztes und<br />
eines Rettungsfahrers ab. Nach den im <strong>Gesundheit</strong>swesen<br />
üblichen Vertragsklauseln sei der Bereitschaftsdienst ausreichend<br />
bezahlt. Der Assistenzarzt hatte in seinem Arbeitsvertrag mit einer<br />
badischen Privatklinik Nachtund Wochenend-Bereitschaften<br />
vereinbart. Als Basis für die Bezahlung eines Bereitschaftsdienstes<br />
von 24 Stunden wurden 13,2 Stunden zugrunde gelegt. Die<br />
Regelung ist mit dem Bundesangestelltentarif vereinbar. Sie<br />
bedeutet nicht, dass etwa bei dem Arzt 10,8 von 24 Stunden<br />
nicht bezahlt würden, betonte das BAG. Vielmehr werde der<br />
Bereitschaftsdienst in voller Länge bezahlt, allerdings zu einem<br />
verringerten Stundensatz. Das sei zulässig, weil auch die<br />
Inanspruchnahme der Arbeitnehmer geringer als im regulären
Von:<br />
Datum:<br />
Betreff:<br />
Clemens<br />
21.01.2004 19:14<br />
Re: Bereitschaftsdiensturteil<br />
Hallo Ihr Lieben,<br />
nunja, das wundert nicht wirklich.<br />
Spätestens seitdem das Urteil draußen ist,<br />
wahrscheinlicher sogar noch früher, sitzen<br />
die verschiedenen Interessenvertretungen,<br />
angefangen bei der Bundesregierung, über<br />
Chefärzte, Krankenhausverwaltungen und<br />
Fakultätsräten bis hin zu deren Anwälte<br />
zusammen und versuchen, dieses Urteil für<br />
Deutschland umzubiegen, wegzubrechen,<br />
ungeschehen zu machen. Die haben echte Panik,<br />
weil sie eben konzept-, plan- und geldlos<br />
sind (nebenbei bemerkt: wer sagt denn, daß<br />
das bislang für die Finanzierung des Wegfalls<br />
des AiP bereitgestellte Geld ausreicht,<br />
alle Noch-AiPler den künftigen jüngeren<br />
Berufsanfängern wirklich finanziell<br />
gleichzustellen? Zumindest mein Chef als<br />
ÄD denkt daß Nein - ein Einzelfall?). Es<br />
erscheint mir logisch, daß die entsprechende<br />
Lobby an der Grundfeste rüttelt und entweder<br />
versucht:<br />
1. mittels Gegenklage dieses Urteil zu<br />
stürzen<br />
oder<br />
2. eine Verwässerung des Urteils durch eine<br />
<strong>neu</strong> geschaffene Länderhoheit zu bewirken<br />
und damit alles beim alten zu belassen.<br />
Gemäß dem Motto: Klar, das EuGH Urteil gilt<br />
.... außer in den Ländern, die sich anders<br />
entscheiden Ich finde das Vorgehen clever<br />
- bei 2. kommts drauf an, wer die bessere<br />
Lobby hat, die bessere Connection, das<br />
stärkere Gewicht. 1. ist aus unserer Hand.<br />
Ich weiß ich nicht ob das gerade Realität<br />
ist.<br />
Für den Fall, daß weder 1. noch 2. von<br />
Erfolg gekrönt sind, gibt es auch schon<br />
erste realistische Graustufen in der "max.<br />
8 Stunden Dienstzeit" - diese kann nach<br />
bereits bestehenden deutschen Arbeitsgesetz<br />
auf 13,5 Stunden ausgedehnt werden, indem<br />
an der Auslegung gearbeitet wird. Grob<br />
gesagt: Weil kein Arbeitnehmer wirklich<br />
acht Sunden voll durcharbeitet, zuzüglich<br />
seiner Pausenzeiten versteht sich, sondern<br />
sich während der Arbeitszeit immer wieder<br />
"arbeitsfreie" Zeiten ergeben, z.B. durch<br />
nicht arbeitsbezogenen Gespräche mit<br />
Kollegen, auf Dienstwegen, die man zum Kauf<br />
einer Cola unterbricht und ähnliche nicht<br />
arbeitsbezogene Tätigkeiten. Auf die Art<br />
läßt sich ganz legal die Dienstzeit auf<br />
eben 13,5 Stunden Anwesenheitspflicht<br />
ausdehnen - nach derzeit bestehenden Gesetz.<br />
Aber wie heißt es so schön: Nichts ist so<br />
beständig wie die Veränderung! ICH denke<br />
wir können da mitwirken.<br />
Liebe Grüße<br />
Clemens<br />
Dienst sei. So bekomme der Arzt für eine Inanspruchnahme von<br />
55 Prozent 68 Prozent des regulären Gehalts. Dies sei auch der<br />
Höhe nach nicht unangemessen, urteilte das BAG. Auf die Frage,<br />
ob die Bereitschaftsdienste nach den deutschen oder<br />
europäischen Arbeitszeit- Begrenzungen überhaupt zulässig<br />
waren, komme es für die Berechnung der Vergütung nicht an.<br />
Das „Ingolstädter Modell“<br />
Kürzer arbeiten, weniger verdienen<br />
In Zeiten des Ärztemangels liegt die Vermutung nahe, dass jene<br />
Krankenhäuser, die den Ärzten bereits jetzt humane Arbeitszeiten<br />
bieten, keine Probleme haben, ihre ärztlichen Stellen adäquat zu<br />
besetzen. Weit gefehlt: Er habe im Gegenteil das Problem, dass<br />
sich die Ärzte teilweise andere Arbeitgeber suchten, sagte Heribert<br />
Fastenmeier, Geschäftsleiter des Krankenhauszweckverbandes<br />
Ingolstadt, am 19. Januar beim Euroforum-Krankenhaus-<br />
Kongress in München.<br />
Das oft lobend erwähnte „Ingolstädter Modell“ basiert auf der<br />
Idee, die täglichen Regelarbeitszeiten der Ärzte zu verlängern,<br />
um die nächtlichen Bereitschaftsdienste verkürzen zu können.<br />
Damit einher geht eine Verlängerung der Service- und<br />
Betriebszeiten auf den Stationen (jetzt: werktags von 7 Uhr bis<br />
18 Uhr). Dies sei auch aus wirtschaftlichen Gründen notwendig,<br />
betont Fastenmeier: Um die unter DRG-Bedingungen<br />
notwendigen Verweildauerkürzungen erzielen zu können, müsse<br />
die Arbeitszeit am Patienten verlängert werden. Der<br />
Bereitschaftsdienst dauert von 22 Uhr bis 7 Uhr und zählt in<br />
vollem Umfang zur Arbeitszeit. Um die ärztliche Arbeitskraft nicht<br />
in den weniger arbeitsintensiven Nächten zu „vergeuden“, gibt es<br />
in Ingolstadt fächerübergreifende Bereitschaftsdienste, sodass<br />
nachts weniger Ärzte im Krankenhaus sind als früher. So ist<br />
beispielsweise ein Arzt allein für die orthopädische und die<br />
unfallchirurgische Abteilung zuständig. Dies sei haftungsrechtlich<br />
durchaus nicht ungefährlich, räumt der Geschäftsleiter ein.<br />
Obwohl die Bereitschaftsdienste voll auf die Arbeitszeit<br />
angerechnet werden, ist die Vergütung deutlich geringer als zur<br />
Regelarbeitszeit.<br />
Da der einzelne Arzt im „Ingolstädter Modell“ wesentlich weniger<br />
und zudem kürzere Bereitschaftsdienste ableistet als in anderen<br />
Krankenhäusern, verdient er auch erheblich weniger. Ärzte, die<br />
früher 12 000 bis 14 000 Euro brutto im Jahr mit ihren Diensten<br />
verdient hätten, kämen jetzt auf etwa 6 000 bis 8 000 Euro,<br />
rechnet Fastenmeier vor. Mit den so eingesparten Finanzmitteln<br />
könne man die zusätzlichen Ärzte bezahlen, die notwendig sind,<br />
um das Modell umzusetzen. Allerdings sind nicht alle Ärzte bereit,<br />
diese Gehaltseinbußen hinzunehmen. Sie suchen sich einen<br />
anderen Arbeitgeber. Fastenmeier hofft, die Abgänge langfristig<br />
mit Ärztinnen und Ärzten kompensieren zu können, denen<br />
humane Arbeitsbedingungen und mehr Freizeit wichtiger sind<br />
als der höhere Verdienst.<br />
Jens Flintrop<br />
9<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
Arbeitsbedingungen für Ärzte weltweit<br />
Sandro Krieg<br />
10<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Seien wir ehrlich: wer sich vor Beginn seines <strong>Medizin</strong>studium<br />
gründlich mit seiner Berufswahl befasst hat, der benötigte schon<br />
ein ganze Menge Idealismus, um über die grauenhaften<br />
Arbeitsbedingungen hinwegzusehen, die einem da in Aussicht<br />
gestellt wurden. Doch spätestens nachdem die EU die<br />
Arbeitszeiten für Ärzte <strong>neu</strong> geregelt haben will, sieht es schon<br />
sehr viel besser aus.<br />
Zwar ist die Lage von jungen Klinikmedizinern in Deutschland<br />
immer noch oft gekennzeichnet von unzumutbaren<br />
Arbeitsbedingungen, unbezahlten Überstunden, steigendem<br />
Verwaltungsaufwand und hoher Dienstbelastung, aber gerade<br />
dies führte zu extremen Nachwuchsproblemen bei Klinikärzten<br />
und zu einer Überalterung der deutschen Ärzteschaft. Die<br />
Wirklichkeit sieht also anders aus, als es einem oft mit dem Begriff<br />
"Ärzteschwemme" nahe gebracht wird.<br />
Ein in Deutschland niedergelassener Arzt arbeitet in der Regel<br />
weit mehr als 55 Stunden die Woche, insbesondere in den <strong>neu</strong>en<br />
Bundesländern erreichen viele sogar durchschnittlich 65 Stunden.<br />
Die strikte Budgetierung führt zu geringerem Einkommen und<br />
oft zu dem Dilemma, Patienten entweder fachgerecht oder<br />
ökonomisch behandeln zu müssen.<br />
Nach einer aktuellen Umfrage sind mehr als die Hälfte der Ärzte<br />
in Deutschland mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrieden, 65<br />
Prozent würden sich aber trotzdem noch einmal für den Arztberuf<br />
entscheiden.<br />
In den vergangenen Jahren sind immer mehr Ärzte direkt nach<br />
der Ausbildung ins Ausland verschwunden, da auch dort Ärzte<br />
meist rar, die Arbeitsbedingungen aber um einiges besser sind als<br />
hierzulande.<br />
Von:<br />
Datum:<br />
Betreff:<br />
Hallo zusammen,<br />
ich gebe Clemens recht: man sollte wirklich<br />
versuchen, sich in die Diskussion<br />
miteinzuklinken. Nur dazu ist es sicherlich<br />
notwendig, mal sich ein bisschen schlau zu<br />
machen, wie die Gesetzeslage so ist, wie<br />
die Umsetzung geplant ist etc.<br />
Dies wäre halt unbedingt notwendig, um sich<br />
eine Position zu erarbeiten.<br />
Da will ich noch hinzufügen: man muss dieses<br />
EuGH-Urteil mitsamt den drohenden<br />
Konsequenzen einfach differenziert sehen!<br />
Ich hab mich auch über dieses Urteil gefreut,<br />
weil ich auch glaube, die Arbeitsbedingungen<br />
sind (zumindest teilweise) katastrophal!<br />
Aber birngt das Urteil wie erhofft den<br />
Segen?<br />
Ich habe mir sagen lassen, dass wirklich<br />
nicht alle mit dem Urteil zufrieden sind.<br />
Drohende Folge wie Schichtdienste, aber<br />
auch das Erschweren, Überstunden machen zu<br />
können (klar, gibt auch Fälle, wo Überstunden<br />
nicht bezahlt werden...), finden viele nicht<br />
so prickelnd. Ich bin mir nicht sicher, ob<br />
ich einen Schichtdienst ein paar<br />
Mammutdiensten im Monat generell (!)<br />
vorziehen würde.<br />
Liebe Grüsse<br />
Nico<br />
Nicolas<br />
22.01.2004 23:24<br />
Re: Bereitschaftsdiensturteil<br />
Will man allein die Lücken der aus Altergründen ausscheidenden<br />
Hausärzte zeitnah schließen, so ergibt sich bis 2008 ein<br />
Ersatzbedarf von 2.200, ab 2009 ein Bedarf von 2.600 Ärzten<br />
eben dieses Fachgebietes pro Jahr. In den <strong>neu</strong>en Bundesländern<br />
geht etwa ein Drittel der Ärzte in den Ruhestand. Um den Mangel<br />
auszugleichen werden für die <strong>neu</strong>en Länder schon Ärzte in Polen<br />
und der Tschechischen Republik angeworben, für West- und<br />
Süddeutschland werden österreichische Ärzte sogar in<br />
Workshops der Bundesanstalt für Arbeit ausgebildet.<br />
Denn in der Alpenrepublik gibt es entgegen dem allgemeinen<br />
"Trend" einen starken Ärzteüberschuss, so dass die<br />
österreichischen Studienabgänger oft längere Zeit warten müssen,<br />
um ihren Turnus ableisten zu können. Auf 600 Stellen kommen<br />
jährlich 1.600 Ärzte, für einen Weiterbildungsplatz muss man<br />
mittlerweile zwei bis drei Jahre warten. Der Verdienst kann sich<br />
zwar sehen lassen, doch 60 Wochenstunden sind<br />
selbstverständlich, 80 bis 90 Stunden eher die Regel. In den<br />
meisten anderen Ländern sieht es nicht so rosig aus. Mittlerweile<br />
ist ein Art Wettstreit unter den rekrutierenden Ländern entbrannt,<br />
denn nicht nur Deutschland kam man auf die Idee gezielt Ärzte<br />
aus dem Ausland "anzuheuern".<br />
Die Träger dänischer Krankenhäuser unterstützen das Projekt<br />
"Ärzte nach Dänemark", in dem Ärzten<br />
durch einen vorbereitenden Sprach- und<br />
Kulturkurs einen problemlosen Einstieg<br />
in das Berufs- und Privatleben in<br />
Dänemark ermöglicht werden soll.<br />
Kosten für den Kurs entstehen selbst<br />
dann nicht, wenn keine Anstellung in<br />
einem dänischen Krankenhaus erreicht<br />
wurde.<br />
Der ehemalige Geheimtipp Norwegen hat sich mittlerweile doch<br />
verbreitet. Arbeitszeiten sind geregelter, die Bezahlung ist gut<br />
und das Arbeitsklima wird meist als sehr angenehm empfunden.<br />
Die Arbeit ist fairer verteilt und man arbeitet schon als junger<br />
<strong>Medizin</strong>er wirklich als Arzt, nicht als<br />
Hilfsarbeiter. Von den Oberärzten wird<br />
man als Auszubildender aufgefasst und<br />
entsprechend gefördert. Natürlich darf<br />
man an dieser Stelle den Freizeitwert<br />
Norwegens nicht unterschlagen. Auch die<br />
Erlangung der Berufsgenehmigung ist<br />
unproblematisch. Besonderer Mangel<br />
herrscht dort vor allem an so genannten<br />
Gemeindeärzten (Commune Leger). Dies sind meist junge Ärzte<br />
mit ein bis zwei Jahren Berufserfahrung. Meist ist es nur auf diesem<br />
Wege möglich, eine Weiterbildungsstelle in einem Krankenhaus<br />
zu bekommen. Neben Norwegen und Dänemark suchen auch<br />
die anderen skandinavischen Länder deutsche Ärzte, um ihren<br />
Ärztemangel zu füllen. Dabei gibt es auch hier Sprachkurse und<br />
Kooperationsangebote mit deutschen<br />
Organisationen. In Schweden hat man<br />
im Schnitt eine 40-Stunden-Woche,<br />
Überstunden werden großzügig<br />
ausgeglichen, was im internationalen<br />
Vergleich nicht selbstverständlich ist.<br />
In der Schweiz sind<br />
Arbeitsbedingungen und Verdienst in<br />
den einzelnen Kantonen ziemlich unterschiedlich.<br />
Bereitschaftsdienst im Krankenhaus gilt als Arbeitszeit. Durch<br />
die 2004 in Kraft getretene Reduzierung der wöchentlichen<br />
Arbeitszeit für Assistenzärzte auf fünfzig Stunden, werden<br />
Assistenzarztstellen zunehmen. Meist wird von ruhigeren<br />
Arbeitsabläufen als in Deutschland berichtet, jedoch auch von<br />
zum Teil sehr langen Arbeitszeiten und weniger Urlaubstagen.<br />
Überstunden werden häufig erst am Ende eines Vertrages durch
Freizeit ausgeglichen.<br />
In der Schweiz gibt es keine<br />
Ausbildungsphase, die dem AiP ähnelt.<br />
Deutsche AiPs können sich als<br />
Assistenzärzte bewerben und erhalten<br />
dadurch auch ein Gehalt von 4.000 bis<br />
5.000 Euro. Die Weiterbildung wird von<br />
der Verbindung der Schweizer Ärztinnen<br />
und Ärzte (FMH) im Auftrag des Bundes<br />
geregelt und ausgeführt. Für jede Weiterbildung gibt es ein<br />
detailliertes Programm, das an einer anerkannten<br />
Weiterbildungsstätte absolviert wird. Viele freie Stellen gibt es in<br />
der Anästhesie, Pädiatrie, Psychiatrie und Radiologie. Als<br />
Deutscher sollte man allerdings die schweizer Sprachgrenzen<br />
beachten. Im italienischsprachigen Teil sind Sprachkenntnisse<br />
gegenüber dem französischsprachigen Teil nicht zwingend. Den<br />
schweizerdeutschen Dialekt sollte man hingegen nicht<br />
unterschätzen.<br />
In den U.S.A. sind von ca. 24.000 Weiterbildungsstellen etwa<br />
8.000 für Ausländer frei, die jedoch hart erkämpft werden müssen.<br />
Weder die deutsche Approbation noch ein deutscher Facharzttitel<br />
werden anerkannt. Für die<br />
Weiterbildung, nämlich die so<br />
genannte "Residency", müssen die<br />
USMLE-Prüfungen, der TOEFL und<br />
der Clinical Skills Assessment Test<br />
absolviert werden. Diese Prüfungen<br />
kosten allesamt Zeit, Geld und<br />
Nerven. Die Arbeitsbedingungen in<br />
den USA sind noch dazu denkbar<br />
schlecht. Wochenarbeitszeiten zwischen 95 und 136 Stunden<br />
sind für amerikanische Assistenzärzte die Norm. Und das bei<br />
einem Verdienst von 30 000 Dollar jährlich (also etwa knapp<br />
über • 2.000 monatlich). Amerikanische Ärzte in der<br />
Weiterbildung - interns und residents - arbeiten mehr Stunden<br />
pro Woche als ihre Kolleginnen und Kollegen in Kanada,<br />
Australien, Großbritannien oder den Ländern der Europäischen<br />
Union. Seit dem Tod einer jungen Frau in der Notaufnahme vor<br />
zehn Jahren - angeblich verschuldet von interns - hat der<br />
Bundesstaat New York die ärztliche Arbeitszeit gesetzlich auf 80<br />
Stunden pro Woche begrenzt. Überstunden müssen innerhalb<br />
von vier Wochen ausgeglichen werden. Damit erlaubt das Gesetz<br />
immer noch genügend Spielraum, den insbesondere Chirurgen<br />
weidlich ausnutzen. Bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz<br />
wurden anfänglich Geldbußen von 2.000 Dollar gegen die<br />
Krankenhäuser verhängt - ein verschwindend geringer Betrag<br />
für solch eine Institution. Über solche Arbeitszeitverstöße<br />
beschwert sich niemand. Die amerikanische Ärzteschaft ist von<br />
strenger Hierarchie geprägt, eine Beschwerde kann schnell zu<br />
einer schlechten Beurteilung führen, was in den U.S.A.<br />
entscheidend für die weitere Laufbahn sein kann. Das zentrale<br />
elektronische Verteilungsregister (NRMP), das Ärzte nach<br />
vierjährigem Studium an fachärztliche Weiterbildungsstellen in<br />
Universitätskliniken vermittelt, trägt ebenfalls zu den schlechten<br />
Arbeitsbedingungen bei. Residents müssen die ihnen angebotene<br />
Stelle akzeptieren. Der Mangel an Wettbewerb durch das NRMP<br />
trägt zu langen Arbeitszeiten und niedrigen Löhnen bei. In den<br />
U.S.A. sind das mittlerweile zehn Euro die Stunde. Bis vor wenigen<br />
Jahren galten Ärzte in der Weiterbildung sogar noch als Studenten,<br />
obwohl sie alle Arbeitnehmer-Pflichten erfüllten und approbiert<br />
waren.<br />
Die Chancen, in Großbritannien<br />
hingegen tätig zu sein, sind immer noch<br />
sehr gut. Krankenhausstellen gibt es<br />
sowohl für AiPs als auch für Assistenzund<br />
Oberärzte. Der Bedarf an Ärzten<br />
kann auch dort seit einigen Jahren nicht<br />
mehr mit den eigenen Absolventen<br />
gedeckt werden, sodass derzeit mit einer internationalen<br />
Rekrutierungskampagne versucht wird, Ärztinnen und Ärzte aus<br />
Europa und dem Commonwealth zu gewinnen. Die massive<br />
Umstrukturierung des staatlichen <strong>Gesundheit</strong>sdienstes (NHS),<br />
Von:<br />
Datum:<br />
Betreff:<br />
Holà!<br />
Weitere Schwachpunkte bei der Umsetzung<br />
des <strong>neu</strong>en Gesetzes sind: a)<br />
Arbeitszeitmodelle: noch viel schlimmer als<br />
Schichtdienst (über den ich auch durchaus<br />
shcon Gutes gehört habe) wäre geteilter<br />
Dienst (sprich: morgens von 8 bis 12, dann<br />
wieder von 16-20 h oder so!!!), gabs übrignes<br />
früher in Deutschland schon b) Verdienst:<br />
durch Wegfall der Bereitschaftsdienste geht<br />
eine Menge Kohle verloren (mein Stationsarzt<br />
meinte, er habe im Schichtdienst etwa brutto<br />
1000 Euro weniger verdient)<br />
Aber, hej Leute: Einbußen gibt es immer!!<br />
Man muss sich eben darüber klar sein, ob<br />
man weniger arbeiten oder viel Geld verdienen<br />
will. Ich denke, um Kohle zu machen, ist<br />
<strong>Medizin</strong> das falsche Fach. Zur Not kann man<br />
immer noch in die Wirtschaft gehen. Oder<br />
Rufbereitschaft als Notarzt machen.<br />
Wär vielleicht wirklich gut, wenn sich einer<br />
genauer einarbeiten würde. Dann könnten<br />
wir vielleicht bei der Erstellung von<br />
Arbeitszeitmodellen mitwirken. Ich habe das<br />
Urteil irgendwo bei meinen Eltern in<br />
Papierform liegen (etwa <strong>50</strong> Seiten, mein<br />
Papa druckt immer alles aus...). Falls<br />
jemand Interesse hat, wendet Euch an mich!<br />
Ich schau mir am WE auch noch mal die<br />
Quelle an und schick sie dann über den<br />
Verteiler...<br />
LG, Valeska<br />
Valeska<br />
23.01.2004 07:07<br />
Re: Bereitschaftsdiensturteil<br />
der jedem in England lebenden Bürger kostenlose medizinische<br />
Versorgung gewährt, führt durch erhöhte finanzielle<br />
Zuwendungen zu einer Modernisierung der medizinischen<br />
Einrichtungen und zur Einstellung von 9.<strong>50</strong>0 <strong>neu</strong>en Ärzten. Der<br />
NHS ist ein guter Arbeitgeber, der sehr attraktive<br />
Arbeitsbedingungen bietet. Unbefristete Arbeitsverträge gehören<br />
genauso dazu wie jährlich sechs Wochen Urlaub. Fachärzte<br />
fangen mit einem Jahresgehalt von 80.000 Euro (knapp • 6.700<br />
im Monat) an und können Privatbehandlungen durchzuführen,<br />
ohne das NHS-Gehalt zu verlieren.<br />
Frankreichs Ärzte haben es auch nicht<br />
leicht. Vor einiger Zeit streikten dort vor<br />
allem die frei praktizierenden Ärzte.<br />
Während die Krankenhausärzte schon seit<br />
längerem geregelte Arbeitszeiten haben,<br />
arbeiten frei praktizierende Ärzte weiterhin<br />
70 Stunden oder mehr pro Woche.<br />
Nachdem der Staat die 35-Stunden-Woche<br />
eingeführt hat, jedoch nicht genug Geld in den Kassen ist, um<br />
<strong>neu</strong>e Ärzte einzustellen, haben hier die Ärzte in den<br />
Krankenhäusern ernsthafte Sorgen, ihre Patienten noch<br />
fachgerecht behandeln zu können.<br />
Wer an eine Tätigkeit im Ausland nach dem Studium denkt, sollte<br />
allerdings nicht vergessen, dass es in vielen Ländern Sprachtests<br />
und fachliche Prüfungen zu absolvieren gilt, während Länder wie<br />
Südafrika die deutsche Approbation überhaupt nicht anerkennen.<br />
Innerhalb der EU ist die Sache einfacher. Eine Richtlinie eröffnet<br />
die Möglichkeit der Berufsausübung in jedem Mitgliedsland der<br />
Europäischen Union.<br />
11<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
Von:<br />
Datum:<br />
Betreff:<br />
Oliver<br />
23.01.2004 12:39<br />
Re: Bereitschaftsdiensturteil<br />
12<br />
>> Arbeitszeitmodellen mitwirken. Ich habe<br />
>> das Urteil irgendwo bei meinen Eltern in<br />
>> Papierform liegen (etwa <strong>50</strong> Seiten, mein<br />
Auf die Schnelle ein paar Quellen:<br />
- EUGH-Urteil<br />
http://curia.eu.int/jurisp/cgi-bin/<br />
form.pl?lang=de&Submit=Suchen&docrequire=alldocs&<br />
numaff=&datefs=&datefe=&nomusuel=jaeger&domaine=&<br />
mots=&resmax=100<br />
- Arbeitszeitrichtlinie der EU (93/104/EG)<br />
http://www.aekktn.at/schwerpunkte/<br />
arbeitszeit/arbeitszeitrichtlinie-eu.pdf<br />
- Erweiterung/Neufassung von 93/104/EG =<br />
2000/34/EG (Anwendung auch auf<br />
Tätigkeitsfelder, die von 93/104/EG<br />
ausgeschlossen waren, interessanterweise<br />
auch "Ärzte in Ausbildung". Muss bis zum<br />
1.August 2004 auch für diese Gruppe angewandt<br />
werden. Siehe nächstes Dokument.)<br />
http://europa.eu.int/cgi-bin/eur-lex/<br />
udl.pl?REQUEST=Seek-Deliver&COLLECTION=oj&<br />
SERVICE=all&LANGUAGE=de&DOCID=2000l195p0041<br />
- Mitteilung der Kommission an den Rat, das<br />
Europäische Parlament, den Europäischen<br />
Wirtschafts- und Sozialausschuss und den<br />
Ausschuss der Regionen hinsichlich der<br />
Überprüfung der Richtlinie 93/104/EG über<br />
bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung<br />
(09.01.2004!)<br />
http://register.consilium.eu.int/pdf/de/04/<br />
st05/st05188.de04.pdf<br />
Zitat:<br />
(...)<br />
Also hat die Rechtsprechung des Gerichtshofs<br />
tief greifende Auswirkungen auf die<br />
Mitgliedstaaten, die den Bereitschaftsdienst<br />
in Form persönlicher Anwesenheit am<br />
Arbeitsplatz nicht in vollem Umfang als<br />
Arbeitszeit einstufen. Auch wenn sich diese<br />
Auswirkungen nicht auf den <strong>Gesundheit</strong>ssektor<br />
begrenzen können, so sind sie hier doch am<br />
größten, da in diesem Sektor die<br />
Arbeitsorganisation (vor allem der Ärzte)<br />
im Allgemeinen regelmäßige Bereitschaften<br />
vorsieht.<br />
Diese Auswirkungen werden noch an Bedeutung<br />
gewinnen, wenn die Richtlinie 2000/34/EG<br />
für die "Ärzte in der Ausbildung" anzuwenden<br />
ist, also ab 1. August 2004, und vor allem<br />
nach Ablauf der Übergangszeit24 (5 Jahre,<br />
verlängerbar auf maximal 8 Jahre). In vielen<br />
Ländern leisten nämlich die Ärzte in der<br />
Ausbildung den größten Teil der<br />
Bereitschaften in Form persönlicher<br />
Anwesenheit am Arbeitsplatz. Im Weißbuch<br />
zu den Sektoren und Tätigkeitsbereichen,<br />
die von der Arbeitszeitrichtlinie<br />
ausgeschlossen sind, heißt es unter Hinweis<br />
auf eine von der Kommission in Auftrag<br />
gegebene Studie, "dass ... die wöchentliche<br />
Arbeitszeit von Ärzten in der Ausbildung<br />
... in vielen Ländern häufig 55 Stunden<br />
übersteigt". (...)<br />
Alle Mitgliedstaaten sind sich einig, dass<br />
es, selbst wenn es finanziell möglich wäre,<br />
das erforderliche Personal einzustellen,<br />
um das gleiche Pflegeniveau zu halten, in<br />
der Praxis doch unmöglich wäre, weil nicht<br />
genügend Bewerber mit der erforderlichen<br />
Ausbildung für die zu besetzenden Stellen<br />
zur Verfügung stehen. (...)<br />
Es steht zu befürchten, dass einige<br />
Mitgliedstaaten, um die Auswirkungen zu<br />
begrenzen, vor allem solange die <strong>neu</strong>en<br />
Organisationsmodelle noch nicht eingeführt<br />
sind oder die Zahl der Einstellungen den<br />
Bedarf noch nicht deckt, auf Abweichungen<br />
oder Ausnahmeregelungen zurückgreifen, im<br />
wesentlichen auf die von Artikel 18 Absatz<br />
1 Buchstabe b Ziffer i gebotene Möglichkeit,<br />
Artikel 6 nicht anzuwenden, wenn sich der<br />
einzelne Arbeitnehmer dazu bereit erklärt.<br />
(...)<br />
- Arbeitszeitmodell des MB<br />
(Diskussionsgrundlage):<br />
http://www.marburger-bund.de/bundesverband/<br />
aktuelles/unser-modell/index.htm<br />
- 10 Antworten zum <strong>neu</strong>en Arbeitszeitgesetz<br />
des MB:<br />
http://www.marburger-bund.de/bundesverband/<br />
aktuelles/tarifpolitik/texte/frage-antwort-<br />
01-04.pdf<br />
- Stellungnahme der DKG (Deutschen<br />
Krankenhausgesellschaft):<br />
http://www.dkgev.de/1_org/RS378-<br />
03_Aenderung_ArbZG.htm<br />
Viele Grüße,<br />
Oliver<br />
Rheinischer Merkur: Für die nächste Hiobsbotschaft sorgte bereits der Europäische Gerichtshof, der<br />
den Bereitschaftsdienst in Krankenhäusern als Dienstzeit wertete. Wie wollen Sie das Geld dafür aufbringen?<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Ulla Schmidt: Das haben wir mit eingerechnet, weil wir schon vor dem Urteil die Arbeitszeitbedingungen<br />
verbessern wollten. In diesem und in den nächsten Jahren stellen die Krankenkassen jeweils 100 Millionen<br />
Euro zur Verfügung, insgesamt 700 Millionen Euro bis zum Jahr 2009.<br />
aus einem Interview vom 25. September 2003<br />
Gesagt ist schließlich gesagt...
Zwischen Studium und Arbeitsleben<br />
Ein Grenzerfahrungsbericht<br />
Benedikt Bader<br />
Ich bin gerne Student. Das gebe ich gerne zu. Student zu sein hat<br />
sehr viele Vorteile. Kurz gefasst ist es eine Selbstfindungsphase<br />
mit voller gesellschaftlicher Akzeptanz. Der schönste Teil dieser<br />
Phase beginnt mit dem Eintritt in die Klinik. Man promoviert,<br />
feiert und verwirklicht so vor sich hin, lernt hie und da auf<br />
Klausuren und freut sich einfach, studieren zu können. Ein<br />
Semester folgt dem nächsten und wir beginnen uns im warmen<br />
Schaumbad des Studiums so richtig unterzutauchen und fühlen<br />
uns pudelwohl. Irgendwann, meist so im siebten oder achten<br />
Semester haben dann vermutlich fast alle wenigstens einmal daran<br />
gedacht, was nach dem Studium kommt. Oft sind das gruselige<br />
Gedanken. Ungefähr so gruselig, wie aus dem warmen Schaumbad<br />
aufzustehen, weil es geklingelt hat und pudelnass im Bademantel<br />
zur Tür zu gehen um rauszufinden wer denn da so hartnäckig<br />
schellt. Sehr gruselige Vorstellung nicht? Die Antwort auf die<br />
Frage, was denn nach dem Studium kommt, verschiebt man lieber<br />
noch ein bisschen. Fragt man rum, bekommt man Antworten wie<br />
"Na ja, Chirurg halt!" oder "Alles, bloß kein Chirurg halt!". Aber<br />
sind wir ehrlich. Die wenigsten unter uns haben eine konkrete<br />
Vorstellung davon, was auf uns nach dem Studium wartet. Wer<br />
oder was da vor der Tür steht und uns aus der Wanne klingelt.<br />
Es gibt Regelmäßigkeiten, die gerne wiederkehren. Ganz populär<br />
ist es, nach einer Famulatur später auch einmal Facharzt im<br />
jeweiligen Fach zu werden. Während der Famulatur in der Inneren<br />
ist es klar, dass man natürlich Internist werden möchte. Nach der<br />
Chirurgie-Famulatur ist dann Chirurgie das Nonplusultra. Im<br />
Laufe des Studiums möchten viele von uns irgendwann auch mal<br />
Gynäkologen, Kinderärzte oder Anästhesisten werden. Obwohl<br />
es nicht mehr wie vor einigen Jahren noch zum Tagesgespräch<br />
gehört, haben sicher nicht wenige von uns schon mal die Webseiten<br />
der Consulter wie McKinsey & Co aufgerufen. Die Doktorarbeit<br />
ist die perfekte Möglichkeit um auszuprobieren, ob man zum<br />
Forscher geboren ist. Wenn dann sicher ist, dass man doch lieber<br />
wieder "richtiger" <strong>Medizin</strong>er werden will, ist das zweite<br />
Staatsexamen schon kurz vor der Tür und schwupp findet man<br />
sich im PJ wieder. Irgendwie haben dann doch fast alle<br />
Kommilitonen wieder Lust auf <strong>Medizin</strong> bekommen und kehren<br />
den alternativen Berufsfeldern den Rücken. Jetzt sind es mehr<br />
Fragen wie "Praxis - Ja oder nein?", "Mag ich im Krankenhaus<br />
bleiben?" oder "Geh ich vielleicht ins Ausland um dort zu<br />
arbeiten?"<br />
Diese Fragen und noch einige andere stelle ich mir gerade. Was<br />
wird die Zukunft bringen? Im Frühjahr habe ich mein zweites<br />
Staatsexamen bestanden. Alles ging ziemlich plötzlich. Gegen<br />
Ende des <strong>neu</strong>nten Semesters wünscht man allen schöne Ferien<br />
und verabredet sich für danach. Doch man ahnt insgeheim, dass<br />
mit dem Ende des <strong>neu</strong>nten Semesters das Studium dem Ende<br />
zugeht. Im zehnten Semester ist Lernen angesagt und man trifft<br />
allenfalls die Leute wieder, die zufällig die gleiche Bibliothek zum<br />
Klicken ausgesucht haben. Dann kommt das Examen und ist auch<br />
gleich wieder vorbei. Jetzt bin ich mitten in meinem ersten Tertial<br />
des praktischen Jahres. In den ersten drei Wochen haben mich<br />
allein schon drei verschiedene Vertreter von Versicherungen und<br />
Wirtschaftsberatungen auf Station besucht und sich um meine<br />
Zukunft und die meines zukünftigen Gehaltes gesorgt. Sie wollen<br />
mich gegen jegliche Risiken meines zukünftigen Lebens absichern.<br />
Auf jeden Fall kann ich an einigen Bewerbungsworkshops<br />
umsonst teilnehmen und bekomme EKG-Lineale und<br />
Augenleuchten geschenkt. Auch nicht schlecht. Im PJ merke ich<br />
deutlich den Unterschied zu meinen Famulaturen. Die Aufgaben<br />
steigen und werden anspruchsvoller. Patienten und Pflegedienst<br />
stellen mir viele Fragen, die ich nicht beantworten kann. Ich glaube,<br />
man sieht mir meine IMPP-gestählte Unsicherheit an. Ich fühle<br />
mich, als hätte ich durch das ständige Lernen von Details und<br />
Marginalien den Überblick über das Ganze verloren. Zum Glück<br />
nimmt es mir niemand übel, wenn ich viele Fragen stelle.<br />
Schließlich bin ich da, um zu lernen. Am 11. Juni wird wohl das<br />
AiP abgeschafft. Der Gedanke, in gut einem Jahr Stationsarzt zu<br />
sein ist unheimlich und spannend zugleich. Ich habe mich<br />
entschieden, mich auf die Zukunft zu freuen. Schließlich habe<br />
ich <strong>Medizin</strong> studiert, um Menschen zu helfen. Das mag<br />
abgedroschen klingen, doch ich bin froh, dass ich gegen Ende<br />
meines Studiums wieder an das Ideal erinnert werde, das viele<br />
von uns bei der Einschreibung vor Studienbeginn hatten. Täglich<br />
wird mir bewusst, wie wundervoll das <strong>Medizin</strong>studium eigentlich<br />
ist. Es gibt uns die Fähigkeit, egal an welchem Ort auf dieser Welt,<br />
etwas für unsere Mitmenschen zu tun.<br />
Mein Studium war eine wunderbare Zeit. Jetzt freue ich mich auf<br />
die Zeit danach und bin sehr gespannt, in welchem Fachgebiet<br />
und an welchen Ort dieser Welt ich mich in zehn Jahren von jetzt<br />
ab wiederfinde. Also am 18. April 2014 so gegen 23 Uhr. Spannend<br />
nicht? Grund genug, das Schaumbad zu verlassen und zu<br />
schauen, wer an der Tür klingelt. Und wenn es doch nicht so<br />
spannend war, steige noch mal kurz in die Wanne zurück und<br />
studiere "Public Health" im Aufbaustudiengang und arbeite bei<br />
den Vereinten Nationen.<br />
Von:<br />
Datum:<br />
Betreff:<br />
Hallo auch von mir!<br />
Zurück vom Delegationswochenende und auf<br />
kurzen Zwischenstop in Köln will ich nur<br />
ganz kurz eine Sache in Erinnerung rufen:<br />
Wahrschinlich verdienen<br />
Ärzte im Schichtdienst weniger Geld als<br />
bei 24h Diensten. Und sicher kostet das<br />
Modell dennoch viel mehr für die Kliniken.<br />
Was aber bei all den Diskussionen ums liebe<br />
Geld leider immer unter die Räder kommt ist<br />
der eigentliche Auslöser für die ganze<br />
Sache. Oder zumindest in meinen Augen der<br />
wichtigste Grund.<br />
Es geht hier um die Patienten. Und die<br />
behandelt ein erschöpfter Arzt, dem ständig<br />
die Augen zufallen und der sich womöglich<br />
mit Aufputschmittelchen über Wasser hält<br />
schlechter. Auch wenn er vielliecht reicher<br />
ist.....<br />
Schönen Gruss und gute Nacht. Schlaft gut<br />
(solange ihr es noch könnt ;))<br />
Jan<br />
Jan<br />
25.01.2004 22:52<br />
Re: Bereitschaftsdiensturteil<br />
13<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
Ein Einblick in unser <strong>Gesundheit</strong>ssystem<br />
Sylvère Störmann<br />
14<br />
Grundstruktur<br />
Zur medizinischen Versorgung der rund 83 Millionen Menschen,<br />
die in Deutschland leben, arbeiten über 300.000 Ärzte und knapp<br />
3,8 Millionen weitere Menschen im <strong>Gesundheit</strong>swesen. Dieses<br />
wird gegliedert in einem 3-Säulen-System:<br />
Primär-Versorgung durch niedergelassene Ärzte<br />
Die niedergelassenen Ärzte stellen die ambulante Versorgung der<br />
Patienten sicher. Dabei werden sowohl durch Allgemein-<br />
<strong>Medizin</strong>er als auch durch niedergelassene Fachärzte die<br />
Grundversorgung sowie hohe Standards sichergestellt. Wenn die<br />
Behandlung eines Patienten an die Grenzen der Primärversorgung<br />
stößt, kann der niedergelassene Arzt die Einweisung ins<br />
Krankenhaus veranlassen.<br />
Akut-Versorgung in Krankenhäusern<br />
Mit über 5<strong>50</strong>.000 Betten in knapp 2.200 Krankenhäusern gibt es<br />
im deutschen <strong>Gesundheit</strong>swesen eine gute Abdeckung der<br />
Bevölkerung mit Krankenhausplätzen. Dabei unterscheidet man<br />
zwischen „allgemeinen Krankenhäusern“ der Grundversorgung<br />
(ca. 1.600) und Krankenhäusern der Maximalversorgung, die hoch<br />
spezialisierte Fachabteilungen bieten.<br />
Nachsorge/Rehabilitation<br />
Da die Prävention zur obersten Maxime gesundheitspolitischer<br />
Entscheidungen geworden ist, nimmt auch die Nachsorge einen<br />
hohen Stellenwert ein (hinsichtlich tertiärer Prävention). Es gibt<br />
in Deutschland etwa 1.400 Einrichtungen zur Vorsorge sowie<br />
vor allem Nachsorge (Reha-Kliniken) mit einer Gesamtkapazität<br />
von 190.000 Betten.<br />
Versicherung<br />
Da die medizinische Versorgung unter Umständen teuer werden<br />
kann, aber jeder sich seine <strong>Gesundheit</strong> leisten können soll, gibt es<br />
in Deutschland ein Pflichtversicherungssystem, das nach dem<br />
Solidarprinzip funktioniert. Bis auf einige Ausnahmen sind alle<br />
Menschen in Deutschland versicherungspflichtig. Das bedeutet,<br />
sie müssen bei einer der zahlreichen Krankenkassen im Rahmen<br />
der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert sein.<br />
Diese Versicherung gewährleistet Leistungen zur Förderung der<br />
<strong>Gesundheit</strong>, Verhütung und Früherkennung von Krankheiten,<br />
zur Behandlung bei Krankheit, Schwangerschaft und<br />
Mutterschaft sowie Anspruch auf Krankengeld und sonstige<br />
Hilfen. Zur Finanzierung dieser Leistungen zahlt jeder Versicherte<br />
gemäß dem Solidarprinzip entsprechend seiner wirtschaftlichen<br />
Leistungsfähigkeit in die Krankenkasse und gewährleistet so, dass<br />
auch finanziell schwächer gestellte Menschen in Deutschland<br />
medizinisch versorgt werden können nach den geltenden<br />
Standards. Arbeitgeber zahlen für ihre Angestellten die Hälfte<br />
des gebotenen Betrags. Im Falle einer Inanspruchnahme der<br />
Leistungen zahlen die Betroffenen bei Arzneimittel und<br />
Krankenhausaufenthalten geringe Beträge dazu, um das System<br />
insgesamt etwas zu entlasten.<br />
Darüber hinaus gibt es die Private Krankenversicherung (PKV),<br />
die über den Leistungsumfang der GKV hinaus weitere<br />
Leistungen anbietet. Dies wird jedoch für jede Versicherung in<br />
den so genannten Tarifbedingungen geregelt. Privat versichern<br />
darf sich jeder; die Privatversicherung richtet sich aber vor allem<br />
an Leute, die nicht versicherungspflichtig sind (Arbeitgeber,<br />
Freiberufler, …). Derzeit sind etwa 10% der Bevölkerung privat<br />
versichert. Für die Privatversicherung gibt es verschiedene Pakete<br />
mit verschiedenem Leistungsumfang. Die Beiträge sind nach dem<br />
Wert des Versicherungsschutzes bemessen und damit unabhängig<br />
vom Einkommen; sie richten sich vor allem nach Faktoren wie<br />
dem Erkrankungsrisiko.<br />
Abrechnung<br />
Jeder Beitragszahler in den Krankenversicherungen zahlt eine<br />
Kopfpauschale, die an die Krankenkasse geht. Diese wiederum<br />
zahlt die Pauschale an eine der bundesweit 23 Kassenärztlichen<br />
Vereinigungen (KV), in denen die Ärzteschaft organisiert ist. Die<br />
Summe aller Zahlungen der Krankenkassen an eine KV nennt<br />
Schema<br />
ambulante Versorgung<br />
Krankenkasse<br />
Gesamtvergütung s<br />
a Vertritt ärztliche Interessen<br />
Kassenärztliche<br />
Vereinigung<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
zahlt Beiträge s<br />
Versichertenkarte s<br />
Kassenpatient<br />
Weg des Geldes<br />
(gestrichelte Linie)<br />
Versichertenkarte s<br />
a Leistung<br />
s<br />
übermittelt Punkte s<br />
Vergütung nach<br />
Punkten s<br />
Vertragsarzt
man Gesamtvergütung. Die KV ist als Körperschaft öffentlichen<br />
Rechts ein Teil der öffentlichen Verwaltung und kümmert sich<br />
um die Abrechnung der Behandlungskosten.<br />
Jeder Arzt berechnet die Leistungen, die er erbringt, nach einem<br />
gewissen Punkteschlüssel (Einheitlicher Bewertungsmaßstab,<br />
EBM). So ist z.B. eine Langzeit-EKG-Aufzeichnung 400, eine<br />
UV- Erythemschwellenwertbestimmung 90 und eine<br />
Rekonstruktive Operation an der Aorta abdominalis 4.800 Punkte<br />
wert. Die Punktezahlen werden an die KV übermittelt. Die<br />
Punktezahlen werden nach Fachgruppen (etwa Chirurgie,<br />
Augenheilkunde, …) aufgeschlüsselt. Jeder Fachgruppe steht aus<br />
der Gesamtvergütung der KV ein bestimmter Anteil zu. Der<br />
Vergütungsanteil der Fachgruppe wird dann durch deren<br />
Punktezahl geteilt; so erhält man den Punktwert. Die einzelnen<br />
Ärzte der Fachgruppe erhalten dann das ihnen zustehende Geld,<br />
errechnet aus Punktwert mal Um dabei Betrug auszuschließen,<br />
kontrolliert die KV die Abrechnungen. Dabei wird überprüft, ob<br />
jeder Arzt einer Fachgruppe bei vergleichbaren Patienten die<br />
gleichen Leistungen abrechnet oder sich eventuell nicht-getätigte<br />
Leistungen aufschreibt. In einem solchen Fall wird das Honorar<br />
gekürzt; jeder Arzt, der besonders schwere Fälle mit<br />
Mehrleistungen behandelt, muss das erstmal beweisen. Bei<br />
illegitimen Abrechnungen sind die Leidtragenden die anderen<br />
Ärzte, da die Gesamtvergütung stets gleich bleibt und die Punkte<br />
lediglich deren Aufteilung beeinflusst.<br />
Um aber einer Punktinflation entgegenzuwirken, wurde das<br />
Praxisbudget eingeführt. Dadurch hat jede Fachgruppe in jeder<br />
KV einen definierten Rahmen, wie viele Punkte pro Patient pro<br />
Quartal abgerechnet werden dürfen. Alles, was über diese<br />
Punktezahl an Leistungen hinausgeht, wird nicht vergütet.<br />
Hautärzte, beispielsweise, haben ein Budget von 366 (Berlin),<br />
425 (Schleswig-Holstein) bzw. 195 (Bayern gemäß<br />
Kassenärztlicher Bundesvereinigung) Punkten je Quartal je<br />
Patient. Damit ist schon die Chemo-chirurgische Behandlung eines<br />
Basalioms (380 Punkte wert) für die meisten Dermatologen keine<br />
„lohnende“ Erkrankung, da alle Leistungen wie etwa Ärztliches<br />
Gespräch, Nachsorgeuntersuchung und ähnliche ohne Vergütung<br />
erfolgen müssen. Die Folge ist, dass viele Ärzte ihre<br />
Patientenzahlen auf Kosten einer anständigen Versorgung zu<br />
erhöhen versuchen.<br />
Weitere Regelungen bezüglich Arzneimittelverschreibung legen<br />
fest, dass jedem Patient nur eine bestimmte Menge an<br />
Medikamenten verschrieben werden darf. Bei Überschreitungen<br />
und in einigen Sonderfällen müssen Ärzte damit rechnen,<br />
Strafzahlungen an die KV ableisten zu müssen. Da dies alles in<br />
der Diskussion steht und weitere Neuregelungen der<br />
Verschreibungspflicht kommen sollen, werden hier weitere<br />
Details ausgelassen.<br />
Krankenhäuser<br />
Ärzte, die im Krankenhaus arbeiten, werden nach dem<br />
Bundesangestelltentarif bezahlt. Zunächst wird nach BAT IIa,<br />
nach fünf Jahren nach BAT Ib vergütet. Der Tarif wird jedes Jahr<br />
<strong>neu</strong> bestimmt und die Höhe der Vergütung ist abhängig vom Alter.<br />
Ein 29-jähriger Assistenzarzt erhält so nach BAT IIa EUR<br />
2.523,62, nach BAT Ib erhielte er EUR 2.833,80. Das Gehalt der<br />
Krankenhaus-Ärzte ist also reguliert; die Bezahlung ist Teil der<br />
laufenden Kosten des Krankenhauses.<br />
Jeder Patient im Krankenhaus zahlt pro Tag seines Aufenthalts<br />
EUR 10 und finanziert so die an ihm erbrachten Leistungen mit.<br />
Neues Buch – gutes Buch?<br />
F. BESKE & J. F. HALLAUER<br />
Das Kompendium des <strong>Gesundheit</strong>swesens<br />
Das <strong>Gesundheit</strong>swesen in<br />
Deutschland<br />
Struktur - Leistung - Weiterentwicklung<br />
3. Auflage 1998<br />
280 Seiten, 56 Abb., 53 Tab.<br />
Deutscher Ärzteverlag<br />
(www.aerzteverlag.de)<br />
ISBN: 3-7691-0343-2<br />
EUR 39,95<br />
15<br />
Wenn man in der Approbationsordnung für Ärzte nachschlägt, findet<br />
man gleich im ersten Paragraphen unter einem der erklärten Ziele<br />
der ärztlichen Ausbildung die Organisation des <strong>Gesundheit</strong>swesens.<br />
Dies ist in der <strong>neu</strong>en ÄAppO auch gleich im Querschnitt-<br />
Leistungsnachweis 3 (nach §27) verankert worden:<br />
<strong>Gesundheit</strong>sökonomie, <strong>Gesundheit</strong>ssystem, Öffentliche<br />
<strong>Gesundheit</strong>spflege. In der <strong>neu</strong>en Studienordnung wurde das auch<br />
gleich im ambu-Kurs (Modul II bis V) in Seminaren, Praktika und<br />
Vorlesungen verankert.<br />
Dadurch wird es für jeden Studenten zwingend notwendig, sich mit<br />
der Materie auseinander zu setzen - und nicht, wie bisher, früher<br />
oder später darüber zu stolpern.<br />
Das Buch vom <strong>Gesundheit</strong>swesen-Guru Fritz Beske und Johannes F.<br />
Hallauer fasst kurz und prägnant auf fast 300 Seiten alle Aspekte<br />
des <strong>Gesundheit</strong>swesens zusammen. Ein Abschnitt über die<br />
demographische Situation den <strong>Gesundheit</strong>szustand in Deutschland<br />
liefert wertvolle Hinweise über die Struktur der Bevölkerung, etwa<br />
Todesursachen und Inzidenzen.<br />
Alle Rezensionen online:<br />
www.fachschaft-medizin.de/rezensionen<br />
In den Folgeabschnitten werden öffentliches <strong>Gesundheit</strong>swesen,<br />
soziale Sicherung, Versicherungen, medizinische Versorgung,<br />
Umweltschutz, Arbeitsschutz, Rehabilitation, Rettungswesen,<br />
<strong>Gesundheit</strong>sberufe und Forschung mit zahlreichen Zahlen und Fakten<br />
unterfüttert vorgestellt und erläutert.<br />
Teilweise handelt es sich dabei aber um schwer verdauliche Lektüre,<br />
die zu manchen Teilen auch ein gewisses Grundverständnis bzw.<br />
Vorwissen erfordert. Obwohl recht viele Details enthalten sind, fehlen<br />
manchmal grundlegende Erläuterungen oder auch weiterführende<br />
Hinweise. Das mindert den Lesefluss und den Nutzen für<br />
<strong>Medizin</strong>studenten, die grundsätzliche Informationen suchen.<br />
Letztlich bleibt es aber ein Standardwerk, das bereits vielen<br />
<strong>Medizin</strong>ern im Dschungel der Verordnungen und wirren Strukturen<br />
geholfen hat, den Überblick zu finden. Wer sich ernsthaft mit der<br />
Materie auseinander setzen möchte, wird keinen Weg am „Beske/<br />
Hallauer“ vorbei finden.<br />
Sylvère Störmann<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
Ab dem 29. Kalendertag entfällt diese<br />
Gebühr, so dass maximal EUR 280<br />
anfallen. Bisher finanzierte sich das<br />
Krankenhaus über Pflegesätze, womit<br />
jeder Tag, die ein Patient im Krankenhaus<br />
verweilte, beglichen wurde. Patienten, die<br />
mit gleicher Erkrankung ins Krankenhaus<br />
kommen, bleiben schließlich nicht<br />
unbedingt gleich lange stationär. So kann<br />
eine schnelle Rekonvaleszenz die schnelle<br />
Entlassung nach sich ziehen, während bei<br />
einem anderen schwerwiegende<br />
Komplikationen auftreten können, die<br />
einen längeren Aufenthalt nötig machen.<br />
Um das ganze etwas zu differenzieren,<br />
existieren seit einigen Jahren auch<br />
Fallpauschalen und Sonderentgelte; daher wird das seit 1996<br />
bestehende System auch als „Mischsystem“ bezeichnet. Im<br />
internationalen Vergleich fallen allerdings lange Liegezeiten der<br />
Patienten (als Verweildauer bezeichnet) auf.<br />
Daher soll dieses System bis spätestens 2007 komplett durch ein<br />
fallgruppen-orientiertes System abgelöst werden. Die sogenannten<br />
DRGs (diagnosis-related groups) wurden vor knapp 30 Jahren<br />
an der Universität Yale entwickelt und haben mittlerweile in einigen<br />
Ländern Verwendung gefunden, so auch Australien. Als in<br />
Deutschland diskutiert wurde, ein solches System zu<br />
übernehmen, entschied man sich für das australische Derivat als<br />
Modell. So entstand G-DRG (German DRG), das derzeit vielen<br />
Krankenhäusern und den ohnehin mit bürokratischen Aufgaben<br />
überfrachteten Ärzten großes Kopfzerbrechen.<br />
Ziel dieses Systems ist es, die Leistung im Krankenhaus statt der<br />
Verweildauer zu vergüten. Damit will man die langen Liegezeiten<br />
eindämmen. Daher müssen sämtliche Leistungen dokumentiert<br />
werden, um daraus die Abrechnung gestalten zu können. Dabei<br />
werden recht komplizierte Schlüssel angewandt. Da hier noch<br />
vieles in Diskussion ist und noch einige Änderungen zu erwarten<br />
sind, werden auch hier weitere Details ausgelassen. Einen guten<br />
Überblick und tiefgründige Informationen liefert der Artikel<br />
„DRG-Einführung im Krankenhaus Systemkonstruktion und<br />
Links Internet<br />
Die riesige Gemeinheit - DRG - Das Spiel<br />
http://www.aerztelauf.de/drg.pdf<br />
„DRG-Einführung im Krankenhaus Systemkonstruktion und Fallpauschalengesetz“ von M. Wilke<br />
<strong>Medizin</strong> im Dialog, Ausgabe 01/2002<br />
http://www.medizinimdialog.com/mid1_02/DRGid.htm<br />
Ein Jahr unter Ulla Schmidt, <strong>Synapse</strong>, Ausgabe 44<br />
http://fachschaft.web.med.uni-muenchen.de/home/synapse/syn-44/schmidt.html<br />
Fallpauschalengesetz“ von Dr. Michael Wilke in der Ausgabe 01/<br />
2002 von „<strong>Medizin</strong> im Dialog“.<br />
Zukunft<br />
Gerade in jüngster Zeit hat das <strong>Gesundheit</strong>swesen einen<br />
Reformschub erhalten. Missstände und Probleme wurden<br />
erkannt, da das <strong>Gesundheit</strong>swesen in eine große Finanzkrise<br />
taumelte. Die Medien haben das Ressort <strong>Gesundheit</strong>spolitik <strong>neu</strong><br />
entdeckt und das Ministerium angefangen, einmal richtig<br />
umzukrempeln. Wie die <strong>Synapse</strong> bereits berichtete, wurden dabei<br />
viele Projekte in Angriff genommen und mehr oder minder im<br />
Schnelldurchlauf erledigt. So gab es oft unausgegorene<br />
Reformkonzepte, die <strong>neu</strong>e und teilweise gravierende Missstände<br />
erzeugten. Daher wird es wohl auch in den nächsten Jahren großen<br />
Handlungsbedarf geben, um das kränkliche <strong>Gesundheit</strong>swesen<br />
auf die Beine zu helfen. Bis dahin werden die meisten von uns ihr<br />
Studium abgeschlossen haben und mittendrin stehen. Es kann<br />
daher nur empfohlen werden, sich jetzt schon ein grundlegendes<br />
Verständnis des <strong>Gesundheit</strong>swesens anzueignen, um dann<br />
vielleicht auch mitreden zu können.<br />
16<br />
spielend lernenNach-Monaten-Karte „Upgrading“ -300<br />
Das DRG-Spiel<br />
http://www.aerztelauf.de/drg.pdf<br />
Der Neurologe Dr. Jürgen Junghänel hat die <strong>neu</strong>en<br />
Richtlinien zur Umsetzung der Fallpauschalen -DRGs- zu<br />
einem Spiel verpackt, das nicht nur das Verstehen des<br />
Systems fördern soll, sondern wohl auch den Irrsinn,<br />
der dahinter steckt, offenbaren.<br />
Dazu zitieren wir hier exemplarisch ein Beispiel aus der<br />
Spielanleitung - und vielleicht trifft man ja demnächst<br />
in der Lesehalle ein paar PJler in spe, die statt fürs 2.<br />
StEx zu kreuzen etwas DRG spielen...<br />
1. Beispiel: Schlaganfall<br />
bei PCCL von 3, normale VD 1400<br />
s Erlös 1100<br />
Kosten: Verweildauerkarte 10 Tage 1000<br />
s Gewinn 100<br />
Das ist schon recht gut!<br />
2. Beispiel: Parkinson<br />
bei PCCL 1, normale VD; Erlös wäre 1400<br />
Aber da spielt einer: „Tod am 2. Tag“<br />
Erlös nach Tabelle für 2 Tage 800<br />
Kosten für 2 Tage -200<br />
s Gewinn 600<br />
Das ist ein sehr gutes Ergebnis! Besser, als wenn Patient<br />
nach 20 Tagen aus dem Krankenhaus marschiert wäre.<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Spielidee:<br />
Dieses Spiel wird in Tausenden von deutschen<br />
Arztzimmern schon gespielt: allerdings in der Solitär-<br />
Variante - einsam, allein, nachts – das ist nicht<br />
unterhaltsam.<br />
[...]<br />
Er setzt dieses System in spannende Mehrpersonenspiele<br />
um. Dazu sind massive Vereinfachungen nötig – das<br />
Grundprinzip entspricht aber genau der Wirklichkeit.<br />
3. Beispiel: Trigeminus<strong>neu</strong>ralgie<br />
Bei PCCL 2 und VD-Karte 15Tage (Norm: 3 – 19d) 900<br />
durch Sonderkarte wird die VD verdoppelt – er bleibt mit<br />
30 Tagen 11 Tage länger als obere VD<br />
Dafür gibt es Zuschlag pro Tag 100 +1100<br />
s Erlös also 2000<br />
Kosten bei 30 Tagen -3000<br />
s Verlust -1000<br />
Es könnte schlimmer sein!
Arbeitszufriedenheit von Ärzten im Krankenhaus<br />
Sylvère Störmann<br />
„Ich kann nicht mehr.“ Wer nachts um halb drei auf einer<br />
[intensivmedizinischen] Station miterlebt, was -vor allem junge-<br />
Ärzte in Deutschland mitmachen müssen, wird sicherlich auch<br />
diesen Satz hören. Bereitschaftsdienste und unbezahlte<br />
Überstunden plagen seit Jahren die Ärzteschaft und haben zu<br />
viel Unmut geführt. Und aus der Misere führt zunächst kein Weg<br />
hinaus. 70% der Ärzte geben an, dass Überstunden<br />
selbstverständlich erwartet werden. Während die Gesetzeslage<br />
dies ändern kann, herrschen noch grobe strukturelle Missstände,<br />
die sich wiederfinden in der Aussage von knapp 75% der Ärzte,<br />
dass ohne die unbezahlten Überstunden, die Patienten nicht<br />
ausreichend versorgt würden. <strong>50</strong>% der Ärzte gaben auch an, ihre<br />
Arbeit sonst nicht zu schaffen, was unter anderem durch den in<br />
den letzten Jahren gestiegenen Verwaltungsaufwand, der an die<br />
Ärzteschaft delegiert wurde, verursacht wurde. Eine Besserung<br />
ist mit der Einführung der DRGs auch nicht in Sicht.<br />
Als vorsichtige Kalkulation ist davon auszugehen, dass 15% der<br />
Arbeitszeit (ausgenommen Bereitschaftsdienstzeit), die in<br />
deutschen Krankenhäusern tatsächlich geleistet wird, nicht<br />
dokumentiert und damit auch nicht vergütet wird.Dabei werden<br />
vor allem auch während Bereitschaftsdiensten, die für Ärzte viel<br />
Arbeit und schlechten Schlaf (wenn überhaupt) bedeuten, die<br />
Ärzte zu Arbeit herangezogen, die in Schichtdienstmodellen<br />
wesentlich sinnvoller untergebracht wären. Da dies aber Gelder<br />
erfordert, die nicht da sind, gibt es nur eine insignifkante Datenlage<br />
zu Schichtdienstmodellen.<br />
Die gesetzlich vorgeschriebene Maximalbelastung existiert dabei<br />
in vielen Fällen auch nur auf dem Papier. Ruhezeiten, die<br />
gewährleisten sollen, dass Ärzte ausreichend Zeit finden, sich<br />
auszuruhen, sind zu einem großen Teil zu kurz für eine<br />
ausreichende Erholung. Dadurch müssen viele Ärzte bereits<br />
übermüdet so manchen Dienst antreten, der möglicherweise<br />
etliche Stunden beträgt.<br />
Über 60% der Ärzte fühlen sich daher häufig gestresst und<br />
überlastet; 40% geben an, häufig übermüdet zu sein. Als das größte<br />
Defizit des bestehenden <strong>Gesundheit</strong>ssystem geben über 70% der<br />
Ärzte die Verwaltungsarbeit an, die in vielen Fällen fast <strong>50</strong>% der<br />
gesamten Arbeitszeit verschlingt. Dies geschieht oft auf Kosten<br />
der Zeit, die für die Patientenversorgung vorgesehen ist. Daher<br />
bemängeln die Ärzte auch, zu wenig Zeit für ihre Patienten zu<br />
finden.<br />
Sehr zufrieden mit ihrer Situation sind eigentlich eher leitende<br />
Ärzte, während das Gros sich schlichtweg zufrieden gibt. Der<br />
Anteil unzufriedener Ärzte stellt immerhin etwa 30% des<br />
Kollektivs dar. Ein Zusammenhang zwischen Größe des<br />
Krankenhaus und Zufriedenheit besteht allerdings nicht. Frauen<br />
hingegen sind häufiger zufrieden mit ihrer Situation als ihre<br />
männlichen Kollegen, was sich auch darin wiederspiegelt, dass<br />
mehr Frauen den Arztberuf wiederwählen würden. Knapp 40%<br />
würden sich aber sicher bzw. eher nicht er<strong>neu</strong>t dem Wagnis<br />
<strong>Medizin</strong> hingeben.<br />
Neues Buch – gutes Buch?<br />
R. H. KAISER<br />
Arbeitsbedingungen und<br />
Arbeitszufriedenheit von Ärzten im<br />
Krankenhaus<br />
Eine empirische Untersuchung<br />
Eine sehr interessante Studie und die ausführlichen Daten dazu<br />
Erstauflage 2002<br />
68 Seiten, 18 Abb., 3 Tab.<br />
Deutscher Ärzteverlag<br />
(www.aerzteverlag.de)<br />
ISBN: 3-7691-3183-5<br />
EUR 19,95<br />
17<br />
Immer wieder hört man von überarbeiteten Ärzten, untragbaren<br />
Arbeitszeiten und einem generellen Missstand im <strong>Gesundheit</strong>ssystem.<br />
Während Ärzte nach wie vor ein hohes Ansehen genießen, würde<br />
jeder dritte Arzt den Beruf nicht wieder wählen.<br />
In einer großangelegten Studie in Hessen, Rheinland-Pfalz und im<br />
Saarland untersuchte man daher die Arbeitssituation und die<br />
Zufriedenheit mit der Arbeit von Ärzten in Krankenhäusern. Von den<br />
5.973 angeschriebenen Ärzten schickten insgesamt 3.068 auswertbare<br />
Antwortbögen zurück, was einem Rücklauf von stolzen 51,4%<br />
entspricht. Daher kann man die in dem Buch präsentierten Daten<br />
durchaus mit einer gewissen Repräsentativität betrachten.<br />
In dem recht dünnen und gut lesbaren Buch wird zunächst die<br />
Methodik der Studie vorgestellt, wobei auch explizite Hinweise zu<br />
den einzelnen Ländern erwähnt werden. Gemäß des Aufbaus des<br />
Fragebogens, der an die Ärzte verschickt wurde, folgt die Gliederung<br />
der Datenvorstellung den Studien-Items: Strukturelle Merkmale der<br />
Ärzte, Arbeitszeit, Bereitschaftsdienste, Schichtdienstmodelle,<br />
Alle Rezensionen online:<br />
www.fachschaft-medizin.de/rezensionen<br />
Arbeitszufriedenheit, Teilzeitarbeit und ein gesonderter Abschnitt<br />
zur Verteilung der Ärzte in leitenden Positionen auf unterschiedliche<br />
Krankenhaustypen. Dabei werden die gewonnen Daten teils in Tabellen<br />
teils in Diagrammen dargestellt, wobei in den begleitenden Texten<br />
stets weiterführende Informationen zu Merkmalsausprägungen und<br />
nicht aufbereiteten Daten zu finden sind.<br />
Außerdem werden im Text die Ergebnisse der Umfrage in kausale<br />
Zusammenhänge gestellt, um Aussagen über die Situation im<br />
Krankenhaus treffen zu können. Wo die Daten nichts hergaben, ist<br />
dies auch explizit erwähnt.<br />
Um die Datenlage zu überblicken finden sich im Anhang sowohl der<br />
komplette Fragebogen, wie er an die beteiligten Ärzte geschickt<br />
wurde, als auch sämtliche Daten in Tabellenform (teils auch nach<br />
anderen Items aufgelöst).<br />
Das Buch bietet interessante Einblicke und beliefert den Leser mit<br />
harten Fakten, die Spekulationen endgültig aus dem Weg räumen.<br />
Sylvère Störmann<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
Leben mit dem Virus<br />
Sylvère Störmann<br />
Plötzlich war es da. Unvermutet und unberechenbar schlug es zu. Das war 1981, als das HI-Virus durch AIDS auf<br />
sich aufmerksam machte. Das war auch 1998, als es Tobias heimsuchte...<br />
Tobias ist eigentlich ein ganz normaler Junge gewesen. Aufgewachsen in einem kleinen Ort in der Provinz, fehlte es<br />
ihm eigentlich an nichts. Tobias wuchs auf in einem ruhigen Ort; einem dieser Orte, wo nichts los. Viel kann man<br />
da als Jugendlicher nicht machen. In der ohnehin schon schweren Zeit der Pubertät hat man es da nicht leicht,<br />
nicht abzudriften. Tobias geriet in falsche Bahnen und schnell ging es abwärts. Er infizierte sich.<br />
Heute kann er offen darüber reden. Sein Leben hat er in geordnete Bahnen gerichtet. Wir sprachen über sein Leben<br />
und seine Krankheit.<br />
18<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Du hast ein ganz schön bewegtes Leben hinter dir. Wie alt bist du jetzt?<br />
Ich bin derzeit noch 28. Aber mit meinem 29. Geburtstag dieses<br />
Jahr gehe ich zielstrebig auf die 30 zu. O graus!<br />
Wie war deine Jugend?<br />
Die Jugendzeit war so richtig typisch mit Alkohol und natürlich<br />
Exzessen.<br />
Blieb es beim Alkohol?<br />
Ich bekam ein Alkoholproblem. So mit 16 habe ich mit dem<br />
Alkohol als Einstieg angefangen. Das ist eigentlich für mich die<br />
Einstiegsdroge schlechthin. Dann kommt eins zum<br />
andern: Man trifft dann Leute, die kiffen. Dann<br />
fängt man damit an. Plötzlich kommt man an<br />
was anderes und geht dann dazu über. Und so<br />
ging das dann auch bei mir. Über drei Jahre<br />
wurde ich schwer drogenabhängig.<br />
Was hast du in der Zeit getan?<br />
Zunächst habe ich ein Freiwilliges Soziales<br />
Jahr gemacht und danach eine<br />
Ausbildung<br />
zum<br />
Krankenpflegehelfer. Abitur habe<br />
ich keines. Zu diesem Zeitpunkt<br />
war ich schon<br />
medikamentenabhängig. Ich<br />
habe die Ausbildung<br />
trotzdem durchgezogen.<br />
Ich war halt ein Narr. Und<br />
so hat’s erst richtig<br />
angefangen.<br />
Irgendwie kann ich<br />
zwar stolz darauf sein,<br />
die Ausbildung<br />
trotzdem geschafft zu<br />
haben. Aber es war<br />
verantwortungslos und<br />
manchmal frage ich mich<br />
selbst: „Wie wär’s<br />
eigentlich gewesen, wenn<br />
ich nicht drauf gewesen<br />
wäre?“ Ich<br />
habe damals nämlich auch mit Heroin angefangen. Es gab<br />
eigentlich keinen Arbeitstag, wo ich clean gewesen wäre. Ich bin<br />
dann irgendwie so weit abgerutscht, dass ich nicht mehr wusste,<br />
worum es wirklich ging und der Beruf völlig falsch für mich war.<br />
So betäubte ich den Frust immer weiter.<br />
Hat denn keiner den Drogenmissbrauch bemerkt?<br />
Meine Mutter hat mich natürlich schon mehrmals angesprochen<br />
und gesagt: „Du veränderst dich so komisch. Deine Augen<br />
schauen so komisch aus. Deine Pupillen sind immer so klein.“<br />
Darauf entgegnete ich immer: „Hach, das ist nix.“ – „Nimmst du<br />
Drogen?“ – „Nein, nein.“<br />
Im Sommer bin ich dann immer mit Pullis rumgelaufen, weil die<br />
Arme entsprechend aussahen. Da haben mich die Leute auch<br />
schon mal drauf angesprochen und dann meinte ich einfach<br />
nur: „Ich hab ne Sonnenallergie zurzeit.“ Ich konnte mich immer<br />
rausreden und wenden.<br />
Ich bin ja auch in der Provinz aufgewachsen, wo jeder jeden<br />
kennt, wo das Schwulsein ein Problem ist und allein das<br />
ganze Leben irgendwie in der Öffentlichkeit<br />
stattfindet. Das war immer ein Versteckspiel.<br />
Wie ging das weiter?<br />
Ich war damals mit einem Mann zusammen, der<br />
positiv war. Wir waren leichtsinnig in unserem<br />
Rausch. Wir tauschten Spritzbesteck, wir hatten<br />
ungeschützten Verkehr – wir verloren uns<br />
in unseren Drogen. Als er mir dann vom<br />
Virus erzählte, war klar, dass er mich<br />
angesteckt haben musste. Würde ich<br />
heute nicht mehr machen. Ich bin viel<br />
vorsichtiger geworden. Ich würde<br />
auch nie ungeschützten Verkehr<br />
machen, egal ob derjenige das<br />
möchte oder nicht. Das ist<br />
irgendwas, wo ich vielleicht sehr<br />
nachlässig war, es aber heute nicht<br />
mehr bin.<br />
Wie bist du mit dem Test-Ergebnis<br />
„HIV-positiv“ umgegangen?<br />
Mit der Krankheit selbst komme<br />
ich eigentlich erst seit einem Jahr<br />
‚klar’. Ich habe 1998 mein<br />
Ergebnis gekriegt und das erstmal ewig<br />
verdrängt; Schublade auf und da rein. Es fiel mir anfangs<br />
schwer, die Krankheit zu akzeptieren. Ich versuchte es auch<br />
nicht erst. Stattdessen Abzutauchen, sich betäuben, das fand<br />
ich in den Drogen. So ging ich damit um.<br />
Nach sechs Jahren habe ich endlich Einsicht erlangt und lebe<br />
damit. Ich brauche die Drogen jetzt nicht mehr.<br />
Wie bist du dem Drogensumpf entkommen?<br />
Ich habe mich selber aus dem Drogensumpf ziehen können. Ich<br />
habe meinen ^damaligen Job von heute auf morgen einfach<br />
hingeschmissen, weil ich einerseits mein Ergebnis hatte und dann
auch noch meinen Partner verloren hatte, der gestorben ist, weil<br />
er sich komplett aufgegeben hat. Das habe ich alles irgendwie<br />
nicht richtig verkraftet. Ich habe den Boden unter mir einfach<br />
nicht mehr gespürt und dann war irgendwie alles plötzlich weg.<br />
Dann habe ich gemerkt, so kann’s nicht weiter gehen. Da habe<br />
ich mich zur Entgiftung entschlossen und bin gleich auf Therapie<br />
gefahren für drei Monate in einer psychosomatischen Suchtklinik.<br />
Da kam dann auch die vorläufige Wende. Richtig besser wurde<br />
es aber dann erst vor vier Jahren. Seitdem bin ich clean.<br />
Hast du deine Eltern auch stärker mit einbezogen, als das dann<br />
herauskam?<br />
Was heißt hier stärker einbezogen? Ich habe meinen Eltern das<br />
erst vor zwei Jahren gesagt. Alles. Das mit den Drogen haben sie<br />
schon 1999 erfahren, als ich mit meinen Eltern eine Woche<br />
Familientherapie in der Klinik gemacht habe. Aber über HIV<br />
haben wir erst vor zwei Jahren gesprochen, nachdem ich lange<br />
im Krankenhaus lag. Da konnte ich dann einfach nicht anders,<br />
da musste ich es sagen. Ich hätte wohl bis heute noch<br />
geschwiegen, wenn das damals nicht so gelaufen wäre.<br />
Es ist immer noch so, dass ich in mir das Bedürfnis in mir spüre,<br />
niemanden anderen damit in irgendeiner Weise zu belasten. Das<br />
ist das, was mich an der Gesellschaft noch stört. Man spricht<br />
nicht mehr oder ungern darüber und wenn, dann auch nur an<br />
bestimmten Tagen, wie dem Welt-AIDS-Tag oder sonst einem<br />
Tag, wo es gerade hineinpasst. Und dann wird meist auch nur ein<br />
bestimmtes Klischee angesprochen. Daher rede ich auch in der<br />
Öffentlichkeit nicht unbedingt gerne drüber, aber ich merke<br />
andererseits auch, dass man darüber reden muss. Das Thema<br />
gehört einfach dazu.<br />
Heute redet man in den Medien kaum noch über HIV und AIDS.<br />
Was mich wahnsinnig traurig macht, ist, dass man in den<br />
Nachrichten über Erdbeben, Irak, Iran und andere Dinge<br />
berichtet, während in Afrika ein großer Teil eines Kontinents an<br />
einer Krankheit verstirbt und es kaum jemanden zu kümmern<br />
scheint.<br />
Es ist einfach ein Thema, das einfach dazugehört. Wie die Themen<br />
Krebs und Schwangerschaft. Es ist einfach nicht mehr so ein<br />
Tabuthema, etwas<br />
das aufschreckt<br />
und interessiert. Es<br />
heißt zwar<br />
heutzutage, man sei<br />
offen und<br />
ausreichend<br />
informiert, aber<br />
letzten Endes<br />
wollen die<br />
wenigsten, etwas<br />
mit einem HIVpositiven<br />
oder<br />
AIDS-Kranken zu<br />
tun haben. Da spürt<br />
man als Betroffener<br />
die Intoleranz, die<br />
vorherrscht.<br />
Ich hab’s auch so<br />
gemerkt, als einige<br />
Freunde von mir<br />
von heute auf<br />
morgen weg waren,<br />
als sie erfahren<br />
haben, dass sich<br />
positiv bin. Plötzlich<br />
wollten die nix mehr<br />
mit mir zu tun<br />
haben. Und als ich<br />
im Krankenhaus lag<br />
habe ich auch gemerkt, wer meine wahren Freunde sind, die<br />
mich dann auch besuchen kamen und mich nicht abgeschrieben<br />
haben. Mit einem Gesunden kann man anscheinend doch ein<br />
bisschen anders umgehen, als wenn man mit diesem Thema<br />
konfrontiert wird.<br />
War das damals bei dir so, dass nach der Infektion dein Umfeld<br />
zusammengebrochen ist?<br />
Ja. Da hat es auch angefangen, dass ich versucht habe, das Thema<br />
zu verdrängen. Ich habe versucht das Thema nicht zu bearbeiten<br />
und auch nicht nach außen zu tragen und somit das in meinem<br />
Umfeld nicht akut zu machen. Irgendwo habe ich nämlich<br />
gemerkt, dass dadurch sehr viel kaputt geht, gerade auch<br />
Beziehungen. Sobald dieses Thema auf den Tisch kommt ist<br />
plötzlich diese Unbefangenheit weg, weil man anscheinend nur<br />
mit dem HIV-Negativen reden kann.<br />
Ein stabiles Umfeld ist einfach sehr wichtig, denn die Krankheit<br />
macht auch einsam.<br />
Hast du jetzt ein <strong>neu</strong>es Umfeld gefunden, mit dem du auch darüber<br />
reden kannst?<br />
Ja, das habe ich. Man kann darüber reden und es interessiert die<br />
Leute nicht mehr, welche Krankheit man hat. Man versteht sich<br />
einfach.<br />
Handelt es sich dabei vorwiegend um HIV-Positive?<br />
Sowohl als auch. Es ist sehr ausgewogen. Ich kann nicht leugnen,<br />
dass es Leute gibt, die im ersten Moment oder generell ein<br />
Problem damit haben, aber versuchen mit einem umzugehen.<br />
Ich kann auch damit umgehen, wenn die Leute generell ein<br />
Problem damit haben. Da lege ich mittlerweile nicht mehr so<br />
großen Wert drauf.<br />
Was passiert, wenn dieses Umfeld nicht da ist?<br />
Dann verlässt einen der Mut. Dann kommt die Sehnsucht: „Jetzt<br />
hol ich mir was, Überdosis und weg. Keinen Bock mehr.“ Aber<br />
der Kämpferwille ist dann doch manchmal größer.<br />
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<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
20<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Gibt oder gab es in deinem Umfeld Leute, die dieser Kämpferwille<br />
verlassen hat?<br />
Ja, es gibt schon ein paar. Die meisten haben Depressionen oder<br />
Krisen, wo man nicht mehr aufstehen will oder einfach nur<br />
Zuhause rumhängt und keinen Sinn mehr im Leben sieht. Das<br />
hat eigentlich fast jeder.<br />
Gehen viele so weit und geben auf?<br />
Nein, da ist dann doch der Lebenswille zu groß. Wir reden auch<br />
generell offen darüber. Wenn es einem schlecht geht, dann geht’s<br />
halt schlecht. Es kann einem nicht immer gut gehen. Man muss<br />
das akzeptieren und darüber reden können, dann übersteht man<br />
das auch.<br />
Was wäre gewesen, wenn du niemanden zum reden gehabt hättest?<br />
Dann hätte ich mich längst aufgegeben. Das habe ich auch<br />
gemerkt, als ich meinen Job verloren habe und erstmal keine<br />
Aussicht mehr gesehen habe. Ich weiß nicht, wo ich gelandet<br />
wäre. Da war nur noch der Gedanke an Drogen, Alkohol,<br />
Abhauen, Wegmachen.<br />
Wie schwierig ist es mit HIV einen Job zu finden?<br />
Es ist sehr schwierig. Gerade in meinem Fall. Ich habe eben nur<br />
einen Krankenpflegehelfer und Verletzungspfleger. Das ist schon<br />
ein Problem. Man darf zwar nicht gekündigt werden und es darf<br />
dadurch auch kein Hinderungsgrund entstehen, nicht eingestellt<br />
zu werden, aber in der Praxis ist es eben doch so.<br />
Auch beim Arbeitsamt habe ich versucht eine Umschulung zu<br />
bekommen, die ist aber zweimal abgelehnt worden. Ich habe<br />
zwar jedes Mal einen Widerspruch geschrieben, aber mit HIV<br />
wird man stigmatisiert und abgestempelt. Dann habe ich einen<br />
Schwerbehindertenausweis beantragt. Dann war ich so ehrlich<br />
und habe das beim Arbeitsamt angegeben – und dann war<br />
komplett alles aus. Dann war ich plötzlich schwerstvermittelbar.<br />
Daraufhin habe ich versucht eine berufliche Reha zu beantragen.<br />
Die wurde mir dann verwehrt. Dann habe ich es bei der BfA<br />
(Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) versucht. Da war<br />
es eben so, dass es bestimmte Voraussetzungen gab darüber,<br />
wie viel ich gearbeitet haben müsste – und dann ging das eben<br />
auch nicht. Da blieb mir nix anderes übrig, als mich<br />
krankschreiben zu lassen. Dann wollte ich medizinische Reha<br />
beantragen, aber auch das ging nicht. Also habe ich die dreijährige<br />
Rente in Anspruch genommen und will mal sehen, wie ich damit<br />
klar komme. Man kämpft dann schon noch, aber es ist sehr<br />
schwierig. Egal ob man nun Hepatitis oder HIV hat.<br />
Wie hat sich dein Alltag mittlerweile geändert?<br />
Als ich 1999 nach München gezogen bin, habe ich zunächst für<br />
Premiere gearbeitet und dann 2001 meinen Job verloren. Seitdem<br />
bin ich auch arbeitslos. Da ist eine Welt für mich<br />
zusammengebrochen: Ich hatte versucht mir eine <strong>neu</strong>e Existenz<br />
aufzubauen, hatte eine Wohnung in München, aber keinen Job<br />
mehr und sah auch keine Chance, noch einen zu kriegen. Ich<br />
wusste einfach nicht, wie mein Leben weitergehen sollte. Damals<br />
habe ich mich schon unter der Brücke schlafen sehen. Da habe<br />
ich von der Münchner AIDS-Hilfe erfahren, dass es eine<br />
therapeutisch betreute Wohngemeinschaft geht. Zu dem<br />
Zeitpunkt habe ich bemerkt, dass ich einfach Probleme hatte<br />
mit dem Leben klarzukommen, weil ich noch nie Verantwortung<br />
für irgendwas hab übernehmen müssen oder auch nur<br />
erwachsen zu reagieren. Dann habe ich beschlossen in die WG<br />
einzuziehen und habe mich hier auch stabilisieren können. Ich<br />
habe auch so eine Art Tagesstruktur gekriegt durch ehrenamtliche<br />
Aufgaben, die ich übernommen habe. Ich engagiere mich etwa<br />
bei JES (Junkies, Ehemalige und Substituierte), einer Vereinigung,<br />
die sich um die Probleme der Drogenabhängigen kümmert.<br />
Dadurch habe ich auch eine Struktur in meinem Leben langsam<br />
wieder aufgebaut. Langfristig will ich auch einfach wieder<br />
selbständiger werden.<br />
Wie planst du das?<br />
Ich mache derzeit eine ambulante Therapie, zweimal die Woche.<br />
Ich erhalte jetzt eine Rente für drei Jahre. Nebenbei versuche<br />
ich auch einen Job anzufangen, wieder etwas bodenständiger zu<br />
werden. Eine Festanstellung wäre schön – denn seit fast vier<br />
Jahren habe ich ja nicht mehr gearbeitet. Es ist zwar schwierig<br />
Vollzeit zu arbeiten, weil ich schon merke, dass nach fünf<br />
Stunden die Luft raus ist. Dann habe ich<br />
Konzentrationsstörungen und die Arbeit läuft dann auch nicht<br />
mehr so richtig. Aber daran möchte ich auch arbeiten.<br />
Wie wirst du therapiert?<br />
Ganz früher bin ich noch mit Videx, diesen ekelhaften<br />
Schaumtabletten, behandelt worden. Da hat man dann eine<br />
Viertelstunde darauf rumgekaut und es war sehr eklig. Dann<br />
habe ich auch eine Menge anderer Medikamente gekriegt, wobei<br />
die Behandlung wegen Resistenzbildung immer wieder geändert<br />
wurde. Außerdem war ich immer ein schwieriger Patient, weil<br />
ich verdrängt habe und mich nicht an die Dosierung oder<br />
Einnahme hielt. Dementsprechend ging es mit mir dann<br />
gesundheitlich abwärts. Seit letztem Jahr August kriege ich<br />
Kaletra (Handelsname von Lopinavir, einem Protease-Inhibitor)<br />
und Trizivir (Kombipräparat aus dem ältesten AIDS-Medikament<br />
AZT, dem Cytidin-Analogon 3TC und dem Guanosin-Analogon<br />
Abacavir). Seitdem habe ich auch keine Viruslast mehr und ein<br />
sehr gutes Immunsystem. Ich gehe da auch ganz anders ran. Ich<br />
nehme die Medikamente regelmäßig und achte mehr auf meinen<br />
Körper.<br />
Wenn die Psyche nicht funktioniert, dann kann man auch sehr<br />
krank werden. Man muss schon eine gesunde Einstellung haben<br />
und sich nicht ständig nur mit den bedrückenden Tatsachen<br />
auseinandersetzen.<br />
Wie ist die Krankheit verlaufen?<br />
Nun ja, es zeigten sich ständig Durchfälle, Fieberattacken,<br />
Lymphknotenschwellungen überall. Dann habe ich noch zwei<br />
Lungenentzündungen gehabt, eine Bronchitis, eine Gürtelrose<br />
– kaum war man vom einen gesundet, war schon das nächste da.<br />
Je nach Therapieerfolg schwankend.<br />
Wie war das dann, als du dann angefangen hast, die Therapie ernst zu<br />
nehmen?<br />
Es wurde besser. Ich habe gemerkt, dass es trotz der<br />
Nebenwirkungen erheblich besser wurde. Und das gab dann<br />
auch wieder den Trieb, das kontinuierlich zu machen. Man fängt<br />
dann auch an, sich gesund zu ernähren und gibt mehr Acht auf<br />
seinen Körper.<br />
Ich merke so richtig, dass es mir jedes Mal einen Aufschub gibt,<br />
wenn ich vom Arzt höre, die Viruslast sei unter der<br />
Nachweisgrenze.<br />
Würdest du sagen, heute frei von Beschwerden zu sein?<br />
Also ich bin jetzt nicht 100%-ig frei von Beschwerden. Ich habe<br />
immer noch Nachtschweiß, immer wieder Lymphschwellungen,<br />
morgendliche Übelkeit – aber dann lässt sich nie feststellen, ob<br />
es nun Nebenwirkungen sind oder das Virus. Das lässt sich aber<br />
alles aushalten. Ich leb damit.<br />
Verfolgst du auch die aktuelle Forschung?<br />
Ich bin schon daran interessiert, aber ich bin nicht jemand, der<br />
jeden Artikel liest oder jede Sendung schaut, im Internet nachhakt<br />
und quasi jede Etappe verfolgt. Ich würde dann auch irgendwie<br />
verrückt merken, weil ich dann wieder gedanklich zu sehr da<br />
drin wäre und zu sehr an die Krankheit erinnert würde.
Was hast du gedacht, als in den Nachrichten<br />
von der Impfstoffstudie in Hamburg<br />
berichtet wurde?<br />
Ja, schon wieder ein Impfstoff!?<br />
[lacht] Ja, das ist meine Meinung. Es<br />
gibt in Amerika mittlerweile<br />
Medikamente und Therapieformen,<br />
die wenig belastend sind, aber erst spät<br />
nach Europa kommen, weil ewig viel<br />
Zeit vergeht, ehe die klinischen Studien<br />
durch sind. Daher interessiert mich das<br />
fast schon gar nicht mehr. Solange es<br />
nicht druckreif ist und man sagen<br />
kann, es gibt da was Neues, was direkt<br />
verwendet werden kann, bleibe ich<br />
skeptisch und eher auf Abstand.<br />
Kennst du eigentlich das Projekt „Mit<br />
Sicherheit verliebt“?<br />
Ja, das kenne ich. Das finde ich gut,<br />
sehr gut. Das sollte viel mehr betrieben<br />
werden. Ich finde auch, dass solche<br />
Sachen auch als eine Art Workshop<br />
an jeder Schule stattfinden sollten.<br />
Oder auch an der Schule eine<br />
bestimmte Unterrichtsstunde<br />
einrichten, wo bestimmte Themen zur<br />
Sprache kommen: was die<br />
Jugendlichen belastet, was die<br />
Jugendlichen betrifft, was auf die<br />
Jugendlichen zukommt – was einfach<br />
die Themen des Lebens sind.<br />
Könntest du dir vorstellen, da auch mal<br />
mitzumachen?<br />
Ja. In der Münchner AIDS-Hilfe wird<br />
auch ein ähnliches Projekt angedacht,<br />
in dem man an Schulen geht und sie<br />
mit der Realität konfrontiert. Auf dem<br />
Schulhof prahlen die Schüler gerne,<br />
mit wie vielen Leuten sie schon<br />
geschlafen hätten. Aber sie leugnen<br />
oder kennen nicht einmal die Tatsachen im Hintergrund. Da<br />
muss was getan werden.<br />
Wenn man fragt: „Benutzt ihr Kondome?“ Dann hört man meist<br />
die Antwort: „Nö, brauchen wir nicht, die Frau nimmt die Pille.“<br />
Wenn man dann darüber redet, dass man sich dabei auch<br />
anstecken kann, hört man: „Die wird schon kein AIDS haben,<br />
das würde ich ja sehen.“ Aber dabei ignorieren die ja, was es<br />
sonst noch alles gibt. Es gibt Hepatitis, Syphilis, Gonorrhoe –<br />
hach!<br />
Wenn man heutzutage so was einem Jugendlichen erzählt, die<br />
stellen einen dann erstmal für blöd ab, aber wenn sie in der<br />
Situation wären, würden sie ganz anders drüber denken. Das ist<br />
eigentlich auch, was ich vermitteln möchte, dass es mal so weit<br />
kommen kann. Diese Leichtsinnigkeit, das Leben auf die leichte<br />
Schulter nehmen.<br />
Viele sind da auch so planlos und leben auch schon auf der<br />
Straße. Nehmen alles locker und sehen den Ernst des Lebens<br />
nicht wirklich. Mit dem Alkohol fängt es oft an – und das ist den<br />
wenigsten bewusst.<br />
Ist es vielleicht nicht zu „hart“, Schüler so zu konfrontieren?<br />
Überhaupt nicht. Es kann in meinen Augen heutzutage nicht<br />
hart genug sein. Auch bei Drogen gehört die Konfrontation dazu:<br />
Was bringt es, einem Jugendlichen zwei Diplom-Sozialpädagogen<br />
von der Drogenberatung vorbeizuschicken, die in ihrem Leben<br />
wahrscheinlich nicht einmal einen Joint in der Hand gehabt<br />
haben? Die reden da was über Drogen, Drogenfreuden und wie<br />
man da reinkommt und darin abstürzt, aber eigentlich keine<br />
wirkliche Ahnung haben. Ich finde, das kommt von einem AIDS-<br />
User ganz anders rüber. Der sagt dann, Drogen seien auf eine<br />
Art und Weise geil, aber zeigt auf der anderen Seite, was da<br />
passieren kann. Wenn ein Junkie wüsste, was er in zehn Jahren<br />
für Schäden davontragen kann, dann würde er das nicht mehr<br />
machen. Man kann sich sein Leben damit wirklich kaputt<br />
machen. Die Droge verändert auch die Persönlichkeit. Man<br />
verändert sich sehr. Und ich finde, das kann ein Sozialpädagoge,<br />
der da noch nie drin war, nicht so rüberbringen. Ob nun AIDS<br />
oder Drogen oder sonst was, am besten kann es immer der<br />
Betroffene rüberbringen.<br />
Würde es die Wirkung nicht mildern, wenn die Schüler dann merken,<br />
dass du „die Kurve gekriegt“ hast und ganz gut damit leben kannst?<br />
Nein. Kann ich mir nicht vorstellen. Wenn ich jetzt zurückdenke<br />
und mir vorstelle, wie es gewesen wäre, wenn ich als 16-Jähriger<br />
einen 28-Jährigen vor mir hätte, der mir von seinem Leben erzählt,<br />
dann würde mich das zum Nachdenken bringen. „Will ich so<br />
werden wie der? Will ich auch so abstürzen? Bin ich bereit die<br />
Konsequenzen zu tragen?“ Meine Antwort: Nein.<br />
Ich kann mir immer noch meine Kicks holen – nur sind es heute<br />
andere, natürliche Kicks. Ich kann zum Beispiel stundenlang<br />
laufen, was mir nicht nur gut tut, sondern auch irgendwo einen<br />
ganz eigenen berauschenden Reiz hat. Es ist mein Leben. Es<br />
gehört weder den Drogen noch dem Virus.<br />
21<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
HIV-Therapie<br />
Sylvère Störmann<br />
HIV, HI-Virus<br />
engl.: human immunodeficiency virus<br />
Retroviren vom Typ C; verursachen die HIV-Infektion u. deren Vollbild AIDS; seit 1986 international gültige Bez.<br />
Roche Lexikon, 4. Auflage (http://www.gesundheit.de/roche)<br />
22<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Ganz allgemein bestehen Viren aus Nukleinsäure und einer<br />
Proteinkapsel. Da sie keine Enzyme zur Energieerzeugung oder<br />
Proteinbiosynthese haben, sind sie auf Wirtszellen angewiesen,<br />
die sie dazu missbrauchen, ihr Genom und sich selbst zu<br />
vervielfältigen. Die Art des Genoms bestimmt maßgeblich, wie<br />
Viren klassifiziert werden. Das HI-Virus gehört zur Virusfamilie<br />
der Retroviren, genauer zum Genus der Lentiviren (vom Lat.<br />
lentus = langsam)<br />
Schätzungsweise 40 Millionen Menschen sind mit HIV infiziert,<br />
davon alleine 25 Millionen in Südafrika. Seit seiner Entdeckung<br />
im Jahre 1981 wurde viel über den Virus herausgefunden; heute<br />
ist es „das am besten<br />
erforschte Virus“<br />
Mit einem Durchmesser<br />
von 100 nm gehört es zu<br />
den Viren mittlerer<br />
Größe. Seine Hülle besteht<br />
aus einer Phospholipid-<br />
Doppelschicht, die einst<br />
beim Ausschleusen des<br />
Virus aus der Wirtszelle<br />
„mitgenommen“ wurde. Er<br />
besteht aus den<br />
Glykoproteinen gp120<br />
(mit<br />
einem<br />
Molekulargewicht von<br />
120 Da) und gp41. Das<br />
Genom besteht aus zwei<br />
Kopien einzelsträngiger<br />
RNA-Moleküle (diploides<br />
Genom)<br />
Über das gp120 bindet der<br />
HI-Virus an die<br />
aminoterminale Domäne<br />
des CD4-Rezeptorproteins (über zusätzliche Interaktion mit<br />
Chemokinrezeptoren entweder dockt der Virus an T-<br />
Lymphocyten oder Makrophagen), während er mit gp41 die<br />
Fusion der Hülle mit der Wirtszellenmembran einleitet. Ist das<br />
Capsid erst in der Wirtszelle angelangt, wird die virale RNA<br />
freigesetzt (uncoating) und mit dem vom Virus mitgebrachten<br />
Enzym Reverse Transcriptase zu einem doppelsträngigen DNA-<br />
Strang umgeschrieben. Mittels der viralen Integrase wird diese<br />
DNA an willkürliche Stellen in das Genom der Wirtszelle<br />
integriert (Provirus). Diese DNA produziert dann tatkräftig<br />
durch die viralen Proteine tat (transactivator of transcription)<br />
und rev (regulator of expression of virion proteins) unterstützt<br />
Virus-RNA, Capsid-Proteine und Membranproteine, die<br />
anschließend <strong>neu</strong>e Viren hergeben (Knospung). Von den <strong>neu</strong>n<br />
Genen des Virus sind drei Strukturgene (pol – „Polymerase“,<br />
env – envelope = „Hülle“, gag – gruppenspezifisches Antigen),<br />
die übrigen sechs Gene codieren für regulierende Proteine. Nach<br />
der Abschnürung des Virus von der Wirtszelle wird das dritte<br />
Virusenzym aktiv: die Protease. Sie baut den Virus vollständig<br />
zusammen – meist fehlerhaft, aber oft genug richtig. Die Folgen<br />
einer Virus-Infektion sind zunächst eine heftige Immunantwort,<br />
woraufhin eine lange Latenzphase beginnt. Nach einigen Jahren<br />
dann bricht AIDS aus und die Zahl der HI-Viren steigt analog<br />
zum Abfall der CD4-Zellen. Das Immunsystem wird stark<br />
geschwächt, der Patient stirbt an opportunistischen Infektionen<br />
Mittlerweile hat man Mittel und Wege gefunden, die HIV-<br />
Infektion relativ gut zu kontrollieren. Mit einer sogenannten<br />
Dreifachkombination wird dem HI-Virus entgegengewirkt. Die<br />
drei Enzyme, die der Virus mitbringt, sind dabei primäre<br />
Angriffspunkte, da sie in<br />
humanen Zellen nicht<br />
vorkommen<br />
Blockt man sie ab, kann<br />
die Vermehrung des HI-<br />
Virus gestoppt werden.<br />
Seit 1987 existiert das<br />
Nukleosidanalogon<br />
Azidothymidin (AZT), die<br />
die Reverse Transcriptase<br />
inhibiert, indem sie die<br />
DNAKettensynthese<br />
abbricht. Wegen der<br />
Nebenwirkungen wurden<br />
auch noch Nicht-<br />
Nukleosidale-<br />
RTInhibitoren (NNRTI)<br />
entwickelt<br />
Mehr Erfolg versprechen<br />
allerdings Protease-<br />
Inhibitoren, die durch<br />
Bindung im aktiven<br />
Zentrum des Enzyms zu<br />
dessen Hemmung führen. Als erstes Medikament dieser Gruppe<br />
ist Saquinavir im Dezember 1995 in den U.S.A. zugelassen<br />
worden. Allerdings zeigen diese Medikamente, wie etwa Ritonavir<br />
und Indinavir (sprich: Protease-Inihibitoren), bei zahlreichen<br />
Medikamenten Wechselwirkungen<br />
Monotherapien haben sich als recht wirkungslos erwiesen,<br />
weswegen Kombinationstherapien den richtigen Weg zu weisen<br />
scheinen<br />
Ein Heilmittel gibt es nach wie vor nicht, da der Virus eine hohe<br />
Variabilität besitzt, was die Herstellung und Findung von<br />
Gegenmitteln erschwert. Daran sind die Reverse Transcriptase<br />
und die RNA-Polymerase II schuld: beide arbeiten nicht sehr<br />
präzise und sind für die hohe ‚Mutationsrate’ des Virus<br />
verantwortlich
Lehramt <strong>Medizin</strong> und Sexualkunde<br />
Annelie Opelt<br />
Ist Sexualität ein Tabuthema? Natürlich! Im Freundeskreis<br />
vielleicht nicht, gut. Über diese Grenzen hinaus geht aber die<br />
eigene Intimsphäre nicht, schließlich geht das niemanden etwas<br />
an. Warum also darüber reden? In den wenigsten Familien<br />
werden Fragen an die eigenen Kinder oder umgekehrt, an die<br />
eigenen Eltern gerichtet. Das Gespräch in der Familie ist den<br />
meisten peinlich, egal ob von der einen oder der anderen Seite.<br />
Über den Trend in Deutschland mag man wenig sagen, allerdings<br />
ist auffällig, dass sich erschreckend wenig potenziell sexuell aktive<br />
Jugendliche sich mit Verhütung auseinandersetzen. „Eine<br />
Schwangerschaft ist unwahrscheinlich, die tritt schon gewollt<br />
schwer ein. Und Aids kommt unter offenbar 25 nicht vor.“ Die<br />
Gedankengänge sind so vielfältig wie irrgeleitet. Es besteht ein<br />
enormer Aufklärungsbedarf unter deutschen Jugendlichen, der<br />
weder durch das Elternhaus noch durch die Schule (und ihrem<br />
Bildungsauftrag) gedeckt wird.<br />
Erschreckend fanden das vor vielen Jahren schon Studenten in<br />
den nordischen Ländern Europas wie Norwegen und Schweden.<br />
Sie machten es sich zur Aufgabe, dieser Entwicklung in ihrem<br />
eigenen Land effektiv entgegen zu wirken und suchten selbst<br />
das Gespräch mit den Schülern. Die Idee fiel kürzlich auch in<br />
Deutschland, Österreich und der Schweiz auf fruchtbaren<br />
Boden. Was dabei herauskam ist das Projekt „Mit Sicherheit<br />
Verliebt“. <strong>Medizin</strong>studenten stellen sich an Schulen den Fragen,<br />
über deren Antwort sich manche von ihnen sogar bisher selbst<br />
im Unklaren waren.<br />
So oft es möglich ist, werden an den interessierten Schulen<br />
Projektstunden für Schüler eingerichtet, in denen Studenten in<br />
Abwesenheit des Lehrers intensiv Aufklärung leisten und Fragen<br />
beantworten. Streng vertraulich, selbstverständlich! Das Motto<br />
des Ganzen lautet „Jung unterrichtet Jung“. Dadurch wird die<br />
Hemmschwelle herabgesetzt über vielleicht auch peinliche<br />
Themen offen zu reden. Die Studenten sehen sich dabei nicht in<br />
einer Lehrerfunktion, Frontalunterricht wird vermieden.<br />
Vielmehr wird auf eine entspannte Atmosphäre in kleinen<br />
Arbeitsgruppen geachtet, in denen, Jungen und Mädchen<br />
getrennt, auf verschiedene Schwerpunkte eingegangen wird.<br />
Nun ist das ja sicher nicht so einfach. Muss ich denn nun einem<br />
14 jährigen erzählen, wie er seine Freundin am effektivsten zum<br />
Orgasmus bringt? Und wie fange ich an: „Hallo, ich bin der Max<br />
und erzähle Euch heute etwas zum Thema Sexualität… Fragen?“<br />
Es ergeben sich einige Schwierigkeiten, nicht nur beim Thema<br />
Kommunikation. Hat man auf alle Fragen eine Antwort, nehmen<br />
einen die Kids dann überhaupt ernst oder haben die teilweise<br />
mehr Erfahrung als man selbst?<br />
Das verlangt nach einer Schulung – und die gibt es in Form von<br />
verschiedenen Workshops, durchgeführt von Ärzten,<br />
Sexualtherapeuten, Psychologen und wer immer sich auch<br />
auskennt. Immerhin scheinen diese die Qualität des Projekts<br />
überaus positiv zu beeinflussen, immerhin werden die<br />
Ortsgruppen durch Initiativen und Verbände wie Pro Familia<br />
und der AIDS-Hilfe unterstützt.<br />
In München gibt es „Mit Sicherheit verliebt“ seit fast 2 Jahren,<br />
wir haben regelmäßig Veranstaltungen in Schulen und<br />
Jugendgruppen. Wer Interesse hat, mitzumachen, kann jederzeit<br />
vorbeikommen oder sich per Mail melden.<br />
nächster Workshop<br />
25. - 27. Juni 2004<br />
Infos bei:<br />
rebecca@sicher-verliebt.de<br />
www.sicher-verliebt.de<br />
23<br />
Diese zwei Personen sind Mit Sicherheit nicht ineinander verliebt...<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Der Weg hierher... und noch vor mir<br />
Mohit Singla & Dilraj Grewal<br />
24<br />
Dies ist die Geschichte vom AIDS-Impfstoff als er sich das letzte<br />
Mal zum Tee mit den Göttern traf. Während sie also durch den<br />
himmlischen Garten strollten, sahen sie sich umgeben von einer<br />
Menge Frauen und ihren auch himmlischen Reizen. Doch dann<br />
kam ein UNAIDS-Repräsentant vorbei und drückte ihnen ein<br />
Kondom in die Hand. „Einen AIDS-Impfstoff gibt es nicht; der<br />
ist immer noch in der Erprobung“, sagte er und ging. Dies ist die<br />
Wahrheit mit der nicht nur Menschen und auch Affen (Stichwort:<br />
SIV) leben, sondern auch die Götter sich abfinden müssen.<br />
Traurig blickte der Impfstoff drein und erzählte von seiner<br />
Geschichte, von dem Weg hierher… und noch vor ihm.<br />
Rückblick<br />
Die erste AIDS-Epidemie wurde vor bereits über 20 Jahren,<br />
genauer 1981, in den U.S.A. beobachtet. Der Verursacher des<br />
Immunschwäche-Syndroms selbst wurde erst 1983 entdeckt und<br />
später HIV benannt.. 1987 schon wurden erste klinische<br />
Impfstoffstudien durchgeführt und seither wurden über 40<br />
verschiedene Impfstoffe untersucht. Bisher hat nur eines davon<br />
die Phase III bei klinischen Pharma-Studien erreicht: AIDSVAX.<br />
Warum ein Impfstoff notwendig ist<br />
Wie das alte Sprichwort schon sagt, ist Vorsicht besser denn<br />
Nachsicht. Oder auf den Klinikalltag übertragen: Vorsorge ist<br />
besser denn Behandlung.- Einen Impfstoff zu entwickeln und<br />
verteilen ist außerdem wesentlich günstiger als anti-retrovirale<br />
Medikamente. Darüber hinaus hat ein Impfstoff eine wesentlich<br />
größere Zielgruppe. Bedenkt man auch, dass gewisse Gruppen<br />
sich leichtsinnig Risiken aussetzen, gibt es keinen Weg am<br />
Impfstoff vorbei. Dadurch würden letztlich auch diejenigen<br />
geschützt, die diesem Risiko [mehr oder weniger] unfreiwillig<br />
ausgesetzt werden.<br />
Ist es wirklich möglich?<br />
Eine einzelne Krankheit wird es nicht vermögen, die gesamte<br />
menschliche Rasse auszulöschen. Man weiß auch von einigen<br />
Frauen, die es geschafft haben, den Virus zu zähmen. So tragen<br />
sie ihn in sich, ohne erkrankt zu sein. Deren Gene können<br />
verwendet werden, um die Prozesse bei der Immunantwort<br />
besser verstehen zu lernen. Forscher entwickeln und testen<br />
Stoffe, die Killer- und andere Immunzellen stimulieren sollen,<br />
wovon man die Wirkung der immunen Frauen vermutet.<br />
Motivationsstifter<br />
Bereits in der Vergangenheit konnten Impfungen ohne genaueres<br />
Wissen der Immunantwort erzeugt werden (siehe Keuchhusten).<br />
Auch ohne ideales Tiermodell konnten verschiedene Impfungen<br />
entwickelt werden (Masern, Mumps, Röteln, sprich MMR). Das<br />
Affenmodell (SIV) hat immerhin wertvolle Informationen über<br />
HIV geliefert.<br />
Ferner können Impfungen kombiniert werden (MMR), was bei<br />
der komplexen Immunantwort des HI-Virus sehr wichtig sein<br />
könnte. Den verschiedenen Übertragungswegen von HIV kann<br />
man sicherlich ebenfalls begegnen, so wie schon beim Hepatitis-<br />
B-Impfstoff. Genausowenig sollte die langsame Entfaltung des<br />
Virus entmutigen. Auch „rückwirkende“ Impfstoffe sind bereits<br />
Realität. So können Masern auch Jahre nach der Infektion noch<br />
bezwungen werden.<br />
Die Probleme<br />
Wie bereits angesprochen, existiert kein ideales Tiermodell, um<br />
die Forschung der Immunantwort voranzubringen. Denn die<br />
komplexen Sachverhalte bei der Übertragung und<br />
Funktionsweise müssen verstanden werden, um eine sichere und<br />
effektive Impfung zu schaffen. Die hohe Mutationsrate und die<br />
vielen Subtypen zusammen mit der oft Jahre währenden<br />
Inkubationszeit des Virus erschweren die Erforschung<br />
erheblich.<br />
Sollte eines Tages tatsächlich ein Impfstoff entwickelt sein, werden<br />
weitere Probleme und Fragestellungen auftreten. Wird es ethisch<br />
vertretbar sein, Frauen impfen zu lassen? Und wird es auch für<br />
arme Leute, vor allem in Entwicklungsländern, erschwinglich<br />
sein oder nur medizinische Versorgung bei wohlhabenden<br />
Menschen ermöglichen?
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Phase-I-Studien<br />
Wird ein Impfstoff entwickelt, so gelangt er eventuell in eine<br />
Phase-I-Studie, wenn er reif genug ist (nach erfolgreichen Tests<br />
am Tiermodell). Darin wird an einem kleinen Kollektiv von 10 -<br />
30 gesunden, erwachsenen Probanden, die nicht zur<br />
Erkrankungsrisikogruppe gehören, der Impfstoff erprobt. Diese<br />
Phase dient der Evaluation der Anwendungsmöglichkeit und<br />
dauert etwa 8 - 12 Monate.<br />
Phase-II-Studien<br />
Hier wird an einem größeren Kollektiv – einer Mischung aus<br />
Niedrig- und Hochrisikoprobanden – die Sicherheit wie auch<br />
die Dosierung eines Impfstoffs erprobt. Allerdings liefert eine<br />
solche Studie keine Aussage über die Effektivität eines solchen<br />
Stoffes. Die Dauer einer Phase-II-Studie beträgt etwa 18 - 24<br />
Monate.<br />
Phase-III-Studien<br />
In dieser Phase wird getestet, ob der entwickelte Impfstoff die<br />
beabsichtigte Wirkung zeigt und wie effektiv diese ist. Das<br />
Kollektiv besteht aus Tausenden freiwilliger Probanden, die zur<br />
Hochrisikogruppe gehören. Bei HIV würde man also eien<br />
Untersuchungsgruppe impfen und das Auftreten von HIV in<br />
dieser Gruppe der einer Kontrollgruppe (Plazebogabe)<br />
gegenüber stellen. Ein signifikanter Unterschied könnte als<br />
Hinweis für die Effektivität gedeutet werden und würde einen<br />
Zulassungsantrag nach sich ziehen. Eine solche Studie läuft<br />
mindestens drei Jahre.<br />
AIDS-Impfstoffe basteln<br />
Verschiedene Elemente des HI-Virus können benutzt werden,<br />
um eine antigene Wirkung zu erzeugen. Entnimmt man dem<br />
Virus DANN oder Gene, kann man damit vom Immunsystem<br />
Antikörper bilden lassen. Diese Immunantwort kann man dann<br />
auch im Labor „vervielfältigen“: das Antigen wird isoliert und<br />
gezüchtet. Die so erzeugten Antigene sind dann zwar nicht das<br />
Virus selbst, führen aber zur Bildung vo0n Antikörpern, die das<br />
Virus erkennen können.<br />
Man weiß mittlerweile auch recht gut, welche Gene das Virus<br />
für welche Proteine kodieren und wo diese vwerwendet werden<br />
(z.B. das gag-Gen kodiert für p24, das den inneren Kern bildet;<br />
env kodiert für gp120, das die Außenoberfläche bestückt).<br />
AIDSVAX wird also mittlerweile in zwei Phase-II-Studien<br />
ge4testet. Eine Studie seit 1998 in den U.S.A., Kanada und den<br />
Niederlanden, eine weitere Studie seit 1999 in Thailand. Bisher<br />
wurden zwei Effektivitätsdurchläufe gestartet, bei denen der<br />
Impfansatz beim gp120 liegt. Die Studie zeigte allerdings keine<br />
signifikante Reduzierung von HIV-Infektionen im<br />
Studienkollektiv. Trotzdem konnte man in bestimmten<br />
Untergruppen innerhalb dieses Kollektivs signifikante<br />
Unterschiede feststellen. Die Schutzwirkung, so der Hersteller<br />
Vaxgen, schien mit dem höheren Spiegel impfinduzierter<br />
<strong>neu</strong>tralisierender Antikörper zu korrelieren.<br />
Ein dritter Testdurchlauf mit einem Kanarienpocken-HIV-<br />
Vektor (ein anderer Ansatz, der aber auch auf gp120 zielt)<br />
startete vor Kurzem in Thailand an einem Kollektiv<br />
heterosexueller Probanden. Weitere interessante Ansätze<br />
werden ebenfalls am Menschen erprobt. Dabei erscheinen<br />
rekombinante Adenoviren einen sehr viel versprechenden<br />
Ansatz zu liefern, wie erste Ergebnisse aus Phase-I-Studien<br />
vermuten lassen.<br />
Das Letzte<br />
Einen großen Rückschlag erfuhren die Forscher als erste<br />
Ergebnisse aus dem Hauptdurchlauf in Thailand zeigten, dass<br />
der Impfstoff nicht wirkt, wie der Hersteller bekannt gab.<br />
Doch die Forschung geht weiter. Weltweit wird weiter angestrengt<br />
nach einem erfolgreichen Impfstoff gesucht. Aber bis diese Suche<br />
von Erfolg gekrönt ist, können noch viele Jahre vergehen. Bis<br />
dahin heißt es, weiter Kondome zu benutzen.<br />
Mohit Singla ist Präsident der<br />
Indian Medical Students’<br />
Organization (IMSO). Er ist Intern<br />
(1. Jahr nach dem Studium) am<br />
Christian Medical College in<br />
Ludhiana, Indien.<br />
Dilraj Grewal ist Student am Armed Forces Medical<br />
College in Pune, Indien, im 9. Semester.<br />
25
MeCuM „underground“<br />
Sylvère Störmann<br />
Das MeCuM ist da und schon jetzt studieren knapp 1.<strong>50</strong>0 Studenten danach. Das bedeutet in erster Linie viel<br />
organisatorischer Aufwand. Aber wie funktioniert MeCuM eigentlich? Was muss getan werden, damit der Unterricht<br />
für diese Studenten organisiert werden kann? Und warum sind jetzt manche Dinge, so wie sie sind? Es gibt viele<br />
Fragen und noch mehr Unklarheiten oder gar Missverständnisse. Grund genug, dem einmal nachzugehen und<br />
Fragen zu klären, die derzeit durch die betroffenen Semester geistern – MeCuM underground.<br />
So ein mehr oder weniger gut geschmierter Fakultäts-Betrieb ist<br />
eine schöne Sache. Am Anfang gibt es die Erstsemester-<br />
Einführung und man erfährt von erfahrenen höhersemestrigen<br />
Kommilitonen, wie man sich zurechtfindet. Mit der Zeit findet<br />
man sich dann auch immer besser zurecht, weiß wo welche<br />
Informationen zu finden sind - und im Zweifel fragt man eben<br />
wieder einen höhersemestrigen Studenten. Schließlich ist alles<br />
irgendwie Routine, für Leitung, Professoren und eben auch<br />
Studenten gleichermaßen.<br />
Wenn dann aber plötzlich eine <strong>neu</strong>e Approbationsordnung eine<br />
<strong>neu</strong>e Studienordnung nach sich zieht und plötzlich vieles anders<br />
werden soll, wird es schwierig. Die Leitung ist dann gefordert<br />
und muss zusehen, dass Stundenpläne entworfen, abgeglichen,<br />
mit Instituten abgesprochen, mit Raummöglichkeiten koordiniert<br />
und auf Sonderfälle abgestimmt werden. Die Dozenten ihrerseits<br />
müssen sich auf die geänderten Modalitäten einstellen und<br />
gegebenenfalls auch ihre Lerninhalte überarbeiten. Und dann<br />
steht man als Student da, überwältigt von einem <strong>neu</strong>en System,<br />
und möchte doch eigentlich nur in Ruhe weiterstudieren.<br />
Wie fängt man an?<br />
Im Januar 2003 fand eine Sitzung mit allen Beteiligten der <strong>neu</strong>en<br />
Studienordnung statt und man setzte sich daran, die Umsetzung<br />
des taufrischen Konzepts zu beginnen. Die Approbationsordnung<br />
hat dabei sehr klare Vorgaben, was die zulässige Gruppengröße<br />
Who‘s who im MeCuM?<br />
who<br />
Dekan<br />
Prof. Klaus Peter<br />
(Direktor Anästhesiologie, GH)<br />
26<br />
Studiendekan<br />
Prof. Bernd Sutor<br />
Bernd.Sutor@med.uni-muenchen.de<br />
(Neurophysiologie, Innenstadt)<br />
bearbeitet Anfragen aus dem Ministerium bzw. von<br />
anderen Universitäten und kümmert sich um<br />
Übergangsregelungs-Härtefälle<br />
Leitung der Abteilung Studium und Lehre<br />
Karen Sansom Karen.Sansom@med.uni-muenchen.de Å 5160 - 8916<br />
(ehemals Harvard-Büro; seit April 2004 im MeCuM)<br />
koordiniert die Organisationsarbeit im MeCuM<br />
MeCuM-Management<br />
Jarmila Musialová Jarmila.Musialova@med.uni-muenchen.de Å 5160 - 8915<br />
ist mit der Organisation betraut (Wahlfach, Fragen<br />
der Studierenden zur Organisation, ...)<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
MeCuM-Büro<br />
Ildiko Néder Ildiko.Neder@med.uni-muenchen.de Å 5160 - 8911<br />
Alexander Otto Alexander.Otto@med.uni-muenchen.de Å 5160 - 8912<br />
primäre Ansprechpartner für studentische Anfragen
in verschiedenen Unterrichtsformen angeht. Allen voran stellte<br />
eine für Studenten erfreuliche Änderung der Projektgruppe große<br />
Probleme: 476 Stunden Unterricht am Patienten (§2, Abs. 3, Satz<br />
11 ÄAppO) bei Gruppengrößen von maximal drei bzw. sechs<br />
Studenten (3 beim Direktunterricht, 6 bei Demonstrationen am<br />
Krankenbett durch einen Arzt). Im Vergleich dazu stand der<br />
bisherige Unterricht am Patientenbett im klinischen<br />
Studienabschnitt, der quantitativ gar nicht bestimmt war (es<br />
handelte sich aber um 70 bis 80 Stunden). Schwierig wurde es<br />
vor allem deshalb, weil man dabei nicht auf einzelne Klinik<br />
zurückgreifen kann, da keine Klinik ausreichende<br />
Lehrkapazitäten hat, um allen Studenten die erforderliche<br />
Stundenzahl am Krankenbett zu ermöglichen. Es müssen also<br />
mehrere Kliniken eingebunden werden, um das zu<br />
bewerkstelligen. Da die Organisation solcher Kurse bisher<br />
Aufgabe der jeweiligen Kliniken selbst war, wurde beschlossen,<br />
die Organisation nun zentral über das Dekanat laufen zu lassen.<br />
Denn so kann die Einteilung in Kurse koordiniert werden.<br />
Schließlich muss ja auch noch auf die Überschneidungsfreiheit<br />
geachtet werden. Jeder Student ist in seine verschiedenen kleinen<br />
Unterrichtsveranstaltungen eingeteilt, wodurch viele zeitliche<br />
Abhängigkeiten entstehen. Nur durch die zentrale Verwaltung<br />
kann dabei der Überblick bewahrt werden und eine<br />
überschneidungsfreie Einteilung gewährleistet werden.<br />
Internet<br />
nützliche Texte:<br />
http://www.mecum-online.de/pdf/studienordnung_medizin_011203.pdf<br />
Studienordnung (besonders wichtig: die Anhänge!)<br />
am besten durchlesen und zum Nachschlagen ausdrucken<br />
http://www.mecum-online.de/pdf/<strong>neu</strong>e_appo.pdf<br />
Neue Ärztliche Approbationsordnung<br />
http://recht.verwaltung.uni-muenchen.de/satzung/gro/gro-rr.htm<br />
Grundordnung der Universität München<br />
Aufgaben des Studiendekan laut §21:<br />
Gesamtverantwortung für die Aufgaben „Lehre und Studium“<br />
Aufgabe ist es auf folgendes hinzuwirken:<br />
s Lehrangebot entspricht Studien- und Prüfungsordnung<br />
(er hat aber keine Kompetenzen dies einzufordern)<br />
s Einhaltung der Regelstudienzeit<br />
s angemessene Betreuung der Studenten<br />
s Fachstudienberatung<br />
s Durchführung und Auswertung von Lehr-Evaluationen<br />
Erste Probleme<br />
Damit aber nun Studenten in ihre Kurse eingeteilt werden<br />
konnten, brauchte das Dekanat viele Daten. Zum Einen waren<br />
das Studentendaten (Welche Studenten studieren überhaupt?)<br />
und zum Anderen benötigte man auch Dozentendaten (Wer hat<br />
überhaupt einen Lehrauftrag an unserer Fakultät?). Schließlich<br />
musste man ja wissen, welche Studenten in welche<br />
Unterrichtsveranstaltungen eingeteilt werden sollten, und wer<br />
diese halten würde. Obwohl man meinen sollte, dass diese Daten<br />
vorlägen, fing genau da der organisatorische Stress an.<br />
Studentendaten<br />
Welche Studenten an der Fakultät immatrikuliert sind und in<br />
welchem Semester, weiß nur die Universität. Sie hortet die Daten.<br />
Jedes Semester werden kurz vor Beginn des selbigen die Daten<br />
übermittelt, woraufhin sich bisher die Institute an ihre Einteilung<br />
machten. Wegen der teilweise sehr knappen Rückmeldungen,<br />
findet das meist unmittelbar vor Beginn der Vorlesungszeit statt.<br />
Das liegt vor allem auch daran, dass Ergebnisse über das Bestehen<br />
oder nicht einer Staatsprüfung vom IMPP zum LPA gehen. Die<br />
Uni-Leitung muss dann dementsprechend die Studentendaten<br />
aktualisieren und gibt das dann an die Fakultät weiter. Ein Problem<br />
stellte sich aber dann auch als plötzlich das Dekanat größtenteils<br />
fehlerhafte Studentendaten bekam, wo über 100-jährige<br />
Studenten auftauchten und manch ein Student plötzlich in einem<br />
ganz anderen Semester eingeteilt war. Das Problem wird auch<br />
weiterhin bestehen, gerade auch in der Übergangszeit, denn wenn<br />
auch nur ein Student etwa das 1. Staatsexamen schreibt, muss die<br />
Uni-Leitung mit der Übermittlung der Daten warten bis sie weiß,<br />
ob der Student bestanden hat oder nicht. Selbst dann, wenn das<br />
keine Auswirkung auf seinen Stundenplan hat. Und so müssen<br />
dann alle warten. Das ist zwar sehr ärgerlich und für Studenten<br />
wie auch Fakultät frustrierend, aber auch schon wieder nicht<br />
sonderlich verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Bürokratie<br />
seltsame Blüten treiben kann (Physikums-Anmeldung? Nicht<br />
ohne Geburtsurkunde und Abi-Zeugnis).<br />
Dozentendaten<br />
So irrsinnig das auch klingen mag, liegen dem Dekanat nur Daten<br />
über die Dozenten der Vorklinik vor (also welcher Dozent wie<br />
viel Unterricht zu leisten hat). Die Daten für die Kliniken liegen<br />
auch nur diesen vor. Die Herausgabe der Daten sollte durch das<br />
MIT (Dienstleistungeinrichtung für <strong>Medizin</strong>isch-Administrative<br />
Informationstechnologie, früher OIT, geändert September 2003)<br />
erfolgen. Auch hier begann ein wirres Spiel um ein allzu<br />
bürokratisches Procedere, bei dem Datenschutzbeauftragte,<br />
Betriebsleiter und allerlei Gremien involviert sind. Trauriger Stand<br />
der Dinge ist, dass das Dekanat noch immer nicht weiß, welche<br />
Dozenten in den Kliniken welches Lehrdeputat haben.<br />
Und nun?<br />
Man hat die Studenten eingeteilt und Rücksprache mit den<br />
Instituten und Lehrstühlen gehalten, um die ordnungsgemäße<br />
Durchführung der Einteilung zu bewerkstelligen. Dabei gab es<br />
für die Vorklinik und die einzelnen Module je einen Sprecher, der<br />
sich um diese Koordinationsaufgaben kümmerte. Dabei benannte<br />
jedes Institut und jede Klinik einen Ansprechpartner, der<br />
zusammen mit dem zuständigen Sprecher arbeiten sollte, um die<br />
Organisation der Kurse auf die Beine zu stellen (vor allem<br />
inhaltlich, aber auch bezüglich der Mobilisierung von<br />
Kapazitäten). Die Sprecher wiederum hielten das Dekanat auf<br />
dem Laufenden. In dieser hierarchischen Gliederung wurde es<br />
möglich, trotz fehlender Daten die Einteilung doch noch zu<br />
vollziehen.<br />
Es ist unter solchen Umständen schwierig, so eine aufwändige<br />
Einteilung reibungslos durchzuführen. Daher kam es vor allem<br />
in den ersten Wochen zu Problemen und Bemängelungen der<br />
Studenten.<br />
Warum stimmt die Einteilung im MyMeCuM nicht?<br />
„Zuständig für die Organisation, die Durchführung des<br />
Anmeldeverfahrens und die Einteilung der Studenten in die<br />
scheinpflichtigen Lehrveranstaltungen des Ersten und des Zweiten<br />
Studienabschnittes sowie die Beratung hierüber ist das<br />
Studiendekanat der <strong>Medizin</strong>ischen Fakultät der Ludwig-<br />
Maximilians-Universität München.“ So sagt der §10 der<br />
Studienordnung (Fassung vom 01.12.2003). Und diese ist<br />
bindend. Wenn es also Diskrepanzen zwischen der Einteilung<br />
online und der „tatsächlichen“ Einteilung gibt, so liegt es entweder<br />
an den Instituten, die von der Einteilung abweichen, oder an<br />
§43-Härtefall-Studenten, die noch in Kurse untergebracht<br />
27<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
werden, wodurch sich Verschiebungen in der Einteilung der<br />
anderen Studenten ergeben können.<br />
Warum ist mein Kurs/Seminar/… ausgefallen?<br />
Die Abhaltung der Unterrichtsveranstaltungen ist nicht Aufgabe<br />
des Dekanats, sondern die des Lehrstuhls. Fällt allerdings etwas<br />
aus, so kann man es dem Dekanat melden (z.B. per Mail).<br />
Daraufhin wird dem nachgegangen.<br />
Ich möchte tauschen.<br />
Prinzipiell möchte das Dekanat den Studenten die Möglichkeit<br />
zum Tausch anbieten. Dieses Semester hat man diese Möglichkeit<br />
jedoch eingeschränkt aufgrund der vielen Probleme, die es bei<br />
der Einteilung gab, und der nicht absehbaren Probleme, die ein<br />
Tausch nach sich ziehen könnte. Bevor man also<br />
Tauschmöglichkeiten bewilligt, möchte man, dass erstmal alles<br />
richtig läuft. Fürs nächste Semester ist die Möglichkeit zum Tausch<br />
eingeplant.<br />
Warum sind alle Klausuren am Ende des Semesters statt nach den jeweiligen<br />
Blocks?<br />
Nach der <strong>neu</strong>en ÄAppO werden teilweise einige<br />
fächerübergreifende Scheine gefordert, die auch<br />
fächerübergreifende Prüfungen am Abschluss des Semesters<br />
erforderlich machen, wobei dies von den Modulsprechern mit<br />
den Ordinarien koordiniert wird. Der andere Punkt ist aber, dass<br />
die Klausurtermine von den Lehrstühlen selbst bestimmt werden.<br />
Wenn eine Klausur zum Ende eines Blockes angeboten wird, der<br />
mehrfach stattfindet, bedeutet das auch einen deutlichen<br />
Mehraufwand für den Lehrstuhl. Ob dieser Aufwand betrieben<br />
wird oder nicht, ist Entscheidung des Lehrstuhls selbst.<br />
Wer ist eigentlich für die Lerninhalte zuständig?<br />
Studien- und Approbationsordnung definieren den Rahmen der<br />
Fächer und deren Unterrichtsformen, die im Studium bewältigt<br />
werden müssen. Die Inhalte selbst werden von den Lehrstühlen<br />
festgelegt. Ihnen obliegt die Verantwortung, den Unterricht zu<br />
halten. Das MeCuM-Büro kümmert sich um Einteilung,<br />
Stundenplanung und Koordination, nicht aber, was gelehrt wird.<br />
Warum muss ich jetzt so viel lernen?<br />
Da die Inhalte vom Dekanat nicht vorgegeben werden können,<br />
erlaubt die Lehrfreiheit der Dozenten es ihnen auch, die Studenten<br />
zu fordern, wie es ihnen angemessen erscheint. Probleme gibt es<br />
dabei besonders, wenn beteiligte Institute sich nicht absprechen<br />
und ihre Lerninhalte aufeinander abstimmen, so dass es dazu<br />
kommen kann, dass die Studenten teilweise überfordert werden.<br />
Eine bessere Absprechung wäre wünschenswert, kann aber nicht<br />
gefordert werden.<br />
Wie werden die Lehrpraxen/Stationen zugewiesen?<br />
Sowohl die Lehrpraxen als auch die Stationen werden zufällig<br />
auf die Studenten aufgeteilt. Bei der Auswahl der Lehrpraxen<br />
selbst hat man sich daran gehalten, nur solche Praxen zu<br />
akquirieren, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln (vor allem U-<br />
Bahn) vernünftig erreichbar sind. Lehrpraxen von weiter<br />
außerhalb werden nicht für die ambu-Kurse verwendet, sondern<br />
nur für das Wahlfach und den PJ.<br />
Allerdings soll es Gerüchten zufolge auch Studenten geben, die<br />
in Lehrpraxen eingeteilt wurden, auf die das nicht zutrifft<br />
(„Augsburg“). Das muss nicht sein. Da wir dazu aber keine<br />
gesicherten Informationen haben, konnten wir dem nicht<br />
nachgehen. Daher bitten wir die Betroffenen sich bei uns zu<br />
melden, damit wir uns darum kümmern können:<br />
infos@fachschaft-medizin.de.<br />
Übrigens: von den insgesamt 2<strong>50</strong> Lehrpraxen, die benötigt<br />
werden, gibt es immerhin schon 1<strong>50</strong>. Die Praxen erhalten für den<br />
Lehrauftrag auch kein Geld, sondern den Titel „Lehrpraxis der<br />
LMU München“, Zugriff zu den Journals, die die Fakultät<br />
abonniert hat, und Qualifizierungspunkte.<br />
28<br />
Neues Buch – gutes Buch?<br />
HEINZ HAAGE<br />
<strong>Medizin</strong>isches Ausbildungsrecht<br />
Das <strong>neu</strong>e <strong>Medizin</strong>studium<br />
mit Bundesärzteordnung und Approbationsordnung<br />
Erstauflage 2003<br />
320 Seiten<br />
Shaker Verlag (www.shaker.de)<br />
ISBN: 3-8322-1161-6<br />
EUR 45,80<br />
Warum die Approbationsordnung so ist, wie sie ist...<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Die <strong>neu</strong>e Approbationsordnung hat vieles verändert. Und oft fragt<br />
man sich als Student, was man sich wohl dabei gedacht hat. Das<br />
Buch „Das <strong>neu</strong>e <strong>Medizin</strong>studium“ von Heinz Haage -im<br />
Bundesministerium für <strong>Gesundheit</strong> tätig und Mitverfasser der<br />
Approbationsordnung- erläutert Schritt für Schritt und sehr<br />
umfassend, was es mit den einzelnen Paragrafen auf sich hat.<br />
Trotz des juristischen Backgrounds liest sich der Text recht flüssig<br />
und bringt ob der vielleicht drögen Materie etwas Spannung mit<br />
sich. Schließlich kann man bei der Lektüre so manche Debatte und<br />
Diskussion herauslesen, die bei der Erstellung des <strong>neu</strong>en<br />
Gesetzestextes angefallen ist; und letztlich auch ihren Verlauf. Gerade<br />
Alle Rezensionen online:<br />
www.fachschaft-medizin.de/rezensionen<br />
dadurch bietet das Buch unschätzbares Hintergrundwissen, das eine<br />
sachlich fundierte Diskussion [erst] ermöglicht. Wie oft ärgert man<br />
sich schließlich über gewisse Paragrafen, ohne sie wirklich zu<br />
verstehen - und schon gar nicht, welche Daseinsberechtigung sie<br />
haben.<br />
Aber das Buch ist auch keine Verteigungsschrift. Es liefert einfach<br />
Fakten und hält sich in Bewertungen zurück.<br />
Wer also gerne mitreden möchte oder sich einfach nur mehr<br />
Information zur <strong>neu</strong>en Approbationsordnung wünscht, wird mit dem<br />
Buch bestens bedient.<br />
Sylvère Störmann
Wieso kriege ich keine Antwort, wenn ich dem Dekanat/MeCuM-Büro maile?<br />
Es gab eine Zeit, da war etwas faul und Mails kamen tatsächlich<br />
nicht an; das wurde aber behoben. Es werden aber alle Mails<br />
gelesen (Anm. d. Autors: Eine Mail mit dem Betreff „MeCuM-<br />
Underground“ jedoch wurde wegen des Titels noch vor dem Lesen<br />
gelöscht) und es geht auch keine Mail verloren (Anm. d. Autors:<br />
Die Mail wurde dann doch noch gelesen). Damit Studenten aber<br />
unbesorgt sein können ob des Erhalts ihrer Mail, ist von der<br />
<strong>Fachschaft</strong> angeregt worden, eine allgemeine Antwort im Sinne<br />
einer nicht automatisch erzeugten Empfangsbestätigung zu<br />
schicken (denn diese geben nicht das Gefühl, dass die Mail zur<br />
Kenntnis genommen wurde). Einmal in der Woche gibt es auch<br />
einen Mail-Beantworte-Tag, an dem Prof. Sutor und Frau<br />
Musialová alle Mails lesen und ggf. beantworten.<br />
Warum stehen meine Prüfungsergebnisse nicht im MyMeCuM?<br />
Zurzeit ist die datenschutzrechtliche Implikation noch nicht<br />
überprüft. Und wie alle solche Entscheidungen geht es nicht ohne<br />
den Segen eines Datenschutzbeauftragten, immerhin handelt es<br />
sich um sensible Informationen, die später auch mal auf dem<br />
Ärztlichen Zeugnis stehen. Es ist aber für die Zukunft angedacht<br />
(siehe unten).<br />
Wo werden die MeCuM-Scheine abgeholt?<br />
Im Dekanat, denn dadurch erhalten die Studenten nicht nur eine<br />
Ausgabestelle, die sie kennen, statt in vielen verschiedenen<br />
Instituten suchen zu müssen, sondern es bleibt auch die einzig<br />
vernünftige Möglichkeit, fächerübergreifende Scheine zu<br />
vergeben, da hier das Dekanat die Aufgabe übernimmt, die<br />
Teilleistungen, die an einzelnen Instituten erbracht wurden, zum<br />
fächerübergreifenden Schein zu koordinieren.<br />
Was ist mit den Harvard-Kursen passiert?<br />
Das Harvard-Projekt läuft nun aus, es wurde aber in die <strong>neu</strong>e<br />
Studienordnung inkorporiert. Tutorien, die ein fester Bestandteil<br />
des MeCuM sind, stellen die einzige Lehrveranstaltung in der<br />
<strong>neu</strong>en Studienordnung dar, die nicht von der<br />
Neues Buch – gutes Buch?<br />
Approbationsordnung so gefordert wird. Sie sind ein Bonus, der<br />
als Überrest der Harvard-Kurse in die <strong>neu</strong>e Studienordnung<br />
eingeflossen ist. Eine Übersicht der fest angesetzten Tutorien findet<br />
sich in den Anhängen der Studienordnung; es steht aber den<br />
Lehrstühlen frei, Tutorien mit in ihrem Unterricht zu integrieren<br />
(so tat es etwa der Lehrstuhl Anatomie I).<br />
Wird das Studium jetzt so bleiben wie es ist?<br />
Im Großen und Ganzen schon. Dennoch sind im „Testlauf“ einige<br />
Probleme und Schwierigkeiten aufgefallen, die man durch leichte<br />
Umstrukturierungen in Zukunft vermeiden möchte. Dies trifft<br />
vor allem auf die Vorklinik zu, wo mittlerweile die MeCuM-<br />
Studenten schon ihr zweites Studienhalbjahr bestreiten. So gibt<br />
es jetzt schon Ideen und Pläne, die Anatomie zu entzerren und<br />
anders als jetzt umgesetzt im Stundenplan zu verankern. Solche<br />
„Lernerfahrungen“ seitens der Organisation wird es auch in<br />
anderen Bereichen geben und sich mit der Zeit eine <strong>neu</strong>e Routine<br />
einpendeln. Wenn die Studenten auch mithelfen (z.B. über<br />
Evaluationen und sonstigem Feedback), dann wird eines Tages<br />
das MeCuM-Studium auch wirklich gut.<br />
Was bringt die MeCuM-online-Zukunft?<br />
Es hängt zunächst davon ab, wie viel Geld das Ministerium<br />
bewilligt, welche Erweiterungen noch finanziert werden können.<br />
Es gibt zahlreiche Pläne für die Erweiterung des Online-Angebots,<br />
allen voran die Möglichkeit zum Platztausch und der Online-<br />
Stellung von Prüfungsergebnissen. Aber dazu müssen noch<br />
zahlreiche Eingriffe an der Datenbank und auch an den Scripten<br />
vorgenommen werden, was wiederum Geld kostet<br />
(Programmierer sind nicht billig). Neben verbesserten<br />
Übersichtsplänen für den MyMeCuM-Bereich möchte man aber<br />
auch gerne Lernmaterialien online stellen. Das reicht von<br />
Vorlesungsfolien über Seminarinhalte, hin zu Fällen und Skripten.<br />
Schlichtweg alles, was dem Studenten im Studium begegnet soll<br />
er auch downloaden können. Ferner sollen alle Netzaktivitäten<br />
der Universität (Online-Fälle und dergleichen) gebündelt werden<br />
auf MeCuM online, damit Studenten eine zentrale Anlaufstelle<br />
auch im Internet haben, über die sie alles erreichen. Das sind<br />
große, utopisch anmutende Ideen, doch wenn es möglich sein<br />
sollte, wird man sich daran machen; vorausgesetzt die Dozenten<br />
spielen mit…<br />
29<br />
FRITZ BESKE<br />
Kieler Synopse<br />
Reformen im <strong>Gesundheit</strong>swesen<br />
Aktuelle Vorschläge aus Politik,<br />
Wissenschaft und Gesellschaft<br />
Reformkonzepte im <strong>Gesundheit</strong>ssystem für Hartgesottene<br />
Erstauflage 2002<br />
220 Seiten<br />
Deutscher Ärzte-Verlag<br />
(www.aerzteverlag.de)<br />
ISBN: 3-7691-3167-3<br />
EUR 44,95<br />
Prof. Fritz Beske, Direktor des Instituts für <strong>Gesundheit</strong>s-System-<br />
Forschung (Kiel), gehört zu den Koryphäen in punkto Analyse des<br />
<strong>Gesundheit</strong>swesen. Als unabhängiger Beobachter kennt er nur zu<br />
gut die Geschehnisse um das <strong>Gesundheit</strong>ssystem in Deutschland. Da<br />
in den letzten Jahren eben dieses heiß diskutiert wurde, fasst er in<br />
seinem <strong>neu</strong>en Buch zusammen.<br />
Doch die Lektüre gestaltet sich äußerst schwierig. Da Reformkonzepte<br />
von zahlreichen Parteien, Organisationen, Versicherungen und<br />
derweiteren vorgestellt werden, findet man im Buch nur<br />
stichpunktartige Zusammenfassungen, die eine bessere Kenntnis der<br />
Alle Rezensionen online:<br />
www.fachschaft-medizin.de/rezensionen<br />
Materie voraussetzen. So hilft das Buch vielleicht dem versierten<br />
Kenner einen besseren Überblick zu gewinnen, doch für den<br />
Durchschnittsstudenten bleibt es eher uninteressant. Zumal auf<br />
Reformen in der Ausbildung im <strong>Gesundheit</strong>swesen nicht eingegangen<br />
wird.<br />
Das Buch kann allen empfohlen werden, die gerne etwas mehr<br />
Hintergrundwissen suchen und sich mit aktuellen Reformvorschlägen<br />
befassen möchten. Wer derzeit noch damit beschäftigt ist, erstmal<br />
sein Studium zu schaffen, wird an diesem Buch keine Freude finden.<br />
Sylvère Störmann<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
Das PJ-Programm der LMU München<br />
Bernd Sutor<br />
Nach zehn Semestern <strong>Medizin</strong>studium kommt das Praktische Jahr (PJ). Damit endet die Zeit des „Hörsaalbank-<br />
Drückens“ und die Tore zur Welt des Klinikalltags öffnen sich. Mit Beginn des PJs ist das Ende des Studiums und<br />
damit auch die Approbation nicht mehr weit. Auch wenn man im PJ die ganze Zeit auf Station verbringt, so ist<br />
man doch immer noch Student. Und wo es Studenten gibt, sind auch Lehraufträge nicht weit. Die Studenten des<br />
vergangenen Harvard-PJ-Programms haben sich zu einer Projektgruppe zusammen geschlossen, um in Zusammenarbeit<br />
mit dem Dekanat ein Programm für das Praktische Jahr zu entwickeln, in dem klinischer Alltag und Lehre näher<br />
beschrieben werden. Es ist nicht nur ein Leitfaden für die Lehrenden, sondern insbesondere auch ein Anhaltspunkt<br />
für die Studenten, was sie im PJ erwartet und worauf sie auch ein Recht haben.<br />
Wochenplan<br />
Ein Wochenplan strukturiert die Arbeitszeit der Studierenden<br />
und gibt den Verantwortlichen der Stationen Planungssicherheit.<br />
Im Wochenplan soll festgelegt werden, zu welchen Zeiten die<br />
Studierenden zur Stationsarbeit anwesend sind, wann die<br />
Seminare und sonstigen Fortbildungsveranstaltungen statt finden<br />
und wann den Studierenden Zeit für das Eigenstudium gegeben<br />
wird. Ein Standard-Wochenplan könnte wie folgt aussehen:<br />
Orientierungstag<br />
Zu Beginn eines Tertials sollte ein Orientierungstag statt finden.<br />
Die Studierenden sollen während dieses Tages mit den allgemeinen<br />
und klinikspezifischen Gegebenheiten vertraut gemacht werden.<br />
Zudem sollte man die Erwartungen verdeutlichen, die während<br />
des kommenden Tertials an die Studenten gestellt werden. Zudem<br />
sollen die Studierenden ihren Ansprechspartner kennen lernen.<br />
Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag<br />
Studentenvisite<br />
Morgenbesprechung<br />
30<br />
Blutentnahme<br />
Stationsarbeit<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Seminar,<br />
Praxiskurs, etc.<br />
Kurvenvisite<br />
Studentenvisite<br />
Stationsarbeit<br />
Seminar,<br />
Praxiskurs, etc. Stationsarbeit Eigenstudium
Stationsarbeit<br />
Das Hauptelement der Stationsarbeit während eines Tertials ist<br />
die kontinuierliche tägliche Betreuung eines oder mehrer<br />
Patienten durch einen Studenten.<br />
Der Stationsarzt wählt einen <strong>neu</strong>en Patienten der Station aus<br />
und übergibt diesen zunächst an den Studenten.<br />
Der Student<br />
Notfall- und Akutversorgung<br />
Sofern die Voraussetzungen und Möglichkeiten in der jeweiligen<br />
Lehreinrichtung gegeben sind, sollten die Studierenden im<br />
Rahmen der Ausbildungsabschnitte Innere <strong>Medizin</strong>, Chirurgie<br />
und Wahlfach während 4 zusammenhängender Wochen in der<br />
Krankenhaus-Notaufnahme („Nothilfe“) ausgebildet werden, um<br />
fachspezifische und fächerübergreifende Notfallsituationen sicher<br />
zu erkennen und zu therapieren. Diese Maßgabe entfällt im<br />
Wahlfach Allgemeinmedizin.<br />
s<br />
s<br />
s<br />
s<br />
s<br />
erhebt eine vollständige Anamnese,<br />
führt eine komplette körperliche Untersuchung durch,<br />
dokumentiert schriftlich die hierbei gewonnenen<br />
Informationen,<br />
dokumentiert schriftlich eigene differentialdiagnostische<br />
Überlegungen,<br />
und stellt anschließend den Patienten dem Stationsarzt vor.<br />
Fortbildungsveranstaltungen und<br />
Seminarunterricht<br />
In den Lehreinrichtungen sollten nachfolgende Unterrichts- und<br />
Fortbildungsveranstaltungen im entsprechenden Umfang<br />
stattfinden:<br />
Im weiteren Verlauf<br />
s<br />
s<br />
s<br />
besucht der Student „seinen“ Patienten an jedem Morgen<br />
vor Beginn des Routine-betriebes auf Station<br />
(Studentenvisite). Der Studierende soll sich über das<br />
ak¬tuelle Befinden und die Ereignisse der Nacht informieren.<br />
Dieser Besuch beinhaltet auch eine fokussierte körperliche<br />
Untersuchung. Ein weiterer Besuch erfolgt am Abend;<br />
stellt der Student den Patienten bei der Visite vor. Der<br />
Studierende soll, soweit mög¬lich, für Oberärzte,<br />
Konsiliarärzte, Pflegekräfte und andere Assistenzberufe der<br />
pri¬märe Ansprechpartner sein;<br />
ist der Student für die vollständige und ordnungsgemäße<br />
Dokumentation des Verlau¬fes der stationären Behandlung<br />
mitverantwortlich (inkl. Laborbefunde, Pharmakothe¬rapie,<br />
andere Therapieformen, etc.);<br />
Lehrvisiten<br />
1x pro Woche<br />
Röntgen-Besprechung<br />
1x pro Woche<br />
s<br />
s<br />
s<br />
soll der Studierende in Entscheidungen bezüglich Diagnostik<br />
und Therapie eng einge¬bunden werden, wobei er<br />
angehalten ist, jeweils eigene Vorschläge zu machen.<br />
soll der Student, falls „sein“ Patient einer Operation<br />
unterzogen werden muß, bei die¬ser zumindest als<br />
Beobachter anwesend sein. Zudem soll der Student in die<br />
präopera¬tive Vorbereitung (inkl. Prämedikation), die<br />
postoperative Versorgung und in die Er¬stellung des OP-<br />
Berichtes eingebunden werden;<br />
soll der Studierende bei Entlassung des Patienten den<br />
Entwurf eines „Arztbriefes“ für den weiterbehandelnden<br />
Arzt erstellen und diesen mit dem Stationsarzt besprechen.<br />
Seminare<br />
Eigenstudium<br />
90 min pro Woche<br />
90 min pro Woche<br />
31<br />
Die Anzahl der auf diese Weise von einem Studenten betreuten<br />
Patienten ist natürlich vom Ausbildungsstand des Studierenden<br />
abhängig. Der Stationsarzt muss entscheiden, wieviele Patienten<br />
durch einen bestimmten Patienten betreut werden können.<br />
Sektionen<br />
Weitere Tätigkeiten auf Station<br />
Prinzipiell sollten den Studierenden während der Zeit, die für die<br />
Stationsarbeit vorgesehen ist, möglichst viele ärztliche Tätigkeiten<br />
demonstriert werden. Zudem sollten sie die Möglichkeit erhalten,<br />
diese Tätigkeiten praktisch zu erlernen und unter Aufsicht selbst<br />
durchzuführen, auch wenn diese Tätigkeiten nicht im<br />
Zusammenhang mit dem von Studenten betreuten Patienten<br />
stehen.<br />
In Kliniken und Krankenhäusern ist<br />
die Teilnahme an Sektionen und<br />
klinisch-pathologischen Konferenzen<br />
vorzusehen.<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
Während der Seminare erfolgt eine systematische Darstellung<br />
fachrelevanter Themen. In Lehrkrankenhäusern mit geringer<br />
Anzahl an Studierenden können die Seminare für die<br />
Studierenden aller Fachgebiete gemeinsam abgehalten werden.<br />
In ärztlichen Praxen und Einrichtungen der ambulanten ärztlichen<br />
Krankenversorgung werden keine Seminare angeboten. Die<br />
Studierenden sollen hier die Möglichkeit erhalten, Seminare an<br />
den Universitätskliniken oder in einem Lehrkrankenhaus der<br />
LMU besuchen zu können.<br />
Universitätskliniken und Lehrkrankenhäuser ermöglichen allen<br />
Studierenden des Praktischen Jahres die Nutzung der<br />
Fachbibliothek sowie des Internets. Das Eigentstudium soll Fallorientiert<br />
sein und dem Studierenden ermöglichen, das<br />
Krankheitsbild des von ihm täglich mitbetreuten Patienten<br />
systematisch zu erfassen. Studierende in ärztlichen Praxen und<br />
Einrichtungen der ambulanten ärztlichen Krankenversorgung<br />
erhalten die Möglichkeit, die Bibliotheken der Universitätskliniken<br />
oder der Lehrkrankenhäuser zu nutzen.<br />
Logbuch<br />
Jeder Studierende ist verpflichtet, während des Praktischen Jahres<br />
ein Logbuch zu führen. In dieses werden – anonymisiert –<br />
Anamnese und Befund der körperlichen Eingangsuntersuchung<br />
des von Studenten betreuten Patienten eingetragen. Über die<br />
morgendliche Kurzvisite bzw. über weitere Praxisbesuche sowie<br />
über die weitere Entwicklung des Patienten sollen Notizen verfasst<br />
werden (bei stationären Patienten täglich), die subjektives<br />
Befinden des Patienten, objektiv erhobene Befunde (z.B. „Labor“),<br />
eventuell Operationsberichte, eine Wertung all dessen und das<br />
geplante weitere Vorgehen beinhalten sollen. Das Logbuch kann<br />
als Leistungskriterium herangezogen werden.<br />
Zudem sollen die Studierenden dazu angehalten werden, aktuelle<br />
Fachliteratur, die im Bezug zu der Erkrankung des mitbetreuten<br />
Patienten steht, zu lesen und kurz darüber zu referieren.<br />
32<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Hintergrund - Die ÄAppO<br />
Hintergrund<br />
§3 Praktisches Jahr<br />
(1) Das Praktische Jahr nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 findet im letzten<br />
Jahr des <strong>Medizin</strong>studiums statt. Die Studierenden können das<br />
Praktische Jahr erst beginnen, wenn sie die Voraussetzungen nach<br />
§ 27 erfüllt haben. Es beginnt jeweils in der zweiten Hälfte der<br />
Monate April und Oktober. Die Ausbildung gliedert sich in<br />
Ausbildungsabschnitte von je 16 Wochen<br />
1. in Innerer <strong>Medizin</strong>,<br />
2. in Chirurgie und<br />
3. in der Allgemeinmedizin oder in einem der übrigen, nicht in<br />
den Nummern 1 und 2 genannten, klinischpraktischen<br />
Fachgebiete.<br />
(2) Die Ausbildung nach Absatz 1 wird in den Krankenhäusern der<br />
Universität oder in anderen von der Universität im Einvernehmen<br />
mit der nach Landesrecht zuständigen Stelle bestimmten<br />
Krankenhäusern oder, soweit es sich um das Wahlfach<br />
Allgemeinmedizin handelt, aufgrund einer Vereinbarung, in<br />
geeigneten allgemeinmedizinischen Praxen, ohne die zeitliche<br />
Begrenzung nach Satz 2, durchgeführt. Die Universitäten können<br />
je Ausbildungsabschnitt in die Ausbildung, aufgrund einer<br />
Vereinbarung, geeignete ärztliche Praxen und andere geeignete<br />
Einrichtungen der ambulanten ärztlichen Krankenversorgung in<br />
der Regel für die Dauer von höchstens acht Wochen einbeziehen.<br />
(3) Auf die Ausbildung nach Absatz 1 werden Fehlzeiten bis zu<br />
insgesamt 20 Ausbildungstagen angerechnet. Bei einer darüber<br />
hinausgehenden Unterbrechung aus wichtigem Grund sind bereits<br />
abgeleistete Teile des Praktischen Jahres anzurechnen, soweit sie<br />
nicht länger als zwei Jahre zurückliegen.<br />
(4) Während der Ausbildung nach Absatz 1, in deren Mittelpunkt<br />
die Ausbildung am Patienten steht, sollen die Studierenden die<br />
während des vorhergehenden Studiums erworbenen ärztlichen<br />
Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vertiefen und erweitern.<br />
Sie sollen lernen, sie auf den einzelnen Krankheitsfall anzuwenden.<br />
Zu diesem Zweck sollen sie entsprechend ihrem Ausbildungsstand<br />
unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden<br />
Arztes ihnen zugewiesene ärztliche Verrichtungen durchführen.<br />
Sie sollen in der Regel ganztägig an allen Wochenarbeitstagen im<br />
Krankenhaus anwesend sein. Zur Ausbildung gehört die Teilnahme<br />
der Studierenden an klinischen Konferenzen, einschließlich der<br />
pharmakotherapeutischen und klinisch-pathologischen<br />
Besprechungen. Um eine ordnungsgemäße Ausbildung zu sichern,<br />
soll die Zahl der Studierenden zu der Zahl der zur Verfügung<br />
stehenden Krankenbetten mit unterrichtsgeeigneten Patienten in<br />
einem angemessenen Verhältnis stehen. Die Studierenden dürfen<br />
nicht zu Tätigkeiten herangezogen werden, die ihre Ausbildung<br />
nicht fördern.<br />
(5) Die regelmäßige und ordnungsgemäße Teilnahme an der Ausbildung<br />
nach Absatz 1 ist bei der Meldung zum Zweiten Abschnitt der<br />
Ärztlichen Prüfung durch Bescheinigungen nach dem Muster der<br />
Anlage 4 zu dieser Verordnung nachzuweisen.<br />
(6) Wird in der Bescheinigung eine regelmäßige oder ordnungsgemäße<br />
Ableistung des Praktischen Jahres (Absatz 5) nicht bestätigt, so<br />
entscheidet die zuständige Stelle des Landes, ob der<br />
Ausbildungsabschnitt ganz oder teilweise zu wiederholen ist.<br />
§4 Durchführung des Praktischen Jahres<br />
in außeruniversitären Einrichtungen<br />
(1) Sofern das Praktische Jahr nach § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs.<br />
2 Satz 1 in Krankenhäusern, die nicht Krankenhäuser der Universität<br />
sind, durchgeführt wird, muss in der Abteilung, in der die Ausbildung<br />
erfolgen soll, eine ausreichende Anzahl von Ärzten sowohl für die<br />
ärztliche Versorgung als auch für die Ausbildungsaufgaben zur<br />
Verfügung stehen. Ferner müssen regelmäßige<br />
pathologisch-anatomische Demonstrationen durch einen Facharzt<br />
für Pathologie und klinische Konferenzen gewährleistet sein. Zur<br />
Ausbildung auf den Fachgebieten der Inneren <strong>Medizin</strong> und der<br />
Chirurgie sind nur Abteilungen oder Einheiten geeignet, die über<br />
mindestens 60 Behandlungsplätze mit unterrichtsgeeigneten Patienten<br />
verfügen. Auf diesen Abteilungen muss außerdem eine konsiliarische<br />
Betreuung durch nicht vertretene Fachärzte, insbesondere für<br />
Augenheilkunde, für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, für Neurologie<br />
und für diagnostische Radiologie oder Strahlentherapie sichergestellt<br />
sein.<br />
(2) Die Durchführung der praktischen Ausbildung setzt außerdem voraus,<br />
dass dem Krankenhaus den Ausbildungsanforderungen entsprechende<br />
Einrichtungen zur Verfügung stehen; insbesondere eine leistungsfähige<br />
Röntgenabteilung, ein leistungsfähiges medizinisches Laboratorium,<br />
eine medizinische Bibliothek, ein Sektionsraum und ausreichende<br />
Räumlichkeiten für Aufenthalt und Unterrichtung der Studierenden.<br />
(3) Für die Durchführung der praktischen Ausbildung in ärztlichen Praxen<br />
und anderen Einrichtungen der ambulanten ärztlichen<br />
Krankenversorgung nach § 3 Abs. 2 legen die Universitäten die<br />
Anforderungen im Einvernehmen mit der nach Landesrecht<br />
zuständigen Stelle fest.<br />
Eine kommentierte Übersicht im Vergleich zur alten ÄAppO findet man unter folgendem URL:<br />
http://www.approbationsordnung.de/AO/kommentare.html#3
Versuchsreihe MeCuM<br />
Sebastian Schmid<br />
"Was, ihr habt schon im ersten Semester Präpkurs?" fragt mich<br />
ein Zweitsemester. "Ja, wir haben doch eine <strong>neu</strong>e Studienordnung,<br />
das Mecum und so..." - "Und? Wie ist das so?"<br />
Gute Frage. Wir Erstsemester sind die Versuchskaninchen der<br />
<strong>neu</strong>en Approbationsordnung, die mit einigen alten Gewohnheiten<br />
aufräumt. Auf der reformierten Approbationsordnung (abgekürzt<br />
ÄAppO oder einfach nur AO) basiert hier in München das MeCuM<br />
(<strong>Medizin</strong>isches Curriculum München), das geschaffen wurde, um<br />
uns angehende Ärzte praxisnäher und problemorientiert zu<br />
unterrichten. Dabei sollen auch -natürlich- die ethischen und<br />
sozialen Kompetenzen ausgebildet werden. Sofern so etwas<br />
überhaupt geht. Zugleich wurde das Studienjahr eingeführt, so<br />
dass zum Wintersemester etwa 7<strong>50</strong> Leute auf einmal mit ihrem<br />
Studium der Humanmedizin anfingen. Das ist die<br />
"Versuchsanordnung" und wir sind die Versuchsobjekte. Nun<br />
dürfen wir einige süße und einige bittere Pillen schlucken, auf<br />
dass wir später einmal nicht die berühmten und berüchtigten,<br />
engstirnigen Fachidioten werden.<br />
Der erste "Versuch" und das wahrscheinlich auffälligste Merkmal<br />
des MeCuM ist der Blockunterricht: Das erste Semester bestand<br />
fast ausschließlich aus Anatomie (von kleinen Ausnahmen<br />
abgesehen). Der Tag begann mit funktioneller Morphologie, es<br />
folgte einmal die Woche der Histokurs samt Vorlesung, danach<br />
präpkursbegleitende Vorlesung und schließlich auch der Präpkurs<br />
selbst. So hallte "Ursprung! Ansatz! Innervation!" bis in die Träume<br />
hinein nach. Die Überlegung dahinter ist einfach zu verstehen:<br />
Wer sich den ganzen Tag mit ein und derselben Sache beschäftigt,<br />
wird zwangsläufig oder eher hoffentlich einen Grundstock an<br />
Wissen erwerben. Dass Kurs und Vorlesung parallel zueinander<br />
abliefen, sollte ein zusätzlicher Anreiz sein, die Vorlesungen zu<br />
besuchen, denn, wie unser hoch verehrter Prof. Putz gerne sagt,<br />
gilt: "Man sieht nur, was man weiß!" Das Konzept ging auch auf,<br />
der Anatomiesaal war immer gut gefüllt.<br />
Aufgrund der vielen Studenten reichte aber ein Vorlesungssaal<br />
nicht aus. Daher wurden die Vorlesungen meist im Anatomischen<br />
Hörsaal gehalten und konnten per Videoübertragung auch im<br />
Pharma-Hörsaal miterlebt werden. Allerdings gehörte dies zu den<br />
misslungenen Versuchen dieses Reformstudiums. Mal fehlte der<br />
Ton, mal das Bild, mal beides, oder die Folien der Vortragenden<br />
konnten nur dunkel und ohne Kontraste übertragen werden. Bei<br />
komplexeren Schaubildern konnte kein Mensch mehr als die<br />
Überschriften entziffern und so erübrigte sich das Thema<br />
"Vorlesung per Videoübertragung" recht schnell. Es gab zwar<br />
Esis, die weiterhin gerne in den Pharmasaal gingen, allerdings<br />
vermutlich mehr aus Gründen des Socialising. Man kann dort<br />
sehr gemütlich frühstücken und plaudern…<br />
Wenn man von den technischen Mängeln zu den Segnungen des<br />
MeCuM übergeht, dann sticht einem der Longitudinalkurs ins<br />
Auge, einer Ringvorlesung, die den Blick von Muskeln und<br />
Knochen in höhere Sphären lenken soll. Im ersten Semester<br />
wurden dem Arztberuf in weitesten Sinn assoziierte Themen<br />
angesprochen, beispielsweise Ethik und Philosophie in der <strong>Medizin</strong><br />
oder gar Molekularbiologie. Die Vortragenden kommen aus ihren<br />
jeweiligen Fachgebieten, die Vorträge sind oft interessant und<br />
eine kleine, aber konstante Zuhörerschaft (etwa 90 Leute) lauschte<br />
im vergangenen Semester mehr oder weniger gebannt. Ganz harte<br />
Kommilitonen schrieben sogar noch bei "<strong>Medizin</strong> und Religion"<br />
mit. Später sollen im Rahmen des L-Kurses Anamnesetechniken<br />
erlernt werden und erste Kontakte mit der Klinik geknüpft werden,<br />
um die strikte Trennung von Klinik und Vorklinik etwas<br />
abzumildern.<br />
Trotz der vielen und teilweise auch berechtigten Kritik, die am<br />
MeCuM geübt wird, hat man in den meisten Fällen den<br />
angenehmen Eindruck, dass der Unterricht etwas mit dem<br />
Arztberuf zu tun hat und nicht reiner Selbstzweck ist. Hin und<br />
wieder gab es zur Abrundung des Ganzen klinische Showeinlagen,<br />
nach dem Motto "Wozu muss ich das Wissen?" Da wurde dann<br />
erläutert, in welchem klinischen Zusammenhang gerade Gelerntes<br />
steht.<br />
Trotzdem herrschte bei manchen Themen und Vortragenden<br />
gähnende Lehre im Vorlesungssaal. Der hoffnungsvoll<br />
ausharrende Esi fragte sich dann, wie er ohne vorheriges<br />
Biostudium auch nur ein einziges Wort verstehen sollte und<br />
schickte Stoßgebete gen Himmel, auf dass die dargestellten Inhalte<br />
bloß nicht im nächsten Testat drankomme.<br />
Die bitterste Pille des <strong>neu</strong>en Studiums gemäß AO bleibt jedoch<br />
die Verlängerung des Pflegepraktikums. Statt der bisherigen zwei<br />
darf mittlerweile der <strong>Medizin</strong>student von heute gleich drei Monate<br />
im Krankenhaus tätig werden, als billige Aushilfskraft. Da jeweils<br />
mindestens ein Monat am Stück abgeleistet werden muss,<br />
bedeutet das noch weniger Semesterferien und noch mehr<br />
Planungsstress. Denn irgendwie muss man ja das Pflegepraktikum<br />
zwischen die anderen Praktika gequetscht bekommen. Es bleibt<br />
dabei fraglich, ob man nach drei Monaten Pflege und<br />
Bettpfannenwaschen größere Erkenntnisse gewonnen hat als<br />
nach zwei Monaten. Irgendwer hat sich zwar sicherlich etwas<br />
dabei gedacht; den engen Zeitplan der Studenten hat er aber<br />
vermutlich vergessen.<br />
Schließlich fanden am Ende des Semesters während der<br />
vorlesungsfreien Zeit sowohl Chemie- als auch Biopraktikum statt.<br />
Der "vorlesungsfreie Zeit" wurde jedoch ihrem Namen nicht<br />
wirklich gerecht. Obwohl<br />
sich die Dozenten der<br />
Chemie redliche Mühe<br />
gaben und einen<br />
d i d a k t i s c h<br />
hervorzuhebenden<br />
Unterricht boten, fand die<br />
Vorlesung eben in der<br />
Zeit statt, die von solchen<br />
eigentlich frei sein sollte.<br />
Was das Biopraktikum<br />
angeht, hatten diejenigen,<br />
die zu spät erfuhren, dass<br />
man sich nur im Internet<br />
für die Praktika<br />
anmelden konnte, das<br />
Nachsehen. So<br />
verbrachte so manch<br />
einer noch ein paar Tage<br />
mehr im Labor, während<br />
die anderen sich schon<br />
darauf freuen dürfen, im<br />
Hochsommer in einem<br />
Labor sitzen zu dürfen,<br />
wo<br />
aus<br />
Sicherheitsgründen die<br />
Fenster nicht geöffnet und wider der Sicherheit Bunsenbrenner<br />
gerne mal angelassen werden (wie man so hört). Doch wie so<br />
berichtet wird, wurde versucht, in kürzester Zeit so ziemlich den<br />
gesamten Stoffumfang der Biologie näher zu bringen. Nun ja, mal<br />
schauen. Ich bin im Sommer dabei.<br />
Alles in allem jedoch scheint der Versuch "MeCuM" gut gelungen<br />
zu sein. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, wie man so<br />
schön sagt. Das honorierte auch schon die Wochenzeitung "Die<br />
Zeit" mit einer lobenden Erwähnung von München als eine der<br />
Vorreiter-Unis bei der Umsetzung der AO. Nun stellt sich nur<br />
noch die bange Frage, ob die Uni das Mecum in finanzieller<br />
Hinsicht durchhalten kann. Angesichts der pechschwarzen<br />
Wolken und dem politischem Regenwetter ist das ungewiss; man<br />
kann nur hoffen, dass der Nutzen gut ausgebildeter Ärzte bald<br />
erkannt wird…<br />
33<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
MeCuM-Online meets Medi-Board<br />
34<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Titel: MeCuM FLOP!!!! Ganz tolle Sache *Ironie*<br />
Beitrag von: xyz am 23. April 2004, 18:25:47<br />
Ich bin sauer! Richtig sauer! Und ich hoffe Prof. Sutor liest das<br />
hier!<br />
Ene Woche Mecum Modul II ist vorbei und noch immer nichts<br />
funktioniert richtig! Die Kursleiter haben keine Kurslisten, man<br />
sitzt aufm Gang und wartet ewig weil keiner der Docs für uns<br />
Studenten Zeit hat und vom L-Kurs mal ganz zu schweigen...<br />
Was mich aber am meisten nervt: Prof. Sutor hält sich NICHT an<br />
seine Versprechen! Auf der Infoveranstaltung hat er angekündigt<br />
man könne zwischen Innenstadt und Großhadern tauschen.<br />
Okay, so wollte ich und mein Tauschpartner es machen. Und was<br />
ist? NIX GEHT! Angeblich kann man das in der Datenbank nicht<br />
ändern. HAHAHAHA! Also soviel Ahnung hab ich nun auch um<br />
zu wissen dass sowas ohne Problme geht. VORAUSGESETZT<br />
MAN WILL!!!! Ich unterstelle jetzt einfach mal dem<br />
Dekanat,stellvertretend Prof. Sutor als Programmleiter MeCuM,<br />
dass die einfach keinen Bock haben, warum auch immer!<br />
Entweder müssten wir wählen können ob Innenstadt oder Großhadern,<br />
oder eben tauschen dürfen wenn die erste Lösung im<br />
Vorfeld zu viel Aufwand ist. Aber eine willkürliche Einteilung<br />
und dann auch noch so eine Verhaltensweise uns gegenüber an<br />
den Tag bringen, man kommt sich vor wie ein Stück Vieh das nix<br />
zu meden hat sondern schön brav ja und amen zu allem sagen<br />
muss. Hallo, geht's noch???<br />
Ich sehe ja ein dass die Einführung von MeCuM Probleme bereitet<br />
hat, muss aber auch sagen dass schon lange bekannt war dass<br />
es MeCuM geben wird. Wenn man dann bis zum letzten Tag wartet,<br />
dann frage ich mich echt was da mit der Planung schief lief.<br />
Man kann eine Datenbank auch erstellen ohne die Namenslisten<br />
der Studenten zu haben. Sowas kann man dann kurzfristig nachtragen...<br />
Ach was reg ich mich auf! Ich bin ja selber Schuld. Ich hätte zum<br />
SoSe nach Düsseldorf in meine Heimat zurückwechseln können,<br />
habe es aber nicht gemacht weil ich mich auf MeCuM gefreut<br />
hatte und mir echt viel darunter versprochen habe. Leider wurde<br />
ich von dem Dekanat, der med. Fakultät und Prof. Sutor enttäuscht...<br />
Titel: Re:MeCuM FLOP!!!! Ganz tolle Sache *Ironie*<br />
Beitrag von: Prof. Lackner am 29. April 2004, 16:45:25<br />
Sehr geehrter XYZ,<br />
ich weiß nicht ob Herr Kollege Sutor Ihren thread gelesen hat,<br />
aber ich habe es. Ich bedauere es, dass Sie MECUM als "Flop"<br />
beurteilen und sich über den Online-Dienst geärgert haben.<br />
Als Verantwortlicher dieser Datenbank der Fakultät bin ich gerne<br />
bereit in einem persönlichen Gespräch Ihnen den Gesamtkomplex<br />
der hier zum Tragen kommt zu erläutern.<br />
Bei dieser Gelegenheit können Sie gerne allen unseren DB-Informatiker<br />
und Sicherheitsspezialisten Ihr ORACLE-DB-Wissen und<br />
LINUX-Know-How anbieten und mit diesen Kollegen über den<br />
gerügten relationalen DB-Entwurf diskutieren (wer die Lippen<br />
stülpt sollte dann auch pfeifen).<br />
Am besten Sie bringen schon mal ein draft Ihres Entwurfes mit.<br />
Wir werden eine Rechnerumgebung bereit halten und Sie zeigen<br />
uns dann einfach wie Sie es besser machen würden.<br />
Würde mich sehr freuen bald von Ihnen nicht anonym zu hören.<br />
mfg :-)<br />
CK Lackner<br />
Titel: Re:MeCuM FLOP!!!! Ganz tolle Sache *Ironie*<br />
Beitrag von: lmustudent1980 am 29. April 2004, 18:03:55<br />
Sehr geehrter Herr Prof. Lackner,<br />
wahrscheinlich ist keinem damit geholfen, über <strong>neu</strong>e<br />
Implementationsmöglichkeiten in Linux und Oracle zu diskutieren.<br />
Es liegt in der Natur der Sache, dass große Datenbanken<br />
(wenn auch Oracle basiert) mit Web-Frontend zu Schwierigkeiten<br />
in der Initiationsphase führen. Aber genau dafür gibt es doch<br />
computerbasierte alpha- und anschließend an Experimentalgruppen<br />
durchgeführte beta-Tests. Erst dann ist das „Produkt“<br />
marktreif. Hat dieser Ablauf bei Mecum stattgefunden?<br />
Desweiteren stellen sich bei mir alle Nackenhaare auf, wenn ich<br />
daran denke, dass in naher Zukunft auch Klausurergebnisse über<br />
Mecum-Online abrufbar sein werden:<br />
Komplett unverschlüsselt (ohne SSL) und für jeden Netzwerk-<br />
Sniffer in Plain-Text lesbar.<br />
So wie bereits jetzt all meine persönlichen Daten (inkl. Matrikelnr.)<br />
als auch meine Studiensemesterzahl bei jedem Login munter durch<br />
das Internet wandern.<br />
(Man verschickt ja seine Post auch in verschlossenen Umschlägen!)<br />
Dies grenzt für mich an Unwissenheit, Blauäugigkeit bzw. schlampige<br />
Planung.<br />
Linux-Oracle-Profis hin oder her!<br />
Das geht auch anders!<br />
Aber leider bin ich nur unwissender <strong>Medizin</strong>student (mit etwas<br />
Datenbank-Erfahrung) und werde weiterhin das, zumindest optisch<br />
gelungene, Web-Frontend "Mecum-Online" als meinen persönlichen<br />
Infopoint nutzen............müssen.<br />
mfg<br />
LMU-Student<br />
Titel: Re:MeCuM FLOP!!!! Ganz tolle Sache *Ironie*<br />
Beitrag von: lmustudent1980 am 29. April 2004, 18:10:59<br />
Ach ja, sie wollen ja konkrete Verbesserungsvorschläge:<br />
Für eine sicherere Datenübertragung eignen sich folgende Protokolle:<br />
„Short for Secure Sockets Layer, a protocol developed by<br />
Netscape for transmitting private documents via the Internet.<br />
SSL works by using a private key to encrypt data that's transferred<br />
over the SSL connection. Both Netscape Navigator and<br />
Internet Explorer support SSL, and many Web sites use the<br />
protocol to obtain confidential user information, such as credit<br />
card numbers. By convention, URLs that require an SSL<br />
connection start with https: instead of http:.<br />
Another protocol for transmitting data securely over the World<br />
Wide Web is Secure HTTP (S-HTTP). Whereas SSL creates a<br />
secure connection between a client and a server, over which any<br />
amount of data can be sent securely, S-HTTP is designed to transmit<br />
individual messages securely. SSL and S-HTTP, therefore, can<br />
be seen as complementary rather than competing technologies.<br />
Both protocols have been approved by the Internet Engineering<br />
Task Force (IETF) as a standard.“<br />
Titel: Re:MeCuM FLOP!!!! Ganz tolle Sache *Ironie*<br />
Beitrag von: zitat am 29. April 2004, 20:01:20<br />
"Jedoch der schrecklichste der Schrecken,<br />
das ist der Mensch in seinem Wahn."<br />
Friedrich von Schiller
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Titel: Re:MeCuM FLOP!!!! Ganz tolle Sache *Ironie*<br />
Beitrag von: xyz am 29. April 2004, 21:18:31<br />
Sehr geehrter Hr. Prof. Lackner,<br />
erstmal müsste Ihre Anrede "sehr geehrte xyz" heissen, ich besitze<br />
definitiv zwei X-Chromosomen! Aber egal, Scherz beiseite.<br />
Ich habe mich nicht über den Online Dienst geärgert, da anzufangen<br />
hätte mir ein Magengeschwür eingebracht. Gibt ja auch<br />
wichtigeres und andere Wege seine Kurse ausfindig zu machen.<br />
Ich habe mich geärgert, dass uns von Prof. Sutor MEHRMALS<br />
Versprechungen gemacht wurden die Prof. Sutor nun nicht halten<br />
will bzw. sich „nicht erinnern kann“.<br />
Gut, wenn es mit MeCuM administrative Probleme gibt, dann ist<br />
das eben so. Aber sich hinzustellen und zu sagen es interessieren<br />
einen nicht was Studenten wollen und es wäre einem scheissegal<br />
was man für Gründe für welche Wünsche auch immer anbringt,<br />
das ärgert mich!!! Prof. Sutor wird wohl seine Gründe haben,<br />
aber dann soll er sie nennen, vielleicht kapieren ja auch die dummen<br />
Studenten die Hintergründe. Wir sind nämlich keine Schaafe<br />
im MeCuM-Stall! Ein gewisses Maß an Würde und Respekt wäre<br />
angebracht, was leider nicht zu verzeichnen ist.<br />
Von Datenbanken und dem Computer-Fachchinesisch habe ich<br />
echt keine Ahnung (Doppel-X), aber es leuchtet mir nicht ein,<br />
warum man nicht einen Namen löschen kann und mit einem anderen<br />
ersetzen kann, dazu brauchts Buchstabentasten (und zwar<br />
auch nicht alle, sondern nur die, die in den beiden Namen vorkommen)<br />
und die beiden tasten "Entf" und "Enter", und schon<br />
sind alle zufrieden! Man verlangte ja nicht eine Umstellung der<br />
Kurse, die sind ja bei A und B gleich!<br />
Gut. Mittlerweile bleibt mir nichts anderes übrig als die Tatsache<br />
schwer enttäuscht hinzunehmen. Den Anlass weswegen ich tauschen<br />
wollte kann ich nun definitiv vergessen, viel Zeit, Geld und<br />
Mühe ist dahin. MeCuM sein dank...<br />
Und dann erwarten Sie dass ich MeCuM nicht als Flopp bezeichne<br />
und laden mich ein mit Ihnen persönlich zu sprechen? Was<br />
soll das bringen?<br />
Titel: Re:MeCuM FLOP!!!! Ganz tolle Sache *Ironie*<br />
Beitrag von: Doc am 02. Mai 2004, 19:17:17<br />
Sehr geehrter Herr Lackner,<br />
schade, dass Sie Ihre DB-Probleme (noch) nicht in den Griff bekommen<br />
haben. Wenn Sie allerdings schon die Hilfe von <strong>Medizin</strong>studenten<br />
einfordern, kann ich daraus nur schließen, dass Sie<br />
offenbar mit der Aufgabe überfordert zu sein scheinen. Suchen<br />
Sie sie doch bitte kompetente Berater auf diesem Gebiet. Das<br />
ehemalige Refat "Internet und virtuelle Hochschule" der LMU<br />
sollte Ihnen zumindest einen ersten Kontakt für die Möglichkeiten<br />
einer funktionierenden Realisierung bieten können.<br />
Wir Studenten sind schließlich nicht dafür verantwortlich, dass<br />
verwaltungstechnische Bereiche entsprechend funktionieren.<br />
Desweiteren möchte ich Sie bitten bei Ihrem Implementation<br />
auch die Anforderungen des Bundesdatenschutzgesetzes zu beachten.<br />
Ein Portal, dass sensible Nutzerdaten in plaintext überträgt<br />
ist bei weitem nicht mehr zeitgemäß und rechtlich mehr als<br />
fraglich.<br />
Nichts des do trotz kann ich Ihren Frust verstehen. Sie sind wahrscheinlich<br />
eben so wie wir Studenten von der <strong>neu</strong>en Studienordnung<br />
in den Auswirkungen überrascht worden und mußten<br />
in zu kurzer Zeit eine Lösung anbieten. Ich hoffe, dass Sie zu<br />
unser aller Vorteil die aktuellen Probleme schnell in den Griff<br />
bekommen.<br />
Titel: Re:MeCuM FLOP!!!! Ganz tolle Sache *Ironie*<br />
Beitrag von: HIHI am 03. Mai 2004, 01:43:21<br />
Tja, da hats wohl den guten Prof. „POLYTRAUMA“ Lackner<br />
zerlegt...<br />
Ich glaub dem sein Problem besteht einfach darin dass er nicht<br />
genug „Schwachmaten“ (Danke an Prof. Putz fuer dieses Wort)<br />
angestellt hat um DATEN einzutippen...<br />
Wie soll ein MEDIZINSTUDENT dem seine DATENBANK Probleme<br />
loesen... (Haetten SIE mal am ANFANG der Semesterferien<br />
gepostet haett ich IHNEN ja geholfen... ;) )<br />
Zugegeben die Seite sieht ganz niedlich aus, aber ein FUNKTIO-<br />
NIEREN nen Tag VOR Semesterbeginn ist einfach zu wenig...<br />
(Wenn ueberhaupt, was man so hoert...)<br />
Ich persoehnlich stoere mich an der depperten Menue fuehrung...<br />
und der fehlenden Moeglichkeit Daten in andere<br />
Programme (MS Outlook, Palm OS) zu importieren...<br />
HIHI<br />
Wuensch Euch noch viel Spass bei diesem Schwachsinn...<br />
Titel: Re:MeCuM FLOP!!!! Ganz tolle Sache *Ironie*<br />
Beitrag von: Prof. Tśhober am 05. Mai 2004, 22:17:15<br />
Sehr geehrter HIHI,<br />
ich weiß, dass Herr Kollege Lackner Ihren thread gelesen hat,<br />
aber ich habe es nicht. Ich bedauere es, dass Sie MECUM als<br />
„Top“ beurteilen und sich über den Online-Dienst gefreut haben.<br />
Als Verantwortlicher dieses Fließgleichgewichtes der Fakultät bin<br />
ich gerne bereit in einem persönlichen Gespräch Ihnen den gesamten<br />
Komplex des hier zum Erliegen gekommenen Stromes zu<br />
erläutern.<br />
Bei dieser Gelegenheit können Sie gerne allen unseren FGG-<br />
Paddlern und Ruderern Ihr Nimbus 2000-Wissen und SEHNIX-<br />
Know-How anbieten und mit diesen Kollegen über den gerügten<br />
irrationalen FGG-Entwurf diskutieren (wer die Lippen wölbt, sollte<br />
dann auch blasen).<br />
Am besten Sie bringen schon mal einen Mast Ihres Entwurfes<br />
mit. Wir werden ein Floß bereit halten und Sie zeigen uns dann<br />
einfach wie Sie besser paddeln würden.<br />
Würde mich sehr freuen bald von Ihnen nichts mehr zu hören.<br />
Mfg<br />
B. TŚhober<br />
35
Wer ist eigentlich...?<br />
Samuel Shem<br />
Tobias Benthaus<br />
Er ist verheiratet mit Janet Surrey, die als Psychologin arbeitet.<br />
Zusammen haben sie eine Tochter und leben an der Ostküste<br />
der USA. Surrey and Bergman arbeiten und publizieren auf<br />
dem Gebiet der zwischenmenschlichen Beziehungen, vor allem<br />
der Konflikte zwischen Mann und Frau (Aktueller Buchtitel:<br />
Alphabet der Liebe – Warum Mann und Frau doch<br />
zusammenpassen).<br />
Das Buch House of God hat bei seinem Erscheinen 1978 zu<br />
sehr großer Verstimmung geführt, weil es die Probleme im<br />
Umgang mit Patienten, gerade älteren und dementen,<br />
schonungslos thematisiert. Gerade der Bezug zum <strong>Medizin</strong>alltag<br />
ist es, der dem Buch seine Brisanz verlieh und immer noch verleiht<br />
– mit zunehmender Überalterung der Bevölkerung sind die<br />
angesprochenen Probleme in der Geriatrie (Altersheilkunde)<br />
aktueller denn je.<br />
Erstaunlich lange dauerte es, bis das Buch in Deutschland verlegt<br />
wurde. Seit 1995 gibt es auch eine deutsche Ausgabe, die sich<br />
ebenso gut verkauft, wie die Originalausgabe. Insgesamt wurden<br />
von House of God bislang eineinhalb Millionen Exemplare<br />
verkauft.<br />
Der Autor des Vorworts dieser Ausgabe, Samuel Shem, ist der<br />
Autor des Buches House of God höchstpersönlich.<br />
Sein richtiger Name ist Stephen Bergman und im richtigen Leben<br />
ist er Professor für Psychiatrie an der Harvard Medical School.<br />
Neben House of God sind von Samuel Shem erschienen: Mount<br />
Misery (erschienen 2000), Doctor Fine (erschienen 2000) und<br />
Orvilles Heimkehr (2001). In allen Büchern dreht es sich um<br />
die Zustände im <strong>Medizin</strong>betrieb und auch deren Auswirkungen<br />
auf das Leben der Ärzte.<br />
Aus dem <strong>Synapse</strong>-Archiv<br />
36<br />
Samuel Shem<br />
Mount Misery<br />
686 Seiten<br />
ISBN 3-426-61460-X<br />
Droemer Knaur (www.droemer-knaur.de)<br />
EUR 9,90<br />
.<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Nachfolger und Fortsetzung von House of God. Schauplatz ist<br />
diesmal die Psychiatrie in den USA. Wie der Vorgänger<br />
schockierend,allerdings kommt er qualitativ nicht an diesen<br />
heran, dafür ist er manchmal einfach zu übertrieben (hoffentlich).<br />
Wer House of God gelesen hat (was zur Pflichtlektüre für<br />
<strong>Medizin</strong>studierende gehören sollte) ahnt, was ihn im Folgeroman<br />
erwartet: Diesmal ist eine psychiatrische Klinik das Schlachtfeld<br />
für überforderte Assistenzärzte, zynische Chefs und hilflose<br />
Patienten. Dr. Roy Basch, die Hauptfigur aus House of God, hat<br />
den Absprung in die Psychiatrie geschafft, in der Hoffnung, hier<br />
wirklich Menschen helfen zu können. Was er erlebt, ist allerdings<br />
mindestens so deprimierend wie in der Inneren <strong>Medizin</strong>, wo er<br />
vorher war: Chefärzte, die nur am Beweis ihrer Theorien<br />
interessiert sind und dabei mindestens genauso krank wie ihre<br />
Patienten erscheinen; Patienten, die mit Psychopharmaka<br />
vollgestopft werden und oft nur aus einem Grund in der Klinik<br />
sind: weil ihre Versicherung hoch genug ist; und die Assistenten,<br />
die eigentlich nur alles falsch machen können, völlig überfordert<br />
Weitere Ausgaben online:<br />
www.fachschaft-medizin.de/synapse<br />
sind und sich dabei noch mit diversen privaten Problemen<br />
herumschlagen müssen.<br />
Im Stil genauso geschrieben, kommt das Buch meiner Meinung<br />
nach dennoch nicht an den Vorgänger heran. Erschien dieser<br />
noch schokkierend, aber doch realistisch bzw. die Realität im<br />
Krankenhaus überspitzt schildernd, wird die Psychiatrie hier als<br />
völlig perverse Welt dargestellt.<br />
Eine Unglaublichkeit reiht sich an die nächste, aufgelockert nur<br />
von privaten, sprich sexuellen Abenteuern der Protagonisten, und<br />
der Autor scheint bemüht, alle Gerüchte über die Psychiatrie<br />
nicht nur zu bestätigen, sondern noch zu übertreffen.<br />
Auch hierin steckt sicherlich eine Menge Wahrheit über die Arbeit<br />
in einer psychiatrischen Klinik, dennoch kann ich nur hoffen,<br />
dass sie völlig überzogen dargestellt ist.<br />
Trotz dieser Kritik ist es aber für <strong>Medizin</strong>er oder solche, die es<br />
werden wollen, interessant zu lesen, und vielleicht überlegt sich<br />
der eine oder andere ja nochmal, ob die Psychiatrie wirklich das<br />
richtige Fach ist... Daniel Walz, <strong>Synapse</strong> 39, Juni 1999
Das House of God<br />
Elisabeth Englram<br />
Braucht es dafür eine Rezension? Muss man dazu noch etwas<br />
sagen? Wirklich? Wahrscheinlich nicht. Denn seit seinem<br />
Erscheinen im Jahre 1978 ist das "House of God" von Samuel<br />
Shem zum Kultbuch unter angehenden <strong>Medizin</strong>ern avanciert.<br />
Allerspätestens bis zum Physikum haben es wohl die meisten<br />
gelesen und der Rest weiß zumindest vom Hörensagen, was ihm<br />
da entgeht. Dies ist keine Rezension, um ein gutes, aber<br />
unbekanntes Buch vorzustellen. Für die allermeisten wird dies<br />
eine liebevolle Erinnerung an ihre eigene Lektüre sein - und falls<br />
jemand, der es noch nicht gelesen hat, <strong>neu</strong>gierig werden sollte,<br />
umso besser!<br />
Psychiatrie. Nein, nicht als Patienten, so schlimm steht es mit den<br />
Jungs dann doch wieder nicht und zwar dank eines<br />
bemerkenswerten Arztes, der nur mit "Der Dicke" angeredet<br />
wird. Dieser Dicke gehört zum Stammpersonal des "House of<br />
God" und ist sozusagen die heimliche Sozialstation des Hauses.<br />
Auf den ersten Blick rettungslos zynisch und abgebrüht, lernen<br />
ihn die jungen <strong>Medizin</strong>er bald lieben. Denn er schafft es, sich<br />
nicht kaputtkriegen zu lassen vom System, er hat den Durchblick<br />
und vor allem: er bewahrt Menschlichkeit. Sich, den Interns und<br />
auch den Patienten gegenüber. Und das ist eine Rarität im "House<br />
of God". Leider.<br />
Schockierend, zwischenzeitlich indiziert, verstörend, sarkastisch,<br />
gnadenlos ehrlich und ziemlich derb: das ist das "House of God".<br />
So derb, dass John Updike in seinem Vorwort 1995 meinte,<br />
heutzutage könne ein Buch in dieser Form wahrscheinlich gar<br />
nicht mehr erscheinen, denn es würde sofort mit den Attributen<br />
"sexistisch", "rassistisch" & "altenfeindlich" zensiert werden.<br />
Dabei hört sich der Inhalt dieses Schockers aus den U.S.A. eher<br />
unspektakulär an: sechs junge <strong>Medizin</strong>er, allen voran Protagonist<br />
Roy Basch, stürmen frisch von der Uni das "House of God", um<br />
dort ihr Internship abzuleisten. Naja, was heißt hier stürmen?<br />
Genau genommen haben sie alle im Vorfeld schon die Hosen<br />
gestrichen voll und wissen nicht, wie sie das vermutlich schlimmste<br />
Jahr ihres Lebens überstehen sollen. Und schlimm ist hier einfach<br />
alles: unfähige Vorgesetzte, schreckliche Patienten, unmenschliche<br />
Arbeitszeiten - kurzum, ein System, das scheinbar nur dazu da<br />
ist, um jungen <strong>Medizin</strong>ern ihren Enthusiasmus zu nehmen, genau<br />
jenes System eben, gegen das Samuel Shem mit seinem Roman<br />
protestieren wollte. Visiten<br />
ohne<br />
Patienten,<br />
Laborergebnisse ohne<br />
vorangegangene<br />
Untersuchungen - das ist der<br />
irrwitzige Alltag im "House of<br />
God". Die Quintessenz für die<br />
angehenden Ärzte lautet vor<br />
allem: "Vergesst, was ihr an der<br />
Uni gelernt habt. Werft eure<br />
hehren Ansprüche, was ein Arzt<br />
zu sein hat, über den Haufen<br />
und lernt vor allem eins -<br />
nämlich wie ihr eure Arbeit<br />
machen könnt ohne selbst in die<br />
Mühlen dieses Systems zu<br />
geraten." Und dieses System tut<br />
sein Zerstörungswerk<br />
zuverlässig und mit tödlicher<br />
Präzision unter den jungen<br />
<strong>Medizin</strong>ern: einer nimmt<br />
exzessiv zu und lässt sich gehen,<br />
der nächste stürzt sich in ein<br />
hemmungsloses Sexualleben<br />
mit den Schwestern des<br />
Hauses, wieder ein anderer<br />
widmet sich mit Hingabe dem<br />
Wettbewerb der "Schwarzen<br />
Krähe": wer hat am Ende die<br />
meisten Obduktionen<br />
vorzuweisen? Roy Basch<br />
zerbricht fast seine Beziehung<br />
und einer von ihnen begeht<br />
Selbstmord, indem er sich vom<br />
Klinikdach stürzt. Sie allesamt<br />
machen eine große Lebenskrise<br />
durch, aus der ihnen nur noch<br />
ein Ausweg möglich scheint: die<br />
Links: Internet<br />
Das "House of God" ist ein, sagen wir mal, mitteldickes Buch,<br />
aber keine Angst, es liest sich flüssig. Hoffnungslos überzogen,<br />
auf die Spitze getrieben und triefend vor Sarkasmus denkt man<br />
sich im stillen Kämmerlein aber doch manchmal: eigentlich hat er<br />
Recht. Völlig verblüfft stellt man fest, dass manche Dinge<br />
tatsächlich so sind, auch wenn man das nicht gerne wahrhaben<br />
will. Das <strong>Medizin</strong>geschäft ist korrupt, strotzt vor Heuchelei, ist<br />
manchmal menschenverachtend, oft stinkend, ekelhaft und<br />
entwürdigend... und yes, genau dafür studieren wir!<br />
Die Lektüre lässt einen mit einem lachenden und einen weinenden<br />
Auge zurück. Wer Lust bekommen hat auf diese sehr spezielle<br />
Art des Erzählens kann gleich nahtlos weiterlesen in: "Mount<br />
Misery" (siehe nebenstehende Rezension). Roy Basch beginnt seine<br />
Weiterbildung in der Psychiatrie, wobei die Hauptschwierigkeit<br />
darin besteht, Patienten & Personal zu unterscheiden... Typisch<br />
Shem, eben.<br />
http://www.nensch.de/story/2004/5/1/14751/88482<br />
http://endeavor.med.nyu.edu/lit-med/lit-med-db/webdocs/webdescrips/shem11930-<br />
des-.html<br />
Samuel Shem<br />
House of God<br />
488 Seiten<br />
ISBN: 3-4266-0906-1<br />
Droemer Knaur (www.droemer-knaur.de)<br />
EUR 9,90<br />
(auch als Hörspiel)<br />
37<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
Aus dem <strong>Synapse</strong>-Archiv<br />
Ausgabe 48, Juni 2003<br />
Rettet die Wa(h)le(n)!<br />
Mit Sylvère Störmann<br />
38<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Wale sind schon arme Viecher: sie werden von irren Japanern<br />
gejagt, fristen ein trübes Dasein, müssen ihr ganzes Leben lang<br />
durch lanweilige Ozeane dümpeln und können nicht mal Englisch!<br />
Aber mal ehrlich, wen interessiert’s (außer Greenpeace)? Ja, Wale<br />
haben es wirklich nicht leicht in unserer modernen Gesellschaft.<br />
Genauso (oder zumindest ähnlich) ergeht es den nahen (Wort-<br />
)Verwandten, den Wahlen. Sie ziehen regelmäßig an uns vorbei<br />
ohne jemals richtig wahrgenommen zu werden. Sie werden kaum<br />
beachtet und von den meisten Menschen ignoriert. Dabei scheint<br />
den Tierversuch erprobten <strong>Medizin</strong>studenten das Schicksal der<br />
Wahlen besonders kalt zu lassen. Im vergangenen Jahr haben<br />
gerade mal 704 von 5562 Münchner stud. med. ihr zeitweiliges<br />
Augenmerk diesen nach Zuneigung lechzenden Kreaturen<br />
gewidmet.<br />
Nachfolgend sollen Gründe, nicht wählen zu gehen, systematisch<br />
widerlegt werden, damit dieses Jahr die sensiblen Geschöpfe das<br />
erhalten, was sie verdienen: eine hohe Aufmerksamkeit<br />
(Beteiligung).<br />
Wahlen bewirken doch eh nix!<br />
Sicher, das denken sie alle, diese Frevler, aber das stimmt nicht.<br />
Tatsächlich können Studenten durch ihr Engagement eine ganze<br />
Menge bewirken. Beispiele? Klar: die Lehrevaluationen, die von<br />
Studentenseite aus durchgesetzt wurden, das MeCuM LMU , das<br />
von zwei <strong>Fachschaft</strong>svertretern mitgestaltet wurde, die Berufungskommissionen,<br />
bei denen Einfluss auf Habilitationen genommen<br />
wird. Nur wenn alle fleißig wählen gehen, wird damit ein deutliches<br />
Signal gesetzt, dass uns diese Mitbestimmungsmöglich-keiten auch<br />
wichtig sind… denn sonst würden sie uns genommen.<br />
Wen wähle ich da überhaupt?<br />
Und wofür?<br />
Die <strong>Fachschaft</strong>svertretung wird von den Studenten gewählt. Seit<br />
einigen Jahren werden die <strong>Fachschaft</strong>svertreter von der <strong>Breite</strong>n<br />
<strong>Liste</strong> <strong>Gesundheit</strong> gewählt, die die meisten von Euch schlichtweg<br />
als „<strong>Fachschaft</strong>“ kennen. Auch wenn das nach einer reinen<br />
Formsache aussieht, die Eurer Interaktion nicht bedarf, ist es<br />
doch von entscheidender Bedeutung, dass Ihr mit Eurer Wahl<br />
die <strong>Fachschaft</strong>swahl bestätigt. Dadurch werden automatisch auch<br />
die Vertreter für den Fachbereichsrat bestimmt. Und der ist wichtig<br />
(siehe Seite 4). Unsere Leute im Fachbereichsrat setzen sich<br />
ständig für Eure Belange ein. Und die BLG, das wisst Ihr<br />
hoffentlich, setzt sich sowieso seit eh und je für Euch ein.<br />
Die Leute, die da zur Wahl stehen, mag ich gar nicht wählen.<br />
Das klingt irgendwie plausibel, aber andererseits bietet die<br />
derzeitige <strong>Fachschaft</strong>, bestehend aus BLG-Mitgliedern, doch ein<br />
sehr angenehmes Programm an Studenten-Service. Es gibt den<br />
Bürodienst, der verbilligt Material verkauft (Stethoskope,<br />
Skalpelle, …) und mit der Ausgabe von Altklausuren und<br />
Protokolle aufwartet. Die Homepage bietet eine Fülle von<br />
Informationen, genauso wie die Infohefte, die jeder Erstsemester<br />
kriegt, und was dort nicht steht, kann man per Mail erfragen und<br />
binnen kürzester Zeit kommt eine Antwort. Und für die<br />
lauschigeren Momente des Studiums organisiert die <strong>Fachschaft</strong><br />
tolle Partys, etwa die „Klinik unter Wasser“ (man darf sich von<br />
den zahlreichen vermeintlichen <strong>Medizin</strong>er-partys, die nicht von<br />
der <strong>Fachschaft</strong> organisiert werden, nicht täuschen lassen). Ferner<br />
werden zahlreiche Arbeitskreise unterstützt, die Euer<br />
<strong>Medizin</strong>studentenleben bereichern können (AK Medikino, AK<br />
Traditionelle Chinesische <strong>Medizin</strong>, …). Und was nicht ist, kann ja<br />
noch werden. Kann es also so falsch sein, auch dieses Jahr die<br />
<strong>Breite</strong> <strong>Liste</strong> <strong>Gesundheit</strong> zu wählen?<br />
Ich habe keinen Bock.<br />
Das ist in der Tat ein schwer zu widerlegendes Argument. Bedenkt<br />
man aber, dass mehr als die Hälfte der Studenten der Fakultät 07<br />
sich eigentlich regelmäßig im Bereich des Altstadtklinikums<br />
rumtummeln, ver-wundert es doch sehr, wie wenig den Weg in die<br />
Anatomie finden. Keinen Bock gilt also eigentlich nicht.<br />
Schließlich würde jeder die Strecke Physiologie-Landesprüfungsamt<br />
in Rekordzeit zurücklegen, um sich fürs blöde Physikum<br />
anzumelden, aber<br />
fürs Wohl der<br />
Studentenschaft<br />
hat mal wieder<br />
keiner Zeit.<br />
Deswegen: auch<br />
wenn Ihr keinen<br />
Bock habt, gebt<br />
Euch einen Ruck.<br />
Wir profitieren alle<br />
davon.<br />
Also, fasst Euch<br />
ans Herz und tragt<br />
dieses Jahr zur<br />
Rettung der<br />
Wa(h)le(n) bei!
Die <strong>Breite</strong> <strong>Liste</strong> <strong>Gesundheit</strong><br />
Katharina Ehehalt<br />
Mein Bürodienst<br />
8h15 Neuroanatomievorlesung, 9h15 Histovorlesung, 10h15<br />
Vorlesung funktionelle Neuroanatomie, danach 11h15 Histokurs<br />
und schließlich von 14h bis 16h Präppen – das war dienstags<br />
mein Stundenplan. Eine Stunde Pause also. Eine Stunde, in der<br />
man sich gemütlich in der Mensa den Bauch vollhauen könnte,<br />
um sich danach in die Sonne zu setzen und für einige Minuten<br />
völlig abzuschalten, den Stress hinter sich zu lassen und sich um<br />
nichts und wieder nicht kümmern zu müssen.<br />
Stattdessen habe ich diese Stunde anders verbracht als meine<br />
Kommilitonen. Ich habe mich ins <strong>Fachschaft</strong>sbüro gestellt, um<br />
zusammen mit anderen aus der <strong>Fachschaft</strong> Skalpellklingen und<br />
Stethoskope zu verkaufen, Protokolle und Altklausuren<br />
auszudrucken und um meinen Kommilitonen die eine oder andere<br />
Frage zu beantworten.<br />
Alles in allem möchte die <strong>Fachschaft</strong>svertretung das Studium<br />
menschlicher gestalten, den Studenten im Studium helfen, wo es<br />
nur geht. Die Leute in der <strong>Fachschaft</strong> nehmen sich ein Stück<br />
ihrer Freizeit, um etwas zu tun, von dem alle Studenten profitieren<br />
können.<br />
So gibt es zum Beispiel den Protokolldienst, der<br />
Prüfungsprotokolle von vorhergegangenen Examina gegen Pfand<br />
stellt, auf dass die betroffenen Studenten nach Ablegen der<br />
Prüfung selbst ein Protokoll schreiben, das den Kommilitonen in<br />
den nachfolgenden Semestern beim lernen helfen soll. Genauso<br />
werden die Klausuren, die während eines Semesters geschrieben<br />
werden, eingescannt und der Altklausurensammlungen<br />
hinzugefügt, ohne die das Überleben des <strong>Medizin</strong>studenten, wie<br />
Fortsetzung auf Seite 45<br />
Wenn draußen all zu schönes Wetter<br />
doch zum gemütlichen Die-Seelebaumeln-zu-lassen<br />
einlud, machte das<br />
den Weg zurück in die Anatomie nicht<br />
unbedingt immer leicht, denn auch ich<br />
wäre manchmal gerne draußen in der<br />
Sonne geblieben. Auf etwaige<br />
Unmutsseufzer bekam ich oft nur ein<br />
„Du bist ja selbst schuld, wenn du so<br />
was machst“ oder ein „Cool, du<br />
arbeitest in der Anatomie – wie viel<br />
bekommst du denn da in der Stunde?“<br />
zurück. Unverständnis auf der ganzen<br />
Linie also. Manchmal auch<br />
Unwissenheit: „Was macht ihr da<br />
eigentlich so alles bei dieser<br />
<strong>Fachschaft</strong>?“<br />
Warum gibt es Leute, die sich für andere<br />
engagieren? Diese Frage ist trivial. Ich<br />
werde nicht anfangen, Begriffe wie<br />
Altruismus, Teamarbeit oder soziales<br />
Engagement zu erklären. Vielmehr<br />
möchte ich versuchen zu erklären, was<br />
hinter diesem Begriff „<strong>Fachschaft</strong>“, der<br />
eigentlich nur eine Art Abkürzung für<br />
„<strong>Fachschaft</strong>svertretung“ ist, steht und<br />
warum es durchaus Sinn macht, dafür<br />
auf eine Stunde Pause zu verzichten.<br />
39<br />
<strong>Breite</strong> <strong>Liste</strong> <strong>Gesundheit</strong><br />
Seit 25 Jahren gibt es die BLG, die<br />
[offiziell] „Partei“, die die Mitglieder der<br />
<strong>Fachschaft</strong>svertretung an der LMU<br />
stellt. Seit 25 Jahren engagieren sich<br />
Leute aus beinahe allen Semestern für<br />
ihre Kommilitonen. Von dieser Arbeit<br />
bekommt der Normalstudent mit<br />
Ausnahme des Bürodienstes<br />
wahrscheinlich nicht viel mit, worauf<br />
die fragenden Gesichter und das<br />
Unverständnis gegenüber dem Begriff<br />
„<strong>Fachschaft</strong>“ schließen lassen. Und<br />
doch machen wir mehr, als nur Klingen<br />
und Altklausuren verkaufen.<br />
Unser Erstsemester-Info aus dem Wintersemester 1997/1998<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
links: Eine Ausgabe der <strong>Synapse</strong>; damals 2.000<br />
Exemplare stark (erst seit Ausgabe 49 haben<br />
wir erstmals wieder eine Auflage über<br />
2.000); wie man sieht, fanden auch schon<br />
damals die <strong>Fachschaft</strong>s-Sitzungen jeden<br />
Donnerstag um 19h statt<br />
unten:<br />
rechts:<br />
Zwei Ausgaben der <strong>Synapse</strong> aus den 80er-<br />
Jahren mit den Dauerbrenner-Themen<br />
Wahlen und Approbationsordnung (damals<br />
noch 4. Novelle; heute 8. Novelle);<br />
Katastrophe mit ph und Friedensmedizin<br />
zeigt deutliche Spuren der Ursprünge der<br />
BLG in Sponti-Kreisen<br />
Die <strong>Breite</strong> <strong>Liste</strong> <strong>Gesundheit</strong> ruft 1986 zum<br />
bundesweiten Streik gegen die 5.<br />
Approbationsordnungsnovelle auf und<br />
untermauert den Aufruf durch ergebnisse<br />
einer Umfrage mit unglaublichen 2.090<br />
Stimmen; die BLG nennt hier die LMU AStAkonform<br />
noch Geschwister-Scholl-<br />
Universität (bis heute konnte sich die<br />
Forderung einer Umbenennung der<br />
Universität nicht durchsetzen); die<br />
Verhinderung des AiP kann zwar nicht<br />
aufgehalten werden, aber heute -nach 18<br />
Jahren- wird er auch „schon“ wieder<br />
abgeschafft<br />
40
41<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
42<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
links: Das Auslands-Info<br />
versorgt Studenten noch<br />
mit Informationen zum<br />
Studium im Ausland.<br />
oben: Alles wird teurer. 1980<br />
kostet die BLG-Zeitung<br />
noch 200 DM, heute<br />
schon knapp EUR 1.000.<br />
Man gibt Geld für<br />
Militärbroschüren aus<br />
und bezahlt Referenten.<br />
43<br />
rechts:<br />
Mit einem Flugblatt<br />
fordert man die<br />
Studenten dazu auf, bei<br />
den Hochschulwahlen<br />
1980 die<br />
<strong>Fachschaft</strong>svertretung -<br />
bis dahin gestellt durch<br />
den RCDS- mit der BLG zu<br />
besetzen. Einige<br />
Argumente werden mit<br />
angeführt. Die BLG wird<br />
gewählt und bekommt<br />
auch in den Folgejahren<br />
das Vertrauen der<br />
Wähler. Heute, viele<br />
Jahre später, bietet die<br />
BLG noch immer einen<br />
Service für ihre<br />
Studenten und möchte<br />
gerne auch weiterhin<br />
hohe Standards halten.<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
oben links,<br />
links:<br />
Wieder einmal 4. Approbationsordnungsnovelle<br />
und man sieht, wie die <strong>Fachschaft</strong><br />
sich intensiv mit dem Thema auseinander<br />
setzt.<br />
44<br />
oben:<br />
Die <strong>Liste</strong> der Unorganisierten <strong>Medizin</strong>er,<br />
einer Vorstufe der BLG, kandidiert bei den<br />
Hochschulwahlen.<br />
oben rechts:<br />
Das PJ-Info aus dem Jahre 1997 bietet den<br />
Studenten, die ihren letzten Teil ihres<br />
Studiums beschreiten, umfangreiche<br />
Informationen zum letzten Jahr als Student.<br />
rechts:<br />
Fotos von zwei <strong>Fachschaft</strong>ssitzungen.<br />
Das linke Bild zeigt die Sitzung vom<br />
18. Oktober 2001. Heute sind viele von ihnen<br />
woanders. Etwa in der Neurochirurgie GH als<br />
AiP oder in den U.S.A. - oder im AStA.<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Das rechte Bild zeigt die Sitzung vom<br />
13. Mai 2004 während der internen<br />
Abstimmung über die Reihenfolge der<br />
Kandidaten auf der Wahlliste.
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
allgemein bekannt, völlig undenkbar ist. Und diese Klausuren<br />
kann man sich dann im Internet downloaden oder zum<br />
Selbstkostenpreis als Ausdruck im Büro kaufen.<br />
Auf den <strong>Fachschaft</strong>ssitzungen wird jeden Donnerstag ab 19h<br />
diskutiert, organisiert, geplant, manchmal gestritten, viel<br />
herumgealbert - die Ergebnisse können sich sehen lassen. Letztes<br />
Semester haben wir ausgiebig bewiesen, was man mit einer Hand<br />
voll Leuten alles auf die Beine stellen kann: Man denke nur an die<br />
Demo gegen die Haushaltskürzungen im Herbst oder an die<br />
Klinik-im-Dschungel-Party. Die wäre nicht halb so gut gewesen,<br />
hätten sich nicht regelmäßig fleißige Helfer getroffen, um für ein<br />
paar Stunden das Dauerlernen zu unterbrechen und<br />
Elefantenköpfe zu kleistern oder Affen auszuschneiden.<br />
Einen wesentlichen Teil der <strong>Fachschaft</strong> stellt der AK-Ausland dar,<br />
der für Fragen rund um Famulaturen, PJ und alles andere, was<br />
den <strong>Medizin</strong>er jenseits der Grenzen dieses Landes noch so<br />
interessiert, verantwortlich ist. Denn zeitweise im Ausland<br />
studieren will doch fast jeder, sei es um fremde Kulturen kennen<br />
zu lernen oder nur um seinem Lebenslauf einen exotischen Touch<br />
zu geben. Und da ist es gut, wenn man mit all seinen Fragen eine<br />
Anlaufstelle geboten bekommt.<br />
Praktisch auch, dass alle erdenklichen Fragen rund ums Studium<br />
zu beinahe jeder Tages- und Nachtzeit per eMail beantwortet<br />
werden und die wichtigsten Informationen auf diesem Weg frei<br />
Haus geliefert werden. Gerade auch die Semesterverteiler, die<br />
demnächst wieder regelmäßig Infos liefern werden, sind ein<br />
nützlicher Service für alle Studenten.<br />
Wahlen<br />
Die Vertreter hochoffizieller Aufgaben werden jetzt bei den<br />
Hochschulwahlen von euch persönlich gewählt, damit sie in<br />
Versammlungen der Universität für die Belange der Studenten<br />
gerade stehen können. Wahrscheinlich ist den meisten Studenten<br />
völlig unbewusst, dass sie damit ihre eigenen Vertreter stellen, die<br />
sich für alle durch Papierkram und Paragraphen wühlen, um den<br />
Professoren Paroli bieten zu können und auch den Studenten<br />
wichtige Änderungen erläutern zu können. Aber bei der Wahl<br />
geht es nicht nur um hochoffizielle Aufgaben, denn eine<br />
<strong>Fachschaft</strong>svertretung gibt es nur, wenn sie gewählt wird. Seit<br />
Jahren genießt die BLG dieses Vertrauen ihrer Studenten. Aber<br />
jedes Jahr muss es er<strong>neu</strong>ert werden.<br />
Die Quintessenz<br />
Dass hinter der ganzen Arbeit eine ganze Menge Spaß steht, muss<br />
ich wohl kaum erwähnen. Was kann es kurzweiligeres geben, als<br />
sich mit einem Haufen interessierter, kreativer und motivierter<br />
Menschen auszutauschen und gemeinsame Projekte auf die Beine<br />
zu stellen?<br />
Gerade in diesem Studium wo man nur allzu schnell geneigt ist,<br />
zum Einzelkämpfer zu werden und sich an seinem Schreibtisch<br />
hinter stapelweise Büchern zu verkriechen, ist es enorm wichtig,<br />
zu zeigen, dass man sein Studium auch gut über die Runden bringt,<br />
wenn man sich ein bisschen weniger für sich selbst, sondern auch<br />
für die anderen einsetzt.<br />
Dafür auf ein Stündchen Pause zu verzichten ist das Mindeste,<br />
was man tun kann, um einen der menschlichsten Studiengänge<br />
noch etwas menschlicher zu machen.<br />
In der nächsten Ausgabe:<br />
Eine Chronik der <strong>Breite</strong>n <strong>Liste</strong> <strong>Gesundheit</strong><br />
45
Sylvère Störmann<br />
46<br />
Francis Bacon soll einmal gesagt haben: „Man wird<br />
geboren und man stirbt. Es ist besser, wenn man<br />
zwischendrin etwas getan hat.“ Da ist es wohl auch<br />
ganz gut, dass ich mir die Zeit bis zum Tod mit allerlei<br />
Dingen vertreibe, nicht zuletzt auch zusammen mit geschätzten<br />
Kommilitonen in der <strong>Fachschaft</strong>. Schließlich<br />
gibt es an unserer Fakultät immer etwas zu tun. Dabei<br />
sind unsere Sitze im Fachbereichsrat, die <strong>neu</strong>e<br />
Handlungsspielräume<br />
eröffnen, recht hilfreich.<br />
Solange der Tod also<br />
noch nicht eintritt, bitte<br />
ich darum, uns mit euren<br />
Stimmen die Chance<br />
zu geben, weiterhin<br />
sinnvolle Verrichtungen<br />
zu bewerkstelligen.<br />
Alle Jahre wieder finden<br />
im Sommersemester<br />
die Hochschulwahlen<br />
statt. Dieses Mal möchte<br />
ich für Euch in den<br />
Ring steigen. Ach ja, ich<br />
bin übrigens Maria, jetzt<br />
im 6. Semester und seit<br />
4 Semestern in der<br />
<strong>Fachschaft</strong> aktiv.<br />
Beispielsweise als `Coproducer´ bei der letzten Erstsemester-<br />
Einführung, beim Dekobasteln für Klinik unter<br />
Wasser / im Dschungel oder im Büro- und Protokolldienst,<br />
den ich seit 3 Semestern mache. Die Erfahrungen,<br />
die ich in dieser Zeit sammeln konnte, möchte<br />
ich jetzt nutzen, um gemeinsam mit den anderen Mitgliedern<br />
der BLG die Interessen der Studenten im Studium<br />
und anderen Bereichen durchzusetzen.<br />
Jeder sollte wählen gehen, weil...<br />
Jeder sollte wäh<br />
es doch mal ein ganz interessantes Zeichen wäre, wenn die Wahlbeteiligung<br />
mal über 10% läge. Vielleicht treffen sich eines Tages<br />
die Bundeswahlbeteiligung und die Hochschulwahlbeteiligung<br />
irgendwo, sagen wir mal so bei 26,83%, reden kurz übers Wetter<br />
(„Dieses Dauertief macht mich noch ganz fertig.“ – „Ach komm<br />
schon, wird schon wieder aufwärts gehen!“), smalltalken noch<br />
etwas („Du, ich habe gestern geträumt, ich sei eine Pizza. Alle<br />
Menschen lieben Pizza.“) und gehen dann weiter ihrer Wege. In<br />
der Schule haben uns immer verschrobene Lehrer erzählt, der<br />
Wahlgang sei die oberste Bürgerpflicht. Das ist spießig und klingt<br />
irgendwie nach Diktatur. So ein bisschen weht das auch im Studium<br />
noch nach. Als <strong>Medizin</strong>er steht man dann auch noch mehr<br />
auf der menschlichen denn auf der technokratischen Seite des<br />
Lebens. Politik und Recht ist eh alles nur Quatsch, wie der §919<br />
BGB demonstriert: „Der Eigentümer eines Grundstücks kann<br />
von dem Eigentümer eines Nachbargrundstücks verlangen, daß<br />
dieser zur Errichtung fester Grenzzeichen und, wenn ein Grenzzeichen<br />
verrückt oder unkenntlich geworden ist, zur Wiederherstellung<br />
mitwirkt.“ Warum sollte man sich also diesem Bürokratenbrimborium<br />
hingeben? Nun ja, jeder sollte wählen gehen, weil er<br />
eigentlich weiß, dass es das Richtige ist.<br />
... jeder wählen gehen sollte. So einfach ist das. Viel mehr gibt es<br />
dazu eigentlich auch nicht zu sagen, da ich aber 160 Wörter<br />
schreiben soll werde ich mich noch den Top 3 der Nicht-zur-<br />
Wahl-geh-Gründe widmen:<br />
1) Ich hab meine Wahlunterlagen daheim vergessen. Macht<br />
nichts, die braucht Ihr nicht, ein Ausweis genügt.<br />
2) Ich würde ja gerne, aber ich habe keine Zeit. Gilt auf<br />
keinen Fall für Vorkliniker, die sind an einem Dienstag oder Mittwoch<br />
zwischen 9 und 16 Uhr bestimmt mal in Anatomienähe.<br />
Und auch für die meisten Kliniker ist es nur ein kleiner Umweg der<br />
sich doch aber lohnt!<br />
3) Das bringt ja sowieso nichts. Natürlich bringt es was.<br />
Und je mehr Stimmen abgegeben werden umso mehr können wir<br />
uns auf den Rückhalt der gesammten <strong>Medizin</strong>studenten berufen<br />
und dementsprechend mehr erreichen.<br />
Daher gebt Euch einen Ruck, geht zur Wahl, macht Eure<br />
Kreuzchen und helft uns die Welt in einen besseren... ok, ich<br />
schweife ab...<br />
Also bis zum 22. oder 23. Juni!<br />
gehen, weil...<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Maria Treusch
Christian Hinske<br />
len gehen, weil...<br />
Ich glaube wenn man schreiben würde „Jeder sollte sich waschen<br />
gehen, weil....“ würden viele gar nicht mal lange überlegen warum.<br />
Waschen betrifft einen schließlich persönlich und wenn man<br />
stinkt ist das weder in mündlichen Prüfungen noch für die intersexuellen<br />
Beziehungen gut. Zugegeben, wer nicht wählen geht fängt<br />
bestimmt nicht an zu stinken, aber persönlich kann es einen schon<br />
betreffen und zwar genau dann, wenn die meisten nicht wählen.<br />
Häufig werden fehlende Prüfungsprotokolle oder Altklausuren<br />
als der gewichtigste Punkt angeführt, falls die BLG nicht mehr<br />
gewählt wird. Dies ist aber lediglich ein kleines Spektrum dessen,<br />
was sich ändern würde. Die Tragweite der Konsequenzen aber<br />
reicht vom studentischen Alltag (z.B. Mitorganisation von Kursen,<br />
Lösung von Problemen mit Professoren, Beratung bei Famulaturen,<br />
Erstellen von Stundenplänen) über studentische Freizeit<br />
(z.B. Klinik-Parties wie Klinik im Dschungel, Medikino) bis hin<br />
zu studentischer Politik (z.B. Fachbereichsrat, Fachtagung).<br />
Deshalb mein Appell an alle: Geht wählen bevor die Uni zu<br />
stinken anfängt!<br />
Jeder sollte wählen gehen weil… tja warum eigentlich, fragen sich<br />
wahrscheinlich viele von euch. Es gibt keine Werbegeschenke und<br />
niemand verspricht euch, dass alles besser wird. Was also tut die<br />
<strong>Fachschaft</strong> eigentlich für euch, um eure Stimme zu verdienen?<br />
Wir vertreten eure Interessen nicht nur gegenüber den Professoren,<br />
im Fachbereichsrat und bei der Gestaltung von Studien- und<br />
Prüfungsordnungen, sondern vor allem in vielen kleinen Bereichen<br />
des Uni-Lebens - und glaubt mir, Büro- und Protokolldienst,<br />
ebenso wie die geilsten Partys der Stadt, sind nur ein<br />
Bruchteil unserer Arbeit.<br />
Wir machen das gern und erwarten dafür keine Lorbeeren, aber<br />
ohne die Unterstützung derer, für die wir eigentlich da sein wollen,<br />
sinkt natürlich auch die Motivation, sich zu engagieren.<br />
Deshalb schenkt uns zehn Minuten eurer Zeit, geht wählen und<br />
zeigt uns dadurch, dass unsere Arbeit nicht umsonst ist.<br />
Jeder sollte wählen<br />
Jeder sollte wählen gehen, weil...<br />
Ich bin der Beppe. Schon seit 24 Jahren. Seit 3 Jahren<br />
in der <strong>Fachschaft</strong> aktiv in verschiedenen Bereichen<br />
und Projekten. Gelegentlich bastele ich an Filmen über<br />
nicht nachzuahmende Innovationen im Bereich der<br />
Notenverbesserung mit (Medikino, Für Claire),<br />
manchmal sitz ich halbnackt im Käfig und spiele<br />
Didgeridoo während andere feiern (Klinik im Dschungel),<br />
oft versuche ich die Sache unserer Studenten auf<br />
Fachtagungen zu vertreten.<br />
Zwischendurch<br />
studier ich oder schlafe.<br />
Ich würd gern in den<br />
Fachbereichsrat gewählt<br />
werden, weil ich<br />
glaube dort einiges meiner<br />
bisher gesammelten<br />
Erfahrung einbringen zu<br />
können.<br />
Am Anfang meines Studiums<br />
habe ich die<br />
<strong>Fachschaft</strong> und ihre Arbeit<br />
recht kritisch betrachtet,<br />
mich später jedoch<br />
mit stetig steigendem<br />
Enthusiasmus im<br />
Bürodienst, als<br />
Finanzerin und als helfende<br />
Hand, wann<br />
immer sie benötigt wurde,<br />
selbst eingebracht. Nun möchte ich gerne mit den<br />
Erfahrungen, die ich gesammelt habe, uns <strong>Medizin</strong>studenten<br />
im Fachbereichsrat vertreten. Meine besonderen<br />
Stärken sehe ich vor allem darin, Probleme direkt<br />
anzusprechen, wenn ich sie sehe, und in der Fähigkeit,<br />
konstruktive Diskussionen führen zu können.<br />
Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir dazu euer<br />
Vertrauen entgegenbringt.<br />
47<br />
Juliane Leißner<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
From a Land Down Under<br />
Tim Sattler<br />
48<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
„That’s Dr. Onn, your supervisor for the next four weeks“ waren<br />
die ersten und vorerst letzten Worte von Prof. Freeman,<br />
Consultant der Coronary Care Unit im Concord Hospital. „He is<br />
registrar and head of your team“, fügte er noch hinzu ehe er<br />
mit einem wohlwollenden Nicken wieder in seinem Büro<br />
verschwand. Genauso schnell wie die Vorstellungsrunde<br />
abgelaufen war, ging’s dann auch los. Kaum hatten ich und meine<br />
genauso erstaunt dreinblickende australische Kommilitonin uns<br />
mit unserem <strong>neu</strong>en Ärzteteam vertraut gemacht (Toni, der<br />
Resident mit vietnamesischer Abstammung, und Marylin, Intern<br />
und <strong>neu</strong>estes Mitglied der Kardiologie), rannten wir schon aus<br />
dem Ward raus in Richtung Treppenhaus, um nach einem kurzen<br />
Sprint die Unfallambulanz zu erreichen.<br />
Eine bisschen überfordert und müde war ich schon,<br />
da ich selbst nach fünf Tagen immer noch auf<br />
meinen mitteleuropäischen Rhythmus gepolt war.<br />
Jetzt ging alles so schnell - und noch dazu auf<br />
Englisch. Im Flugzeug hatte ich mich bereits ein<br />
wenig mit dem Buch „Medical English“<br />
auseinandergesetzt, um wenigstens die<br />
gebräuchlichsten Fachausdrücke zu kennen, bevor<br />
mich die Flut von anglo-amerikanischen<br />
Abkürzungen und Medical Terms niederstrecken<br />
sollte. Wenigstens die raren Fachkenntnisse, die ich<br />
aus dem KVK mitgenommen hatte, konnte ich nun<br />
fachgemäß an den Mann bringen.<br />
Endlich in der Ambulanz angekommen, mussten<br />
wir auch gleich hinter einem vorgezogenen<br />
Vorhang warten. Dahinter verbarg sich ein Patient,<br />
der im Sterben lag. Etwas enttäuscht nutzte ich den<br />
Moment um mich mit der fremden Umgebung<br />
vertraut zu machen. Theresa, meine australischen<br />
Kommilitonin, fütterte mich derweil mit essenziellen<br />
Infos.<br />
Kurz darauf nahm uns Marylin mit zu den anderen<br />
Herzpatienten in der Notambulanz, an denen wir<br />
dann Anamnese und Untersuchung durchführen<br />
sollten. Zusammen mit Theresa, die mir immer wieder diverse<br />
durch Dialekte oder Akzente bedingte Abweichungen in der<br />
Englischen Sprache übersetzen musste, ging es dann doch recht<br />
flüssig durch die Patientenhistorie. Bei den Herzgeräuschen<br />
mussten wir aber dann doch noch mal nachfragen, ob es sich<br />
nun um eine Aortenstenose oder Mitralinsuffizienz handelte.<br />
Dazu benötigt man dann doch etwas mehr Erfahrung als ein<br />
Semester-Untersuchungskurs zulässt.<br />
Zurück auf unserer Station angekommen, fing dann die<br />
eigentliche Visite an. Kreuz und quer wanderten wir umher und<br />
ein Ende schien nicht absehbar. Wir hetzten von Infarktpatienten<br />
zu Klappenfehlerpatienten, während Resident und Intern immer<br />
eifrig Dr. Onns Diagnosen mitschrieben. Ich hingegen lauschte<br />
dieser fremden Sprache und versuchte mitzukommen. Das<br />
Problem hatte aber nicht nur ich, denn Dr. Onn ist Inder. Und<br />
wer schon mal einen Inder Englisch hat sprechen hören, weiß<br />
was das bedeutet. Selbst nach mehrmaligem Nachfragen, bekam<br />
ich nicht mehr mit, als eine Aneinanderreihung nasaler Laute in<br />
einem singsangartigen Redefluss. Hinterher musste ich meist bei<br />
den anderen im Team nachfragen. Bei der vorherrschenden<br />
Hektik war das allerdings recht mühselig.<br />
Die Systematik, nach der wir unsere Patienten besucht haben,<br />
verstehe ich bis heute nicht. Wahrscheinlich aber lief es nach<br />
dem Chaosprinzip 1 . Das erschwerte es ungemein, sich einen<br />
Überblick zu verschaffen.<br />
Eins ist jedenfalls sicher: Meine Station, Ward 6, wurde von drei<br />
Ärzteteams versorgt, die jeweils einem Consultant unterstehen,<br />
dem die Patienten zugeordnet sind.<br />
Unser Consultant, Dr. Pawsey, besuchte uns dreimal pro Woche.<br />
Sehr erfreulich für uns Studenten, da nach jedem Patienten eine<br />
ausführliche Erklärung folgte mit anschließendem<br />
pathophysiologischen und pharmakologischem Quiz. Das waren<br />
dann aber eher die seltenen Momente, in denen ich in meiner<br />
Famulatur gefordert wurde, da Dr. Onn meistens zu beschäftigt<br />
war, um uns Studenten Aufmerksamkeit zu schenken. Sehr<br />
schnell wurde mir klar, dass nur Hinterherlaufen und Zuschauen,<br />
so wie das die australischen Studenten tagtäglich praktizieren,<br />
mich medizinisch wenig weiterbringen würde. Anamnesen und<br />
Untersuchungen mussten auf Eigeninitiative erfolgen. Auch das<br />
für Famulanten in Deutschland so übliche Blutabnehmen und<br />
Nadellegen fällt in Australien leider weg, da dafür ausgebildete<br />
Schwestern diese Aufgabe übernehmen. Dadurch kommt man<br />
sich gleich noch ein Stück unnützer vor. So hab ich nachmittags<br />
dann meistens Zeit gehabt, um mich im Katheterlabor und im<br />
Herzecho umzusehen.<br />
Da ich offiziell Student der University of Sydney war, hatte ich<br />
natürlich auch die Möglichkeit an diversen<br />
Lehrveranstaltungen teilzunehmen, die mehrmals in der<br />
Woche in Form von Tutorials à la Harvard-Kurs oder<br />
freiwilligen POL-Gruppen stattfanden. Einmal in der Woche<br />
gab es noch die Grandround. Das ist ein Zusammentreffen<br />
aller Studenten und in der Ausbildung stehenden Ärzten, bei<br />
der zu einem ausgewählten Gebiet Patientenfälle vorgestellt<br />
und diskutiert werden. Der gesellschaftliche und kulinarische<br />
Faktor stand hierbei allerdings im Vordergrund: Von leckeren<br />
Sandwichhäppchen wurde man nur allzu leicht vom<br />
eigentlichen Thema abgelenkt.<br />
1<br />
siehe auch:<br />
Chaostherie, Stichwort: Lorenzscher Schmetterling; von dem wird<br />
gerne berichtet: „Wenn ein Schmetterling in Australien seine Flügel<br />
schlägt, kann er damit einen Sturm in New York auslösen.“
Alles in allem war es aber doch eine groß- und auch<br />
einzigartige Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Allerdings<br />
kann ich keinem empfehlen erste Auslandserfahrungen in<br />
Famulatur oder PJ-Tertial in einem internistisches Fachgebiet<br />
zu wählen. Dazu bekommt man, zumindest in Australien, zu<br />
wenig Verantwortung übertragen und wird mit vielen sehr<br />
theoretischen Fachkenntnissen konfrontiert. Eine indischenglische<br />
Erklärung einer „Torsade de pointes“ kann sehr<br />
verwirrend sein.<br />
Ganz anders war es in so manchen chirurgischen Fächern, wo<br />
man während den OPs so einiges gezeigt und erklärt bekam.<br />
Das wiederum war sehr leicht zu verstehen, da die<br />
anatomische Namensgebung nun mal hauptsächlich auf Latein<br />
beruht.<br />
Prinzipiell muss man aber sagen, dass es im Concord Hospital,<br />
Lehrkrankenhaus der University of Sydney, sehr viel Personal<br />
und Lernende gibt. Als Student gab es deshalb nicht sehr viel<br />
zu tun und Eigeninitiative war gefragt (Anamnese, POL-Kurse,<br />
etc.). Als ausländischer Student muss man ebenfalls, wie es<br />
generell in Australien üblich ist, für das Studium und somit<br />
auch für Famulatur und PJ, zahlen (ca. EUR 2<strong>50</strong> für vier<br />
Wochen). Man wird dort dann auch als Student geführt:<br />
Benutzung von Computern, Bibliothek, Zimmer im<br />
Schwesternwohnheim auf dem Campus (ist zwar etwas alt und<br />
karg, zum Teil auch recht speckig, dafür aber mit EUR 25 pro<br />
Woche sehr günstig und ein super Erlebnis mit all den anderen<br />
internationalen Studenten, Pflegekräften und jungen Ärzten<br />
abends zusammenzusitzen oder in Sydney wegzugehen).<br />
In Australien gibt es auch die Möglichkeit an einem kleineren<br />
Krankenhaus zu famulieren, ohne sich den ganzen<br />
Formalitäten der Universität hingeben zu müssen, was damit<br />
sicherlich auch kostengünstiger ist, wenn man einen<br />
entsprechenden Ansprechpartner vor Ort hat.<br />
Wir mussten allerdings den offiziellen Weg wählen und<br />
wurden dafür aber was Bewerbung, Unterbringung,<br />
Infomaterialien und Bescheinigung angeht sehr gut betreut, da<br />
es in jedem Uni-Lehrkrankenhaus Ansprechpartner für<br />
Studenten gibt.<br />
Was das „sozio-kulturelle Rahmenprogramm“ angeht, so kann<br />
ich Sydney nur wärmstens empfehlen, da es eine gigantische,<br />
facettenreiche und dazu auch noch vergleichsweise günstige<br />
Metropole ist. Wir haben es sogar geschafft, Clubs mit<br />
kostenlosem Eintritt aufzutun, wo die Getränkepreise<br />
trotzdem nicht so wucherten wie beim einen oder anderen<br />
Münchner Partyveranstalter. Obwohl Concord Hospital etwa<br />
25km Luftlinie vom Stadtkern entfernt ist (in australischen<br />
Verhältnissen ein Katzensprung), ist man trotzdem sehr gut<br />
mit öffentlichen Verkehrsmitteln angebunden.<br />
Die Schattenseite dieser faszinierenden Stadt mit ihrem schier<br />
grenzenlosen Freizeitangebot:<br />
Es erfordert eine gehörige Portion Selbstdisziplin, jeden<br />
Morgen um Punkt 8 auf der Matte zu stehen und mit noch<br />
halbtauben Ohren Herztöne zu interpretieren...<br />
Weitere Informationen bezüglich Famulatur oder PJ erhält<br />
man bei Jenny Moore (jenmoore@med.usyd.edu.au),<br />
die sich verantwortlich für die Platzvergabe in Concord<br />
Hospital zeichnet.<br />
Lust auf Ausland?<br />
49<br />
Auf zur Auslandssprechstunde!<br />
Jeden Donnerstag,<br />
12 00 bis 13 00<br />
im <strong>Fachschaft</strong>s-Büro<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
Famulissime!<br />
Sylvère Störmann<br />
<strong>50</strong><br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
„So, da bin ich.“ Ein verwirrtes, ja fast schon entsetztes<br />
Oberarzt-Gesicht blickt mir entgegen. „Wie?!“ Kurzes<br />
Schweigen. „Ach ja, der PJler!“ Nun selbst verwirrt,<br />
berichtige ich das Missverständnis. Der hektische<br />
Stationsdienst kann so was schon mal vergessen<br />
machen. „Dann kommen Sie mal schnell mit mir mit.<br />
Dann können wir ja direkt zur Besprechung gehen.“ Im<br />
Eilschritt kämpfen wir uns durch die Station, der Blick<br />
des Arztes schweift auf die Armbanduhr. „Ne, das geht<br />
ja jetzt doch nicht, weil ich auf eine andere Besprechung<br />
muss. Aber Sie gehen mal dahin, OK?“ Ich bin<br />
einverstanden und versuche, dies auch mitzuteilen, doch<br />
noch ehe sich mir die Möglichkeit dazu bietet, fährt die<br />
Hektik fort: „Am besten stellen Sie sich direkt mal beim<br />
Geräte-Arzt vor. Wissen Sie, wer heute Geräte-Arzt ist?“<br />
In der einen Minute, die ich mittlerweile auf Station bin,<br />
habe ich es leider nicht in Erfahrung bringen können.<br />
Nicht einmal, was ein Geräte-Arzt überhaupt sein soll.<br />
Ich verneine also. „Gut. Dann suchen wir den mal.“<br />
Wie immer funktioniert mal gar nichts, so wie man es<br />
sich vorgestellt hat. Ein wunderschöner Morgen, die<br />
Schwestern strahlen, die Ärzte begegnen ihnen mit<br />
Respekt und inmitten dieser imaginären Idylle hockt man<br />
selbst, der frische Famulus. Natürlich wird man erst mal<br />
allen vorgestellt, man steht im Mittelpunkt, man ist das<br />
<strong>neu</strong>e Kind in einer großen Familie. Das Kindchen-<br />
Schema provoziert, dass sich alle um den „Kleinen“<br />
ringen. Er ist ja so putzig. Und man muss ihm die Welt<br />
zeigen. Das ist Verantwortung. Eine, die sie gerne tragen.<br />
Denn sie wollen gerne diejenigen sein, zu denen das<br />
putzigen kleinen Neufamilienmitglied aufschaut.<br />
Nach einer gewissen Weile ist auch mir klar, was ein<br />
Geräte-Arzt sein soll. Irgendwie. Was er tut, verstehe<br />
ich noch immer nicht. Mir fällt es überhaupt schwer,<br />
herauszufinden, was die hier alle tun. Klar, befunden tun<br />
sie alle brav. Und sonst? Und was bleibt dann für mich<br />
zu tun? Und wo kann ich was tun? Und überhaupt?<br />
‚Nadeln’, das ist es. Die vielfältigen Tätigkeiten, die man<br />
hier verrichten kann (Kaffe kochen, Kaffee trinken,<br />
surfen, kalten Kaffee wegkippen, Kaffee nachkochen),<br />
werden immer wieder durch Patienten, denen man bunte<br />
Verweilkanülen in die Arme rammen darf, unterbrochen.<br />
Das bietet Abwechslung und lenkt vom Kaffee ab.<br />
Dieses feine Zusammenspiel verschiedener<br />
Beschäftigungen bietet ihr übriges. Denn Koffein-<br />
Intoxikation und Nadelquote wollen genauestens<br />
koordiniert sein. Je größer der Kaffeekonsum und je<br />
kleiner die Venen, desto geringer die Wahrscheinlichkeit,<br />
den Patienten mit dem Gefühl des Gut-Aufgehoben-Seins<br />
in die Untersuchung zu entlassen.<br />
Damit die Motivation bestehen bleibt, die Ambition, es<br />
wirklich gut zu machen, steigt und der Ehrgeiz greift,<br />
erklärt einer der Ärzte gleich das Geheimnis des Nadelns,<br />
dessen immanente Bedeutung in punkto sozialer Stellung<br />
desjenigen, der sie meistert. „Je besser du nadeln kannst,<br />
desto mehr wirst du bewundert. Das ist doch wie bei<br />
den Frauen: Wenn du ein richtig geiler Stecher bist, dann<br />
bist du einfach der King. Das ist beim Nadeln auch nicht<br />
anders. Da stichst du ja auch!“ Obwohl das sehr griffig<br />
und logisch klingt, bezweifle ich, aus diesem Wissen einen<br />
Nutzen ziehen zu können. Aber die Einstellung, die sie<br />
bewirkt ist gut: cool bleiben und rein damit. Immer locker<br />
bleiben. Das klappt ganz gut.<br />
Ob nun privatversicherte Patientinnen zu keifen<br />
beginnen und vor Wut beinahe schon der Geifer aus den<br />
Mundwinkeln trieft oder einfach nur eine Blutfontäne<br />
aus dem Arm des harmlos wirkenden Patienten die<br />
Einrichtung <strong>neu</strong> dekoriert, die Misserfolge, die man hier<br />
erlebt, sind eher harmlos – und bereiten dennoch gut<br />
darauf vor, sich mit Rückschlägen, wie sie in den<br />
Folgejahren auftreten werden, klar zu kommen. Das gilt<br />
sowohl im Umgang mit Patienten als auch mit dem Team<br />
um einen herum.<br />
So ereignet es sich etwa, dass ein Arzt sich plötzlich<br />
gestört fühlt, wenn sich ein Famulus neben ihn hockt. Er<br />
schickt ihn fort. Am Folgetag ereignet sich wieder das<br />
Gleiche. Und auch ein drittes Mal spielt sich diese Szene<br />
ab. Doch bei diesem dritten Mal setzt unterbricht der<br />
für die Befundung eingeteilte Arzt seine Tätigkeit und<br />
setzt sich zu seinem Kollegen: „Lass uns das mal<br />
gemeinsam durchgehen.“ Da winkt er den Famulus<br />
herüber und deutet ihm, Platz zu nehmen. Zu jedem Tief<br />
gehört auch irgendwann ein Hoch. So ist das Leben.<br />
Ganz besonders im Krankenhaus.<br />
Daher weiß es schon zu ermuntern, wenn plötzlich ein<br />
anderer Arzt, so eine Art „Kumpel-Typ“, philosophiert,<br />
dass sich die Dinge immer ändern und man sie nehmen<br />
soll, wie sie kommen. „Ach ja, der Stress im Studium!<br />
Ich habe während des Präp-Kurses gekifft wie ein<br />
Weltmeister. Aber egal was ist, das legt sich auch<br />
wieder.“<br />
Das Leben im Krankenhaus kann hart sein. So wie auch<br />
das Studium. Eines Tages werden wir so weit sein und<br />
die hütenden Arme der Universität verlassen. Dann sind<br />
wir auf uns alleine gestellt, den Klinikalltag mit all seinen<br />
Höhen und Tiefen erfahren. Es wird manchmal hart, aber<br />
es wird auch seine lichten Momente haben. Es wird gut<br />
sein. Und dann kann man auch mit dem Oberarzt lachen,<br />
wenn er etwas entspannter bei der Befundung sein<br />
diagnostisches Vorgehen kommentiert: „Soso, die hat also<br />
Hepatitis D. Am Alter sehe ich doch, dass die Studentin<br />
ist. Hat was von Russland erzählt. Die Geschichten kenne<br />
ich... ‘Commandant Vladimir hieß er. Aber es war Liebe<br />
- er hat geschworen.’“
Blau machen – in der Anatomie!<br />
Tobias Benthaus<br />
Was steckt dahinter, dass in den Toiletten in der Anatomie und<br />
den Innenstadtkliniken blaues Licht brennt?<br />
Vorweg sei bemerkt, dass nicht etwa ein Farbberater oder Feng-<br />
Shui-Beauftragter dafür verantwortlich ist, sondern die<br />
Hausverwaltung. Es scheint also einen tieferen Sinn zu haben,<br />
dass uns der Aufenthalt im Sanitärbereich durch derart fiese<br />
Strahlung vergrault wird (oder irre ich mich, da anderen Quellen<br />
nach, blaues Licht beruhigen und „die Stimmung des Tages<br />
weitertragen“ soll. Ob das bei der Installation in der Anatomie<br />
eine Rolle gespielt haben mag?<br />
Nun, blaues Licht in öffentlich zugänglichen sanitären<br />
Einrichtungen gab es schon früher, in Bahnhöfen zum Beispiel.<br />
Auf dem Weg, Licht ins Dunkel(blaue) zu bringen, taten sich<br />
überraschende Lösungsvorschläge auf. Und, wie so oft, weiß<br />
man oft nicht, für welche Antwort man sich entscheiden soll:<br />
51<br />
Richtig (bzw. nicht falsch) ist nur die Antwort C. Nicht nur in<br />
München, auch an vielen anderen Orten auf der Welt wird<br />
versucht, Menschen, die intravenös Drogen konsumieren, von,<br />
zumeist öffentlich zugänglichen und doch nur schwer<br />
beobachtbaren Plätzen („stille Örtchen“) zu vertreiben.<br />
Das blaue Licht soll dabei dem Drogenabhängigen das Auffinden<br />
der Venen verunmöglichen. Jeder kann diese Theorie einmal an<br />
sich selbst ausprobieren. Die Drogensüchtigen kennen ihre<br />
Gefäßverhältnisse in aller Regel sehr gut und verfügen über<br />
erstaunliche Injektionsvarianten, wenn die großen, üblicherweise<br />
benutzten Venen nicht mehr zur Verfügung stehen, zum Beispiel<br />
durch Vernarbung bei langdauerndem Drogenkonsum.<br />
Die Beleuchtung wurde angebracht, weil es Alltag der<br />
Reinigungskräfte und Haustechniker ist, Spritzen zu finden und<br />
entsorgen zu müssen. Es besteht also Bedarf an einer<br />
Verlagerung des Drogenkonsums, nicht zuletzt, weil im Schatten<br />
des Konsums das Problem der Beschaffungskriminalität<br />
auftauchen könnte (wenn es nicht schon da ist).<br />
Dabei wechselt die Lichtfarbe in öffentlichen Toiletten, wie ein<br />
Modetrend. Dies liegt meist am Betreiber (die Bahn hat aus<br />
Gründen der „Servicefreundlichkeit“ wieder weißes Licht<br />
installieren lassen und die Bahnpolizei kontrolliert häufiger) oder<br />
an der Resignation der Verantwortlichen, weil der<br />
Drogenkonsum nicht deutlich zurückgegangen ist.<br />
Warum aber braucht es gerade in den Instituten und Kliniken in<br />
der Innenstadt diese besondere Beleuchtung?<br />
Da wäre einmal die unmittelbare Nähe zu einem Brennpunkt<br />
der Drogenszene, dem Sendlinger Tor-Platz, und da vor allem<br />
die Grünanlage zwischen Lindwurm- und Nußbaumstraße. Zum<br />
Anderen könnten sich Drogenabhängige in einem Klinikgebäude<br />
sicherer fühlen, da im Falle von Komplikationen rasche Hilfe zu<br />
erwarten ist. Dies setzt jedoch die Bereitschaft voraus, dass Erste<br />
Hilfe geleistet wird, wenn von einem erhöhten Infektionsrisiko<br />
ausgegangen werden muss. Mehr dazu in der nächsten Ausgabe.<br />
Ohne Zweifel für das blaue Licht spricht die Tatsache, dass das<br />
Schminken beinahe unmöglich sein soll. Ob damit allerdings die<br />
Konzentrationsfähigkeit der Studenten gehoben werden kann,<br />
eine entsprechende Absicht vorausgesetzt, bleibt abzuwarten.<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
<strong>Medizin</strong>er und ihr Sport: Segeln<br />
Philip Hepp<br />
Segeln in München<br />
Rund um München gibt es Unmengen von Segelclubs<br />
und Vereinen, die meistens auch eine mehr<br />
oder weniger gut ausgestattete Jugendabteilung<br />
haben.<br />
Empfehlenswert ist sicher das Angebot des ZHS<br />
(siehe ZHS-Info) oder auch des Akademische Segler<br />
Vereins (www.asvim.de). Bei letzterem könnt<br />
ihr auch gerne mal einfach so mitsegeln (Am besten<br />
bei fm@asvim.de melden).<br />
Bei schönem Wetter zieht es regelmäßig viele Studenten an die<br />
Seen im Münchner Umland. Die meisten jedoch begnügen sich<br />
mit Chillen an Land und allenfalls ein paar Runden Schwimmen<br />
zum Abkühlen. Doch entgegen bösen Gerüchten eignen sich die<br />
Bedingungen meist auch hervorragend zum Surfen und Segeln.<br />
Letzteres gilt im Allgemeinen als teurer Sport, den sich Studenten<br />
kaum leisten können. Das muss nicht so sein! Es gibt diverse<br />
Angebote speziell für uns Studenten, um auch uns das Segeln zu<br />
ermöglichen.<br />
Die meisten Vorteile dieser Sportart liegen auf der Hand. Vor<br />
allem die Möglichkeit, diesen Sport mit völlig individuellem zeitlichen<br />
und körperlichen Engagement zu betreiben, hat mich von<br />
Anfang an begeistert. Vom Badesegeln mit Freunden bis zum<br />
abenteuerlichen Gewitterritt über die Wellen ist - freilich abhängig<br />
von Boot, Wetter und Können - so ziemlich alles möglich.<br />
Angenehm ist auch, dass diese Sportart unheimlich schnell zu<br />
erlernen ist und sich schon bald erste Erfolge einstellen. Dennoch<br />
wird es aber kaum langweilig, da die Möglichkeiten, das<br />
Boot zu beeinflussen, schier unerschöpflich<br />
sind und selbst ein ganzes<br />
Seglerleben nicht reicht, um alles<br />
perfekt zu können.<br />
52<br />
Entgegen der weitverbreiteten Meinung<br />
ist Segeln auch - beziehungsweise<br />
vor allem - ein Mannschaftssport.<br />
Jedem, der mal auf einem<br />
mittleren bis großen Schiff bei einer<br />
Regatta dabei war, wird dies<br />
schlagartig klar. Wie bei jeder klassischen<br />
Mannschaftssportart<br />
kommt es auch und gerade beim<br />
Segeln auf eine funktionierende<br />
Kommunikation innerhalb des<br />
Teams an. Wenn die Leute auf dem<br />
Vorschiff bei der Wende schlafen,<br />
kann der Skipper machen was er<br />
will, das Manöver kann nicht gelingen.<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Aber das meiner Meinung nach Allerbeste<br />
an der Segelei ist die Möglichkeit<br />
zum Entspannen - und das<br />
ist ja bekanntlich gerade bei uns<br />
<strong>Medizin</strong>ern verdammt wichtig. Es<br />
ist wirklich genial, wenn man nach<br />
einem heißen Sommertag in der<br />
Lesehalle mit unzähligen Koffeintabletten<br />
und noch viel mehr<br />
Kreuzelchen einfach an den See<br />
fahren kann, um sich zusammen<br />
mit Freundin oder Freunden ein<br />
Boot zu schnappen und dann mitsamt<br />
Weißbier/ Spezi in den Sonnenuntergang<br />
zu schippern und<br />
das Aussehen der Gelben Reihe so<br />
gründlich zu vergessen, dass man<br />
zumindest nicht von A, B, C, D oder<br />
E träumt...
Ein Segel-Logbuch<br />
Philip Hepp & Sylvère Störmann<br />
Segeln ist schön. Die Krönung für alle Münchner Segler ist aber natürlich die Reise zur<br />
(wirklichen) See. So geschah es denn auch, dass eine Hand voll Segler eine andere Hand<br />
voll Nicht-Segler mit auf eine Reise in die türkische Ägäis nahm. Drei <strong>Medizin</strong>er waren mit<br />
an Bord. Für sie war es ein Selbstbelohnungstrip anlässlich ihres soeben bestandenen<br />
Physikums. Wir stellen hier in einer Art Logbuch vor, was so alles passieren kann, wenn ein<br />
etwas chaotischer, aber vielleicht auch liebenswerter Haufen auf Segel-Reise geht<br />
Endlich ward es geschafft, diese eine und scheinbar alles<br />
entscheidende Hürde zu nehmen. Nun durften auch wir den<br />
Titel cand. med. tragen und uns rühmen, Überlebende des<br />
Physikum zu sein. Was also lag näher, als erst einmal das zu tun,<br />
was man als angehender Arzt können muss? So begaben wir<br />
uns in den lang ersehnten Urlaub, gönnten uns etwas Luxus.<br />
Zwei Wochen Türkei, Sonne, Wind – und eine schnittige<br />
Segelyacht.<br />
Tag 1<br />
Das Wetter ist gut, ja herrlich<br />
gar. Allerdings fehlt der Wind.<br />
Wir müssen auf den Motor<br />
zurückgreifen. Erste<br />
Seeunverträglichkeit<br />
beobachtet. Der Erste muss<br />
sich übergeben.<br />
Tag 2<br />
Immer noch Flaute. Weiter<br />
Motorfahrt. Egal, wir haben<br />
Bier und Zigaretten.<br />
Tag 3<br />
Unter der Bayrischen Flagge<br />
vereint, fließt an Bord nicht<br />
nur bayrisches, sondern auch<br />
deutsches, österreichisches,<br />
russisches, italienisches,<br />
französisches und türkisches<br />
Blut (letzteres nur aus einer<br />
riesigen, hässlichen<br />
Tigermuräne, die wir gefangen<br />
haben). Die ausgewiesenen<br />
Fischereiexperten verbringen<br />
den Tag damit, unsere<br />
Nahrungsmittel als Köder zu<br />
verwenden und damit die Fische zu füttern. An der Anlegestelle<br />
gibt es eine Bar. Dort kriegt man zwar nix zu essen, aber<br />
wenigstens Raki. Auch gut.<br />
Tag 9<br />
Gemütliches Sonnenbad an Deck, zwischendurch kurz<br />
schwimmen. Wir ankern in einer gemütlichen, kleinen Bucht.<br />
Alles ist sehr angenehm und ruhig. Wir haben zwar Hunger,<br />
aber wir haben ja immer noch Bier und Zigaretten. Überhaupt<br />
scheint die Truppe bei jedem<br />
Landgang nur Bier zu kaufen. Wo<br />
sind die Lebensmittel?<br />
Inmitten der Idylle fährt plötzlich<br />
ein Urschrei quer durch die<br />
Berglandschaft. Quell des Getöses<br />
ist der Kampfrusse. Diesen hatte<br />
man Ewigkeiten nicht mehr<br />
gesehen, da er im Felsgestein<br />
tauchend einem Tintenfisch<br />
hinterher jagte. Wie He-Man hält<br />
er sein Jagdmesser in die Luft und<br />
brüllt weiter. Statt einer blitzenden<br />
Klinge leuchtet lediglich ein<br />
armseliges Tierchen. Es wird an<br />
Bord gebracht. In einer biologisch<br />
angehauchten Diskussion<br />
entscheidet man dann, wie es von<br />
seinen Qualen erlöst werden soll.<br />
Abends dann gebratener<br />
Tintenfisch.<br />
Tag 11<br />
Mal wieder Landgang. Wollen uns<br />
in einem Restaurant mal richtig<br />
den Bauch voll hauen. Einige von<br />
uns halten seit Beginn der Reise<br />
eine besondere Diät. Nennen wir<br />
sie mal „Romanische-<br />
Essgewohnheits-Diät“. Sie besteht<br />
darin, dass die Betroffenen zu<br />
später Uhrzeit zu essen gewohnt sind. Zu einer Uhrzeit eben, da<br />
die anderen schon längst die Kombüse leer gefressen haben.<br />
Das Leben auf hoher See ist unerbittlich.<br />
53<br />
Tag 5<br />
Nahrungsbeschaffung durch Kampfrussen. In einem<br />
Naturschutzgebiet bezwingt er Krebse. Ein Kampf, den die Tiere<br />
schon verloren hatten, bevor er überhaupt angefangen hatte.<br />
Mittlerweile ist unser wichtigstes Nahrungsmittel der Knoblauch.<br />
Jeder reißt sich um den Posten des Knoblauch-Schälers.<br />
Werden an jedem Hafenrestaurant von kuriosen Gestalten<br />
angesprochen: „Mein Freund, ich machen dir gute Preis für Bier.<br />
Komm rein.“ Hatten anfangs Schwierigkeiten, sie abzuwimmeln.<br />
Guter Trick: laut „Hellas!“ rufen und mit freundlicher Gestik auf<br />
den Restaurantmenschen zugehen. So hat man dann seine Ruhe.<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
Militärstützpunkt Poliklinik<br />
54<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Heilfroh, noch zu leben, möchte ich an dieser Stelle von meinem<br />
Aufenthalt am Militärstützpunkt Poliklinik berichten. Vor einigen<br />
Wochen beschied mir mein Arzt eine Erkrankung, die einer<br />
Operation bedurfte. Ein kleiner Eingriff, Routine - eigentlich. Nun<br />
hatte ich die Wahl, ob ich mich in der Innenstadt oder in<br />
Großhadern operieren lassen sollte. Ich hatte mich bewusst für<br />
das gemütliche, kleine, harmlose, ja fast schon familiär<br />
angehauchte Haus mit schönem Garten in der Pettenkoferstraße<br />
entschieden, als das wir unsere Poliklinik alle kennen. Durch die<br />
Untersuchungskurse, die ich hier besucht habe, kannte ich mich<br />
schon etwas aus. Und ich war froh nicht in den klotzigen Koloss<br />
vor den Toren Münchens zu müssen, der mir schon von Weitem<br />
Angst bereitet.<br />
Zuversichtlich betrat ich also eines frühen Morgens das nach<br />
außen Ruhe ausstrahlende Gebäude in der Innenstadt, um die<br />
Aufnahmeuntersuchung für meine OP durchführen zu lassen.<br />
Zu diesem Zeitpunkt war noch alles in Ordnung und ich ahnte<br />
nichts Böses...<br />
Nach langem, langem Warten kam das Aufnahmegespräch mit<br />
einer zerstreuten Sekretärin in Blümchenkleid und Brille tief auf<br />
der Nasenspitze. Meine wenigen Daten (Adresse und Geburtsort)<br />
gab sie im Adlerauge-Suchsystem mit ihrem einen Tippfinger in<br />
ihren Computer ein. Nach dieser Schikane erst durfte ich in eine<br />
der drei Kabinen des Untersuchungsraumes, in dem sich eine<br />
sehr sympathische Ärztin um mich bemühte.<br />
Die fernsehserienreife Harmonie sollte allerdings nicht lange<br />
währen, denn als die Lämpchen der Untersuchungseinheit<br />
ausfielen, brauste auch schone eine dralle Schwester<br />
mit zorniger Miene heran und fauchte die Ärztin<br />
an: " Immer macht ihr das hier alles kaputt! Jetzt<br />
kann ich die Birnen wieder austauschen! Das liegt<br />
daran, dass Ihr die Geräte immer die ganze Nacht<br />
anlasst!" Während sie noch mehrmals "15 Euro<br />
kosten die Birnen " leise vor sich hinschnaubte,<br />
nahm die Ärztin ruhig und gelassen ihre Arbeit<br />
wieder auf. Ich hingegen musste mich schwer<br />
zusammenreißen, um nach der dargebotenen<br />
Szene nicht auszurasten. Wie konnte sich diese<br />
Schwester nur vor den Patienten derart aufführen?<br />
"Gewöhn dich schon mal dran", beschied mir die<br />
Ärztin. Das klang nach einem gut gemeinten Rat<br />
für meine Zukunft als Ärztin in einer albernen<br />
Krankenhaushierarchie. Aber war es nicht vielleicht<br />
auch eine Warnung an mich als Patientin?<br />
Dabei hatte ich mir den Krankenhausaufenthalt so<br />
schön ausgemalt. Viel schlafen, ausruhen, -<br />
schlichtweg einfach mal nichts tun. Vor allem weder<br />
lernen noch kreuzen. Dass dies aber eine recht naive<br />
Vorstellung war, merkte ich leider rasch. Genauer<br />
gesagt morgens um 7h30 vor meiner OP. "Was macht<br />
der Koffer hier auf dem Boden, ist der noch nicht<br />
ausgeräumt???", schallte es mir unfreundlich<br />
entgegen, nachdem eine Schwester mein Zimmer<br />
betreten hatte. Kurz zuvor hatte ich erst selbiges<br />
getan, denn zu meinem Glück durfte ich Daheim<br />
übernachten und war samt meiner Koffer zu guter<br />
Morgenstund erschienen. Wurde man hier so<br />
geweckt? Scheinbar handelte es sich aber um eine<br />
rhetorische Frage, und überhaupt schien das<br />
Interesse der Schwester an Dialog minimal wenn<br />
denn überhaupt vorhanden gewesen zu sein:<br />
"Ziehen Sie sich das Nachthemd an und schlucken<br />
sie die Pille!" Prägnant, barsch, fordernd. Wie beim<br />
Militär. Ich wunderte mich, ob ich vielleicht auch<br />
still stehen müsste. Füße zusammen und Gewehr<br />
gerade halten? Eigentlich freute ich mich da schon<br />
fast auf meine Vollnarkose...<br />
Die OP verlief ohne Komplikationen und den Rest des Tages habe<br />
ich mit einem tiefgrauen Schleier vor Augen von einer anderen<br />
Sphäre aus erlebt. Das Schlimmste war, dass sich meine Augenlider<br />
wie Blei anfühlten und ich so unendlich müde war, ich aber einfach<br />
nicht einschlafen konnte. Ich blutete die ganze Nacht lang und<br />
konnte nur noch durch den Mund atmen, der sich schon nach<br />
einer Viertelstunde anfühlte wie eine ausgedorrte<br />
Wüstenlandschaft. Schlafen ging also nicht. Aber irgendwie<br />
vertrieb ich mir schon die Zeit. Ob Hörspiele, Magazine, Bücher<br />
oder Fernsehen, irgendwie ging das schon. Irgendwann ging<br />
schließlich die Sonne auf. Ich fühlte mich wie zermatscht als gegen<br />
6h30 eine mir unbekannte Schwester meine Zimmertür aufriss<br />
und zum Fenster hastete, um dann mit Karacho die Rollläden<br />
hoch zu ziehen. Scheinbar wurde man hier so geweckt. Ich hätte<br />
schon gehofft, dass darauf zumindest noch ein "Guten Morgen",<br />
"Wie fühlen Sie sich?" oder "Haben Sie gut geschlafen?" gefolgt<br />
wäre, stattdessen befahl man mir nur: "Räumen Sie den Koffer<br />
vom Tisch! Da muss das Frühstück hin!" Zunächst verstand ich<br />
nicht, aber dann fiel mir ein, dass mein Freund mir den Koffer<br />
offen auf den Tisch gelegt hat, damit ich besser rankäme. Aber es<br />
half alles nichts. Als junger Rekrut im Militärstützpunkt Poliklinik<br />
musste ich mich aufrappeln und durch.<br />
Schwindelig torkelte ich denn aus dem Bett und machte mich<br />
daran, den schweren Koffer auf den Boden zu hieven. Danach<br />
schob ich ihn unter den Tisch, um mir nicht noch Vorwürfe<br />
anhören zu müssen, man könne drüberstolpern oder so. Ich
wankte zurück zu meinem Bett, legte mich hin und schloss die<br />
Augen. Die Ruhe hatte ich mir ja nun auch verdient. "Was macht<br />
denn der Koffer hier unter dem Tisch? Der muss da weg! Der<br />
gehört oben auf den Schrank. Sonst können ja die Putzfrauen<br />
hier nicht wischen." Putzfrauen? Wischen? Ich öffnete widerwillig<br />
die Augen und erkannte die Schwester, die schon am Tag zuvor<br />
ein Problem mit meinem Gepäckstück hatte. Müde und ausgelaugt<br />
erklärte ich ihr, dass ich den Koffer gerade erst vom Tisch auf den<br />
Boden gelegt hatte und - doch da fiel sie mir schon ins Wort: "Ja,<br />
wer legt denn auch schon einen Koffer auf den Tisch?! Räumen<br />
Sie den leer, dann stell ich ihn für Sie auf den Schrank." Eigentlich<br />
ging es mir ziemlich dreckig und noch lieber als Kofferauspacken<br />
wollte ich einfach nur ausruhen. Stille. Und schon war sie<br />
verschwunden.<br />
Die Stunden vergingen. Irgendwann kam der Arzt. Er kümmerte<br />
sich kurz um mich, verließ alsbald das Zimmer und ich dämmerte<br />
etwas vor mich hin. Dann drückte ich den Knopf um eine der<br />
Friedenspreis verdächtigen Schwestern zu rufen. Schon erschien<br />
eine im Türrahmen: muffig, muskulös, männlich. Sahen die alle<br />
gleich aus? Leise fragte ich höflich: "Entschuldigung, der Arzt<br />
war gerade bei mir. Könnten Sie mir vielleicht die Eiskrause,<br />
Antibiotika und Nasensalbe bringen?" - "Wir gehen gleich von<br />
Zimmer zu Zimmer! Wenn Sie das Eis und die Salbe JETZT wollen,<br />
dann gehen Sie ins Schwesternzimmer!" - "Ja, ich fühle mich halt<br />
noch ziemlich wackelig auf den Beinen..." Schon war sie weg. Ich<br />
wartete anderthalb Stunden und machte mich dann doch selbst<br />
auf den Weg.<br />
Die Tage vergingen und ich hatte mich fast schon an die ruppige<br />
Art der Militäreinheit hier am Poliklinik-Stützpunkt gewöhnt.<br />
Doch dann kam der Punkt, an dem ich einfach nur froh war, dass<br />
ich <strong>Medizin</strong> studiere. Anstelle einer harmlosen NaCl-Spülung,<br />
die einer der Ärzte mir bei der morgendlichen Visite für die<br />
nächsten Wochen verschrieben hatte, bekam ich ein Nasenspray<br />
auf dem ganz klein der Wirkstoff "Mometason" stand. Wie ein<br />
Blitz schoss es mir durch den Kopf: "Das kann doch nicht wahr<br />
sein, das war doch ein hochkonzentriertes Cortison-Präparat!"<br />
In dem Moment hat es sich dann doch ausgezahlt, in Pharma gut<br />
aufgepasst zu haben. Ich ging zu dem Arzt und fragte nach. Dieser<br />
rastete fast aus und sagte, ich solle es weg schmeißen, es handelte<br />
sich nämlich nicht nur um das falsche Medikament, sondern auch<br />
noch um das Präparat einer bestimmten Marke, die er seinen<br />
Patienten schon seit Jahren nicht mehr verschreibt. "Die<br />
Schwestern hören mir überhaupt nicht zu, trinken den ganzen<br />
Tag nur Kaffee und graben dann noch die Medikamente aus, die<br />
sie schon längst wegwerfen sollten!"<br />
Dank vieler Besuche, Blumen und Schokolade bin ich letztlich<br />
doch noch zu Kräften gekommen und durfte nach ein paar Tagen<br />
das "gemütliche, kleine, harmlose, fast schon familiär angehauchte<br />
Haus mit schönem Garten in der Pettenkoferstraße" verlassen.<br />
Ich atmete erleichtert auf. Doch eine Frage quälte mich den Rest<br />
des Tages: "Wie schütze ich mich in Zukunft bei möglichen<br />
Rezidiven vor der Poliklinik-Horde?"<br />
Krampfhaft suchte ich nach Lösungen. Sollte ich mir einen Pit<br />
Bull Terrier anschaffen, der mich am Krankenbett bewacht? Oder<br />
einen sehnigen Bodyguard? Nee... ich brauche einfach meine<br />
eigene, persönlich aus reichlichen Castings sorgfältig ausgesuchte<br />
Privatkrankenschwester! Hhmm. Das hörte sich nach viel Arbeit<br />
an. Ich grübelte. Und endlich hatte ich DIE glorreiche Idee...<br />
Gleich am nächsten Morgen habe ich meinen Freund bei der<br />
Krankenpflegerschule angemeldet. Demnächst hat er seinen<br />
ersten Schultag. Eine Schultüte hab ich ihm auch schon besorgt...<br />
Können Männer kurze Hosen tragen?<br />
Benedikt Bader<br />
Es wird Sommer es wird heiss. Frauen tragen kurze Röcke.<br />
Männer tragen kurze Hosen. Moment! Männer tragen kurze<br />
Hosen? Können Männer kurze Hosen tragen? Ich meine ja, aber<br />
sicher nicht um jeden Preis.<br />
Solange wir Männer noch klein sind, gibt es fürwahr keine<br />
Diskussion. Wer als sechsjähriger Mann im Sandkasten keine<br />
kurze Hose trug, war schnell sozial isoliert. Das eigentliche<br />
Dilemma beginnt erst mit dem Eintritt ins Berufsleben. Plötzlich<br />
ändert sich für den Mann alles. Es ist, als ob mit einem Mal die<br />
unbeschwerte, kurzbehoste Kindheit völlig vergessen ist. Wer je<br />
als Auszubildender in der Sparkasse zum weissen Hemd<br />
farbenfrohe Bermudashorts trug, wird wissen, wovon ich schreibe.<br />
Behaarte Männerbeine - weiß vom langen Winter - schwitzen in<br />
der S-Bahn und alle schauen zu. Vor allem den Leserinnen wird<br />
es bei dieser Vorstellung eiskalt den Rücken runterlaufen.<br />
Urlaub eine Stadt in der Toskana an. Zufällig haben sie sich<br />
morgens für die abgeschnittene Jeans entschieden. Dieser kapitale<br />
Fehler begleitet sie nun den ganzen Tag. Ob Toskana, Côte d'Azur<br />
oder Alicante, einen männlichen Touristen erkennt man stets<br />
daran, dass er kurze Hosen trägt. Einheimische machen so etwas<br />
nicht. Da kann es noch so heiss sein.<br />
Das sieht nicht gut aus, für uns Männer. Doch es gibt einen<br />
Ausweg: Zuhause im Garten, hinter einer hohen Thuja-Hecke<br />
können wir Männer noch Kinder sein. Hier können wir ungestört<br />
alle kurzen Hosen dieser Welt tragen, ohne in peinliche Situationen<br />
zu geraten.<br />
Und weil es wichtig ist, das Kind im Manne von Zeit zu Zeit zu<br />
pflegen, sage ich überzeugt: "Ja, Männer können kurze Hosen<br />
tragen!"<br />
55<br />
Kurze Hosen in Büros - wir wollen am besten gar nicht daran<br />
denken. Wie wäre der Mannesmannprozess ausgegangen, hätte<br />
Josef Ackermann in den Verhandlungen statt eines Brioni-<br />
Anzuges eine flotte kurze Sporthose von Adidas getragen?<br />
Vermutlich hätte es den Prozess gar nicht gegeben, da Herr<br />
Ackermann für seine Leistungen sicher keine Millionen Prämie<br />
bekommen hätte. Wer also kein Rettungsschwimmer in Malibu<br />
ist, trägt besser auch keine kurzen Hosen während der Arbeit.<br />
Doch der Trend gegen kurze Hosen macht keinen Halt im Beruf.<br />
Nein, nein! Auch im Urlaub sehen wir sie: Männer... in ihren besten<br />
Jahren... vom guten Essen geformt sehen sich im wohlverdienten<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de
Wahlen...<br />
Sylvère Störmann<br />
...kann man scheinbar nicht helfen. In der vorletzten Ausgabe<br />
der <strong>Synapse</strong> versuchten wir zu deren Rettung zu animieren. Doch<br />
die Zahlen sind niederschmetternd: statt 12,65% (704 von 5.562<br />
wahlberechtigten <strong>Medizin</strong>studenten) im Jahre 2002, gingen zur<br />
Wahl 2003 nur 542 von 5.573 Studenten zur Wahl, also 9,73%.<br />
Das ist ganz schön wenig.<br />
Aber dieses Jahr wird das alles anders, denn dieses Jahr werden<br />
ganz schön viele Studenten zur Wahl gehen. Und zwar, weil das<br />
eine gute Sache ist, das Wählen. Schließlich nimmt man so sein<br />
Privileg zur Partizipation wahr. Und ganz ohne Wähler, gäbe es<br />
plötzlich keine <strong>Fachschaft</strong>svertretung mehr. Und das wäre<br />
irgendwie ganz schön doof. Nicht nur, weil die <strong>Fachschaft</strong>svertretung<br />
gerne <strong>Fachschaft</strong>svertretung ist, sondern weil die<br />
<strong>Fachschaft</strong>svertretung sich bemüht, den Studenten -also in gewisser<br />
Form auch ihren Wählern- das Studium zu erleichtern.<br />
Das fängt mit der Erstsemestereinführung an, geht über zu Altklausuren<br />
und günstigen Materialien im Büro (etwa Klingen für<br />
den Präpkurs oder Stethoskope) bis hin zu stundenlangen Sitzungen<br />
in Gremien der Fakultät, wo dann auch studentische Interessen<br />
vertreten werden.<br />
Um der <strong>Fachschaft</strong>svertretung also zu helfen, ihrer <strong>Fachschaft</strong><br />
(also den Studenten) zu helfen, reicht es, am 22. oder 23. Juni<br />
2004 zwischen 9h und 16h mit dem Studentenausweis in der<br />
Anatomie einzulaufen und der „<strong>Breite</strong>n <strong>Liste</strong> <strong>Gesundheit</strong>“ ein<br />
Kreuz schenken. Denn das kostet nur ein paar Minuten - ein<br />
Leben ohne <strong>Fachschaft</strong>svertretung kostet hingegen sehr viel Zeit...<br />
Hilf deiner<br />
<strong>Fachschaft</strong> helfen!<br />
56<br />
Wahlen am 22./23. Juni 2004<br />
9h 00 - 16h 00 in der Anatomie<br />
(Studentenausweis reicht!)<br />
<strong>Fachschaft</strong>, das sind die da!<br />
Nein, <strong>Fachschaft</strong> sind alle. Und jeder der sich im Interesse der Studenten unserer Fakultät engagieren möchte,<br />
ist herzlich eingeladen, mitzumachen.<br />
Die <strong>Fachschaft</strong>s-Sitzung findet jeden Donnerstag ab 19h in der <strong>Fachschaft</strong>s-Wohnung (Pettenkoferstr. 10a,<br />
Rückgebäude) statt. Und wer uns eine Mail schicken mag:<br />
infos@fachschaft-medizin.de<br />
<strong>Synapse</strong> <strong>50</strong> / Juni 2004<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Auch die <strong>Synapse</strong> freut sich immer über engagierte Redakteure, die gerne mitmachen möchten. Da es weder<br />
regelmäßige Redaktionssitzungen noch eine regelmäßige Erscheinweise gibt, mögen sich Interessenten per<br />
Mail melden:<br />
synapse@fachschaft-medizin.de<br />
Hilf deiner <strong>Fachschaft</strong> helfen!