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Wien war Wüste. Es herrschte Trockenheit ... trotz<br />
vieler jahrelanger (!) Versuche, leere Pools in<br />
der Bundeshauptstadt zu installieren. Während<br />
in Westösterreich betonierte Skateparks und Pools wie<br />
Schwammerln aus dem Boden schossen, war es bei uns<br />
zum Verzweifeln. Es dominierte (teurer) bunter Fertigteilwahnsinn,<br />
aber kein annehmbares professionelles<br />
Betonkonstrukt wie es heutzutage üblich ist.<br />
Dann kam 2008 und die Wende puncto Betonmangel:<br />
Zuerst die Fertigstellung des Bergmillerparks in Penzing -<br />
eine runde Sache mit vielen Freundlichkeiten, die sich u.a.<br />
Roman Hackl ausgedacht hat - und schließlich kurz nach<br />
dessen Eröffnung die Gerüchte um eine weitere Betonoase<br />
im zweiten Bezirk.<br />
Gerüchte um dies oder jenes gab es ja schon viele.<br />
Leider immer ohne Substrat. Daher war die Überraschung<br />
sehr groß, als ich vor einem Bowl - jungfräulich ohne<br />
Graffiti in makellosem Grau - stand. Ein shallow End mit<br />
Roll-in verbunden über eine Hip mit einem „deep“ End<br />
(etwas höher als zwei Meter) ohne sonstigen Schnickschnack,<br />
jedoch steilerer Transition als im Bergmillerpark.<br />
Das ganze Setting mit der Baustelle rundherum erinnert ein<br />
wenig an kalifornische Backyard-Pool-Idylle.<br />
Üblicherweise inmitten zerfallener Architektur<br />
geschlossener Motels oder hinter einem Einfamilienhaus<br />
liegen die leeren Pools mit engem Querschnitt und übersteiler<br />
Transition. So ist der Bowl in der Leopoldstadt<br />
zwar nicht konstruiert. Trotzdem versprüht die umgebende<br />
derzeit noch gstettenartige Atmosphäre und die „Betreten-<br />
Verboten“ Schilder am Bauzaun einen Hauch dieses<br />
Hinterhof-Klassikers. Selbst die sich überschätzenden<br />
Herren vom Wachdienst, die wie im Schnelldurchlauf<br />
heran sprinten, wenn sie unerlaubte Poolbenützer<br />
entdecken, gehören dazu.<br />
Wenn ich vor dem Kidneybowl stehe, kann ich es kaum<br />
fassen, dass (m)ein Traum aus Beton inmitten der Leopoldstadt<br />
nun verwirklicht wurde. Ich erinnere mich, als ich<br />
Anfang der achtziger Jahre erstmals zum Poolskaten<br />
aufbrach: die nächste Gelegenheit London (Harrow),<br />
Fahrzeit per Bahn rund 24 Stunden. Heute radle ich<br />
zehn Minuten und denke an Karl Kraus: „Wenn die Welt<br />
untergeht, dann gehe ich nach Wien. Dort passiert alles<br />
zehn Jahre später“.<br />
In diesem Fall hat es fast dreißig Jahre gedauert. Aber<br />
immerhin passierte es doch...<br />
Frido FIEBINGER bs smithgrind