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TROTTOIR<br />
S K A T E B O A R D I N G<br />
208<br />
KONTRASTE<br />
JO MARENT<br />
FRANKFURT<br />
HINTER DEN KULISSEN
jan solenthaler - heelflip • photo: soerfi
4 TROTTOIR<br />
208<br />
INHALT<br />
Inhalt 4<br />
Editorial/Impressum 6<br />
Kontraste 8<br />
Jo Marent 16<br />
Frankfurt 24<br />
Hinter den Kulissen 38<br />
Galerie 48<br />
Die letzte Runde 56
6 TROTTOIR<br />
editorial<br />
Text/Photos Philipp Schuster<br />
Andi LUGER halfcab bs nosegrind revert<br />
In unseren alltäglichen Arbeitsprozessen ist es sehr<br />
wichtig, sich in Geduld zu üben, denn nichts bringt<br />
mehr Fehlentscheidungen und Unannehmlichkeiten<br />
mit sich als unüberlegtes und überstürztes Handeln.<br />
Zwar steht uns in unserem Leben nur eine begrenzte Zeitspanne<br />
zur Verfügung, doch wir nützen diese Zeit<br />
wesentlich besser, wenn wir unsere Projekte und Ziele in<br />
einer angemessenen und für uns persönlich angenehmen<br />
Geschwindigkeit gedeihen lassen. In meinen Augen<br />
gefährden Hektik und übertriebenes Konkurrenzdenken<br />
ein Projekt wie „TROTTOIR“ und würden sich in einer<br />
verheerenden Art und Weise im Gesamteindruck dieses<br />
Magazins widerspiegeln.<br />
Es ist schwierig, sich der Vermassungstendenz der<br />
heutigen Zeit zu widersetzen und Qualität mit Geduld<br />
und Liebe reifen zu lassen, um seine anspruchsvollen<br />
Absichten zu verwirklichen. Trotzdem hoffe ich, dass<br />
ich mich mit genau dieser Einstellung auf dem richtigen<br />
Weg zu einem erfolgreichen Magazin befinde und mit<br />
einer solchen Strategie die ohnehin sehr hochgesteckten<br />
Erwartungen zu erfüllen vermag.<br />
Genauso wichtig ist es aber auch, dass die Skate-<br />
Szene diese Art der Arbeit respektiert und akzeptiert,<br />
denn ihr soll „TROTTOIR“ ja schließlich dienen.<br />
Die Zeit seit der ersten Ausgabe ist schnell verflogen<br />
und ich habe mich darum bemüht, die kleinen Fehler und<br />
Missgeschicke des ersten Heftes genau zu analysieren,<br />
um es diesmal besser zu machen. Vor drei Monaten noch<br />
war ich ein Grünschnabel, der gehofft hat, dass er mit dem<br />
Projekt „TROTTOIR“ überhaupt irgendjemanden erreichen<br />
würde und dass die viele Zeit und das eingesetzte Geld nicht<br />
ganz für die Katz‘ ist. Heute bin ich durch die zahlreichen<br />
Reaktionen auf das erste Heft ein gutes Stück erfahrener<br />
und kann mit Hilfe der verschiedenen eingegangenen<br />
Meinungen ein Konzept für den weiteren Verlauf dieser<br />
Unternehmung zusammenstellen. Viele Leute haben<br />
mir ihre Eindrücke mitgeteilt, Verbesserungsvorschläge<br />
gemacht und mir auch ihre Hilfe angeboten. Ich muss<br />
schon sagen, dass ich sehr stolz darauf bin, Teil einer so<br />
großartigen und mitdenkenden Gemeinschaft zu sein,<br />
die Fleiß und persönlichen Einsatz auch zu würdigen weiß.<br />
Dafür bin ich sehr dankbar.<br />
Ich hoffe, die zweite Ausgabe von „TROTTOIR“<br />
bedeutet einen deutlichen Fortschritt und für Euch ein noch<br />
größeres Vergnügen.<br />
Philipp Schuster<br />
Impressum<br />
Cover<br />
<strong>Trottoir</strong> Ein Magazin für Skateboard- und Strassenkultur_Herausgeber/Redaktion Philipp Schuster_Fotos Philipp Schuster (außer<br />
anders angegeben)_Weitere Beiträge Lucas Lipovec, Hans Peter Hutter_Druck DVP Druck-Verlags-Produktions GmbH, Zamenhofstrasse<br />
43-45, 4020 Linz, Österreich_Redaktions- und Verlagsadresse Czapkagasse 5 1030 Wien Österreich_Tel.: +43 699 19433319_<br />
E-Mail: info@philippschuster.com_Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.<br />
Die Autoren haften für ihre Beiträge.<br />
Frido Fiebinger, Boneless<br />
Photo Philipp Schuster
8 TROTTOIR<br />
KONTRASTE<br />
Erlebnisse in Paris<br />
Boaz AQUINO polejam<br />
Text/Photos Philipp Schuster<br />
Ich bin mir nicht sicher ob es nicht nur Einbildung<br />
war, aber an jenem Tag schenkte uns die Sonne ein<br />
besonders warmes und zauberhaftes Licht, und<br />
auch das Grün der Blätter schien mir saftiger und viel<br />
freundlicher als sonst.<br />
Die Pariser Brasserie-Besitzer fingen an, das <strong>Trottoir</strong><br />
für ihre Nachmittagsgäste zu reinigen. Mit großen Kübeln<br />
oder mit Schläuchen wurden die Asphaltflächen von Staub,<br />
Blättern und sonstigem Unrat befreit. Auf der ziellosen<br />
Suche nach unberührten und versteckten Spots mussten wir<br />
diesen vielen kleinen Wasserflächen geschickt ausweichen,<br />
weite Ollies drüber machen oder auf der Straße größere<br />
Bögen herum fahren. Die Pariser Gehsteigflächen<br />
sind denen in Wien nicht unähnlich – die glatte und<br />
saubere Verarbeitung gibt einem die Möglichkeit, nahezu<br />
jedes erdenkliche Ziel mit dem Board zu erreichen. Die<br />
immense Größe dieser Stadt zwingt einen aber dann doch<br />
hier und da in einen der dunklen U-Bahnschächte.<br />
Wir hatten schnell begriffen, dass die weltbekannten<br />
Pariser Spots nicht unser wahres Ziel sein würden, denn die<br />
kleinen versteckten Orte, an denen wahrscheinlich noch nie<br />
jemand vorher geskatet ist, sind die wahren Goldschätze<br />
der französischen Hauptstadt.<br />
Boarz, Mack und ich machten uns also auf eigene<br />
Faust daran, die Stadt zu erkunden. Es ist ein ganz eigenes<br />
Gefühl, gemeinsam mit zwei Freunden fremdes<br />
Territorium zu erkunden. Man ist mit dieser neuen<br />
Umgebung noch nicht vertraut, cruist mit offenen Augen<br />
durch die Gassen und lässt sich von der gewaltigen Fülle<br />
an Eindrücken überwältigen. Man ist dem Geschehen auf<br />
der Straße voll ausgeliefert und bekommt alles mit: vom<br />
Business-Man, der mit drei Handys am Ohr zum nächsten<br />
Termin eilt, bis hin zum arbeitslosen Clochard, der seine<br />
Zeit auf der Parkbank totschlägt. Man selbst ist dabei
der unparteiische Zuschauer, der all das „en passant“ aufschnappt,<br />
während sein völlig ungeplantes Tagesgeschehen<br />
seien Lauf nimmt. Man erfreut sich vieler Kleinigkeiten.<br />
Einen flache Bodenwelle, entstanden durch ein Baumwurzel,<br />
die über die Jahre gewachsen ist und den Asphalt<br />
angehoben hat, kann einen zum Beispiel für gut eine halbe<br />
Stunde beschäftigen - bis man sich dann doch entscheidet,<br />
weiter zu fahren und bei der nächsten Ampel mal links<br />
abzubiegen.<br />
Für dieses unbeschwerte Flanieren in völliger Freiheit<br />
gibt es einen sehr treffenden Begriff: Street skaten!<br />
Als wir dann bei einem kleinen Polejam angekommen<br />
waren, fing es an zu tröpfeln. Boaz bemühte sich, noch<br />
schnell seinen Trick zu machen, bevor der immer stärker<br />
werdende Regen es ihm unmöglich gemacht hätte, den<br />
polegrind für meine Linse zu stehen. Nun war der<br />
Boden nass und wir suchten uns einen Unterschlupf,<br />
um im Trockenen zu beratschlagen, was denn als<br />
nächstes geschehen sollte. Die herrlichen Stunden davor<br />
hielten mich sogar davon ab, mich über den nassen Asphalt<br />
zu ärgern - die außergewöhnliche Stimmung dieses Tages<br />
hat einen sehr nachhaltigen Eindruck auf mich gemacht<br />
und wird mir ewig in Erinnerung bleiben.<br />
Ganz in der Nähe befand sich der brandneue, überdachte<br />
Skatepark „Paris 18“ und wir beschlossen, ihn uns einmal<br />
anzusehen, um zumindest die Zeit zu überbrücken, bis die<br />
Straßen der Stadt wieder auftrocknen würden.<br />
Dort angekommen war es mir, als wäre ich gegen eine<br />
geschlossene Glastür gelaufen.<br />
Frederik GUSTAFSSON blunt to fakie
10 TROTTOIR<br />
Völlig perplex und ungläubig blickte ich auf das<br />
Szenario, das sich mir in diesem Augenblick bot. Sofort<br />
wurde das Gefühl von Freude und Freiheit, das ich noch<br />
kurz zuvor verspürte, zunichte gemacht.<br />
Die glasverkleidete Eingangshalle erinnerte sehr an die<br />
Rezeption eines modernen Fitnesscenters. Sofort drängten<br />
sich mir die Gebots- und Verbotsschilder auf, die eine<br />
Helmpflicht vorsahen und mich mit der Aufschrift „Wax<br />
interdite“ (zu Deutsch: Wachs verboten) schockierten.<br />
Nachdem wir den Hallenwart überzeugt hatten, uns ohne<br />
einen verlausten Leih-Helm skaten zu lassen, betraten wir<br />
den recht imposant wirkenden Skatepark. Der aus Fertigteilen<br />
konstruierte Park hatte doch alles zu bieten, von<br />
einem Bowl bis hin zu ausgeklügelten Street-Elementen.<br />
Nachdem ich den Park zwei Sekunden lang betrachtet<br />
hatte, überkam mich das unbestimmte Gefühl, dass da<br />
irgendetwas nicht stimmen konnte. Einen Augenblick<br />
später sah ich sie: gut fünf Securities wachten hier über das<br />
Gelände - und als ob das alles nicht schon Grund genug<br />
gewesen wäre, es einfach bleiben zu lassen, entdeckte ich<br />
dann noch als Krönung zwei Wachhunde, die an den jeweils<br />
entgegengesetzten Enden der Halle angekettet waren.<br />
Beide trugen schwere, aus Leder gefertigte Beißkörbe, die<br />
mich irgendwie an den Hannibal Lecters erinnerten. Diese<br />
skatefeindliche Stimmung ist sehr schwer zu beschreiben.<br />
Ich hätte lieber sofort kehrt gemacht, um wieder hinaus in<br />
den Regen zu spazieren, als auch nur eine Sekunde länger<br />
hier zu verweilen. Nur konnte ich das aber nicht so einfach<br />
tun, da wir ja zu dritt hier waren und so biss ich halt aus<br />
Solidarität mit meinen beiden Freunden in den sauren<br />
Apfel und blieb.<br />
Später erst habe ich dann erfahren, dass diese<br />
Sicherheitsmaßnahmen mit einem nächtlichen Gewaltakt<br />
auf dem Parkgelände „Paris 18“ zu tun hatten.<br />
Nun drängt sich mir die Frage auf, was ich von all dem<br />
halten soll.<br />
Gibt es einen Punkt, an dem ich sagen muss:<br />
Skateboarden ist nicht mehr Skateboarden, obwohl man<br />
immer noch auf einem Brett steht? Gibt es einen Punkt, an<br />
dem ich mir eingestehen muss, dass ich mit all dem nichts<br />
mehr zu tun haben möchte?<br />
Die Antwort lautet: NEIN, nicht solange ich<br />
persönlich meinen Spaß daran habe!<br />
Trotz medialem Overload und neuerlichem Skate-<br />
Boom hat man als Skateboarder stets die uneingeschränkte<br />
Möglichkeit, sich zurückzuziehen. Man hat die volle und<br />
bedingungslose Entscheidungsfreiheit zu sagen, bis zu
Boaz AQUINO fs boardslide<br />
welchem Grad man bei diesem Zirkus mitspielt - auch<br />
wenn man es manchmal nicht zu glauben vermag. Dieses<br />
kontrastreiche Erlebnis veranlasste mich viel zum<br />
Nachdenken und brachte mich zu der Erkenntnis, dass es<br />
immer nur von mir abhängen wird, wie weit ich gehen<br />
kann, ohne meine Prinzipien zu verraten.<br />
Als Skater, als Individualist darf man sich nicht durch<br />
das Fehlverhalten anderer - zumindest wirkt ihr Tun in<br />
unseren Augen fehlerhaft – beeinflussen lassen, denn das,<br />
was man auf seinem Board fühlt, kann man sich nie von<br />
jemandem anderen geben oder nehmen lassen, solange man<br />
es nicht selbst zulässt.
16 TROTTOIR<br />
Vielen von Euch wird der Name Johannes Marent wahrscheinlich nichts sagen. Jo ist<br />
nicht der Typ, den Ihr auf jedem Contest, in jedem Video und in jedem Magazin seht.<br />
Jo ist auch nicht der Typ, der auf jedes 12er Rail raufspringt und sich jeden Tag ein<br />
größeres Stufenset runter wirft.<br />
Aber Jo ist auf jeden Fall der Typ, der Skateboarden für sich selbst lebt, nur eben im<br />
Untergrund, in Ruhe für sich selbst. Seit Jo von Bregenz nach Wien gezogen ist, hat sich<br />
im Wesentlichen nicht viel für ihn geändert und irgendwie geht’s ihm im Endeffekt ja<br />
doch nur ums Skaten...<br />
Text Lucas Lipovec Photos Philipp Schuster
fs wallride
Als ich Dich letzte Woche angerufen hab, um Dir zu<br />
sagen, dass wir das Interview machen wollen, warst Du<br />
ziemlich überrascht. Warum ist das so? Bist Du generell<br />
ein Mensch, der sich eher im Hintergrund hält?<br />
Ja. Ich hab nicht mal gewusst, dass ich genug<br />
Photos für ein Interview zusammen hatte. Das mit dem „im<br />
Hintergrund sein“ hat, glaube ich, damit zu tun, dass ich<br />
den Druck nicht fühle, den viele andere Skater haben,<br />
die gesponsert sind. Die müssen Tricks für irgendwelche<br />
Magazine und Videos abliefern - und manche stressen<br />
sich da ziemlich. Die suchen sich krampfhaft einen Spot,<br />
überlegen sich dort einen Trick, den noch niemand<br />
gemacht hat und den filmen oder photographieren sie dann.<br />
Das mach ich eben nicht, da hab ich irgendwie eine andere<br />
Herangehensweise: ich will einfach nur skaten. Ab und zu<br />
ist jemand dabei, der Photos macht oder filmt und wenn ich<br />
mich gut fühle, dann macht mir das auch Spaß - aber ich<br />
will mich damit nicht stressen.<br />
Ich hab mir jetzt auch selbst eine Kamera angeschafft.<br />
Wenn etwas Gutes passiert, egal von wem, dann<br />
dokumentiere ich das auch. Wenn aber die Kamera einmal im<br />
Rucksack bleibt, ist das auch kein Problem. So ist Skaten<br />
irgendwie spontaner und ungeplanter. Ich hab auch nie<br />
an irgend welche „fetten“ Sponsoren gedacht, sondern<br />
wollte immer nur zum Spaß skaten gehen. Stress habe ich bei<br />
genügend anderen Dingen im Leben. Skaten ist für mich<br />
immer „das Brett nehmen, vor die Tür gehen und los-skaten“.<br />
Mir geht es rein darum, mich dabei frei zu fühlen. Ich will<br />
niemals in meinem Leben aus irgendwelchen Gründen<br />
skaten „müssen“ – ich will einfach mit meinen Freunden<br />
skaten dürfen. Wenn jetzt irgendeine große Firma einen<br />
Haufen Geld bieten würde, dann ist es natürlich nicht<br />
verkehrt, dieses Geld zu nehmen. Aber man sollte die<br />
Konsequenzen bedenken, die das haben kann. Manche<br />
können damit recht gut umgehen - die lassen sich trotz<br />
Druck den Spaß nicht verderben.<br />
Vor allem in Amerika „arbeiten“ die Skater ja richtig.<br />
Das wär nicht meins.<br />
Was ist der Grund, warum Du von Bregenz nach Wien<br />
gekommen bist? Weil generell viele Vorarlberger nach
Wien gezogen sind?<br />
Naja. Ich wollte studieren und in Österreich ist Wien die<br />
einzige interessante Stadt, in der sich studieren und skaten<br />
gut verbinden lässt. Der Muki war zum Beispiel schon da<br />
und wir waren öfters auf Besuch, daher ist mir die Wahl<br />
nicht schwer gefallen. Wien eignet sich zum Streetskaten<br />
viel besser als Bregenz. Abgesehen davon, dass Bregenz<br />
viel kleiner ist und dadurch spotmäßig beschränkt bleibt,<br />
ist die Stadt auf eine gewisse Weise auch viel „cleaner“<br />
als Wien. Die Leute fühlen sich für alles verantwortlich<br />
und bekommen gleich den ärgsten Zorn, wenn du auf der<br />
Treppe vor ihrer Haustür skatest. In der Großstadt besitzt<br />
man eine gewisse Anonymität und das macht Streetskaten<br />
angenehmer. Außerdem sind die Leute in Wien schon<br />
viel mehr an sowas gewöhnt und von dem Standpunkt aus<br />
kommt mir die Stadt irgendwie toleranter vor. Trotzdem<br />
erlebt man jeden Tag die ärgsten Dinge - Dinge, die ein<br />
anderer wahrscheinlich nie erleben wird.<br />
Skaten ist jeden Tag ein kleines Abenteuer. Das macht<br />
Streetskaten interessant und dadurch unterscheidet sich<br />
Skateboardfahren auch von anderen Sportarten. Skateparks<br />
sind da weniger aufregend – im guten wie im schlechten<br />
Sinne. Mit Fridos Worten: das seichte Wasser.<br />
Du hast einen Zwillingsbruder namens Benni, der<br />
auch skatet. Wenn von Dir gesprochen wird, bist Du<br />
eigentlich für Viele nicht Johannes, sondern eher „der<br />
Eine von den Yama Twins“. Nervt dich das manchmal?<br />
ollie<br />
Keine Ahnung, ich höre es ja selbst nicht allzu oft so.<br />
Ich denk mir, dass jeder irgendwann einen Spitznamen<br />
verpasst bekommt. Aber das ist mir eigentlich egal. Das ist
halt unsere Position: wir SIND einfach die Yama-Twins.<br />
Die gibt’s nur einmal, während es zig Johannes oder<br />
Bennis gibt. Dieser „Titel“ ist in gewisser Weise eine<br />
Vereinfachung. Man hat jemanden vor Augen.<br />
Angesprochen bin ich damit aber noch nie geworden.<br />
Wie ist das, einen Zwillingsbruder zu haben und<br />
zusammen zu wohnen?<br />
Dadurch, dass ich ihn schon mein ganzes Leben<br />
kenne, haben wir auch weniger Schwierigkeiten als irgendwelche<br />
Freunde, die gerade erst zusammenziehen. Als<br />
kleine Kinder haben uns unsere Eltern auch gleich<br />
angezogen. Manchmal hat sich nur die Farbe oder<br />
irgendein Muster unterschieden. Oder auf dem einen<br />
T-shirt stand Johannes und auf dem anderen Benni. Da<br />
gibt’s auf jeden Fall einige lustige Photos… (lacht).<br />
Du bist ja Regular und Dein Bruder ist Goofy. Habt Ihr<br />
schon mal daran gedacht, ein fettes Video gemeinsam<br />
zu machen, so als ob Ihr nur ein Skater sein würdet, der<br />
verdammt gut Switch fährt?<br />
Ja, wir haben da schon öfters drüber geredet ...(lacht)...<br />
und das auf jeden Fall in Erwägung gezogen. Ein<br />
Stunt-Double sozusagen.<br />
Hast Du manchmal mit Deinem Bruder so eine Art<br />
Skate-Battle laufen?<br />
Ich finde nicht, dass Battles beim Skaten irgendwas<br />
verloren haben. Battles mit sich selbst vielleicht, aber nicht<br />
gegen andere Leute. Wir pushen uns halt auf eine gewisse<br />
Art und Weise gegenseitig. Ich versteh auch nicht, wie<br />
sich manche Leute zum Beispiel im Loser-spielen messen<br />
können. Wer mehr Tricks kann ist dann besser, oder wie?<br />
Ich find das sinnlos.<br />
Ist dieses Battle ein generelles Phänomen der Wiener<br />
Skateboardszene?<br />
Als ich von Bregenz nach Wien gekommen bin, habe ich<br />
das so wahrgenommen. Es gab mehr vereinzelte „Crews“,<br />
die sich durch „Coolness“ und „Style“ von einander<br />
abgrenzten - also eher ein Gegeneinander als Miteinander.<br />
In letzter Zeit sehe ich das nicht mehr so stark, es wird<br />
irgendwie in Wien mehr so, wie es früher in Vorarlberg war.<br />
Dort gab es sowas einfach nicht – vielleicht die Jüngeren<br />
und die Älteren, aber eigentlich nicht mal das. In Bregenz<br />
ist die ganze Szene auch viel kleiner. Allein aus diesem<br />
Grund gibt’s dort vielleicht schon mehr Zusammenhalt.<br />
Man muss sich nicht mit Gewalt cooler vorkommen als die<br />
andern. Und wenn ich jetzt hör „die Why Crew ist tot“, nur<br />
weil der Frido für Yama fährt, dann kann ich darüber nur<br />
lachen, weil ich nicht finde, dass man sich ernsthaft über so<br />
etwas Gedanken machen kann. Hauptsache skaten und mit<br />
Freunden eine gute Zeit haben.<br />
Mit wem skatest Du gewöhnlich am häufigsten?
Meistens mit Benni, Frido, Stöpsel – wenn er Lust hat,<br />
Muki – wenn er nicht arbeitet, und Ferit – wenn er mal da<br />
ist.<br />
Ihr habt ziemlich lange am neuen Yama-Video gefilmt.<br />
Das ist über den Zeitraum der letzten drei Jahre so nach<br />
und nach entstanden. Wir haben diesmal auch auf das<br />
Material besser aufgepasst… (lacht). Bei den anderen Yama-<br />
Videos ist viel verloren gegangen. Man hat gefilmt und dann<br />
in den letzten Wochen alles mühsam zusammenorganisieren<br />
müssen. Da hat dann irgendwer dieses Tape gehabt und<br />
irgendwer anderer jenes Tape. Dieses Mal hatten wir eine<br />
zentrale Festplatte, auf der alles verwaltet worden ist. Das<br />
hat viel Zeit erspart. Es ist praktischer, wenn man heimkommt<br />
und alles gleich einspielt, als wenn man kurz vor<br />
der Deadline in einem Haufen von 50 oder 60 Videokassetten<br />
sitzt und nicht weiß wo vorne und hinten<br />
ist. Mein Bruder und ich fühlen uns durch die eigene<br />
Kamera jetzt auch irgendwie fürs Filmen zuständig: dass die<br />
Kamera da ist, dass die Akkus geladen sind und so<br />
weiter. Ich hab das Video dann auch geschnitten und der<br />
Alex hat die Zwischenclips beigesteuert. Das Konzept war<br />
das gleiche wie bei den anderen Videos - einfach skaten und<br />
wenn was passiert: Kamera draufhalten und das Ganze in<br />
wenigen Tagen mit Sound unterlegen. Für das nächste<br />
Video möchte ich vielleicht ein etwas anderes Konzept<br />
ausprobieren, es sollte aber dadurch nicht weniger rough<br />
werden.<br />
fs shuvit
22 TROTTOIR<br />
fs bluntslide to fakie<br />
Wir könnten noch ein bisschen über Musik reden.<br />
Ich mag gerne Bands, die sich nicht so leicht einordnen<br />
lassen - Bands wie zum Beispiel Coco Rosie oder Le<br />
Tigre, die im Grunde immer noch dem Punk-Gedanken<br />
entsprechen: etwas Neues schaffen, indem man mit<br />
Konventionen bricht, ohne dass sie musikalisch dort<br />
eingeordnet würden. In der Musik drückt sich diese<br />
Philosophie darin aus, dass man sich musikalisch nicht<br />
festlegt, Instrumente frei wählt, ohne sie perfekt zu<br />
beherrschen. In einem gewissen Sinne geht Kreativität vor<br />
Professionalität. „Klassische“ Punkbands der jüngeren<br />
Generation kann ich mir einfach nicht mehr anhören. Die<br />
traditionalisieren die Werte einer Subkultur, die eigentlich<br />
gegen vorgegebene Normen ankämpfte. Was noch bleibt,<br />
ist die Oberfläche: Musik und Style, die jedoch eher uniformen<br />
Charakter annehmen.<br />
Im Skaten sollte Kreativität Stuntmen- und Sportlergehabe<br />
ablösen. Vor allem in Europa sehe ich in diesem<br />
Fall positive Entwicklungen.<br />
Grüße?<br />
O ja! An Seda, Benni, Charly, meine Eltern, Anna,<br />
Duygu und die freien Yamaisten (haha): Alex (Yama),<br />
Muki, Ferit, Ante, Frido, Chris, Stöpsl, Spettl, Kozi, David,<br />
TM, Simon ...
24 TROTTOIR<br />
FRANKFURT<br />
Oft werde ich mit einem fast neidischem Unterton gefragt: „Wo warst Du denn jetzt<br />
schon wieder? Sizilien? Super! Was würde ich dafür geben, mal wieder aus Wien raus<br />
zu kommen. Hier ist es immer so langweilig.“ Und jedesmal aufs Neue muss ich den<br />
Leuten erklären, dass ich keineswegs aus dem Urlaub komme. Wer Skateboarden als<br />
Beruf wählt, ist oft mit Leuten unterwegs, die man gar nicht kennt und es soll<br />
manchmal vorkommen, dass man sich auch gar nicht leiden kann. Somit bekommt<br />
jede Skate-Tour eine ganz neue Art von Reisestress. Mit einem gemütlichen Urlaub mit<br />
Freunden hat das absolut nichts zu tun.<br />
Text/Photos Philipp Schuster
Michi GRAUSAM fs flip
Patrick PUTZL noseblunt
Im Laufe der Jahre wird man es einfach müde, in<br />
eine fremde Stadt gerufen zu werden, um auf den<br />
lokalen Spots seine Tricks zu photografieren und zu<br />
filmen. Der knappe Zeitplan und der notorische Mangel an<br />
Budget verlangt nach höchster Produktivität, womit man<br />
nur allzu oft in Versuchung kommt, auf das Probieren<br />
neuer Tricks zu verzichten und manches Mal geradezu<br />
gezwungen wird, sein Standardprogramm durchzuziehen.<br />
Mit der Zeit gleicht eine Tour der anderen, egal ob man sich<br />
eben in Italien, in Kalifornien oder in Spanien befindet, da<br />
man von Land und Leuten sowieso kaum etwas zu Gesicht<br />
bekommt. Oft sträube ich mich schon von Beginn an, in<br />
den Flieger zu steigen und eine solche Reise anzutreten.<br />
Selbstverständlich hat man dabei die Möglichkeit,<br />
interessante Bekanntschaften zu machen und so manche<br />
neue Freundschaft zu schließen, am Ende fehlen einem<br />
aber doch jene Leute, mit denen man täglich rollen geht,<br />
um eben mit ihnen all die neuen Erfahrungen zu erleben und<br />
zu teilen. Man kennt sich, man weiß, wann man Lust auf<br />
eine Session hat, man weiß genau, wann man sich<br />
besser aus dem Weg geht und man weiß auch, wie man<br />
sich gegenseitig motiviert.<br />
Es gibt dabei keine Hemmungen, auch einmal „Jetzt<br />
reiß Dich zusammen!“ zu sagen, ohne gleich als Arsch<br />
dazustehen.<br />
Es ist schwer zu glauben, wie wichtig diese Dinge sind,<br />
Donovan HOFBAUER nollie heelflip tailslide
Roman ERHART lipslide<br />
doch wenn man nicht die Möglichkeit hat aufeinander<br />
einzugehen, wird so eine Tour ganz schnell mal zu einem<br />
Horrortrip. Man darf das Ganze natürlich nicht zu eng und<br />
nicht bloß negativ sehen, da man sich sonst noch tiefer ins<br />
Unglück treibt.<br />
Man muss einfach aus jeder Situation das Beste machen:<br />
Bei jeder Reise gibt es eine Sonnenseite - auch wenn sie<br />
noch so klein sein mag. Wenn man sie nur sucht, wird man<br />
sie schon finden.<br />
Tatsächlich kann ich mich bloß an eine Handvoll<br />
Touren erinnern, die ich alleine angetreten hatte und bei<br />
denen ich es vorgezogen habe, unterwegs zu sein als in<br />
Wien bei meinen Freunden zu bleiben.<br />
Je älter man wird, desto eher sehnt man sich nach einer<br />
ruhig und locker geplanten Reise, die dann meist eine weitaus<br />
größere Produktivität verspricht. Als Paradebeispiel<br />
einer solchen freundschaftlichen Tour, bei der sich sowohl<br />
der Chill-Faktor als auch die Ausbeute an Tricks perfekt die<br />
Waage gehalten haben, wird mir ein Wochenende mit dem<br />
Motion-Team in Frankfurt am Main in Erinnerung bleiben.<br />
Es war ja schon einmal eine außergewöhnliche Leistung<br />
von Uwe – seines Zeichens Motion-Kapitän - beinahe das<br />
ganze Team für ein Wochenende zusammen zu trommeln,<br />
ohne zu wissen, wo die Reise überhaupt hinführen soll.<br />
Allein Spontanität bringt stets eine gewisse Spannung mit<br />
sich, vor allem, wenn sie bei der Wahl des Reisezieles<br />
beginnt. Die endgültige Auswahl war auch eine Woche vor<br />
der Abreise noch nicht geklärt. Das einzige Kriterium war,<br />
dass sich die Stadt in einer moderaten Autofahr-Distanz<br />
befinden soll. Um nicht schon wieder in Ljubljana<br />
oder in Zagreb zu landen, überlegten wir lange, um ein<br />
passendes Reiseziel zu finden.<br />
Als wir dann schon Mailand ins Auge gefasst<br />
hatten, riet uns der Wetterbricht davon ab, in den<br />
Süden zu fahren und legte uns nahe, eine Route Richtung<br />
Norden einzuschlagen. Und erneut standen wir vor dem<br />
Problem der passenden Auswahl. Da erinnerte sich<br />
Uwe an eine Geschäftsreise, die ihn im Vorjahr nach<br />
Frankfurt geführt hatte und er meinte, dass die Strecke<br />
dorthin durchaus zumutbar wäre. Da keiner von uns etwas<br />
einzuwenden hatte, stand nun endlich die Entscheidung<br />
fest.<br />
Im Grunde war das Ziel nicht von vorrangiger<br />
Wichtigkeit, denn jeder freute sich auf die gemeinsamen<br />
Tage „on the road“, ganz gleich wo es hingehen<br />
sollte. Keiner von uns war je zuvor in Frankfurt Streetskaten,<br />
also fragten wir uns, ob es da überhaupt Spots gibt<br />
und wenn ja, wie wir sie denn finden würden.
TROTTOIR 28<br />
Philo LUGER sw flip
TROTTOIR<br />
S K A T E B O A R D I N G
Patrick PUTZL bs flip
So kam es uns vorläufig wie ein Sprung ins Ungewisse<br />
vor. Zu unserem Glück ergab es sich dann, dass unser<br />
gemeinsamer Freund Fabian Michel, der vor ein paar<br />
Jahren von Wien in die Frankfurter Gegend gezogen ist,<br />
uns in seine Obhut nahm, um uns „seine“ Spots zu zeigen.<br />
So stand unserem Kurztrip nichts mehr im Wege.<br />
Weitaus wichtiger als die Art und das Ziel einer Reise<br />
ist die Zusammenstellung der mitreisenden Personen. Denn<br />
wenn die Stimmung passt, können kleine unvorhersehbare<br />
Probleme - die bei jeder Reise mit Sicherheit auftreten - der<br />
Freude keinen Abbruch tun.<br />
Wir waren doch immerhin zehn Leute auf zwei Kleinbusse<br />
aufgeteilt, also war ich sehr auf die Koordinationsprobleme<br />
und auf die Teamfähigkeit der Truppe gespannt. Oft reicht ja<br />
schon eine „Prinzessin“ in der Gruppe, um die allgemeine<br />
Stimmung zu trüben. Auch Unstimmigkeiten bei der Spot-<br />
Wahl können gefährlich werden und mit der Anzahl der<br />
Reisenden wächst auch die Gefahr für solche Zwistigkeiten.<br />
Das war es ja, was diese Tour für mich so außergewöhnlich<br />
gemacht hat: ohne anzuecken konnten wir aus den minimalsten<br />
Gegebenheiten das Maximum herausholen - was<br />
aber in keinster Weise unsere Absicht war. Vielmehr<br />
haben wir der Eigendynamik freien Lauf gelassen, was im<br />
Normalfall in einer so großen Gruppe nicht so leicht<br />
möglich ist, weil so etwas sehr schnell im totalen Chaos<br />
enden kann. Unsere lockere und erwartungslose Haltung<br />
hat einen maßgeblichen Teil zu dieser Entwicklung<br />
beigetragen. Innerhalb dieser Gruppe, die aus Skatern aus<br />
allen Ecken Österreichs gebildet wurde, herrschte eine<br />
fast kameradschaftliche Stimmung, die sich im weiteren<br />
Donovan HOFBAUER feeble
TROTTOIR 33<br />
Verlauf des Wochenendes noch weiter zu festigen schien.<br />
Auch die Frankfurter Skateboarder fühlten sich mit uns<br />
wohl und beehrten uns die ganze Zeit über mit ihrer<br />
Gesellschaft. Fabian und die anderen Locals führten uns<br />
zu Spots, wie sie Wien nur spärlich zu bieten hat. Meiner<br />
Erfahrung nach bringt gerade das oft die größte Motivation<br />
- man weiß ja nie, wann man so einen Spot das nächste Mal<br />
unter seinem Board spüren wird und nützt diese seltenen<br />
Momente mit einer besonderen Hingabe aus.<br />
Unterwegs zu sein bedeutet ja in jedem Fall, neue<br />
Erfahrungen zu machen. Auch wenn es offensichtlich<br />
nur ein neuer Trick ist, den man gelernt hat oder ein<br />
neues Problem, mit dem man unterwegs konfrontiert wurde,<br />
ist es doch in Wahrheit viel mehr, was man unbewusst<br />
mitnimmt. Man kommt nach Hause zurück und hat etwas<br />
Neues zu erzählen und neue Erfahrungen auszutauschen.<br />
Eine Reise - gerade wenn sie kurz und anstrengend ist<br />
- bringt stets ein erholsames Gefühl, wenn man wieder<br />
in seine vertraute Umgebung zurückkehrt und dann die<br />
vergangenen Tage Revue passieren lässt.<br />
Neben dem vielfältigen Spotangebot durften wir uns<br />
auch über einen Ausflug in die kulinarischen Eigentümlichkeiten<br />
dieser Region erfreuen und haben sogar<br />
ein klein wenig Kulturelles mitbekommen. Das ist<br />
ausgesprochen wichtig, um sich an einem Ort wohl zu<br />
fühlen – dadurch entsteht eine Art von persönlichem<br />
Bezug, der das Reisen um ein gutes Stück vereinfacht<br />
und weitaus interessanter macht, als den farblosen
34 TROTTOIR<br />
Martin SCHEIDEL sw crooks<br />
Spot-Tourismus, der heutzutage immer mehr praktiziert<br />
wird. Wer die Stimmung und die Atmosphäre einer Stadt<br />
tief inhaliert, wird am Ende mit einem umso stärkeren<br />
Gefühl von Freiheit und Zufriedenheit belohnt. Diese<br />
Art der Wahrnehmung befindet sich aber meist in einer<br />
direkten Abhängigkeit von den Weggefährten. Im<br />
Endeffekt haben sie den stärksten Einfluss auf den Reiseverlauf<br />
und können alles sowohl ins Positive als<br />
auch ins Negative beeinflussen.<br />
Am letzten Tag saß ich dann mit meinen Freunden in<br />
einem Schanigarten eines Dönerlokals in der Frankfurter<br />
Innenstadt. Die Sonne schien mir ins Gesicht und jede<br />
Faser meines Körpers konnte sich völlig entspannen. Ich<br />
glaube, ein jeder kennt das großartige Gefühl, wenn man sich<br />
nach getaner Arbeit bei einem kühlen Bier seiner inneren<br />
Zufriedenheit hingibt - einfach herrlich.<br />
Am wichtigsten war aber die Tatsache, dass jeder<br />
bei dieser einmaligen Reise einen Riesenspaß hatte<br />
und mit einem Lächeln auf den Lippen die Heimreise<br />
angetreten hat: Was als Tour mit dem Motion-Team<br />
begonnen hatte, endete wie ein Ausflug mit Freunden.
38 TROTTOIR
Hinter den Kulissen<br />
Viele träumen davon, eines Tages einen eigenen Skateboard-<br />
Brand zu führen. Tatsächlich gehört hier mehr als der gute<br />
Wille dazu, um nicht in der großen Welt des Skateboard-<br />
Business unterzugehen. Markus Ostermann hat es geschafft,<br />
seinen Jugendtraum Realität werden zu lassen und hat mit<br />
DECAY eine der größten heimischen Skateboard-Marken<br />
aufgezogen.<br />
Text/Photos Philipp Schuster
Markus, stelle erst einmal Deine Firma vor.<br />
Decay gibt es seit 2002. Das Team besteht aus Rudi<br />
Kirchmair, Alistair Thompson, Alex Pasch, Jan Federer,<br />
Wolfi Enöckl, Martin Prugger, Alban Millaku, Alexander<br />
Gugitscher und seit kurzen ist David Margreiter dabei.<br />
Decay produziert Decks, Wheels und Bekleidung<br />
(T-Shirts, Sweatshirts, Caps). Kugellager sind in der<br />
Testphase. Vor kurzem konnten wir den Decay Schuh in<br />
Zusammenarbeit mit Dekline realisieren, was ein sehr<br />
spannendes Projekt war.<br />
Wie ist es zu der Idee gekommen, gerade einen<br />
Board-Brand zu machen?<br />
Na ja, ich glaube, dass es ja der Traum eines jeden Skateboarders<br />
ist, sich mit so etwas zu verwirklichen. Die<br />
Entscheidung, Boards zu machen war leicht, denn es ist<br />
ja wohl der wesentlichste Bestandteil des Skateboards.<br />
Dave MARGREITER bs disaster<br />
Photo Johannes Sautner
TROTTOIR 41<br />
Alban MILLAKU bs suski<br />
War es nicht schwer, in Österreich so etwas auf die<br />
Beine zu stellen?<br />
Eigentlich war es leichter als ich mir das ursprünglich<br />
vorgestellt hatte. Durch meine jahrelange Tätigkeit in der<br />
Skateboardbranche hatte ich sehr gute Kontakte, sowohl zu<br />
Lieferanten als auch zu Kunden, welche dieses Projekt von<br />
Anfang an gut unterstützt haben. An dieser Stelle nochmals<br />
vielen Dank!<br />
Am schwierigsten war es, sich am Anfang finanziell über<br />
Wasser zu halten. Dazu sei kurz gesagt, dass Decay gleichzeitig<br />
mit Free at Last Distribution gegründet wurde. Free<br />
at Last vertreibt mittlerweile die Marken Zero, Mystery,<br />
Toy Machine, Foundation, Fallen, Innes, Krew, Supra,<br />
Pig, Deathwish, $lave und einige andere. Am Anfang hätte<br />
Decay nicht ohne den Vertrieb leben können - und der<br />
Vertrieb nicht ohne Decay. Auch heute muss ich sagen,<br />
dass es nicht möglich ist, mit einem österreichischen<br />
Skateboardbrand seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.<br />
Behandelst Du heute Deine eigene Firma den<br />
US –Brands gegenüber bevorzugt?<br />
Nein. Decay muss sich bei uns gegenüber den anderen<br />
Brands behaupten. Wir haben das Glück, in unserem<br />
Vertrieb mit einigen der legitimsten Boardmarken<br />
zusammenzuarbeiten (Zero, Mystery, Toy Machine,<br />
Foundation, $lave und Deathwish). Dies sind alles<br />
Firmen, die 100% Skateboarding sind und auch denen<br />
gegenüber haben wir logischerweise die Verpflichtung,<br />
sie mit vollem Einsatz zu unterstützen. Wenn wir uns jetzt<br />
hauptsächlich auf Decay konzentrieren würden, könnten<br />
wir dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Ganz im<br />
Gegenteil. Es kam schon ab und zu vor, dass wir mit der<br />
Arbeit für Decay weit zurück lagen, weil wir mit den<br />
anderen Marken zu viel zu tun hatten. Mittlerweile sind<br />
wir aber besser organisiert und in der Planung, was neue<br />
Designs etc. betrifft, meistens weit voraus.
Es scheint ja ganz gut zu funktionieren. Warum glaubst<br />
Du, hat es bei Dir da geklappt, wo die meisten anderen<br />
scheitern?<br />
Ich glaube viele die es versuchen, eine eigene Company<br />
auf die Beine zu stellen, glauben, dass, sobald das Produkt<br />
da ist, sich die Leute drum reißen werden. Dem ist nicht so.<br />
Es gibt so viele Brands zur Auswahl und das in allen Preisklassen.<br />
Warum soll also irgendjemand genau dein Deck<br />
kaufen? Viele bekommen dann die Panik, weil natürlich<br />
auch die Shops nicht gerade heiß darauf sind, Ladenhüter<br />
einzukaufen – sie bleiben lieber bei dem Sortiment, das für<br />
sie ohnehin gut funktioniert. Es ist ein langer, harter Weg,<br />
eine Marke bekannt zu machen und eine Form von Image<br />
aufzubauen, das die Skater dazu bewegt, gerade diese<br />
Boards zu kaufen. Viele sind nicht bereit, diesen Weg zu<br />
gehen und enden dann als Straßenverkäufer.<br />
Es gab ja sogar schon eine eigene Werbekampagne,<br />
welche die Kids aufgefordert hat, Marken-Boards den<br />
Blank- und Billig-Brettern vorzuziehen, um die Industrie<br />
zu schützen. Siehst Du die heimischen Vertriebe durch<br />
diesen „Verkauf aus dem Kofferraum“ gefährdet?<br />
Das ist ein interessantes Thema: Meiner Meinung nach<br />
hat sich die Problematik mit den Blank Decks von selbst<br />
gelöst. Einerseits glaube ich doch, dass solche Kampagnen<br />
viele Leute zum Umdenken gebracht haben. Abgesehen<br />
Alex PASCH fs 5-0
TROTTOIR 43<br />
Jan FEDERER invert heelflip
Wolfi ENÖCKL bs flip
davon gibt es mittlerweile von einigen ernstzunehmenden<br />
US Firmen günstigere Linien, welche nicht viel teurer sind<br />
als Blanks, jedoch bedeutend höhere Qualität bieten. Es hat<br />
ja meistens einen Grund, warum sich die Hersteller von<br />
Blank Decks nicht trauen, ein Logo oder einen Markennamen<br />
auf ihre Decks zu drucken...<br />
Was die heimischen Vertriebe betrifft, sehe ich die mit<br />
Sicherheit nicht gefährdet. Nur wenn man sein Leben<br />
dem Skateboarding verschrieben hat, ärgert man sich zeitweise<br />
über Trittbrettfahrer, die nur da sind um zu kassieren.<br />
Als Vertrieb stecken wir doch einen Haufen Kohle jedes<br />
Jahr ins Marketing und unterstützen damit Teamfahrer,<br />
Magazine, Contests, Videoproduktionen usw.<br />
TROTTOIR 45<br />
Worin liegt die größte Schwierigkeit, sich in Österreich<br />
gegen die US Brands durchzusetzen?<br />
Decay ist nicht da, um sich gegen US Brands<br />
durchzusetzen, wir wollen mit ihnen existieren. Natürlich<br />
haben wir dadurch, dass das gesamte Team in Österreich<br />
vor Ort ist, einen kleinen Vorteil, was das regionale<br />
Marketing betrifft. Preislich sind wir ja auch leicht unter<br />
den US-Brands.<br />
Erzähl mal, wie es mit Deinen Woodshops war. Du<br />
hattest ja nicht immer das gleiche Holz, richtig?<br />
Das stimmt. Wir hatten in den letzten sechs Jahren drei<br />
verschiedene Woodshops, wobei wir seit zweieinhalb<br />
Jahren den gleichen haben, bei dem wir auch bleiben<br />
werden. Den Zugang zu den richtigen Woodshops zu<br />
bekommen ist nicht ganz leicht. Die europäischen bringen<br />
noch nicht ganz die Qualitä, die wir suchen. Jeder der in<br />
China produziert, ist ein Heuchler und die guten US Woodshops<br />
muss man erst einmal davon überzeugen, deine<br />
relativ kleinen Aufträge anzunehmen, wenn er eh grad<br />
kaum nachkommt für die amerikanischen Top-Brands<br />
zu produzieren. Es ist ein gutes Gefühl sagen zu können,<br />
dass unsere Decks mittlerweile durch die gleichen Pressen<br />
laufen wie viele der angesagtesten US Marken und es ist<br />
gut zu wissen, dass die Leute, die dort beschäftigt sind,<br />
fair behandelt werden. Was Viele nicht wissen, ist, dass es<br />
doch bei einigen Firmen Mißstände gibt, was die Arbeiter<br />
betrifft, die Eure Decks „schnitzen“.<br />
Hast Du vor, eines Tages zu expandieren und auch<br />
außerhalb von Österreich zu verkaufen?<br />
Nein. Wir haben vor zwei Jahren einen Versuch gemacht,<br />
dadurch, dass wir im Kingpin-Magazine inseriert haben.<br />
Es gibt dafür gleich mehrere Gründe: Der finanzielle<br />
Aufwand fürs Marketing wäre zu hoch. Wir sind in<br />
Österreich, was Qualität und Verkaufszahlen betrifft, eine<br />
der Top-Marken. Ich habe keine Lust, das Schicksal der<br />
anderen Euro-Marken zu teilen und meine Boards in<br />
einem französischen Shop verrotten zu sehen, weil sie<br />
dort eh keiner kauft. Der wohl wichtigste Grund ist, dass<br />
ich das Team ändern müsste. Um in Europa interessant zu<br />
Markus OSTERMANN wallie indy<br />
werden, braucht man ein europäisches Team, denn welcher<br />
Engländer interessiert sich schon für ein Team aus sieben<br />
Österreichern (Sorry Ali, ich weiß dein Nachnahme wär ja<br />
eh Thompson)<br />
Skateboarding ist offensichtlich zu Deinem Beruf<br />
geworden. Kommst Du selbst noch viel zum Skaten?<br />
Glaubst Du, dass Du mehr zum Skaten kommst, als<br />
wenn Du einen anderen Beruf gewählt hättest, der<br />
nichts mit Skaten zu tun hat?<br />
Ich skate, so oft es geht. Im Idealfall jeden Tag, wenn auch<br />
nur für eine Stunde. Klar gibt es Phasen, in denen es sich<br />
berufsbedingt einfach nicht so oft ausgeht. Ich glaube<br />
aber nicht, dass ich weniger skaten würde, wenn ich einen<br />
anderen Beruf gewählt hätte. Wir machen zwar schon<br />
manchmal ausgedehnte Skate-Mittagspausen, allerdings sitz<br />
ich dann auch oft am Abend oder am Wochenende im Büro.<br />
Manchmal ist es etwas komisch, den ganzen Tag mit<br />
Skaten zu tun zu haben und dann keine Zeit dafür zu<br />
finden, es selbst auszuüben - aber definitiv besser als Waschmaschinen<br />
zu verkaufen und keine Zeit zu haben, skaten<br />
zu gehen!<br />
Was macht für Dich ein gutes Team bzw. einen guten<br />
Teamrider aus? Bist Du mit Deinem Team zufrieden?<br />
Zuerst einmal muss er gut fahren, sonst würde man ja nicht<br />
auf ihn aufmerksam. Er muss Decay mögen, was ein ganz<br />
wichtiger Punkt ist, denn wir brauchen niemanden, der so-
46 TROTTOIR<br />
Alex GUGITSCHER layback wallie<br />
wieso für eine andere Firma fahren möchte und nur Gratis-<br />
Zeug will. Er sollte vom seinem Stil her die Firma gut<br />
repräsentieren können. Am wichtigsten ist dann wohl der<br />
persönliche Faktor: ob wir jemand ins Team aufnehmen,<br />
entscheiden auch die übrigen Fahrer. Sympathie spielt<br />
eine große Rolle - so haben sich innerhalb des Teams sehr<br />
dicke Freundschaften entwickelt, was wahrscheinlich das<br />
Schönste an der ganzen Sache ist.<br />
Wie ist die Stimmung im Decay-Team?<br />
Da musst Du wohl die Jungs fragen, aber ich denke,<br />
nachdem uns in den letzten sechs Jahren noch kein Fahrer<br />
freiwillig verlassen hat, sind sie wohl im Großen und<br />
Ganzen recht zufrieden.<br />
Warst Du schon mal an dem Punkt, an dem Du Dir<br />
gedacht hast: Es wird mir alles zuviel, ich hau alles<br />
hin?<br />
Ja, oft. Wobei das nichts mit meinem Beruf an sich zu tun<br />
hat. Ich bin ein sehr selbstkritischer Mensch und hinterfrage<br />
oft, was ich mache. Das wäre aber bei jedem anderen<br />
Beruf nicht anders.<br />
Wenn ich dann wieder zur Besinnung komme, stelle<br />
ich doch jedes Mal fest, dass ich wohl den besten<br />
Job der Welt habe. Nicht nur, weil Skaten einer der<br />
bedeutendsten Bestandteile meines Lebens ist, sondern<br />
weil es mir die Möglichkeit gegeben hat, mit Freunden<br />
zusammenzuarbeiten.
Photos Philip schuster
TROTTOIR 49<br />
Thomas WEBER ollie
Stephan STORN nollie shuvit
52 TROTTOIR<br />
Stefan SPERKA nollie halfcab
Chris PFANNER fs boardslide
54 TROTTOIR<br />
Marco HOLZNER polejam
Boris MATEJOWSKY bs tailslide<br />
Die letzte Runde<br />
In Wien gehen die Uhren nach.<br />
Aber immerhin sind sie nicht ganz<br />
stehengeblieben. Nach mehr als<br />
fünfundzwanzig Jahre Warten tauchten<br />
nun gleich zwei Betonlandschaften in<br />
Wien auf. Das Warten hat sich gelohnt.<br />
Text Hans Peter Hutter Photos Philipp Schuster
Wien war Wüste. Es herrschte Trockenheit ... trotz<br />
vieler jahrelanger (!) Versuche, leere Pools in<br />
der Bundeshauptstadt zu installieren. Während<br />
in Westösterreich betonierte Skateparks und Pools wie<br />
Schwammerln aus dem Boden schossen, war es bei uns<br />
zum Verzweifeln. Es dominierte (teurer) bunter Fertigteilwahnsinn,<br />
aber kein annehmbares professionelles<br />
Betonkonstrukt wie es heutzutage üblich ist.<br />
Dann kam 2008 und die Wende puncto Betonmangel:<br />
Zuerst die Fertigstellung des Bergmillerparks in Penzing -<br />
eine runde Sache mit vielen Freundlichkeiten, die sich u.a.<br />
Roman Hackl ausgedacht hat - und schließlich kurz nach<br />
dessen Eröffnung die Gerüchte um eine weitere Betonoase<br />
im zweiten Bezirk.<br />
Gerüchte um dies oder jenes gab es ja schon viele.<br />
Leider immer ohne Substrat. Daher war die Überraschung<br />
sehr groß, als ich vor einem Bowl - jungfräulich ohne<br />
Graffiti in makellosem Grau - stand. Ein shallow End mit<br />
Roll-in verbunden über eine Hip mit einem „deep“ End<br />
(etwas höher als zwei Meter) ohne sonstigen Schnickschnack,<br />
jedoch steilerer Transition als im Bergmillerpark.<br />
Das ganze Setting mit der Baustelle rundherum erinnert ein<br />
wenig an kalifornische Backyard-Pool-Idylle.<br />
Üblicherweise inmitten zerfallener Architektur<br />
geschlossener Motels oder hinter einem Einfamilienhaus<br />
liegen die leeren Pools mit engem Querschnitt und übersteiler<br />
Transition. So ist der Bowl in der Leopoldstadt<br />
zwar nicht konstruiert. Trotzdem versprüht die umgebende<br />
derzeit noch gstettenartige Atmosphäre und die „Betreten-<br />
Verboten“ Schilder am Bauzaun einen Hauch dieses<br />
Hinterhof-Klassikers. Selbst die sich überschätzenden<br />
Herren vom Wachdienst, die wie im Schnelldurchlauf<br />
heran sprinten, wenn sie unerlaubte Poolbenützer<br />
entdecken, gehören dazu.<br />
Wenn ich vor dem Kidneybowl stehe, kann ich es kaum<br />
fassen, dass (m)ein Traum aus Beton inmitten der Leopoldstadt<br />
nun verwirklicht wurde. Ich erinnere mich, als ich<br />
Anfang der achtziger Jahre erstmals zum Poolskaten<br />
aufbrach: die nächste Gelegenheit London (Harrow),<br />
Fahrzeit per Bahn rund 24 Stunden. Heute radle ich<br />
zehn Minuten und denke an Karl Kraus: „Wenn die Welt<br />
untergeht, dann gehe ich nach Wien. Dort passiert alles<br />
zehn Jahre später“.<br />
In diesem Fall hat es fast dreißig Jahre gedauert. Aber<br />
immerhin passierte es doch...<br />
Frido FIEBINGER bs smithgrind
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