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Evolution im Mediendom - Immersive Medien

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EVOLUTION IM MEDIENDOM<br />

ÜBER DIE PRODUKTION DER PLANETARIUMSVERANSTALTUNG<br />

Ralph Heinsohn<br />

<strong>Evolution</strong> <strong>im</strong> <strong><strong>Medien</strong>dom</strong><br />

In den letzten Jahren durchläuft der <strong><strong>Medien</strong>dom</strong> als Nachfolger des Kieler<br />

Planetariums einen interessanten Wandel der inhaltlichen Ausrichtung.<br />

Fast lässt sich von einer <strong>Evolution</strong> sprechen - die technische Entwicklung<br />

bringt <strong>im</strong>mer neue Formen der Veranstaltungen hervor - über die Astronomie<br />

hinaus.<br />

Anlässlich des Darwin-Jahres 2009 bot sich die Gelegenheit, ein prominentes<br />

biologisches Thema in die Kuppel zu bringen und sich insbesondere<br />

der <strong>Evolution</strong>stheorie zu widmen. Einem Thema, über das nicht nur 2009<br />

vielseitig berichtet wird, sondern zugleich einen folgenreichen Einschnitt<br />

in das Weltbild des Menschen darstellt.<br />

Durch Charles Darwin wissen wir, daß die Vielfalt der Lebensformen<br />

auf der Erde unter anderem durch das Besetzen von Nischen bedingt<br />

ist. Und gerade in Nischen entstehen die mitunter faszinierendsten und<br />

erstaunlichsten Organismen.<br />

Er forschte insbesondere mit Orchideen. Die Erkenntnisse, die er dabei<br />

sammelte, stützten seine Theorie über die Entstehung der Vielfalt des<br />

Lebens auf der Erde.<br />

Orchideen zum Thema einer Kuppelveranstaltung zu machen, bot nicht<br />

nur die Möglichkeit, aus einem großen Fundus ästhetischster Aufnahmen<br />

schöpfen zu können. Die Besetzung eines Nischenthemas bot darüberhinaus<br />

die Chance, dem Publikum spannende, neuartige Unterhaltung zu<br />

bieten und sich inmitten der verschiedenen Darstellungen von Charles<br />

Darwin, seiner Arbeit sowie der <strong>Evolution</strong>stheorie zu behaupten.<br />

Orchideen – Wunder<br />

der <strong>Evolution</strong><br />

Bereits vor Produktionsstart liessen sich 20 Planetarien auf Grundlage des<br />

Storyboards dafür begeistern, die »Orchideen« ebenfalls in ihr Programm<br />

aufzunehmen.<br />

In dem Ideenwettbewerb »<strong>Evolution</strong> heute« der Volkswagenstiftung<br />

konnte sich das Showkonzept gegen 60 andere Bewerber um Projektmittel<br />

durchsetzen und sich somit einen Großteil der Finanzierung sichern.<br />

38<br />

<strong>Evolution</strong> <strong>im</strong> <strong><strong>Medien</strong>dom</strong> 39


Die Show - Der Umfang<br />

Die Show sollte ca. 45 Minuten lang werden und von Anfang an sowohl<br />

als Fulldome-Fassung als auch als Version für klassische Planetarien mit<br />

Dia-Projektion produziert werden.<br />

Weitere Bedingung für die Vergabe von Produktionsmitteln durch die<br />

Volkswagenstiftung war die Integration eines interaktiven Teils - eines<br />

Spiels, welches plattformübergreifend programmiert werden sollte.<br />

Die Höhe der Projektmittel best<strong>im</strong>mte natürlich auch den Umfang der<br />

medialen Umsetzung. Das Produktions-Budget erlaubte keine Erzählung<br />

mit Schauspielern oder Realfilmaufnahmen. Auch 3D-An<strong>im</strong>ationen<br />

konnten max<strong>im</strong>al 30%-40% der Show ausmachen. Und dennoch sollte<br />

die Show natürlich über die reine Abbildung von Orchideen-Fotograi en<br />

hinausgehen, um über eine Länge von 45 Minuten dramaturgisch zu<br />

funktionieren.<br />

Mit den Mitteln und Möglichkeiten musste also von Anfang an kreativ<br />

umgegangen, nach ungewöhnlichen Lösungen gesucht werden, um eine<br />

durchgängig spannende Unterhaltung zu entwickeln.<br />

Die Erzählung und der dramaturgische Aufbau musste ferner so l exibel<br />

konzipiert werden, dass sich eine Fulldome-Video-Fassung schnell in eine<br />

Version für klassische Planetarien mit einem Großteil an Dia-Projektion<br />

umsetzen liesse und die Dramaturgie für beide Planetariumstypen gleichermassen<br />

funktioniert.<br />

Die Show - Entwicklung der Dramaturgie<br />

In einer dre<strong>im</strong>onatigen Konzeptionsphase wurden die drei wesentlichen<br />

Bereiche festgelegt, auf die die Show aufgebaut sein sollte:<br />

Die Vielfalt der Orchideen, ein Kurzportrait des Forschers Charles Darwin,<br />

und die Vermittlung der <strong>Evolution</strong>stheorie, die er mit seinen Forschungen<br />

mit Orchideen auf eine breite Basis stellen konnte.<br />

Aus den wissenschaftlichen Vorgaben entwickelte ich die Dramaturgie und<br />

das audiovisuelle Konzept.<br />

Die zu erwartende Besuchergruppe wurde dabei auf grob zwei<br />

Gruppen geschätzt:<br />

1. Orchideenfreunde, die bereits durch den Titel auf das Programm<br />

aufmerksam würden und Kenntnisse über Orchideen mitbringen<br />

würden. Der Altersdurchschnitt dieser Teilgruppe wurde grob auf die<br />

Generation(en) 55+ geschätzt, was sich <strong>im</strong> Programmbetrieb des <strong><strong>Medien</strong>dom</strong>s<br />

mittlerweile bestätigt.<br />

2. Fulldome-Interessierte unterschiedlichsten Alters, u. A. regelmäßige<br />

<strong><strong>Medien</strong>dom</strong>-Besucher, die generell an neuen Fulldome-Shows interessiert<br />

sind und kein botanisches Fachwissen mitbringen<br />

Dementsprechend sollte die Show natürlich dem „Fachpublikum” relevante<br />

und neue Informationen bieten, sie sollte aber vor allem den Laien einen<br />

Zugang ermöglichen zu nicht alltäglichem Wissen. Ähnlich der Wirkung<br />

eines Trichters sollte das Publikum aus unterschiedlichsten Richtungen zu<br />

den Inhalten geführt werden.<br />

In fünf Jahren mit dem<br />

Forschungsschiff H.M.S. Beagle<br />

um die Welt<br />

Den Kern der Veranstaltung bildet die Darstellung von exemplarischen<br />

Bestäubungsvorgängen bei Orchideen – gewissermassen eine Einheit<br />

Biologie-Unterricht über die Vielfalt der Tricks der <strong>Evolution</strong>.<br />

Die Herausforderung lag darin, <strong>im</strong> ersten Drittel der Show das Thema<br />

Orchideen derart emotional aufzuladen, dass insbesondere Orchideen-<br />

Laien eine Biologie-Schulstunde <strong>im</strong> mittleren Teil als interessante, gar<br />

notwendige inhaltliche Unterfütterung wahrnehmen.<br />

Glücklicherweise war hierbei gar keine aufgesetzte Rahmenhandlung<br />

erforderlich.<br />

Orchideen stehen auch heutzutage vielfach für Luxus, Exotik, Mystik<br />

und Erotik. Sie sind ein Sinnbild für exotische Schönheit und stehen in<br />

Literatur und Kunst vielfach als Symbol für Leben und Tod.<br />

Dies hat kulturgeschichtliche Hintergründe. Eine Aufbereitung der<br />

Geschichte gleicht dem Aufbau eines Abenteuerromans – und bietet<br />

somit einen perfekten Zugang zu einer vermeintlich banalen<br />

Fensterbank-Pl anze.<br />

40 Ralph Heinsohn<br />

<strong>Evolution</strong> <strong>im</strong> <strong><strong>Medien</strong>dom</strong> 41


Das letzte Drittel der Veranstaltung dient dazu, Kenntnisse über Naturvorgänge<br />

insbesondere bei Orchideen mit dem Forscherdrang Darwins zu<br />

verknüpfen und dadurch eine Herleitung der <strong>Evolution</strong>stheorie verständlich<br />

und begreifbar zu machen.<br />

Die Spannungskurve der Veranstaltung gipfelt in der Zusammenfassung<br />

der <strong>Evolution</strong>stheorie und in der Dramatik, mit welcher sie zu allen Zeiten<br />

aufgenommen wurde. Es gibt gewissermassen einen Showdown, mit welch<br />

dramatischen Folgen Charles Darwins Veröffentlichungen missinterpretiert<br />

und politisch instrumentalisiert wurden – bis hin zum buchstäblichen<br />

Knall.<br />

Die zahlreichen Missdeutungen werden anschließend entzerrt; eine deutliche<br />

Darstellung von Darwins Botschaften zeigt, welch positives Bild sich<br />

in seinen Schriften offenbart.<br />

Die Show endet mit einem Zitat: Orchideen haben Darwin „mehr fasziniert<br />

als fast alles andere in seinem Leben.”<br />

Entwicklung eines visuellen Konzepts<br />

Die Geschichte wird mit Off-St<strong>im</strong>me erzählt und sollte visuell auf mehreren<br />

Schichten aufgebaut sein,<br />

1. dem Farb- und Formenreichtum von Orchideen-Aufnahmen,<br />

2. Illustrationen sowie 2D- und 3D-An<strong>im</strong>ationen, die biologische Vorgänge<br />

sichtbar machen und historische Dokumente über das Leben Charles<br />

Darwins umfassen,<br />

3. gestalterischen Elementen, welche wissenschaftlich-korrekte Darstellungen<br />

kontrastieren und in künstlerischer Inszenierung für lebendige<br />

Erzählung sorgen und somit auch nicht-fachlichen Ansprüchen<br />

genügen.<br />

Erst aus der zeitintensiven Beschäftigung über mehrere Wochen mit sowohl<br />

dem Leben Charles Darwins als auch biologischen Zusammenhängen und<br />

dem Aufbau von Orchideen ließen sich gewisse Schlüsselbilder ableiten.<br />

Eine der wichtigsten Gestaltungsideen der Show entstand aus dem Blick<br />

auf einen Wendepunkt in Darwins Leben. Als 23-Jähriger bekam er<br />

einen Brief mit der Einladung, auf eine fünfjährige Weltreise mit dem<br />

Forschungsschiff H.M.S. Beagle zu gehen.<br />

Aus dem Brief entfaltete sich ihm eine neue Perspektive, eine neue Sicht<br />

auf Naturvorgänge, aus der Darwin seine Idee eines Bauplans des Lebens<br />

entwickelte, die die Welt verändern sollte.<br />

Ein Brief hat nicht nur poetische Qualität, er besteht <strong>im</strong> Normalfall auch<br />

aus einem Werkstoff, der sich beliebig formen lässt.<br />

Papier kann in Origami-Technik zu nahezu beliebigen Gegenständen gefaltet<br />

werden, und auf den gefalteten Teill ächen lassen sich Zeichnungen und<br />

Fotograi en abbilden.<br />

Ein Einblick in das<br />

Leben des Naturforschers <strong>im</strong><br />

„Charles-Darwin-Museum“<br />

Papier spielte eine große Rolle in Darwins Leben. Er hat unzählige Seiten<br />

mit seinen Gedanken gefüllt. Auf Papier – in Buchform – wurden seine<br />

Theorien veröffentlicht, die die Welt verändert haben.<br />

42 <strong>Evolution</strong> <strong>im</strong> <strong><strong>Medien</strong>dom</strong> 43


Ein Material, auf welchem sein Leben und<br />

Werk dokumentiert sind, sondern welches auch<br />

in Faltbewegungen als spannende Fulldome-<br />

Video-An<strong>im</strong>ation inszeniert werden kann oder<br />

in Standbildern z. B. in Allsky-Dia-Projektion<br />

als Träger für statische Inhalte genutzt werden<br />

kann.<br />

Der noch größere Vorteil liegt in der künstlerischen<br />

Überhöhung: Dadurch, dass Gegenstände<br />

aus Papier gefaltet nicht naturalistisch wiedergegeben<br />

werden, entfällt der Vergleichsmaßstab.<br />

Die Objekte, wie eine aus Papier nachgefaltete<br />

H.M.S. Beagle wird nicht an der Qualität der<br />

naturalistischen Wiedergabe sondern an ihrer<br />

Unterhaltsamkeit bemessen.<br />

Inszenierte Grai k, wie z. B. an<strong>im</strong>iert-gefaltetes<br />

Papier – sog. Motion Graphics –, bieten Überraschungsmomente<br />

und eine Faszination, die vorgefertigte<br />

Muster und Klischees in der (Natur-)<br />

vorstellung des Publikums konsequent umgeht.<br />

Und dennoch wird eine reale Atmosphäre<br />

erzeugt. Die Reise mit einem Papierschiff auf<br />

einem Papiermeer (einer riesigen ausgefalteten<br />

Landkarte) wird mit der entsprechenden Klanguntermalung<br />

und Meeresgeräuschen wiederum<br />

so real, dass der Zuschauer sich tatsächlich auf<br />

Seereise fühlt.<br />

Die Produktion entstand in der festen Überzeugung,<br />

dass erst durch gestalterische Überhöhung,<br />

durch das Gestalten mit Motion Graphics und<br />

eben gerade nicht in der ausschließlichen naturalistischen<br />

Wiedergabe von wissenschaftlichen<br />

Inhalten eine Überzeugungskraft und Unterhaltungsqualität<br />

entsteht, die Laien dann auch<br />

einen Zugang zu wissenschaftlichen (Nischen-)<br />

Themen ermöglicht, wie es die Orchideen für<br />

manchen Kuppel-Gänger vielleicht sein mögen.<br />

Die hohen Besucherzahlen <strong>im</strong> <strong><strong>Medien</strong>dom</strong> bestätigen<br />

dieses Konzept.<br />

Weitere Informationen über die Veranstaltung,<br />

das Herstellungsteam sowie die beteiligten Planetarien<br />

i nden sich auf:<br />

www.orchideen-wunder-der-evolution.de<br />

Die <strong>Evolution</strong>stheorie<br />

als sich verzweigender<br />

Stammbaum des Lebens<br />

44 Ralph Heinsohn<br />

<strong>Evolution</strong> <strong>im</strong> <strong><strong>Medien</strong>dom</strong><br />

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