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Unterstützte Kommunikation bei Menschen mit ... - Haus Hall

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UK und erste Zeichen <strong>mit</strong> schwerstbehinderten <strong>Menschen</strong><br />

Ursula Braun und Stephan Orth, Bad Arolsen<br />

<strong>Unterstützte</strong> <strong>Kommunikation</strong> (UK) richtet sich an alle <strong>Menschen</strong>, unabhängig vom Schweregrad der<br />

Behinderung. Zwar gab es in den ersten <strong>bei</strong>den Jahrzehnten der Theorieentwicklung innerhalb des<br />

Fachgebietes durchaus auch Ansätze, die schwerstbehinderte <strong>Menschen</strong> ausgrenzten, indem z.B.<br />

das Erreichen des fünften sensomotorischen Stadiums nach Piaget als Voraussetzung für UK<br />

betrachtet wurde (vgl. Shane/Bashir 1980, Owens/House 1984). Inzwischen jedoch wird allgemein<br />

vertreten, dass jegliches menschliche Individuum von Beginn seines Lebens an in der Lage ist zu<br />

kommunizieren und dass es folgerichtig keine Ausschlusskriterien für eine UK-Intervention geben<br />

kann. <strong>Unterstützte</strong> <strong>Kommunikation</strong> stellt demnach nicht nur eine Ergänzung oder ein Ersatz für<br />

intentionale <strong>Kommunikation</strong> dar, sondern richtet sich ebenfalls auf präintentionale<br />

<strong>Kommunikation</strong>sformen.<br />

Während es jedoch in der deutschsprachigen Literatur inzwischen eine wahre Fülle von Anregungen<br />

und Praxis<strong>bei</strong>spielen für <strong>Unterstützte</strong> <strong>Kommunikation</strong> auf intentionaler Ebene gibt, mangelt es an<br />

Literatur zur UK-Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> schwerstbehinderten <strong>Menschen</strong>. Besonders die Frage nach dem Übergang<br />

von präintentionaler zu intentionaler <strong>Kommunikation</strong> ist aus dem UK-Blickwinkel noch nicht<br />

ausreichend beschrieben. Auch die Nutzung des Begriffs „Symbol“ wird selten definiert. Der<br />

nachfolgende Artikel versucht einen Beitrag zu leisten, um diese Lücke ein wenig kleiner werden zu<br />

lassen.<br />

1. Grundlagen aus der Spracherwerbstheorie<br />

1.1 Spracherwerbstheorie von Jerome Bruner<br />

Eine ausgezeichnete Basis für das Verständnis von UK-Interventionen <strong>mit</strong> schwerstbehinderten<br />

<strong>Menschen</strong> bildet die Spracherwerbsthorie von Jerome Bruner. (u.a. 1973, 1977) Bruner geht davon<br />

aus, dass die Wurzeln des Spracherwerbs in den frühen Interaktionen des Kindes <strong>mit</strong> seinen primären<br />

Bezugspersonen zu finden sind. Die Kinder bringen ein bestimmtes, zunächst noch ungerichtetes<br />

Verhaltensrepertoire an körpereigenen Äußerungsformen <strong>mit</strong> auf die Welt, sie lautieren, verfügen über<br />

die Fähigkeit zu blicken, Mimik einzusetzen und sich zu bewegen. Die noch ungezielten Äußerungen<br />

des Kindes werden jedoch von den Bezugspersonen als kommunikative Willensäußerung verstanden.<br />

Bruner beschreibt, dass „von Anfang an die Mutter von der Vorstellung ausgeht, das Verhalten des<br />

Kindes sei zweckgerichtet und seine Gebärden und Laute stellten Versuche der Verständigung dar.“<br />

(1977, 834).<br />

Da die primären Bezugspersonen den kindlichen Äußerungen Bedeutung zuschreiben und<br />

entsprechend reagieren, schaffen sie gemeinsam <strong>mit</strong> dem Kind eben diese Bedeutungen. Das Kind<br />

lernt, dass z.B. sein Schreien als Zeichen für Unwohlsein verstanden wird und entsprechende<br />

Konsequenzen erfährt und lernt dadurch, eben dieses Schreien als Zeichen für Unwohlsein<br />

einzusetzen. Und gleichzeitig führen die auf die Äußerungen des Kindes abgestimmten Reaktionen<br />

der Bezugspersonen zu einer Ausdifferenzierung der Äußerungen. So bezieht sich Bruner auf<br />

Ainsworth/Bell (1974), die aufzeigen konnten, „dass diejenigen Kinder, deren Mütter in der ersten<br />

Hälfte des ersten Lebensjahres auf die Lautäußerungen ihrer Kinder eingehen, im letzten Viertel<br />

dieses Jahres weniger schreien und dafür öfter Laute und Gebärden als Mitteilung einsetzen.“<br />

Besonders plastisch wird dieser wechselseitige Lernprozess am Beispiel der Lautfolge „Mamamam“,<br />

die ein gesunder Säugling in der sogenannten Lallphase (vgl. Oksaar1977, 159) aus reiner<br />

Funktionslust äußert und die aufgrund des Prinzips des maximalen Kontrastes (Jakobson 1941)<br />

besonders leicht zu äußern ist. Ob aus dieser Lallfolge das sprachliches Symbol „Mama“ entstehen<br />

kann, hängt nach Bruners Theorie entscheidend von der Reaktion der Bezugspersonen ab. Während<br />

in einem chinesische Sprachraum dieser Lallfolge vermutlich keinerlei weitere Bedeutung<br />

zugemessen wird, reagiert die deutsche Mutter entzückt und eindeutig verstärkend und trägt so<strong>mit</strong><br />

dazu <strong>bei</strong>, das sprachliche Symbol „Mama“ zunächst häufig übergeneralisiert für (weibliche )<br />

Bezugspersonen und schließlich eindeutig für die Person der eigenen Mutter zu etablieren.<br />

Die wechselseitigen Handlungen zwischen Bezugspersonen und Kind sind nach Bruner jedoch nicht<br />

nur entscheidend für die Etablierung von gemeinsamen Symbolen, sondern bilden auch die<br />

notwendige Vorbedingung für die Entwicklung der pragmatischen Seite der <strong>Kommunikation</strong>. Am<br />

Beispiel der gemeinsamen Bilderbuchbetrachtung beschreibt Bruner (1977, 837):<br />

„Während eines Zeitraums von mehreren Monaten (...) zielt das Vorgehen der Mutter offenbar ganz<br />

darauf ab, das Kind dazu zu bewegen, dass es hinschaut, darauf zeigt und an den richtigen


Gelenkstellen ihres Wechselgespräches etwas `sagt`. (..) die Etablierung eines solchen wechselseitig<br />

geführten `Gespräches` (ist) eine notwendige Vorbedingung für den Spracherwerb (....)“.<br />

1.2 Die Bedeutung von Bruners Spracherwerbstheorie für <strong>Unterstützte</strong> <strong>Kommunikation</strong><br />

Die Spracherwerbstheorie von Bruner ist für die <strong>Unterstützte</strong> <strong>Kommunikation</strong> deswegen so hilfreich,<br />

weil sich aus ihr klare Handlungsimplikationen ergeben. Die Entwicklung gemeinsamer Zeichen kann<br />

so<strong>mit</strong> in gemeinsamen Interaktionen erfolgen, in denen den Äußerungen des Gegenübers bereits<br />

dann eine Bedeutung zugeschrieben wird, wenn sie noch nicht eindeutig identifizierbar ist. Dieses<br />

„So-tun-als-ob“ muss konsequent <strong>bei</strong>behalten werden, soll sich diese Äußerung tatsächlich als<br />

gemeinsam verstandenes Zeichen etablieren. Der entscheidende Faktor für die<br />

<strong>Kommunikation</strong>sentwicklung stellt demnach das Verhalten der Bezugspersonen in der Interaktion <strong>mit</strong><br />

dem betreffenden <strong>Menschen</strong> dar.<br />

Insofern ist es auch einleuchtend, dass es für <strong>Unterstützte</strong> <strong>Kommunikation</strong> keine Vorbedingungen<br />

geben kann. Nur durch den immer wiederkehrenden und verlässlichen Einsatz von unterstützenden<br />

<strong>Kommunikation</strong>sformen in Interaktionssituationen lassen sich diese entwickeln! Vorbedingungen für<br />

<strong>Unterstützte</strong> <strong>Kommunikation</strong> zu verlangen entspricht dem Postulat, <strong>mit</strong> gesunden Säuglingen erst<br />

dann zu sprechen, wenn ihre motorischen Fähigkeiten ausreichend sind, um lautsprachliche Zeichen<br />

zu artikulieren!<br />

Auf der Basis von Bruners Theorie lassen sich systematische Lernsituationen planen: Sollen z.B.<br />

Objektsignale (Gegenstände, die eine bestimmte Handlung, einen Gegenstand oder einen<br />

Sachverhalt repräsentieren.) eingeführt werden, so geschieht das folgerichtig in gemeinsamen<br />

Handlungen, in denen das Objekt verlässlich als Repräsentation einer bestimmten Tätigkeit, eines<br />

Gegenstandes oder eines Sachverhaltes eingesetzt wird, da<strong>mit</strong> die Chance besteht, dass dieses<br />

Objekt bedeutungstragend wird. Lernsituationen müssen <strong>bei</strong> schwerstbehinderten <strong>Menschen</strong> klar<br />

strukturiert und nach lerntheoretischen Gesichtspunkten aufgebaut werden, d.h. auf das Objektsignal,<br />

um <strong>bei</strong> diesem Beispiel zu bleiben, muss un<strong>mit</strong>telbar eine Konsequenz, nämlich die repräsentierte<br />

Handlung etc. erfolgen. Nur wenn gewährleistet ist, dass Objektsignal und die entsprechende<br />

Konsequenz in un<strong>mit</strong>telbarem zeitlichen Kontinuum stehen, besteht die Chance, dass ein<br />

Zusammenhang von dem schwerstbehinderten <strong>Menschen</strong> hergestellt werden kann. Und nur durch<br />

konsequente Wiederholung und Zuverlässigkeit über einen langen Zeitraum kann dieser<br />

Zusammenhang gefestigt werden, um in das Verhaltensrepertoire des entsprechenden <strong>Menschen</strong><br />

überzugehen.<br />

2. Grundlagen aus der Entwicklungspsychologie<br />

2. 1 Entwicklung von Intentionalität nach Piaget<br />

Um zu verstehen, in welchem Entwicklungsstadium sich ein Mensch befinden muss, um erste<br />

Intentionalität zu erreichen, ist das altbekannte Modell der sensomotorischen Entwicklung des<br />

Entwicklungspsychologen Jean Piaget (1959) sehr hilfreich. Piaget beschreibt folgende 6<br />

Entwicklungsstadien:<br />

(Tabelle: Stadien der kognitiven Entwicklung nach Piaget einfügen)<br />

Für die Entwicklung der Intentionalität zeigen sich das dritte und das vierte Stadium, die Stadien der<br />

sekundären Zirkulärreaktionen, als entscheidend.<br />

Im dritten Stadium, im Entwicklungsalter zwischen 4-8 Monaten, bemüht sich das Kind darum,<br />

zufällig her<strong>bei</strong>geführte Ereignisse, die für es interessant sind, aktiv zu wiederholen. Hat es z.B. zufällig<br />

ein in Reichweite hängendes Mobile berührt und da<strong>mit</strong> die Bewegung der Mobileteile ausgelöst, so<br />

wird es, sofern dieses Geschehen sein Interesse erregt, durch eine erneute Bewegung in Richtung<br />

des Mobiles versuchen, eine Wiederholung des Geschehens zu erreichen.<br />

„In dem Maße, wie diese Verhaltensweisen an immer vielfältigeren Umweltsituationen zur Anwendung<br />

gelangen, wird das Subjekt (...) dazu geführt, die einzelnen Teilstücke dieses Verhaltens loszulösen,<br />

sie als Mittel oder Ziele zu betrachten und sie nun in den verschiedensten Weisen neu zu gruppieren.<br />

Mit dieser Unterscheidung von Mittel und Zweck erreicht das Verhalten den Punkt der Intentionalität<br />

(...)“<br />

(Jean Piaget 1973, 159f)


Der Besitz erster Intentionalität ist für interaktive Zusammenhänge besonders bedeutsam, denn die<br />

Fähigkeit ein Ereignis auszulösen ist der entscheidende Schritt für die Etablierung erster Zeichen. In<br />

einer Handlungsfolge, wie in dem bekannten Kinderspiel „Wie das Fähnchen auf dem Turme“,<br />

begleitet z.B. die Drehbewegung der Hand die interessante Aktivität, nämlich das Singen des<br />

Kinderliedes. Durch diese motorische Aktivität in einem motivierenden Zusammenhang lernt das Kind<br />

sukzessive, die Drehbewegung der Hand einzusetzen, zunächst um das Lied zu begleiten und dann<br />

um das Singen des Liedes zu initiieren. So<strong>mit</strong> wird die Drehbewegung der Hand ein erstes<br />

gemeinsames Zeichen zwischen Kind und Bezugsperson in diesem interaktiven Zusammenhang.<br />

Allerdings besitzen <strong>Menschen</strong> in diesem Entwicklungsstadium nach Piaget noch keine bewusste<br />

Vorstellung von dem, was und wie sie auslösen, sondern es geht primär darum, eine bestimmte und<br />

durch ihr Ergebnis befriedigende motorische Kombination zu wiederholen (a.a.O., S.188). Daher ist<br />

ein Mensch in diesem Entwicklungsalter zwar in der Lage, im interaktiven Zusammenhang des Spiel<br />

die Wiederholung der Handlung zu initiieren, aber kann nicht außerhalb einer solchen Spielsituation<br />

das Bewegungszeichen einsetzen, um dieses Spiel zu fordern. Piagets Beschreibung hilft so<strong>mit</strong> zu<br />

verstehen, warum ein schwerstbehinderter Mensch in einer Essensituation durchaus fähig sein kann,<br />

<strong>bei</strong>m Anblick eines Löffels durch Öffnen des Mundes zu signalisieren, dass er Nahrung wünscht und<br />

erwartet, gleichzeitig jedoch nicht in der Lage ist, sein Bedürfnis nach Nahrung außerhalb der<br />

Essenssituation durch das Körperzeichen „Öffnen des Mundes“ deutlich zu machen.<br />

Die tatsächliche Intentionalität selbst bildet sich nämlich erst <strong>bei</strong>m Übergang zum vierten<br />

sensomotorischen Stadium im Entwicklungsalter von 8-12 Monaten. Hier werden sekundäre<br />

Schemata kombiniert und koordiniert, ein Kind beginnt z.B. zu verstehen, dass ein Gegenstand<br />

versteckt sein kann, also auch außerhalb der direkten eigenen direkten Wahrnehmung existiert.<br />

„Das Kind versucht nicht mehr bloß, einen zufällig entdeckten oder beobachteten Effekt zu<br />

wiederholen oder andauern zu lassen, es verfolgt vielmehr ein nicht mehr direkt angehbares Ziel und<br />

versucht, es durch verschiedene dazwischengeschaltete „Mittel“ zu erreichen.“<br />

(Piaget a.a.O., 218)<br />

In der <strong>Kommunikation</strong> ist das die Phase, in der das Kind bereits eine Fähigkeit zur Antizipation zeigt,<br />

also z.B. <strong>bei</strong>m Spiel „Hoppe Hoppe Reiter“ an der entscheidenden und für das Kind so ungeheuer<br />

reizvollen Stelle „...fällt er in den Sumpf, macht der Reiter......“ durch seine Körperhaltung, Freude oder<br />

Spannung ausdrücken kann, dass es eine Vorstellung davon hat, wie es weiter geht. Sukzessive und<br />

auf der Basis des förderlichen Verhaltens der Bezugspersonen (vgl. Bruner) geht dieses Verhalten in<br />

gezielte Partnerkommunikation (vgl. Kane 1996, 50f) über, in der das Kind z.B. durch Einsatz eben<br />

dieser Körperzeichen fordert, dass es weiter geht und/oder gemeinsam <strong>mit</strong> dem Partner ein Zeichen<br />

für „noch einmal“ entwickelt.<br />

In diesen Phasen ist die kindliche Entwicklung dadurch geprägt, dass Spielroutinen von den Kindern<br />

<strong>mit</strong> großer Begeisterung angenommen und schließlich auch initiiert werden. Die allbekannten<br />

Kinderspiele wie „Hoppe Reiter“, „Fähnchen auf dem Turme“ oder „Geht ein kleiner Mann die Treppe<br />

herauf“ kommen diesen Bedürfnissen durch ihre klare Struktur und durch die Verbindung von Wort,<br />

Intonation und Bewegung entgegen.<br />

2.2 Intentionalität und Symbolverständnis<br />

Für Piaget liegt ein Symbolverständnis erst dann vor, wenn sich im sechsten Stadium der<br />

sensomotorischen Entwicklung innere geistige Vorstellungen ausbilden und Wörter als symbolische<br />

Repräsentationen dieser Vorstellungen zur Verfügung stehen. Piaget ging <strong>bei</strong> seinen Untersuchungen<br />

jedoch von lautsprachlicher <strong>Kommunikation</strong> aus und bezog Zeichen, wie wir sie aus UK-Interventionen<br />

kennen, nicht in seine Betrachtungen <strong>mit</strong> ein.<br />

Im Unterschied zu Piaget wird der Begriff „Symbol“ in der <strong>Unterstützte</strong>n <strong>Kommunikation</strong> nicht im Sinne<br />

eines kognitiven Entwicklungsstadiums verwendet, sondern es findet sich in der Regel ein sehr<br />

weitgefasster Gebrauch, <strong>bei</strong> dem der Begriff für etwas sinnlich Wahrnehmbares steht, das etwas<br />

anderes repräsentiert. (vgl. Bober/Franzkowiak 2001, 12f). Im Sinne dieses weitgefassten<br />

Verständnisses würde ein Kind im dritten sensomotorischen Stadium, das <strong>mit</strong> dem Körperzeichen<br />

„Hand drehen“ die Fortsetzung des Spieles „Wie das Fähnchen auf dem Turme“ initiiert, bereits über<br />

ein Körpersymbol verfügen, also symbolisch kommunizieren.


Allerdings erscheint es sowohl theoretisch als auch praktisch nicht hilfreich, den Symbolbegriff so<br />

stark auszuweiten. Dagegen erweist sich der Oberbegriff „Zeichen“ und darauf basierend die<br />

Unterscheidung zwischen Symbol und Signal als theoretisch einsichtig und praktisch relevant, da sie<br />

den Blick dafür schärft, auf welchem Entwicklungsniveau sich ein Kind befindet.<br />

Ein Signal wird demnach nur in der un<strong>mit</strong>telbaren Situation verstanden als ein Zeichen, das für etwas<br />

steht, das nachfolgt. In diesem Falle ist das Kind in der Lage, die Relation zwischen dem Zeichen und<br />

dem nachfolgenden Ereignis situativ zu begreifen, ohne in der Lage zu sein, das Zeichen in einem<br />

anderen Kontext wieder zu erkennen. Diese Fähigkeit setzt die Entwicklung von erster Intentionalität<br />

im Sinne des dritten Stadiums nach Piaget voraus.<br />

Symbol wäre dagegen der weitergefasste Begriff, der nur dann verwendet wird, wenn ein Mensch in<br />

der Lage ist, dieses Zeichen unabhängig vom Kontext zu verstehen und zu gebrauchen (vgl.<br />

„Anzeichen“ <strong>bei</strong> Piaget, a.a.O., S. 200ff). Für die Verwendung eines Symbols in dem hier skizzierten<br />

Sinne, muss bereits das vierte Stadium nach Piaget erreicht sein.<br />

Wenn es also in der Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> schwerstbehinderten <strong>Menschen</strong> gelingt, für eine bestimmte Aktivität ein<br />

Riechzeichen, ein akustisches Zeichen oder ein Objektzeichen zu etablieren, dieses Zeichen aber nur<br />

in dem un<strong>mit</strong>telbaren Kontext gebraucht und verstanden wird, so handelt es sich um ein Signal.<br />

Sobald dieses Zeichen auch auf andere Kontexte transferiert werden kann, lässt sich von einem<br />

Symbolverständnis sprechen.<br />

3. Bedeutung für <strong>Unterstützte</strong> <strong>Kommunikation</strong><br />

Das Ziel von <strong>Unterstützte</strong>r <strong>Kommunikation</strong> stellt es immer dar, eine Verständigungsbasis zu schaffen<br />

und auszubauen . Für eine gute Verständigungsbasis ist es notwendig, gemeinsam verstandene<br />

Zeichen zu etablieren.<br />

In einem sehr frühen Entwicklungsstadium bedeutet das, eine Situation zu schaffen, in der die<br />

grundlegenden Bedürfnisse eines schwerstbehinderten <strong>Menschen</strong> erkannt und befriedigt werden. Hier<br />

geht es darum, durch genaue Beobachtung der Äußerungen von Wohlbehagen und Missempfinden<br />

die Vorlieben und Abneigungen dieses <strong>Menschen</strong> zu erkunden und Bedingungen zu schaffen, die ihm<br />

möglichst häufig eine Atmosphäre des Wohlfühlens erlauben. Wenn ein schwerstbehinderter Mensch<br />

in einem frühen Entwicklungsstadium kontinuierliche liebevolle Beantwortung seiner Äußerungen<br />

erfährt, besteht eine gute Chance, dass diese Äußerungen einen bedeutungstragenden Charakter<br />

bekommen und sich ausdifferenzieren.<br />

Über liebevolle und zugewandte Versorgung und Pflege hinaus gilt es, systematisch Situationen zu<br />

schaffen, die eine kommunikative Weiterentwicklung ermöglichen. Dazu sind angemessene<br />

Rahmenbedingungen und ein auf die Äußerungen des schwerstbehinderten <strong>Menschen</strong> abgestimmtes<br />

Verhalten der Bezugspersonen die entscheidenden Faktoren. Angemessene Rahmenbedingungen für<br />

eine kommunikative Weiterentwicklung in einem frühen Entwicklungsstadium liegen vor, wenn die<br />

Etablierung von erster Intentionalität unterstützt wird. Das bedeutet, dass die Umwelt so strukturiert<br />

werden muss, dass Handlungen vorhersehbar und dadurch besser beeinflussbar werden. Die<br />

Unverzichtbarkeit eines gut strukturierten, durch wiederkehrende Routinen und Rituale geprägten<br />

Alltags für die kommunikative Entwicklung eines schwerstbehinderten <strong>Menschen</strong> muss allen<br />

Bezugspersonen verdeutlicht werden! Nur wenn eine Situation vorhersehbar ist, hat ein<br />

schwerstbehinderter Mensch die Chance, sich angemessen zu verhalten, seine Bedürfnisse deutlich<br />

zu machen bzw. die Situation nach seinen Vorlieben zu variieren.<br />

Soll sich z.B. aus einer Wickelsituation ein kommunikativ förderliches Ritual entwickeln, so bietet es<br />

sich an, ein „Wickelskript“ zu schreiben, das gewährleistet, dass alle am Wickelvorgang beteiligten<br />

Pflegepersonen ein ähnliches und da<strong>mit</strong> vorhersehbares Verhalten zeigen. So könnte der<br />

Wickelvorgang immer durch ein bestimmtes Signal (z.B. akustisches Signal durch das Schlagen einer<br />

Glocke , das Auflegen einer bestimmten Musik oder das Rascheln <strong>mit</strong> der Windel, Riechsignal durch<br />

Sprühen eines bestimmtes Duftes, Berührungssignal durch das Massieren der Oberschenkel)<br />

eingeleitet werden, da<strong>mit</strong> im Laufe der Zeit für den schwerstbehinderten <strong>Menschen</strong> deutlich wird, dass<br />

nach diesem Signal der Pflegevorgang folgt. Der Wickelvorgang selbst sollte dann immer in einer<br />

bestimmten Reihenfolge verlaufen mir verbaler Begleitung in einfacher, freundlicher Ansprache und<br />

durch Berührungssignale (z.B. leichtes Klopfen auf die jeweiligen Körperteile), die deutlich machen, an<br />

welcher Körperstelle die nächste Pflegehandlung vorgenommen wird. Durch konsequentes Einhalten<br />

einer bestimmten Reihenfolge ermöglichen die Pflegepersonen eine aktivere Beteiligung des<br />

behinderten <strong>Menschen</strong> am Pflegevorgang.. Denn nur wenn er/sie weiß, wie es weiter geht, besteht<br />

eine Chance, <strong>bei</strong>spielsweise an der richtigen Stelle den Po leicht anzuheben oder ein Bein in die Hose<br />

zu strecken.


Besonders wichtig innerhalb eines solchen Rituals sind positiv besetzte spielerische Einheiten, die<br />

z.B. dazu <strong>bei</strong>tragen können, ein Zeichen für „noch einmal“ zu entwickeln. Diese Einheiten benötigen<br />

keinen langen Zeitraum und lassen sich leicht in Pflegehandlungen integrieren. Es kann sich um<br />

Kitzeln, Massieren, Singen, Streicheln, Wiegen, Klatschen, Summen oder ähnliche Aktionen handeln,<br />

die immer an einer bestimmten Stelle erfolgen sollten, im günstigen Fall durch gleiche<br />

Verhaltensweisen angekündigt, da<strong>mit</strong> eine Erwartungshaltung aufgebaut werden kann. Hilfreich ist<br />

hier sich bewusst zu machen, wie ein Spiel wie „Hoppe Reiter“ <strong>mit</strong> seiner klaren Struktur, seiner<br />

Rhythmik und seinem Spannungsaufbau der Entwicklung von Intentionalität <strong>bei</strong> normalentwickelten<br />

Kleinkindern entgegen kommt. Das Wissen um diese notwendigen Elemente sollte auch im Umgang<br />

<strong>mit</strong> schwerstbehinderten <strong>Menschen</strong>, natürlich altersentsprechend modifiziert, handlungsleitend sein!<br />

Für die tatsächliche Etablierung eines ersten Zeichens für z.B. „noch einmal“ gilt es nach Bruner eine<br />

bestimmte Verhaltensäußerung des schwerstbehinderten <strong>Menschen</strong> (z.B. eine bestimmte Bewegung,<br />

eine Lautäußerung, eine Blickbewegung) im Sinne der Überinterpretation als eben dieses Zeichen zu<br />

verstehen und entsprechend zu handeln. Durch immer wiederkehrende Bestätigung der<br />

Verhaltensäußerung als Zeichen für „noch einmal“ lässt sich in vielen Fällen eben dieses Zeichen<br />

gemeinsam entwickeln.<br />

Auf der Basis erster Intentionalität und erster Zeichen (nach dem oben skizzierten Verständnis:<br />

Signale) gilt es dann, diese Signale zu erweitern und daran zu ar<strong>bei</strong>ten, sie auf andere Kontexte zu<br />

übertragen, um ein Symbolverständnis zu etablieren. Auch für den Ausbau des Symbolverständnisses<br />

gelten die oben beschriebenen Kriterien: Entscheidend sind das Verhalten der Bezugspersonen, die<br />

klare Strukturierung der Handlungsabläufe, die konsequente Nutzung von Zeichen (Objektzeichen,<br />

Riechzeichen, Berührungszeichen, Hörzeichen, Bewegungszeichen, Bildzeichen, Sprachezeichen),<br />

die un<strong>mit</strong>telbare Bestätigung der Zeichen durch die entsprechende Aktivität o.ä. und die konsequente<br />

Wiederholung.<br />

Selbstverständlich bedingen die kognitiven Möglichkeiten eines schwerstbehinderten <strong>Menschen</strong> die<br />

Grenzen der Förderung. Bleiben die beschriebenen Basisbedingungen für eine<br />

<strong>Kommunikation</strong>sförderung vernachlässigt, besteht allerdings die Gefahr, dass diese Möglichkeiten<br />

unzureichend erkannt und unterstützt werden,<br />

4. Interventionsplanung am Beispiel von Sven<br />

Außerordentlich hilfreiche und praxisorientierte Anregungen für UK-Interventionen <strong>mit</strong><br />

schwerstbehinderten <strong>Menschen</strong> bietet das australische InterAACtion-Programm (Scope<br />

Communication Resource Center), auf das Ursi Kristen uns aufmerksam machte. Durch eine wahre<br />

Fülle von Ideen, Praxistipps und Vorlagen erleichtert dieser Reader die Ar<strong>bei</strong>t ganz erheblich! Auch für<br />

die Interventionsplanung <strong>mit</strong> Sven konnten wertvolle Anregungen aus InterAACtion gezogen werden.<br />

Sven ist ein 12jähriger Junge <strong>mit</strong> starken kognitiven und körperlichen Einschränkungen. Er sitzt<br />

überwiegend in einem Rollstuhl, kann allerdings auch an der Hand laufen. Er erkundet seine Umwelt<br />

oral und über den Geruchssinn und nimmt <strong>mit</strong> seinen Mitmenschen Kontakt auf, indem er an ihren<br />

Haaren riecht. Er reagiert nur wenig auf Mimik und Ansprache anderer <strong>Menschen</strong> und blickt häufig<br />

„durch sie hindurch“. Er zeigt deutliche Vorlieben für feste Gegenstände, die er in den Mund steckt<br />

und auf denen er herumkaut. Er verfügt weder über Signale noch über Symbole und hat nur wenig<br />

Möglichkeiten, sich seiner Umwelt verständlich zu machen. In der kognitiven Entwicklung ist er<br />

vermutlich am Ende des dritten Stadiums nach Piaget anzusiedeln.<br />

Die tägliche Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> Sven wird besonders durch eine Verhaltenseigenheit belastet: Sowohl <strong>bei</strong><br />

Unzufriedenheit, als auch <strong>bei</strong> Freude, Erregung oder aus Langeweile äußert Sven sich durch hohe,<br />

schrille und andauernde Schreilaute, die nach bereits kurzer Zeit für alle anderen anwesenden<br />

Personen unerträglich werden. Innerhalb seines Klassenverbandes führt dieses Verhalten zu einer<br />

großen Irritation und ablehnendem Verhalten von Seiten der Mitschüler. Sven wird infolgedessen<br />

immer wieder vom Gruppengeschehen isoliert, indem eine erwachsene Bezugsperson ihn aus dem<br />

Gruppenraum entfernt und <strong>mit</strong> ihm durch das Schulgebäude oder Gelände spaziert, da<strong>mit</strong> die<br />

Restklasse in Ruhe weiter ar<strong>bei</strong>ten kann.<br />

Ein Ziel der Intervention stellt dar, Svens Orientierung und <strong>Kommunikation</strong>sfähigkeit so zu erweitern,<br />

dass er Alternativen zu seinen Schreilauten entwickelt und da<strong>mit</strong> sozial besser integriert werden kann.<br />

Folgende Interventionsideen <strong>mit</strong> Sven wurden im Verlauf eines Jahres <strong>mit</strong> Sven erprobt:<br />

1.) Tagebuch<br />

Die täglichen Erlebnisse von Sven werden von den Bezugspersonen in einem Tagebuch<br />

festgehalten, da<strong>mit</strong> seinen momentane emotionale Befindlichkeit besser eingeschätzt werden


kann.<br />

2.) Ritualisierung<br />

Um Sven mehr Sicherheit und stärkere Orientierung in seinem Alltag zu geben, wird der<br />

Tagesverlauf so weit wie möglich ritualisiert. Es werden in der Schule z.B. feste Strukturen für<br />

ein Begrüßungsritual, ein Morgenkreisritual, ein Essenritual, ein Wickelritual, ein Pausenritual<br />

und ein Abschlussritual eingeführt.<br />

3.) Etablierung von Signalen<br />

Ebenfalls <strong>mit</strong> dem Ziel, Sven eine bessere Orientierung im Alltag zu geben, werden Signale<br />

eingeführt. Der Morgenkreis der Klasse wird künftig durch das akustische Signal „Schlage<br />

eines Glöckchens“ eingleitet. Für die von Sven sehr gemochten Singkreise wird das<br />

Objektsignal „Gitarre“, kombiniert <strong>mit</strong> dem akustischen Signal „Zupfen der Gitarrensaiten von<br />

hoch nach tief“ genutzt. Wenn in den Singkreisen Pausen entstehen, wird Sven jeweils vor<br />

Beginn des nächsten Liedes die Gitarre präsentiert und die Saiten werden nach dem gleichen<br />

Schema gezupft. Der Toilettengang soll durch ein Riechsignal eingeleitet werden, indem eine<br />

Windel <strong>mit</strong> einem bestimmten Deodorant besprüht und dieser Duft Sven dargeboten wird. Für<br />

die Essenssituation wird das Objektsignal „rote Brotdose“ eingesetzt, für die<br />

Krankengymnastik das Objektsignal „Igelball“. Spaziergänge sollen durch das Objektsignal<br />

„Kappe“ eingeleitet werden.<br />

Wenn Sven diese Signale deutlich erkennt, sollen weitere gemeinsame Zeichen eingeführt<br />

werden.<br />

4.) Technische Hilfen<br />

Um Svens Eigenaktivität zu steigern und seine Partizipationsmöglichkeiten innerhalb des<br />

Klassenverbandes zu erhöhen, soll ein Powerlink eingesetzt werden. Die Intervention zielt<br />

darauf, Sven die Möglichkeit zu geben, selbst Entscheidungen über Freizeitaktivitäten (z.B.<br />

Musik hören oder Massagegerät starten) zu ermöglichen. Außerdem soll er verstärkt in<br />

Klassenaktivitäten (z.B. Kochunterricht) eingebunden werden, um seine Akzeptanz im<br />

Klassenverband zu erhöhen.<br />

5.) Umgang <strong>mit</strong> Schreilauten<br />

Svens Schreilaute werden künftig nicht weiter verstärkt, d.h. interessante Angebote werden<br />

gemacht, wenn Sven nicht schreit. Die Bezugspersonen werden ihm aus seiner motorischen<br />

Übererregtheit physisch heraushelfen (Tonus reduzieren durch Überführung der Streckung in<br />

Beugung, „Päckchen machen“) und <strong>bei</strong> Beenden des Schreiens Alternativangebote machen,<br />

z.B. ein Musikangebot, gemeinsames Summen und/oder Brummen, Angebot eines<br />

Lieblingsspielzeuges, festen Körperkontakt, rhythmisches Rückenklopfen oder Massage,<br />

Angebot des Powerlinks u.a.. Zusätzlich werden Schreilaute künftig von den Bezugspersonen<br />

deutlich abgelehnt („Nein, nicht schreien!“).<br />

6.) Ich-Buch<br />

Svens Vorlieben, Abneigungen und Verhaltensbesonderheiten werden in einem kleinen<br />

Büchlein beschreiben und seine kommunikativen Möglichkeiten skizziert, um fremden<br />

Personen ein Verständnis seiner Verhaltenweisen zu ermöglichen. Auch die für ihn etablierten<br />

Rituale und Strukturierungen werden erläutert, um zu gewährleisten, dass Sven auch <strong>bei</strong><br />

fremden Bezugspersonen bzw. Wechsel des Personals nicht auf seine Sicherheit und<br />

Orientierungshilfen verzichten muss.<br />

Nach drei Jahren lassen sich folgende Veränderungen und Entwicklungsfortschritte beschreiben:<br />

Sven ist heute nach Aufforderung in der Lage, Gegenstände (Objektsymbole oder ein Bildsymbol) für<br />

einen Moment in den Händen zu halten (die er früher sofort fallen ließ!) und <strong>mit</strong> Hilfestellung auch<br />

wieder zurückzugeben. Ebenso trägt er bestimmte Gegenstände, z.B. das Objektsymbol „Windel“<br />

<strong>bei</strong>m Gang zur Toilette. Er legt das Objektsymbol im Toilettenraum ab, nimmt es hinterher wieder auf<br />

und trägt es wieder zurück in den Klassenraum.<br />

Von den bisher angebotenen Signalen erkennt Sven bereits 11, z.B.<br />

- nach dem Wickeln und einem Berührungssignal (Schulter antippen) dreht er sich in Richtung<br />

Waschbecken zum Händewaschen.<br />

- nach Ertönen des Klangsignals als Zeichen für den Beginn des Morgenkreises steht er <strong>mit</strong><br />

Hilfestellung auf und begibt sich zu seinem Stuhl im Sitzkreis


- nach der Präsentation der roten Brotdose (Objektsymbol für Frühstückssituation) in seiner<br />

Spielecke kommt er nach einer Weile an den Tisch gekrabbelt und zieht sich selbstständig am<br />

Steh-Trainer hoch.<br />

Beim Umzug seiner Klasse in ein neues Gebäude haben die für ihn bekannten Signale erheblich dazu<br />

<strong>bei</strong>getragen, ihm Sicherheit und Orientierung zu geben,.<br />

Sven ist inzwischen in der Lage, <strong>bei</strong> der Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> dem Powerlink zwischen zwei Schaltern<br />

auszuwählen und für ihn Interessantes auszulösen. Da<strong>bei</strong> muss darauf geachtet werden, dass das<br />

Angebot abwechslungsreich ist, da<strong>mit</strong> keine Langeweile entsteht!<br />

Sven interessiert sich zunehmend für die Aktivitäten und Abläufe in der Kursgemeinschaft, kommt<br />

immer öfter aus seiner abgeteilten Spielecke, um seinen Mitschülern <strong>bei</strong>m Ar<strong>bei</strong>ten, Spielen oder den<br />

Kochvorbereitungen am Tisch zuzuschauen. Er kann dann auch über längere Zeiträume interessiert<br />

<strong>mit</strong> am Gruppentisch sitzen. Auch die Teilhabe am Morgenkreis ist inzwischen erheblich erleichtert:<br />

seine motorische Unruhe hat sich verringert und er<br />

kann inzwischen ca. 30 Minuten auf einem Stuhl sitzend am Morgenkreis des Kurses teilnehmen.<br />

Durch rechtzeitige Intervention konnten seine Schreiattacken stark reduziert werden und kommen im<br />

schulischen Rahmen nur noch selten vor.<br />

5. Resümee<br />

<strong>Unterstützte</strong> <strong>Kommunikation</strong> bietet auch ausgezeichnete Interventionsideen für die Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong><br />

schwerstbehinderten <strong>Menschen</strong>. Der Fokus liegt da<strong>bei</strong> auf der Verbesserung der Orientierungs- und<br />

Verständigungsmöglichkeiten <strong>mit</strong> dem Ziel eines möglichst selbständigen Handelns. Entscheidend für<br />

jede Intervention im Bereich der <strong>Unterstützte</strong>n <strong>Kommunikation</strong> sind jedoch die <strong>Kommunikation</strong>spartner<br />

selbst. Nur wenn sie davon ausgehen, dass auch ein schwerstbehinderter Mensch kommunizieren<br />

kann und will und ihr eigenes <strong>Kommunikation</strong>sverhalten auf die Möglichkeiten dieses <strong>Menschen</strong><br />

einstellen, besteht die Chance, dass <strong>Kommunikation</strong> gelingt und ausgebaut werden kann.<br />

Literatur:<br />

Bober, A.; Franzkowiak, Th. (2001): Glossar zur <strong>Unterstützte</strong>n <strong>Kommunikation</strong>. Von Loeper:<br />

Karlsruhe.<br />

Bruner, J. (1973): Organization of early skilled action. In: Child Development 44, 1-11.<br />

Bruner, J. (1977): Wie das Kind lernt, sich sprachlich zu verständigen. In: Zeitschrift für Pädagogik 23,<br />

Nr. 6, 829-845.<br />

Jakobson, R. (1972): Kindersprache, Aphasie und allgemeine Lautgesetze. Frankfurt (Erste Aufl.<br />

Uppsala 1947).<br />

Kane, G. (1996): Entwicklung früher <strong>Kommunikation</strong> und ihre Unterstützung. In : ISAAC (Hrsg.): Edi,<br />

mein Assistent und andere Beiträge zur <strong>Unterstützte</strong>n <strong>Kommunikation</strong>. Von Loeper: Karslruhe.<br />

Oksaar, E. (1977): Spracherwerb im Vorschulalter. Einführung in die Pädolinguistik. Stuttgart: Verlag<br />

Kohlhammer.<br />

Owens, R.E.; House, L.J. (1984): Decision-making process in augmentative communication. In:<br />

Journal of Speech and hearing Disorders 49, 18-25.<br />

Jean Piaget (1973): Das Erwachen der Intelligenz <strong>bei</strong>m Kinde. Stuttgart: Klett Verlag (Original: Piaget,<br />

J. (1959): La naissance de l´intelligence chez l´enfant. Neuchatel: Delachaux et Niestle).<br />

Scope Communication Resource Center (o.J.) : InterAACtion. Strategies für intentional and<br />

unintentional communicators.<br />

Shane, H.C.; Bashir, A.S. (1980): Election criteria for the adoption of an augmentative communication<br />

system: Preliminary considerations. In: Journal of Speech and hearing Disorders 5, 408-414.

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