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Zeichen an der Wand Höhlenmalerei – Felsbilder – Graffiti

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den Kommerzialisierung und <strong>der</strong> einhergehenden „Legalisierung“ auch immer<br />

mehr seine kreative Sprengkraft und politische Glaubwürdigkeit. Seit dem Jahr<br />

2000 findet in Hamburg jährlich die <strong>Graffiti</strong>- Ausstellung URBAN DISCIPLINE<br />

statt, <strong>an</strong> <strong>der</strong> einige <strong>der</strong> besten und bek<strong>an</strong>ntesten Spray-KünstlerInnen <strong>der</strong> Welt<br />

teilnehmen. <strong>Graffiti</strong> wird zu einer ernst zu nehmenden, weltweiten Kunstgattung.<br />

Was k<strong>an</strong>n ein Büchlein und eine kleine Ausstellung über ein Phänomen, das die<br />

unterschiedlichsten Weltbil<strong>der</strong> und Vorstellungswelten, die verschiedensten Denkweisen<br />

ausdrückt, schon leisten? Die Ausstellung und das sie begleitende Info-Buch<br />

können bei diesem Reichtum <strong>der</strong> <strong>Zeichen</strong> bestenfalls grundlegende Erkenntnisse<br />

<strong>an</strong> H<strong>an</strong>d von wenigen Beispielen vorstellen und vermitteln. Die Auswahl <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>,<br />

<strong>der</strong> vorgestellten Orte k<strong>an</strong>n <strong>an</strong>gesichts <strong>der</strong> ungeheuren Vielfalt und Komplexität<br />

<strong>der</strong> Thematik gar nicht <strong>an</strong><strong>der</strong>s als subjektiv sein. An<strong>der</strong>erseits k<strong>an</strong>n keine<br />

Darstellung erschöpfend und objektiv sein und je<strong>der</strong> Versuch <strong>–</strong> auch ein eingeschränkter,<br />

auf einer selektiven Auswahl beruhen<strong>der</strong> <strong>–</strong> ist immer noch besser als<br />

gar keiner.<br />

In diesem Buch, welches <strong>der</strong> Erst-Information dient, findet m<strong>an</strong> daher auch keine<br />

tiefschürfenden Debatten über stilistische, chronologische, typologische o<strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>e<br />

wissenschaftliche Probleme. Es h<strong>an</strong>delt sich um eine Einführung, die keinerlei<br />

Kenntnisse voraussetzt und sich <strong>an</strong> diejeinigen wendet, die sich zum ersten Mal mit<br />

eiszeitlicher <strong>Höhlenmalerei</strong>, mit <strong>der</strong> weltweiten Verbreitung von Felsbil<strong>der</strong>n und<br />

mit dem zeitgenössischen Phänomen des <strong>Graffiti</strong> beschäftigen wollen. Das Verdienst<br />

<strong>der</strong> AutorInnen dieses Sammeltextes liegt darin, für die interessierten Laien<br />

in das jeweilige Thema einzuführen und dieses zusammenzufassen.<br />

Univ. Prof. Dr. Gerhard Bosinski, einer <strong>der</strong> besten Kenner <strong>der</strong> eiszeitlichen <strong>Höhlenmalerei</strong>,<br />

bietet eine überaus lesbare und ausgewogene Aufbereitung des <strong>der</strong>zeitigen<br />

Wissensst<strong>an</strong>des. Fr<strong>an</strong>z M<strong>an</strong>dl von <strong>der</strong> Org<strong>an</strong>isation ANISA (Verein für alpine<br />

Felsbild- und Siedlungsforschung) stellt kenntnisreich die vielfältige Welt <strong>der</strong><br />

Felsritzbil<strong>der</strong> im alpinen Raum vor. Die Ethnologin Petra Pinkl nimmt die Leser mit<br />

auf eine sp<strong>an</strong>nende Reise zu vielen Felsbildfundstätten auf <strong>der</strong> g<strong>an</strong>zen Welt. Harald<br />

Ecker schließlich bietet den Laien mit dem nötigen Sinn fürs Relev<strong>an</strong>te einen ausgezeichneten<br />

Überblick über das vielfältige Thema <strong>Graffiti</strong>.<br />

Eiszeitliche Höhlenkunst<br />

Gerhard Bosinski<br />

Seit <strong>der</strong> Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts gibt es gute Argumente, unsere Geschichte in<br />

vorbiblische Zeiten zu verlängern und unsere Vorfahren als Zeitgenossen heute<br />

ausgestorbener Tiere zu sehen.Von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung waren Ausgrabungen<br />

von Edouard Lartet und Henry Christy im Felsschutzdach La Madeleine <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />

Vézère bei Les Eyzies (Dordogne), denn dort f<strong>an</strong>d m<strong>an</strong> 1864 ein Stoßzahnstück<br />

vom Mammut, auf dem das Bild eines Mammt gezeichnet ist. Einen besseren Beweis<br />

für die Gleichzeitigkeit von Mensch und Mammut konnte es nicht geben.<br />

Außerdem war durch diesen Fund und <strong>an</strong><strong>der</strong>e Bil<strong>der</strong> auf Steinplatten und K nochenstücken<br />

auch klar, dass diese Menschen gut zeichnen konnten.<br />

Als Marcelino S<strong>an</strong>z de Sautuola 1879 in <strong>der</strong> Höhle Altamira bei S<strong>an</strong>till<strong>an</strong>a del Mar<br />

im nordsp<strong>an</strong>ischen K<strong>an</strong>tabrien Ausgrabungen durchführte und seine Tochter Maria,<br />

durch die Funde von Knochen und Steinen vielleicht eher gel<strong>an</strong>gweilt, <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />

Höhlendecke farbige Bil<strong>der</strong> entdeckte (Papa, bueyes!), die ihr Vater auch diesen<br />

Urmenschen zuweisen wollte, ging das d<strong>an</strong>n doch zu weit. Emile Cartailhac und<br />

seine Zeitgenossen wollten diese Bil<strong>der</strong> nicht einmal <strong>an</strong>sehen. Erst als 1895 in La<br />

Mouthe bei Les Eyzies ein Keller erweitert wurde und dabei bisher verschlossene<br />

Höhlengänge frei wurden, <strong>an</strong> <strong>der</strong>en Wänden Jugendliche aus Les Eyzies auch Bil<strong>der</strong><br />

von Wisenten, Pferden und Mammuten entdeckten, schlug die Stimmung um.<br />

Emile Cartailhac schrieb einen Aufsatz zur Ehrenrettung des Marquis de Sautuola<br />

(Mea culpa d’un sceptique) und brachte <strong>der</strong> nun erwachsenen Dona Maria<br />

Blumen.<br />

Seither ist die Höhlenkunst ein wichtiger Best<strong>an</strong>dteil <strong>der</strong> Überlieferung. Heute<br />

kennen wir mehr als 300 Bil<strong>der</strong>höhlen, und jedes Jahr gibt es Neuentdeckungen.<br />

Die weitaus meisten dieser Höhlen liegen in Südfr<strong>an</strong>kreich und Nordsp<strong>an</strong>ien. Es<br />

gibt aber auch ein kleines Zentrum im Ural sowie einzelne Bil<strong>der</strong>höhlen in Italien,<br />

Tschechien und Rumänien. Für das Fehlen von Bil<strong>der</strong>höhlen in Deutschl<strong>an</strong>d und<br />

Österreich gibt es keine vernünftige Erklärung, und es ist wohl nur eine Frage <strong>der</strong><br />

Zeit, bis auch hier entsprechende Entdeckungen gemacht werden.<br />

Die Höhlenbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Altsteinzeit sind eine europäische Erscheinung. In <strong>an</strong><strong>der</strong>en<br />

Teilen <strong>der</strong> Welt gibt es in dieser frühen Zeit nichts Vergleichbares.<br />

Die ältesten Höhlenbil<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Grotte Chauvet (Ardèche) und dem Abri Bl<strong>an</strong>chard<br />

(Dordogne) gehören in die Zeit um 35 000 v.Chr. Die letzten Bil<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Höhle von Gouy (Seine Maritime) datieren um 12 000 v.Chr. Diese Höhlenkunst<br />

gab es also in einem Zeitraum von mehr als 20 000 Jahren. Es ist die Zeit des Jungpaläolithikums<br />

(Jüngere Altsteinzeit), in <strong>der</strong> die Menschen in Europa in einer wildreichen<br />

Steppenl<strong>an</strong>dschaft lebten. Die immer gleichen W<strong>an</strong><strong>der</strong>wege großer Tier-<br />

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