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Zeichen an der Wand Höhlenmalerei – Felsbilder – Graffiti

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Eine beson<strong>der</strong>e Bedeutung erl<strong>an</strong>gten Murals in Nordirl<strong>an</strong>d. In den katholischen<br />

und protest<strong>an</strong>tischen <strong>–</strong> konfessionell getrennten <strong>–</strong> Wohnvierteln von Belfast und<br />

London<strong>der</strong>ry sind sie allgegenwärtig.<br />

Die großflächigen W<strong>an</strong>dgemälde auf Hausgiebeln und Wänden spiegeln augenscheinlich<br />

den Konflikt in Nordirl<strong>an</strong>d wi<strong>der</strong>. Im Stadtgebiet von Belfast grenzen<br />

sich die konfessionell getrennten Wohngebiete scharf von ein<strong>an</strong><strong>der</strong> ab. In Westbelfast<br />

trennt eine aus EU-Mitteln fin<strong>an</strong>zierte Mauer <strong>–</strong> beschönigend „Peace Line“,<br />

Friedenslinie, gen<strong>an</strong>nt <strong>–</strong> das protest<strong>an</strong>tische Wohnviertel Sh<strong>an</strong>kill vom katholischen<br />

Falls.<br />

Die Murals auf dieser Mauer und den umliegenden Gebäuden reflektieren die konfessionellen,<br />

sozialen und politischen Dimensionen des nordirischen Konflikts.Auf<br />

„ihre“ jeweiligen W<strong>an</strong>dgemälde sind die Bewohner <strong>der</strong> Stadtviertel stolz, und restaurieren<br />

sie im Bedarfsfall in Gemeinschaftsarbeit, denn sie sind inzwischen unverwechselbare<br />

Markierungen und Orientierungspunkte im Stadtbild. Auch wenn<br />

viele <strong>der</strong> W<strong>an</strong>dbil<strong>der</strong> Kampfszenen darstellen, und zu Gewalt aufrufen, werden sie<br />

von den Behörden geduldet. So wurde es zur Selbstverständlichkeit, dass die nordirische<br />

Polizei o<strong>der</strong> die britische Armee entl<strong>an</strong>g <strong>an</strong> Murals mit radikalen IRA-Parolen<br />

Patrouille fahren (Abbildung 41).<br />

W<strong>an</strong>dmalerei als „Kunst am Bau“ und als Werbung<br />

„Kunst am Bau“ nennt m<strong>an</strong> in Mitteleuropa seit den 1920-er Jahren eine Politik,<br />

die bildenden Künstlern öffentliche Aufträge durch die Gestaltung von Fassaden<br />

verschafft. Idealerweise sollen sich dabei Architektur und W<strong>an</strong>dmalerei zu einem<br />

homogenen G<strong>an</strong>zen im Sinne eines Gesamtkunstwerkes vereinigen. Die Berufsverbände<br />

<strong>der</strong> bildenden Kunst for<strong>der</strong>ten in Deutschl<strong>an</strong>d und Österreich eine<br />

staatlich gar<strong>an</strong>tierte Beteiligung von Künstlern bei <strong>der</strong> Pl<strong>an</strong>ung und Realisierung<br />

von öffentlichen Gebäuden. M<strong>an</strong> wollte dadurch <strong>der</strong> herrschenden Armut <strong>der</strong><br />

Künstler begegnen und den ‘Hungerkünstlern’ ein Auskommen durch die öffentliche<br />

H<strong>an</strong>d sichern. Seit den 1950-er Jahren <strong>–</strong> <strong>der</strong> Zeit des Wie<strong>der</strong>aufbaues <strong>der</strong><br />

Städte <strong>–</strong> bis in die späten 1970-er Jahre wurde immer wie<strong>der</strong> die For<strong>der</strong>ung nach<br />

Unterstützung <strong>der</strong> bildenden Künste entsprochen.Als Richtwert stellte m<strong>an</strong> <strong>–</strong> je<br />

nach aktueller Gesetzeslage <strong>–</strong> etwa ein Prozent <strong>der</strong> Bausumme für die Kunst bereit.<br />

Die meisten „Kunst am Bau“-Projekte dieser Zeit <strong>–</strong> durchwegs kommunale<br />

Wohnhaus<strong>an</strong>lagen, Gemeindebauten und Amtsgebäude <strong>–</strong> gleichen eher dekorativen<br />

W<strong>an</strong>dmalereien mit Mosaikkunst, die in ihrer figurativen Formensprache von<br />

einem eher konservativen Geist getragen werden.Auch in den sozialistischen Län<strong>der</strong>n<br />

Osteuropas sowie in <strong>der</strong> Volksrepublik China, wurden in dieser Epoche<br />

Staatskünstler beauftragt, Hochhäuser und öffentliche Gebäude mit großflächigen<br />

W<strong>an</strong>dbil<strong>der</strong>n auszustatten. Im Stil des sozialistischen Realismus stellten sie meist<br />

Revolutionsszenen, o<strong>der</strong> Werktätige bei <strong>der</strong> Arbeit in Fabriken dar.<br />

Die Firma Henkel nutzt bereits seit den 1920-er Jahren bemalte Hausgiebel als<br />

Großflächenwerbung für Waschmittel und Hygieneprodukte. Die „Schreitende<br />

Dame“ <strong>der</strong> Persil-Werbung blieb bis heute eine Ikone <strong>der</strong> Werbegeschichte. Das<br />

Unternehmen Beiersdorf wie<strong>der</strong>um entdeckte um diese Zeit öffentliche Verkehrsmittel<br />

wie Busse und Straßenbahnen als Projektionsflächen für die Bewerbung<br />

ihrer Produkte, wie etwa Nivea-Hautcreme. Große, fensterlose Feuermauern,<br />

die weithin sichtbar sind, werben zum Beispiel in Wien auch heute noch mit<br />

großflächigen W<strong>an</strong>dmalereien für Markenartikel und Dienstleistungsunternehmen.<br />

Abb. 41 Götter von Rügen, 2000<br />

© Codeak_Os Emeos_Besok_Akut_Tasso_Sälb_Klar_Jmf_ Desur_ Wow_ Stuka-_ Hesk_ Earl_ Resko_ Power_<br />

Seak_ Daddy Cool_ Stohead_ Daim_ Tasek<br />

<strong>Graffiti</strong>-Kunst und Sachbeschädigung<br />

Für die Reinigung von illegal bemalten Mauern und Zügen von Sprühlack und Farbe<br />

werden auch in Österreich jährlich Millionenbeträge ausgegeben. Einige Reinigungsfirmen<br />

leben inzwischen hauptsächlich vom Säubern <strong>der</strong> Immobilien öffentlicher<br />

und privater Bauträger von <strong>Graffiti</strong>.Vor allem aber die Verwaltungsgesellschaften<br />

<strong>der</strong> Eisenbahnen und die städtischen Verkehrsbetriebe sind mit <strong>der</strong> Sisyphus-Aufgabe<br />

konfrontiert, immer neue Pieces von ihren Waggons und Lokomotiven<br />

zu entfernen. Bahnhöfe in fast allen Großstädten sind mittlerweile mit spe-<br />

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