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Zeichen an der Wand Höhlenmalerei – Felsbilder – Graffiti

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Der wichtigste Pionier <strong>der</strong> zeitgenössischen Verbreitung <strong>der</strong> Schablonengraffiti ist<br />

<strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösische Sprayer „BLEK le rat“ (Künstlername von Xavier Prou). BLEK<br />

sprühte in Paris zunächst kleine Ratten und signierte sie mit seinem Namen. Bald<br />

wurden die Bil<strong>der</strong> größer und aufwändiger, oft stellen seine Schablonen lebensgroße<br />

Menschen dar. Blek le Rat wollte vor allem Bil<strong>der</strong> jenseits <strong>der</strong> Vermittlung<br />

von Kuratoren und Galeristen ausstellen. Bil<strong>der</strong> sollten nicht nur in Museen und<br />

Galerien als Kunst gelten, son<strong>der</strong>n auch, wenn sie ungefragt im öffentlichem Raum<br />

entstehen. International bek<strong>an</strong>nt wurde auch <strong>der</strong> deutsche Schablonen-Sprayer<br />

Thomas Baumgärtel mit seinem Lieblingsmotiv, <strong>der</strong> B<strong>an</strong><strong>an</strong>e.<br />

Auf Wiener Fassaden finden sich etwa seit dem Jahr 2000 Pochoirs in größerer Anzahl.<br />

Im Sommer 2003 hinterließ <strong>der</strong> berühmte, englische Schablonen-Sprayer mit<br />

dem Künstlernamen „B<strong>an</strong>ksy“ Pochoirs in <strong>der</strong> Wiener Innenstadt (Abbildung 39).<br />

Auch <strong>der</strong> gebürtige Bristoler sprüht mit Vorliebe Bildnisse von Ratten und <strong>an</strong><strong>der</strong>en<br />

Tieren. Sein aktuelles Lieblingsmotiv sind jedoch lebensgroße Soldaten mit Maschinenpistolen<br />

<strong>–</strong> und einem Comic-Gesicht. Schablonen-Bil<strong>der</strong> sind reproduzierbar<br />

und ermöglichen höhere Auflagen des gleichen Motivs. Gleichwohl entsteht<br />

bei je<strong>der</strong> Verwendung <strong>der</strong> Schablone ein Unikat. Kein Schablonen-<strong>Graffiti</strong> fällt aus<br />

wie das <strong>an</strong><strong>der</strong>e: Die Projektionsflächen für die jeweiligen Schablonen unterscheiden<br />

sich in Färbung und Textur, werden rissig und bröckeln hier und da ab. Nicht<br />

Abb. 40 Mural in <strong>der</strong> Mischtechnik,Jugendzentrum in Vorarlberg. © KünstlerInnen <strong>der</strong> Wiener Kabelwerke<br />

selten werden die Schablonen-<strong>Graffiti</strong> von <strong>an</strong><strong>der</strong>en weiterbearbeitet <strong>–</strong> mit Aufklebern<br />

o<strong>der</strong> Plakaten überklebt, mit Filzstiften überschrieben o<strong>der</strong> kommentiert,<br />

durch eigene <strong>Graffiti</strong> ergänzt o<strong>der</strong> überlagert. Pochoirs treten meist bescheiden<br />

und unspektakulär auf. Obwohl auch sie in aller Regel ohne Genehmigung <strong>an</strong>gebracht<br />

werden, werden sie nur selten von den Eigentümern <strong>der</strong> Fassaden und ihren<br />

Betrachtern abgelehnt.<br />

Murals <strong>–</strong> W<strong>an</strong>dbil<strong>der</strong><br />

W<strong>an</strong>dgemälde findet m<strong>an</strong> heute vor allem in amerik<strong>an</strong>ischen und westeuropäischen<br />

Großstädten (Abbildung 40).Politisch motivierte Murals entst<strong>an</strong>den in Chile<br />

während <strong>der</strong> Allende-Zeit und in Portugal während <strong>der</strong> Revolution 1975. Entl<strong>an</strong>g<br />

<strong>der</strong> Berliner Mauer blüht die Kultur <strong>der</strong> Mauerbil<strong>der</strong> seit Mitte <strong>der</strong> 1980-er Jahre.<br />

Murals entstehen und gedeihen oft in sozialen und politischen Umbruchsituationen,<br />

o<strong>der</strong> aber sie sind Ausdruck bestimmter Protestbewegungen, <strong>der</strong>en Parolen<br />

sie oft bildhaft umsetzen. Solche W<strong>an</strong>dgemälde können als <strong>der</strong> Versuch von Minoritäten<br />

gedeutet werden, ihr kulturelles Erbe und ihre Identität zu bewahren. Die<br />

Technik <strong>der</strong> g<strong>an</strong>zflächigen Gestaltung von Fassaden wurde wesentlich in den 1920-<br />

er und 1930-er Jahren in Lateinamerika begründet. Mexik<strong>an</strong>ische Künstler wie Rivera,<br />

Siqueiros und Orozco sind die Pioniere einer W<strong>an</strong>dgemäldetradition, in <strong>der</strong><br />

populäre Vorstellungen und das Pathos <strong>der</strong> (mexik<strong>an</strong>ischen) Revolution mit <strong>der</strong><br />

großen Tradition <strong>der</strong> westlichen und insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> italienischen Malerei zusammengefunden<br />

haben. Es h<strong>an</strong>delte sich dabei nicht um eine akademische Bewegung,<br />

obwohl die hauptsächlich beteiligten Künstler akademisch ausgebildet waren.<br />

Diese Tradition wurde in den 1960-er und frühen 1970-er Jahren in den USA,<br />

vor allem in Kalifornien, in einer als gegenkulturell bezeichneten Bewegung wie<strong>der</strong><br />

belebt. In Los Angeles f<strong>an</strong>d die Wie<strong>der</strong>geburt des Interesses <strong>an</strong> <strong>der</strong> W<strong>an</strong>dmalerei<br />

als Volkskunst beson<strong>der</strong>s in Vierteln mit einem großen Anteil <strong>an</strong> afro-amerik<strong>an</strong>ischer<br />

und mexik<strong>an</strong>isch-amerik<strong>an</strong>ischer Wohnbevölkerung statt. Eine Folge davon<br />

war die Entdeckung <strong>der</strong> so gen<strong>an</strong>nten Chic<strong>an</strong>o-Kunst, als Alternative zur Welt <strong>der</strong><br />

etablierten Kunstgalerien und Museen, und auch als Möglichkeit, den Stolz und die<br />

Solidarität <strong>der</strong> mexik<strong>an</strong>isch-amerik<strong>an</strong>ischen Gemeinde auszudrücken. Mehr als ein<br />

Drittel <strong>der</strong> Bevölkerung von Los Angeles ist heute mexik<strong>an</strong>ischen Ursprungs.Als<br />

Ergebnis war und ist die W<strong>an</strong>dgemäldebewegung in Los Angeles voller Kreativität<br />

und Energie.W<strong>an</strong>dgemälde und W<strong>an</strong>dmalerei sind ein wichtiger und respektierter<br />

Teil populärer Kultur. Chic<strong>an</strong>o Künstler <strong>–</strong> also in den USA lebende Künstler mit<br />

mexik<strong>an</strong>ischem Ursprung <strong>–</strong> gew<strong>an</strong>nen um so stärker <strong>an</strong> Selbstvertrauen, je mehr<br />

sie ihre eigenen Vorstellungen und Stile entdeckten. Auf diese Weise wurde die<br />

„chic<strong>an</strong>o art“ ein wichtiger Teil des sozialen und politischen Bewusstseins <strong>der</strong><br />

Stadt, und trägt so zum wechselseitigen Verständnis <strong>der</strong> ethnischen Gruppen fürein<strong>an</strong><strong>der</strong><br />

bei (Jon C. Moynes).<br />

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