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Zeichen an der Wand Höhlenmalerei – Felsbilder – Graffiti

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nischen das Sgraffiti bzw. das <strong>Graffiti</strong> (Einzahl Graffito). Die <strong>Graffiti</strong>, ob gemalt, geritzt<br />

o<strong>der</strong> gesprayt, sind somit das älteste (Mitteilungs-) Medium <strong>der</strong> Menschheit<br />

<strong>–</strong> die ältesten Bildwände werden auf über 40 000 Jahre geschätzt <strong>–</strong> mit einer erstaunlichen<br />

Vielfalt <strong>an</strong> Erscheinungsformen.<br />

Aus <strong>der</strong> noch zu schreibenden universalen Geschichte des <strong>Graffiti</strong> haben wir drei<br />

Themenschwerpunkte, drei Formen von „W<strong>an</strong>dkunst“, die vieles gemainsam haben<br />

und die vieles aber auch trennt, herausgearbeitet und versucht diese in ihren<br />

jeweiligen sozialen und kulturellen Kontexten vorzustellen: eiszeitliche <strong>Höhlenmalerei</strong>,<br />

Felsbil<strong>der</strong> bzw. Felsmalerei und zeitgenössische <strong>Graffiti</strong>.<br />

Die <strong>Zeichen</strong> auf Felsen und in Höhlen sind ein universelles Phänomen und<br />

Dokument nahezu aller Kulturen und Völker dieser Erde. Diese Art von „<strong>Graffiti</strong>“-<br />

Kunst findet sich in fast allen geografischen Regionen dieser Erde: in Asien von Sibirien<br />

bis Indien, in Thail<strong>an</strong>d und Papua Neuguinea, in <strong>der</strong> Inselwelt Polynesiens, in<br />

Afrika, insbeson<strong>der</strong>e in den Felswüsten <strong>der</strong> Sahara und im südlichen Afrika. In<br />

Nordamerika und unter den Berggipfeln <strong>der</strong> Anden findet m<strong>an</strong> Felsbil<strong>der</strong> ebenso,<br />

wie in Australien, in Europa, beson<strong>der</strong>s in Südwesteuropa, im Ural, in Sk<strong>an</strong>dinavien,<br />

im alpinen Raum, auch in Österreich.<br />

Diese Form <strong>der</strong> W<strong>an</strong>dkunst stellt zweifellos das einzige und umfassendste Archiv<br />

und eine Art „Bibliothek“ <strong>der</strong> Menschheitsgeschichte vor <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong><br />

Schrift dar. M<strong>an</strong> hat die Bil<strong>der</strong>höhlen und Felsmalereien mit „Kathedralen <strong>der</strong><br />

Wüste“, mit „Kathedralen <strong>der</strong> Frühgeschichte“ verglichen (Emm<strong>an</strong>uel Anati), wobei<br />

sie sich nicht, wie die heutigen Kathedralen inmitten von Städten, son<strong>der</strong>n im<br />

Gegenteil, <strong>an</strong> sehr entlegenen Orten, in Wüsten, auf Bergketten o<strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>en<br />

schwer zugänglichen Stellen befinden. An Wänden, in Gewölben, im Halbdunkel<br />

o<strong>der</strong> im Dunkel gelegene o<strong>der</strong> dem Sonnenlicht ausgesetzte Stellen sind die bevorzugten<br />

Orte für die Malereien. M<strong>an</strong> findet diese <strong>Zeichen</strong> nicht nur <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />

W<strong>an</strong>d, son<strong>der</strong>n auch auf Werkzeugen und Waffen aus Stein, Horn, Knochen, Elfenbein<br />

und Geweih. Eine <strong>der</strong> größten Ansammlung von Felsbil<strong>der</strong>n im Freien befindet<br />

sich übrigens in den Felsregionen <strong>der</strong> Sahara. M<strong>an</strong>chmal kommt diese W<strong>an</strong>dkunst<br />

in Verbindung mit Siedlungsplätzen vor, m<strong>an</strong>chmal ist sie <strong>an</strong> entlegenen Orten<br />

und Plätzen <strong>an</strong>zutreffen.<br />

Aber nicht nur <strong>der</strong> materielle Träger von <strong>Zeichen</strong> <strong>–</strong> die W<strong>an</strong>d, <strong>der</strong> Fels <strong>–</strong> war relev<strong>an</strong>t,<br />

son<strong>der</strong>n auch die natürliche Umwelt, wie etwa <strong>der</strong> Höhlenraum selbst, war<br />

Teil <strong>der</strong> „Aussage“. Dies gilt in <strong>an</strong>aloger Hinsicht möglicherweise auch für viele<br />

zeitgenössische <strong>Graffiti</strong>, wie etwa für Subway-<strong>Graffiti</strong> o<strong>der</strong> so gen<strong>an</strong>nte Murals,<br />

<strong>Graffiti</strong> <strong>an</strong> Hauswänden.<br />

In den Archiven für Felsbil<strong>der</strong> und <strong>Höhlenmalerei</strong> sind zur Zeit über zw<strong>an</strong>zig Millionen<br />

Darstellungen dokumentiert und täglich werden neue entdeckt. M<strong>an</strong> hat es<br />

hier zweifellos mit einem sehr umfassenden kulturellen Erbe <strong>der</strong> gesamten<br />

Menschheit zu tun.Ein kulturelles Erbe allerersten R<strong>an</strong>ges,für die verg<strong>an</strong>genen und<br />

gleichzeit für die noch kommenden Generationen.<br />

Eiszeitliche <strong>Höhlenmalerei</strong>en sind das älteste Zeugnis des Menschen für die Verwendung<br />

von Farben und Bindemittel überhaupt. Sie sind somit <strong>der</strong> Anf<strong>an</strong>g einer<br />

Art „Geschichte des <strong>Graffiti</strong>“, wobei von Fachleuten die ältesten bek<strong>an</strong>nten Bil<strong>der</strong><br />

in Afrika auf ca. 40 000 Jahre, in Asien auf 35 000 Jahre, in Europa auf 35 000 Jahre,<br />

in Südamerika auf 30 000 Jahre und in Australien auf etwa 22 000 Jahre geschätzt<br />

werden.<br />

Bei diesen „Originalgraffiti“ h<strong>an</strong>delt es sich sozusagen um die ersten 40.000 Jahre<br />

menschlicher Kunst- und Kulturgeschichte. Eine Geschichte <strong>der</strong> vielfältigen, kreativen<br />

und ph<strong>an</strong>tasievollen Windungen und Wendungen des menschlichen Geistes<br />

und ebenso des <strong>an</strong>alytischen, magischen, religiösen und technisch-ästhetischen<br />

Denkens.<br />

Die Botschaften <strong>der</strong> Bildwände sind allerdings kaum eindeutig zu interpretieren,<br />

sodass viele Deutungen möglich sind. Jagdglück, Fruchtbarkeit, Rituale, Tod und<br />

Unglück, magische Praktiken und die Welt <strong>der</strong> Geister könnte m<strong>an</strong> da herauslesen<br />

o<strong>der</strong> hineininterpretieren. Und überall findet m<strong>an</strong> unzählige Tierdarstellungen,<br />

geometrische Formen, <strong>Zeichen</strong> und Symbole, Figuren und das Motiv <strong>der</strong> konzentrischen<br />

Kreise.Was die Erschaffer <strong>der</strong> Felsbil<strong>der</strong> sagen wollten, werden wir wohl<br />

nie wirklich exakt wissen. Schriftliche Erklärungen existieren keine!<br />

Aus semiotischer Sicht stellt <strong>der</strong> Ursprung von W<strong>an</strong>dmalerei eine überaus wichtige<br />

Phase in <strong>der</strong> kulturellen Entwicklung von menschlichen Gesellschaften dar. Es war<br />

die Zeit, in <strong>der</strong> die Menschen beg<strong>an</strong>nen, ein <strong>Zeichen</strong> als <strong>Zeichen</strong>, als Träger von Bedeutungen<br />

und Botschaften zu verstehen. An<strong>der</strong>s als etwa ein Abdruck (z. B. Tierspuren<br />

im Schnee) sind von Menschen bewusst verfasste <strong>Zeichen</strong> mit Bedeutungen<br />

„aufgeladen“ und Elemente eines menschlichen Kommunikationsprozesses. Naturphänomene<br />

<strong>an</strong> sich sagen gar nichts aus, und <strong>Zeichen</strong> sind keine Naturphänomene.<br />

Den Schöpfern <strong>der</strong> ersten Höhlenbil<strong>der</strong> war völlig klar,dass m<strong>an</strong> <strong>Zeichen</strong> zum Übermitteln<br />

von Mitteilungen braucht. Die Absicht mit diesen archaischen <strong>Zeichen</strong> und<br />

Symbolen eine Nachricht auszusenden, unterscheidet sich g<strong>an</strong>z wesentlich von <strong>der</strong><br />

zufälligen Spur eines Tieres. Im einen Fall haben wir <strong>–</strong> wenn m<strong>an</strong> so will <strong>–</strong> Abdrücke,<br />

die die Natur macht, im <strong>an</strong><strong>der</strong>en von <strong>der</strong> Kultur des Menschen geschaffene <strong>Zeichen</strong>,<br />

zum Zwecke <strong>der</strong> Mitteilung. Es ist diese Zeitepoche, die möglicherweise den gemeinsamen<br />

Ursprung von Schrift, Kunst und Technik bildet.<br />

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