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Zeichen an der Wand Höhlenmalerei – Felsbilder – Graffiti

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wurde die Zahlen-Buchstabenkombination „O5“: Das „O“ mit <strong>der</strong> „Fünf“ (sie<br />

st<strong>an</strong>d für den fünften Buchstaben des Alphabets, also „E“) bedeutete „OE“ <strong>–</strong> also<br />

<strong>–</strong> „Ö“ für ein unabhängiges Österreich. Dieses Geheimzeichen schrieben und<br />

ritzten Oppositionelle auf zahlreiche Hausmauern. Ein „O5“- Graffito ist noch<br />

heute neben dem Haupteing<strong>an</strong>g des Wiener Steph<strong>an</strong>sdomes zu besichtigen (Abbildung<br />

31).<br />

Um 1936, zur Zeit des sp<strong>an</strong>ischen Bürgerkrieges, bekundeten auch iberische Republik<strong>an</strong>er<br />

mit <strong>an</strong>tifaschistischen Parolen auf zahlreichen Hausmauern ihren Willen<br />

zum Wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>d. „No Pasar<strong>an</strong> <strong>–</strong> sie werden nicht durchkommen“ war <strong>der</strong> weit<br />

verbreitete Kampfruf, <strong>der</strong> zum geflügelten Wort wurde. Gemeint waren die Truppen<br />

des späteren Diktators Fr<strong>an</strong>co, <strong>der</strong> mit Unterstützung von deutschen und italienischen<br />

Truppen das demokratische Sp<strong>an</strong>ien allmählich eroberte und sich<br />

schließlich doch militärisch durchsetzte.<br />

1945 konnte m<strong>an</strong> auf Hausmauern und Ruinen <strong>der</strong> in Grund und Asche gebombten<br />

deutschen und österreichischen Städte noch mitunter aussichtslose und verzweifelte<br />

Durchhalteparolen lesen, geschrieben in den letzten Wochen und Monaten<br />

des „Endkampfes“. Zu Kriegsende lag die gesamte Infrastruktur sowie das<br />

Abb. 31 O5 eingeritzt am Wiener Steph<strong>an</strong>sdom. O und <strong>der</strong> fünfte Buchstabe des Alphabetes,<br />

E, st<strong>an</strong>den während des Dritten Reiches für Ö wie Österreich. © Harald Ecker<br />

Post- und Telegrafennetz darnie<strong>der</strong>. Die Wände <strong>der</strong> zerstörten o<strong>der</strong> verlassenen<br />

Gebäude wurden nun zu wichtigen Projektionsflächen für Mitteilungen über den<br />

Verbleib <strong>der</strong> einstigen Bewohner. Kriegsheimkehrer auf <strong>der</strong> Suche nach ihren Angehörigen<br />

schrieben mit Kreide o<strong>der</strong> Kohlestücken auf Mauerreste, wo o<strong>der</strong> bei<br />

wem sie <strong>an</strong>zutreffen wären. In <strong>der</strong> Not <strong>der</strong> Nachkriegszeit nutzte m<strong>an</strong> W<strong>an</strong>dnotizen<br />

als Tauschbörse, hier wurden Treffpunkte bek<strong>an</strong>nt gegeben und Tauschobjekte<br />

<strong>an</strong>geboten. Gesucht waren vor allem Medikamente und Nahrungsmittel, getauscht<br />

wurde auch „Tafelsilber gegen Kartoffeln“.<br />

Politische <strong>Graffiti</strong> seit <strong>der</strong> Studentenrevolte <strong>der</strong> 1960-er Jahre in Europa<br />

In großem Umf<strong>an</strong>g traten in Europa politische Spruchgraffitis seit den 1960-er<br />

Jahren auf. Seither spiegeln sie die brennenden zeitgeschichtlichen Themen <strong>der</strong><br />

jeweiligen Epoche wi<strong>der</strong>, stellvertretend seien in Folge einige weit verbreitete<br />

Sprüche gen<strong>an</strong>nt. Im Vor<strong>der</strong>grund steht dabei die Darstellung <strong>der</strong> inhaltliche<br />

Aussagen, <strong>der</strong> politischen Parolen und Symbole, zumeist ohne erkennbaren Stil<br />

<strong>der</strong> Gestaltung. Gemalt und gesprayt wird überwiegend in den Farben schwarz<br />

und rot.<br />

Zunächst dienten politische <strong>Graffiti</strong> vor allem zur Kommunikation unter Studenten,<br />

aber auch zur Provokation konservativerer Kreise. Bei Institutsbesetzungen<br />

wurde regelmäßig auch Sprüche wie: „Unter den Talaren <strong>–</strong> <strong>der</strong> Muff von tausend<br />

Jahren“ <strong>an</strong> die Wände gepinselt. Die Anhänger einer Vielzahl marxistisch-leninistischer<br />

Gruppierungen malten trotzkistische, maoistische o<strong>der</strong> <strong>an</strong>archistische Parolen<br />

auf die Mauern <strong>der</strong> Universitätsgelände. Anti-amerik<strong>an</strong>ische Parolen („Y<strong>an</strong>kee<br />

go home“, „Amis raus aus Vietnam“) nahmen Bezug auf den Vietnamkrieg o<strong>der</strong><br />

bekundeten ihre Solidarität mit den Revolutionären („Ho-Ho-Ho-Chi-Minh“).<br />

In Paris, Berlin o<strong>der</strong> Fr<strong>an</strong>kfurt etwa entdeckten politisch bewegte Jugendliche bald<br />

die gesamte Stadtl<strong>an</strong>dschaft als Projektionsflächen für ihre Statements. Hun<strong>der</strong>te<br />

Symbole wie Hammer und Sichel o<strong>der</strong> das eingekreiste „A“ für Anarchie grüßten<br />

von Straßenbahnstationen, Garagentoren und Wohnhäusern. So gen<strong>an</strong>nte Spontis<br />

riefen zum Kampf gegen das Establishment auf („Macht kaputt <strong>–</strong> was euch kaputt<br />

macht“). Aber auch eine Vielzahl eher poetischer Sprüche wie etwa „Euch die<br />

Macht <strong>–</strong> uns die Nacht“ o<strong>der</strong> „Heute Nacht o<strong>der</strong> nie“ zeugten von den Utopien<br />

<strong>der</strong> jugendlichen Revoluzzer.<br />

Neue subkulturelle Bewegungen lösen die in die Jahre Gekommenen nie abrupt<br />

ab, son<strong>der</strong>n existieren über Jahre hinweg parallel, überlagern sich, und modifizieren<br />

ein<strong>an</strong><strong>der</strong>. Dies wird auch <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d <strong>der</strong> öffentlichen Inschriften deutlich. In den<br />

1970-er und 1980-er Jahren künden die Botschaften <strong>an</strong> den Wänden von neuen<br />

heißen Themen.<br />

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