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Zeichen an der Wand Höhlenmalerei – Felsbilder – Graffiti

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Symbole für Gruppenzugehörigkeit<br />

Nicht immer sollen <strong>Graffiti</strong> die Einzigartigkeit und Individualität des Schreibers dokumentieren.<br />

Mitunter wollen die Schreiber mit <strong>Zeichen</strong> und Sprüchen im öffentlichen<br />

Raum ihre Zugehörigkeit zu einer Gruppe bekräftigen, sei es nun eine Ideologie,<br />

eine Modeströmung o<strong>der</strong> ein Fußballverein.<br />

Die den Fußballf<strong>an</strong>s gemeinsamen Symbole etwa sind <strong>der</strong> Vereinsname und seine<br />

Farben. Die <strong>Graffiti</strong> belegen das: Einige F<strong>an</strong>s nehmen sich die Zeit und breiten akribisch<br />

zeichnend die g<strong>an</strong>ze Vereins-Flagge aus und schnitzten das Wappen unauslöschlich<br />

ein. Oft wird das Symbol mit Strahlen bekränzt o<strong>der</strong> die Strahlen gehen<br />

von ihm aus.An<strong>der</strong>e Vari<strong>an</strong>ten sind Siegeskr<strong>an</strong>z, doppelter Kreis,Totenkopf etc. Beliebige<br />

M<strong>an</strong>nschaftsnamen sind einsetzbar.Vereinswäsche und die Maskottchen tragen<br />

die gleichen Symbole und Embleme.<br />

Lustvolle Zugehörigkeitsbezeugungen zu einer Gruppe o<strong>der</strong> zu einem F<strong>an</strong>club<br />

verschaffen freilich auch <strong>Graffiti</strong> mit Schmähungen und Beleidigungen gegnerischer<br />

Vereine.<br />

Zinken und W<strong>an</strong>dzeichen<br />

Zinken sind Inschriften und <strong>Zeichen</strong>, die u.a. von fahrendem Volk und G<strong>an</strong>oven vornehmlich<br />

auf Mauern gemalt o<strong>der</strong> gekratzt wurden. Das Wort „Zinken“ leitet sich<br />

vom althochdeutschen „Zinko“ ab, das so viel wie „Zacken“ o<strong>der</strong> „Spitze“ bedeutet.<br />

Gezinkt wurde mit Kohle, Rötel, Kreide o<strong>der</strong> Bleistift, o<strong>der</strong> m<strong>an</strong> ritzte die <strong>Zeichen</strong><br />

einfach in die Mauer. Zinken dienten vor allem zu Mitteilungszwecken für Kollegen<br />

und nachfolgende Bettler und Vagabunden etwa benutzten Zinken, um ihresgleichen<br />

zu zeigen, wo und wie erfolgreich gebettelt, gegessen und geschlafen werden k<strong>an</strong>n.<br />

Inschriften dieser Art sind bereits aus dem alten Pompeji (79 n. Chr.) bek<strong>an</strong>nt.<br />

Auch dort gab es so gen<strong>an</strong>nte „Mahlzeitjäger“, die <strong>an</strong><strong>der</strong>e darüber informierten,<br />

wo m<strong>an</strong> vielleicht zu einem Essen eingeladen werden könnte.Von <strong>Zeichen</strong> <strong>der</strong> Fahrenden<br />

und G<strong>an</strong>oven wird auch aus <strong>der</strong> Zeit des Dreißigjährigen Krieges berichtet.<br />

So haben B<strong>an</strong>den durch „Mordbrennerzeichen“ ihre Mitglie<strong>der</strong> darüber informiert,<br />

dass zu einer bestimmten Zeit ein Haus überfallen, ausgeraubt und gegebenenfalls<br />

in Br<strong>an</strong>d gesteckt werden sollte. Bis ins 19. Jhdt. hinterließen entlassene<br />

Sträflinge für ihre Kollegen <strong>Zeichen</strong> und Datum <strong>an</strong> zentralen Treffpunkten, um ihre<br />

Rückkehr und ihren Aufenthaltsort mitzuteilen. Der allgemeine Diebszinken war<br />

ein Schlüssel, durch den ein Pfeil ging. Und es gab Bettlerzinken für Hochstapler,<br />

die sich als Adelige ausgaben.<br />

Noch in <strong>der</strong> Zwischenkriegszeit waren Zinken gebräuchlich, um innerhalb des fahrenden<br />

Volkes darauf hinzuweisen, wo m<strong>an</strong> gratis übernachten könne o<strong>der</strong> wo gut<br />

zu zechen sei. Darauf verweisen <strong>Zeichen</strong> mit Würsten und Bechern auf Wirtshausmauern<br />

o<strong>der</strong> Gasthaustischen.<br />

In Schladming etwa fiel ein Zinken auf, <strong>der</strong> einen Gockel und eine Gabel symbolisierte:<br />

Im Gasthof „Hahn“ wird dem Vagabunden <strong>–</strong> darauf deutet die Gabel hin <strong>–</strong><br />

Fleisch vorgesetzt. In Wirtshäusern selbst wurden von Fahrenden Zinken <strong>an</strong>gebracht,<br />

mit denen sie die Nachkommenden informierten, wohin sie weiter zogen<br />

und wie viele Personen unterwegs waren. Ein Kreuz auf einer Hausmauer verweist<br />

darauf, dass m<strong>an</strong> Frömmigkeit zu zeigen hatte, um hier Gaben zu erhalten. Ein<br />

Kreuz in einem Kreis hingegen deutet darauf hin, dass m<strong>an</strong> in diesem Hof o<strong>der</strong><br />

Gasthaus nicht auf Mildtätigkeit zu hoffen brauchte.<br />

Ein Zinken aus mehreren parallelen Strichen, verbunden durch einen Querstrich,<br />

warnte davor, dass ein Polizist in dem betreffenden Haus wohnte. Zinken<br />

dieser Art sind auch heute noch zu entdecken, allerdings sind nicht bloß Bettler<br />

<strong>der</strong>en Urheber. Kriminalistische Untersuchungen aus den 1980-er Jahren<br />

belegen, dass mehrere ausgeraubte Wohnungen in Wien mit einem „O“ markiert<br />

worden waren.<br />

Auffallend war, dass solche <strong>Zeichen</strong> nur <strong>an</strong> Wohnungen <strong>an</strong>gebracht waren, die<br />

über keine Gegensprech<strong>an</strong>lage verfügten (Der Kriminalbeamte, Mai 1986, S.7f.).<br />

Aber auch H<strong>an</strong>delsvertreter und Mitglie<strong>der</strong> religiöser Sekten bedienen sich<br />

spezieller Zinken, um ihre Mitarbeiter o<strong>der</strong> die Nachkommenden entsprechend<br />

zu instruieren.<br />

Tags<br />

Namenszüge und Signaturen auf Projektionsflächen im öffentlichen Raum häufen<br />

sich seit Ende <strong>der</strong> fünfziger Jahre in vielen Städten <strong>der</strong> Welt. Im Englischen werden<br />

das Wort „tag“ eine Vielzahl von Bedeutungen. Im Zusammenh<strong>an</strong>g mit <strong>Graffiti</strong> werden<br />

als „tag“ einfache,grafisch gestaltete Signaturengraffiti bezeichnet.Vor allem jugendliche<br />

Männer aus unterschiedlichen Subkulturen hinterlassen ihre Namen<br />

o<strong>der</strong> Künstlernamen auf Mauern. Je größer und je öfter m<strong>an</strong> seinen Namenszug<br />

hinterlässt, desto größer die Anerkennung durch die Clique.<br />

Um 1968 nahm in New York das „Taggen“ Bewegungscharakter <strong>an</strong>. Damals best<strong>an</strong>den<br />

Tags meist aus dem Vornamen des Sprayers und aus und dem Namen <strong>der</strong><br />

Straße, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Tagger wohnte. Ein Artikel in <strong>der</strong> New York Times am 21.07.1971<br />

machte diese Signaturen schlagartig bek<strong>an</strong>nt und war <strong>der</strong> Anreiz für Hun<strong>der</strong>te Jugendliche,<br />

diesem Beispiel zu folgen.Aus dem Tag entwickelten sich immer größere<br />

und aufwändigere Formen von Signaturen. Die zunehmende Gestaltung war zunächst<br />

nicht primär künstlerisch motiviert. Es wurde für den einzelnen einfach<br />

immer schwieriger, mit seinem Namenszug aus <strong>der</strong> Masse <strong>der</strong> immer zahlreicher<br />

werdenden Tags herauszustechen.<br />

Also wurden die Tags immer größer, und die Schreiber bemühten sich immer mehr,<br />

ihre Buchstaben farbiger und grafisch <strong>an</strong>spruchsvoller zu gestalten.<br />

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